DIE
JUNGFRAU von TREIDEN.
EIN
HISTORISCH-ROMANTISCHES GEMÄLDE AUS
DER VORZEIT LIVLANDS
VON
ADELBERT CAMMERER.
Motto
: Honorem meum nemini cedo.
ZEIT DER BEGEBENHEIT 1600 à 1620.
RIGA, 1848.
BEI H. SCHNAKENBURG.
Der Druck dieser Schrift wird unter den gesetzlichen Bedingungen gestattet.
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Riga
, den 4. Mai 1848.
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Dr.
C. E. Napiersky
, Censor.
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Seiner Hochwohlgeboren
dem
Herrn Assessor am livl. Hofgerichte zu Riga,
Collegienrath und Ritter
MAGNUS VON WOLFFELDT,
welcher den Preis-Juwel jungfräulichster Grossthat, aus
228jährigem Grabesmoder, mühevoll an das Licht, vor
die Augen und Herzen der Welt gebracht,
dankbar gewidmet
von
dem Verfasser.
Die
Jungfrau von Treiden.
[S 3]
I.
Prolog.
Zu dir,
Livonen-Schweiz
, hinan,
Und deiner Vorzeit Leben:
Lass mich, auf
Clio's
treuer Bahn,
Den
Sänger
-Flug erheben!
Wo schimmern dort, von Sonnengold
Und Abendroth beschienen:
Kremon
,
Thoreida
,
Segewold
,
In klagenden Ruinen;
Wo seit dem Blutwerk' ihrer Schlacht,
Herab in Blumen-Auen,
Von ihrem Thurm bei Mitternacht,
Die todten Ritter schauen;
Wo Feinde nun ein Grab versöhnt;
Und, auf der Vorwelt Leichen,
Der Hügelreihen Stirne krönt
Ein Bürgerkranz von Eichen;
[S 4]
Wo
Flora's
holde Kinder mir
Das Pfühl zum Lager breiten;
Pomona dort, und Ceres hier,
Ein Erntefest bereiten;
Wo nach
Mäander
-Krümmen-Tanz
Des Stromes, die
Najade
,
Bei lauer Welle Silberglanz,
Dem
Amor
winkt zum
Bade
;
Wo aus der
Felsengrotte
spricht
Der Heidenwelt
Sibylle
;
Und bei
Dryaden
Kränze flicht
Die
Muse
der
Idylle
;
Wo hell, zum Morgenstern empor,
Der Haine Lieder wallen;
Und Wehmuth schwelgt im Tausendchor
Von
Hölty
-Nachtigallen: —
Zu dir hinan,
Livonen-Schweiz
!
Nach deiner Vorzeit Leben,
Und deiner
Anmuth
Blüthenreiz',
Will ich den Flug erheben.
Thoreida
sei des Fluges Ziel!
Asträa
soll mich führen! —
Ein
Opfer
, das dem Herrn gefiel,
Soll tief die Seele rühren!
[S 5]
Nicht
Männer
aus der
Ritter
Zahl,
Gegossen wie von Eisen;
Nicht
Helden
von Granit und Stahl,
Will meine Harfe preisen:
Der
Weltgeschichte
stolze Macht
Hat ihren Kranz gewunden;
Sie kann nicht leben ohne Schlacht,
Nicht ohne Völker-Wunden!
Ihr
Griffel
hat so manchen
Wicht
Gigantisch aufgemessen;
Und mancher
stillen
Grösse Licht,
Das
Welten
strahlt,
vergessen
!
Die
Jungfrau
, die
mein Lied
erkor,
Zum Preis und Ehrenmale:
Sie trat aus öder
Nacht
hervor;
Nicht aus dem Marmorsaale.
Es war, in Gottes freier Luft,
Ein Schlachtfeld ihre Wiege;
Das Brautgemach — die Todtengruft;
Ihr Tod — ein Sieg der Siege!
Hat
gross
in Rom
Lucretia
Die Schmach in Blut begraben:
So steht die
Deutsche
—
grösser
da,
Und fleckenlos erhaben.
[S 6]
Entweiht
nur sank in Todeshand
Die römische Matrone:
Doch
sie
,
Livona's
Tochter fand,
Im Tod — die Martyrkrone!
Dort muss ein
Frauentod
dem Staat'
Die
Freiheit
vorbereiten:
Doch meiner
Jungfrau
Heldenthat —
Entschwand
dem Buch' der Zeiten!
Sie lag, im Zweijahrhundertlauf',
Der Nächte Nacht zum Raube;
Da stieg sie neuem Leben auf,
Aus Moderschutt und Staube.
Und
Jener
, dem die
That
gelang,
Der Welt sie neu zu geben:
Er möge nun im Lobgesang,
Wie
seine Jungfrau
, leben!
[A]
[S 7]
II.
Vor dem Burggetrümmer von Treiden.
Fremdling
, der sich mir gesellt!
Gast
, bei Mondenscheine!
Sieh! von weiland stolzer Welt,
Deren Denkmal hier zerfällt,
Reden noch die Steine. —
Und — von jenem
Ritter
-Spiel,
Das im Blute stieg und fiel:
Zeugen, aus dem
Grab
-Gefild',
Helm und Panzer, Schwert und Schild,
Schädel und Gebeine; —
Segen
-Grossthat —
keine
!
Oft, seit grauer Heiden-Nacht,
Spielwerk roher Völkerstürme:
Sank,
Thoreida
! deine Macht;
Sanken deine Riesenthürme!
Aber — liess versöhnte Zeit
Ihre Schlachtendonner schweigen:
Sah das Volk die Herrlichkeit
Wieder aus dem Grabe steigen.
[S 8]
Völkermark und Heldenblut
Sollte diese Fluren düngen!
Stets erneuter Kämpfe Wuth
Musste diese Welt verjüngen!
Fürst und Ritter, Herr und Knecht,
Schweden, Polen, Lithuanen,
Und der Reussen Landesrecht:
Fochten um den Sieg der Fahnen.
Ritterthum und Mönch-
Asyl
—
Beidem klang die Todtenmette;
Und von ihrem Trauerspiel'
Blieb dem
Volke
— nur die
Kette
!
Aber — als dem Siegerglück'
Treiden
sank, im Opfertode:
Gab dem Fest' — ein
Weltgeschick
—
Noch ein Stück, als
Episode
!
Und, wenn Bücher ohne Zahl,
Hier, von Schlachtenruhm erzählen:
Will ich nun, zum
Heldenmal'
,
Nur die
Episode
wählen.
[S 9]
Jungfrau
, wie dein Schicksal gross!
Grösser noch, in deinem Falle!
Komm', aus tiefem Gräberschooss',
In des Ruhmes Ehrenhalle!
Manchem Helden sank der Muth,
Sein Verhängniss zu ertragen:
Aber
du
, in deinem
Blut'
,
Hast dein Schicksal
mit
erschlagen!
Wand'le denn, mit deinem Ruhm',
Durch die Wahrheit im Gedichte, —
Von Minerva's Heiligthum',
Hin, zum Tempel der
Geschichte
!
[S 10]
III.
Rosa Mai.
Luna
schien zur Abendfeier,
Und in ihrem Sternenschleier
Kam die thränenfeuchte Nacht;
Tausende, noch unbegraben,
Geierbeute, Spiel der Raben,
Trug das Blutgefild der Schlacht.
Aber
Manche
, reich an Wunden,
Die das Ende
nicht
gefunden;
Sah'n aus Leichenschutt hervor!
Der Verzweiflung wilde Töne,
Fluch, Gebet, und Angstgestöhne,
Drangen noch zu Gott empor!
Tochter, Gattin und Matrone,
Fanden hier den Tod zum Lohne,
Treu der Ehre, sonder Schmach!
Ja, der Hekatombenspende
Sandten auch die Würgerhände
Noch das Kind der Wiege nach!
[S 11]
Doch — indess bei Mondenschimmer,
Droben auf dem Burg-Getrümmer,
Noch der Todesengel sass;
Und die ungelad'nen Gäste,
Bei
Thoreida's
Todtenfeste,
Lärmen, schwelgen, ohne Maass; —
Während dort, wie Feuerdrachen,
Brände durch die Lüfte krachen,
Mit der Hölle Glutgewalt:
Sieh, da wandelt, Gott-berufen,
Einsam auf den Trümmerstufen,
Eines
Freundes
Huldgestalt!
Greif
, der
Schreiber
auf dem Schlosse,
Waffenlos im Kriegertrosse,
Und dem
Sieger
unterthan:
Gründet sich, den Muth zum Schilde,
Nieder zu dem Schlachtgefilde,
Mühenvoll die schwere Bahn.
Labsal für die rechte Stunde,
Oel und Balsam für die Wunde,
Und vielleicht das
letzte
Brot:
Trug er liebend und geschäftig;
Trug der
Edle
, thatenkräftig,
Für der Nöthen höchste Noth!
[S 12]
Spähend nun im Leichenbette,
Ob die Hand noch Leben rette:
Warf er seinen Blick umher;
Doch, bei allem Muth und Streben,
Fand er keine Spur von Leben,
Keinen Strahl der Hoffnung mehr.
Von des Todtenfeldes Mitte,
Wandt er, klagenvoll, die Schritte,
Wieder heim, an seine Pflicht;
Aber
sieh
! die Blicke schauen —
Noch ein
Bild
von
Edelfrauen
,
Weiss, wie Schnee, von Angesicht!
Liebend folgte sie dem
Gatten
,
Selber in das Reich der
Schatten
;
Sein auf ewig, hier und dort!
Denn vermählte Seelen tragen,
Wann die Herzen nicht mehr schlagen,
Ihre Liebe mit sich fort.
Und an ihrem starren Busen
Lag, — zu fernem Lied' der Musen,
Grosser That noch aufbewahrt, —
Von dem Schicksal auserlesen:
Noch ein
kleines Engelwesen
,
Gleich der Perle rein und zart!
[S 13]
Halb dem Würger hingegeben,
Mehr schon Leiche, kaum noch Leben,
Mit dem Rest von Lebenslust:
Sog das Kind am Nektarbronnen;
Doch — er war zu
Eis
geronnen!
Marmor blieb die kalte Brust!
Greif
, der Edle, Muthbeseelte,
Greif
, der von dem Herrn Erwählte:
Nahm das Kind in Vaterarm;
Pflegte sein mit Lust und Bangen,
Küsste Rosen auf die Wangen,
Und die kalte Lippe warm.
Wie von Sturmes Macht getrieben,
Führt ihn
Liebe
dann zur
Lieben
,
Hin, zur
Gattin
, ihm vertraut:
Die
, von hohem Söller droben,
Herz und Blick zu Gott erhoben,
Einsam in die Ferne schaut.
Und er kam mit froher Kunde!
Und aus seinem Rettermunde
Klang der Liebe Zauberton:
»
Mutter
, wirf den Kummer nieder!
Eine
Tochter
bring' ich wieder,
Nach dem früh verklärten Sohn!« —
[S 14]
Sieh! und Thau in holden Augen,
Liess die Mutter
Kindlein
saugen,
An der Lebensfülle Born. —
Beifall winken, aus der Ferne,
Myriaden gold'ne Sterne;
Luna
mit dem Silberhorn!
»Für den
Sohn
, von Gott empfangen,
Für den
Sohn
, zu Gott gegangen:
Sei nun
Tochter
diesem Haus!« —
Also
, nach dem Sturm' der Leiden,
Also
sprechen —
Eins
die Beiden,
Dankbar, ihren Segen aus.
So nun, an des Todes Thoren,
Kaum dem Leben neu geboren,
Nicht zum Opferlamme reif:
Sieht der
Säugling
, zart umfangen,
Mit der Liebe Kussverlangen,
Auf den lieben Vater
Greif
.
Diesen
führt, am nächsten Tage,
Ringsumher die Sorgenfrage:
Nach der Eltern Stammgeschlecht;
Aber, ach, die Todten schweigen!
Nimmer will sich Kunde zeigen;
Sein
wird also
Vaterrecht
.
[S 15]
Segen wird der
Herr
verleihen;
Taufe
soll die Tochter weihen,
Durch geweihte Priesterhand:
Doch, der Tempel, in Ruinen,
Kann dem Himmel nicht mehr dienen;
Sein Altar und Diener schwand! —
»Gottes Vaterblicke wachen!
Seine Gnade, stark in Schwachen,
Werde Schild und Wanderstab!
Seinen
Engel
wird er senden;
Unheil von dem
Kinde
wenden,
Dessen
Wiege
war — ein
Grab
!« —
So
, gestählt von solchem Worte,
Wandelt
Greif
zur Eisenpforte,
Mitten durch die Kriegerschaar;
Eilt dann, muthig, mit der
Kleinen
,
Und im Treugeleit' der Seinen,
Fernhin, zu des
Herrn
Altar.
