Inhalt .
V.5
Whiggistische Flüchtlinge auf dem Festlande. Gegen das Ende der Regierung Karl’s II. hatten einige Whigs, welche in das ihrer Partei so verderblich gewordene Complot verwickelt waren und wußten, daß man ihnen den Untergang geschworen, in den Niederlanden eine Zufluchtsstätte gesucht.
Diese Flüchtlinge waren größtentheils Leute von heißblütigem Temperament, aber schwachem Urtheile, und überdies waren sie von der sonderbaren Täuschung befangen, die ihrer Lage eigen zu sein scheint. Ein Politiker, welcher durch eine feindliche Partei in die Verbannung getrieben wurde, erblickt die Gesellschaft, die er verlassen, in der Regel in einem falschen Lichte. Jeder Gegenstand erhält durch den Schmerz, durch die Sehnsucht und durch den Haß eine andre Gestalt und Färbung. Jede kleine Unzufriedenheit scheint ihm eine Revolution zu verkünden, jeder Tumult dünkt ihm ein Aufstand. Er ist nicht davon zu überzeugen, daß sein Vaterland sich nicht eben so schmerzlich nach ihm sehnt, wie er sich nach demselben sehnt, er bildet sich ein, daß alle seine alten Gesinnungsgenossen, die noch in der Heimath und im ungestörten Genusse ihres Vermögens sind, von den nämlichen Gefühlen gequält werden, welche ihm das Leben zu einer Last machen. Je länger seine Verbannung dauert, um so größer wird diese Täuschung. Die Zeit, welche den Feuereifer der zurückgelassenen Freunde dämpft, schürt den seinigen nur noch mehr an. Mit jedem Monate wird sein sehnsüchtiges Verlangen nach der Heimath stärker, und mit jedem Monate denkt sein Vaterland seltener an ihn und vermißt ihn weniger. Diese Täuschung wird fast zum Wahnsinn, wenn viele Verbannte, die um der nämlichen Sache willen leiden, an einer fremden Küste beisammenwohnen. Ihre Hauptbeschäftigung ist, davon zu sprechen, was sie einst waren und was sie vielleicht noch einmal werden können, einander zum Hasse gegen den gemeinschaftlichen Feind aufzustacheln und sich gegenseitig mit überspannten Hoffnungen auf Sieg und Rache zu nähren. So werden sie reif zu Unternehmungen, welche Jedermann, den die Leidenschaft nicht der Fähigkeit beraubt hat, die Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, von vornherein für hoffnungslos erklären würde.
Ihre Correspondenten in England. In dieser Stimmung waren viele der Verwiesenen, die sich auf dem Continent gesammelt hatten. Der Briefwechsel, den sie mit England unterhielten, diente größtentheils nur dazu, ihre Gefühle noch mehr aufzureizen und ihr Urtheil irre zu führen. Ihre Nachrichten von dem Zustande der öffentlichen Meinung erhielten sie hauptsächlich von den schlimmsten Mitgliedern der Whigpartei, von Männern, welche Verschwörer und Pasquillanten von Profession waren, die von den Gerichten verfolgt wurden, die nur verkleidet durch abgelegene Gassen schleichen und sich zuweilen Wochen lang auf Böden V.6 oder in Kellern versteckt halten mußten. Die Staatsmänner, welche die Zierden der Vaterlandspartei gewesen waren, die Staatsmänner, welche später die Berathungen des Convents leiteten, würden ganz andere Rathschläge gegeben haben, als Männer wie Johann Wildman und Heinrich Danvers sie gaben.
Wildman hatte vierzig Jahre früher im Parlamentsheere gedient, sich aber in dieser Stellung mehr als Wühler, denn als Soldat ausgezeichnet, und hatte das Waffenhandwerk bald wieder aufgegeben, um andere Zwecke zu verfolgen, die seinem Character mehr zusagten. Sein Haß gegen die Monarchie hatte ihn angetrieben, sich in eine lange Reihe von Verschwörungen einzulassen, zuerst gegen den Protector und dann gegen die Stuarts. Wildman verband jedoch mit seinem Fanatismus eine zärtliche Sorge für seine persönliche Sicherheit. Er besaß eine seltene Geschicklichkeit darin, die Schwelle des Hochverraths nicht zu überschreiten. Niemand verstand es besser als er, Andere zu verzweifelten Unternehmungen durch Worte anzureizen, welche vor Gericht unschuldig, oder schlimmsten Falls doch nur zweideutig erscheinen konnten. Seine Verschlagenheit war so groß, daß er, obgleich er beständig complotirte, obgleich er von jeher als Verschwörer bekannt war und obgleich ihn eine rachsüchtige Regierung lange Zeit mit feindseligem Argwohn beobachtete, doch immer jeder Gefahr entging und ruhig in seinem Bette starb, nachdem er zwei Generationen seiner Mitschuldigen am Galgen hatte enden sehen. 1 Danvers war ein Mensch von gleichem Schlage, heißblütig, aber kleinmüthig, durch glühende Begeisterung fortwährend bis an den Rand der Gefahr getrieben, durch die Feigheit aber immer wieder an diesem Rande zurückgehalten. Er hatte unter einem Theile der Baptisten großen Einfluß, hatte viel zur Vertheidigung ihrer sonderbaren Ansichten geschrieben und sich durch den Versuch, das Verbrechen des Matthias und Johann von Leyden zu beschönigen, den strengen Tadel der ehrenwerthesten Puritaner zugezogen. Hätte er ein wenig Muth besessen, so ist es wahrscheinlich, daß er in die Fußtapfen der Elenden getreten wäre, die er vertheidigte. Er mußte sich damals vor den Beamten der Justiz verbergen, da wegen einer grobverleumderischen Schrift, als deren Verfasser die Regierung ihn entdeckt hatte, Verhaftsbefehle gegen ihn erlassen waren. 2
1. Clarendon’s History of the Rebellion, book XIV. ; Burnet’s Own Times, I. 546, 625 ; Wade’s and Ireton’s Narratives, Lansdowne M.S. 1152 ; West’s Anklage im Anhange zu Sprat’s True Account.
2. London Gazette, Jan. 4. 1684/85 ; Ferguson M.S. in Eachard’s History, III. 764 ; Grey’s Narrative ; Sprat’s True Account ; Danvers’s Treatise on Baptism ; Danvers’s Innocency and Truth vindicated ; Crosley’s History of the English Baptists.
Character der Oberhäupter der Flüchtlinge. Man kann leicht denken, welcher Art die Mittheilungen und Rathschläge waren, die solche Männer den Geächteten in den Niederlanden zukommen ließen. Nach einigen wenigen Proben wird man sich eine Vorstellung von dem allgemeinen Character der Letzteren bilden können.
Ayloffe. Einer der hervorragendsten unter ihnen war Johann Ayloffe, ein Jurist, der mit den Hyde, und durch die Hyde wieder mit Jakob verwandt war. Er hatte sich schon frühzeitig durch eine sonderbare Beleidigung der Regierung bemerkbar gemacht. Zu der Zeit nämlich, als der Einfluß des Hofes von Versailles allgemeinen Unwillen erregte, hatte V.7 er einen hölzernen Schuh, bei den Engländern das feststehende Sinnbild der französischen Tyrannei, auf den Präsidentenstuhl des Hauses der Gemeinen gelegt. Später hatte er an dem whiggistischen Complot Theil genommen, aber man hat keinen Grund zu der Vermuthung, daß er um den Plan, die königlichen Brüder zu ermorden, gewußt habe. Er war ein Mann von Talent und Muth, sein moralischer Charakter aber stand auf keiner hohen Stufe. Die puritanischen Theologen raunten einander zu, daß er ein gewissenloser Gallio oder etwas noch Schlimmeres sei und daß bei all seinem Eifer für die bürgerliche Freiheit die Heiligen wohl daran thun würden, jeden Umgang mit ihm zu vermeiden. 3
3. Sprat’s True Account ; Burnet I. 634 ; Wade’s Confession, Harl. M.S. 6845. Lord Howard von Escrick beschuldigte Ayloffe, daß er die Ermordung des Herzogs von York vorgeschlagen habe; aber Lord Howard war ein abscheulicher Lügner und diese Erzählung war kein Theil seines ursprünglichen Bekenntnisses, sondern wurde erst später als Supplement hinzugefügt und verdient daher durchaus keinen Glauben.
Wade. Nathaniel Wade war ebenfalls Jurist, wie Ayloffe. Er hatte lange in Bristol gewohnt und war in seiner Umgebung als ein heftiger Republikaner gepriesen worden. Einmal hatte er sich vorgenommen, nach New-Jersey auszuwandern, wo er Institutionen zu finden hoffte, die seinem Geschmacke besser zusagten als die englischen. Seine Thätigkeit bei den Parlamentswahlen hatten die Aufmerksamkeit einiger vornehmen Whigs auf ihn gelenkt, sie bedienten sich seiner als Anwalt und zogen ihn endlich zu ihren geheimsten Berathungen. Er war bei dem Insurrectionsplane stark betheiligt und hatte es unternommen, sich in seiner eignen Stadt an die Spitze eines Aufstandes zu stellen. Ebenso war er in das verwerflichere Complot gegen das Leben Karl’s und Jakob’s eingeweiht gewesen, aber er erklärte stets, daß er zwar davon gewußt, es aber durchaus verabscheut und sogar versucht habe, seine Mitverschwornen von der Ausführung ihres Planes abzubringen. Für einen zu bürgerlichen Berufsgeschäften herangebildeten Mann besaß Wade in seltenem Maße die Umsicht und Energie, welche die Haupterfordernisse eines guten Soldaten sind. Leider aber erwiesen sich seine Grundsätze und sein Muth nicht stark genug, um ihn nach beendetem Kampfe, als er im Gefängniß zwischen Tod und Schande zu wählen hatte, aufrecht zu erhalten. 4
4. Wade’s Confession, Harl. M.S. 6845 ; Lansdowne M.S. 1152 ; Holloway’s Erzählung im Anhange zu Sprat’s True Account . Wade gestand zu, daß Holloway nur die Wahrheit gesagt hatte.
Goodenough. Ein andrer Flüchtling war Richard Goodenough, der früher Untersheriff von London gewesen war. Diesen Mann hatte seine Partei lange zu Dienstleistungen nicht sehr ehrenwerther Art benutzt, besonders wenn es darauf ankam, Geschworne zu wählen, von denen man hoffen durfte, daß sie bei politischen Prozessen nicht allzu gewissenhaft sein würden. Er war tief verwickelt gewesen in die schwarzen und blutigen Anschläge des Whigcomplots, welche vor den achtungswertheren Whigs sorgfältig geheim gehalten wurden. Bei ihm konnte man nicht als mildernden Umstand anführen, daß er durch übergroßen Eifer für das Gemeinwohl irre geleitet worden sei, denn wir werden später sehen, daß er, nachdem er eine edle Sache durch seine Verbrechen geschändet, sie schließlich verrieth, um der wohlverdienten Strafe zu entgehen. 5
5. Sprat’s True Account an mehreren Stellen.
Rumbold. Ein ganz andrer Character war Richard Rumbold. V.8 Er war Offizier in Cromwell’s Leibregiment gewesen, hatte am Tage der großen Hinrichtung das Schaffot vor dem Bankethause bewacht, bei Dunbar und Worcester gefochten und stets in hohem Grade die Eigenschaften gezeigt, durch welche sich das unbesiegbare Heer, in dem er diente, auszeichnete: einen unerschütterlichen Muth, eine glühende Begeisterung, sowohl in politischer als in religiöser Hinsicht, und neben dieser Begeisterung doch die ganze Kraft der Selbstbeherrschung, welche Männern eigen ist, die in wohldisciplinirten Lagern befehlen und gehorchen gelernt haben. Nach erfolgter Auflösung der republikanischen Armee wurde Rumbold Mälzer und betrieb sein Geschäft unweit Hoddesdon in dem Hause, von dem das Ryehousecomplot seinen Namen hat. Bei den Berathungen der Heftigsten und Rücksichtslosesten unter den Mißvergnügten war vorgeschlagen, doch nicht definitiv beschlossen worden, daß bewaffnete Männer in das Roggenhaus gelegt werden sollten, um die Eskorte anzugreifen, welche Karl und Jakob von Newmarket nach London begleitete. An diesen Berathungen hatte Rumbold einen Antheil genommen, von dem er mit Abscheu zurückgebebt sein würde, wäre nicht durch den Parteigeist sein heller Verstand umnebelt und sein männliches Herz verdorben gewesen. 6
6. Sprat’s True Account & Appendix ; Untersuchung gegen Rumbold in der Collection of State Trials ; Burnet’s Own Times, I. 633 ; Anhang zu Fox’s History No. IV.
Lord Grey. Hoch erhaben über die bis jetzt angeführten Verbannten war Ford Grey, Lord Grey von Mark. Er war ein eifriger Exclusionist gewesen, hatte Antheil an dem Insurrectionsplane gehabt und war in den Tower gesperrt worden, wo es ihm jedoch gelang, seine Wächter betrunken zu machen und auf das Festland zu entkommen. Er besaß hervorragende Talente und gewinnende Manieren, aber ein großes häusliches Verbrechen warf einen Flecken auf sein Leben. Seine Gattin war eine Tochter des edlen Hauses Berkeley, und ihre Schwester, Lady Henriette Berkeley, durfte mit ihm, als mit einem Blutsverwandten, verkehren und correspondiren. So entstand eine verhängnißvolle Zuneigung. Der lebhafte Geist und die heftige Leidenschaft der Lady Henriette durchbrach alle Schranken der Tugend und Schicklichkeit und eine skandalöse Entführung enthüllte dem ganzen Königreiche die Schande zweier vornehmen Familien. Grey nebst einigen von den Helfershelfern, die ihm bei seinem Liebeshandel gedient hatten, wurden unter der Anklage einer Verbindung zu gesetzwidrigem Zwecke vor Gericht gestellt und es ereignete sich vor den Schranken der Kings Bench eine in den Annalen unsrer Justiz ohne Beispiel dastehende Scene. Der Verführer erschien mit frecher Stirn in Begleitung seiner Geliebten, und selbst in diesem unerhörten Falle wichen die großen whiggistischen Lords nicht von der Seite ihres Freundes. Die, welche er beleidigt, standen ihm gegenüber und wurden durch seinen Anblick zu Zornesausbrüchen gereizt. Der alte Earl von Berkeley überhäufte die unglückliche Henriette mit Vorwürfen und Verwünschungen. Die Gräfin gab unter häufigem Schluchzen ihre Zeugenaussage ab und fiel endlich in Ohnmacht. Die Geschwornen sprachen das „Schuldig“ aus. Als der Gerichtshof die Sitzung aufhob, forderte Lord Berkeley alle seine Freunde auf, daß sie ihm beistehen möchten, seine Tochter zu ergreifen; die Anhänger Grey’s schaarten sich um Letztere, auf beiden Seiten wurden Schwerter gezuckt, es entspann sich ein Gefecht in Westminster Hall V.9 und nur mit Mühe gelang es den Richtern und Gerichtsdienern, die Streitenden zu trennen. In unsrer Zeit würde ein solcher Prozeß den Ruf eines der Öffentlichkeit angehörenden Mannes schänden; damals aber war der Maßstab der Moralität unter den Großen so niedrig und die Parteiwuth so heftig, daß Grey nach wie vor bedeutenden Einfluß hatte, wenn auch die Puritaner, welche einen ansehnlichen Theil der Whigpartei bildeten, ihm mit einiger Kälte begegneten. 7
Eine Seite von dem Character, oder man sollte vielleicht eher sagen von dem Schicksale Grey’s verdient besondere Erwähnung: man mußte zugestehen, daß er überall, auf dem Schlachtfelde ausgenommen, einen hohen Grad von Muth bewies. Mehr als einmal zwang sein würdevolles Benehmen und die vollkommene Beherrschung aller seiner Fähigkeiten in schwierigen Lagen, wo sein Leben und seine Freiheit auf dem Spiele standen, selbst Diejenigen zu lobender Anerkennung, die ihn weder liebten noch achteten. Als Soldat jedoch zog er sich, vielleicht weniger durch eigne Schuld als durch unglücklichen Zufall den entehrenden Vorwurf persönlicher Feigheit zu.
7. Grey’s Narrative ; sein Prozeß in der Collection of State Trials ; Sprat’s True Account.
Monmouth. In dieser Beziehung war er ganz verschieden von seinem Freunde, dem Herzoge von Monmouth. Monmouth war tapfer und unerschrocken auf dem Schlachtfelde, sonst aber überall weibisch und zaghaft. Seine Geburt, sein persönlicher Muth und sein einnehmendes Äußere hatten ihm eine Stellung verschafft, für die er sich durchaus nicht eignete. Nachdem er den Untergang der Partei, deren nominelles Oberhaupt er gewesen war, mit angesehen, hatte er sich nach Holland zurückgezogen. Der Prinz und die Prinzessin von Oranien erblickten nicht mehr einen Nebenbuhler ihn ihm, und sie gewährten ihm daher eine gastliche Aufnahme, denn sie hofften, sich durch freundliche Behandlung des Herzogs Anspruch auf den Dank seines Vaters zu erwerben. Sie wußten, daß die väterliche Zuneigung noch nicht erloschen war, daß Monmouth noch immer im Geheimen Geldunterstützungen von Whitehall erhielt und daß Karl es sehr ungnädig aufnahm, wenn Jemand von seinem Sohne Übles sprach, in der Hoffnung, sich dadurch bei ihm beliebt zu machen. Man hatte den Herzog in der Erwartung bestärkt, daß er, wenn anders er keine neue Veranlassung zu Mißfallen gab, bald in sein Vaterland zurückgerufen und in alle seine Ehrenstellen und Befehlshaberposten wieder eingesetzt werden würde. Von solchen Erwartungen beseelt, war er während des verflossenen Winters der Lebensnerv des Haags gewesen. Auf einer Reihe von Bällen in dem prächtigen Oraniensaale, dessen Wände in dem herrlichsten Farbenreichthum eines Jordaens und Hondthorst prangen, hatte er die hervorragendste Figur gespielt. 8 Er hatte die holländischen Damen mit dem englischen Contretanz bekannt gemacht und seinerseits von ihnen auf den Kanälen Schlittschuh laufen gelernt. Die Prinzessin hatte ihn bei seinen Ausflügen auf dem Eise begleitet, und es hatte oft die Verwunderung und die Heiterkeit der auswärtigen Gesandten erregt, wenn sie dort, in kürzeren Röcken, als sie in der Regel von so vornehmen, das strengste Decorum beobachtenden Damen getragen wurden, auf einem Beine dahinglitt. V.10 Der Einfluß des bezaubernden Engländers schien den düstern Ernst, der den Hof des Statthalters characterisirte, verscheucht zu haben, und selbst der finstre, gedankenvolle Wilhelm wurde heiterer gestimmt, wenn sein glänzender Gast erschien. 9
Inzwischen vermied Monmouth sorgfältig Alles, was an dem Orte, von woher er Schutz erwartete, Anstoß erregen konnte. Er verkehrte überhaupt mit wenigen Whigs und gar nicht mit den heftigen Männern, welche in den schlimmsten Theil des Whigcomplots verwickelt gewesen waren. Daher beschuldigten ihn seine ehemaligen Gesinnungsgenossen laut der Unbeständigkeit und Undankbarkeit. 10
8. In der Pepys’schen Sammlung befindet sich ein Kupferstich, der einen der Bälle darstellt, welche zu jener Zeit von Wilhelm und Marien im „Oranje Zaal“ gegeben wurden.
9. Avaux Neg. Jan. 25. 1685. Brief von Jakob an die Prinzessin von Oranien vom Januar 1684/85, unter Birch’s Auszügen im Britischen Museum.
10. Grey’s Narrative ; Wade’s Confession, Lansdowne M.S. 1152.
Ferguson. Von keinem der Verbannten wurde diese Anklage mit größerer Heftigkeit und Bitterkeit erhoben, als von Robert Ferguson, dem Judas in Dryden’s großer Satire. Ferguson war ein Schotte von Geburt, aber er hatte lange in England gelebt. Zur Zeit der Restauration bekleidete er eine Pfarrstelle in Kent. Er war als Presbyterianer erzogen, die Presbyterianer aber hatten ihn aus ihrer Mitte gestoßen und er war zu den Independenten übergegangen. Dann war er Vorsteher einer von den Dissenters in Islington errichteten Akademie gewesen, welche mit der Westminsterschule und dem Charterhouse concurriren sollte, und hatte bei einer Versammlung in Moorfields vor einem großen Zuhörerkreise gepredigt. Auch hatte er einige theologische Abhandlungen geschrieben, die sich vielleicht noch in den staubigen Winkeln einiger alten Bibliotheken finden; aber obgleich er beständig Bibelstellen im Munde führte, so überzeugte sich doch Jeder, der in Geldangelegenheiten mit ihm zu thun bekam, sehr bald, daß er nichts als ein Schwindler war.
Endlich entzog er der Theologie fast ganz seine Aufmerksamkeit, um sie dem schlechtesten Theile der Politik zuzuwenden. Er gehörte zu der Klasse, die ein Geschäft daraus machen, erbitterten Parteien in unruhigen Zeiten Dienste zu leisten, vor denen der Rechtschaffene aus Abscheu, der Kluge aus Furcht zurückschreckt, zur Klasse der fanatischen Schurken. Er war heftig, bösartig, unempfänglich für die Wahrheit, ohne Gefühl für die Schande, von unersättlicher Ruhmsucht erfüllt, fand an Intriguen, Aufruhr und Unheil lediglich um ihrer selbst willen Vergnügen und arbeitete viele Jahre in den dunkelsten Minen des Parteiwesens. Er lebte unter Pasquillanten und falschen Zeugen, verwaltete eine geheime Kasse, aus welcher Agenten besoldet wurden, die zu schlecht waren, als daß man sie hätte anerkennen dürfen, und war Vorsteher einer geheimen Druckerei, aus der fast täglich anonyme Pamphlets hervorgingen. Er rühmte sich, daß er Schmähschriften um die Terrasse von Windsor herum ausgestreut und selbst unter das Kopfkissen des Königs gebracht habe. Bei solcher Lebensweise mußte er zu allerhand Listen seine Zuflucht nehmen, mußte mehrere Namen führen und hatte einmal in vier verschiedenen Stadttheilen Londons vier verschiedene Wohnungen. Bei dem Ryehousecomplot war er stark betheiligt und man hat Grund zu der Vermuthung, daß er der erste Urheber der blutigen Anschläge war, welche die ganze Whigpartei so sehr in Mißcredit brachten. Als die Verschwörung entdeckt war und seinen Genossen bange wurde, nahm er lachend Abschied von ihnen, indem er V.11 ihnen sagte, sie wären Neulinge, er sei an Flucht, Verstecke und Verkleidung gewöhnt und werde Zeit seines Lebens nie aufhören, zu conspiriren. Er entkam auf den Continent, aber selbst dort schien er nicht sicher zu sein. Die englischen Gesandten an den auswärtigen Höfen waren angewiesen, ein scharfes Auge auf ihn zu haben, und die Regierung versprach Demjenigen, der ihn ergreifen würde, eine Belohnung von fünfhundert Pistolen. Es war ihm auch nicht leicht, unbemerkt zu bleiben, denn sein breiter schottischer Accent, seine lange und hagere Gestalt, seine hohlen Wangen, seine beständig von der Perrücke beschatteten stechenden Augen, sein von einem Hautausschlage geröthetes Gesicht, sein gekrümmter Rücken und sein eigenthümlich wiegender Gang machten ihn überall, wo er sich zeigte, zu einer auffallenden Erscheinung. Aber obgleich er anscheinend mit ganz besondrem Eifer verfolgt wurde, so raunte man sich doch im Stillen zu, daß dieser Eifer eben nur scheinbar sei und daß die Gerichtsbeamten geheimen Befehl hätten, ihn nicht zu sehen. Es läßt sich kaum bezweifeln, daß er wirklich ein erbitterter Unzufriedener war, aber man hat starken Grund, zu vermuthen, er habe für seine Sicherheit dadurch gesorgt, daß er in Whitehall vorgab, ein Spion gegen die Whigs zu sein und daß er der Regierung eben nur so viele Mittheilungen zukommen ließ, als zur Aufrechterhaltung seines Credits genügten. Diese Annahme erklärt auf die einfachste Weise das, was seinen Gesinnungsgenossen als eine unnatürliche Sorglosigkeit und Tollkühnheit erschien. Da ihm selbst nichts geschehen konnte, stimmte er jedesmal für den gewaltthätigsten und gefährlichsten Weg und lächelte mitleidig über den Kleinmuth von Männern, welche die schmachvolle Vorsichtsmaßregel, auf die er sich verließ, nicht getroffen hatten, und die sich daher zweimal besannen, ehe sie ihr Leben und Alles, was ihnen noch theurer war als das Leben, auf eine Karte setzten. 11
Sobald er in den Niederlanden angekommen war, begann er über neue Pläne gegen die englische Regierung zu brüten und fand unter seinen Mitverbannten Männer, die seinen bösen Rathschlägen ein geneigtes Ohr liehen. Monmouth hielt sich indeß beharrlich fern von ihm, und ohne Beihülfe der ausgedehnten Popularität des Herzogs war unmöglich etwas auszurichten. Aber die Ungeduld und Tollkühnheit der Verbannten waren so groß, daß sie sich nach einem andren Führer umsahen. Sie schickten eine Gesandtschaft an den einsamen Ort am Ufer des Genfer Sees, wo Edmund Ludlow, einst ein ausgezeichneter Anführer in der Parlamentsarmee und ein hervorragendes Mitglied des hohen Gerichtshofes, sich schon seit vielen Jahren vor der Rache der wiedereingesetzten Stuarts verborgen hielt. Der ernste greise Rebell weigerte sich jedoch, seine Einsiedelei zu verlassen. Er habe das Seinige gethan, sagte er; wenn England noch zu retten sei, so müsse es durch jüngere Männer geschehen. 12
Die unerwartete Erledigung der Krone veränderte die Gestalt der Dinge. Jede Hoffnung auf friedliche Rückkehr in ihr Vaterland, welche die verbannten Whigs vielleicht noch hegten, wurde durch den Tod eines sorglosen und gutmüthigen Fürsten und durch die Thronbesteigung eines V.12 in jeder Beziehung, ganz besonders aber in der Rache ungemein hartnäckigen Prinzen vernichtet. Ferguson war in seinem Elemente. So vollständig ihm altes Talent als Schriftsteller und Staatsmann fehlte, in so hohem Grade besaß er dagegen die nicht beneidenswerthen Eigenschaften eines Versuchers. So eilte er jetzt mit der tückischen Geschäftigkeit und Gewandtheit eines bösen Geistes von einem Verbannten zum andren, flüsterte jedem etwas ins Ohr und erregte in jeder Brust rachsüchtige Wuth und wilde Begierden.
Jetzt hoffte er auch von Neuem, daß es ihm doch noch gelingen werde, Monmouth zu verführen. Die Lage dieses unglücklichen jungen Mannes war eine ganz andre geworden. Während er im Haag tanzte und Schlittschuh lief und jeden Tag die Einladung zur Rückkehr nach London erwartete, stürzte ihn die Nachricht von seines Vaters Tode und von seines Oheims Thronbesteigung plötzlich ins tiefste Elend. Die in seiner Nähe Wohnenden konnten in der Nacht nach der Ankunft dieser Schreckensbotschaft seine Seufzer und sein lautes Jammergeschrei hören. Er verließ am folgenden Tage den Haag, nachdem er sowohl dem Prinzen als auch der Prinzessin von Oranien sein Ehrenwort gegeben, daß er durchaus nichts gegen die englische Regierung unternehmen werde, und nachdem sie ihn mit Geld zur Bestreitung seiner dringendsten Bedürfnisse versehen hatten. 13
Monmouth’s Aussichten waren nicht glänzend. Es war nicht wahrscheinlich, daß er aus der Verbannung zurückgerufen werden würde, und auf dein Festlande konnte er nicht länger inmitten des Glanzes und der Festlichkeiten eines Hofes leben. Seine Verwandten im Haag scheinen ihn wirklich zugethan gewesen zu sein, aber sie konnten ihn fernerhin nicht offen beschützen, ohne ernste Gefahr, einen Bruch zwischen England und Holland dadurch herbeizuführen. Wilhelm machte ihm einen gutgemeinten und verständigen Vorschlag. Der Krieg zwischen dem Kaiser und den Türken, welcher damals in Ungarn wüthete, wurde von ganz Europa mit fast eben so großem Interesse verfolgt, als fünfhundert Jahre früher die Kreuzzüge. Viele tapfere Edelleute, Protestanten sowohl als Katholiken, fochten als Freiwillige für die gemeinschaftliche Sache des Christenthums. Der Prinz rieth Monmouth, sich in das kaiserliche Lager zu begeben, und versicherte ihn, daß es ihm dann nicht an Mitteln fehlen solle, um mit dem eines vornehmen Engländers würdigem Glanze aufzutreten. 14 Dies war ein vortrefflicher Rath; der Herzog aber konnte sich nicht dazu entschließen. Er begab sich nach Brüssel, begleitet von Henriette Wentworth, Baronesse Wentworth von Nettlestede, einem Fräulein von hoher Geburt und großem Vermögen, die ihn leidenschaftlich liebte, ihm ihre jungfräuliche Ehre und die Aussicht auf eine glänzende Verbindung aufgeopfert hatte, ihm in’s Exil gefolgt war und die er vor Gott als seine rechtmäßige Gattin betrachtete. Unter dem wohlthuenden Einflusse der weiblichen Freundschaft heilten auch bald die Wunden seines zerrissenen Herzens. Es schien, als hätte er in der stillen Zurückgezogenheit das Glück gefunden und vergessen, daß er einst die Zierde eines glänzenden Hofes und das Oberhaupt einer mächtigen Partei gewesen war, daß er Armeen befehligt und selbst nach dem Besitze eines Thrones gestrebt hatte.
V.13Doch man gönnte ihm die Ruhe nicht. Ferguson wendete alle seine Versuchungskünste an. Grey, der nicht wußte, woher er noch eine Pistole nehmen sollte und der daher zu jedem, wenn auch noch so verzweifelten Unternehmen bereit war, unterstützte Ferguson. Man ließ seinen Kunstgriff unversucht, um Monmouth aus seiner Zurückgezogenheit hervorzulocken. Auf die ersten Einladungen, die er von seinem ehemaligen Bundesgenossen erhielt, antwortete er ablehnend. Er erklärte die Schwierigkeiten einer Landung in England für unüberwindlich, versicherte, er sei des öffentlichen Lebens überdrüssig, und bat darum, daß man ihn im ungestörten Genusse seines neugefundenen Glücks lassen möge. Doch er war nicht der Mann, der geschicktem und anhaltendem Drängen lange widerstehen konnte. Auch sagt man, daß er durch den nämlichen mächtigen Einfluß, der ihm seine Zurückgezogenheit so angenehm machte, überredet worden sei, dieselbe wieder aufzugeben. Lady Wentworth wollte ihn als König sehen. Ihre Einkünfte, ihre Juwelen und ihr Credit wurden ihm zur Verfügung gestellt, und obwohl Monmouth’s Verstand nicht überzeugt war, so hatte er doch nicht die Kraft, solchen Bitten zu widerstehen. 15
11. Burnet I. 342. Wood. Ath. Ox. unter dem Namen Owen; Absalom and Achitophel, part II. ; Eachard, III. 682. 697. ; Sprat’s True Account an mehreren Stellen; Nonconformist’s Memorial ; North’s Examen, 399.