Bei der
Taufe
zu bekunden,
Wann
die
Tochter
aufgefunden,
Und dem Tag' gewonnen sei:
Nannte
Greif
die Namenlose —
Rosa Mai
, die Maienrose,
Nach dem Blüthenmonde
Mai
.
[S 16]
Dank nach
Oben
wird gesendet;
Opfergabe dann gespendet,
Wie sie dem Altar' gebührt;
Und so kehren heim die Beiden,
Wieder nach dem Schlosse
Treiden
,
Und — wohin der
Himmel
führt.
Dann — wie
Vatergüte
schalten,
Dann — wie
Muttertreue
walten,
Und die Liebe pflegen kann:
Soll hinfort das
Kind
erfahren! —
Monde reifen so zu Jahren,
Bis der Jugend Lenz begann.
[S 17]
IV.
Ihre Jugend, Erziehung und Geschäftigkeit.
Sieh, und Kriegesdonner schweigen!
Neue Lebensbäume steigen
Aus dem feuchten Modergrab'!
Holde Friedensengel schweben,
Ueber Saat und Flurenleben,
Für gemess'ne Zeit herab.
Wieder
neu
, zu
Gottes
Ehre,
Prangen Tempel und Altäre;
Fester stieg der Festen Bau.
Und von
Treidens
Thurm und Saale,
Grüsst der Blick im Blumenthale,
Neu, die alte Bilderschau.
Glockenton und Liederklänge,
Orgel und Choral-Gesänge,
Tönen festlich, nah' und fern;
Rosa
kniet im Kirchenstuhle,
Horcht den Lehren in der Schule,
Vor dem
Prediger
des
Herrn
.
[S 18]
Seiner
Pflege,
seinen
Sorgen,
Anvertraut am Jugendmorgen,
Auch in Liebe zugethan:
Also
, stets bei regem Fleisse,
Ringend nach dem Ehrenpreise,
Blüht das
holde Kind
heran.
Keinem schnöden Wahn zum Raube,
Tief gegründet, ruht ihr
Glaube
,
Wie ein Fels im Meer' der Zeit!
Nur dem Bund der
Christus
-Lehre,
Frommer Sitte, Zucht und Ehre,
Blieben Geist und Herz geweiht.
So
dann führt der
Kirche
Segen
Sie dem Tagberuf' entgegen,
Muthreich wider Missgeschick!
Und so kehrt sie, achtzehnjährig,
Wohl belehrt, zu Mehr gelehrig,
In der
Lieben Arm
zurück.
Kaum begrüsst im
Vaterhause
,
Kennt ihr Walten keine Pause,
Ihr Bemühen keine Rast;
Allem Winke zu genügen,
Schafft die Arbeit nur Vergnügen,
Und die Sorge keine Last.
[S 19]
Immer neuen Reiz entfalten,
Hass in Liebe umgestalten,
Gottes-Frieden in der Brust;
Kummer scheuchen, Groll versöhnen.
Auferbauen und verschönen:
Ist ihr Tagwerk, ihre Lust!
Soll ich nun die
Zauber
malen,
Die aus ihrem Auge strahlen,
Aus dem holden Angesicht'? —
O, der Götterwelt Gebiete,
Auch
Homer
und seine Mythe,
Malen ihre Zauber nicht!
[S 20]
V.
Die Freier.
Rein, wie die Rose von
Eden
, erblüht
Rosa
, die herrliche
Maid
;
Hauchend den Balsam in wundes Gemüth,
Heilung in Kummer und Leid.
Nektar, wie
Hebe
, zu spenden bereit,
Kämpfern mit bösem Geschick;
Und zu verklären die Trübe der Zeit,
Hell, mit dem sonnigen Blick':
Also
nur war sie danieden, der Welt,
Himmel
zu gründen bedacht! —
Tage so wurden zu Tagen gesellt,
Süss, wie die Träume der Nacht!
Venus Urania
— sie nur beseelt,
Rosa
dich, ohne Gefahr!
Aber — auch
Venus
von
Knidos
erwählt
Treiden
zu ihrem Altar!
[S 21]
Amor
entsandte, mit Zaubergewalt,
Pfeile von seinem Geschoss;
Manche
der
Freier
, von Heldengestalt,
Hält er gefangen im Schloss!
Lüstlinge reden von Wappen und Stand,
Preisen im Grabe den
Ahn
;
Zierlinge bieten vermessen die Hand;
Rühmen, was Jeder gethan.
Zärtliche Buhlen, von altem Geschlecht',
Malen die Ferne so klar!
Redliche
— lieben nur schlicht und gerecht,
Doch die Gefühle sind wahr.
Aber — ob Mancher dem Auge gefiel;
Ob er auch liebe, so heiss!
Keiner
gewann sich das herrliche Ziel:
Liebe für Liebe den
Preis
!
[S 22]
VI.
Victor Heil, der Fremdling.
(Vom Lande Würtemberg.)
Ein
Jüngling
, wie ein Göttersohn
Aus weiland gold'nen Tagen,
In dessen Auge seinen Thron
Gott
Amor
aufgeschlagen;
Der Kraft und Schönheit Conterfei,
Geschaffen, um zu siegen;
Wie Tanne schlank, wie Ceder frei,
Im Sturme sich zu wiegen:
Ein
solcher Jüngling
, hehr und mild,
Und frei von allem Fehle:
War
Victor Heil
, das
Musterbild
,
Von dem ich nun erzähle.
In
Würtemberg
, dem
Schlosse
nah',
Von dessen Blumenhügel
Der
Ruhm
von
Stauffen
niedersah,
Und schwang die Weltenflügel:
[S 23]
Da
war dem jungen Heil die Zeit
Der
Kindheit
hingeschwunden;
Da
grub in seine Seligkeit
Sein
Loos
— auch
Todes
-Wunden!
Im
Vaterhause
früh gewöhnt
Zu Regelmaas und Fleisse;
Der Schule Vorbild, und gekrönt
Mit manchem Ehrenpreise:
Beschloss er, wach für jeden Keim,
Der Kenntniss zum Gedeihen,
Die volle Kraft dem
Musenheim
Von
Tübingen
zu weihen.
Da — zehrte
Brand
am
Vaterhaus
!
Und —
Staub
war seine Habe! —
Dann starben ihm die Freuden aus,
An seiner
Eltern Grabe
!
Ein
Oheim
, der die
Gartenkunst
In Meisterschaft betrieben:
War noch, in langbewährter Gunst,
Dem Jüngling
hold
geblieben.
Sein liebes Thal-
Asyl
umwand
Ein
Garten
, sonder Gleichen;
Denn alle Gärten, weit im Land',
Sie mussten diesem weichen.
[S 24]
Und
hier
, in ländlicher Natur,
Gewiegt auf ihrem Throne;
Vertraut mit Blumen jeder Flur,
Mit Blüthen jeder Zone!
Hier
, in der besten Schule war
Die
Probe
bald gelungen;
Der
Jüngling
sah, nach Einem Jahr,
Den Meistergrad errungen!
Dann rief es ihn zu Wanderlauf,
Nach aller Deutschen Weise,
Gen
Westen
wie gen
Süden
auf,
Zur langersehnten Reise.
Gewandert viel, mit Forscherblick,
Beschloss er, Mehr zu wagen;
Bis Glückesruf und Missgeschick
Nach
Norden
ihn getragen.
Da hielt
Livona's
Blumenkranz
Den
Jüngling
bald gefangen;
Es war ein
Stern
von Wunderglanz
Am Himmel aufgegangen!
Der holde
Stern
gefiel sich dort,
Und wollte nimmer scheiden;
Und Zauber trug den Jüngling fort,
Es war — der
Stern
von
Treiden
!
[S 25]
Wie Pilger nach dem
Gnadenbild'
,
Zu flehen dort um Segen:
So pilgert
Heil
, im Thalgefild',
Dem nahen Schloss entgegen.
Der
Stern
, im
Rosa
-Farbenspiel,
War sein Geleit' geblieben;
Die
Burg
umfing sein
Wonneziel
!
Er kam — und sah — zu lieben!
Das Götterbild der Phantasei,
Es prangt in vollem Leben!
Der
Schatten
soll, in
Rosa Mai
,
Zu
Wahrheit
sich erheben.
Er schien mit ihrem Blick vertraut,
Mit jedem Zug der Mienen;
Es war ihm ja die Todesbraut
In Träumen oft erschienen.
Der
Holden
klang sein Abendgruss,
Wie Lied von gold'nen Zeiten;
Und
Beiden
kam ihr
Genius
,
Mit allen Seligkeiten.
Dem
Alten
war, gesehen kaum,
Der Jüngling
werth
erfunden;
Und
diesem
schwand, wie Engeltraum,
Die seligste der Stunden.
[S 26]
Der
Mutter
kam ihr
Sohn
zurück;
Und lautlos horchten Alle:
Da
Victor
sprach von Jugendglück',
Und von des Glückes Falle.
Darauf im Dichterfluge mass
Der Jüngling noch die
Reise
;
Und bei dem Abendbrot' vergass
Der Frohe Trank und Speise.
Denn ihm zur Seite strahlte
Sie
,
Gleich einem Prachtjuwele:
Das Kleinod seiner Phantasie!
Das Leben seiner Seele!
Und zögernd schloss der
Sehnsucht Wort
Den Sabbath stiller Pause:
»Mir ist so wöhlig hier am Ort',
Wie fern im Vaterhause!
O, lasset mich ein ödes Land
Auf Eurem Grunde finden!
Dann soll Euch meine
Gärtnerhand
Ein
Paradies
begründen.«
Und
Greif
, dem jungen Eifer hold,
Entgegnet, ohne Säumen:
»Es fehlt, im nahen
Segewold
,
Dir nicht an öden Räumen.
[S 27]
Da führen an das off'ne Thor
Noch Reste von Alleen;
Auch war ein reicher Blumenflor,
Dem Schlosse nah', zu sehen.
Doch seit ihr
Pfleger
sank dahin,
Zu frühen Grabes Frieden:
War auch die Blumenkönigin
Von Segewold geschieden.
Der
Schlossherr
, dessen hoher Gunst
Die Meinen sich erfreuen:
Will durch Genossen Deiner Kunst
Die alte Pracht erneuen.
Er hält den Mann aus
Deinem
Land',
Vor Allen, hoch in Ehren;
Und wer die Probe treu bestand,
Kann reichen Lohn begehren.
So pflege denn für diese Nacht
Der Ruhe noch in Treiden!
Der nächste Tag, der uns erwacht,
Soll über Dich entscheiden.«
[S 28]
VII.
Victor's kurze Nacht in Treiden.
Die Schlossuhr kündet Mitternacht,
Und Schlaf regiert im Hause;
Nur
Heil
und seine
Liebe
wacht
Noch einsam in der Klause.
Die Geisterstunde ging und schwand,
Wie Augenblicke schwinden;
Doch — was die volle Brust empfand,
Liess keine Ruhe finden!
Die Schatten der Vergangenheit,
Bald heller und bald trüber:
Sie zogen aus dem Grab' der Zeit,
An seinem Blick vorüber.
Dann voll der
Zukunft
-Sorge, schlug
Der Geist an ihre Pforte;
Und sandte dem Gedankenflug',
Geflügelt nach, die
Worte
:
[S 29]
»Hinweg denn mit dem Wanderstab!
Mein Schicksal ist entschieden!
Du Wiegenland und Vätergrab',
O, grünet fort, im Frieden!
Du Paradies der Heimathflur!
Des Neckar-Landes Auen!
Der Jüngling wird im
Traume
nur
Hinfort euch wieder schauen.
Der
Gärtner
zog durch Länder hin,
Um fern, im Rosengarten,
Der zarten Blumenkönigin
Zu pflegen und zu warten.
Und leb' ich nur vereint mit
Ihr
,
Der
Einzigen
auf Erden:
Soll auch die starre
Wüste
mir
Ein Garten
Gottes
werden!« —
Mit
solcher Tröstung
schien dem Gast'
Der Wünsche Ziel gefunden;
Und einer Zukunft Weltenlast
War seinem Traum geschwunden.
Doch
draussen
ging sein
Wunderstern
,
Von Trauerflor umhangen!
Und dräuend war, im Osten fern,
Sein
Schicksal
aufgegangen.
[S 30]
VIII.
Die Felsengrotte des Victor Heil.
Dort
, im Schattenkühl der
Guttmann'shöhle
,
Deren Felsendach die Eiche
ziert
;
Wo
, seit
Rosen's
Heimgang,
Philomele
Tief, wie Schwermuth, Dir die Seele rührt;
Wo
der
Live
seinem
Freudengotte
,
Gern und einsam in der Sommernacht,
Gaben senkend in den Quell der Grotte,
Seine Dankesopfer dargebracht:
Dort
auch fanden, nach der Tage Sorgen,
Unter Blüthenduft im Abendschein,
Sich
vertrauend und der Welt verborgen,
Victor Heil
und
Rosa Mai
sich ein.