12. Wade’s Confession, Harl. M.S. 6845.
13. Avaux Neg. Feb. 20. 22. 1685 ; Monmouth’s Brief an Jakob aus Ringwood.
14. The History of King William the Third, 2d. edition, 1703, vol. I. 160.
15. Welwood’s Memoirs, App. XV. ; Burnet I. 630. Grey erzählt die Sache etwas anders, aber er erzählte sie, um sein Leben zu retten. Der spanische Gesandte am englischen Hofe, Don Pedro de Ronquillo, spöttelt in einem Briefe, den er um diese Zeit an den Statthalter der Niederlande schrieb, darüber, daß Monmouth von der Freigebigkeit eines verliebten Weibes lebe, und äußert den ganz ungegründeten Verdacht, daß des Herzogs Liebe nicht uneigennützig sei. „Hallandose hoy tan falto de medios que ha menester transformarse en Amor con Miledi en vista de la necesidad de poder subsistir.“ -- Ronquillo an Grana vom 30. März (9. April) 1685.
Schottische Flüchtlinge. Die englischen Verbannten empfingen ihn mit großer Freude und erkannten ihn einhellig als ihr Oberhaupt an. Allein es gab noch eine andre Klasse von Emigranten, welche nicht gemeint waren, seinen Befehlen zu gehorchen. Regierungsfehler, wie der südliche Theil unsrer Insel sie nie gekannt, hatte viele Flüchtlinge, deren maßloser politischer und religiöser Eifer im Verhältniß zu den Bedrückungen stand, die sie erduldet, aus Schottland auf den Continent getrieben. Diese Männer aber hatten keine Lust, einem englischen Anführer zu folgen. Ihr engherziger Nationalstolz verleugnete sich selbst in Armuth und Verbannung nicht, und sie wollten es nicht zugeben, daß ihr Vaterland in ihrer Person zu einer Provinz erniedrigt würde.
Der Earl von Argyle. Sie hatten einen eignen Anführer in ihren Reihen: Archibald, neunten Earl von Argyle, der als Oberhaupt des großen Stammes der Campbell bei der Bevölkerung der Hochlande unter dem stolzen Namen Mac Callum More bekannt war. Sein Vater, der Marquis von Argyle, war das Haupt der schottischen Covenanters gewesen, hatte viel zum Sturze Karl’s I. beigetragen, und die Royalisten waren der Meinung, daß er dieses Verbrechen dadurch noch nicht gesühnt habe, daß er seine Einwilligung dazu gab, Karl II. den leeren Königstitel und ein Staatsgefängniß in der Form eines Palastes zu gewähren. Nach der Rückkehr der königlichen Familie wurde der Marquis hingerichtet und sein Marquisat erlosch, aber sein Sohn erhielt die Erlaubniß, das alte Earlthum zu erben, und er gehörte so noch immer zu dem höchsten Adel Schottlands. Die politische Haltung des Earl während der zwanzig Jahre, welche auf die Restauration folgten, war, wie er später meinte, sündlich gemäßigt gewesen. Zwar hatte er in einigen Fällen der Regierung, unter V.14 deren Joch sein Vaterland seufzte, opponirt; aber sein Widerstand war schwach und vorsichtig gewesen. Seine Nachgiebigkeit in kirchlichen Dingen hatte strenge Presbyterianer verdrossen, und er war so weit entfernt gewesen, irgend eine Neigung zu gewaltsamem Widerstand zu zeigen, daß, als die Covenanters durch Verfolgung zum Aufstande getrieben wurden, er eine starke Truppe von Unterthanen ins Feld stellte, um die Regierung zu unterstützen.
Dies war seine politische Laufbahn gewesen, bis der Herzog von York, mit der ganzen Autorität eines Königs bekleidet, nach Edinburg kam. Der despotische Vicekönig überzeugte sich bald, daß er von Argyle keine ungetheilte Unterstützung zu erwarten hatte. Da der mächtigste Edelmann des Königreichs nicht gewonnen werden konnte, hielt man es für nöthig, ihn aus dem Wege zu räumen. Zu dem Ende wurde er auf Verdachtgründe hin, welche so unhaltbar waren, daß der Geist der Parteilichkeit und Chikane selbst sich ihrer schämte, wegen Hochverraths in Untersuchung gezogen, überführt und zum Tode verurtheilt. Die Anhänger der Stuarts versicherten später, man habe nie beabsichtigt, dieses Urtheil zu vollziehen, und die Anklage habe nur den Zweck gehabt, um ihn durch die Angst zur Abtretung seiner ausgedehnten Jurisdiction in den Hochlanden zu bewegen. Es läßt sich jetzt nicht mehr bestimmen, ob Jakob, wie seine Feinde argwöhnten, die Absicht hatte, einen Mord zu begehen, oder nur, wie seine Freunde behaupteten, durch die Androhung eines Mordes ein Zugeständniß zu erpressen. „Ich kenne das schottische Recht nicht“, sagte Halifax zum König Karl; „soviel aber weiß ich, daß wir hier in England aus Gründen wie die, auf welche hin Mylord Argyle verurtheilt worden ist, keinen Hund hängen würden 16 .“
Argyle entkam verkleidet nach England und begab sich von da nach Friesland. In dieser entlegenen Provinz hatte sein Vater ein kleines Gut gekauft, das der Familie in bürgerlichen Unruhen als Zufluchtsort dienen sollte. Unter den Schotten hieß es, daß dieser Ankauf in Folge der Prophezeiung eines celtischen Sehers geschehen sei, dem die Offenbarung geworden, daß Mac Callum More dereinst von seinem alten Stammsitze in Inverary vertrieben werden würde 17 . Es ist jedoch wahrscheinlich, daß der kluge Marquis mehr durch die Zeichen der Zeit als durch die Visionen eines Propheten gewarnt wurde. In Friesland lebte Earl Archibald einige Zeit so ruhig, daß es nicht allgemein bekannt wurde, wohin er geflohen war. Er unterhielt an seinem Zufluchtsorte einen regelmäßigen Briefwechsel mit seinen Freunden in Großbritannien, nahm Theil an der Whigverschwörung und entwarf mit den Oberhäuptern dieser Verschwörung den Plan zu einem Einfall in Schottland 18 . In Folge der Entdeckung des Ryehousecomplots gab er diesen Plan auf; nach der Erledigung der Krone aber wurde derselbe wieder ein Gegenstand seines Nachdenkens.
Während seines Aufenthalts auf dem Continent hatte er über religiöse Fragen mehr nachgedacht, als in den vergangenen Jahren seines V.15 Lebens. Dieses Nachdenken hatte in einer Beziehung verderblich auf seinen Geist eingewirkt. Seine Vorliebe für die synodalische Form der Kirchenverfassung stieg jetzt bis zur Bigotterie. Wenn er bedachte, wie lange er sich dem eingeführten Gottesdienste unterworfen hatte, ward er von Scham und Reue ergriffen und zeigte sich nur zu sehr geneigt, seine Abtrünnigkeit durch Gewaltschritte und Unduldsamkeit wieder gut zu machen. Bald fand er indeß Gelegenheit zu beweisen, daß seine Furcht vor einer höheren Macht und seine Liebe zu derselben ihn zu den furchtbarsten Kämpfen gestählt hatte, durch welche die menschliche Natur geprüft werden kann.
Für seine Leidensgefährten war sein Beistand vom höchsten Gewicht. Obgleich geächtet und geflüchtet, war er doch in gewissem Sinne noch der mächtigste Unterthan des britischen Reiches. An Reichthum stand er wahrscheinlich, selbst vor seiner Verurtheilung, nicht nur dem hohen englischen Adel, sondern auch manchem begüterten Squire von Kent und Norfolk nach. Aber sein patriarchalisches Ansehen, ein Ansehen, das kein Reichthum geben und keine Verurteilung entziehen konnte, machte ihn als Oberhaupt eines Aufstandes wahrhaft furchtbar. Kein südlicher Lord hätte darauf rechnen können, daß wenn er es wagen würde, sich der Regierung zu widersetzen, auch nur seine Wildhüter und Jäger treu zu ihm gestanden wären. Ein Earl von Bedford oder ein Earl von Devonshire konnte sich nicht anheischig machen, zehn Mann ins Feld zu stellen. Mac Callum More dagegen konnte, obgleich ohne Mittel und seines Earlthums beraubt, jeden Augenblick einen ernsten Bürgerkrieg hervorrufen. Er brauchte sich nur auf der Küste von Lorn zu zeigen und binnen wenigen Tagen hatte er eine Armee um sich versammelt. Die bewaffnete Macht, die er unter günstigen Verhältnissen ins Feld stellen konnte, belief sich auf fünftausend Streiter, die ihm unbedingt gehorchten, an den Gebrauch des Schildes und des breiten Schwertes gewöhnt waren, einen Kampf mit regulären Truppen selbst im offenen Felde nicht scheuten und solchen Truppen vielleicht in den Eigenschaften überlegen waren, welche zur Vertheidigung in Nebel gehüllter und von reißenden Gießbächen zerklüfteter rauher Gebirgspässe erforderlich sind. Was eine solche Macht bei umsichtiger Leitung selbst gegen kriegserfahrene Regimenter und geschickte Anführer auszurichten vermochte, das zeigte sich wenige Jahre später bei Killiecrankie.
16. Prozeß gegen Argyle in der Collection of State Trials ; Burnet, I. 521 ; A true and plain Account of the Discoveries made in Scotland, 1684 ; The Scotch Mist cleared ; Sir George Mackenzie’s Vindication ; Lord Fonntainhall’s Chronological Notes.
17. Untersuchung gegen Robert Smith im Anhange zu Sprat’s True Account .
18. True and plain Account of the Discoveries made in Scotland.
Sir Patrick Hume und Sir Johann Cochrane. So großen Anspruch aber auch Argyle auf das Vertrauen der verbannten Schotten hatte, gab es doch eine Partei unter ihnen, die ihn nicht mit wohlwollendem Auge betrachtete und sich nur seines Namens und seines Einflusses bedienen wollte, ohne ihn mit einer wirklichen Gewalt zu betrauen. Das Oberhaupt dieser Partei war ein Edelmann aus dem schottischen Niederlande, der in das Whigcomplot verwickelt gewesen und nur mit Mühe der Rache des Hofes entgangen war: Sir Patrick Hume, von Polwart in Berwickshire. Gegen seine Rechtschaffenheit sind starke Zweifel erhoben worden, aber ohne haltbaren Grund. Soviel kann man jedoch nicht in Abrede stellen, daß er seiner Sache durch Verkehrtheit eben so viel schadete, als es durch Verrath hätte geschehen können. Er war eben so unfähig zum Führen wie zum Folgen, eingebildet, streitsüchtig und launenhaft, ein endloser Schwätzer, zaghaft und langsam bei Unternehmungen gegen den Feind, und nur thätig gegen seine eigenen Verbündeten. Mit Hume eng verbunden war ein andrer schottischer Verbannter von hohem V.16 Ansehen, der viele von den nämlichen Fehlern hatte, wenn auch nicht in gleichem Grade: Sir Johann Cochrane, zweiter Sohn des Earl von Dundonald.
Fletcher von Saltoun. Eine weit höhere Stufe gebührte Andreas Fletcher von Saltoun, einem Manne, der sich ebensowohl durch wissenschaftliche Bildung und Beredtsamkeit, als durch Muth, Uneigennützigkeit und Gemeinsinn auszeichnete, aber ein reizbares und unlenksames Temperament besaß. Gleich vielen seiner berühmtesten Zeitgenossen, wie Milton, Harrington, Marvel und Sidney, hatte auch ihm die schlechte Regierung mehrerer aufeinanderfolgenden Fürsten einen entschiedenen Widerwillen gegen die erbliche Monarchie eingeflößt. Jedoch war er kein Demokrat. Er war das Oberhaupt eines alten normännischen Hauses und stolz auf seine Abkunft, war ein feiner Redner und Schriftsteller und bildete sich auf seine geistige Überlegenheit etwas ein. Als Gentleman wie als Gelehrter blickte er mit Geringschätzung auf das gemeine Volk herab und war so wenig geneigt, demselben eine politische Macht anzuvertrauen, daß er es sogar unfähig für den Genuß der persönlichen Freiheit hielt. Merkwürdig ist der Umstand, daß dieser Mann, der rechtschaffenste, furchtloseste und unbeugsamste Republikaner seiner Zeit, der Urheber eines Planes war, welcher dahin zielte, einen großen Theil der arbeitenden Klassen Schottlands zu Sklaven zu machen. Er hatte große Ähnlichkeit mit jenen römischen Senatoren, die, während sie den Königstitel haßten, doch mit unbeugsamem Stolze ihre Standesvorrechte gegen die Eingriffe der Menge vertheidigten und ihre Sklaven und Sklavinnen durch Block und Peitsche regierten.
Amsterdam war der Ort, wo sich die schottischen und englischen Führer der Emigranten versammelten. Argyle kam aus Friesland, Monmouth aus Brabant dahin. Es zeigte sich sehr bald, daß die Flüchtlinge kaum etwas Andres gemein hatten als den Haß gegen Jakob und den ungeduldigen Drang, aus der Verbannung in die Heimath zurückzukehren. Die Schotten waren eifersüchtig auf die Engländer, die Engländer eifersüchtig auf die Schotten. Monmouth’s hohe Ansprüche verdrossen Argyle, der, stolz auf seinen alten Adel und auf seine legitime Abstammung von Königen, durchaus nicht geneigt war, dem Sprossen einer flüchtigen und unedlen Liebe zu huldigen.
Unverständiges Benehmen der schottischen Flüchtlinge. Doch von allen Mißhelligkeiten, welche die kleine Schaar der Geächteten entzweiten, war die ernsthafteste das Zerwürfniß, welches zwischen Argyle und einem Theile seiner eigenen Begleiter ausbrach. Durch den lang andauernden Widerstand gegen die Tyrannei war der Geist und das Gemüth einiger der schottischen Verbannten in einen Zustand krankhafter Gereiztheit versetzt worden, der ihnen auch die vernünftigste und nothwendigste Beschränkung unerträglich machte. Sie wußten, daß sie ohne Argyle nichts vermochten. Aber sie hätten auch wissen sollen, daß sie, wenn sie nicht kopfüber ins Verderben stürzen wollten, entweder ihren Führer volles Vertrauen schenken, oder jedem Gedanken an ein militairisches Unternehmen entsagen mußten. Die Erfahrung hat zur Genüge bewiesen, daß im Kriege jede Operation, von der größten bis zur kleinsten, unter der unumschränkten Leitung Eines Geistes stehen und daß jeder ihm Untergeordnete in seiner Stellung blindlings und willig, ja sogar solchen Befehlen anscheinend freudig gehorchen muß, die er nicht gutheißen kann V.17 oder deren Beweggründe vor ihm geheimgehalten werden. Repräsentative Versammlungen, öffentliche Discussionen und alle die anderen Hemmungsmittel, durch welche die Herrscher in bürgerlichen Angelegenheiten am Mißbrauch der Gewalt verhindert werden, sind in einem Feldlager nicht angewandt. Macchiavell schrieb viele von den Unfällen, welche Venedig und Florenz trafen, mit Recht der eifersüchtigen Einmischung dieser Republiken in alle Schritte ihrer Generäle zu. 19 Die holländische Sitte, zu einer Armee Abgeordnete zu senden, ohne deren Einwilligung kein entscheidender Schlag geführt werden durfte, war fast eben so verderblich. Allerdings ist es keineswegs ausgemacht, daß ein Anführer, der im Augenblicke der Gefahr mit dictatorischer Gewalt bekleidet worden ist, diese Gewalt nach errungenem Siege ruhig wieder niederlegt, und dies ist einer von den zahlreichen Gründen, warum die Menschen so lange als möglich zögern sollten, ehe sie sich entschließen, die öffentliche Freiheit mit dem Schwerte zu vertheidigen. Haben sie sich aber einmal entschlossen, das Kriegsglück zu versuchen, dann werden sie auch, wenn sie klug sind, ihrem Führer die unumschränkte Gewalt übertragen, ohne welche ein Krieg nicht gut geführt werden kann. Möglich daß er sich, nachdem sie ihm diese Gewalt anvertraut haben, als ein Cromwell oder ein Napoleon erweist; aber es ist so gut als gewiß, daß, wenn sie ihm seine Autorität vorenthalten, ihre Unternehmungen enden werden, wie die Unternehmung Argyle’s endete.
Einige von den schottischen Emigranten boten, erhitzt von republikanischer Begeisterung, und des zur Führung großer Angelegenheiten erforderlichen Geschicks gänzlich bar, ihre ganze Thätigkeit und ihren ganzen Scharfsinn auf, nicht um Mittel zu dem Angriffe zu sammeln, den sie gegen einen furchtbaren Feind beabsichtigten, sondern um Beschränkungen der Macht ihres Führers und Bürgschaften gegen seinen Ehrgeiz zu ersinnen. Die selbstgefällige Beschränktheit, mit der sie darauf beharrten, eine Armee so zu organisiren, wie eine Republik, würde unglaublich erscheinen, wäre sie nicht von einem der Ihrigen selbst offen und sogar rühmend geschildert worden. 20
19. Discorsi sopra la prima Deca di Tito Livio, lib. II. cap. 33.
20. Siehe Sir Patrick Hume’s Narrative an d. betr. Stellen.
Anstalten zu einem Unternehmen gegen England und Schottland. Endlich wurde aller Zwist geschlichtet und beschlossen, daß unverweilt ein Angriff auf die Westküste Schottlands versucht werden und daß demselben eine Landung in England auf dem Fuße folgen sollte.
Argyle sollte in Schottland nominell das Commando führen, wurde aber der Controle eines Ausschusses untergeordnet, der sich die Anordnung der wichtigsten militairischen Maßregeln vorbehielt. Dieser Ausschuß war ermächtigt zu entscheiden, wo die Expedition landen sollte, Offiziere zu ernennen, die Oberaufsicht über die Truppenaushebungen zu führen und Proviant und Munition zu vertheilen. Dem General blieb somit weiter nichts überlassen als die Leitung der eigentlichen Kriegsoperationen im Felde, und er mußte versprechen, daß er selbst im Felde, außer bei unerwarteten Überfällen, nichts ohne die Zustimmung eines Kriegsrathes thun werde.
Monmouth sollte in England commandiren. Sein weiches Gemüth V.18 hatte, wie gewöhnlich, Eindrücke von der ihn umgebenden Gesellschaft angenommen. Ehrgeizige Hoffnungen, welche anscheinend erloschen gewesen waren, regten sich aufs neue in seiner Brust. Er erinnerte sich der Liebe, mit der er jederzeit in Stadt und Land von dem Volke begrüßt worden war, und er erwartete, daß sie sich zu Hunderttausenden erheben würden, um ihn willkommen zu heißen. Er gedachte der Zuneigung, welche die Soldaten stets für ihn gehegt hatten, und schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß sie regimenterweise zu ihm übergehen würden. Ermuthigende Zuschriften kamen ihm in rascher Aufeinanderfolge von London zu. Man versicherte ihm, daß die Gewaltthätigkeit und Ungerechtigkeit, mit der bei den letzten Wahlen verfahren worden war, die Nation empört, daß nur die Besonnenheit der Whighäupter mit Mühe einen blutigen Aufstand am Krönungstage verhindert habe und daß alle die vornehmen Lords, welche die Ausschließungsbill unterstützt, es kaum erwarten könnten, sich um ihn zu schaaren. Wildman, der gern in Gleichnissen Verrath predigte, ließ ihm sagen, daß gerade vor zweihundert Jahren der Earl von Richmond mit einer Handvoll Leuten in England gelandet und wenige Tage später auf dem Felde von Bosworth mit dem von Richard’s Haupte genommenem Diademe gekrönt worden sei. Danvers unternahm es, die City aufzuwiegeln. Man machte den Herzog glauben, daß sobald er sein Banner aufgepflanzt, Bedfordshire, Buckinghamshire, Hampshire und Cheshire zu den Waffen greifen würden. 21 In Folge dessen konnte er es nicht erwarten, das Unternehmen zu beginnen, vor dem er noch wenige Wochen vorher zurückgeschreckt war. Seine Landsleute legten ihm keine so unsinnigen Beschränkungen auf, wie die schottischen Emigranten sie ausgeklügelt hatten, man verlangte nichts weiter von ihm als das Versprechen, daß er den Königstitel nicht eher annehmen wolle, als bis seine Ansprüche dem Urtheile eines freien Parlaments unterbreitet worden seien.
Es ward beschlossen, daß zwei Engländer, Ayloffe und Rumbold, den Earl von Argyle nach Schottland begleiten und daß Fletcher mit Monmouth nach England gehen solle. Fletcher hatte dem Unternehmen von vornherein einen unglücklichen Ausgang prophezeit, aber sein ritterlicher Sinn gestattete ihm nicht, ein Wagstück abzulehnen, nach welchem seine Freunde begierig zu verlangen schienen. Als Grey die Äußerungen Wildman’s in Bezug auf Richmond und Richard beistimmend wiederholte, bemerkte der wohlbelesene und denkende Schotte sehr richtig, es sei ein großer Unterschied zwischen dem fünfzehnten und dem siebzehnten Jahrhundert. Richmond war des Beistandes von Baronen gewiß, deren Jeder ein Heer von Lehnsleuten ins Feld stellen konnte, und Richard hatte nicht ein einziges Regiment regulärer Soldaten. 22
Es gelang den Verbannten, theils aus eigenen Mitteln, theils durch Beiträge von Freunden in Holland eine für beide Expeditionen genügende Summe aufzubringen. Von London erhielten sie nur sehr wenig. Sie hatten von dort sechstausend Pfund erwartet; anstatt des Geldes aber kamen Entschuldigungen von Wildman, welche Allen, die nicht blind sein wollten , die Augen hätten öffnen sollen. Der Herzog deckte den Ausfall, indem er seine eigenen Juwelen und die der Lady Wentworth verpfändete. V.19 Es wurden Waffen, Munition und Proviant gekauft und mehrere in Amsterdam liegende Schiffe damit befrachtet 23 .
Johann Locke. Es ist merkwürdig, daß gerade der ausgezeichnetste und am gröblichsten beleidigte Mann unter den britischen Verbannten sich von allen diesen übereilten Beschlüssen fern hielt. Johann Locke haßte Tyrannei und Verfolgung als Philosoph, aber sein Verstand und sein Character bewahrten ihn vor der Heftigkeit eines Parteigänger. Er hatte mit Shaftesbury auf vertrautem Fuße gestanden und sich dadurch das Mißfallen des Hofes zugezogen. Locke war jedoch so klug und vorsichtig gewesen, daß es wenig genützt haben würde, wenn man ihn vor die damaligen Gerichte gestellt hätte, so verderbt und parteiisch diese auch waren. Nur in einem Punkte war er verwundbar. Er war Mitglied des Christchurch-Collegiums der Universität Oxford. Es ward beschlossen, von diesem berühmten Collegium den größten Mann zu vertreiben, dessen es sich je zu rühmen gehabt hatte. Dies war aber nicht leicht, denn Locke hatte sich in Oxford sorgfältig gehütet, irgendeine Meinung über die Tagespolitik zu äußern. Man hatte ihn mit Spionen umgeben. Doctoren der Theologie und Magister der Philosophie hatten sich nicht geschämt, den schimpflichsten aller Dienste zu leisten, den Mund eines Collegen zu bewachen, um etwaige Äußerungen zu seinem Verderben zu hinterbringen. Das Gespräch in der Halle war absichtlich auf verfängliche Themata gelenkt worden, wie auf die Ausschließungsbill und auf den Character des Earl von Shaftesbury, aber vergebens. Locke ließ sich weder ein unbesonnenes Wort entschlüpfen, noch verstellte er sich, sondern er beobachtete ein so beharrliches Schweigen und eine so gleichgültige Ruhe, daß die Werkzeuge der Gewalt zu ihrem Ärger gestehen mußten, nie habe ein Mann es verstanden, seine Zunge und seine Leidenschaften so vollkommen zu beherrschen. Als man sah, daß man mit Verrath nichts ausrichtete, brauchte man willkürliche Gewalt. Nachdem die Regierung es umsonst versucht hatte, Locke zu einem Fehler zu verleiten, beschloß sie, ihn ohne einen solchen zu bestrafen. Es kam Befehl von Whitehall, ihn seines Amtes zu entsetzen, und der Dechant und die Canonici beeilten sich, diesem Befehle nachzukommen.
Locke reiste zu seiner Erholung auf dem Continent, als er erfuhr, daß er ohne Untersuchung und selbst ohne Benachrichtigung seiner Heimath und seines Unterhalts beraubt worden sei. Die Ungerechtigkeit, mit der man gegen ihn verfahren war, würde es entschuldigt haben, wenn er zu gewaltsamen Mitteln gegriffen hätte, um sich Recht zu verschaffen. Aber persönlicher Groll konnte ihn nicht verblenden. Er erwartete nichts Gutes von den Plänen Derer, die sich in Amsterdam versammelt hatten, und er zog daher in aller Stille nach Utrecht, wo er sich mit der Abfassung seines berühmten Briefes über die Toleranz beschäftigte, während seine Unglücksgefährten auf ihr eignes Verderben hinarbeiteten 24 .
24. Le Clerc’s Life of Locke ; Lord King’s Life of Locke ; Lord Grenville’s Oxford and Locke. Locke darf nicht mit dem Anabaptisten Nikolaus Look verwechselt werden, dessen Name in Grey’s Confession Locke geschrieben ist und der auch in den Lansdowne MS. 1152 , sowie in der Erzählung von Buccleuch im Anhange zu Rose’s Abhandlung erwähnt wird. Ich würde es kaum für nöthig gehalten haben, hierauf aufmerksam zu machen, hätte nicht die Ähnlichkeit dieser beiden Namen einen mit der Geschichte jener Zeiten so wohlbekannten Mann wie Präsident Onslow irre geführt. Siehe seine Anmerkung über Burnet I. 629.
V.20Vorkehrungen der Regierung zur Vertheidigung Schottlands. Die englische Regierung erhielt in Zeiten Kunde davon, daß unter den Verbannten etwas im Werke war. Einen Einfall in England scheint man jedoch zuerst nicht erwartet zu haben; wohl aber fürchtete man, daß Argyle nächstens bewaffnet unter seinen Clansmännern erscheinen werde. In Folge dessen erschien eine Verordnung des Inhalts, daß Schottland in Vertheidigungszustand gesetzt werden solle. Die Miliz erhielt Befehl, sich bereit zu halten. Alle dem Namen Campbell feindlich gesinnten Clans wurden in Bewegung gesetzt. John Murray, Marquis von Athol, wurde zum Lordlieutenant von Argyleshire ernannt und er besetzte mit einer starken Abtheilung seiner Untergebenen das Schloß von Inverary. Einige verdächtige Personen wurden eingezogen, andere mußten Bürgschaft leisten. Kriegsschiffe wurden abgesandt, um in der Nähe der Insel Bute zu kreuzen, und ein Theil der irländischen Arme wurde nach der Küste von Ulster dirigirt. 25
25. Wodrow, book III. chap. IX. ; London Gazette, May 11, 1685 ; Barillon, 11.(21.) Mai.
Unterredung Jakob’s mit den holländischen Gesandten. Während diese Vorkehrungen in Schottland getroffen wurden, berief Jakob den Arnold Van Citters, der lange als Gesandter der Vereinigten Provinzen in England zugebracht, und Everard Van Dykvelt, der nach Karl’s Tode in einer besonderen Mission zur Beileidsbezeigung und Beglückwünschung von den Generalstaaten nach London geschickt worden war, in sein Kabinet. Der König sagte ihnen, daß er aus sicheren Quellen Kenntniß von Anschlägen gegen seinen Thron erhalten, welche seine verbannten Unterthanen in Holland schmiedeten. Einige von den Verbannten seien Kehlabschneider, welche nur die besondere Fügung Gottes verhindert habe, einen schändlichen Mord zu begehen, und es befinde sich unter ihnen der Eigenthümer des Ortes, an dem das Gemetzel habe vor sich gehen sollen. „Von allen Lebenden,“ setzte der König hinzu, „hat Argyle die größten Mittel in den Händen, mir zu schaden, und Holland ist dasjenige Land, von welchem aus am leichtesten ein Schlag gegen mich geführt werden kann.“ Citters und Van Dykvelt versicherten Seiner Majestät, daß seine Worte der Regierung, die sie vertraten, unverzüglich mitgeteilt werden sollten, und daß zuversichtlich Alles gethan werden würde, um ihn zufrieden zu stellen. 26
26. Register of the Proceedings of the States General, May 5.(15.) 1685.
Vergebliche Versuche, Argyle am Absegeln zu verhindern. Die Gesandten waren berechtigt, dieses Vertrauen auszusprechen. Der Prinz von Oranien sowohl als die Generalstaaten wünschten damals sehnlichst, daß ihre Gastfreundschaft nicht zu Zwecken gemißbraucht werde, über welche die englische Regierung sich mit Recht beschweren könnte. Jakob hatte neuerdings eine Sprache geführt, welche der Hoffnung Raum gab, daß er sich nicht geduldig dem Einflusse Frankreichs unterwerfen werde. Es war daher wahrscheinlich, daß er sich zu einem engen Bündnisse mit den Vereinigten Provinzen und mit dem Hause Österreich bestimmen lassen werde, und man vermied deshalb im Haag mit ängstlicher Sorgfalt Alles, was irgend Anstoß bei ihm erregen konnte. Auch vereinigte V.21 sich bei dieser Gelegenheit Wilhelm’s eigenes Interesse mit dem Interesse seines Schwiegervaters.
Aber die Lage war von der Art, daß sie rasches und kräftiges Einschreiten erforderte, und die Natur der batavischen Institutionen machte ein solches Einschreiten fast unmöglich. Die Union von Utrecht, welche unter blutigen Revolutionskämpfen und zu dem Zwecke, den dringendsten Bedürfnissen zu genügen, flüchtig entworfen worden, war niemals in ruhiger Zeit sorgfältig revidirt und vervollständigt worden. Jede von den sieben Republiken, weiche diese Union mit einander verbunden hatte, besaß fast noch alle Souverainetätsrechte und behauptete diese Rechte beharrlich der Centralregierung gegenüber. Gleichwie die Bundesgewalt nicht die Mittel hatte, die Provinzialgewalten zu pünktlichem Gehorsam zu zwingen, so hatten auch diese nicht die Mittel, die Municipalbehörden zu pünktlichem Gehorsam zu zwingen. Holland allein enthielt achtzehn Städte, von denen jede in vieler Beziehung einen unabhängigen und keine Einmischung von Außen duldenden Staat bildete. Wenn die Behörden dieser Städte vom Haag einen Befehl erhielten, der ihnen nicht gefiel, so ignorirten sie denselben entweder ganz, oder kamen ihm doch nur langsam und zögernd nach. Bei einigen Stadträthen vermochte allerdings der Wille des Prinzen von Oranien Alles; unglücklicherweise aber war der Ort, wo sich die britischen Verbannten gesammelt hatten und wo ihre Schiffe ausgerüstet worden waren, das reiche und stark bevölkerte Amsterdam, und die Magistratsbeamten von Amsterdam waren die Oberhäupter der gegen die Bundesregierung und gegen das Haus Nassau feindlich gesinnten Partei. Die Marineverwaltung der Vereinigten Provinzen war in den Händen fünf verschiedener Admiralitätsbehörden; eine dieser Behörden hatte ihren Sitz in Amsterdam, wurde theilweis von der städtischen Behörde ernannt und scheint ganz von deren Geiste beseelt gewesen zu sein.
Alle Bemühungen der Bundesregierung, Jakob’s Wünsche zu erfüllen, wurden durch die Ausflüchte der Amsterdamer Beamten und durch die Fehlgriffe des Obersten Bevil Skelton, der eben als Gesandter Englands im Haag angekommen war, vereitelt. Skelton war zur Zeit der englischen Unruhen in Holland geboren und man hatte ihn daher als besonders geeignet für diesen Posten gehalten 27 ; allein er war weder für diese noch für irgend eine andre diplomatische Stellung befähigt. Leute, die einen Character gut zu beurtheilen verstanden, erklärten ihn für den seichtesten, unbeständigsten, leidenschaftlichsten, anmaßendsten und geschwätzigsten Menschen, den es geben könne 28 . Er kümmerte sich nicht ernstlich um die Schritte der Flüchtlinge, als bis drei für die Expedition nach Schottland ausgerüstete Schiffe bereits glücklich aus der Zuydersee ausgelaufen, sämmtliche Waffen, Munition und Mundvorräthe an Bord gebracht waren und die Passagiere sich eingeschifft hatten. Anstatt sich nun, wie er hätte thun sollen, an die Generalstaaten zu wenden, welche dicht neben seiner Wohnung ihre Sitzungen hielten, schickte er einen Boten an den Magistrat von Amsterdam mit dem Ersuchen, die verdächtigen Schiffe nicht abfahren zu lassen. Der Magistrat von Amsterdam antwortete, daß der Eingang der Zuydersee außer dem Bereiche seiner Jurisdiction liege, V.22 und verwies ihn an die Bundesregierung. Es lag auf der Hand, daß dies eine bloße Ausflucht war und daß durchaus keine Schwierigkeiten gemacht worden wären, wenn man im Amsterdamer Stadthause den ernsten Willen gehabt hätte, Argyle am Absegeln zu verhindern. Jetzt wendete sich Skelton an die Generalstaaten. Sie zeigten sich vollkommen geneigt, seinem Ansuchen zu willfahren, und da die Zeit drängte, wichen sie von dem Verfahren ab, das sie sonst in ihrem Geschäftsgange zu beobachten pflegten. Noch denselben Tag, an welchem der Oberst sich an sie gewendet, wurde ein in genauer Übereinstimmung mit seinem Gesuch abgefaßter Befehl der Admiralität von Amsterdam zugefertigt. In diesem Befehle aber war in Folge unrichtiger Andeutungen von Seiten Skelton’s die Lage der Schiffe nicht genau bezeichnet. Es hieß darin, sie lägen im Texel, während sie sich bei Vlieland befanden. Die Admiralität von Amsterdam nahm diesen Fehler zum Vorwand, um nichts zu thun, und bevor er berichtigt werden konnte, waren die drei Schiffe abgesegelt. 29
27. Dies wird in seinem Beglaubigungsschreiben vom 16. März 1684/85 erwähnt.
28. Bonrepeaux an Seignelay vom 4.(14.) Febr. 1686.
29. Avaux Neg. April 30. (May 10.), May 1.(11.), May 5.(15.) 1685 ; Sir Patrick Hume’s Narrative ; Brief von der Admiralität von Amsterdam an die Generalstaaten vom 20. Juni 1685; Memorial Skelton’s an die Generalstaaten vom 10. Mai 1685.
Argyle’s Abreise von Holland. Die letzten Stunden, welche Argyle an der Küste Hollands zubrachte, waren Stunden der größten Angst. In seiner Nähe lag ein holländisches Kriegsschiff, das mit einer vollen Lage in einem Augenblicke die ganze Expedition zu Schanden gemacht haben würde. Auch ruderte ein Boot um seine kleine Flotte herum, in welchem sich einige Personen mit Fernröhren befanden, die er für Spione hielt. Es wurde jedoch kein wirklicher Schritt gethan, um ihn zurückzuhalten, und am Nachmittage des 2. Mai ging er mit günstigem Winde unter Segel.
Die Fahrt war glücklich. Am Sechsten bekam man die Orkneyinseln in Sicht. Argyle ging sehr unklugerweise auf der Höhe von Kirkwall vor Anker und gestattete zwei von seinen Begleitern, hier ans Land zu gehen. Der Bischof gab Befehl, sie festzunehmen. Die Flüchtlinge begannen eine lange und lebhafte Debatte über diesen Unfall, denn zu Debatten fehlte es ihnen vom Anfang bis zum Ende der Expedition nie an Energie und Ausdauer, so zaghaft und unschlüssig sie im Übrigen waren. Einige stimmten für einen Angriff auf Kirkwall, Andere für unverweilte Fortsetzung der Reise nach Argyleshire. Endlich ließ der Earl einige an der Küste der Insel wohnende Gentlemen festnehmen und schlug dann dem Bischofe die Auswechselung der Gefangenen vor. Der Bischof gab keine Antwort und die Flotte segelte wieder ab, nachdem sie drei Tage verloren hatte.
Argyle landet in Schottland. Diese Verzögerung war höchst gefährlich. Es wurde sehr bald in Edinburg bekannt, daß das Geschwader der Aufrührer die Orkneyinseln berührt hatte, und man setzte daher schleunigst Truppen in Bewegung. Als der Earl seine Provinz erreichte, fand er, daß Vorkehrungen getroffen waren, um seine Landung zu verhindern. Bei Dunstaffnage schickte er seinen zweiten Sohn Karl ans Land, um die Campbells zu den Waffen zu rufen. Karl aber kam mit schlimmen Nachrichten zurück. Die Hirten und Fischer waren wohl bereit, sich um Mac Callum More zu schaaren, aber von den Häuptlingen der Clans V.23 waren einige gefänglich eingezogen, andere waren geflohen, und die Zurückgebliebenen hielten es entweder mit der Regierung oder wollten doch von einem Aufstande nichts wissen und weigerten sich sogar, den Sohn ihres Stammoberhauptes nur vor sich zu lassen. Von Dunstaffnage segelte die kleine Flotte weiter nach Campbelltown, unweit der Südspitze der Halbinsel Kintyre. Hier veröffentlichte der Earl ein Manifest, das in Holland unter der Leitung des Ausschusses von einem schottischen Advokaten, Jakob Stewart, abgefaßt war, dessen Feder wenige Monate darauf zu ganz anderen Dingen verwendet wurde. In diesem Erlasse waren in einer Sprache, deren starke Ausdrücke zuweilen an possenhafte Gemeinheit grenzten, viele wahre und einige eingebildete Beschwerden auseinandergesetzt. Unter Andrem war darin angedeutet, der letzte König sei an Gift gestorben. Für einen Hauptzweck der Expedition wurde die völlige Unterdrückung nicht nur des Papismus, sondern auch des Prälatenthums erklärt, welches die bitterste Wurzel und Frucht des Papismus genannt war, und alle guten Schotten wurden ermahnt, der Sache ihres Vaterlandes und ihres Gottes tapfren Beistand zu leihen. So eifrig Argyle auch für das, was er den reinen Glauben nannte, eingenommen war, scheute er sich doch nicht, einen halb papistischen, halb heidnischen Gebrauch in Anwendung zu bringen. Das geheimnißvolle Kreuz von Eibenholz, das zuerst angezündet und dann in Ziegenblut gelöscht wurde, ward ausgeschickt, um alle Campbells vom sechzehnten bis zum sechzigsten Jahre aufzurufen. Die Landenge von Tarbet war zum Sammelplatz bestimmt. Die Truppe, die sich dort sammelte, war zwar klein im Vergleich zu der, welche zusammengekommen sein würde, wenn der Muth und die Kraft der Clans noch ungebrochen gewesen wäre, doch war sie noch immer achtunggebietend. Sie erreichte die Zahl von achtzehnhundert Mann. Argyle theilte seine Bergschotten in drei Regimenter und schritt zur Ernennung der Offiziere.
Argyle’s Zwistigkeiten mit seinen Begleitern. Die schon in Holland begonnenen Zänkereien hatten zwar während des ganzen bisherigen Verlaufs der Expedition noch nicht aufgehört; in Tarbet aber wurden sie heftiger als je. Der Ausschuß wollte sich selbst in die patriarchalische Oberherrschaft des Earl über die Campbells einmischen und ihm nicht einmal gestatten, den militärischen Rang seiner Stammverwandten nach eignem Ermessen zu bestimmen. Während diese streitsüchtigen Friedensstörer ihm seine Macht in den Hochlanden zu entreißen suchten, unterhielten sie ihre eigne Correspondenz mit dem Niederlande und wechselten Briefe, die dem nominellen General nie mitgetheilt wurden. Hume und seine Verbündeten hatten sich die Oberaufsicht über die Vorräthe vorbehalten und sie führten diesen wichtigen Zweig der Kriegsverwaltung mit einer Lässigkeit, welche von Treulosigkeit kaum zu unterscheiden war, ließen die Waffen verderben, vergeudeten die Lebensmittel und lebten in verschwenderischer Üppigkeit zu einer Zeit, wo sie allen Untergebenen mit dem Beispiele der Mäßigkeit hätten vorangehen sollen.
Die große Frage war nun, ob die Hochlande oder die Niederlande 30 der Schauplatz des Krieges sein sollten. Des Earl’s Hauptziel war für jetzt, seine Autorität über sein eignes Gebiet zu befestigen, die fremden Clans, welche aus Perthshire in Argyleshire eingedrungen waren, wieder hinauszutreiben und seinen alten Stammsitz zu Inverary wieder einzunehmen. V.24 Dann konnte er hoffen, vier- bis fünftausend Schwerter zu seiner Verfügung zu haben, und mit einer solchen Streitmacht würde er im Stande gewesen sein, diese wilden Gegenden gegen die ganze Macht des Königreichs Schottland zu vertheidigen, so wie auch eine vortreffliche Grundlage zu Angriffsoperationen gewonnen haben. Dies scheint der vernünftigste Weg gewesen zu sein, der ihm offen stand. Rumbold, der eine ausgezeichnete Kriegsschule durchgemacht hatte und von dem man, da er Engländer war, erwarten konnte, daß er ein unparteiischer Schiedsrichter zwischen den schottischen Factionen sein werde, that Alles, was in seinen Kräften stand, um den Earl zu unterstützen. Hume und Cochrane aber waren durchaus unfügsam, ihre Eifersucht auf Argyle war in der That stärker, als der Wunsch, daß die Expedition gelingen möge. Sie sahen, daß er zwischen seinen Bergen und Seen und an der Spitze eines hauptsächlich aus Mitgliedern seines eignen Stammes gebildeten Heeres im Stande sein werde, ihren Widerstand zu brechen und die volle Autorität eines Generals auszuüben. Sie munkelten, daß die Niederländer die Einzigen seien, denen die gute Sache wirklich am Herzen liege, und daß die Campbells weder für die Freiheit, noch für die Kirche Gottes, sondern lediglich für Mac Callum More die Waffen ergriffen hätten. Cochrane erklärte, er werde nach Ayrshire gehen, und wenn er allein, mit nichts als einer Heugabel in der Hand gehen sollte. Nach langem Widerstreben willigte Argyle endlich gegen seine bessere Überzeugung darein, daß sein kleines Heer getheilt wurde. Er blieb mit Rumbold in den Hochlanden und Cochrane und Hume traten an die Spitze des Korps, das zu einem Einfall in die Niederlande absegelte.
Cochrane’s Ziel war Ayrshire; aber die Küste dieser Grafschaft war von englischen Fregatten bewacht und die Abenteurer mußten daher die Mündung des Clyde bis Greenock hinauffahren, das damals ein kleines, aus einer einzigen Reihe von Strohhütten bestehendes Fischerdorf war, jetzt aber ein großer, blühender Hafen ist, dessen Zolleinnahmen die Gesammteinkünfte, welche die Stuarts aus dem Königreiche Schottland zogen, um das Fünffache übersteigen. Bei Greenock stand eine Abtheilung Miliz; Cochrane aber brauchte Proviant und war daher entschlossen, zu landen. Hume machte Einwendungen, Cochrane aber bestand fest darauf und befahl einem Offizier, Namens Elphinstone, mit zwanzig Mann in einem Boot ans Ufer zu fahren. Aber der streitsüchtige Geist der Führer hatte alle Reihen angesteckt. Elphinstone antwortete, er sei nur verpflichtet, vernünftigen Befehlen zu gehorchen, dieser aber sei unvernünftig, kurz, er werde nicht gehen. Major Fullarton, ein braver Mann, den alle Parteien achteten, der aber ein spezieller Freund Argyle’s war, unternahm es, mit nur zwölf Mann zu landen und es gelang ihm trotz des Feuers, das von der Küste aus auf ihn gerichtet wurde. Es entspann sich ein kleines Gefecht und die Miliz wich zurück. Cochrane rückte in Greenock ein, verschaffte sich Mehlvorrath, fand aber das Volk nicht geneigt zum Aufstande.
30. Nämlich die schottischen. D. Übers.
Stimmung der schottischen Nation. Die öffentliche Stimmung in Schottland war in der That nicht so, wie die Verbannten, welche durch die ihrer Klasse zu jeder Zeit eigne Verblendung bethört waren, sie erwartet hatten. Die Regierung war zwar gehässig und gehaßt, aber die Mißvergnügten waren in Parteien gespaltet, welche gegen einander fast eben so feindselig gesinnt waren, wie gegen ihre Beherrscher, und keine von diesen Parteien zeigte sonderliche Lust, sich den Einfallenden anzuschließen. V.25 Viele sprachen dem Aufstande jede Aussicht auf Erfolg ab, und der Muth vieler Anderen war durch lange und grausame Bedrückung wirksam gebrochen worden. Allerdings gab es noch eine Klasse von Enthusiasten, welche nicht gewohnt waren, die Aussichten des Gelingens zu erwägen, und die der Druck nicht gezähmt, sondern im Gegentheil aufs Äußerste erbittert hatte; aber diese Leute sahen keinen großen Unterschied zwischen Argyle und Jakob. Ihr Zorn war auf einen solchen Grad gestiegen, daß das, was jeder Andere glühenden Eifer genannt haben würde, in ihren Augen laodicäische Lauheit war. Auf der Vergangenheit des Earl lastete ein Flecken, den sie als die schändlichste Apostasie betrachteten. Die nämlichen Hochländer, die er jetzt zur Ausrottung des Prälatenthums aufrief, hatte er wenige Jahre vorher zur Vertheidigung desselben aufgerufen. Waren Sklaven, die von Religion nichts wußten und sich nicht um sie kümmerten, welche bereit waren, für Synodalverfassung, für Episkopat und für Papstthum zu kämpfen, wie es Mac Callum More gerade zu befehlen geruhte, würdige Bundesgenossen für das auserwählte Volk Gottes? Das in unschicklichem und intolerantem Tone gehaltene Manifest erschien diesen Fanatikern als ein feiges und weltliches Machwerk. Eine Verfassung, wie Argyle sie ihnen gegeben haben würde und wie sie nachher ein mächtigerer und glücklicherer Befreier ihnen gab, schien ihnen keines Kampfes werth. Sie verlangten nicht nur Gewissensfreiheit für sich, sondern auch unumschränkte Herrschaft über die Gewissen Andrer, nicht blos presbyterianische Lehre, Verfassung und Gottesdienst, sondern den Covenant in seiner äußersten Strenge. Sie waren nur dadurch zu befriedigen, daß alle Zwecke, um deretwillen die bürgerliche Gesellschaft besteht, der Herrschaft eines theologischen Systems aufgeopfert wurden. Wer da glaubte, daß keine Form des Kirchenregiments eine Verletzung der Nächstenliebe werth sei, wer Verständigung und Toleranz empfahl, der schwankte zwischen Jehova und Baal, wie sie sich ausdrückten. Wer Handlungen, wie die Ermordung des Kardinals Beatoun und des Erzbischofs Sharpe verdammte, verfiel in die nämlichen Fehler, um dessentwillen Saul als König über Israel verworfen worden war. Alle Maßregeln, durch welche unter civilisirten und christlichen Menschen die Schrecken des Kriegs gemildert werden, waren dem Herrn ein Gräuel. Pardon durfte weder genommen noch gegeben werden. Ein rasender Malaye, ein von einem Haufen verfolgter toller Hund: das waren die Vorbilder, die sich Krieger, welche zu gerechter Selbstvertheidigung kämpften, zum Muster nehmen sollten. Für Gründe, durch die sich Staatsmänner und Generäle bei ihren Schritten, leiten lassen, waren diese Zeloten durchaus unempfänglich. Wenn ein Mann es wagte, solche Gründe anzuführen, so war dies schon ein hinreichender Beweis, daß er nicht zu den Gläubigen gehörte. Wenn der göttliche Segen fehlte, so konnten auch schlaue Politiker, kriegserfahrene Heerführer, Waffenkisten aus Holland oder Regimenter nicht wiedergeborener Celten aus den Gebirgen von Lorn wenig ausrichten. War jedoch auf der andren Seite die Zeit des Herrn wirklich gekommen, so konnte er noch immer wie vor Alters durch das, was thöricht ist, die Weisen vor der Welt zu Schanden machen und durch Wenige eben so gut wie durch Viele erretten. Die breiten Schwerter Athol’s und die Bajonette Claverhouse’s konnten durch eben so bescheidene Waffen wie die Schleuder David’s oder die Krüge Gideon’s in die Flucht geschlagen werden. 31
V.26Nachdem Cochrane die Unmöglichkeit erkannt hatte, die Bevölkerung südlich vom Clyde zum Aufstande zu bewegen, kehrte er zu Argyle zurück, der sich auf der Insel Bute befand. Der Earl schlug nun abermals vor, einen Angriff auf Inverary zu versuchen; allein er stieß abermals auf hartnäckige Opposition. Die Seeleute hielten es mit Cochrane und Hume, die Hochländer unterwarfen sich unbedingt den Befehlen ihres Anführers. Es stand zu befürchten, daß es zwischen den beiden Parteien zu Thätlichkeiten kommen würde, und die Besorgniß vor einem solchen Unglück bewog den Ausschuß zu einigen Zugeständnissen. Das Schloß Ealan Ghierig, an der Mündung des Loch 32 Riddan gelegen, wurde zum Hauptwaffenplatz erwählt. Die Kriegsvorräthe wurden dort ausgeschifft und das Geschwader dicht an den Wällen an einer Stelle, wo es durch Felsen und Untiefen, welche ihrer Meinung nach eine Fregatte nicht passiren konnte, geschützt war, vor Anker gelegt. Dann wurden Außenwerke aufgeworfen und eine Batterie von einigen von den Schiffen genommenen kleinen Kanonen aufgefahren. Das Commando in dem Fort ward höchst unklugerweise Elphinstone übertragen, der schon Beweise gegeben hatte, daß er weit mehr geneigt war, sich mit seinen Vorgesetzten zu streiten, als gegen den Feind zu kämpfen.
Jetzt wurde auf einige Stunden ein wenig Energie entwickelt. Rumbold nahm das Schloß Ardkingglaß. Der Earl scharmützelte erfolgreich mit Athol’s Truppen und war schon im Anrücken gegen Inverary begriffen, als er in Folge schlimmer Nachrichten von den Schiffen und durch Parteispaltungen im Ausschusse gezwungen wurde, wieder umzukehren. Die königlichen Fregatten waren Ealan Ghierig näher gekommen, als man es für möglich gehalten, und die Herren vom Niederland weigerten sich auf das Bestimmteste, noch weiter in’s Hochland vorzurücken. Argyle eilte zurück nach Ealan Ghierig. Dort angelangt, schlug er einen Angriff auf die Fregatten vor. Seine Schiffe waren zwar zu einem solchen Unternehmen nicht hinreichend, aber sie wären durch eine Flotille von dreißig großen mit bewaffneten Hochländern wohlbemannten Fischerböten unterstützt worden. Der Ausschuß wollte jedoch von diesem Plane nichts hören und vereitelte denselben auch wirklich durch Anzettelung einer Meuterei unter dem Schiffsvolke.
Jetzt entstand allgemeine Verwirrung und Entmuthigung. Die Mundvorräthe waren vom Ausschusse so schlecht verwaltet worden, daß es den Truppen an Lebensmitteln fehlte. Die Hochländer desertirten daher zu Hunderten und der durch sein Mißgeschick gänzlich zu Boden gedrückte Earl gab dem Andringen Derer nach, welche noch immer hartnäckig darauf bestanden, daß er in das Niederland vorrücken solle.
Die kleine Armee brach demgemäß eiligst nach den Ufern des Loch Long auf, setzte bei Nacht in Böten über die Einfahrt und landete in Dumbartonshire. Hier erhielten sie am folgenden Morgen die Nachricht, daß die Fregatten einen Durchgang forcirt hatten, daß sämmtliche Schiffe des Earls genommen worden waren, und daß Elphinstone ohne Schwertstreich aus Ealan Ghierig geflohen sei und das Schloß mit allen Vorräthen dem Feinde überlassen habe.
V.27Es blieb nun weiter nichts übrig, als auf jede Gefahr hin in das Niederland vorzudringen. Argyle beschloß einen kühnen Handstreich auf Glasgow zu wagen. Sobald aber dieser Entschluß bekannt wurde, ergriff dieselben Männer, die ihn bis zu diesem Augenblicke gedrängt hatten, in das Niederland zu eilen, ein panischer Schrecken, sie stritten, machten Gegenvorstellungen, und da ihr Streiten und ihre Vorstellungen erfolglos blieben, entwarfen sie den Plan, sich der Böte zu bemächtigen, auf eigne Hand zu entfliehen und es ihrem General und seinen Clansleuten zu überlassen, ohne Hülfe zu siegen oder unterzugehen. Dieser Plan schlug jedoch fehl, und die Feiglinge, die ihn gefaßt hatten, waren gezwungen, mit tapferen Männern die Gefahren des letzten Wagnisses zu theilen.
Auf dem Marsche durch die Gegend zwischen Loch Long und Loch Lomond wurden die Insurgenten fortwährend durch Abtheilungen der Miliz beunruhigt. Es fanden einige Gefechte statt, in denen der Vortheil auf Seiten des Earl blieb, aber die vor ihm her fliehenden Trupps verbreiteten die Nachricht von seinem Heranrücken und bald nach seinem Übergang über den Fluß Leven stieß er auf ein zahlreiches Corps regulärer und irregulärer Truppen, welche bereit waren, sich mit ihm zu messen.
Er war dafür, eine Schlacht anzunehmen, eben so auch Ayloffe. Hume aber erklärte es für Wahnsinn, mit dem Feinde anzubinden. Er sah ein Regiment in scharlachrother Uniform, und es konnten noch mehr dahinter stehen: eine solche Macht angreifen, hieße einem sicheren Tode in den Rachen eilen. Das Beste sei, sich bis zur Nacht ganz still zu verhalten und dann dem Feinde wo möglich zu entschlüpfen.
Es entspann sich ein heftiger Wortwechsel, der nur mit Mühe durch Rumbold’s Vermittelung beschwichtigt wurde. Es war Abend geworden, und die beiden feindlichen Heere lagerten in nicht großer Entfernung von einander. Der Earl wagte es, einen nächtlichen Angriff vorzuschlagen, wurde aber auch diesmal wieder überstimmt.
31. Wer etwa glauben sollte, daß ich die Unvernunft und Wildheit dieser Menschen übertreibe, dem rathe ich, zwei Bücher zu lesen, die ihn überzeugen werden, daß ich die Farben eher gemildert als zu stark aufgetragen habe. Die Titel dieser beiden Werke sind: Hind let loose und Faithful Contendings displayed.
32. See. D. Übers.
Argyle’s Truppe zerstreut. Nachdem der Beschluß gefaßt war, nicht zu kämpfen, blieb nichts weiter übrig als den Schritt zu thun, den Hume anempfohlen hatte. Es war einige Möglichkeit vorhanden, daß der Earl, wenn er in aller Stille aufbrach und die ganze Nacht durch über Haiden und Moräste davoneilte, dem Feinde einen Vorsprung von mehreren Meilen abgewinnen und ohne weitere Behinderung Glasgow erreichen konnte. Man ließ die Wachtfeuer brennen und setzte sich in Marsch. Doch nun folgte ein Unglück auf das andre. Die Führer verfehlten den Weg durch die Moore und führten die Armee in weichen Sumpfboden. Eine militairische Ordnung konnte bei diesen undisciplinirten und entmuthigten Soldaten unter einem stockfinstren Himmel und auf einem trügerischen, unebenen Boden nicht aufrecht erhalten werden. Schrecken auf Schrecken verbreitete sich in den getrennten Reihen. Was man sah und hörte hielt man für ein Anzeichen vom Herannahen der Verfolger. Einige von den Officieren trugen noch zur Vermehrung der Angst bei, während es ihre Pflicht gewesen wäre, sie zu vermindern. Die Armee war ein demoralisirter Haufe geworden und dieser schmolz rasch zusammen. Große Massen entflohen unter dem Schutze der Dunkelheit. Rumbold und einige andere Tapfere, die keine Gefahr schrecken konnte, verirrten sich und waren nicht im Stande, das Hauptcorps wieder aufzufinden. Als der Tag anbrach, sammelten sich nur etwa fünfhundert erschöpfte und entmuthigte Flüchtlinge in Kilpatrick.
V.28Argyle gefangen genommen. An eine Fortsetzung des Kriegs war nicht mehr zu denken und es lag klar auf der Hand, daß es den Anführern der Expedition schwer genug werden würde, nur ihr Leben in Sicherheit zu bringen. Sie entflohen in verschiedenen Richtungen. Hume erreichte glücklich das Festland. Cochrane wurde ergriffen und nach London gebracht. Argyle hoffte unter dem Dache eines seiner alten Diener, der in der Nähe von Kilpatrick wohnte, ein sicheres Asyl zu finden. Allein er sah sich in dieser Hoffnung getäuscht und war gezwungen, über den Clyde zu gehen. Er verkleidete sich als Landmann und übernahm die Rolle eines Führers des Majors Fullarton, dessen muthvolle Treue vor keiner Gefahr zurückschreckte. Die beiden Freunde reisten mit einander durch Renfrewshire bis Inchinnan. Hier vereinigen sich der schwarze Cart und der weiße Cart, bevor sie sich in den Clyde ergießen. Diese beiden Ströme fließen jetzt durch blühende Städte und treiben die Räder zahlreicher Fabriken; damals aber ging ihr ruhiger Lauf durch Moorstrecken und Schafweiden. Die einzige Furth, durch welche die Reisenden den Fluß passiren konnten, wurde von einer Abtheilung Miliz bewacht. Fullarton versuchte es, den Verdacht auf sich zu lenken, damit sein Begleiter unbemerkt entschlüpfen könnte; aber die Frager ahneten, daß der Führer nicht der ungebildete Landmann sei, der er scheinen wollte. Sie legten Hand an ihn. Er riß sich los und sprang in’s Wasser, ward aber sofort verfolgt. Eine kurze Zeit vertheidigte er sich gegen fünf Angreifer; aber er hatte keine anderen Waffen als seine Taschenpistolen, und diese waren in Folge seines Sprunges ins Wasser so naß geworden, daß sie versagten. Ein Schwerthieb streckte ihn zu Boden und er wurde festgenommen.
Er gab sich nun als den Earl von Argyle zu erkennen, wahrscheinlich in der Hoffnung, daß sein angesehener Name bei denen, die ihn ergriffen hatten, Ehrfurcht und Mitleid erwecken würde. Sie waren auch wirklich tief erschüttert, denn sie waren einfache Schotten niederen Standes, und obgleich im Dienste der Krone bewaffnet, hegten sie doch vielleicht einige Vorliebe für calvinistische Kirchenverfassung und Gottesdienst und waren überdies gewohnt, ihren Gefangenen als das Oberhaupt eines erlauchten Hauses und als einen Vorkämpfer des protestantischen Glaubens zu verehren. Doch obschon sie sichtbar ergriffen waren und obschon einige von ihnen sogar weinten, so konnten sie sich doch nicht entschließen, die versprochene ansehnliche Belohnung fahren zu lassen und sich der Rache einer unerbittlichen Regierung auszusetzen. Sie brachten daher ihren Gefangenen nach Renfrew. Der Mann, welcher bei der Verhaftung die Hauptrolle spielte, hieß Riddell. Aus diesem Grunde war das ganze Geschlecht der Riddell über ein Jahrhundert lang bei dem großen Stamme der Campbell verhaßt. Noch Lebende können sich erinnern, daß ein Riddell, der einen Markt in Argyleshire besuchte, es für rathsam hielt, einen falschen Namen anzunehmen.
Jetzt begann der glänzendste Theil von Argyle’s Laufbahn. Sein Unternehmen hatte ihm bisher nur Tadel und Spott eingetragen. Sein großer Fehler war, daß er sich nicht entschieden geweigert hatte, den Titel eines Generals, ohne die Macht desselben, anzunehmen. Wäre er ruhig in Friesland geblieben, so würde er in wenigen Jahren mit Ehren in sein Vaterland zurückgerufen worden sein und hätte dann bald eine hervorragende Zierde und Stütze der constitutionellen Monarchie erden können. Hätte er die Expedition nach seinen eigenen Ansichten in’s Werk gesetzt V.29 und nur solche Begleiter mitgenommen, welche bereit waren, allen seinen Befehlen unbedingt zu gehorchen, so hätte er möglicherweise etwas Großes bewirken können, denn es scheint ihm zu einem Befehlshaber weder an Muth, noch an Thätigkeit oder Geschicklichkeit gefehlt zu haben, sondern einzig und allein an Autorität. Er hätte wissen sollen, daß von allen Mängeln dieser der verderblichste ist. Es haben schon Armeen unter Anführern gesiegt, welche eben keine hervorragenden Eigenschaften besaßen. Aber welches Heer, das von einem zanksüchtigen Clubb commandirt wurde, wäre je der Auflösung und Schande entgangen?
Das große Unglück, das Argyle betroffen, hatte das Gute, daß es ihm Gelegenheit verschaffte, durch unverkennbare Beweise zu zeigen, was für ein Mann er war. Von dem Tage, an welchem er Friesland verließ, bis zu dem, wo seine Begleiter sich in Kilpatrick von ihm trennten, hatte er nie frei handeln können. Er hatte die Verantwortlichkeit für eine Reihe von Maßregeln auf sich nehmen müssen, die sein Verstand mißbilligte. Jetzt endlich stand er allein. Die Gefangenschaft hatte ihm die edelste Art der Freiheit wiedergegeben, die Freiheit, sich in allen seinen Worten und Thaten nur durch seinen eignen Sinn für Recht und Schicklichkeit leiten zu lassen. Von diesem Augenblick war es als ob neue Weisheit und Tugend in ihm eingezogen wären. Sein Verstand schien geschärft und geläutert, sein sittlicher Character gehoben und zugleich gemildert. Der freche Übermuth der Sieger unterließ nichts, was den auf seinen alten Adel und auf sein patriarchalisches Ansehen stolzen Mann kränken und demüthigen konnte. Der Gefangene ward im Triumph durch Edinburg geschleppt. Er ging zu Fuß und entblößten Hauptes die ganze stattliche Straße entlang, welche von düsteren und riesenhaften steinernen Gebäuden beschattet wird und von Holyrood House nach dem Schlosse führt. Vor ihm her schritt der Henker mit dem fürchterlichen Werkzeuge, welches zum Viertheilen auf dem Blocke gebraucht wurde. Die siegreiche Partei hatte nicht vergessen, daß fünfunddreißig Jahre früher Argyle’s Vater an der Spitze der Faction gestanden, welche Montrose dem Tode überantwortete. Schon vor diesem Ereignisse waren die Häuser Graham und Campbell einander nicht zugethan, seitdem aber hatten sie beständig in blutiger Fehde gelegen. Man nahm darauf Bedacht, daß der Gefangene durch das nämliche Thor und durch die nämlichen Straßen ging, durch welche Montrose dem gleichen Schicksale entgegen geführt worden war. Die Truppen, welche den Zug begleiteten, standen unter dem Commando Claverhouse’s, dem Wildesten und Härtesten vom Geschlechte der Graham. Als der Earl auf dem Schlosse angelangt war, wurden ihm Ketten an die Füße geschmiedet und ihm angekündigt, daß er nur noch wenige Tage zu leben habe. Man hatte beschlossen, ihn nicht seines letzten Vergehens wegen vor Gericht zu stellen, sondern ihn ohne weiteres hinzurichten in Gemäßheit eines mehrere Jahre vorher gegen ihn gefällten Urtheils, eines Urtheils von so empörender Ungerechtigkeit, daß selbst die servilsten und gefühllosesten Juristen jener schlimmen Zeit nicht ohne Beschämung davon sprechen konnten.