Amor
lieh sein Flügelpaar den
Beiden
,
Wann der Sonnengott zu Bette ging;
Ihm
von Segewold und
Ihr
von Treiden,
Bis die Grotte dann ihr Glück umfing.
[S 31]
Greifen's Tochter
war der Braut Geleite;
Kind, das kaum den neunten Frühling sah:
Blieb sie gern den
Lieben
an der Seite;
Winkes harrend, ihrem Wunsche nah',
Aus der
Ferne
schon die
Maid
zu schauen,
War der
Jüngling
bald bei Nacht bemüht:
Noch ein
zweites
Höhlenwerk zu bauen,
Das der Fremdling noch zur Stunde sieht.
Droben
, dem
Naturgebäu
zur Linken,
Das sich
unten
wölbt, in Thalesgrund:
Seh'n wir heute
Victors Höhle
winken,
Denn
sein Name
schmückt ihr Felsenrund.
Fleiss der Liebe, Fleiss der Hände schufen:
Was gen
Segewold
den Blick gewährt;
Doch so manche, sonst bequeme Stufen
Haben Zeiten und ihr Sohn zerstört!
Welche Freude kam auf ihre Seele:
Da die
Holde
nun dem Ziele nah',
Droben aus dem Bauwerk seiner Höhle,
Den
Geliebten
in der Ferne sah!
Und so weilte sie, bei Tagesneige,
Mit der
Schwester
, an der
Grotte
Rand':
Bis sie, schauend durch das Grün der Zweige,
Ihren
Freund
auf seinem Wege fand.
[S 32]
Wie das ew'ge Licht der Kathedrale,
Hing der Abendstern am Himmelsdom;
Widerstrahlend, längs dem Zauberthale,
Sah der Vollmond aus dem Silberstrom.
Unten sang ihr Lied die Grottenquelle;
Ferne sprach der Mühle Wasserfall;
Und im Laubdach auf der Felsenzelle
Schlug die Flötenuhr der Nachtigall.
Und die
Lieben
sassen, wonnetrunken,
Hand in Hand, auf moosig weichem Pfühl,
In der
Liebe
Seligkeit versunken,
Voll der Andacht, voll von Dankgefühl!
Gleich dem Blüthenthal vor ihrem Blicke,
Gleich des Stromes ungetrübtem Lauf':
Fern dem Unheil, fern dem Missgeschicke,
Ging die Zukunft ihren Träumen auf.
Keine Ahnung jener Schicksalmächte,
Die dem Glücke liefern blut'ge Schlacht:
Weckte noch den süssen Schlaf der Nächte;
Trübte noch der Tage Rosenpracht!
Ach
, — und
morgen
, eh' dem Sonnenwagen
Folgt der Abendröthe letzte Gluht:
Hat Dich,
Rosa
, schon der
Mord
erschlagen!
Trank die Erde schon Dein Heldenblut!
[S 33]
IX.
Der 6. August.
»Junker
Victor
lässt Euch grüssen,
Mit dem
Wunsch'
an Euer Herz:
Ihm noch, tröstlich, zu versüssen
Bald'ger
Trennung
-Stunde Schmerz!
Hat am Abend noch zu sorgen,
Im Geschäfte für den
Herrn
:
Aber schon der nächste Morgen
Findet ihn — dem Hause
fern
.
Fräulein möge sich bequemen:
Von dem
Treuen
noch ein Wort,
Vor der Reise zu vernehmen,
Dort, am ihr bewussten Ort'!
Heute, nach vollbrachtem Mahle,
Bei der
Mittagsonne
Strahl',
Harret
Victor Heil
im Thale;
Und — vielleicht — zum
letzten
Mal!«
[S 34]
Diese trauervolle Kunde,
Nicht der Liebe Träumen hold:
Kam der
Braut
aus
Boten-Munde
,
Nach dem
Schein
, von
Segewold
.
Sinnend ob des Wort's Bedeuten,
Sprach sie dennoch schnell gefasst:
»Wenn sie heut' zu
Mittag
läuten,
Bin ich meines Trauten Gast.« —
Und der Bote zieht von dannen,
Eilig wie Verhängnissflug:
Seinem Orte zu, von wannen
Ihn der Hölle Dämon trug.
Todeskälte, Fieberbeben,
Namenloses Weh' und Leid:
Ueberzog Dein Rosenleben,
Rosa
, wundersüsse Maid!
»Heute, nach vollbrachtem Mahle.
Bei der
Mittagsonne
Strahl,
Harret
Victor Heil
im Thale;
Und — vielleicht — zum
letzten
Mal?«
[S 35]
»Welch Gebot ist dir geworden?
Welche Sendung trägt dich fort? —
Wer, um unser Glück zu morden,
Sprach dir solches Unheilwort? —
Dich
, mein
Leben
, soll ich meiden,
Noch im
Frühling
deiner Bahn?
Von dem
Himmel
soll ich scheiden,
Der sich kaum mir aufgethan? —
Träger Morgen, nimm dir Schwingen!
Mittagstunde, komm herbei!
Sich're Kunde mir zu bringen,
Ob mein Traum zu Ende sei. —
Kommen will
ich, zu dir eilen:
Einer flücht'gen Stunde Frist,
Glücklich noch, bei
Dem
zu weilen,
Dessen Glück mein Himmel ist.« —
Also
tönt der Jungfrau Klage;
Und sie eilt im Flügelschritt';
Und den Pflegern ihrer Tage
Theilt sie schnell die
Kunde
mit.
Bergend in der Brust die Wunde,
Ruhig scheinend, ohne Ruh',
Sprach sie; — und der bösen Kunde
Hören
bang
die
Lieben
zu.
[S 36]
Inn're
Warnerstimmen
sprechen,
Zweifel
stürmt die alte Brust:
Rosa
weiss den Sturm zu brechen,
Sich nur
frommer
That bewusst.
Weich, wie Flötenklänge wehen,
Zärtlich, wie das Auge sprach,
Sendet sie der Blicke Flehen
Noch einmal die
Worte
nach:
»Möge Vaterhuld gestatten,
Was die Mutter nie versagt!
Jener Gang im Abendschatten,
Sei zu
Mittag
heut' gewagt!« —
Und die
Lieben
? — Sie gewähren
Ihr, zu Tages heller Zeit,
Neu, den alten Gang in Ehren,
Und die
Schwester
zum Geleit'.
Dann enteilt sie; wählt zum Kleide,
Aus dem hellgebohnten Schrein,
Ihren Festtagschmuck von Seide,
Perlen auch und Edelstein.
Alles muss den Reiz erheben,
Was die schöne Welt entzückt;
Was da ziert der
Liebe
Leben,
Und — die
Braut
im
Sarge
schmückt.
[S 37]
Dann der
Liebe
zu genügen,
Wählt sie noch ein
Busentuch
,
Dessen
Rand
, in gold'nen Zügen,
Darbot diesen
Römerspruch
:
»Lass' des
Muthes
Fahne wehen.
Wenn den Stab dein Schicksal bricht!
Lass' dein
Leben
untergehen,
Aber deine
Ehre
nicht!«
»Ja,« so sprach sie, »diese Gabe,
Seiner Liebe Brautgeschenk:
Soll mich finden bis zum Grabe,
Treu, des Treuen eingedenk!« —
Rosenroth, wie
Rosen's
Wangen,
Malet sich des Tuches Grund;
Zarte, gold'ne Sterne prangen,
Mitten d'rauf, im Zirkelrund.
Also
, wie zum Hochzeittage,
Schmuckreich, glänzend angethan:
Eilt sie, mit dem Glockenschlage;
Und die Schwester geht voran.
Leutha
hüpft im Jubelreigen,
Durch den Hain, ihr Königreich;
Rosa
folgt, in düst'rem Schweigen,
Ihrem Todesengel gleich!
[S 38]
Oft noch, wie von
Ahnung
bange,
Wendet sie den feuchten Blick,
Auf des Lebens letztem Gange,
Nach dem
Vaterhaus
zurück!
Und mit Augen, deren Milde
Nur von Glück und Segen sprach:
Schauen ihrem Engelbilde,
Lange noch, die
Lieben
nach.
Sinnend geht sie weit und weiter,
Näher doch dem frühen Grab'!
Engel
, auf der Himmelsleiter,
Steigen ihrem Traum' herab.
Doch, die guten Engel
weinen
!
Schmerz umflort ihr Angesicht!
Und — die
Zeichen
, die erscheinen,
Melden Glück der Liebe nicht.
Raben, Krähen, Dohlen kreisen,
Wie zu wehren diesem Gang';
Und es tönt, in Schauerweisen,
Um sie her wie Grabgesang!
Durch des Thales grüne Matten,
Sucht und wählt sie neue Bahn;
Sieh, da starrt ein bleicher
Schatten
Sie mit Todes-Augen an!
[S 39]
Horch
! und
Geisterworte
schallen,
Wie aus Gräbern, hohl und tief:
»
Weh'
, der Würfel ist gefallen!
Todesbraut
— dein Schicksal rief!«
Doch, von Schrecken ungeblendet,
Muthbewehrt am Schauerort,
Ruft, dem
Schatten
zugewendet,
Rosa Mai
— des
Bannes
Wort:
»Bist du
Gottes
: lass' mich wandern!
Hab' in deinem Grabe
Ruh'
!
Aber dienest du dem
Andern
,
Weiche — deiner Hölle zu!«
Und sie sah das Bild entschwinden,
Wesenlos, in blauer Luft;
Doch, von seiner
Heimath
künden
Schwefeldampf und Moderduft.
Rosa
weilt nun, an den Stufen,
Deren Weg zur
Grotte
führt;
Aber —
and're
Stimmen rufen,
Deren »
Ach
« die
Felsen
rührt:
»Nah' ist,
Jungfrau
, dein Verderben!
Nah' der Rose Blüthenfall!« —
Doch die Geistertöne sterben,
Ohne Frucht, im Widerhall.
[S 40]
Muth und Kraft der Liebe
siegen
;
Das Phantom der Schrecken weicht;
Und sie hat den Fels erstiegen,
Und der Grotte Ziel erreicht.
Ringsum, nach dem Stern des Lebens,
Wendet sie den Blick umher:
Doch ihr Auge sucht vergebens!
Rosa
fand — die Grotte
leer
.
Bleich und kalt, in
Weh'
begraben.
Schaut sie nach dem Thalgefild;
Einsam, schweigend und erhaben,
Wie am Grab' ein Marmorbild!
So
ermass, am Felsenhügel,
Ariadne
den Betrug:
Der ihr Glück, mit Windesflügel,
Flüchtig, in die
Ferne
trug. —
Endlich naht es, — auf den Zehen!
Doch der Ton der Tritte gleicht —
Wolfesgang'
, der ungesehen,
Leise nach dem
Raube
schleicht.
Wie ein Tiger gräbt die Zähne
Tief dem Opfer in die Brust;
Wie bei Nacht die Grabhyäne
Nährt an Leichen Würgerlust:
[S 41]
Also
naht in Gluht und Feuer,
Ungezähmter
Gierde
Raub,
Rosa
, Dir, das
Ungeheuer
!
Tränkt mit Blut der Höhle Staub!
Fremdling
! soll ich
Mehr
Dir sagen?
Heute,
Fremdling
, frage nicht!
Aber, wird ein
Morgen
tagen:
Folge mir — zum
Weltgericht
!
[S 42]
X.
Desselben Tages, noch spät am Abend.
Bericht und Klage, aus der Burg von Treiden: an den Landrichter, zu
Neuhof.
Versammelt war das
Landgericht
,
Zu
Neuenhof
, bei
Treiden
:
Um über Klage von Gewicht
So eben zu entscheiden.
Da kam, entsandt von diesem Schloss,
Wie Sturm, ein Reiter, hoch zu Ross;
Und brachte, spät am Tage,
Noch diese Schauerklage:
»Erschlagen hat, in blinder Wuth,
Ein wildes
Ungeheuer
:
Ein
Mägdlein
, fromm und engelgut,
Uns Allen werth und theuer!
Sie war die
Braut
vom Gärtner
Heil
;
Im Blute lag das kurze
Beil
,
Das
er
, in diesen Tagen,
Im Gürtel stets getragen.
[S 43]
Ihr Blut bedeckt den Bodenstaub
Der
ihr
geweihten
Höhle
;
Nicht aber sann auf schnöden Raub
Die freche Mörderseele.
Der Mörder will nicht Räuber sein;
Nicht Perle fehlt, noch Edelstein;
Wir fanden ihr Geschmeide,
Und ihr Gewand von Seide.
Doch zeugen Spuren, am Gewand',
Von Kämpfen um ihr Leben;
Und Beilschlag, von verruchter Hand,
Hat ihr den Tod gegeben.
Ein
Rosatuch
, von Blut befleckt,
Das, faltenreich, den
Hals
bedeckt:
Kann, von
demselben
Eisen,
Des Schlages Kraft beweisen.