Aber weder die schimpfliche Prozession durch High Street, noch die nahe Aussicht auf den Tod vermochte Argyle’s edle und majestätische Ruhe zu erschüttern. Seine Standhaftigkeit wurde indeß auf eine noch härtere Probe gestellt. Auf Befehl des Geheimen Raths ward ihm ein Papier mit Fragen vorgelegt. Von diesen Fragen beantwortete er diejenigen, die er ohne Gefahr für seine Freunde beantworten konnte, und weigerte sich V.30 mehr zu sagen. Hierauf sagte man ihm, daß wenn er nicht vollständigere Antworten gäbe, er auf die Folter gespannt werden würde. Jakob, der es gewiß sehr bedauerte, daß er sich nicht persönlich an dem Anblicke Argyle’s in den spanischen Stiefeln weiden konnte, hatte die gemessensten Befehle nach Edinburg gesandt, daß nichts versäumt werden solle, was dem Verräther Aufschluß über Alle, die bei dem Verrath betheiligt waren, erpressen könnte. Doch alle Drohungen waren vergebens. Trotz unmittelbarer Aussicht auf Folterqualen und Tod dachte Mac Callum More weit weniger an sich selbst als an seine armen Clansleute. „Ich versuchte es heute,“ schrieb er aus seiner Zelle, „für sie zu unterhandeln, und ich hatte einige Hoffnung. Aber diesen Abend ist der Befehl gekommen, daß ich Montag oder Dienstag sterben müsse, und ich soll auf die Folter gelegt werden, wenn ich nicht alle Fragen beantworte und eidlich erhärte. Doch ich hoffe, Gott wird mich aufrecht erhalten.“
Die Folter wurde nicht angewendet. Vielleicht hatte die Hochherzigkeit des Opfers die Sieger zu ungewohntem Mitleid gerührt. Er selbst bemerkte, daß sie anfangs sehr hart gegen ihn gewesen waren, aber bald anfingen, ihn mit Achtung und Freundlichkeit zu behandeln. Gott, sagte er, hat ihre Herzen erweicht. Es ist erwiesen, daß er nicht einen seiner Freunde verrieth, um der äußersten Grausamkeit seiner Feinde zu entgehen. Am letzten Morgen seines Lebens schrieb er die Worte: „Ich habe Niemandem zu seinem Nachtheile genannt. Ich danke Gott, daß er mich so wunderbar aufrecht erhalten hat.“
Er verfaßte seine eigene Grabschrift, ein sinn- und geistvolles kurzes Gedicht von einfachem und kräftigem Styl und durchaus nicht zu verachtendem Versbau. In diesen Strophen beklagte er sich, daß, obgleich seine Feinde ihn wiederholt zum Tode verurtheilt hätten, seine Freunde doch noch herzloser gewesen wären. Einen Commentar zu diesen Äußerungen liefert ein Brief von ihm an eine in Holland wohnende Dame. Sie hatte ihm eine bedeutende Summe Geldes für seine Expedition gegeben und er meinte, daß sie deshalb gegründeten Anspruch auf eine ausführliche Darlegung der Ursachen habe, welche das Mißlingen derselben herbeigeführt. Von Verrath sprach er seine Gehülfen frei, ihre Thorheit, Unwissenheit und Parteisucht aber schilderte er in Ausdrücken, die sie, wie ihre eigenen Aussagen später bewiesen, mit vollem Rechte verdienten. Es stiegen nachher Zweifel in ihm auf, ob er für einen sterbenden Christen nicht eine zu harte Sprache geführt habe, und er bat daher seine Freundin noch auf einem besonderen Blatte, daß sie das von diesen Männern Gesagte als nicht geschrieben betrachten solle. „Nur dabei muß ich bleiben“ setzte er mild hinzu, „daß sie unlenksam waren.“
Den größten Theil der wenigen Stunden, die er noch zu leben hatte, brachte er im Gebet und in liebevoller Unterhaltung mit einigen Mitgliedern seiner Familie zu. Er legte keine Reue über sein letztes Unternehmen an den Tag, beklagte aber mit schmerzlicher Wehmuth seine frühere Fügsamkeit in geistlichen Dingen gegen das Belieben der Regierung. Er sagte, seine Strafe sei gerecht; wer so lange sich der Feigheit und Verstellung schuldig gemacht habe, sei nicht werth, das Rettungswerkzeug für Staat und Kirche zu sein. Die Sache aber, wiederholte er sehr häufig, sei Gottes Sache und werde gewiß triumphiren. „Ich gebe mich nicht für einen Propheten aus,“ sagte er, „aber ich habe eine bestimmte Ahnung, daß die Befreiung sehr nahe ist.“ Es kann nicht Wunder nehmen, daß V.31 einige eifrige Presbyterianer sich diesen Ausspruch merkten und ihn zu einer späteren Zeit göttlicher Eingebung zuschrieben.
Frommer Glaube und Hoffnung, verbunden mit natürlichem Muthe und stoischer Gelassenheit hatten sein Gemüth so vollkommen beruhigt, daß er noch an dem Tage, an dem er sterben sollte, mit Appetit zu Mittag speiste, sich bei Tische mit Heiterkeit unterhielt und sich dann, wie gewöhnlich, niederlegte, um einige Stunden zu schlafen, damit Leib und Seele in voller Kraft wären, wenn er das Schaffot bestiege. Um diese Zeit kam ein Lord des Geheimen Raths, der wahrscheinlich von Haus aus Presbyterianer war und sich nur durch Rücksichten des Eigennutzes hatte verleiten lassen, zur Unterdrückung der Kirche, der er früher selbst angehörte, beizutragen, mit einer Botschaft von seinen Kollegen in das Schloß und verlangte den Earl zu sprechen. Man antwortete ihm, daß der Earl schlafe. Der Geheimerath hielt dies für eine leere Ausflucht und bestand darauf, eingelassen zu werden. Die Thür der Zelle ward geöffnet und da lag der Earl auf dem Bett und schlief in seinen Ketten sanft wie ein unschuldiges Kind. In dem Renegaten regte sich das Gewissen. Mit zerknirschtem Herzen wendete er sich ab, eilte aus dem Schlosse und flüchtete sich zu einer dicht nebenan wohnenden Dame seiner Verwandtschaft. Hier warf er sich auf ein Sopha und überließ sich dem Schmerze der Beschämung und Reue. Der Ausdruck seines Blickes und seine Seufzer beunruhigten die Dame, sie glaubte er sei plötzlich krank geworden, und bat ihn ein Glas Sekt zu trinken. „Nein, nein“, erwiederte er, „das kann mir nicht helfen.“ Sie bat ihn nun, daß er ihr sagen möchte, was ihn so ergriffen habe. „Ich war in Argyle’s Gefängniß“, sagte er, „und ich habe ihn eine Stunde vor der Ewigkeit so sanft schlafen sehen, wie nur ein Mensch schlafen kann. Aber was mich betrifft —“
Der Earl erhob sich nun von seinem Lager und bereitete sich auf den letzten Gang vor. Er wurde zuerst die High Street hinab nach dem Sitzungshause des Geheimen Raths gebracht, wo er die kurze Zeit bis zu seiner Hinrichtung verweilen sollte. Während dieser letzten Frist bat er um Schreibzeug und schrieb an seine Gattin: „Liebes Weib, Gott ist unveränderlich. Er ist stets gütig und gnädig gegen mich gewesen und keine Lage ändert dies. Vergieb mir alle meine Fehler und suche Trost in Ihm, in dem allein der wahre Trost zu finden ist. Der Herr sei mit Dir, Er segne und tröste Dich. Lebe wohl.“
Argyle’s Hinrichtung. Es war jetzt Zeit, das Haus des Geheimen Raths zu verlassen. Die Geistlichen, welche den Gefangenen begleiteten, waren zwar nicht seines Glaubens, aber er hörte sie artig an und ermahnte sie, ihre Gemeinden vor denjenigen Lehren zu warnen, welche alle protestantischen Kirchen einstimmig verdammten. Er bestieg das Schaffot, wo die alte plumpe Guillotine Schottlands, die Jungfrau genannt, ihn erwartete, und hielt eine Ansprache an das Volk, die mit den eigenthümlichen Redensarten seiner Sekte durchwebt war, aber den Geist wahrer Frömmigkeit athmete. Er sagte, er vergebe seinen Feinden, wie er hoffe, daß ihm vergeben werden würde. Nur ein bittrer Ausdruck entschlüpfte ihm. Einer der bischöflichen Geistlichen, die ihn begleiteten, trat an den Rand des Schaffots und rief mit lauter Stimme aus: „Mylord stirbt als Protestant.“ — „Ja“, sagte der Earl vorgehend, „und nicht nur als Protestant, sondern mit dem Hasse gegen Papismus, Prälatenthum und jeden Aberglauben im Herzen.“ — Dann umarmte er seine V.32 Freunde, übergab ihnen einige Zeichen der Erinnerung für seine Gattin und seine Kinder, kniete nieder, legte das Haupt auf den Block, betete eine Weile und gab endlich dem Scharfrichter das Zeichen. Sein Kopf wurde auf die Spitze des Tolbooth gesteckt, wo vordem Montrose’s Haupt verwest war. 33
33. Die Schriftsteller, denen ich die Erzählung von Argyle’s Expedition entlehnt habe, sind Sir Patrick Hume, der als Augenzeuge spricht, und Wodrow, dem die werthvollsten Materialien, darunter des Earls eigene Papiere, zu Gebote standen. Wo die Glaubwürdigkeit Argyle’s oder Hume’s in Frage kommt, da zweifle ich nicht, daß Argyle’s Erzählung die richtige ist. Siehe auch Burnet I. 631 und das Leben Bresson’s, herausgegeben von Dr. Mac Crie. Die Erzählung des schottischen Aufstandes in Clarke’s Life of James the Second ist ein lächerlicher Roman, geschrieben von einem Jakobiten, der sich nicht einmal die Mühe nahm, eine Karte des Kriegsschauplatzes anzusehen.
Rumbold’s Hinrichtung. Der Kopf des wackren und aufrichtigen, wenn auch nicht tadelfreien Rumbold war bereits auf dem Westthore von Edinburgh aufgesteckt. Umgeben von parteisüchtigen und feigen Verbündeten, hatte er sich während des ganzen Feldzugs als ein in der Schule des großen Protectors gebildeter Soldat gezeigt, hatte im Rathe die Autorität Argyle’s kräftig unterstützt und sich im Felde durch ruhige Unerschrockenheit ausgezeichnet. Nachdem die Armee sich zerstreut, wurde er von einer Abtheilung Miliz angegriffen. Er wehrte sich mit verzweifelter Tapferkeit und würde sich auch durchgeschlagen haben, hätte man seinem Pferde nicht die Fesseln zerschnitten. Tödtlich verwundet wurde er nach Edinburg gebracht. Die Regierung hätte ihn gern in England hinrichten lassen, aber er war dem Tode so nahe daß, wenn er nicht in Schottland gehängt wurde, er gar nicht gehängt werden konnte, und des Vergnügens, ihn zu hängen, wollten sich die Sieger nicht entschlagen. Es ließ sich zwar nicht erwarten, daß sie gegen einen Mann, der als das Haupt des Ryehousecomplots betrachtet wurde und Eigenthümer des Hauses war, von welchem dieses Complot seinen Namen erhielt, besondere Milde üben würden; aber die Rücksichtslosigkeit, mit der sie den Sterbenden behandelten, muß unsrem humaneren Zeitalter fast unglaublich erscheinen. Einer der schottischen Geheimräthe sagte ihm, er sei ein verdammter Schurke. „Ich bin im Frieden mit Gott“, erwiederte Rumbold gelassen, „wie kann ich da verdammt sein?“
Er wurde in aller Eil vor Gericht gestellt, überführt und verurtheilt, nach wenigen Stunden in der Nähe des Stadtkreuzes in High Street gehängt und geviertheilt zu werden. Obgleich er ohne die Unterstützung zweier Männer nicht stehen konnte, bewahrte er doch seine Seelenstärke bis zum letzten Augenblicke und erhob unter dem Galgen seine schwache Stimme gegen Papismus und Tyrannei mit solcher Heftigkeit, daß die Offiziere die Trommeln rühren ließen, damit das Volk ihn nicht hören konnte. Er sagte, er sei ein Freund der beschränkten Monarchie, aber er könne nimmermehr glauben, daß die Vorsehung einige wenige Menschen fertig gestiefelt und gespornt zum Reiten und Millionen gesattelt und gezäumt, um geritten zu werden, in die Welt gesandt habe. „Ich lobe und preise Gottes heiligen Namen dafür“, rief er aus, „daß ich hier stehe nicht wegen eines begangnen Unrechts, sondern weil ich in einer schlimmen Zeit seiner Sache treugeblieben bin. Und wäre jedes Haar auf meinem Haupte ein Mann, ich würde sie alle in diesem Kampfe daran setzen.“
Während der Untersuchung sowohl als noch bei der Hinrichtung sprach V.33 er vom Meuchelmorde mit dem Abscheu, der einem guten Christen und einem tapfren Soldaten ziemt. Er betheuerte auf das Wort eines dem Tode verfallnen Mannes, daß er nie den Gedanken gehegt habe, eine solche Schändlichkeit zu verüben. Aber er gestand offen, daß er im Gespräch mit seinen Mitverschworenen sein eignes Haus als einen Ort bezeichnet habe, wo Karl und Jakob mit Vortheil angegriffen werden könnten, und daß zwar viel über die Sache debattirt, doch nichts beschlossen worden sei. Es mag auf den ersten Anblick scheinen, als ob dieses Geständniß mit seiner Erklärung, daß er den Meuchelmord stets verabscheut habe, unvereinbar wäre; aber er ließ sich hierbei durch eine Unterscheidung täuschen, welche viele seiner Zeitgenossen irre leitete. Nichts hatte ihn dazu bewegen können, in die Speisen der beiden Fürsten Gift zu werfen, oder sie im Schlafe zu erdolchen; aber einen unvermutheten Angriff auf die den königlichen Wagen umgebenden Leibgarden zu machen, Schwerthiebe und, Pistolenschüsse zu wechseln und es darauf ankommen zu lassen, ob man tödten oder getödtet werden würde, dies war in seinen Augen eine durchaus loyale militärische Operation. Hinterhalte und Überrumpelungen gehörten zu den gewöhnlichen Vorfällen eines Kriegs. Jeder alte Soldat, Kavalier oder Rundkopf, war bei solchen Unternehmungen betheiligt gewesen. Fiel der König in dem Gefecht, so fiel er im ehrlichen Kampfe und nicht durch Mörderhand. Ganz das nämliche Raisonnement stellten nach der Revolution Jakob selbst und seine tapfersten und ergebensten Anhänger auf, um einen ruchlosen Anschlag gegen das Leben Wilhelm’s III. zu rechtfertigen. Ein Trupp Jakobiten wurde abgesandt, um den Prinzen von Oranien in seinem Winterquartiere anzugreifen. Der geheime Sinn dieser ganz unverfänglich klingenden Redensart war, daß dem Prinzen auf der Fahrt von Richmond nach Kensington die Kehle abgeschnitten werden sollte. Es mag auffallend erscheinen, daß solche Trugschlüsse, die Hefe der jesuitischen Casuistik, im Stande gewesen sind, Männer von heldenmüthigem Character, sowohl Whigs als Tories, zu einem Verbrechen zu verleiten, welchem die göttlichen wie die menschlichen Gesetze ganz besonders den Stempel der Verruchtheit aufgedrückt haben. Aber kein Sophismus ist so plump, daß er nicht Gemüther, welche vom Parteigeist verblendet sind, bethören könnte. 34
Argyle, welcher Rumbold einige Stunden überlebte, gab kurz vor seinem Tode noch ein Zeugniß für die Tugenden des tapfren Engländers. „Der arme Rumbold war mir eine große Stütze und ein braver Mann, und er ist christlich gestorben.“ 35
34. Wodrow III. IX. 10. ; Western Martyrology ; Barnet, I. 633 ; Fox’s History, Appendix IV. Ich vermag auf keine andre als die im Texte angegebene Weise Rumbold’s Versicherung, daß er nie den Gedanken an einen Mord gehegt habe, mit seinem Geständniß, daß er selbst sein Haus als zu einem Angriff auf die königlichen Brüder passend bezeichnet habe, in Einklang zu bringen. Die Unterscheidung, die ich ihm zuschreibe, wurde auch noch von einem andren Ryehouseverschwornen gemacht, dem Kapitain Walcot, ebenfalls einem ehemaligen Soldaten der Republik. Bei Walcot’s Verhör fragte der Kronzeuge: „Ihr habt zugegeben, Kapitain, daß Ihr einer von Denen waret, welche gegen die Garden kämpfen sollten.“ — „Aus welchem Grunde wollte er denn aber den König nicht umbringen?“ fragte hierauf der Oberrichter Pemberton. „Er sagte“, antwortete West, „es sei ruchlos, einen wehrlosen Menschen zu tödten, und dies könne er niemals.“
35. Wodrow III. IX. 9.
Ayloffe’s Tod. Ayloffe zeigte keine geringere Todesverachtung V.34 als Argyle und Rumbold, nur war sein Ende für fromme Gemüther nicht so erbaulich wie das ihrige. Wenn auch politische Sympathie ihn zu den Puritanern hingezogen, so hatte er doch keine religiösen Sympathien für sie und galt auch in ihren Augen für wenig besser als ein Atheist. Er gehörte zu dem Theile der Whigs, der seine Vorbilder lieber unter den Patrioten Griechenlands und Roms, als unter den Propheten und Richtern Israels suchte. Er wurde gefangen genommen und nach Glasgow gebracht. Hier versuchte er es, sich mit einem kleinen Federmesser zu entleiben, aber obgleich er sich mehrer Wunden beibrachte, war doch keine davon tödtlich, und er hatte noch Kraft genug, um eine Reise nach London auszuhalten. Er ward vor den Geheimen Rath gestellt und vom Könige selbst verhört, war aber zu hochsinnig, als daß er sich durch Denuncirung Anderer hätte retten sollen. Unter den Whigs erzählte man sich, der König habe zu ihm gesagt: „Ihr thätet besser, wenn Ihr offen gegen mich wäret, Herr Ayloffe; Ihr wißt, daß es in meiner Macht steht, Euch zu begnadigen.“ Der Gefangne sollte hierauf sein düstres Schweigen gebrochen und geantwortet haben. „In Ihrer Macht mag es stehen, aber in Ihrem Character liegt es nicht.“ Er wurde in Gemäßheit seines früheren Ächtungsurtheils vor dem Thore des Tempels hingerichtet und starb mit stoischem Gleichmuth. 36
36. Wade’s Narrative, Harl. MS. 6845 ; Burnet I. 634 ; Citters’ Depesche vom 30. Oct. (9. Nov.) 1685; Luttrell’s Diary von dem nämlichen Datum.
Verwüstung von Argyleshire. Inzwischen übten die Sieger eine erbarmungslose Rache an dem Volke von Argyleshire. Athol ließ viele Campbells ohne gerichtliche Untersuchung hängen und nur mit Mühe wurde er durch den Geheimen Rath verhindert, noch mehr Menschenleben zu opfern. Dreißig Meilen im Umkreise von Inverary wurde das Land verwüstet. Häuser wurden angezündet, Mühlsteine zertrümmert, Obstbäume umgehauen und selbst die Wurzelstöcke derselben verbrannt. Die Netze und Fischerböte, die einzigen Mittel, durch welche viele von den Küstenbewohnern ihren Unterhalt erwarben, wurden vernichtet, und mehr als dreihundert Rebellen und Unzufriedene nach den Colonien transportirt. Viele von ihnen wurden auch zur Verstümmelung verurtheilt. An einem einzigen Tage schnitt der Henker von Edinburg fünfunddreißig Gefangenen die Ohren ab; eine Menge Weiber wurden über das atlantische Meer geschickt, nachdem man sie mit einem glühenden Eisen auf der Wange gebrandmarkt hatte. 37 Man ging sogar mit dem Plane um, von dem Parlamente eine Acte zu verlangen, durch welche der Name Campbell geächtet werden sollte, wie achtzig Jahre früher der Name Mac Gregor geächtet worden war.
Argyle’s Unternehmung hatte im Süden der Insel wenig Aufsehen gemacht. Die Nachricht von seiner Landung traf unmittelbar vor dem Zusammentritt des englischen Parlaments in London ein. Der König erwähnte die Sache in der Thronrede, und die Häuser versicherten ihn, daß sie gegen jeden Feind zu ihm halten würden. Mehr wurde von ihnen nicht verlangt. Über Schottland hatten sie keine Gewalt, und ein Krieg, dessen Schauplatz so weit entfernt und dessen Ausgang fast von vornherein leicht vorauszusehen war, erregte in London nur geringes Interesse.
37. Wodrow III. IX. 4 , und III. IX. 10. Wodrow führt aus den Acten des Geheimen Rathes die Namen aller der Gefangenen auf, welche transportirt, verstümmelt oder gebrandmarkt wurden.
V.35Erfolglose Versuche, Monmouth’s Abreise von Holland zu verhindern. Aber eine Woche vor der schließlichen Zerstreuung von Argyle’s Armee wurde ganz England durch die Nachricht erschüttert, daß ein weit mehr zu fürchtender Mann in feindlicher Absicht an seiner eignen Küste gelandet sei. Die Flüchtlinge waren dahin übereingekommen, daß Monmouth sechs Tage nach der Abfahrt der Schotten von Holland unter Segel gehen sollte. Er hatte seine Expedition wahrscheinlich deshalb kurze Zeit aufgeschoben, weil er hoffte, daß, sobald der Krieg in den Hochlanden ausbrach, die meisten Truppen nach dem Norden gesandt werden und er daher keine zu seinem Empfange gerüstete Streitmacht vorfinden würde. Als er endlich abzusegeln wünschte, war der Wind ungünstig und heftig geworden.
Während seine kleine Flotte im Texel hin und her getrieben wurde, lagen die holländischen Behörden mit einander im Streit. Auf der einen Seite standen die Generalstaaten und der Prinz von Oranien, auf der andren der Magistrat und die Admiralität von Amsterdam.
Skelton hatte den Generalstaaten ein Verzeichniß derjenigen Flüchtlinge übergeben, deren Aufenthalt in den Vereinigten Provinzen seinem Gebieter Besorgnisse einflößte. Die Generalstaaten, welche dringend wünschten, jedes billige Verlangen Jakob’s zu erfüllen, sandten Abschriften der Liste an die Provinzialbehörden, und diese wieder an die Municipalbehörden. Sämmtlichen Stadtmagistraten wurde bedeutet, daß sie die erforderlichen Maßregeln ergreifen sollten, um die geächteten Whigs zu verhindern, die englische Regierung zu beunruhigen. Im Allgemeinen wurde diesen Befehlen Folge geleistet, und besonders in Rotterdam, wo der Einfluß Wilhelm’s Alles vermögend war, wurde eine Thätigkeit entwickelt, welche Jakob zu dankbarer Anerkennung veranlaßte. Allein der Hauptsitz der Emigranten war Amsterdam, und die Regierungsbehörde dieser Stadt wollte nichts sehen, nichts hören und nichts wissen. Der Schultheiß, der selbst in täglichem Verkehr mit Ferguson stand, berichtete nach dem Haag, daß er nicht einen einzigen von den Flüchtlingen zu finden wisse, und die Bundesregierung mußte sich mit dieser Entschuldigung begnügen. In Wirklichkeit aber waren die englischen Verbannten in Amsterdam allgemein bekannt und wurden auf den Straßen ebenso angestaunt, als wenn sie Chinesen gewesen wären. 38
Wenige Tage darauf erhielt Skelton von seinem Hofe den Befehl, V.36 darum anzusuchen, daß in Betracht der Gefahren, welche dem Throne seines Gebieters drohten, die drei im Dienste der Vereinigten Provinzen stehenden schottischen Regimenter unverzüglich nach Großbritannien zurückgesandt werden sollten. Er wendete sich an den Prinzen von Oranien, und dieser übernahm die Erledigung dieser Angelegenheit, sagte aber voraus, daß Amsterdam einige Schwierigkeiten machen würde. Seine Besorgniß erwies sich als gegründet. Die Deputirten von Amsterdam verweigerten ihre Zustimmung und es gelang ihnen, eine Verzögerung herbeizuführen; aber die Frage war nicht eine von denen, hinsichtlich derer nach der Verfassung der Republik eine einzelne Stadt die Verwirklichung des Wunsches der Mehrheit verhindern konnte. Wilhelm’s Einfluß überwog und die Truppen wurden mit großer Eil eingeschifft. 39
Zu gleicher Zeit bemühte sich Skelton, allerdings mit geringer Einsicht und Mäßigung, die von den Flüchtlingen ausgerüsteten Schiffe zurückzuhalten. Er beschwerte sich in heftigen Ausdrücken bei der Admiralität von Amsterdam. Die Nachlässigkeit der Behörde, sagte er, habe schon eine Horde von Rebellen in den Stand gesetzt, einen Einfall in Großbritannien zu machen, ein zweiter derartiger Fehler sei durch nichts zu entschuldigen, und er verlangte mit peremptorischer Bestimmtheit, daß ein großes Schiff, der „Helderenbergh“, zurückgehalten werden solle. Dieses Schiff war angeblich nach den Canarischen Inseln bestimmt, wahrend es thatsächlich von Monmouth ausgerüstet war, sechsundzwanzig Kanonen führte und Waffen und Munition geladen hatte. Die Admiralität von Amsterdam erwiederte, daß die Freiheit des Handels und der Schifffahrt geringfügiger Gründe wegen nicht beschränkt und der „Helderenbergh“ nicht ohne Befehl der Generalstaaten zurückgehalten werden könnte. Skelton, dessen unveränderliche Art es gewesen zu sein scheint, Alles beim unrechten Ende anzugreifen, wendete sich nun an die Generalstaaten, und diese erließen die nöthigen Befehle. Jetzt aber gab die Amsterdamer Admiralität vor, es sei keine hinreichende Seemacht im Texel, um sich eines so großen Schiffes, wie des „Helderenbergh“ bemächtigen zu können, und ließ Monmouth ungehindert absegeln. 40
Das Wetter war schlecht, die Reise lang und mehrere englische Kriegsschiffe kreuzten im Kanal. Aber Monmouth entging dem Meere und dem Feinde. Als er bei den Klippen von Dorsetshire vorüberkam, wurde es für wünschenswerth erachtet, ein Boot mit einem der Flüchtlinge, Namens Thomas Dare, ans Ufer zu schicken. Dieser Mann hatte trotz seiner niedrigen Denkungsart und seines gemeinen Wesens in Taunton großen Einfluß. Er erhielt die Weisung; durch das Land nach dieser Stadt zu eilen und seinen Freunden anzukündigen, daß Monmouth bald auf englischem Boden sein werde. 41
38. Skelton’s Schreiben ist vom 7.(17.) Mai 1686. Es findet sich nebst dem Briefe des Schout oder Schultheißen von Amsterdam in einer kleinen Schrift, die einige Monate später erschien unter dem Titel: Histoire des Evènemens Tragiques d’Angleterre . Die in diesem Werke angeführten Actenstücke sind, so weit ich sie geprüft habe, genau aus den holländischen Archiven mitgetheilt, nur mit der Ausnahme, daß Skelton’s ziemlich unreines Französisch ein wenig verbessert ist. Siehe auch Grey’s Narrative .
Goodenough sagte in seinem Verhöre nach der Schlacht von Sedgemoor: „Der Schout von Amsterdam war ein besondrer Freund dieses letzten Planes“. Lansdowne MS. 1152.
Es ist nicht der Mühe werth, die Schriftsteller zu widerlegen, welche den Prinzen von Oranien als an Monmouth’s Unternehmung betheiligt darstellen. Sie stützen sich dabei besonders auf dem Umstand, daß die Behörden von Amsterdam keine energischen Schritte thaten, um das Absegeln der Expedition zu verhindern. Dieser Umstand ist aber gerade der stärkste Beweis, daß das Unternehmen von Wilhelm nicht begünstigt wurde. Wer nicht gänzlich unbekannt ist mit den Institutionen und der Politik Hollands, wird den Statthalter für die Handlungen der Oberhäupter der Loevestein’schen Partei nicht verantwortlich halten.
39. Avaux, Neg. June 7.(17.), 8.(18.), 14.(24.) 1685. ; Brief des Prinzen von Oranien an Lord Rochester vom 9. Juni 1685.
40. Citters, 9.(19.) und 12.(22.) Juni 1685. Die Korrespondenz Skelton’s mit den Generalstaaten und der Admiralität von Amsterdam befindet sich in den Archiven im Haag. Einige Briefe findet man in den Evènemens Tragiques d’Angleterre . Siehe auch Burnet I. 640.
41. Wade’s Bekenntniß in den Hardwicke Papers, Harl. MS. 6845.
Monmouth’s Ankunft in Lyme. Am Morgen des siebenten Juni erschien der „Helderenbergh“, begleitet von zwei kleineren Schiffen, vor dem Hafen von Lyme. Diese Stadt ist ein kleiner Knäuel von steilen V.37 und engen Gassen und liegt an einer wilden, felsigen, von einer stürmischen See gepeitschten Küste. Der Ort war damals besonders wegen eines Dammes bekannt, der aus unbehauenen und nicht durch Mörtel verkitteten Steinen zur Zeit der Plantagenets errichtet worden war. Dieses alte, unter dem Namen Cob bekannte Bauwerk verschloß den auf einer Strecke von vielen Meilen einzigen Hafen, in den sich die Fischer vor den Stürmen des Kanals flüchten konnten.
Das Erscheinen der drei Schiffe von fremder Bauart und ohne Flagge machte die Bewohner von Lyme bestürzt, und die Besorgniß nahm zu, als es sich zeigte, daß die Zollbeamten, welche dem Gebrauche gemäß an Bord gegangen waren, nicht zurückkamen. Die ganze Bevölkerung eilte auf die Klippen und blickte lange ängstlich hinaus, konnte aber keine Lösung des Räthsels finden. Endlich stießen von dem größten der drei Schiffe sieben Böte ab und ruderten ans Ufer, wo sie ungefähr achtzig wohl bewaffnete und ausgerüstete Männer aussetzten. Unter ihnen befanden sich Monmouth, Grey, Fletcher, Ferguson, Wade und Anton Buyse, ein Offizier, der im Dienste des Kurfürsten von Brandenburg gestanden hatte 42 .
Monmouth gebot Ruhe, kniete am Strande nieder, dankte Gott, daß er die Freunde der Freiheit und des reinen Glaubens vor den Gefahren der See behütet, und erflehte den göttlichen Segen für das, was noch am Lande zu thun sei. Dann zog er sein Schwert und führte seine Leute über die Klippen in die Stadt.
Sobald es bekannt wurde, unter welchem Führer und in welcher Absicht die Expedition kam, durchbrach die Begeisterung des Volks alle Schranken. Die kleine Stadt war in der heftigsten Aufregung, die Leute liefen hin und her und jubelten laut: „Monmouth! Monmouth! die protestantische Religion!“ Mittlerweile ward die Fahne der Abenteurer, eine blaue Flagge, auf dem Marktplatze aufgepflanzt, die Kriegsvorräthe wurden im Stadthause untergebracht und vom Kreuze herab eine Erklärung verlesen, in der die Zwecke der Unternehmung auseinandergesetzt waren 43 .
42. Man sehe Bunse’s Aussage gegen Monmouth und Fletcher in der Collection of State Trials .
43. Journals of the House of Commons. June 13. 1685. Harl. MS. 6845 ; Lansdowne MS. 1152.
Seine Erklärung. Diese Erklärung, das Meisterstück von Ferguson’s Genie, war nicht ein ernstes Manifest, wie es von einem Anführer erlassen werden muß, der für eine große öffentliche Sache das Schwert zieht, sondern es war nach Inhalt und Sprache ein Libell der gemeinsten Art 44 . Sie enthielt zwar manche wohlbegründete Angriffe gegen die Regierung, aber diese Angriffe waren in dem weitschweifigen und dünkelhaften Style eines schlechten Pamphlets abgefaßt und das Manifest enthielt andere Beschuldigungen, deren ganze Schmach auf Die zurückfällt, die sie erhoben. Es wurde mit Bestimmtheit versichert, der Herzog von York habe London in Brand gesteckt, Godfrey erdrosselt, Esser die Kehle abgeschnitten und den verstorbnen König vergiftet. Auf Grund dieser abscheulichen und unnatürlichen Verbrechen, und hauptsächlich der letztgenannten gräßlichen That, des haarsträubenden, barbarischen Brudermordes — so wortreich und glücklich gewählt war Ferguson’s Sprache — wurde Jakob für einen gefährlichen, blutdürstigen Feind, für einen Tyrannen, Mörder V.38 und Usurpator erklärt. Man werde sich in keine Unterhandlungen mit ihm einlassen und das Schwert nicht eher wieder in die Scheide stecken, als bis er seine verdiente Strafe als Verräther erhalten habe. Die Regierung solle auf Grundlagen basirt werden, die der Freiheit günstig wären; alle protestantischen Sekten sollten geduldet, die entzogenen Freibriefe zurückgegeben, alljährlich ein Parlament gehalten und fernerhin nicht mehr durch königliche Laune prorogirt oder aufgelöst werden. Das einzige stehende Heer sollte die Miliz sein, die Miliz sollte von den Sheriffs befehligt und diese von den Freisassen gewählt werden. Schließlich erklärte Monmouth, er könne es beweisen, daß er in rechtmäßiger Ehe geboren und daß er dem Geburtsrechte nach König von England sei, daß er aber für jetzt auf seine Ansprüche verzichten, sie der Beurtheilung eines freien Parlaments anheim geben und bis dahin nur als Oberbefehlshaber der gegen Tyrannei und Papismus aufgestandenen Protestanten betrachtet sein wolle.
44. Burnet I. 641. ; Goodenough’s Geständniß in den Lansdowne MS. 1152. Originalabdrücke der Erklärung sind sehr selten; einer befindet sich im Britischen Museum.
Seine Popularität im Westen Englands. So entehrend dieses Manifest auch für Die war, von denen es ausging, so war es doch zu dem Zwecke, die Leidenschaften des großen Haufens aufzustacheln, nicht ungeschickt abgefaßt. Im Westen machte es großen Eindruck. Zwar waren die Gentry und der Klerus in diesem Theile des Landes mit wenigen Ausnahmen Tories, aber die Freisassen, die Kaufleute in den Städten, das Landvolk und die Handwerker waren größtentheils von dem alten Geiste der Rundköpfe beseelt. Viele von ihnen waren Dissenters und durch kleinliche Verfolgungen in eine Stimmung versetzt, die sie zu einem verzweifelten Unternehmen geneigt machte. Die große Masse der Bevölkerung verabscheute den Papismus und liebte Monmouth. Er war kein Fremder für sie, seine Reise durch Somersetshire und Devonshire im Sommer 1680 war noch bei Jedermann in frischem Andenken. Er war bei dieser Gelegenheit von Thomas Thynne in Longleat Hall, damals und vielleicht jetzt noch dem prächtigsten Landsitze in England, mit verschwenderischem Aufwande bewirthet worden. Von Longleat bis Exeter waren alle Hecken und Zäune mit jauchzenden Zuschauern bedeckt, die Landstraßen mit Zweigen und Blumen bestreut; die Menge riß in dem Eifer, ihren Liebling zu sehen und zu berühren, die Umzäunungen der Parke nieder und belagerte die Schlösser, in denen er bewirthet wurde. Als er in Chard ankam, bestand sein Gefolge aus fünftausend Reitern; in Exeter hatte sich ganz Devonshire versammelt, um ihn zu begrüßen. Ganz besonderes Aufsehen erregte bei dem Triumphzuge eine Schaar von neunhundert jungen Männern in weißer Uniform, welche vor ihm her in die Stadt marschirten 45 . Der Wechsel des Geschicks, der die Gentry seiner Sache entfremdet hatte, war bei dem gemeinen Mann ohne Wirkung geblieben; für diesen war er noch immer der gute Herzog, der protestantische Herzog, der rechtmäßige Thronerbe, den eine heimtückische Verschwörung seines Eigenthums beraubt hatte. Das Volk schaarte sich in Massen um seine Fahne; alle Schreiber, die er hatte auftreiben können, reichten nicht hin, um die Namen der Rekruten niederzuschreiben, und noch ehe er vierundzwanzig Stunden auf englischem Boden war, sah er sich schon an der Spitze von fünfzehnhundert Mann. Dare langte mit vierzig Reitern von nicht sehr martialischem Aussehen von Taunton an und brachte ermuthigende V.39 Nachrichten über die öffentliche Stimmung in Somersetshire. Bis jetzt schien Alles einen glücklichen Erfolg zu versprechen 46 .
In Bridport aber sammelte sich eine Streitmacht, um den Insurgenten Widerstand zu leisten. Am 13. Juni rückte das rothe Regiment der Miliz von Dorsetshire in jene Stadt ein, und das Regiment von Somersetshire oder das gelbe Regiment, dessen Oberst, Sir Wilhelm Portman, ein angesehener Tory war, wurde am folgenden Tage erwartet 47 . Der Herzog beschloß, sofort loszuschlagen. Schon rüstete sich eine Abtheilung seiner Truppen zum Aufbruch nach Bridport, da brachte ein unglücklicher Vorfall das ganze Lager in Verwirrung.
Fletcher von Saltoun war zum Befehlshaber der Reiterei unter Grey ernannt worden. Er war schlecht beritten, wie sich überhaupt wenige Pferde im Lager befanden, die nicht vom Pfluge genommen waren. Als er nach Bridport commandirt wurde, glaubte er, daß der Drang der Umstände ihn berechtige, ein Dare gehörendes schönes Pferd zu leihen, ohne erst deshalb um Erlaubniß zu fragen. Dare war entrüstet über diese Eigenmächtigkeit und überhäufte Fletcher mit groben Beleidigungen. Fletcher blieb ruhiger als Jeder, der ihn kannte, es erwartet hätte. Endlich aber wagte es Dare, auf die Geduld, mit der seine Unziemlichkeiten hingenommen wurden, pochend, gegen den hochadeligen und stolzen Schotten die Reitgerte zu erheben. Dies brachte Fletcher’s Blut zum Sieden. Er zog ein Pistol hervor und schoß Dare nieder. Eine so summarische und gewaltthätige Rache würde in Schottland nicht aufgefallen sein, wo das Gesetz von jeher schwach gewesen war, wo Derjenige, der sich nicht mit eigner Faust Recht verschaffte, wenig Aussicht hatte, überhaupt Recht zu bekommen, und wo daher ein Menschenleben fast eben so wohlfeil war, als in den am schlechtesten regierten Provinzen Italiens. Im südlichen Theile der Insel aber war das Volk noch nicht gewohnt, um eines harten Wortes oder einer heftigen Geberde willen tödtliche Waffen gebrauchen und Blut vergießen zu sehen, außer im Zweikampf unter Gentlemen mit gleichen Waffen. So erhob sich denn ein allgemeines Geschrei nach Rache gegen den Fremden, der einen Engländer ermordet habe, Monmouth konnte sich dem Verlangen nicht widersetzen und Fletcher, der, nachdem der erste Ausbruch seines Zornes sich gelegt hatte, von Reue und Angst ergriffen wurde, flüchtete sich auf den „Helderenbergh“, entkam glücklich auf das Festland und begab sich nach Ungarn, wo er tapfer gegen den gemeinsamen Feind der Christenheit focht 48 .
45. Historical Account of the Life and magnanimous Actions of the most illustrious Protestant Prince James, Duke of Monmouth, 1683.
46. Wade’s Confession, Hardwicke Papers ; Axe Papers ; Harl. MS. 6845.
47. Harl. MS. 6845.
48. Buyse’s Aussage in der Collection of State Trials ; Burnet I. 642 ; Ferguson’s MS. , citirt von Eachard.
Zusammenstoß der Rebellen mit der Miliz in Bridport. Bei der Lage der Insurgenten war der Verlust eines Mannes von Talent und Energie nicht leicht zu ersetzen. Am frühen Morgen des folgenden Tages, dem 14. Juni, brach Grey in Begleitung Wade’s mit fünfhundert Mann auf, um Bridport anzugreifen. Es fand ein verworrenes und unentschieden bleibendes Gefecht statt, wie es zwischen zwei Haufen von Bauern, die von Landedelleuten und Advokaten befehligt wurden, nicht anders zu erwarten war. Eine Zeit lang drängten Monmouth’s V.40 Leute die Miliz zurück; dann aber hielt diese wieder Stand und erstere ergriffen in ziemlicher Verwirrung die Flucht. Grey und seine Reiter hielten nicht eher an, als bis sie in Lyme wieder in Sicherheit waren; Wade dagegen sammelte das Fußvolk und führte es in guter Ordnung zurück 49 .
Alles murrte laut gegen Grey, und einige von den Abenteurern drangen in Monmouth, ein strenges Exempel zu statuiren. Monmouth aber wollte davon nichts hören. Einige Schriftsteller haben diese Nachsicht seiner Gutmüthigkeit zugeschrieben, die allerdings oft an Schwäche grenzte; andere vermuthen, daß er nicht hart gegen den einzigen Peer verfahren wollte, der in seiner Armee diente. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß der Herzog, der zwar kein ausgezeichneter General war, aber doch jedenfalls vom Kriege viel mehr verstand als die Priester und Advokaten, die ihm ihren Rath aufdringen wollten, Rücksichten nahm, an welche Leute, die in militairischen Angelegenheiten durchaus unerfahren sind, allerdings nie gedacht hätten. Um einem Manne, der wenig Vertheidiger gehabt hat, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß bemerkt werden, daß die Lord Grey während des ganzen Feldzugs zugetheilte Aufgabe von der Art war, daß er sie, selbst wenn er der kühnste und geschickteste Soldat gewesen wäre, kaum in einer Weise hätte lösen können, die ihm zum Ruhme gereichte. Er stand an der Spitze der Reiterei; es ist aber eine allbekannte Sache, daß ein Kavalerist viel längerer Übung bedarf als ein Fußsoldat, und daß ein Kavaleriepferd eine noch viel längere Schule braucht als sein Reiter. Mit einer ungeübten Infanterie, wenn sie von Begeisterung und physischem Muthe beseelt ist, kann allenfalls etwas ausgerichtet werden; aber es kann nichts Unbeholfeneres geben als eine aus Landwirthen und Handelsleuten auf Karrengäulen und Postpferden bestehende ungeübte Reiterei; und von solcher Art war die, welche Grey befehligte. Nicht darüber muß man sich wundern, daß diese Leute im Feuer nicht entschlossen Stand hielten und daß sie nicht tüchtig von ihren Waffen Gebrauch machten, sondern darüber, daß sie sich überhaupt nur im Sattel zu erhalten vermochten.
Noch immer langten Rekruten zu Hunderten an, den ganzen Tag wurde bewaffnet und einexercirt. Inzwischen hatte sich die Nachricht von dem Aufstande rasch und weit verbreitet. Noch denselben Abend, an welchem der Herzog gelandet war, schickte der Mayor von Lyme, Gregor Alford, ein eifriger Tory und ungemein heftiger Verfolger der Nonconformisten, seine Diener aus, um die Gentry von Somersetshire und Dorsetshire zu alarmiren, während er selbst zu Pferde nach dem Westen eilte. Spät in der Nacht hielt er in Honiton an und schickte von dort einige flüchtig hingeworfene Zeilen mit der schlimmen Botschaft nach London 50 . Dann eilte er weiter nach Exeter, wo er Christoph Monk, Herzog von Albemarle fand. Dieser Edelmann, der Sohn und Erbe Georg Monk’s, des Wiederherstellers der Stuarts, war Lordlieutenant von Devonshire und hielt damals gerade Musterung über die Miliz. Er hatte zur Zeit viertausend Mann zu seiner Verfügung, und mit dieser Streitmacht V.41 glaubte er den Aufstand mit einem Schlage unterdrücken zu können. Er marschirte deshalb nach Lyme.
49. London Gazette, June 18. 1685 ; Wade’s Confession ; Hardwicke Papers.
50. Lords’ Journals, June 13. 1685.
Gefecht zwischen den Rebellen und der Miliz bei Axminster. Als er aber am Montag Nachmittag den 15. Juni Axminster erreichte, fand er die Insurgenten schlagfertig aufgestellt, um ihn zu empfangen. Sie zeigten ihm eine sehr achtunggebietende Fronte; vier Feldstücke waren gegen die königlichen Truppen gerichtet und die dichten Hecken, welche zu beiden Seiten die enge Straße beschatteten, waren mit Musketieren besetzt. Die Vorkehrungen des Feindes beunruhigten jedoch Albemarle weniger als der Geist, der sich in seinen eigenen Reihen zu äußern begann. Monmouth war bei dem gemeinen Volke von Devonshire so beliebt, daß die ganze Miliz wahrscheinlich in Masse zu ihm überging, sobald sie Monmouth’s wohlbekanntes Gesicht und seine Gestalt erblickte.
Albemarle hielt es daher trotz seiner großen Übermacht an Streitkräften für rathsam, sich zurückzuziehen. Der Rückzug verwandelte sich bald in wilde Flucht. Die ganze Gegend war mit den Waffen und Uniformstücken besäet, welche die Fliehenden weggeworfen hatten, und hätte Monmouth die Verfolgung mit Nachdruck betrieben, so würde er Exeter wahrscheinlich ohne Schwertstreich genommen haben. Aber er war mit dem errungenen Vorteile zufrieden und hielt es für wünschenswerth, seine Rekruten erst besser einzuüben, bevor er sie zu gewagten Unternehmungen verwendete. Er marschirte daher nach Taunton, wo er am 18. Juni, gerade eine Woche nach seiner Landung eintraf 51 .
51. Wade’s Confession ; Ferguson MS. ; Axe Papers ; Harl. MS. 6845 ; Oldmixon, 701, 702. Oldmixon, welcher damals ein Knabe war, lebte in unmittelbarer Nähe des Schauplatzes der Ereignisse.
Die Nachricht von dem Aufstande kommt nach London. Der Hof und das Parlament waren über die Nachrichten aus dem Westen nicht wenig erschrocken. Am Sonnabend den 13. Juni um fünf Uhr Morgens hatte der König den Brief erhalten, den der Mayor von Lyme von Honiton an ihn abgesandt. Der Geheime Rath wurde augenblicklich zusammenberufen; es wurden Befehle gegeben, daß die Infanterieregimenter und die Reiterschwadronen verstärkt werden sollten, und Commissionen zur Aushebung neuer Mannschaften ernannt.
Loyalität des Parlaments. Alford’s Bericht ward den Lords vorgelegt und der wesentliche Inhalt desselben den Gemeinen mitgetheilt. Diese untersuchten die aus dem Westen angelangten Nachrichten und brachten sogleich eine Bill ein, weiche Monmouth wegen Hochverraths verurtheilte. Adressen wurden votirt, die den König versicherten, daß seine Peers sowohl wie auch sein Volk entschlossen seien, ihm mit Gut und Blut gegen seine Feinde beizustehen. In ihrer nächsten Sitzung verfügten die beiden Häuser, daß die Erklärung der Rebellen durch den Henker verbrannt werden solle, und ließen die Verurtheilungsbill in allen Stadien durchgehen. Die Bill erhielt noch denselben Tag die königliche Genehmigung und auf Monmouth’s Ergreifung wurde eine Belohnung von fünftausend Pfund gesetzt 52 .
Die Thatsache, daß Monmouth gegen die Regierung unter Waffen V.42 stand, war so unbestreitbar, daß die Verurtheilungsbill gegen den schwachen Widerstand von nur einigen wenigen Peers zum Gesetz erhoben ward und selbst von whiggistischen Geschichtschreibern nur selten streng getadelt worden ist. Wenn wir indessen erwägen, wie wichtig es ist, daß gesetzgeberische und richterliche Functionen getrennt bleiben, wie wichtig es ferner ist, daß ein bloßes Gerücht, so stark und allgemein es auch sein mag, nicht als gesetzlicher Schuldbeweis angenommen werde, wie wichtig es endlich ist, die Regel festzuhalten, daß Niemand zum Tode verurtheilt werden darf, ohne ihm Gelegenheit zu seiner Vertheidigung gegeben zu haben, und wie leicht und schnell einmal begangene Verletzungen großer Grundsätze weiter ausgedehnt werden, so dürften wir wohl zu der Ansicht geneigt sein, daß sich gegen das vom Parlament beobachtete Verfahren einige Einwendungen machen ließen. Keinem der beiden Häuser lag das Mindeste vor, was selbst ein so gewissenloser Richter wie Jeffreys einer Jury als Beweis für Monmouth’s Schuld hätte darstellen können. Die von den Gemeinen verhörten Boten waren nicht vereidigt und ihre Mittheilungen konnten daher rein aus der Luft gegriffen sein, ohne daß sie deshalb wegen Meineids hätten bestraft werden können. Die Lords, welche, als Gerichtshof, einen Eid hätten abnehmen können, examinirten keinen Zeugen und hatten keinen andren Beweis vor sich, als den Brief des Mayors von Lyme, der in den Augen des Gesetzes gar kein Beweis war. Die äußerste Gefahr rechtfertigt allerdings zuweilen äußerste Mittel, aber die Verurtheilungsacte war ein Mittel, das erst in Wirksamkeit gesetzt werden konnte, wenn jede Gefahr vorüber war, und das daher von dem Augenblicke an, wo es aufhörte, wirkungslos zu sein, ganz überflüssig wurde. So lange Monmouth unter Waffen stand, war es unmöglich, ihn hinzurichten, und wurde er besiegt und gefangen genommen, so hatte es weder Gefahr noch Schwierigkeit, ihn vor Gericht zu stellen. Später hat man es als einen merkwürdigen Umstand hervorgehoben, daß sich unter den eifrigen Tories, welche die Bill aus dem Hause der Gemeinen vor die Schranken der Lords brachten, Sir Johann Fenwick, Abgeordneter für Northumberland, befand 53 . Dieser Herr hatte einige Jahre nachher Gelegenheit, über die Sache nachzudenken, und er kam zu dem Schlusse, daß Verurtheilungsbills durchaus nicht zu rechtfertigen seien.
Das Parlament gab in dieser Stunde der Gefahr noch andere Beweise von Loyalität. Die Gemeinen ermächtigten den König, zur Bestreitung augenblicklicher Bedürfnisse eine außerordentliche Summe von vierhunderttausend Pfund zu erheben, und damit er das Geld ohne Schwierigkeit bekomme, sannen sie auf neue Steuern. Der Plan, die in der Hauptstadt unlängst neuerbauten Häuser zu besteuern, wurde wieder aufgenommen und von den Landgentlemen eifrig unterstützt. Es wurde nicht allein beschlossen, daß diese Häuser besteuert werden sollten, sondern auch, daß eine Bill eingebracht werden sollte, die jede neue Grundsteinlegung innerhalb des Stadtgebiets von London verbot. Der Beschluß kam jedoch nicht zur Ausführung. Einflußreiche Männer, welche in den Vorstädten Grund und Boden besaßen und hofften, daß sich auf ihren Gütern neue Straßen und Plätze erheben würden, boten Alles auf, um diesen Plan zu vereiteln. Man sah ein, daß es viel Zeit erfordern würde, um die Einzelnheiten V.43 eines solchen Gesetzes zu reguliren, und die Bedürfnisse des Königs waren so dringend, daß man es für nöthig erachtete, die Verhandlungen des Hauses durch eine höfliche Ermahnung zur Eil zu beschleunigen. Die Idee der Häuserbesteuerung wurde daher aufgegeben und dagegen für die nächsten fünf Jahre neue Zölle auf ausländische Seidenstoffe, Leinenwaaren und geistige Getränke gelegt 54 .
Die im Unterhause sitzenden Tories schritten nun zur Einbringung einer sogenannten Bill zur Sicherung der Person und der Regierung des Königs. Sie schlugen vor, es solle für Hochverrath erklärt werden, wenn Jemand sagte, Monmouth sei legitim, oder Worte äußerte, welche darauf abzielten, die Person oder die Regierung des Souverains verhaßt oder verächtlich zu machen, oder wenn Jemand im Parlament einen Antrag auf Abänderung der Thronfolgeordnung stellte. Einige von diesen Bestimmungen erregte allgemeinen Unwillen und Abscheu. Die Whigs versuchten es trotz ihrer geringen Zahl und ihrer Schwäche, sich zu verbinden, und sie wurden durch eine bedeutende Anzahl gemäßigter und einsichtsvoller Kavaliere verstärkt. Worte, sagte man, könnten leicht von rechtschaffenen Männern mißverstanden, von Schurken aber falsch ausgelegt werden; bildliche Ausdrücke könnten wörtlich genommen und scherzhafte Äußerungen als ernstlich gemeint dargestellt werden. Eine Partikel, ein Tempus, ein Modus, die Betonung könne den ganzen Unterschied zwischen Schuld und Unschuld begründen. Sei ja der Erlöser selbst, in dessen reinem Lebenswandel die Böswilligkeit keinen Anhalt zu irgend einer Beschuldigung finden konnte, wegen gesprochener Worte in Untersuchung gezogen worden. Falsche Zeugen hätten eine Sylbe weggelassen, durch welche klar bewiesen worden wäre, daß jene Worte bildlich gemeint waren, und hätten so dem Sanhedrin einen Vorwand geliefert, unter welchem der schändlichste aller Justizmorde verübt worden sei. Wer könne, mit einem solchen Beispiele vor Augen, behaupten, daß wenn bloße Reden schon eine Anklage auf Hochverrath begründeten, der loyalste Unterthan sicher sei? Diese Argumente machten einen so großen Eindruck, daß im Ausschusse Verbesserungsanträge gestellt wurden, welche die Härte der Bill bedeutend milderten; die Klausel aber, welche es für Hochverrath erklärte, wenn ein Mitglied des Parlaments die Ausschließung eines Prinzen von Geblüt vom Throne beantragte, scheint keine Debatte hervorgerufen zu haben und wurde angenommen. Sie hatte jedoch nur insofern eine Bedeutung, als sie ein Beweis für die Unwissenheit und Unerfahrenheit der heißblütigen Royalisten war, welche das Unterhaus füllten. Hätten sie nur die ersten Anfangsgründe der Gesetzgebung gekannt, so würden sie eingesehen haben, daß die Bestimmung, auf die sie so großes Gewicht legten, überflüssig sein mußte, so lange das Parlament geneigt war, die Thronfolgeordnung aufrechtzuerhalten, und daß sie widerrufen werden würde, sobald ein Parlament die Absicht hatte, dieselbe abzuändern 55 .
Die Bill ging in ihrer verbesserten Fassung durch und wurde den V.44 Lords überreicht, aber nicht zum Gesetz erhoben. Der König hatte vom Parlament eine Geldunterstützung erlangt, wie er sie nur erwarten konnte, und er sah ein, daß, so lange der Aufstand wüthete, die loyalen Mitglieder des Adels und der Gentry in ihren Grafschaften mehr nützen könnten, als in Westminster. Er drängte daher ihre Verhandlungen zu einem baldigen Schlusse und entließ sie am 3. Juli. An dem nämlichen Tage erhielt ein Gesetz, welches die mit dem Jahre 1679 erloschene Censur wieder einführte, die königliche Genehmigung. Dieser Gegenstand wurde mit wenigen Worten am Ende eines gemischten Gesetzes abgethan, welches verschiedene erlöschende Gesetze verlängerte. Die Anhänger des Hofes dachten nicht daran, daß sie einen Sieg errungen hätten und die Whigs äußerten durchaus keine Unzufriedenheit. Weder bei den Lords noch bei den Gemeinen kam es zu einer Abstimmung, ja, soweit man es jetzt noch ersehen kann, nicht einmal zu einer Debatte über eine Frage, welche in unsrer Zeit das ganze Gebäude der Gesellschaft erschüttern würde. Die Veränderung war auch in der That unbedeutend und kaum bemerkbar, denn seit der Entdeckung des Ryehousecomplots hatte die Freiheit, ohne Censur drucken zu dürfen, nur dem Namen nach bestanden. Seit vielen Monaten war kaum eine gegen den Hof gerichtete Flugschrift anders als heimlich gedruckt worden, und heimlich konnten solche Flugschriften nach wie vor herausgegeben werden 56 .
Die Häuser schlossen nun ihre Sitzungen; sie wurden nicht prorogirt, sondern nur vertagt, damit sie bei ihrem nächsten Zusammentritt die Geschäfte genau in dem Stande wieder aufnehmen könnten, wie sie dieselben verlassen hatten 57 .
52. London Gazette, June 18. 1685 ; Lords’ and Commons’ Journals , June 13. & 15. ; Holländische Depesche vom 16.(26.) Juni.
53. Oldmixon hat unrecht, wenn er sagt, daß Fenwick die Bill überreichte. Aus den Protokollen ergiebt sich, daß sie durch Lord Ancram überreicht wurde.
54. Commons’ Journals, June 17, 18 & 19. 1685 ; Reresby’s Memoirs.
55. Commons’ Journals, June 19. 29. 1685 ; Lord Lonsdale’s Memoirs. 8. 9. ; Burnet I. 639. Die Bill ist in ihrer durch den Ausschuß abgeänderten Fassung in Fox’ Geschichtswerke Anh. III. zu finden. Wenn Burnet’s Bericht genau ist, so waren diejenigen Vergehen, welche die amendirte Bill nur als Civilvergehen bestraft wissen wollte, in der ursprünglichen Bill als Kapitalverbrechen behandelt.
56. 1 Jac. II. c. 17. Lords’ Journals, July 2. 1685.
57. Lords’ and Commons’ Journals, July 2, 1685.
Monmouth’s Empfang in Taunton. Während das Parlament auf strenge Gesetze gegen Monmouth und seine Anhänger sann, fand er in Taunton eine Aufnahme, die ihn wohl zu der Hoffnung berechtigen konnten, daß sein Unternehmen gelingen werde. Taunton war wie viele andere Städte im südlichen England damals viel bedeutender als gegenwärtig. Diese Städte sind zwar nicht kleiner und ärmer geworden, im Gegentheil, sie sind mit wenigen Ausnahmen jetzt größer und reicher, besser gebaut und besser bevölkert als im siebzehnten Jahrhundert. Aber trotz dieser positiven Fortschritte haben sie doch relativ an Bedeutung verloren. Sie sind von den Fabrik- und Handelsstädten im Norden, welche zu den Zeiten der Stuarts kaum erst anfingen, als Sitze des Gewerbfleißes bekannt zu werden, in Reichthum und Volkszahl weit überflügelt worden. Als Monmouth in Taunton einzog, war diese Stadt ein ungemein blühender Ort; seine Märkte waren mit Allem reichlich versorgt und seine Wollenmanufactur weit und breit berühmt. Die Bevölkerung rühmte sich, in einem Lande zu leben, wo Milch und Honig flössen, und diese Sprache führten nicht nur die parteiischen Eingebornen, sondern auch jeder Fremde, der den schönen Thurm von St. Maria Magdalena bestieg, gestand es zu, daß er zu seinen Füßen das fruchtbarste Thal Englands erblicke. Die Umgegend war reich an Obstgärten und grünen Wiesen, zwischen denen in lieblicher Fülle und Abwechselung Edelhöfe, Hütten und Dorfkirchen zerstreut lagen. Die Einwohner der Stadt waren schon seit langer Zeit für die presbyterianische Gottesverehrung und V.45 die Whigpolitik eingenommen; in dem großen Bürgerkriege hatte Taunton durch alle Wechselfälle fest zum Parlament gehalten, war zweimal von Goring hart belagert und zweimal durch Robert Blake, den nachmaligen berühmten Admiral der Republik, mit heldenmüthiger Tapferkeit vertheidigt worden. Ganze Straßen wurden durch die Bomben und Granaten der Kavaliere in Brand geschossen; der Mangel an Lebensmitteln wurde so groß, daß der entschlossene Commandant schon die Absicht angekündigt hatte, die Besatzung auf Pferdefleischrationen zu setzen; aber weder Feuer noch Hunger hatten den Muth der Stadt brechen können 58 .
Die Restauration hatte in den Gesinnungen der Bewohner von Taunton nichts geändert. Sie hatten nach wie vor das Jahresfest des glücklichen Tages gefeiert, an welchem die königlichen Truppen ihre Belagerung aufgehoben, und ihre starre Anhänglichkeit an die alte Sache hatte in Whitehall so große Besorgniß und so heftigen Groll erregt, daß auf königlichen Befehl ihr Wallgraben ausgefüllt und die Wälle bis auf den Grund zerstört worden waren 59 . Der puritanische Geist war bei ihnen durch die Lehre und das Beispiel eines der berühmtesten Dissentergeistlichen, Joseph Alleine’s, in seiner ungeschwächten Kraft erhalten worden. Alleine war der Verfasser eines Tractats, betitelt: An Alarm to the Unconverted , das noch jetzt in England wie in Amerika populär ist. Aus dem Kerker, in den er von den siegreichen Kavalieren geworfen wurde, schrieb er an seine lieben Freunde in Taunton viele Briefe, welche den Geist einer wahrhaft heldenmüthigen Frömmigkeit athmeten. Sein Leib welkte unter dem Einflusse der Studien, Anstrengungen und Verfolgungen bald dahin; sein Andenken aber ward von Denen, die er ermahnt und unterrichtet hatte, noch lange mit außerordentlicher Liebe und Verehrung bewahrt 60 .