Will aber diese Waffe zwar
Den jungen
Heil
verrathen:
So zeugt dagegen, offenbar,
Ein Heer von Edelthaten.
Sein Leben leuchtet makelrein!
Und reiner mag kein Engel sein:
Wie
er
, von uns gepriesen,
In Wort und That bewiesen.
[S 44]
Er übte magische Gewalt,
Und flocht nur
Liebes
bande;
Den
Edlen
ehrte Jung und Alt,
Und Herr und Knecht im Lande.
Die Töchter blickten, nah' und fern,
Nach ihm, wie nach dem Morgenstern;
Und er gewann Vertrauen,
Bei Männervolk und Frauen.
Er eilte, wie sein
Herz
gebot:
Dem Armen, wie dem Reichen,
Bei Sturmesnacht, bei Todesnoth,
Die Bruderhand zu reichen.
Er half, mit jedem Tage neu,
Geschäftig, ohne Mühenscheu;
Und ohne
Dankes
-Ehren,
Noch
Lohnes
zu begehren.
Kein Wunder, wenn die
schönste Maid
,
Für die sein Herz entbrannte,
Ihr liebes Weh' und süsses Leid,
Auch
ihm
, wie
er
, bekannte!
Der blasse
Neid
, bei stillem Groll,
War
selber
doch des
Lobes
voll:
Es sei, sich zu verbinden,
Kein schön'res Paar zu finden.
[S 45]
Und Vater
Greif
und sein
Gemahl
,
Ein Paar, so fromm und bieder:
Sie sahen auf so edle Wahl
Mit Segenblick danieder.
Gegeben war der
Treue
Ring;
Und bei Trompetenschall beging
Die alte Burg von Treiden —
Verlobungfest
der
Beiden
.
Der Gartenkünste Meister liess,
Bei nimmermüdem Streben,
Für
Segewold
ein Paradies
Auf Oeden sich erheben.
Und noch ein
neues Werk
erstand,
Von seiner Kunst und Meisterhand:
Die
Grotte
sein, auf Höhen,
Soll ferne Zeit noch sehen.
Die
Liven-Grotte
schuf
Natur
;
Die
seine
, hoch daneben:
Sieht unter sich, in Thalesflur,
Der Landschaft Reiz und Leben.
Da mass die Jungfrau
Segewold
;
Und sah, bestrahlt von Abendgold,
Den Liebling täglich eilen,
Sein Glück mit ihr zu theilen.
[S 46]
Hier mochte sie, auf grüner Bank,
Den Bräutigam erwarten:
Der, wenn sein Tag hinuntersank,
Verliess den Blüthengarten.
Mit
Blumen
war, von ihm gepflückt,
Die Grotte täglich neu geschmückt;
Bis ihr von Rosenstunden
Die
letzte
heut' geschwunden!
Denn
heut'
, in früher Morgenstund',
(Was nie bisher geschehen!)
Liess
Heil
an sie, durch
Boten
-Mund,
Den lauten
Wunsch
ergehen:
Sie möge nach dem Mittagmahl',
Zum Gange nach dem Höhlenthal',
In Liebe sich bequemen,
Und — »
Scheidegruss
« vernehmen!
Er habe noch der Arbeit Viel
Am Abend, zu besorgen;
Und — Fahrt ins Weite sei das Ziel,
Schon für den nächsten Morgen.
Er wolle, wenn sein Glück entweicht,
Die Braut, zum
letzten
Mal vielleicht,
In seiner Grotte schauen;
Und And'res —
Gott
vertrauen.
[S 47]
Die
Eltern
, um ihr Wort befragt,
Den Gang ihr zu gewähren:
Sie mögen, was sie
nie
versagt,
Auch heute nicht verwehren. —
Ob
Ahnung
, ob es
Laune
war:
Geschmückt, wie vor dem Traualtar,
Erscheint, im Festgewande,
Die schönste Braut im Lande.
Und sieh, der letzte Gang beginnt!
Er nimmt sie fort von
Treiden
!
Sie aber wandelt still und sinnt,
Und weilet noch im Scheiden! —
Dann, wie der Sonne Majestät
In Wolken freundlich untergeht,
Und stirbt, im Abendrothe:
Geht
Rosa-Mai
— zum
Tode
!...
Die
Freude
sieht die Stunde nur
Wie
Augenblick
entschwunden;
Der
Sehnsucht
— dehnt die Zeitenuhr
Zu Tagen oft Sekunden!
Vergebens fleht der
Alten
Blick
Die Tochter ihrem Haus zurück!
Sie
wandelt hoch — und ferne —
Auf unbekanntem Sterne!
[S 48]
Nicht heiter, wie der Bach entweicht,
Nicht, wie die Quelle munter:
Nur trüb', wie Sumpfgewässer, schleicht
Der träge Tag hinunter! —
Der Westen glüht, die Sonne sinkt;
Und Schattenkühl im Thale winkt:
Da schmachtet Herzverlangen,
Die
Töchter
zu empfangen!
Nun wird es laut am Eisenthor!
Und sieh, empört, voll Grauen:
Tritt
Heil
von
Segewold
, hervor,
Gespenstern gleich zu schauen!
Wie Donner, trifft sein Wuthgeschrei:
»Herbei, du
Vater Greif
, herbei!
Im Blute liegt, erschlagen,
Die du zur Welt getragen!« —
Die
Hölle
flammt in seinem
Wort
!
Ihr
Hohn
ertönt im Schalle!
Dann eilig stürmt der
Wilde
fort;
Und hinter ihm — wir Alle.
Wir folgen seiner Tritte Spur,
Den Berg hinab, in Thales Flur;
Empor dann, am Gelände,
Zum Werke seiner Hände.
[S 49]
Und
dort
— in
seiner
Grotte lag:
Die weiland Segenreiche!
Die
Jungfrau
, todt durch Mörderschlag,
Nun Marmor-starre Leiche!
Sie lag in Blut, von Blut bedeckt;
Und — von
demselben
Blut befleckt
Lag jenes
Beil
daneben,
Das ihr den Tod gegeben!
Wer solches Beil sein
eigen
nennt:
Kann
Mehr
vom Morde sagen;
Wer
aber, der den Jüngling kennt,
Darf hier ein
Urtheil
wagen? —
Es ist, was ihm Verdammniss droht,
Sein
Werkzeug
hier, von Blute roth:
Wenn volle Thatenreihen
Ihn dort zum
Helden
weihen. —
Und so verlangt die erste Pflicht:
Uns,
Herr
! an
Euch
zu wenden;
Euch
— werden seine
Thaten
nicht,
Noch hier sein
Eisen
, blenden.
Wir leben sorgvoll, ohne Ruh'!
Und senden Euch den
Wagen
zu;
Bei
Bitte
, nicht zu weilen,
Nach
Treidens
Burg zu eilen!«
[S 50]
XI.
Am nächsten Tage.
(Zu Treiden.)
Auf,
Gericht
, bei Morgenroth!
Oeffne deine Schranken!
Und es sei der
Jungfrau Tod
Seele der Gedanken!
Fern dem Wahne, fern der Scheu,
Wirf den Schein danieder;
Und vernimm, der Wahrheit treu,
Zeugen für und wider!
Dort die Leiche, dort das Beil,
Dort das Blut im Staube!
Hier die
Klage
, hier der
Heil
,
Hier gesunk'ner Glaube! —
Und sofort zu Kampfe zog,
Wider
Heil
, die
Klage
;
Und des Landes
Richter
wog
Mit der
Themis
Waage.
[S 51]
Heil
, der Jüngling, trat hervor,
Todesbleich die Wangen;
Wie der Mond den Schein verlor,
Von Gewölk umfangen.
Tief gesunken und zerstört,
Heldenthum's Ruine;
Schmerz-gebrochen, Gram-verzehrt,
Stand er auf der Bühne.
Und der hohe
Richter
spricht:
»Lass' dich,
Jüngling
, fragen!
Kennst du
diese Waffe
nicht,
Und, wer sie getragen?
Dich
erkennt an solcher Spur,
Wer sie aufgefunden;
Und mit
solcher
Waffe nur
Schlägt man
solche
Wunden. —
War es nicht der Bote dein:
Der, von Dir verblendet,
Deine
Braut
, durch leeren Schein,
In den
Tod
gesendet?
Gieb das zarte
Kind
zurück:
Das, durch
dich
entschwunden;
Dessen Spur auch
Vater
-Blick
Nirgend noch gefunden!« —
[S 52]
Heil
, im Auge seine
Braut
,
Die der Mord erschlagen:
Schien mit allem Tod' vertraut,
Nicht mit solchen Klagen.
Nun, bekannt mit seinem Loos,
Rings um sich Verderben,
Sprach der
Jüngling
, ruhig gross,
Wie der Held im Sterben:
»Jenes
Beil
, mein
Kläger
hier,
Meine Lieblingshabe:
Wie es frommte mir und
Ihr
,
Folg' es mir zu Grabe!
Solch
ein Werkzeug nur allein
Sollte mich begleiten:
Ihr
, im weichen Sandgestein,
Obdach zu bereiten.
Zürne nicht, verklärte
Braut
!
Wenn ich
nicht
verhehle:
Dass ich nur für
Dich
gebaut
Jene zweite
Höhle
.
Was
dem Blicke dort erstand,
Stufen und Gelände:
Schuf das
Beil
in meiner Hand;
Schufen diese Hände.
[S 53]
Sank denn
Heil
so tief herab:
Sich ein Werk voll Grauen, —
Seiner
Braut
ein frühes Grab —
Schmachvoll zu erbauen? —
Doch, wir stehen vor
Gericht
;
Und die Richter sagen:
Jenes Beil im Blute spricht,
Er
hat sie erschlagen!...
Höret nun von mir Bescheid,
Auf die
zweite
Klage!
Neues Weh' und neues Leid
Weckt die
Boten
-Frage.
Glaubet! meine Seele weiss
Noch von keinem
Boten
:
Der die
Braut
, auf mein Geheiss,
Sandte zu den
Todten
.
Nur bei Tages
Untergeh'n
War es uns beschieden:
Dort zu feiern Wiederseh'n,
In der Höhle Frieden.
Also
war es Fug und Brauch
Für die Zwei geblieben;
So
betrat ich,
gestern
auch.
Meine Bahn zur
Lieben
:
[S 54]
Noch zu enden war ein Theil,
Hoch am Grottenrande;
Und ich zog mein liebes Beil
Aus dem Gürtelbande.
Aber, als ich wohlgemuth
Mein
Asyl
erreiche:
Weh', da lag, in ihrem Blut',
Meiner Jungfrau
Leiche
!
Da entsank das Beil der Hand;
Kraftlos sank ich nieder;
Und — am Eis der Todten fand
Mein Gefühl sich wieder!...
Von dem
Kinde
weiss ich nur
Dieses
zu gestehen:
Dass von
Leutha
keine Spur.
Gestern war zu sehen.« —
So erklang des
Jünglings
Wort,
Aus der Seele Tiefen!
Wahrheit riss die Menge fort,
Furcht und Wahn entschliefen.
Eine Todten-Pause trug
Tod in
Feindes
-Leben;
Und das Herz der
Freunde
schlug,
Wie
bei Fieber-Beben.
[S 55]
Doch — der strenge
Richter
spricht:
»Wahrheit lebt in
Zeugen
!
Wem der
Zeugen
Mund gebricht,
Muss der
Qual
sich beugen!
Zeugen
, oder
Folter
-Qual,
Will der Zeiten Sitte;
Dich befreit, von solcher Wahl,
Thräne nicht, noch Bitte.
Fühllos, wie die Weltenuhr
Schlägt den Takt der Zeiten:
Mag Gesetz dem Rechte nur
Kraft und Sieg bereiten.
Soll
Gesetz
im Staatenspiel'
Bahn der Wahrheit brechen:
Darf nicht Mitleid und Gefühl
Richter-Wort bestechen.
Darum,
Knechte
, führet ihn,
Ob er sich bedenke,
Nach den Thurm-Gewölben hin,
Vor die Marter-Bänke!
Dort, wo Heide oder Christ,
Schrecken fühlt und Grauen:
Mag' er jedes Qualgerüst',
Nach der Stufe, schauen!
[S 56]
Zeig't ihm jedes Marterholz,
Wie
der Grad sich nenne!
Dass vielleicht gebeugter Stolz,
Frei, die Schuld bekenne.« —
Heil
, ob Gram und Kummerlast
Tief das Herz bewegen,
Warf dem
Richter
, schnell gefasst,
Dieses Wort
entgegen:
»
Göttlich
war das
Urgesetz
Für der Menschheit Leben;
Menschlich
war das
Nachgesetz
,
Das der
Mensch
gegeben.
Doch — das Gold von gold'ner Zeit,
Die uns Lieder preisen:
Sank herab, im Völkerstreit';
Wurde Blei und Eisen!