Die Kinder der Männer, welche vierzig Jahre früher auf den Wällen von Taunton gegen die Royalisten gekämpft hatten, bewillkommneten jetzt Monmouth mit lauten Ausbrüchen der Freude und Zuneigung. Jede Thür und jedes Fenster war mit Girlanden bekränzt. Niemand zeigte sich auf den Straßen, ohne einen grünen Zweig, als Zeichen der Volkssache, am Hute. Die Töchter der angesehensten Familien verfertigten Fahnen für die Insurgenten. Von diesen Fahnen war besonders eine mit den Zeichen der königlichen Würde prächtig gestickt und wurde Monmouth durch einen Zug junger Mädchen überreicht. Er nahm das Geschenk mit der ihm eigenen liebenswürdigen Artigkeit an. Die Dame, welche den Zug anführte, beschenkte ihn außerdem noch mit einer kostbaren kleinen Bibel, die er mit einem Zeichen von Ehrfurcht in Empfang nahm. „Ich komme,“ sagte er, „um die in diesem Buche enthaltenen Wahrheiten zu vertheidigen und sie, wenn es sein muß, mit meinem Blute zu besiegeln 61 .“
Aber während Monmouth sich des Beifalls der Menge erfreute, mußte er mit Schmerz und Besorgniß bemerken, daß die höheren Klassen fast ohne Ausnahme seiner Unternehmung feindlich gesinnt waren und daß nur in den Grafschaften, wo er sich persönlich gezeigt hatte, ein Aufstand V.46 erfolgt war. Es war ihm von Agenten, welche ihre Angaben von Wildman erhalten zu haben behaupteten, versichert worden, daß der ganze whiggistische Adel von Kampflust erfüllt sei. Gleichwohl waren bereits über acht Tage verstrichen, seitdem die blaue Fahne in Lyme aufgepflanzt worden war. Tagelöhner, kleine Landwirthe, Krämer, Lehrlinge und Dissenterprediger waren dem Lager der Rebellen zugeströmt, aber nicht ein einziger Peer, Baronet oder Ritter, nicht ein einziges Mitglied des Unterhauses, und kaum hin und wieder ein Squire, der sich eines hinreichenden Ansehens erfreute, um einmal Friedensrichter gewesen zu sein. Ferguson, der seit dem Tode Karl’s von jeher Monmouth’s böser Geist gewesen war, hatte eine Erklärung dieses Umstandes bereit: der Herzog hatte sich durch Ablehnung des Königstitels in eine falsche Stellung versetzt. Hätte er sich selbst zum König von England erklärt, so würde seine Sache einen Anschein von Gesetzlichkeit gehabt haben. Jetzt aber sei es unmöglich, sein Manifest mit den Grundsätzen der Verfassung in Einklang zu bringen. Es sei klar, daß entweder Monmouth oder sein Oheim der rechtmäßige König war. Monmouth wagte es nicht, als rechtmäßiger König aufzutreten, und doch leugnete er, daß sein Oheim es sei. Diejenigen, welche für Jakob kämpften, kämpften für die einzige Person, die es wagte, den Thron für sich in Anspruch zu nehmen, und thaten daher, den Gesetzen des Reiches gemäß, offenbar ihre Pflicht; Diejenigen aber, welche für Monmouth kämpften, kämpften für eine unbekannte Verfassung, welche durch eine noch nicht vorhandene Convention erst entworfen werden sollte. Es sei also kein Wunder, daß Männer von hohem Range und großem Vermögen sich von einem Unternehmen fern hielten, welches dem ganzen System, an dessen Fortbestehen sie das größte Interesse hatten, den Untergang drohte. Beriefe sich der Herzog auf seine Legitimität und nähme er die Krone an, so würde er diesen Einwurf mit einem Male entkräften; die Frage würde dann aufhören, eine Frage zwischen der alten und einer neuen Verfassung zu sein, sie würde nur eine Erbrechtsfrage zwischen zwei Prinzen werden.
58. Savage’s Ausgabe von Toulmin’s History of Taunton .
59. Sprat’s True Account ; Toulmin’s History of Taunton.
60. Life and Death of Joseph Alleine, 1672 ; Nonconformists’ Memorial.
61. Harl. MS. 7006 ; Oldmixon, 702 ; Eachard III. 763.
Monmouth nimmt den Königstitel an. Mit solchen Gründen war Ferguson fast unmittelbar nach der Landung ernstlich in den Herzog gedrungen, sich zum Könige zu proklamiren, und Grey war derselben Meinung. Monmouth war auch sehr geneigt, diesen Rath zu befolgen; aber Wade und andere Republikaner hatten sich widersetzt und ihr Oberhaupt hatte mit gewohnter Fügsamkeit ihren Gründen nachgegeben. In Taunton kam die Sache auf’s Neue in Anregung; Monmouth sprach privatim mit den Andersdenkenden, versicherte sie, daß er keinen andren Weg sehe, um die Unterstützung eines Theils der Aristokratie zu gewinnen, und es gelang ihm, ihre mit Widerstreben ertheilte Zustimmung zu erpressen. So wurde er denn am Morgen des 20. Juni auf dem Marktplatze von Taunton zum König ausgerufen, und seine Anhänger wiederholten seinen neuen Titel mit theilnehmender Freude. Da indessen leicht eine Verwirrung hätte entstehen können, wenn er König Jakob II. genannt worden wäre, so bedienten sie sich gewöhnlich der sonderbaren Bezeichnung „König Monmouth“, und so wurde ihr unglücklicher Liebling in den westlichen Grafschaften oft noch zu einer Zeit genannt, deren sich jetzt lebende Personen noch erinnern können 62 .
V.47In den nächsten vierundzwanzig Stunden nach erfolgter Annahme des Königstitels erließ er mehrere Proklamationen, die seinen eigenhändigen Namenszug an der Spitze trugen. In einer derselben setzte er einen Preis auf den Kopf seines Nebenbuhlers. In einer andren erklärte er das zur Zeit in Westminster tagende Parlament für eine ungesetzliche Versammlung und befahl den Mitgliedern, auseinanderzugehen. Eine dritte verbot dem Volke, dem Thronräuber Abgaben zu bezahlen. Eine vierte erklärte Albemarle für einen Verräther 63 .
Albemarle sandte diese Proklamationen blos als Beweise von Thorheit und Frechheit nach London. Sie machten keinen andren Eindruck als den des Erstaunens und der Verachtung; auch hatte Monmouth keine Ursache zu glauben, daß die Annahme der Königswürde seine Stellung verbessert habe. Erst eine Woche war verflossen, seitdem er sich feierlich verpflichtet, die Krone nicht eher anzunehmen, als bis ein freies Parlament seine Rechte anerkannt habe; durch Verletzung dieses Versprechens hatte er sich den Vorwurf des Leichtsinns, wenn nicht der Treulosigkeit zugezogen. Die Klasse, die er zu gewinnen hoffte, hielt sich noch immer fern von ihm. Die Gründe, welche die großen whiggistischen Lords und Gentlemen abhielten, ihn als ihren König anzuerkennen, waren mindestens eben so triftig als diejenigen, die sie verhindert hatten, sich um ihn als Oberbefehlshaber zu schaaren. Zwar haßten sie die Person, die Religion und die Politik Jakob’s; aber er war nicht mehr jung und seine älteste Tochter mit Recht populär. Sie war dem reformirten Glauben zugethan und mit einem Prinzen vermählt, der das erbliche Oberhaupt der Protestanten des Continents, der in einer Republik aufgewachsen war und dem man solche Gesinnungen zutraute, wie sie sich für einen constitutionellen König ziemten. War es also weise, sich den Schrecken eines Bürgerkrieges auszusetzen, nur um vielleicht das sogleich zu bewirken, was die Natur ohne Blutvergießen, ohne eine Rechtsverletzung aller Wahrscheinlichkeit nach binnen wenigen Jahren herbeiführen würde? Es waren vielleicht Gründe vorhanden, um Jakob vom Throne zu stürzen; aber welche Gründe konnte man für Monmouth’s Erhebung auf denselben anführen? Einen Fürsten wegen Unfähigkeit vom Throne auszuschließen, entsprach ganz den whiggistischen Grundsätzen; aber nach keinem Grundsatze konnte es gerechtfertigt erscheinen, legitime Erben auszuschließen, denen man nicht nur nichts vorzuwerfen hatte, sondern die man sogar für ausgezeichnet befähigt zu den höchsten Staatsämtern hielt. Daß Monmouth legitim sei, ja daß er sich selbst nur dafür hielt, konnten einsichtsvolle Männer nicht glauben; er war also nicht nur ein Usurpator, sondern ein Usurpator von der schlimmsten Sorte, ein Betrüger. Er konnte seiner Sache nur durch Fälschung und Meineid einen Schein von Recht geben. Alle rechtschaffenen und verständigen Leute sträubten sich dagegen, daß ein Betrug, der, wenn er um der Erlangung eines bürgerlichen Besitzthums verübt worden wäre, Peitsche und Pranger als Strafe nach sich gezogen hätte, mit der englischen Krone belohnt werde. Der alte V.48 Adel des Reichs konnte den Gedanken nicht ertragen, daß der Bastard der Lucie Walters hoch über die rechtmäßigen Nachkommen der Fitzalan und De Vere erhoben werden sollte. Wer nur ein wenig politischen Scharfblick hatte, mußte einsehen, daß wenn es Monmouth gelang, die bestehende Regierung zu stürzen, immer noch ein Krieg zwischen ihm und dem Hause Oranien übrig blieb, ein Krieg, der länger dauern und mehr Unheil herbeiführen könnte, als der Krieg der Rosen, ein Krieg, der voraussichtlich die Protestanten Europa’s in feindliche Parteien spaltete, England und Holland gegen einander bewaffnen und beide Länder zu einer leichten Beute für Frankreich machen konnte. Fast alle Whighäupter scheinen daher der Ansicht gewesen zu sein, daß Monmouth’s Unternehmen in jedem Falle der Nation zum Unheil gereichen mußte, daß aber, Alles erwogen, seine Niederlage ein kleineres Unglück sein werde als sein Sieg.
Die Theilnahmlosigkeit des whiggistischen Adels war es nicht allein, was die eingefallenen Verbannten enttäuschte. Der Reichthum und Einfluß Londons hatten in der vorhergehenden Generation hingereicht und konnten auch diesmal wieder hinreichen, um in einem Bürgerkriege den Ausschlag zu geben. Die Londoner hatten früher viele Beweise von ihrem Hasse gegen das Papstthum und von ihrer Zuneigung zu dem protestantischen Herzoge gegeben, und er hatte daher zu bereitwillig geglaubt, daß sofort nach seiner Landung ein Aufstand in der Hauptstadt ausbrechen werde. Aber obgleich ihm gemeldet worden, daß Tausende von Bürgern sich als Freiwillige hätten einzeichnen lassen, so geschah doch nichts. Die Sache war einfach die, daß den Wühlern, die ihn zu einem Einfalt in England gedrängt, die ihm versprochen, sich auf den ersten Wink zu erheben, und die vielleicht auch, so lange die Gefahr noch fern war, geglaubt hatten, daß sie den Muth haben würden, ihr Versprechen zu halten, der Muth sank, als die entscheidende Stunde heranrückte. Wildman’s Angst war so groß, daß er den Verstand verloren zu haben schien. Der feige Danvers entschuldigte seine Unthätigkeit zuerst, indem er sagte, er werde nicht eher zu den Waffen greifen, als bis Monmouth zum König ausgerufen sei, und als dies geschehen war, lenkte er um und erklärte, daß gute Republikaner jeder Verpflichtung gegen einen Führer entbunden seien, der so schamlos sein Wort gebrochen habe. Die gemeinsten Exemplare der menschlichen Natur findet man zu allen Zeiten unter den Demagogen 64 .
Den Tag darauf, als Monmouth den Königstitel angenommen hatte, marschirte er von Taunton nach Bridgewater. Er selbst befand sich, wie man bemerkte, nicht in der heitersten Stimmung; die jauchzenden Zurufe der ihm ergebenen Tausende, die sich allenthalben wohin er kam um ihn drängten, vermochten nicht die düstern Wolken zu verscheuchen, die sich auf seine Stirn gelagert hatten. Wer ihn vor fünf Jahren auf seinem Triumphzuge durch Somersetshire gesehen, bemerkte nicht ohne Mitleid die Spuren von Angst und Besorgniß in den sanften und freundlichen Zügen, die ihm so viele Herzen gewonnen hatten 65 .
In ganz andrer Stimmung, war Ferguson. Dieser Mann verband mit seiner Verworfenheit merkwürdigerweise eine maßlose Eitelkeit, die fast V.49 an Narrheit grenzte. Der Gedanke, daß er einen Aufstand herbeigeführt und eine Krone verliehen, hatte ihm den Kopf verrückt. Er stolzirte, das entblößte Schwert über dem Kopfe schwingend, umher, und rief den Zuschauern, die sich versammelt hatten, um die Armee von Taunton abmarschiren zu sehen, in prahlerischem Tone zu: „Seht mich an! Ihr habt von mir gehört. Ich bin Ferguson, der berühmte Ferguson, der nämliche Ferguson, für dessen Kopf so viele Hundert Pfund geboten worden sind.“ Und dieser zugleich characterlose und halb verrückte Mensch beherrschte den Verstand und die Überzeugung des unglücklichen Monmouth 66 .
62. Wade’s Confession ; Goodenough’s Confession, Harl. MS. 1151 ; Oldmixon, 702. Ferguson’s Ableugnung verdient keinen Glauben. Eine Abschrift der Proklamation befindet sich in den Harl. MS. 7006.
63. Abschriften von den drei letzten Proklamationen befinden sich im Britischen Museum, Harl. MS. 7006. Die erste habe ich nie gesehen, aber sie wird von Wade erwähnt.
64. Grey’s Narrative ; Ferguson’s MS. ; Eachard III. 754.
65. Persecution exposed, by John Whiting.
66. Harl. MS. 6845.
Sein Empfang in Bridgewater. Bridgewater war eine von den wenigen Städten, welche noch einige whiggistische Beamten hatten. Der Mayor und die Aldermen kamen in ihrer Amtstracht, um den Herzog zu begrüßen, gingen in Prozession vor ihm her bis zum Hohen Kreuze und proklamirten ihn hier zum König. Seine Truppen fanden vortreffliche Quartiere und erhielten von den Bewohnern der Stadt und Umgegend Alles, was sie brauchten, für wenig oder gar kein Geld. Er selbst nahm seine Residenz im Schlosse, welches vormals oft mit königlichen Besuchen beehrt worden war; auf der umliegenden Ebene schlug die Armee ein Lager auf. Sie bestand jetzt aus ungefähr sechstausend Mann und hätte leicht auf die doppelte Anzahl gebracht werden können, wenn es nicht an Waffen gefehlt hätte. Der Herzog hatte vom Festlande nur einen geringen Vorrath von Piken und Musketen mitgebracht; daher hatten viele von seinen Leuten keine anderen Waffen, als solche, die sie sich aus den von ihnen beim Acker- und Bergbau gebrauchten Werkzeugen verfertigen konnten. Die furchtbarste von diesen rohen Kriegswaffen bestand aus einer Sensenklinge, welche am Ende einer starken Stange der Länge nach befestigt war 67 . Die Unterconstabler der Umgegend von Taunton und Bridgewater erhielten Befehl, überall nach Sensen zu suchen und was sie davon auftreiben konnten, ins Lager zu bringen; aber selbst durch diese Maßregel war es nicht möglich, dem Bedarf zu genügen, und eine Menge Leute, die sich einreihen lasen wollten, mußten zurückgewiesen werden 68 .
Das Fußvolk wurde in sechs Regimenter eingetheilt. Eine große Anzahl der Freiwilligen hatten in der Miliz gedient und trugen noch ihre rothen oder gelben Uniformen. Die Reiterei war etwa tausend Mann stark, aber die meisten von ihnen hatten nur rohe junge Pferde, wie sie damals in großen Heerden in den Marschen von Somersetshire gezogen wurden, um die Hauptstadt mit Kutschpferden und Karrengäulen zu versehen. Diese Thiere waren so untauglich für den Militairdienst, daß sie noch nicht einmal dem Zaume gehorchten und sobald sie einen Schuß oder Trommelwirbel hörten, nicht mehr zu regieren waren. Monmouth selbst hatte eine kleine Leibgarde von vierzig wohlbewaffneten und gutberittenen jungen Männern, die sich auf ihre eigenen Kosten ausgerüstet hatten. Die Bewohner von Bridgewater, welche durch einen blühenden Küstenhandel V.50 wohlhabend geworden waren, unterstützten ihn mit einer kleinen Summe Geldes 69 .
67. Eine dieser Waffen ist noch im Tower zu sehen.
68. Grey’s Narrative ; Paschall’s Erzählung im Anhange zu Heywood’s Vindication.
69. Oldmixon , 702.
Vorkehrungen der Regierung zum Widerstande. Während dieser Zeit wurden die Streitkräfte der Regierung eiligst zusammengezogen. Westlich von dem Rebellenheere stand Albemarle noch immer mit einer starken Abtheilung der Miliz von Devonshire. Im Osten hatte sich die Miliz von Wiltshire unter den Befehlen von Thomas Herbert, Earl von Pembroke, gesammelt. Im Nordosten stand Heinrich Somerset, Herzog von Beaufort, unter den Waffen. Beaufort’s Macht hatte einige Ähnlichkeit mit der der großen Barone des fünfzehnten Jahrhunderts. Er war Präsident von Wales und Lordstatthalter von vier englischen Grafschaften. Seine amtlichen Rundreisen durch das weite Gebiet, in welchem er die Majestät des Thrones repräsentirte, standen an Gepränge kaum den Reisen des Königs nach; sein Hausstand in Badminton war nach der Sitte eines früheren Zeitalters eingerichtet. Das Land in großer Ausdehnung um seinen Wohnsitz bewirthschaftete er selbst, und die Arbeiter, welche es bestellten, bildeten einen Theil seiner Familie. Neun Tafeln waren täglich in seinem Hause für zweihundert Personen gedeckt. Eine Menge Gentlemen und Pagen standen unter den Befehlen seines Haushofmeisters, ein ganzer Trupp Reiterei gehorchte dem Stallmeister. Die Küche, der Keller, die Hunde und die Pferde des Herzogs waren in ganz England berühmt; die Gentry viele Meilen im Umkreise war stolz auf den Glanz ihres mächtigen Nachbarn und zugleich bezaubert von seiner Leutseligkeit und Gutherzigkeit. Er war ein eifriger Kavalier aus der alten Schule; daher bot er in der damaligen Krisis seinen ganzen Einfluß und sein ganzes Ansehen zur Unterstützung der Krone auf und besetzte Bristol mit den Milizen von Gloucestershire, welche besser disciplinirt zu sein schienen, als die meisten anderen derartigen Truppen 70 .
Auch in den von Somersetshire weiter entfernten Grafschaften waren die Anhänger des Thrones in voller Thätigkeit. Die Miliz von Sussex begann unter dem Commando Lord Richard Lumley’s, der zwar erst kürzlich dem katholischen Glauben entsagt hatte, aber seinem katholischen Könige noch immer treu ergeben war, nach Westen zu marschiren. Jakob Bertin, Earl von Abingdon, rief die Mannschaften von Oxfordshire zu den Waffen. Johann Fell, Bischof von Oxford und gleichzeitig auch Dechant des Christchurch-Collegiums, forderte die Nichtgraduirten seiner Universität auf, für die Krone die Waffen zu ergreifen. Die Studenten ließen sich in Massen einreihen, das Christchurch-Collegium allein stellte nahe an hundert Pikenmänner und Musketiere. Junge Edelleute und studirende Gentlemen bekleideten die Offiziersposten und der älteste Sohn des Lordstatthalters wurde zum Obersten ernannt 71 .
Hauptsächlich aber verließ sich der König auf seine regulären Truppen. Churchill war mit den Blauen in den Westen gesandt worden und Feversham folgte mit allen Streitkräften, welche in der Umgegend von London V.51 entbehrt werden konnten. Nach Holland war ein Courier mit einem Briefe an Skelton abgegangen, worin dieser beauftragt wurde, die sofortige Absendung der in holländischem Dienste stehenden drei Regimenter nach der Themse zu verlangen. Als diese Aufforderung erfolgte, versuchte es die dem Hause Oranien feindlich gesinnte Partei, mit den Deputirten von Amsterdam an der Spitze, abermals eine Verzögerung herbeizuführen. Aber Wilhelm’s Energie, der fast eben so viel zu verlieren hatte, als Jakob, und der Monmouth’s Fortschritte mit ernster Besorgniß betrachtete, unterdrückte die Opposition und in einigen Tagen segelten die Truppen ab 72 . Die drei schottischen Regimenter waren schon in England; sie waren in vortrefflichem Zustande in Gravesend angelangt, und Jakob hatte sie bei Blackheath gemustert. Er erklärte dem holländischen Gesandten wiederholt, daß er nie in seinem Leben schönere und besser disciplinirte Soldaten gesehen habe und daß er dem Prinzen von Oranien, sowie den Generalstaaten für diese werthvolle und rechtzeitige Verstärkung seinen wärmsten Dank ausspreche. Diese Freude war jedoch nicht ganz ungetrübt. So trefflich die Leute auch bei der Musterung bestanden, so waren sie doch nicht ganz frei von dem Einflusse der holländischen Politik und der holländischen Gottesverehrung geblieben. Einer von ihnen ward erschossen und ein Andrer ausgepeitscht, weil er auf die Gesundheit des Herzogs von Monmouth getrunken hatte. Man hielt es daher nicht für rathsam, sie auf den gefährlichsten Posten zu stellen und behielt sie bis zur Beendigung des Feldzugs in der Umgegend von London; aber ihre Ankunft setzte den König in den Stand, einige Infanterie, die er sonst in der Hauptstadt gebraucht haben würde, nach dem Westen zu schicken 73 .
Während die Regierung sich so zum Kampfe mit den Rebellen im offnen Felde rüstete, wurden auch Vorsichtsmaßregeln andrer Art nicht verabsäumt. In London allein wurden zweihundert Personen, von denen man befürchtete, daß sie sich an die Spitze einer whiggistischen Bewegung stellen könnten, verhaftet. Unter ihnen befanden sich einige sehr angesehene Kaufleute. Jedermann, der dem Hof mißliebig war, schwebte in beständiger Angst. Eine drückende Gewitterluft lagerte über der Hauptstadt. Die Börsengeschäfte stockten und die Theater waren so wenig besucht, daß eine neue Oper von Dryden, welche mit noch nie dagewesener Pracht in Scene gesetzt worden war, wieder zurückgezogen wurde, weil die Einnahme die Kosten der Aufführung nicht gedeckt haben würde 74 . Die Behörden und die Geistlichkeit waren allenthalben thätig, die Dissenters wurden überall scharf beobachtet. In Cheshire und Shropshire wüthete eine heftige Verfolgung, in Northamptonshire wurden zahlreiche Verhaftungen vorgenommen und das Oxforder Gefängniß war mit Gefangenen überfüllt. Kein puritanischer Geistlicher, wie gemäßigt seine Meinung und wie vorsichtig sein Verhalten auch sein mochte, war sicher, daß er nicht seiner Familie entrissen und, in den Kerker geworfen wurde 75 .
V.52Inzwischen zog Monmouth von Bridgewater weiter, auf dem ganzen Marsche von Churchill beunruhigt, der Alles that, was ein tapferer und geschickter Offizier mit einer Handvoll Leute nur irgend auszurichten vermag. Das vom Feinde sowohl als von heftigem Regen arg belästigte Rebellenheer machte am Abend des 22. Juni in Glastonbury Halt. Die Häuser des Städtchens waren zur Aufnahme einer so bedeutenden Streitmacht nicht ausreichend; daher mußte ein Theil der Truppen in den Kirchen untergebracht werden und die übrigen zündeten zwischen den Ruinen der ehrwürdigen Abtei, einst dem reichsten Kloster unsrer Insel, ihre Wachtfeuer an. Von Glastonbury marschirte der Herzog nach Wells, und von Wells nach Shepton Mallet. 76
70. North’s Life of Guildford , 132. Berichte von Beaufort’s Reise durch Wales und die benachbarten Grafschaften stehen in der London Gazette vom Juli 1684. Brief von Beaufort an Clarendon vorn 19. Juni 1685.
71. Bischof Fell an Clarendon, 20. Juni; Abingdon an Clarendon, 20., 25. u. 26. Juni 1685; Lansdowne MS , 846.
72. Avaux, 5.(15.) & 6.(16.) Juli 1685.
73. Citters, 30. Juni (10. Juli), 3.(13.) & 21.(31.) Juli 1685; Avaux, 5.(15.) Juli; London Gazette, July 6.
74. Barillon, 6.(16.) Juli 1685; Scotts Vorrede zu Albion and Albanius .
75. Abingdon an Clarendon, vom 29. Juni 1685; Life of Philip Henry, by Bates .
76. London Gazette. June 22 & 25. 1685 ; Wade’s Confession ; Oldmixon, 703 ; Harl. MS. 6845.
Sein Plan auf Bristol. Bis hierher scheint er zu keinem andren Zwecke von Ort zu Ort gezogen zu sein, als um Truppen zu sammeln; jetzt aber wurde es nöthig, daß er einen Plan für seine militairischen Operationen entwarf. Seine erste Idee war, sich Bristols zu bemächtigen, denn viele von den angesehensten Bewohnern dieser bedeutenden Stadt waren Whigs. Eine der Verzweigungen des Whigcomplots hatte sich bis dahin erstreckt, und die Besatzung bestand nur aus Milizen von Gloucestershire. Wenn Beaufort mit seiner bäuerlichen Mannschaft überwältigt werden konnte, ehe die regulären Truppen ankamen, so befanden sich die Rebellen mit einem Male im Besitz reicher Geldmittel; dadurch mußte das Vertrauen zu Monmouth’s Waffen gehoben und seine Freunde im ganzen Lande ermuthigt werden, sich für ihn zu erklären. Bristol hatte Befestigungen, die allerdings auf der Nordseite des Avon gegen Gloucestershire hin schwach, im Süden gegen Somersetshire aber weit stärker waren. Es wurde daher beschlossen, den Angriff auf der Nordseite zu unternehmen. Zu dem Ende aber mußte man einen Umweg machen und bei Keynsham über den Avon gehen. Die Brücke bei Keynsham war jedoch von der Miliz theilweis zerstört worden und im Augenblicke ungangbar. In Folge dessen wurde eine Abtheilung vorausgeschickt, um die nöthigen Reparaturen vorzunehmen. Die anderen Truppen folgten langsamer und machten am Abend des 24. Juni in Pensford Halt, um auszuruhen. Hier waren sie nur noch fünf Meilen von der Südseite von Bristol entfernt; bis zur Nordseite aber, zu der man nur auf dem Umwege über Keynsham gelangen konnte, war noch ein starker Tagemarsch. 77
Diese Nacht befand sich Bristol in geräuschvoller Aufregung und gespannter Erwartung. Die Anhänger Monmouth’s wußten, daß er fast unter den Mauern der Stadt war, und glaubten, daß er noch vor Tagesanbruch bei ihnen sein werde. Etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang brach auf einem am Kai vor Anker liegenden Kauffahrteischiffe Feuer aus. Ein solcher Vorfall mußte in einem mit Schiffen angefüllten Hafen nothwendig große Bestürzung hervorrufen. Der ganze Strom war in Bewegung, das Volk wogte durch die Straßen und es ließen sich in der Dunkelheit und Verwirrung aufrührerische Rufe vernehmen. Whigs und Tories behaupteten nachher, das Feuer sei von Monmouth’s Freunden in der Hoffnung angelegt worden, daß, während die Milizen damit beschäftigt V.53 waren, das Umsichgreifen des Brandes zu verhindern, das Rebellenheer einen kühnen Handstreich wagen und von der Südseite her in die Stadt eindringen könnten. Wenn dies wirklich der Plan der Brandstifter war, so hatten sie sich stark verrechnet, denn Beaufort ließ seine Truppen die ganze Nacht um die schöne Kirche St. Mary Redcliff, auf der Südseite des Avon, unter den Waffen stehen, anstatt sie an den Kai zu senden. Er sagte, er wolle eher ganz Bristol niederbrennen sehen, ja es selbst niederbrennen, als daß er es von Landesverräthern nehmen ließ. Mit Hülfe einer regulären Reiterei, welche vor wenigen Stunden von Chippenham aus zu ihm gestoßen war, konnte er einen Aufstand verhindern; wahrscheinlich aber würde es seine Kräfte überstiegen haben, zu gleicher Zeit die Mißvergnügten in der Stadt im Schach zu halten und einen Angriff von Außen abzuwehren. Doch es erfolgte kein solcher Angriff. Das Feuer, welches in Bristol so große Aufregung hervorgerufen, wurde in Pensford deutlich gesehen. Monmouth hielt es jedoch nicht für rathsam, seinen Plan zu ändern; er blieb bis Sonnenaufgang ganz ruhig und marschirte dann nach Keynsham, wo er die Brücke bereits reparirt fand. Er beschloß, seiner Armee den Nachmittag Ruhe zu gönnen und mit Einbruch der Dunkelheit nach Bristol weiter vorzurücken. 78
77. Wade’s Confession.
78. Wade’s Confession ; Oldmixon, 703 ; Harl. MS. 6845 ; Ansprache Jeffrey’s an die große Jury von Bristol, am 21. Sept. 1685.
Er giebt den Plan auf Bristol auf. Aber es war zu spät. Die königlichen Truppen waren ganz in der Nähe. Der Oberst Oglethorpe stürmte an der Spitze von ungefähr hundert Mann Leibgarden nach Keynsham, zerstreute zwei Reitertrupps der Rebellen, die sich ihm entgegenwarfen, und zog sich wieder zurück, nachdem er ihnen großen Schaden zugefügt, selbst aber nur unbedeutenden Verlust erlitten hatte. Unter diesen Umständen wurde es für nöthig erachtet, den Angriffsplan auf Bristol aufzugeben. 79
Aber was war nun zu thun? Verschiedene Pläne wurden vorgeschlagen und berathen. Es wurde beantragt, Monmouth solle nach Gloucester eilen, dort über den Severn gehen, die Brücke hinter sich abbrechen und so, auf der rechten Flanke vom Flusse geschützt, durch Worcestershire nach Shropshire und Cheshire marschiren. Er war früher einmal durch diese Grafschaften gereist und daselbst mit der nämlichen Begeisterung aufgenommen worden, wie in Somersetshire und Devonshire. Sein Erscheinen regte den Eifer seiner alten Freunde ohne Zweifel von neuem an und seine Armee konnte binnen wenigen Tagen auf das Doppelte ihrer gegenwärtigen Stärke anwachsen.
Bei genauerer Überlegung zeigte es sich jedoch, daß dieser Plan, so vortrefflich er zu sein schien, unausführbar war. Die Rebellen waren für solche Märsche, wie die eben ausgeführten, zu schlecht mit Fußbekleidung versorgt, und das tägliche Waten durch tiefen Schmutz unter heftigen Regengüssen hatte sie erschöpft. Da sie ohne Zweifel bei jedem Haltorte durch die feindliche Reiterei beunruhigt und aufgehalten werden würden, durften sie nicht hoffen, Gloucester zu erreichen, ohne von dem Hauptcorps der königlichen Truppen eingeholt und unter den ungünstigsten Umständen zu einer Hauptschlacht gezwungen zu werden.