Und der Zeiten Stahl und Blei,
Würgend um die Wette:
Brach des Ringes Gold entzwei
An der Menschen-Kette!
So
, wie
Brennus
nach dem Sieg',
Einst am
Römer
-Tage:
Warf ihr Schwert, wenn
Zweifel
stieg,
Themis
, in die Waage. —
[S 57]
Also
leg't Ihr
Herzen
ein,
In die
Folter
-Schrauben;
Bis zu
Thaten
wird der Schein,
Und der Wahn zum
Glauben
. —
Aber, weises
Landgericht
!
Heil
und seine Ehre
Fürchten Eure Folter nicht!
Nicht der Qualen Schwere!
Bitt're Qual, die mich bedroht,
Soll mir
süss
erscheinen!
Denn mich wird ein
Martyr-Tod
Mit der
Braut
vereinen.
Da sie fiel, durch Mörderstahl,
Die mir
Gott
gegeben:
Find ich nur im Leben Qual,
Und im Tode Leben.
Möge denn, an meinem Muth',
Euer Holz und Eisen
Seine Kraft und seine Wuth,
Wie an
Ihr
, beweisen!...
Einen
Wunsch, auf Erden hier.
Hab' ich noch zu nennen:
Wollet nur ein Grab mit
Ihr
,
Gnädig mir vergönnen!
[S 58]
Wenn das Opfer Euch erlag:
Soll der Vorhang schwinden!
Kommen wird ein
Rächer-Tag
,
Und den Mörder finden.
Oh, die
Ahnung
sagt mir laut,
Wer
die That begangen;
Und, von
Wessen
Stahl die
Braut
Solchen Tod empfangen!
Eine
Geisterstimme
tönt,
Wie aus Gräberhallen:
»
Die
das Leben dir verschönt,
Ist
für dich
gefallen!«
Braut
, wir horchen deinem Ruf'!
Einig
sind die
Beiden
!
Wer die Zwei zu
Einem
schuf,
Wird sie nimmer scheiden. —
Erdenleib, im Erdenrund',
Fröhnt der
Mutter
-Scholle;
Und der
Geist
, im Körper
wund
,
Uebt nur
Sklaven
-Rolle.
Droben
, in der
Geister
-Bahn,
Herrschen
Geister
-Mächte;
Sonnen
sind dir unterthan,
Und Planeten
Knechte
.
[S 59]
Wie
, und
Erde
soll den
Geist
Weg von
Dir
verbannen? —
Nein
, mit
Einem
Tritte weist
Sie der Muth von dannen!
Bess're
Welt ist aufgethan
Allem Erdenblicke;
Thaten brechen dir die Bahn,
Leiden sind die Brücke.
Auf nun,
Henker
, sei bereit!
Sieh die Qual mich tragen;
Doch den Sieger auch im Streit
Sein Geschick erschlagen!" —
Also
spricht er, und entschwebt.
Laut beweint von Allen:
Wie er frei und schön gelebt,
Frei und gross zu fallen.
Und die Knechte führen ihn,
Ob er sich bedenke,
Nach den Thurmgewölben hin,
Vor die Marterbänke.
Dort, wo Heide oder Christ
Schrecken fühlt und Grauen:
Soll er jedes Qualgerüst',
Nach der Stufe, schauen.
[S 60]
Folter
, die auch Felsen bricht,
Oeffnet ihre Schrauben:
Blut und Mark, nur Ehre nicht,
Peinvoll ihm zu rauben.
Und ein Sichel-Mühlwerk steigt,
Knirschend, auf und nieder;
Und die Eisenjungfrau zeigt
Ihre Stachelglieder.
Eine Hölle zieht herbei,
Seinem Muth' entgegen;
Doch — er lächelt, wie der
Mai
Unter Blüthenregen.
Himmelfriede, Seelenruh',
Sind ihm treu verbunden;
Und — sein
Schicksal
ruft ihm zu:
"Du hast überwunden!"
[S 61]
XII.
Die Entscheidung.
Während, in der Henker Mitte,
Heil
durch alle Schrecken zieht;
Und, mit jedem neuen Schritte,
Neuer Qual entgegensieht:
Schwanket noch die Richterwaage;
Zweifel wandelt rings im Kreis:
Ob
auch hier die
Marter
-Frage
Mag erpressen Schuldbeweis.
Aber, eh' sie noch entscheiden,
Mahnend sich an ihre Pflicht:
Tritt der
Castellan
zu Treiden,
Also
sprechend, vor Gericht.
»Weise Richter dieser Lande!
Säumet mit dem Folterspruch!
Denn, statt Ehren, zeugt er Schande,
Und noch später Zeiten Fluch.
[S 62]
Was vor Unbill uns bewahren,
Und den Jüngling retten soll:
Mag dem Richter offenbaren
Ein Bekenntniss, grauenvoll!
Elf der Monde, trüb und heiter,
Sanken in der Zeiten Meer:
Seit ich
zwei
der
Lanzenreiter
Aufnahm, aus dem
Polen
-Heer.
Adam Jakubowski
nannte
Sich der Eine, Frag'-gerecht;
Peter Skudritz
, so bekannte
Seine Schrift den zweiten Knecht.
Beide waren, jung von Jahren,
Flüchtig aus dem Polenstreit',
Kriegeskundig, diensterfahren,
Mir zu dienen, schnell bereit.
Manchem Raubthier, unverdrossen,
Folgten sie, bei Nacht und Tag';
Doch — das
Herz
der Jagdgenossen
Bald dem
bösen Feind'
erlag!
Nur dem Zank' und Trunk' ergeben,
Höhnend Strafen und Gericht;
Schonten sie der Hütte Leben,
Wie das Burggesinde nicht.
[S 63]
So
, nach vielen Schuldbeweisen,
Sann ich endlich nur darauf:
Sie aus meinem Dienst' zu weisen,
Nach vollbrachtem Jahreslauf'.
Doch — wie Espenzweige beben,
Buhlt ein West im Blätterdach:
So
, mit Zittern, trat so eben
Skudritz
ein, in mein Gemach.
Höllenqual im Schuldgewissen,
Wie sie nur ein
Gott
erweckt:
Haben ihm das
Wort
entrissen,
Das den
Mörder
aufgedeckt.
Draussen weilt er, rufgewärtig,
Sein Verbrechen zu gesteh'n;
Und, zu seinem Ende fertig,
Nur um schnellen
Tod
zu fleh'n.«
Und der
Richter
, ohne Säumen,
Sendet nun den
Frohn
sogleich:
Nach des Thurmgewölbes Räumen,
In der Folter Qualenreich.
»Lass den Jüngling eilig führen,
Nach dem Kerker, unversehrt!
Bis er frei wird, nach Gebühren,
Wenn der Tag ihn frei erklärt.«
[S 64]
Spricht es; und der Pfortenschwelle
Sind die Blicke zugeneigt:
Wo der grause
Mordgeselle
Ein Gespenst der Gräber zeigt.
Beben zuckt durch alle Glieder;
Tod im Blicke, schreckenbleich:
Sinkt er vor den Schranken nieder,
Seiner Wildes-Beute gleich!
[S 65]
XIII.
»Sag' an, bekenne sonder Scheu:
Wie jener
Mord
geschehen!
Und künde deinem Richter frei,
Was du gehört, gesehen!
Du
aber,
Schreiber
, sei zur Hand!
Und liefre mir den Thatbestand,
Nach allen Haupt- und Nebenzügen;
Der Pflicht und Wahrheit zu genügen!« —
Der Richter sprach es; und bereit,
Sind Schreiber und Notare;
Und leben soll, für alle Zeit,
Die
Acte
jener Jahre!
Zwei hundert Jahre starben hin;
Und Moder barg, und Grabruin:
Was
hier
des
Mordgesellen
Klage,
Für uns und Nachwelt bringt zu Tage.
[S 66]
»Gericht und Volk von Treiden hier!
Du Menschheit voll der Schwächen!
Im Staube knieend, lass' mich Dir
Bekennen mein Verbrechen!
Weit über Folter, quält und plagt
Der
Geier
, der am
Herzen
nagt;
Wann Ihr das Grässliche vernommen,
Sind Tod und Henker mir willkommen!
Mein Feldgenoss' und Waidkumpan
War
Adam Jakubowski
,
Im Polenheere zugethan
Der Fahne von
Drompowski
;
Voll Muthes, Riese von Gestalt,
Und Feind der fremden Herrschgewalt;
In Schlachten Held, bei Frauen Sieger;
An Kräften Leu, an Wuth ein Tieger!
Sein
Vater
, Schulherr einer Stadt,
Erzog ihn seinem Dienste;
Der
Knabe
, früh der Schule satt,
Ging aus, auf and're Künste.
Bei mancher Frucht des
Guten
blieb
Doch Mehr des
Bösen
sein Betrieb;
So trat der
Jüngling
, aus der Lehre,
Zu
Siegmund's
wildem
Polen
-Heere.
[S 67]
Sein Blick in manche Wissenschaft,
Dazu noch manche Gabe;
Und Riesenleib, Athletenkraft,
Empfahlen ihn dem
Stabe
.
So stieg er bald, im Kriegeslauf',
Bis zum Standarten-Junker auf;
Und hat, im Felde nie bezwungen,
Des Feldherrn Gnade sich errungen.
Er folgte, kämpfend um den Preis,
Dem grossen Hauptpaniere;
Und drängte sich in jeden Kreis
Der jungen Offiziere.
Denn eitel war er, stolz und kühn;
Und sah auf seines Gleichen hin:
Wie auf ein Dornenfeld der Schnitter;
Wie auf den Sklaventross der Ritter.
So
war er manchem Neidesblick'
Unheimlich gross erschienen;
Mich aber zwang ein Missgeschick,
Nur freundlich ihm zu dienen.
Ich folgte seiner Lichtgestalt,
Im Bann' von magischer Gewalt;
Wie dort, mit ihrem Zauberzwange,
Den Vogel zieht die Klapperschlange.
[S 68]
Es lag auf mir, wie Berge schwer,
Bei jeglichem Vereine;
Ich kannte keinen Willen mehr,
Sein Wille war der meine.
Verwegen, lüstern, frech und wild,
Dann wieder sanft und Bruder-mild:
So
führte mich sein Doppelwesen,
Zum Guten hier, und dort zum Bösen.
Sein
Hauptmann
, der mit Vaterhuld,
Herab auf ihn gesehen:
Liess einmal doch, für schwere Schuld,
Verweis
an ihn ergehen.
Da gab er, wuthentbrannt, sogleich,
Dem
Hauptmann
einen Backenstreich;
Dass
der
, betäubt vom Riesenschlage,
Vom Stande sank zu Niederlage.
Da galt, war Rettung noch versucht,
Kein Weilen mehr, noch Säumen;
Er
musste
gleich
, in schneller Flucht,
Des Ruhmes Lager räumen.
Sein Wort, das flehend zu mir sprach:
Es zog mich seinem Schicksal nach;
Wir jagten ruchlos in die Ferne;
Das
Glück
mit uns, und seine Sterne!
[S 69]
Wir schlichen durch die Wäldernacht,
Mit Füchsen um die Wette;
Und fanden, war der Tag erwacht,
Bei Wölfen unser Bette.
Durch Moor und Sümpfe, Berg und Thal,
Durch tausend Wege, sonder Wahl,
Und durch ein Schlangenheer von Leiden.
Errangen wir — den
Weg
von
Treiden
.
Da zog ein
Ritter
, hoch zu Ross',
Einher, auf seinem Rappen;
Und hinter ihm ein flinker Tross
Von Edelknecht und Knappen.
Das war der
Treidner Castellan
,
Der mir bis heute wohlgethan;
Der
wollte, nach vernomm'nen Klagen,
Sein Burgasyl uns nicht versagen.
Wir dienten ihm, drei Monde lang,
Mit Eifer, Lust und Ehren;
Doch konnte seinem
Liebe
drang'
Der Junker bald nicht wehren.
Kaum war der dritte Tag vorbei:
Als er der schönen
Rosa Mai
,
Für die er,
Vielen
gleich, entbrannte,
Wie
stolz
er war, die Gluth
bekannte
.
[S 70]
Er folgte, wo sie ging und stand,
Gleich wie dem Licht' der Schatten;
Und bot ihr, als der Frühling schwand,
Sich offen an, zum
Gatten
.
Die
Jungfrau
sprach: »Bin nicht mehr mein;
Muss eines
Andern
Liebe sein!
Denn Herz und Hand, auf Tod und Leben,
Sind an den Gärtner
Heil
vergeben.« —
Das fühlt der stolze Junker tief!
Der Zahme wird ein Drache;
Und, statt der
Liebe
, die entschlief,
Erwacht ein Geist der
Rache
.