Hierauf wurde vorgeschlagen, in Wiltshire einzurücken. Personen, V.54 welche diese Grafschaft zu kennen behaupteten, versicherten den Herzog, es würden dort so ansehnliche Verstärkungen zu ihm stoßen, daß er unbedenklich eine Schlacht annehmen könnte. 80
Er befolgte diesen Rath und wendete sich nach Wiltshire. Die erste Stadt, die er aufrief, war Bath. Aber Bath hatte eine starke königliche Besatzung und Feversham rückte in Eilmärschen heran. Die Rebellen machten daher keinen Angriffsversuch auf die Wälle, sondern eilten weiter nach Philip’s Norton, wo sie am Abend des 26. Juni Halt machten.
Feversham verfolgte sie dahin, und am frühen Morgen des 27. Juni wurden sie durch die Nachricht erschreckt, daß er ihnen auf den Fersen sei. Sie ordneten sich nun und besetzten die nach der Stadt führenden Hecken.
Bald darauf erschien die Vorhut der königlichen Armee, bestehend aus etwa fünfhundert Mann unter dem Commando des Herzogs von Grafton, eines jungen Mannes von großer Kühnheit aber rauhen Manieren, der wahrscheinlich gern zeigen wollte, daß er an den unloyalen Plänen seines Halbbruders keinen Theil habe. Grafton befand sich bald in einer tiefliegenden Gasse, mit Zäunen zu beiden Seiten, von denen aus ein höchst unangenehmes Musketenfeuer unterhalten wurde.
Gefecht bei Philip’s Norton. Er rückte indessen muthig vor bis ans Thor von Philip’s Norton. Hier fand er den Weg durch eine Barrikade versperrt, von welcher er mit einem dritten Feuer in die volle Fronte empfangen wurde. Setzt verloren seine Leute den Muth und ergriffen eiligst die Flucht. Ehe sie aus dem Hohlwege herauskamen, waren mehr als hundert von ihnen getödtet oder verwundet. Dem Herzoge von Grafton war von einer feindlichen Reiterabtheilung der Rückzug abgeschnitten; aber er schlug sich tapfer durch und kam glücklich davon. 81
Die so zurückgeworfene Vorhut zog sich auf das Hauptcorps der königlichen Truppen zurück. Die beiden feindlichen Heere standen einander ganz nahe gegenüber und es wurden einige Schüsse gewechselt, die wenig oder gar keine Wirkung hatten. Auf keiner Seite war man zu einer ordentlichen Schlacht geneigt. Feversham wollte erst die Ankunft seiner Artillerie abwarten und zog sich deshalb nach Bradford zurück; Monmouth verließ mit Einbruch der Dunkelheit seine Stellung, marschirte südwärts und erreichte bei Tagesanbruch Frome, wo er Verstärkung zu finden hoffte.
Frome war seiner Sache zwar eben so eifrig zugethan als Taunton und Bridgewater, konnte aber nichts zu seiner Unterstützung thun. Die Bevölkerung hatte sich einige Tage zuvor erhoben und Monmouth’s Erklärung war auf dem Marktplatze angeschlagen worden; aber die Nachricht von diesem Aufstande war dem Earl von Pembroke zugekommen, der in geringer Entfernung mit der Miliz von Wiltshire stand; er war augenblicklich nach Frome marschirt, hatte einen Haufen Landleute, die sich mit Sensen und Heugabeln ihm widersetzen wollten, in die Flucht geschlagen, war in die Stadt eingerückt und hatte die Bewohner entwaffnet. Es gab daher dort keine Waffen mehr und Monmouth war nicht im Stande, solche zu liefern. 82
81. London Gazette, July 2. 1685 ; Barillon, 6.(16.) Juli; Wade’s Confession .
82. London Gazette, June 29. 1685 ; Citters, 30. Juni (10. Juli).
Monmouth’s Verzagtheit. Das Rebellenheer befand sich in einer schlimmen Lage. Der Marsch in der vergangenen Nacht war höchst beschwerlich gewesen; es hatte in Strömen geregnet und die Wege waren dadurch zu wahren Morästen geworden. Von der aus Wiltshire versprochenen Verstärkung hörte man nichts mehr; ein Bote brachte die Nachricht, daß Argyle’s Armee in Schottland zerstreut worden sei, ein andrer berichtete, daß Feversham, nachdem er seine Artillerie an sich gezogen, wieder anrücke. Monmouth verstand den Krieg zu gut, als daß er nicht hatte wissen sollen, daß seine Leute bei all’ ihrem Muth und all’ ihrem Eifer doch regulären Truppen nicht gewachsen waren. Er hatte sich bis jetzt noch immer mit der Hoffnung geschmeichelt, daß einige von den Regimentern, die er früher befehligt, zu ihm übergehen würden, aber diese Hoffnung mußte er jetzt aufgeben. Da verließ ihn der Muth; er hatte kaum noch Kraft genug, um Befehle zu geben. In seiner Noth beklagte er sich bitter über die bösen Rathgeber, die ihn verleitet hatten, sein glückliches Asyl in Brabant zu verlassen, und besonders gegen Wildman brach er in heftige Verwünschungen aus. 83 Jetzt stieg in seiner schwachen und geängstigten Seele ein schimpflicher Gedanke auf. Er wollte die Tausende, die auf seinen Ruf und für seine Sache ihre friedlichen Häuser und Felder verlassen hatten, den Händen der Regierung preisgeben. Er wollte sich mit seinen vornehmsten Offizieren heimlich entfernen, wollte einen Seehafen zu erreichen suchen, bevor man seine Flucht ahnete, wollte auf das Festland entfliehen und in den Armen der Lady Wentworth seinen Ehrgeiz und seine Schande vergessen. Diesen Plan besprach er ganz ernstlich mit seinen hauptsächlichsten Rathgebern. Einige von ihnen, denen um ihr Leben bange war, zollten demselben Beifall; Grey aber, dem selbst seine Verleumder es zugestehen, daß er überall unerschrocken war, wo nicht Schwertergeklirr und Kanonendonner ihn umgaben, widersetzte sich mit großer Entschiedenheit dem feigen Vorschlage und beschwor den Herzog, lieber jeder Gefahr Trotz zu bieten, als die aufopfernde Anhänglichkeit des westlichen Landvolks mit Undank und Verrath zu belohnen. 84
Der Fluchtplan wurde aufgegeben, aber es war jetzt nicht leicht, irgend einen Operationsplan zu entwerfen. Nach London zu marschiren, wäre Wahnsinn gewesen, denn der Weg ging über die Ebene von Salisbury, auf welcher großen Fläche reguläre Truppen, besonders Kavallerie, gegen undisciplinirte Haufen zu sehr im Vortheil gewesen sein würden. In dieser kritischen Lage traf plötzlich die Nachricht ein, daß die Landbewohner der Marschen in der Umgegend von Axbridge zur Verteidigung des protestantischen Glaubens aufgestanden seien, daß sie sich mit Dreschflegeln, Knütteln und Heugabeln bewaffnet hätten und sich zu Tausenden bei Bridgewater sammelten. Monmouth beschloß, dahin zurückzukehren und sein Heer mit diesen neuen Verbündeten zu verstärken. 85
Die Rebellen marschirten demgemäß nach Wells, wo sie in nicht sehr heitrer Stimmung ankamen. Sie waren, mit wenigen Ausnahmen, erbitterte Feinde des Prälatenthums und äußerten ihren Haß in einer Weise, die ihnen wenig Ehre machte. Sie rissen nicht nur das Bleidach von der prächtigen Kathedrale, um Kugeln daraus zu gießen, eine Handlung, die V.56 sie allenfalls mit den Bedürfnissen des Kriegs entschuldigen konnten, sondern zerstörten auch muthwilligerweise die Verzierungen des Gebäudes. Grey schützte nur mit Mühe den Altar vor den Schändungen einiger Buben, die an demselben zechen wollten, indem er sich mit gezognem Schwerte davor stellte. 86
83. Harl. MS. 6845; Wade’s Confession .
84. Wade’s Confession ; Eachard, III. , 766.
85. Wade’s Confession .
86. London Gazette, July 6. 1685 ; Citters, 3.(13.) Juli; Oldmixon. 703.
Seine Rückkehr nach Bridgewater. Am Donnerstag den 2. Juli zog Monmouth wieder in Bridgewater ein, aber unter viel weniger erfreulichen Umständen, als er es vor zehn Tagen verlassen hatte. Die Verstärkung, die er daselbst fand, war unbedeutend, und die königliche Armee saß ihm dicht auf den Fersen. Einen Augenblick hatte er die Idee, die Stadt zu befestigen, und Hunderte von Arbeitern wurden aufgeboten, um Gräben zu ziehen und Schanzen aufzuwerfen, dann kehrte er wieder zu dem Plane zurück, nach Cheshire zu marschiren, ein Plan, den er in Keynsham als unausführbar verworfen und der jetzt, in Bridgewater, sich gewiß nicht günstiger gestaltet hatte. 87
87. Wade’s Confession.
Die königliche Armee schlägt bei Sedgemoor ein Lager auf. Während er so zwischen gleich hoffnungslosen Projecten schwankte, kamen ihm die Streitkräfte des Königs zu Gesicht. Sie bestanden aus ungefähr zweitausendfünfhundert Mann regulärer Truppen und etwa fünfzehnhundert Mann Miliz von Wiltshire. Sonntag, den 5. Juli, am frühen Morgen, verließen sie Somerton und schlugen noch denselben Tag ungefähr drei Meilen von Bridgewater auf der Ebene von Sedgemoor ihre Zelte auf.
Doctor Peter Mew, Bischof von Winchester, begleitete sie. Dieser Prälat hatte in seiner Jugend im Dienste Karl’s I. gegen das Parlament die Waffen getragen. Weder seine Jahre, noch sein Beruf hatten seinen kriegerischen Eifer völlig gedämpft, und er dachte wahrscheinlich, daß die Anwesenheit eines Vaters der protestantischen Kirche im königlichen Lager einige rechtschaffene Männer, welche zwischen dem Abscheu vor dem Papstthum und dem Abscheu vor der Rebellion schwankten, in ihrer Loyalität befestigen könnte.
Auf dem Thurme der Pfarrkirche zu Bridgewater, welcher der höchste in ganz Somersetshire sein soll, hat man eine weite Aussicht über die Umgegend. Monmouth bestieg in Begleitung einiger Offiziere die Gallerie des viereckigen Thurmes, von wo aus die Spitze desselben sich erhebt, und beobachtete durch ein Fernrohr die Stellung des Feindes. Unter ihm lag eine flache Ebene, welche jetzt mit Kornfeldern und Obstpflanzungen bedeckt ist, damals aber, wie schon ihr Name andeutet, 88 ein trauriger Morast war. Wenn es stark geregnet hatte und der Parret mit seinen Nebenflüssen austrat, so wurde diese Ebene häufig überschwemmt. Sie bildete in der That schon in früheren Zeiten einen Theil des großen Sumpfes, von dem in unseren ältesten Chroniken gesagt wird, daß er die Fortschritte zweier aufeinanderfolgenden fremden Erobererstämme aufgehalten habe. Dieser Sumpf hatte lange die Celten gegen die Angriffe der Könige von Wessex geschützt und hatte Alfred eine Zuflucht vor den Verfolgungen der Dänen gewährt. In jenen fernen Zeiten konnte diese Gegend nur in Böten passirt werden; sie war ein großer See, in welchem eine Menge V.57 kleiner Inseln von veränderlicher und trügerischer Bodenbeschaffenheit zerstreut umherlagen, die mit üppigem Schilfe bewachsen waren und auf denen es von Rothwild und wilden Schweinen wimmelte. Noch zu den Zeiten der Tudors mußte der Reisende, den sein Weg von Ilchester nach Bridgewater führte, des Wassers halber einen Umweg von mehreren Meilen machen. Als Monmouth auf Sedgemoor niederblickte, war es durch die Kunst zum Theil entwässert und von zahlreichen tiefen Gräben durchschnitten, welche dort „Rhines“ genannt werden. Inmitten des Moors erhoben sich in der nächsten Umgebung die Kirchthürme einige Dörfer, deren Namen andeuten, daß sie einstmals von den Fluthen bespült wurden. In einem dieser Dörfer, Weston Zoyland genannt, lag die königliche Reiterei und Feversham hatte daselbst sein Hauptquartier aufgeschlagen. Viele noch lebende Personen haben die Tochter der Magd gekannt, die ihn an jenem Tage bei Tische bediente, und eine große Schüssel von persischem Porzellan, welche ihm vorgesetzt wurde, wird noch immer in der Nachbarschaft sorgfältig aufbewahrt. Es muß bemerkt werden, daß die Bevölkerung von Somersetshire nicht, wie die der Fabrikdistrikte, aus Einwanderern aus entfernten Orten besteht. Man findet dort häufig Landwirthe, die noch den nämlichen Boden bebauen, den ihre Vorfahren bebauten, als die Plantagenets in England herrschten. Die Traditionen von Somersetshire sind daher für den Geschichtsforscher von nicht geringem Werthe. 89
In größerer Entfernung von Bridgewater liegt das Dorf Middlezoy. In diesem Dorfe und seiner Umgebung war die Miliz von Wiltshire unter Pembroke’s Befehlen einquartirt.
Auf offnem Moore, unweit Chozoy, lagerten mehrere Bataillone regulären Fußvolks. Wehmüthig blickte Monmouth auf sie herab, denn er erinnerte sich unwillkürlich daran, daß er vor wenigen Jahren an der Spitze einer aus den nämlichen Leuten bestehenden Colonne die wilden Enthusiasten, welche die Bothwelbrücke vertheidigten, in völliger Verwirrung vor sich her getrieben hatte. Er konnte in den feindlichen Reihen die tapfere Schaar unterscheiden, welche damals nach dem Namen ihres Obersten Dumbarton’s Regiment hieß, schon längst aber als das erste Linienregiment bekannt war und in allen vier Welttheilen seinen alten Ruhm stets bewährt hat. „Ich kenne diese Leute“, sagte Monmouth, „die werden tüchtig kämpfen. Hätte ich nur sie, so würde Alles gut gehen!“ 90
Der Anblick des Feindes war indessen nicht ganz entmuthigend. Die drei Divisionen der königlichen Armee lagen weit von einander entfernt, ihre Bewegungen hatten einen Anschein von sorgloser und lauer Disciplin und es wurde berichtet, daß sie sich fortwährend in Zoylandcyder betränken. Die Unfähigkeit Feversham’s, der das Obercommando führte, war allbekannt, und selbst in diesem kritischen Augenblicke dachte er nur an Essen und Schlafen. Churchill dagegen war zwar ein Anführer, der weit schwierigeren Aufgaben als der Zerstreuung eines Haufens schlecht bewaffneter und ungeübter Bauern gewachsen war; aber das Genie, das später sechs V.58 Marschälle Frankreichs demüthigte, war damals noch nicht an seinem rechten Platze. Feversham sprach wenig mit Churchill und ermuthigte ihn nicht, Vorschläge zu machen. Aber obgleich der Unterbefehlshaber sich seiner Überlegenheit an Fähigkeiten und Kenntnissen bewußt war, obgleich er sich nur mit Unmuth den Befehlen eines Vorgesetzten unterwarf, den er verachtete, und obgleich er für die Armee das Schlimmste befürchtete, so bewahrte er dennoch die ihn auszeichnende Selbstbeherrschung und verbarg seine Gefühle so gut, daß Feversham seine folgsame Thätigkeit lobte und sich vornahm, dem Könige davon zu berichten 91 .
Nachdem Monmouth die Stellung der königlichen Truppen beobachtet hatte und von ihrem Zustande benachrichtigt worden war, glaubte er, daß ein nächtlicher Angriff mit Erfolg gekrönt werden könnte. Er beschloß, sein Glück zu versuchen und traf sofort die nöthigen Anstalten.
Es war Sonntag und seine Leute, welche zum größten Theile puritanisch erzogen waten, brachten daher einen großen Theil des Tages in Andachtsübungen zu. Das Schloßgebiet, auf dem die Armee lagerte, bot ein Schauspiel dar, wie es England seit der Auflösung von Cromwell’s Heer nicht wieder gesehen hatte. Die Dissenterprediger, welche gegen den Papismus zu den Waffen gegriffen hatten, und von denen einige vielleicht schon im großen Bürgerkriege gekämpft hatten, beteten und predigten in rothen Röcken und hohen Reitstiefeln, mit langen Schwertern an der Seite. Auch Ferguson gehörte zu Denen, welche Reden hielten. Er wählte zum Texte die furchtbare Verwünschung, durch welche die jenseits des Jordan wohnenden Israeliten sich von der Beschuldigung reinigten, die ihre Brüder am andren Ufer des Flusses aus Unwissenheit gegen sie erhoben: „Der starke Gott, der Herr, der starke Gott, der Herr weiß, so weiß Israel auch. Ist es Aufruhr oder ein Vergehen gegen den Herrn, so helfe er uns heute nicht 92 .“
Daß unter dem Schutze der Nacht ein Angriff versucht werden sollte, war in Bridgewater kein Geheimniß. Die Stadt war von Frauen angefüllt, die aus der Umgegend herbeigekommen waren, um ihre Gatten, Söhne, Geliebten und Brüder noch einmal zu sehen. Es gab an diesem Tage manche schmerzliche Abschiedsscene und Viele trennten sich, um einander nicht wiederzusehen. Das Gerücht von dem beabsichtigten Angriff kam auch einem jungen Mädchen zu Ohren, die eine eifrige Anhängerin des Königs war. Trotz ihres schüchternen Wesens faßte sie den muthigen Entschluß, Feversham selbst die Nachricht zu überbringen. Sie stahl sich heimlich aus Bridgewater fort und begab sich in das königliche Lager. Dieses Lager aber war nicht der Ort, wo die weibliche Unschuld sicher war. Selbst die Offiziere, welche die irreguläre Streitmacht, der sie gegenüberstanden, und den nachlässigen General, unter dessen Befehlen sie kämpfen sollten, in gleichem Grade verachteten, waren des süßen Weines voll und daher zu jedem Exceß der Sinnlichkeit und Grausamkeit geneigt. Einer von ihnen ergriff das junge Mädchen, weigerte sich, auf ihre Botschaft zu hören und that ihr auf die roheste Weise Gewalt an. Vor Scham und Wuth der Verzweiflung nahe, entfloh sie wieder und überließ das gottlose Heer seinem Schicksale 93 .
V.59Die Zeit zum Beginn des großen Wagstücks rückte jetzt heran. Die Nacht war nicht ungünstig für ein solches Unternehmen. Es war zwar Vollmond und ein glänzendes Nordlicht erschien am Horizont; aber der Sumpfnebel lag so dicht über Sedgemoor, daß man auf funfzig Schritt die Gegenstände nicht unterscheiden konnte 94 .
88. Sedgemoor : Schilf-Moor.
89. Matt. West. Flor. Hist. A.D. 788 ; Handschriftliche Chronik, citirt von Sharon Turner in seiner Geschichte der Angelsachsen, Buch IV. Kap. 19; Drayton’s Polyolbion, III. ; Leland’s Itinerary ; Oldmixon, 703. Oldmixon befand sich damals in Bridgewater und sah wahrscheinlich den Herzog auf dem Kirchthurme. Die oben erwähnte Schüssel ist im Besitz eines Herrn Stradling, der sich die lobenswerthe Mühe gegeben hat, die Überbleibsel und Traditionen des Aufstandes im Westen aufzubewahren.
90. Oldmixon, 703.
91. Churchill an Clarendon, vom 4. Juli 1685.
92. Paschall’s Erzählung in Heywood’s Anhang.
93. Kennet, ed. 1779, III. 432. Ich muß leider glauben, daß diese traurige Geschichte wahr ist. Der Bischof erklärt, daß sie ihm im Jahre 1718 von einem wackeren Offizier der Blauen mitgetheilt worden sei, der bei Sedgemoor mitgefochten und selbst das arme Mädchen in völliger Verzweiflung hat fortgehen sehen.
94. Erzählung eines Offiziers von den Gardereitern in Kennet, Ausg. v. 1719, III. 432 ; MS. Journal of the Western Rebellion, Rept. by Mr. Edward Dummer ; Dryden’s Hind and Panther, part. II. Die Zeilen von Dryden sind schön:
Dies war des Himmels heitre Strahlenpracht
Bei Jakob’s letztem Sieg in stiller Nacht,
Der Liebe seines mächt’gen Schutzherrn Pfand,
Das Feuerwerk von hehrer Engel Hand.
Ich selbst das helle Licht vergolden sah
Die düstren nächt’gen Schatten, fern und nah’.
Fort trug der Bote eiligst seine Kunde,
Zu dreier Völker Trost in banger Stunde,
Doch überall fand er des Himmels Boten schon.
Schlacht von Sedgemoor. Es schlug elf Uhr, als der Herzog mit seiner Leibgarde aus dem Schlosse abritt. Er befand sich durchaus nicht in der Gemüthsstimmung, wie sie einem Manne ziemt, der im Begriffe ist, einen entscheidenden Schlag zu führen. Selbst die Kinder, die sich herbeidrängten, um ihn vorüberreiten zu sehen, bemerkten, daß sein Aussehen traurig und voll düsterer Ahnungen war, und erinnerten sich dessen noch lange nachher. Seine Armee marschirte auf einem fast sechs Meilen langen Umwege gegen das königliche Lager von Sedgemoor. Ein Theil dieses Weges wird noch heute die Kriegsstraße genannt. Das Fußvolk führte Monmouth persönlich an, und die Reiterei war trotz der Gegenvorstellungen Derer, die sich des Unfalls bei Bridport erinnerten, Lord Grey anvertraut worden. Es war Befehl gegeben, das strengste Stillschweigen zu beobachten, keine Trommel zu rühren und keinen Schuß abzufeuern. Das Losungswort, an dem die Insurgenten einander im Dunkeln erkennen sollten, war Soho. Wahrscheinlich war dieses Wort in Anspielung auf Soho-Fields in London gewählt, wo der Palast des Anführers stand 95 .
Montag den 6. Juli gegen ein Uhr in der Nacht kamen die Rebellen auf dem offnen Moore an. Aber zwischen ihnen und dem Feinde befanden sich drei mit Wasser und dünnem Schlamm gefüllte Gräben, und Monmouth wußte, daß er zwei davon, den sogenannten „schwarzen Graben“ und den „Langmoor-Rhine“ passiren mußte. Sonderbarerweise aber hatte ihm keiner seiner Kundschafter etwas von der Existenz des dritten Grabens gesagt, welcher „Bussex-Rhine“ hieß und das königliche Lager unmittelbar deckte.
Die Munitionswagen blieben am Rande des Moors zurück. Die Reiterei und das Fußvolk gingen auf einem Damme in einer langen und schmalen Colonne über den schwarzen Graben. Ein ähnlicher Damm war V.60 auch durch den Langmoor-Rhine geworfen, aber der Führer verirrte sich im Nebel. Es entstand einiger Aufenthalt und Tumult, ehe man den rechten Weg wieder fand; endlich wurde der Übergang noch glücklich bewerkstelligt, aber in der Verwirrung ging ein Pistol los. Einige Wache haltende Gardereiter hörten den Knall und bemerkten eine große Truppenmasse, die sich im Nebel vorwärts bewegte. Sie feuerten ihre Karabiner ab und sprengten in verschiedenen Richtungen davon, um Lärm zu machen. Einige eilten nach Weston Zoyland, wo die Kavallerie lag. Ein andrer Reiter galoppirte in das Lager der Infanterie und rief aus voller Kehle, daß der Feind in der Nähe sei. Die Trommeln des Regiments Dumbarton schlugen Generalmarsch und die Mannschaft trat sogleich unter’s Gewehr. Es war die höchste Zeit, denn Monmouth stellte seine Armee schon in Schlachtordnung auf. Er befahl Grey, mit der Reiterei vorzugehen, und folgte selbst an der Spitze des Fußvolks. Grey stürmte vorwärts, bis er plötzlich ganz unvermuthet durch den Bussex-Rhine aufgehalten wurde. Jenseit des Grabens stellte sich die königliche Infanterie eiligst in Schlachtordnung auf.
„Für wen seid Ihr?“ rief ein Offizier von der Fußgarde. „Für den König“, antwortete eine Stimme in den Reihen der Rebellen-Kavallerie. „Für welchen König?“ wurde hierauf gefragt. Die Antwort war das Jubelgeschrei: „Für König Monmouth!“ vermischt mit dem Feldgeschrei, das vierzig Jahre früher auf den Fahnen der Parlamentsregimenter stand: „Gott mit uns!“ Die königlichen Truppen gaben nun augenblicklich eine so kräftige Musketensalve, daß die ganze Reiterei der Aufständischen alsbald nach allen Richtungen auseinanderstob. Die Welt schrieb diese schmachvolle Flucht allgemein der Feigherzigkeit Grey’s zu. Aber es ist keineswegs erwiesen, ob Churchill an der Spitze von Leuten, welche noch nie im Sattel gekämpft hatten, und deren Pferde weder ans Feuer, noch überhaupt an den Zügel gewohnt waren, besseren Erfolg gehabt haben würde.
Wenige Minuten nachdem die Reiterei des Herzogs sich über den ganzen Moor zerstreut hatte, kam seine Infanterie, der die brennenden Lunten des Regiments Dumbarton als Wegweiser in der Dunkelheit dienten, im Sturmschritt heran.
Monmouth erschrak nicht wenig, als er sah, daß ein breiter und tiefer Graben ihn von dem Lager trennte, das er zu überrumpeln gehofft hatte. Die Insurgenten machten am Rande des Grabens Halt und feuerten; ein Theil der königlichen Infanterie am anderen Ufer erwiederte das Feuer. Dreiviertel Stunde lang knatterte das Kleingewehrfeuer ununterbrochen. Die Landleute von Somersetshire benahmen sich wie alte gediente Soldaten, nur daß sie zu hoch hielten.
Jetzt aber hatten sich auch die anderen Abtheilungen der königlichen Armee in Bewegung gesetzt. Die Leibgarben und die Blauen kamen von Weston Zoyland herangesprengt und zerstreuten in einem Nu die wenigen Reiter Grey’s, die sich wieder zu sammeln versucht hatten. Die Fliehenden verbreiteten einen panischen Schrecken unter ihren Kameraden in der Nachhut, welche die Munition zu decken hatten. Die Wagen fuhren in hastiger Eile davon und hielten nicht eher an, als bis sie mehrere Meilen vom Schlachtfelde entfernt waren. Bis jetzt hatte Monmouth sich als tapfrer und befähigter Krieger gezeigt; man hatte ihn zu Fuß gesehen, wie er, mit einer Lanze in der Hand, seine Infanterie durch Wort und Beispiel anfeuerte. Aber er war zu erfahren in militärischen Angelegenheiten, als V.61 daß er nicht hätte wissen sollen, daß Alles vorbei war. Seine Leute hatten den Vortheil, den ihnen die Überrumpelung und die Dunkelheit gegeben, verloren; sie waren von der Reiterei und den Munitionswagen im Stiche gelassen, und die königlichen Truppen waren jetzt in bester Ordnung beisammen. Feversham war durch das Feuer geweckt worden, war aus dem Bett gesprungen, hatte seine Halsbinde umgelegt, sich gebührend im Spiegel gemustert, und war endlich herbeigekommen, um zu sehen, was seine Leute thaten. Inzwischen hatte Churchill, was von weit größrer Wichtigkeit war, eiligst eine ganz neue Aufstellung der königlichen Infanterie vorgenommen. Der Morgen brach an; der Ausgang eines Kampfes im offnen Felde und bei hellem Tageslichte konnte nicht zweifelhaft sein. Aber Monmouth hätte fühlen sollen, daß er nicht fliehen durfte, während Tausende, die ihre Zuneigung zu ihm ins Verderben gestürzt, noch immer mannhaft für seine Sache kämpften. Aber eitle Hoffnungen und die unüberwindliche Liebe zum Leben behielten bei ihm die Oberhand. Er sah, daß, wenn er zögerte, die königliche Reiterei ihm den Rückzug abschneiden würde; er stieg daher zu Pferde und ritt vom Schlachtfelde.
Doch sein Fußvolk, obgleich von seinem Führer verlassen, hielt noch tapfer Stand. Die Leibgarden griffen es von der rechten, die Blauen von der linken Seite an; aber die Bauern von Somersetshire kämpften mit ihren Sensen und ihren Gewehrkolben wie alte Soldaten gegen die königlichen Reiter. Oglethorpe machte einen ungestümen Versuch, ihre Reihen zu durchbrechen, und wurde tapfer zurückgeschlagen. Sarsfield, ein wackrer irländischer Offizier, dessen Name später eine traurige Berühmtheit erlangte, griff auf der andren Flanke an. Seine Leute wurden ebenfalls zurückgeworfen. Er selbst wurde zu Boden geschlagen und blieb eine Zeit lang für todt liegen. Der Widerstand der tapfren Landleute konnte jedoch nicht mehr von langer Dauer sein, denn Pulver und Blei waren völlig ausgegangen. Man hörte den Ruf: „Munition! um Gottes Willen Munition!“ Aber es war keine mehr zur Hand. Jetzt rückte überdies auch die königliche Artillerie heran, die eine halbe Meile davon auf der Straße von Weston Zoyland nach Bridgewater gestanden hatte. Die Ausrüstung des englischen Heeres war damals noch so mangelhaft, daß es ungeheure Mühe gekostet haben würde, die schweren Geschütze auf den Platz zu schleppen, wo der Kampf wüthete, hätte nicht der Bischof von Winchester seine Wagenpferde und seine Geschirre zu diesem Zwecke hergegeben. Diese Einmischung eines christlichen Prälaten in eine blutige Angelegenheit ist mit sonderbarer Inconsequenz von einigen whiggistischen Schriftstellern verdammt worden, während sie nichts Verbrecherisches in dem Benehmen der zahlreichen puritanischen Geistlichen finden, welche damals gegen die Regierung unter Waffen standen. Und als die Kanonen endlich angekommen waren, fehlte es so sehr an Kanonieren, daß ein Sergeant vom Regimente Dumbarton die Bedienung mehrerer Geschütze übernehmen mußte 96 . So schlecht indessen die Geschütze auch bedient wurden, so brachten sie doch das Gefecht rasch zu Ende. Die Lanzen der aufständischen V.62 Bataillone begannen sich zu senken, die Reihen wurden durchbrochen; die königliche Reiterei machte einen nochmaligen Angriff und warf Alles vor sich nieder, während zu gleicher Zeit auch die Infanterie in großen Massen über den Graben kam. Selbst in dieser höchsten Bedrängniß hielten die Bergleute von Menrix noch tapfer Stand und verkauften ihr Leben theuer. Aber in wenigen Minuten war die Niederlage vollständig. Dreihundert königliche Soldaten waren getödtet oder verwundet, und von den Rebellen lagen mehr als tausend todt auf dem Moor 97 .
So endete der letzte, den Namen einer Schlacht verdienende Kampf, der auf englischem Boden stattgefunden hat. Der Eindruck, den derselbe V.63 bei den einfachen Bewohnern der Umgegend zurückließ, war tief und nachhaltig. Allerdings ist dieser Eindruck auch häufig wieder aufgefrischt worden, denn selbst noch in unseren Tagen haben Pflug und Spaten nicht selten schauerliche Erinnerungszeichen von dem Gemetzel, wie Schädel, Gebeine und seltsame Waffen, aus Ackergeräthen verfertigt, zu Tage gefördert. Alte Landleute erzählten noch vor Kurzem, daß sie in ihrer Kindheit oft auf dem Moore das Gefecht zwischen König Jakob’s und König Monmouth’s Soldaten gespielt und daß die letzteren stets „Soho“ gerufen hätten 98 .