Nur
der
Gedanke war ihm süss:
Die gold'ne Frucht, das gold'ne Vliess
Der
Liebe
, mit
Gewalt
zu stürmen;
Ob Berge von Gefahr sich thürmen.
Er wusste durch ein Schmeichelwort,
Mich Armen zu bestechen;
Und riss mich zum Entschlusse fort,
Zu theilen sein Verbrechen.
Von
Rache
wurde nur geträumt,
Und Herrngebot und Pflicht versäumt;
Von
dem
an, blieb das Räuberleben
Der Hölle treuem Dienst' ergeben.
[S 71]
Uns trieb die wilde Jagd umher,
Wir höhnten aller Sitte;
Und Schmach und Unheil drückte schwer,
Selb auf des Armen Hütte!
Bis unser
Herr
, von solcher Schmach
Gerecht empört, das
Urtheil
sprach:
Das uns gebot, von
ihm
und
Treiden
,
Schon mit dem nächsten Mond, zu
scheiden
.
Dem
Greif
gefiel,
dieselbe
Zeit,
Denselben
Mond zu wählen:
Vor allem Volk', in Festlichkeit,
Das Brautpaar zu vermählen.
Da gab es fürder keine Rast:
Die
That
, worauf wir lang gefasst,
Bevor sich Wind und Wetter wenden,
Am nächsten Tage zu vollenden.
Es hatten Braut und Bräutigam,
Von Tages Werk entbunden,
Alltäglich, wenn der Abend kam,
Im
Thal
sich eingefunden.
Da gähnt, in hoher Felsenwand,
Ein
Höhlenwerk
, von
seiner
Hand;
Hinfort benannt nach seinem Namen;
Wo sie
und
er
zusammen kamen.
[S 72]
Wir wählten, ungestört zu sein,
Die sich're
Mittag
stunde;
Die
Braut
empfing, zum Stelldichein,
Am Morgen schon die
Kunde
:
Dass
Heil
, der reisen soll, beklagt,
Es sei der Abend ihm
versagt
;
Er hoffe: nach dem Mittagmahle,
Die Braut zu seh'n, im Höhlenthale. —
Bereit zu Frevel und Gewalt,
Zu That der Schande fertig:
So
waren wir der
Huldgestalt
,
Am Felsen schon gewärtig.
Mit
Blumen
, nur von
Heil
gepflückt,
War rings die Höhle neu geschmückt;
Wie Flora muss in
Pracht
erscheinen,
Wo wir am Sarg der Bräute weinen.
Der hohen
Edeldame
gleich,
In festlichem Gewande:
Erschien, — doch wie von Ahnung bleich,
Die schönste Braut im Lande!
Sie sah, bestrahlt von Sonnengold,
Hinüber nur, nach
Segewold
;
Gewiegt von Hoffnung und Vertrauen,
Den holden
Liebling
zu erschauen. —
[S 73]
Wohl
ging es meiner Seele nah':
Als ich, im Laub' verborgen,
Des trüben Auges
Thräne
sah,
Wie Perlenthau am Morgen!
Doch gab der böse Feind nicht Ruh';
Er warf mir
Hohnes
-Blicke zu!
Die Schauerstunde war erschienen,
Mit ihm verschworen, ihm zu dienen!
Indess' ihr Geist den hohlen Raum
Nach Segewold gemessen;
Und Alles, nur den süssen Traum
Der
Liebe
nicht vergessen:
Erscheinen
wir
, wie Blitz der Nacht;
Wie Donnersturm der Polenschlacht!
Und, mit der Hölle vollem Segen,
Ertönet ihr das
Wort
entgegen:
»Sei mir willkommen, holde
Braut
!
Du Schönste aller Zeiten!
Dein Leben ist auf
Heil
gebaut:
Ich will dir Heil
bereiten
.
Sei unverzagt, und zittre nicht!
Dein todtenkaltes Angesicht
Soll ungesäumt, in meinen Armen,
Am Feuer dieser Brust erwarmen!« —
[S 74]
Die
Jungfrau
, bis zum Tode matt,
Bei diesem frechen Hohne:
Und bebend, wie ein welkes Blatt,
Auf hoher Eichenkrone:
Erhob sich bald, in Majestät!
Wie Fels in Meereswogen steht!
Und wie die Wogen sich
empören
,
So
lässt sie nun das
Urtheil
hören:
»Was hat mein Leben dir gethan?
Hinweg von dieser Stelle!
Der Weg zum
Heil
ist meine Bahn,
Der deine führt zur Hölle!
Dir
wird die Jungfrau nicht zu Theil;
Mein
Erden
-Heil beruht in
Heil
!
Bei
dir
ist Unheil und Verderben;
Dem
Heil
nur leb' ich, ihm zu sterben.« —
Darauf das freche Wort erscholl,
Wie aus dem Höllen-Pfuhle:
»Der nicht dein
Gatte
werden soll,
Umarme dich als
Buhle
!
Die
mir des
Gatten
Glück versagt:
Sei
Dirne
mir, auch ungefragt!
Dein
Unheil
wirst du, wohl berathen,
Dem lieben
Heil
ja nicht verrathen.« —
[S 75]
Mit diesen Worten stürmt er ein,
Auf Lebensglück und Ehre;
Die zarte
Jungfrau
stand
allein
;
Verlassen, ohne Wehre!
Sie rang, mit der Verzweiflung Kraft;
Bis, in den Staub dahin gerafft,
Sie
, machtlos, neu sich zu erheben,
Nur bat, ihr schnellen
Tod
zu geben. —
Ihr Goldgelock in meiner Hand,
So
hielt ich sie darnieder;
Er aber riss das Gürtelband
Von ihrem blauen Mieder.
Ein
Rosatuch
, das ihm gefiel,
Entfallen ihr im Kampfgewühl':
Erwählte
Gott
, in
seinen
Händen,
Der Schande Schmach von ihr zu wenden!
Denn
sie
, mit Flötenton, begann:
»Dir gilt mein Habsal
wenig
!
Doch wisse: wer das
Tuch
gewann,
Ist reicher, denn ein König!
Kein
Tuch, in allem Erdenreich',
Ist dieser
Wundergabe
gleich;
Zu
eigen
soll es dir gehören,
Doch lass' mich ziehen,
frei
, mit
Ehren
!
[S 76]
»Es wohnt im Tuche
Zauber
-Macht!
Sein Schmuck, in bösen Stunden,
Und auch im Dampfe wilder Schlacht:
Befreit von Todeswunden.
Es rettet Leben Dir und Leib; —
Dem starken Mann, dem schwachen Weib',
Vermag nicht Blei, noch Stahl und Eisen,
Die sich're Seele zu entreissen.« — —
Sofort der wilde
Junker
spricht:
»Lass' deine Künste fahren!
Mich retten deine Zauber nicht;
Mich soll der
Muth
bewahren!
Wenn Schwert und Panzer nicht beschirmt,
Wo mir der Tod entgegenstürmt;
Nicht Muth und Kraft mir Sieg verleihen,
Kann mich dein
Flitter
nicht befreien.« —
Er wirft die gold'ne Busenzier
Der keuschen Brust entgegen;
Und fühlt nur freche Lustbegier
Das Räuberherz bewegen.
Er stürmt auf sie, wie Wetterstrahl!
Da bleibt ihr nur die
Todes
wahl;
Und horch! ihr Schicksal zu beschämen,
Lässt muthvoll
sie
das
Wort
vernehmen:
[S 77]
»Den
Zauber
, der im Tuche wohnt,
Soll deine That beweisen!
Vertraue mir! das Tuch verschont
Den Leib vor deinem Eisen.
Mich lähmt kein Schlag von dieser Welt;
Und auch kein Tropfen Blutes fällt:
Ob Dolche, Schwerter, Lanzenspitzen,
Des Feindes, auf mich niederblitzen.
»Umringt den Hals mein
Rosatuch
,
Wie gleich es mag geschehen:
So bet' ich meinen Zauberspruch,
Dann sollt ihr Wunder sehen.
Erhebe deinen Stahl der Schlacht!
Fall' aus mit deiner Riesenmacht!
Nur ziele muthig nach der Kehle!
Dann
sicher
bleibt mir Leib und Seele.« —
Wie nun den weissen Hals umwand
Das Tuch von Gold und Seide:
Entriss mit Ingrimm seine Hand
Den Würgerstahl der Scheide.
Besessen, wie von Tiegerwuth,
In seinem Blick' der Hölle Gluth:
So
liess, dem
Satan
heimgefallen,
Der Wüthrich
diesen Ruf
erschallen:
[S 78]
»Ist
also
dem, so wäre schier
Dein Flitterstaat zu loben;
Sei denn bereit! ich will an dir
Des
Tuches Kraft erproben
.
Das
Eine
soll entschieden sein:
Das
Tuch
ist, oder
Du
bist mein!
Mein
Schicksal
ruft! es soll erklären,
Ob deine
Wunder
sich
bewähren
!« — —
Ich sah nun, kurze Weile fort,
Den Rosenmund sich regen;
Mir aber klang das leise Wort,
Als wär' es
Zauber
-Segen.
Es war jungfräuliches
Gebet
,
Um letzte Kraft, von
Gott
erfleht!
Das
hab' ich gläubig erst empfunden,
Da schon ihr Leben war entschwunden.
Sie warf den milden Scheideblick
Nach
Segewold
hinüber;
Da mass sie das verlorne Glück!
Da ward ihr Auge trüber!
Doch schnell die Augen abgewandt,
Den letzten Blick zu
Gott
gesandt:
Lag sie bereit, dahin zu gehen —
Dem grossen Tod' das schöne Leben. —
[S 79]
O, weh' mir, dem es nicht gelang,
Ihr Schicksal noch zu wenden!
Denn eilig schon der Mörder schwang
Den Stahl mit beiden Händen!
Und, zielend nach dem
Rosatuch'
,
Vertrauend auf den Zauberspruch:
So liess er, meinem Blick zum Grausen,
Den Schlag, wie Blitz, darniedersausen! — —
Entflogen war des Lebens Traum! —
Weit offen gähnt die Wunde!
Kein
Ach
erscholl! sie zuckte kaum,
Mit dem nun bleichen Munde!
Sie starb, mit allem Heldenmuth'!
Ein Purpurquell von klarem Blut',
Beschloss, als rauchende Fontäne,
Die hoch erhab'ne
Trauer-Scene
!...
Dem Markstein an der Grenze gleich,
Gebannt an seine Stelle:
So standen
Beide
, starr und bleich,
Der
Mord
und sein
Geselle
! —
Ein
Angstruf
, den ich laut vernahm,
Der aus der nahen Tiefe kam:
Vermochte nicht mit seinem Schrecken,
Der
Zeugen
Furcht in mir zu wecken. —
[S 80]
Das Tüchlein blieb ein Zaubertuch,
Für uns von Weltenschwere!
Es trug in sich der Nachwelt Fluch;
Der
Jungfrau
— Preis und Ehre!
Der Mörder sah zum Opfer hin,
Wie
Kain
nach dem Mord erschien:
Und nach hinabgewürgtem Grimme,
Vernahm ich der
Verzweiflung
Stimme:
»O,
du
, getaucht in Martyrblut:
Du
Gott
-gesandte
Gabe
!
Du
Zaubertuch
, das Wunder thut,
Im Sarge noch und Grabe!
Gespinnst
, wie du der Welt dich nennst:
Gesponnen mir zum Nachtgespenst'!
Gewebe
, mir zur
Qual
gewoben:
Lass dich von deiner
Jungfrau
loben!
»O
Schönheit
, wie noch keine war!
Von mir in Staub getreten!
Hier
ist mein Tempel und Altar!
Hier
lern' ich heute beten! —
Gebet
? — Was solch ein
Mörder
spricht:
Erhört ein Gott im Himmel nicht!
Mir
soll kein Paradies mehr grünen;
Ich muss hinfort der
Hölle
dienen
[S 81]
»Die
Ehre
— war dein
Zauber
-Spruch,
Dein Tuch dein Ritterorden!
Mir
aber ist der Zeiten Fluch,
Und Schmach zu Theil geworden.
Ich
folge
dir, in schnellem
Tod
,
Doch nicht zu deinem Morgenroth!
Mein Schwert empfängt die Felsenquelle;
Den Leib der Strang, den Geist die Hölle!
»Dir
Frieden
, Leib in deinem Blut!
Dir
Freude
dort, du Engelseele!
Dein Grablied sei dein Heldenmuth!
Dein Denkmal diese Zauberhöhle!
Dein
Geist
, verklärt in
Liebe
, steigt,
Wenn Hoffnung mir und Glaube schweigt.
Ich
— bin ein Labsal nur den
Raben
:
Dich
wird der
ew'ge Ruhm
begraben!
»Du
lächelst
noch im
Tode
mild,
Als ob du mir verziehen!
Ich
— werde deinem
Schattenbild'
Im Tode nicht entfliehen! —
Hinaus! hinweg, von dieser Welt!
Die Bühne
brach
, der Vorhang
fällt
!
Komm',
Hölle
du, mit deinen Qualen:
Ich will dir meine Schuld bezahlen.« —
[S 82]
Nach diesem stürmt er wild hinab,
Den Richter in der Seele:
Zum
Opfer
am Sibyllengrab'
Der alten
Liven
-Höhle.
Da winkt ihm, unter festem Dach,
Und schweigsam, wie ein
Lethe
-Bach,
Und eisigkalt, doch rein und helle:
Im Felsenbett', die
Felsenquelle
.
Nun senkt er vor dem klaren Strom'
Den Mörderstahl danieder;
Und hohl ertönt im Felsendom
Das
Wort
des
Fluches
wider:
»Ein
Opferpriester
komm' ich heut'!
Dem Opfer fehlt noch Grabgeläut;
So lass' denn,
Quelle
,
dich
erwählen,
Von uns dem Volke zu erzählen!
»Du nahmest im Jahrtausendlauf',
Bei deinem Tropfen-Spiele,
So manche
Thräne
schweigend auf,
Und Opfergaben
viele
!
Hier tränktest du den müden Gast;
Hier fand er Schattenkühl' und Rast!
Dir Dank für Labe zu beweisen.
Empfange nun mein Mördereisen!
[S 83]
»Es soll, von edlem Blut' geweiht,
Zu dir hinab versinken;
Dann lass' mich Allvergessenheit
Aus deinem Borne trinken! —
Ein Opferlamm, so weiss und rein,
Geschlachtet auf dem Opferstein:
Ein
Tugend
-Leben, kranzumwunden,
Hat sterbend hier den
Preis
gefunden!
»Du
Berggeist
, der in
Tiefen
thront
In unentweihter Stille!
Du,
Nixe
, die den
Quell
bewohnt!
Begraben du,
Sibylle
!
Du reiner, flüssiger Kristall!
Und du im Lenze,
Nachtigall
!
Verkündet, wann ich längst gefallen,
Der
Jungfrau Lob
in diesen Hallen!« — —
Nach diesem, warf die Mörderfaust
Den Mordstahl in die Quelle;
Und, wie zum
Hohne
, zischt und braust
Die wild empörte Welle.
Darauf zu
mir
der
Arge
spricht:
»Verfolge meine Wege nicht!
Ergreife schnell die Flucht, und weiche,
Bevor ich würge dich zur Leiche!« — —
[S 84]
Gejagt, von unsichtbarer Macht,
Durch hell besonnte Fluren,
Entschwand er in des Waldes Nacht;
Ich — folgte seinen Spuren.
Es trieb mich, ohne Rast und Ruh',
Den dicht belaubten
Höhen
zu;
Wo quälend, unter Laub der Bäume,
Der
Schlaf
mich senkt in
Todesträume
!
Ich sah gezückt das Mordgewehr
Die Schauerlüfte spalten;
Gespenster zogen um mich her,
In blutigen Gestalten;
Bis nun die
Todesbraut
erschien,
In weisser Hand der
Palme
Grün;
Siegprangend, über Mord erhaben,
Umschwebt von tausend Engelknaben!
So
war ich unter meinem Baum,
Verborgen, nicht geborgen;
Bis endlich aus dem schweren Traum
Mich weckt der junge Morgen.
Mein
erster
Blick, aus dem Versteck,
Erlugte, mir zu neuem Schreck:
Den
Mörder
, starr und ohne Leben;
Der
selber
sich den
Tod
gegeben!
[S 85]
Da hing, vergebens lang gesucht:
Der
Flüchtling
— eine
Leiche
—
Wie eine
Gift
-belad'ne Frucht —
Am Stamm der höchsten Eiche!
Sein Angesicht, wie Asche grau;
Die Lippe Schaum, die Zunge blau;
Wie Wolfbrut fletschend, mit den Zähnen;
Das Haar gesträubt, wie von Hyänen! —
Und sieh, mein
Weltenrichter
kam,
Herab in seinem Grimme!
Das Ohr in meiner Brust vernahm
Die Donner seiner Stimme. —
Gewissen
— bleibt kein leeres Wort!
Gewissen
— treibt die Sünder fort:
Was
tief
im Busen sie bewahren,
Dem hellen
Tag'
zu offenbaren.
So
trat ich vor die Schranken her, —
Nicht, Mitleid zu erweinen;
Ich will, von
Schuld
beladen
schwer
,
In voller Schuld erscheinen.
Dem
Mörder
war ich zugesellt!
Und,
Feind
des Lebens dieser Welt:
Verlang' ich,
Tod
mir zu gewähren;
Doch
frei
den
Jüngling
zu erklären.« —
[S 86]
So
sprach er; und die Halle glich
Dem Grabe der Karthause;
Und nur dem lauten
Ach
entwich
Des Volkes Todtenpause.
Doch schien dem hohen Landgericht'
Noch eine
Frage
von Gewicht:
Der
Mordgeselle
soll besagen,
Was sich mit
Leutha
zugetragen.
Mit Staunen ob der Frage, schweigt
Der bleiche Mordgeselle;
Doch sieh, von
Greif
getragen, zeigt
Das
Kind
sich an der Schwelle!
Die Tochter war noch schreckenblass:
Und jedes Auge wurde nass:
Da rührend nun die Gottgesandte,
Was
sie
vernommen, auch bekannte.
Geschäftig war das holde
Kind
,
Vergissmeinnicht zu pflücken,
Um liebend, mit dem Kranzgewind',
Wie oft, die Braut zu schmücken.
Da hörte sie ein Wehgeschrei;
Und lief, den Stufen zu, herbei:
Um in der
Grotte
, auf den Höhen,
Zu sehen, was der Braut geschehen.
[S 87]
Doch, wie den
Mörder
sie erblickt,
Am Höhleneingang droben,
Den Mordstahl in der Hand gezückt,
Zum Morde schon erhoben;
Und wie der Schlag darniederfällt:
Da schwindet ihrem Blick' die Welt;
Und unter Wehruf, halb vernichtet,
Ist sie der Ferne zugeflüchtet.
Die Tochter irrte nach
Cremon
,
Das lieb sie aufgenommen;
Doch schien der Todesengel schon
Herab auf sie gekommen.
Mit starrem Blick und ohne Wort,
So blieb sie, fern dem Vaterort';
Bis endlich
Boten
sie erfragen,
Und heim, zu ihren
Lieben
tragen.
Sie fühlt, vom tiefen Schlaf' erwacht,
Sich traut in Vaterarmen;
Und neu das Leben, angefacht
An Mutterbrust, erwarmen.
Und da die
Sprache
wiederkam,
Genügend nun das Volk vernahm:
Wie
Wahrheit
, aus der
Unschuld
Munde,
Den Mörder wies, durch sichre Kunde.
[S 88]
Der
Henker
sucht und findet bald
An nachgewies'ner Stelle,
Den
Mörder
, todt im fernen
Wald
',
Den
Mordstahl
in der Quelle;
Um
Beides
, nach dem Richterspruch,
Beladen mit dem Zeitenfluch,
Und allem Volke zum Gedenken,
In tiefen Schlammes Pfuhl zu senken.
Bereitet wird ein
Ehrengrab
,
Der
Jüngling
frei gesprochen;
Und über
Skudritz
wird der Stab
Von Richterhand gebrochen.
Und ungesäumt und ungetheilt,
Die
Menge
nach dem
Kerker
eilt:
Mit Preis und Lob, die ihm gebühren,
Den
Heil
zum
Heil
herbeizuführen.
[S 89]
XIV.
Heil, im Garten von Segewold.
Garten
, dem ich
Leben
gab:
Senke deinen Stolz danieder!
Deine
Flora
ging zu
Grab
',
Und kein Frühling weckt sie wieder!
Rosenblüthe
, weiss und roth:
Neige deine Zauberfülle!
Meine
Rosa
brach der
Tod
:
Schmücke nun die
Leichenhülle
!
Veilchen
, das der Hain verbarg,
Veilchen
von der Alpenwiese:
Blühet nun an
ihrem
Sarg,
Wie ein Kranz vom Paradiese!
Ihr,
Jasminen
, reich an Duft:
Leer sind ohne
sie
die Räume!
Füllet nun die Todtengruft,
Mit dem Hauch der Blüthenträume!
[S 90]
Farbenpracht im Schwester-Chor,
Adelstolze
Georginen
!
Hüllet euch in Trauerflor,
Dort, auf meinen Weltruinen!
Reich an Balsam, voll der Pracht,
Labyrinthe süsser
Nelken
!
Schmücket ihre Todesnacht,
Eh', wie
sie
, die Blüthen welken!
Lilie
der Blumenau,
Rein wie
sie
, vor allen Reinen:
Fülle dich mit Maienthau;
Lass' ihn sanft daniederweinen!
Kränze von
Vergissmeinnicht
,
Die das Blau vom
Himmel
saugen!
Nacht begrub der Sonne Licht:
Schliesset nun die Liebesaugen!
Myrthenstamm
, den ich erzog,
Du, der holden
Braut
Verlangen,
Den ich ihr zur
Laube
bog:
Nur am
Grabe
wirst du prangen!
Loorber
-Schmuck und
Palmen
-Zier!
Lohn dem Helden, Preis dem Ruhme,
Durch den
Tod
erkauft von
ihr
:
Grünet nun im Heiligthume!
[S 91]
Oelzweig
, den nach müdem Flug,
Friedebringend,
Noah's
Taube,
Nach der Wunderarche trug: —
Meine
Arche — fiel zu Staube!
Schatten du vom
Lebensbaum
,
Den mein Traum zu lang gemessen:
Edler schmücken deinen Raum
Trauerweiden
und
Cypressen
.
Baum
der
Gräber
, du allein,
Wirst hinfort, und nicht vergebens,
Zierde meiner Hütte sein;
Und
allein
mir Baum des Lebens!
Draussen, fern, im
Neckarthal
,
Wo im Grab' die
Lieben
wohnen:
Gründ' ich ihr ein Todtenmal,
Reich an Immortellen-Kronen.
Nah' bei meiner
Clause
blinkt,
Klar und rein der
Quelle
Spiegel;
Und der
Holden Urne
winkt,
Freundlich mir, am Rosenhügel.
Bis der Tage Ziel erscheint;
Gram und Kummer dann entschwinden;
Und wir
droben
, neu vereint,
Was wir
lieben
, wiederfinden.
[S 92]
XV.
Der Jungfrau Todtenfeier.
Es wallen edle Trauergäste,
Und Pilger strömen ohne Zahl,
Nach
Treiden
hin, zum
Todtenfeste
,
Zur
Jungfrau
, nach dem Rittersaal.
Im Schmuck' der Fürstengruft erscheinen
Die Wände, wie der Säule Rund;
Und gold'ne Todesengel weinen
Danieder, von dem schwarzen Grund'.
Kristall'ne Kronen, Kerzengarben,
Versenden wie ein Strahlenmeer,
Ein Sonnenlicht von allen Farben,
Im weiten Trauersaal umher.
Und mitten dort im Saal' vollendet
Ein
Rosenhain
den Zauberkreis;
Der ringsum reiche Düfte sendet,
Von tausend Blüthen, roth und weiss.
[S 93]
Und mitten, hoch im Rosenhaine:
Im Sarge von Cypressenholz,
Da thronet
sie
, die Makelreine,
Der Jungfrau Zier, der Frauen Stolz!
Ein
Engel
ruht auf Mund und Wangen,
Den Liebreiz noch gefangen hält:
Sie hat den grossen
Tod
empfangen,
Wie einen
Kuss von jener
Welt.
Im zarten Lilien-Gewande,
Den Myrthenkranz im blonden Haar;
Umgürtet mit dem Rosabande,
Das ihr Geleit' zum Tode war:
So schlummert
sie
, dem Tod' zum Hohne;
Der Traum ist lieblich, wundersam!
Ein
Cherub
zeigt die Palmenkrone;
Ein
Seraph
ist ihr Bräutigam.
Sie mag den Freier nicht betrüben,
Und spricht, dem Engel zugewandt:
Ich will in dir den
Bruder
lieben,
Mein
Liebster
wohnt im
Erden
land.
So scheint im Traume sie zu sagen,
Nur sagt es ihre Lippe nicht;
Und so mag Liebe nie verzagen,
Wenn auch der Tod das Leben bricht.
[S 94]
Zu Häupten ihr, an Rosenzweigen,
Sich neigend auf ihr Todtenbild:
Darf sich das
Tuch
der
Liebe
zeigen,
Ihr Schlachtpanier und Ehrenschild.
Es zeugt von ihrem Heldenmuthe,
Der ihrem Kampfe
Sieg
verleiht;
Es ist geweiht von ihrem
Blute
,
Es ist von ihrem
Tod'
geweiht.
Zu ihren Füssen kniet der
Arme
:
Der alles Glück mit ihr verlor!
Sein Leben wohnt in seinem Harme;
Sein Reichthum ist — ein
Trauerflor
!
Wer
wankt herbei an seinem Stabe,
Der Erde satt, dem Himmel reif? —
Der sie
gerettet aus dem Grabe;
Das ist der alte Vater
Greif
!
Die
Mutter
weint auf ihrem Bette,
Von Schmerzen wund, zum Tode müd';
Sich sehnend nach der Schlummerstätte,
Zu der voran die
Holde
schied!
Und alles Volk, und alle stöhnen,
Die
sie
, die
Liebende
geliebt:
Bezeugen nun im Strom von Thränen,
Wie tief der Schlag ihr Herz betrübt.
[S 95]
Doch draussen weilt ein
Trauerwagen
;
Und horch, die Gräberstunde schlug!
Zur
Kirche
wird sie fortgetragen,
Bestrahlt von hellem Fackelzug. —
Choral, Gebet und Hymne wühlen,
Es wühlt der klagende
Sermon
:
In Seelentiefen und Gefühlen;
Und Alles wird nur Klageton.
Dann endet sich das Fest der Trauer;
Das Leben senkt den Tod hinab! —
Zur Linken an der Tempelmauer,
Da gähnt der Schlund von ihrem Grab'!
Das
Amen
folgt dem Priestersegen! —
Die
Uhr
, die Jeder schlagen hört:
Ist nur das
Herz
, mit seinen Schlägen;
Ist nur der Schmerz, der sich empört!
Es regnet
Kränze
! dann entrollen,
Wie Würfel aus verweg'ner Hand,
Hinab zu Grab', die Gräberschollen;
Bis
Rosa
mit dem Sarg —
verschwand
.
Dann bringt ihr
Heil
ein Kreuz von Eisen:
Das soll der Heldin
Orden
sein:
Dann bringt die Welt — den Stein der Weisen,
Den inhaltschweren
Todtenstein
.
[S 96]
Mit Felsen würfeln Erdvulkane,
Mit
Steinen
würfelt auch die Luft;
Und
Steine
wirft der Mensch im Wahne,
Auf Bruderglück und seine Gruft!
Zeitlose
Du
, nicht Zeitenlose!
Dein Wandel geht durch
alle
Zeit.
Von Dornen frei, Du, keusche
Rose
,
Bist
Rosa
nun, der Ewigkeit!
Der
Maienrose
Duft und Leben:
Sie locken Wurm und Tod herbei;
Indess nun Engel Dich umschweben,
Und treu Dich pflegen,
Rosa Mai
!
[S 97]
XVI.
Heil, noch einmal vor dem Richter.
Der Jüngling
Heil
, nun
Mann
geworden,
Durch
Leiden
, die er
gross
bestand:
Er sehnt sich aus dem Land des Norden,
Zur Heimath, in sein Wiegenland.
Doch eh' das Grabmal seiner Freuden
Von ihm empfing die letzte Pflicht:
Da trat er, sonder Groll zu scheiden,
Noch,
also
sprechend, vor
Gericht
:
»Es ward ein theures Blut vergossen,
Der Mörder fand verdientes Grab;
Nun
— habet Ihr den Tod beschlossen,
Auf einen, der mir Leben gab.
Denn, wäre
Skudritz
Euch entflüchtet,
So wie es stand in seiner Macht:
So hätte
Folter
mich vernichtet,
Und
Schande
mir der Tod gebracht.
[S 98]
Dann auch bedenket Eure Lage,
Vor Thron, Gewissen und der Welt:
Wenn
Gott
die Wahrheit hier zu Tage,
Den Frevel an das Licht gestellt!
Der
Skudritz
war, an seiner Stelle,
Berückt, bethört, von blindem Wahn;
Nur Sklave blieb der Mordgeselle,
Und stets dem Mörder unterthan.
So lasset Huld ihm angedeihen! —
Den
Schatz
, der mir im Grabe ruht,
Soll
nicht
unreines Blut entweihen;
Nicht schänden mir das edle Blut.« —
Dem
Richter
wollte nicht behagen,
Was
Heil
gesprochen, allzukühn;
Doch will er Gnade nicht versagen,
Da
Greif
um gleiche Gunst erschien.
Dem
Jüngling
war
zu weh'
geschehen;
Vergeben wurde,
wie
er sprach;
Der Richter liess den Spruch ergehen,
Und
Milde
folgt dem
Rechte
nach.
»Der
Skudritz
mag im Thurm' noch büssen,
Für seine Schuld, die er bekannt;
Dann sei er aus dem Land' gewiesen,
Und ende
fern
, von hier
verbannt
!« —
[S 99]
So
sprach der
Richter
, vor dem Scheiden
Von dem durch Mord entweihten Ort';
Erfreuend
so
das Herz der
Beiden
,
Mit seiner That, mit seinem Wort'.
[S 100]
XVII.
Die Nacht am Grabe.
Die Landschaft ruht in tiefem Schlummer,
Der
Mond
nur und ein
Jüngling
wacht;
In Frieden
jener
,
der
in Kummer,
Doch Beide wandeln durch die Nacht.
Und
Heil
, am
Grabe
, Mond-beschienen,
Verklagt in süsser Melodie,
Sein
Glück
, auf dessen Prachtruinen;
Und
also
klang die
Elegie
:
»Bist Du so früh emporgeschieden,
Nach kurzem Traum von Erdenglück?
Und führt, von Deinem Gottesfrieden;
Kein Weg in Freundes Arm zurück?
[S 101]
Kann Liebe Dir nicht wiedergeben,
Was Erdentod dem Leben nahm?
Kann keine Thräne mehr beleben
Den Leib, der von der Erde kam? —
Vergebens! — In die Nacht der Zeiten
Verliert sich meiner Klage Ruf!
Nur
Einer
kann mir
Trost
bereiten:
Wer Licht aus Nacht der Nächte schuf.
Nur
Du
, von
Dem
, seit Welten kreisen,
Die Phantasie kein Bild entwarf!
Nur
Du
, Den wir »
Allvater
« preisen,
Der Alles gab, und Nichts bedarf!
Nun weihet mich, ihr
Todtenhügel
!
Ein Erdsohn will sein
Fest
begeh'n;
Komm',
Seraph
, leih' mir deine Flügel,
Ich will die
Braut
im
Lichte
seh'n.
Die Erde soll wie Nebel schwinden;
Die Sonne lass' ich weit zurück!
Will sich der
Geist
zum
Geiste
finden,
Verlangt es nur den Augenblick. —
Geliebte Du
, in fernen Räumen!
Wann sich die Geisterstunde neigt:
Umfangen wir Dein Bild in Träumen;
Dein Bild, das uns die
Palme
zeigt.
[S 102]
Dein treu bewährtes Tugendleben,
So lang es hier auf Erden ging:
War eine
Landschaft
, mild und eben,
Gefasst in einen Blumenring.
Da war kein Berg mit Silberminen,
Kein Alpenstrom, der Gold verhiess;
Kein Schloss der Vorzeit in Ruinen,
Kein Thurm mit seinem Burgverliess.
Es war die reichste Blumenwiese;
Durch die sich, wie ein Ordenband,
Ein Perlenquell vom Paradiese,
Vorbei an Frucht-Alleen wand.
Nur Unschuld, Ehre, Treue gingen
Einher, bei frohem Lerchensang;
Und
Engel
nur mit Rosaschwingen.
Umflogen sie auf jedem Gang.
Ein
Hüttchen
stand, im Sonnenglanze:
Da flocht, bei stillem Heitersinn,
Ein
Gärtner
an dem Bürgerkranze,
Für seines Glückes
Königin
.
Doch — neidisch brachten dunkle Mächte,
Dem Glück', des Todes Richterspruch!
Der Sonne folgten Schauernächte;
Da war die
Flur
ein
Leichentuch
!
[S 103]
Mein Himmel schwand! — Wie dort in Flammen
So mancher Weltenbau verging:
So
fiel mein
Paradies
zusammen;
Und —
Grab
nur blieb, was ich umfing!
Du
aber konntest nicht verlieren —
Den
Schmuck
, der auch den
Engel
ziert!
Das Schicksal wollte Dich verführen,
Du
aber hast den
Tod
verführt.
Charakter
— porenloser Wille,
Der gold'ne Saat für Welten trägt:
Hat Dir, in Deiner Sabbathstille,
Gedankengold zu
That
geprägt.
Nur
so
gelang es Deinem Muthe:
Bei frech bestürmender Gefahr,
Zu
siegen
noch in Deinem Blute;
Zu
retten
, was Dir heilig war. —
Dich nennt zwar keine Weltgeschichte,
Sie schreibt ja nur bei Dämmerlicht!
Es gingen Völker zum Gerichte,
Und die Geschichte kennt sie nicht!
Oft hat der
Unschuld
Gottvertrauen
Den Sieg der Feinde schnell besiegt;
Tyrannengrimm ein Blick der
Frauen
,
Am Thränenquell, in Schlaf gewiegt;
[S 104]
An unsichtbarem Spinngewebe
Hing oft der Staaten Weltgeschick:
Doch
selten
lebt, wer uns beschriebe
Der Webzeit Ersten Augenblick! —
Ein
Saemann
schrieb die Erste Rolle,
Die Segen auf die Völker trug;
Sein Jahrbuch war die Erdenscholle,
Sein Zaubergriffel war — sein
Pflug
.
Mit
solchem
Griffel schrieb er
Thaten
,
Kein Prahlwort, in der Zeiten Buch;
Mit
solchem
Schriftwerk hob er Staaten:
Und seine
Saaten
trifft kein Fluch!
Kann aber uns
Geschichte melden
:
Wer solch ein Götterwerk erdacht? —
Ihr Labsal ist nur Mark der Helden;
Ihr Nektar, Blut der Völkerschlacht!
So grabe denn der Helden Leben,
Geschichte
, deinem Marmor ein!
Doch —
Ihr
auch wird ein Tag sich heben,
Und
Rosa
nicht vergessen sein!
Es kommen Söhne ferner Zeiten,
An die noch keine Zeit gedacht:
Die
werden Dir ein
Fest
bereiten,
Zum Jahrtag Deiner Todesnacht. —
[S 105]
Die Hand der
Liebe
sä't in Grüfte
Den Keim zu manchem Wunderbaum;
Die Krone spielt im Reich' der Lüfte,
Die Wurzel fand im Grabe Raum':
Da grünt ein Stamm aus Deinem Staube;
Aus Thränen wird ein Wasserfall;
Und in der
Linde
Mai-Gelaube
Besingt Dein Lob die Nachtigall.
Der Vollmond hebt die Augenlieder;
Ein Pilger eilt dem Hügel zu;
Und neigt sich auf Dein Grabmal nieder,
Zu schlafen süssen Schlaf, wie
Du
!
O
Du
, verklärt, in lichten
Sphären
:
Gieb
Segen
meinem Pilgerlauf!
Und nimm
hinab
, des
Dankes
Zähren,
Und meinen
Kuss
, zu Dir
hinauf
!
Mein Glaube wohnt auf Deinem
Hügel
,
Die Hoffnung reicht den Wanderstab;
Bis mich zu
Dir
der
Liebe
Flügel,
Emporhebt, über Zeit und Grab.
Dein
Rosatuch
— sei mir
Geleite
,
Wohin
auch mein
Verhängniss
ruft!
Es folge mir im Erdenstreite,
Und dann zum Frieden, meiner Gruft!
[S 106]
Du
aber,
Staub
der
Gräber
-Auen:
Lass hier bei Mond- und Sonnenschein.
Das
Leben
sich am
Tod
erbauen,
Dann wird kein
Tod
im
Leben
sein!«
[S 107]
XVIII.
Das Ende.
Nachdem er so die Mitternacht,
Dann Morgenroth herbei gewacht:
Erhob sich
Heil
gen
Treiden
;
Und sprach dort, in der
Lieben
Haus,
Den letzten Wunsch und Willen aus,
Auf immerdar,
zu scheiden
.
Nicht dreifach hoher Ehrensold,
Erboten ihm von
Segewold
,
Kann seine Schritte bannen.
Er wirft den thränefeuchten Blick
Nach seinem
Paradies
zurück,
Und eilet nun von dannen.
Des
Tiefgebeugten
Brust bewegt:
Nicht
Greif
, der
Rosa Mai
gepflegt;
Nicht Bitte, noch Vertrauen.
Die
Höhle
, die sein
Glück
umfing,
In
der
sein
Himmel
unterging:
Erregt ihm Scheu und Grauen.
[S 108]
Vergebens klang, am trauten Ort',
Noch einmal Ruf und Freundeswort;
Der
Alten
Wunsch und Flehen!
Mit seinem
Rosatuch
entschwand
Der
Jüngling
, heim, zum
Väterland
;
Und — ward nicht mehr gesehen!
Druck von H. Schnakenburg's litho- & typogr. Anstalt in Riga.