Was bei der Schlacht von Sedgemoor am meisten auffällt, ist der Umstand, daß der Ausgang nur einen Augenblick zweifelhaft sein konnte und daß die Rebellen so lange Widerstand leisteten. Gegenwärtig würde es als ein Wunder betrachtet werden, wenn fünf- oder sechstausend Kohlengräber und Bauern nur einer halb so großen Anzahl von regulärer Kavallerie und Infanterie eine halbe Stunde lang Stand hielte. Unser Erstaunen wird sich jedoch vielleicht vermindern, wenn wir berücksichtigen, daß zu den Zeiten Jakob’s II. die Disciplin der regulären Armee außerordentlich lax, und daß auf der andren Seite das Landvolk daran gewöhnt war, in der Miliz zu dienen. Der Unterschied zwischen einem Regiment Fußgarden und einem Regiment eben angeworbener Bauern war daher, obwohl schon sehr bedeutend, doch keineswegs so groß, als er jetzt ist. Monmouth führte nicht bloße Pöbelhaufen zum Angriff gegen geübte Soldaten; seine Leute waren nicht ganz ohne allen militärischen Anstrich, während Feversham’s Truppen im Vergleich zu den englischen Truppen der Jetztzeit fast ein Pöbelhaufe genannt werden könnten.
Es war vier Uhr, die Sonne ging auf und das geschlagene Heer ergoß sich massenhaft in die Straßen von Bridgewater. Das Getümmel, das Blut, die Wunden, die geisterhaften Gestalten, welche zu Boden sanken, um nicht wieder aufzustehen, verbreiteten Entsetzen und Bestürzung in der Stadt. Dazu kam noch, daß die Verfolger ihnen auf den Fersen waren. Die Einwohner, welche den Aufstand begünstigt hatten, erwarteten ausgeplündert und niedergemetzelt zu werden, und flehten ihre Nachbarn, die sich zum römisch-katholischen Glauben bekannten oder sich durch toryistische Gesinnung auszeichneten, um Schutz an. Auch, die heftigsten whiggistischen Geschichtsschreiber erkennen es an, daß dieser Schutz freundlich und hochherzig gewährt wurde 99 .
95. Es ist von vielen Schriftstellern, unter Anderen auch von Penant, behauptet worden, der Soho-Bezirk in London habe seinen Namen von jener Parole in Monmouth’s Armee bei Sedgemoor. Aber man findet die Soho-Fields in Büchern erwähnt, welche vor dem Aufstand im Westen gedruckt waren, z.B. in Chamberlayn’s State of England, 1684.
96. Es existirt eine Verfügung von Jakob, welche anbefiehlt, daß dem Sergeanten Weems vom Regiment Dumbarton „für die guten Dienste, die er in der Schlacht von Sedgemoor durch Abfeuern der großen Kanonen auf die Rebellen geleistet“, vierzig Pfund Sterling ausgezahlt werden sollen. Historical Record of the First of Royal Regiment of Foot .
97. Jakob’s II. Bericht von der Schlacht von Sedgemoor in Lord Hardwicke’s Staatsschriften; Wade’s Confession ; Ferguson’s handschriftliche Erzählung in Eachard III. 768; Erzählung eines Offiziers von der Leibgarde in Kennet, Ausg. v. 1719, III. 432; London Gazette, July 9. 1685 ; Oldmixon, 703 ; Paschalle’s Narrative ; Burnet, I. 60043 ; Evelyn’s Diary, July 8. ; Citters, 7.(17.) Juli; Barillon 9.(19.) Juli; Reresby’s Memoirs ; the Duke of Buckingham’s Battle of Sedgemoor, a Farce ; MS. Journal of the Western Rebellion, kept by Mr. Edward Dummer, then serving in the train of artillery employed by Hir Majesty for the suppression of the same . Die letztgenannte Handschrift befindet sich in der Pepys’schen Bibliothek und ist von großem Werthe, nicht wegen der Erzählung, die wenig Bemerkenswerthes enthält, sondern wegen der Pläne, welche die Schlacht in vier oder fünf verschiedenen Stadien darstellen.
„Die Geschichte einer Schlacht“, sagt der größte der jetzt lebenden Generale, „ist der Geschichte eines Balles nicht unähnlich. Einige mögen sich wohl noch der kleinen Vorfälle erinnern, welche den Gewinn oder den Verlust der Schlacht herbeiführten; aber kein Einzelner kann sich erinnern, in welcher Aufeinanderfolge oder in welchem Augenblicke sie sich ereigneten, und davon hängt stets ihr Werth und ihre Bedeutung ab ... Um Ihnen zu beweisen, wie wenig man sich auch auf die besten Schlachtberichte verlassen kann, will ich nur sagen, daß in dem Berichte des Generals * * einige Umstände erwähnt sind, die sich nicht so zugetragen haben, wie er sie erzählt. Es ist unmöglich zu sagen, wann und in welcher Ordnung jedes wichtige Ereigniß eintrat.“ — Wellington Papers, Aug. 8. & 17. 1815.
Die Schlacht, in Bezug auf welche der Herzog von Wellington dies schrieb, war die von Waterloo, die wenige Wochen vorher am hellen Tage unter seinen eigenen scharfblickenden und erfahrenen Augen geschlagen worden war. Wie schwierig muß es daher sein, aus zwölf oder dreizehn Rapporten einen Bericht über eine Schlacht zusammen zu stellen, die vor mehr als hundertsechzig Jahren in einer Dunkelheit geschlagen wurde, daß man nicht fünfzig Schritt weit vor sich sehen konnte? Die Schwierigkeit wird dadurch noch vergrößert, daß die Augenzeugen, welche die beste Gelegenheit hatten, die Wahrheit zu erfahren, durchaus nicht geneigt waren, sie zu sagen. Das Dokument, das ich an die Spitze meiner Quellenverzeichnisse gestellt habe, war unverkennbar mit der größten Parteilichkeit für Feversham geschrieben. Wade schrieb in der Angst vor dem Strange. Ferguson, der es überhaupt mit der Wahrheit seiner Aussagen nicht genau nahm, log bei dieser Gelegenheit wie Bobadil oder Parolles. Oldmixon, der zur Zeit der Schlacht in Bridgewater noch ein Knabe war und einen großen Theil seines spätren Lebens daselbst zubrachte, stand so unter dem Einflusse örtlicher Leidenschaften, daß seine an Ort und Stelle vorgenommenen Forschungen ihm nichts nützten. Der Wunsch, die Tapferkeit der Landleute von Somersetshire zu preisen, eine Tapferkeit, die selbst ihre Feinde anerkannten und welche nicht erst durch Übertreibungen und Erdichtungen in ein glänzendes Licht gestellt zu werden brauchte, verleitete ihn, einen lächerlichen Roman zusammenzusetzen. Das Lob, welches Barillon, ein Franzos, der gewöhnt war, ungeübte Schaaren zu verachten, der besiegten Armee zollt, hat weit mehr Werth. „Son infanterie fit fort bien. On n’eut de la peine à les rompre, et les soldats combattoient avec les crosses de mousquet et les scies, qu’ils avoient au bout de grands bastons au lieu de picques.“
Jetzt ist durch einen Besuch des Schlachtfeldes nicht viel mehr zu lernen, denn die Gestalt der Gegend hat sich zu sehr verändert; so ist der alte Bussex-Rhine, an dessen Ufern das Haupttreffen stattfand, längst verschwunden. — Von großem Nutzen ist mir Robert’s Schlachtbericht gewesen. Life of Monmouth chap. 22. Seine Erzählung wird in der Hauptsache durch Dummer’s Pläne bestätigt.
98. Ich weis dies aus dem Munde von Leuten, welche unweit Sedgemoor wohnen.
99. Oldmixon, 704.
Verfolgung der Rebellen. Die Sieger verfolgten die Fliehenden den ganzen Tag. Die Bewohner der umliegenden Dörfer erinnerten sich noch lange des Getöses und der Verwünschungen, womit die Reiterei vorüberstürmte. Noch vor dem Abend waren fünfhundert Gefangene in der Pfarrkirche zu Weston Zoyland eingesperrt. Achtzig von ihnen waren verwundet und fünf starben innerhalb der heiligen Mauern. Eine große Menge Landleute wurde herbeigetrieben, um die Gefallenen zu begraben, und einige, deren Parteilichkeit für die Sache der Besiegten bekannt war, wurden für das grauenvolle Geschäft bestimmt, die Gefangen zu viertheilen. Die Unterconstabler der benachbarten Kirchspiele mußten Galgen aufrichten und Ketten herbeischaffen. Währenddem läuteten fröhlich die Glocken von Weston Zoyland und Chedzoy und die Soldaten sangen und zechten auf dem Moore mitten unter den V.64 Leichen, denn die Landwirthe der Umgegend hatten, sobald der Ausgang des Gefechts bekannt war, sich beeilt, den Siegern ganze Fässer ihres besten Obstweines als Friedensopfer darzubringen. 100
100. Locke’s Western Rebellion, Stradling’s Chilton Priory.
Militärische Hinrichtungen. Feversham galt für einen gutherzigen Mann, aber er war ein Ausländer, der die Gesetze der Engländer nicht kannte und sich um ihre Gefühle nicht kümmerte. Er war an den kriegerischen Übermuth Frankreichs gewohnt und hatte von seinem hohen Verwandten, dem Eroberer der Pfalz, nicht erobern, sondern nur verwüsten und zerstören gelernt. Eine beträchtliche Anzahl Gefangener wurde sofort zur Hinrichtung ausgewählt. Unter diesen befand sich ein junger Mann, der wegen seiner Schnelligkeit im Laufen berühmt war. Man machte ihm Hoffnung, daß er mit dem Leben davon kommen könne, wenn er aus einem Wettlaufe mit einem Fohlen der Marschen siegreich hervorginge. Der Raum, den dieser Mann in gleichem Schritt mit dem Pferde durchlief, ist noch jetzt durch wohlbekannte Markzeichen auf dem Moore angegeben und war ungefähr dreiviertel Meile lang. Feversham schämte sich nicht, den unglücklichen Schnellläufer nach vollbrachter Leistung dennoch an den Galgen zu schicken. Am nächsten Morgen sah man eine lange Reihe von Galgen auf der Straße von Bridgewater nach Weston Zoyland, und an jedem derselben hing ein Gefangner. Vier von den Duldern ließ man in ihren Ketten verfaulen. 101
101. Locke’s Western Rebellion ; Stradling’s Chilton Priory ; Oldmixon, 704.
Monmouth’s Flucht. Unterdessen entfloh Monmouth, begleitet von Grey, Buyse und einigen andren Freunden, vom Schlachtfelde. In Chedzoy machte er einen Augenblick Halt, um ein frisches Pferd zu besteigen und sein blaues Knieband und seinen St. Georg 102 zu verbergen. Dann eilte er weiter nach Bristol Channel. Auf den Anhöhen im Norden des Schlachtfeldes sah er noch den Blitz und den Rauch der letzten Salve, die seine verlassenen Getreuen abfeuerten. Vor sechs Uhr war er schon zwanzig Meilen von Sedgemoor entfernt. Einige von seinen Begleitern riethen ihm, über den Kanal zu setzen und in Wales eine Zufluchtsstätte zu suchen, was unzweifelhaft das Klügste gewesen wäre. Er hätte längst in Wales sein können, ehe die Nachricht von seiner Niederlage dahin gelangte, und würde in einer so unwirthbaren, vom Sitze der Regierung weit entfernten Gegend lange unentdeckt geblieben sein. Aber er beschloß, nach Hampshire zu eilen, in der Hoffnung, sich in den Hütten der Wilddiebe unter den Eichen des Neuen Waldes so lange verbergen zu können, bis sich eine günstige Gelegenheit zum Entkommen auf das Festland darbot. Daher wendete er sich mit Grey und Buyse südöstlich. Aber der Weg war voll von Gefahren, denn die Flüchtlinge reisten durch eine Gegend, wo Jedermann den Ausgang der Schlacht schon kannte und kein Reisender von verdächtigem Aussehen sich einer genauen Untersuchung entziehen konnte. Sie ritten den ganzen Tag, indem sie Städte und Dörfer sorgfältig vermieden. Das war auch nicht so schwierig, als es jetzt scheinen mag, denn damals lebende Leute konnten sich noch sehr gut der Zeit erinnern, wo sich das Rothwild in einer Reihenfolge von Wäldern von den Ufern des Avon in Wiltshire bis zur südlichen Küste von Hampshire V.65 in ungestörter Freiheit tummelte. 103 Auf Cranbourne Chase konnten endlich die Pferde vor Erschöpfung nicht weiter. Man nahm ihnen daher Sattel und Zaum ab, welche sorgfältig versteckt wurden, und ließ sie laufen. Monmouth und seine Freunde verschafften sich nun Bauernanzüge, und so verkleidet wanderten sie zu Fuß durch den Neuen Wald. Sie brachten die Nacht unter freiem Himmel zu, aber noch vor dem Morgen waren sie auf allen Seiten umzingelt. Lord Lumley, der mit einer starken Abtheilung der Miliz von Sussex in Ringwood stand, hatte nach allen Richtungen hin Detaschements ausgesandt und Sir Wilhelm Portman mit der Miliz von Somerset vom Meeresufer bis ans nördliche Ende von Dorset eine Postenkette aufgestellt. Am siebenten um fünf Uhr Morgens wurde Grey, der sich von seinen Freunden entfernt hatte, von zwei Sussexer Spionen ergriffen. Er ergab sich in sein Schicksal mit der Ruhe eines Mannes, dem die Ungewißheit unerträglicher war als die sichere Aussicht auf seinen Untergang. „Seit unsrer Landung“, sagte er, „habe ich weder eine einzige ordentliche Mahlzeit, noch eine ruhige Nacht gehabt.“ Man konnte kaum daran zweifeln, daß der Hauptrebell nicht weit entfernt war, und die Verfolger verdoppelten daher ihre Wachsamkeit und Thätigkeit. Lumley ließ alle auf dem Haidelande an den Grenzen von Dorsetshire und Hampshire zerstreut liegenden Hütten genau durchsuchen, und der Landmann, mit welchem Monmouth die Kleider gewechselt hatte, wurde entdeckt. Portman kam mit einer starken Abtheilung Reiterei und Fußvolk, um Lumley bei seinen Nachforschungen zu unterstützen. Bald wurde ihre Aufmerksamkeit auf eine Stelle gelenkt, die sich zum Versteck für Flüchtlinge vortrefflich eignete. Es war ein bedeutender Landstrich, welcher durch ein Gehege von dem offnen Lande getrennt und durch zahlreiche Hecken in kleine Feldparcellen abgetheilt war. Auf einigen dieser Felder waren der Roggen, die Erbsen und der Hafer hoch genug, um einen Menschen zu verbergen; andere waren mit Farrnkraut und Brombeersträuchern bedeckt. Eine arme Frau berichtete, daß sie in dem Gehege zwei Fremde gesehen habe, die sich zu verbergen schienen. Die nahe Aussicht auf eine Belohnung erhöhte den Eifer der Truppen. Es wurde verabredet, daß jeder Mann, der bei der Durchsuchung seine Pflicht thue, einen Antheil von den versprochenen fünftausend Pfund bekommen sollte. Die äußere Umzäunung wurde mit Wachen besetzt und der innre Raum mit unermüdlicher Sorgfalt durchforscht; mehrere gute Spürhunde durchsuchten das Gebüsch. Der Abend brach herein, ehe das Geschäft beendigt war, aber die ganze Nacht hindurch wurde sorgfältig Wache gehalten. Wohl dreißigmal wagten es die Flüchtlinge, durch die äußere Umzäunung zu blicken, aber überall fanden sie eine aufmerksam umherspähende Schildwache. Einmal wurden sie gesehen und auf sie geschossen; dann trennten sie sich und verbargen sich in verschiedenen Schlupfwinkeln.
Seine Gefangennehmung. Am nächsten Morgen mit Tagesanbruch begann das Suchen von neuem und Buyse wurde gefunden. Er gestand, daß er sich erst vor wenigen Stunden von dem Herzoge getrennt habe. Das Getreide und das Gesträuch wurde nun mit noch größerer Sorgfalt untersucht. Endlich wurde eine abgezehrte Gestalt in einem Graben gefunden. Die Verfolger stürzten sich auf ihre Beute und einige von ihnen wollten feuern, aber Portman verbot jede Gewaltthätigkeit. Der V.66 Gefangne trug die Kleidung, eines Hirten, sein frühzeitig ergrauter Bart war seit mehreren Tagen nicht rasirt. Er zitterte heftig und konnte nicht sprechen. Selbst Diejenigen, die ihn oft gesehen hatten, zweifelten anfangs, ob dies wirklich der glänzende und liebenswürdige Monmouth sei. Portman untersuchte seine Taschen und fand darin unter grünen Erbsen, die er in seinem quälenden Hunger abgepflückt hatte, eine Uhr, eine mit Gold gefüllte Börse, ein kleines Werk über die Befestigungskunst, ein Album mit Gedichten, Recepten, Gebeten und Zaubersprüchen, und den St. Georg, mit dem König Karl II. vor vielen Jahren seinen Lieblingssohn geschmückt hatte. Es wurden nun sogleich Boten mit der erfreulichen Nachricht nach Whitehall abgesandt und der Gefangene unter starker Bedeckung nach Ringwood gebracht. 104
So war denn Alles verloren und es blieb ihm nichts mehr übrig, als daß er sich vorbereitete, dem Tode so entgegenzugehen, wie es einem Manne ziemte, der sich nicht für unwürdig gehalten, die Kronen Wilhelm’s des Eroberers und Richard’s Löwenherz, des Helden von Cressy und des Helden von Agincourt zu tragen. Der Gefangne hätte sich leicht noch anderer Beispiele aus seiner Familie erinnern können, welche auf seine gegenwärtige Lage besser paßten. In einem Zeitraume von hundert Jahren waren zwei Souveraine, deren Blut in seinen Adern floß, darunter ein zartes Weib, in der nämlichen Lage gewesen, in der er sich jetzt befand. Sie hatten im Gefängniß und auf dem Schaffot einen Heldenmuth gezeigt, dessen sie in den Tagen des Glücks nicht fähig gewesen waren, und hatten ihre großen Fehler und Verbrechen zum Theil gesühnt, indem sie Alles, was ihre siegreichen Feinde ihnen zufügen konnten, mit christlicher Ergebung und majestätischer Würde ertrugen. Der Feigheit war Monmouth nie beschuldigt worden, und hätte es ihm auch an natürlichem Muthe gefehlt, so ließ sich erwarten, daß dieser Mangel durch den Stolz und die Verzweiflung ersetzt werden würde. Die Augen der ganzen Welt waren auf ihn gerichtet; die spätesten Geschlechter sollten es erfahren, wie er sich in dieser kritischen Lage gezeigt hatte. Er war es den wackeren Landleuten im Westen schuldig, ihnen zu beweisen, daß sie ihr Blut nicht für einen ihrer Aufopferung unwürdigen Führer vergossen hatten, und dem Weibe, die ihm Alles geopfert, war er es schuldig, sich so zu benehmen, daß sie wohl um ihn weinen durfte, sich seiner aber nicht zu schämen brauchte. Ihm stand es nicht an, zu jammern und um Gnade zu flehen; auch mußte ihm schon sein Verstand sagen, daß er durch Klagen und Bitten nichts erreichen würde. Er hatte etwas gethan, was nie vergeben werden konnte, und er war in der Gewalt eines Mannes, der nie vergab.
Aber Monmouth’s Muth war nicht jener erhabne Muth, der das Resultat der Überlegung und der Selbstachtung ist; die Natur hatte ihm keines jener starken Herzen verliehen, denen weder Mißgeschick noch Gefahren ein Zeichen von Schwäche entreißen können. Sein Muth wuchs und sank nach Maßgabe der auf ihn einwirkenden äußeren Eindrücke. Auf dem Schlachtfelde wurde er durch die Aufregung des Kampfes, durch die Hoffnung auf den Sieg und durch den mächtigen Einfluß der Sympathie aufrecht erhalten. Alle diese Stützpunkte waren ihm jetzt entzogen. Das V.67 verwöhnte Schooßkind des Hofes und des Volks, daran gewöhnt, überall wo er sich zeigte, geliebt und vergöttert zu werden, war jetzt von finsteren Kerkermeistern umgeben, in deren Blicken er sein Schicksal las. Noch einige Stunden düstrer Abgeschiedenheit, und er mußte eines gewaltsamen und schimpflichen Todes sterben. Sein Muth war völlig gebrochen. Das Leben schien ihm werth, durch jede Erniedrigung erkauft zu werden, und sein stets schwacher, jetzt aber noch durch die Angst verwirrter Verstand sah nicht ein, daß Demüthigungen ihn herabwürdigen mußten, aber nicht retten konnten.
104. Account of the manner of taking the late Duke of Monmouth, published by His Majesty’s command. Gazette de France, July 18.(28.) 1685 ; Eachard III. 770 ; Burnet I. 644 , und Dartmouth’s Note; Citters, 10.(20.) Juli 1685.
Sein Brief an den König. Sogleich nach seiner Ankunft in Ringwood schrieb er an den König. Aus seinem Briefe sprach feige Angst, die kein Ehrgefühl mehr kennt. Er versicherte in Ausdrücken der heftigsten Verzweiflung, daß er seinen Verrath bereue und daß es zu der Zeit, als er seinen Verwandten versprach, keine Unruhen in England hervorzurufen, sein fester Vorsatz gewesen sei, sein Wort zu halten. Leider hätten nachher einige abscheuliche Menschen ihn seiner Unterthanentreue entfremdet, indem sie sein Blut durch Verleumdungen erhitzten und seinen Verstand durch Sophismen irreleiteten; jetzt aber verabscheue er sie sowohl als sich selbst. In kläglichen Ausdrücken flehte er um die Gunst einer Unterredung mit dem Könige. Es handle sich um ein Geheimniß, das er dem Papiere nicht anvertrauen könne, um ein Geheimniß, das in einem einzigen Worte enthalten sei und das, wenn er es ihm mittheile, den Thron gegen jede Gefahr sicherstellen werde. Am folgenden Tage schrieb er auch noch an die Königin Wittwe und an den Lordschatzmeister, die er beide dringend bat, sich für ihn zu verwenden. 105
Das Erstaunen war groß, als es in London bekannt wurde, wie tief er sich erniedrigt hatte, und Niemand wunderte sich mehr darüber, als Barillon, der zwei blutige Proscriptionen in England erlebt und zahlreiche Opfer, sowohl von der Opposition als vom Hofe, gesehen hatte, die sich ohne weibisches Flehen und Jammern in ihr Schicksal ergaben. 106
105. Der Brief an den König wurde damals auf besondren Befehl gedruckt, der an die Königin Wittwe befindet sich unter Sir H. Ellis’ Originalbriefen; der an Rochester in Clarendon’s Correspondenz.
106. Er schrieb: „On trouve fort à redire icy qu’il ayt fait une chose si peu ordinaire aux Anglois.“ 13.(23.) Juli 1685.
Er wird nach London abgeführt. Monmouth und Grey blieben zwei Tage in Ringwood und wurden dann unter Bedeckung eines starken Detaschements regulärer Truppen und Milizen nach London abgeführt. Im Wagen des Herzogs saß ein Offizier, welcher Befehl hatte, den Gefangnen sofort niederzustoßen=, wenn er einen Fluchtversuch machen sollte. Auf dem ganzen Wege war in jeder Stadt die Miliz der Umgegend unter dem Commando der vornehmsten Gentry versammelt. Die Reise dauerte drei Tage und endete zu Vauxhall, wo ein von Georg Legge, Lord Dartmouth, befehligtes Regiment die Gefangenen in Empfang nahm. Sie wurden hierauf zu Wasser in einer Staatsbarke nach Whitehall gebracht. Lumley und Portman hatten abwechselnd Tag und Nacht den Herzog bewacht, bis sie ihn wohlbehalten in den Mauern des Palastes ablieferten. 107
Sowohl Monmouth’s als auch Grey’s Benehmen während der Reise V.68 erfüllte jeden Beobachter mit Erstaunen; Monmouth war gänzlich zu Boden geschmettert; Grey dagegen war nicht nur gefaßt, sondern sogar heiter, sprach ganz vergnügt von Pferden und Hunden, von Jagd und Wettrennen, und machte selbst scherzhafte Anspielungen auf die gefährliche Lage, in der er sich befand.
Man kann den König wegen seines Entschlusses, daß Monmouth den Tod erleiden sollte, nicht tadeln. Wer sich an die Spitze eines Aufstandes gegen die bestehende Regierung stellt, setzt sein Leben aufs Spiel, und Auflehnung gegen die königliche Gewalt war nur der geringste Theil von Monmouth’s Verbrechen. Er hatte seinem Oheim einen Krieg ohne Pardon erklärt. In dem zu Lyme erlassenen Manifeste war Jakob als Brandstifter, als Meuchelmörder, der einen Unschuldigen erdrosselt und einem Andren die Kehle abgeschnitten, und schließlich als Vergifter seines eignen Bruders der öffentlichen Verwünschung preisgegeben worden. Einen Freund zu schonen, der sich kein Gewissen daraus gemacht, zu so schändlichen Mitteln zu greifen, würde ein Act seltner, vielleicht tadelnswerther Großmuth gewesen sein; ihn aber zu empfangen und dann nicht zu schonen, dies war ein Frevel an der Humanität und der Schicklichkeit. 108 Der König beging diesen Frevel. Dem Gefangnen wurden vermittelst einer seidnen Schnur die Hände auf den Rücken gebunden, und nachdem man ihn auf diese Weise unschädlich gemacht, wurde er bei dem unversöhnlichen Verwandten, den er so schwer beleidigt hatte, eingeführt.
107. Account of the manner of taking The Duke of Monmouth ; London Gazette, July 16. 1685 ; Citters, Juli 14.(24.)
108. Barillon nahm unverkennbar großes Ärgerniß daran. Er schreibt: „Il se vient de passer icy une chose bien extraordinaire et fort opposée à l’usage ordinaire des autres nations.“ 13.(23.) Juli 1685.
Seine Unterredung mit dem Könige. Monmouth warf sich nieder und kroch bis zu den Füßen des Königs. Er weinte und versuchte mit seinen gefesselten Armen die Knie seines Oheims zu umfassen; er flehte um sein Leben, nur um sein Leben, um sein Leben um jeden Preis. Er gestand, daß er sich eines großen Verbrechens schuldig gemacht habe, versuchte es aber, die Schuld auf Andere zu wälzen, namentlich auf Argyle, der eher seine Füße in die spanischen Stiefeln gesteckt, als sein Leben durch eine solche Gemeinheit gerettet haben würde. Bei den Banden der Verwandtschaft, bei dem Gedächtniß des verstorbnen Königs, des besten und aufrichtigsten Bruders, beschwor der Unglückliche den König, einige Gnade walten zu lassen. Jakob erwiederte in ernstem Tone, diese Reue komme zu spät, er bedaure das Unglück, das der Gefangne selbst über sich gebracht habe, aber der Fall sei nicht geeignet, zur Milde zu stimmen. Der Herzog habe eine mit den abscheulichsten Verleumdungen angefüllte Erklärung erlassen und sich den Königstitel angemaßt; für einen unter so erschwerenden Umständen verübten Verrath könne es diesseit des Grabes keine Verzeihung geben. Der unglückliche Herzog betheuerte, daß er nie nach dem Besitz der Krone getrachtet habe, sondern daß er nur durch Andere zu dem unheilvollen Beginnen verleitet worden sei. Die Erklärung habe er nicht geschrieben, ja nicht einmal gelesen, er habe sie unterzeichnet, ohne sie nur anzusehen, sie sei lediglich das Werk Ferguson’s, des blutdürstigen Schurken Ferguson. „Ihr werdet mich doch nicht glauben machen wollen“, sagte Jakob mit nur zu wohl verdienter Verachtung, „daß Ihr Euren Namen unter ein Dokument von solcher Bedeutung setztet, ohne den Inhalt desselben zu kennen?“ Jetzt blieb nur noch eine V.69 Stufe der Infamie übrig, und selbst zu dieser stieg der Gefangne herab. Er war vorzugsweise als Vertheidiger der protestantischen Religion aufgetreten. Das Interesse dieses Glaubens war der Vorwand gewesen, unter dem er sich gegen die Regierung seines Vaters verschwor und die Drangsale eines Bürgerkrieges über sein Vaterland brachte; dennoch schämte er sich nicht, anzudeuten, daß er geneigt sei, sich mit der römischen Kirche wieder auszusöhnen. Der König bot ihm bereitwilligst geistlichen Beistand an, sagte aber kein Wort von Begnadigung oder Aufschub. „Ich habe also keine Hoffnung?“ fragte Monmouth. Jakob wendete sich schweigend von ihm ab. Der Herzog raffte nun seinen ganzen Muth zusammen, erhob sich und verließ mit einer Festigkeit, die er seit seinem Sturze noch nicht gezeigt hatte, das Gemach. 109
Nach ihm wurde Grey eingeführt. Er benahm sich mit so edlem Anstande und solcher Fassung, daß selbst der finstre und rachsüchtige König davon ergriffen wurde, gestand seine Schuld offen ein, versuchte es nicht, sich zu entschuldigen, und ließ sich nicht ein einziges Mal herab, um sein Leben zu bitten. Beide Gefangene wurden zu Wasser in den Tower geschickt. Es gab keinen Tumult, aber viele Tausende suchten mit ängstlicher und betrübter Miene einen Blick auf die Gefangenen zu werfen. Den Herzog verließ seine Festigkeit wieder, sobald er dem Könige aus dem Gesicht war. Auf dem Wege in sein Gefängniß bejammerte er laut sein Geschick, klagte seine Anhänger an und bat in erniedrigender Weise Dartmouth um seine Verwendung. „Ich weiß, Mylord,“ sagte er zu ihm, „daß Sie meinen Vater liebten. Um seinetwillen und um Gotteswillen versuchen Sie es, Gnade für mich zu erwirken!“ Dartmouth antwortete ihm, der König habe die Wahrheit gesagt: ein Unterthan, der sich den Königstitel angemaßt, habe sich selbst jeder Hoffnung auf Gnade begeben. 110
Bald nach seiner Ankunft im Tower wurde Monmouth gemeldet, daß seine Gemahlin auf königlichen Befehl zu ihm gesandt sei, um ihn zu besuchen. Sie war begleitet vom Geheimsiegelbewahrer, Earl von Clarendon. Ihr Gemahl empfing sie sehr kalt und sprach fast nur mit Clarendon, den er dringend um seine Fürsprache bat. Der Earl machte ihm keine Hoffnung, und noch den nämlichen Abend kamen zwei Prälaten, Turner, Bischof von Ely, und Ken, Bischof von Bath und Wells, mit einer feierlichen Botschaft vom Könige in den Tower. Es war Montag Nacht. Am Mittwoch Morgen sollte Monmouth sterben.
Er war heftig erschüttert, alles Blut trat aus seinen Wangen, und es dauerte eine Weile, ehe er sprechen konnte. Den größten Theil der kurzen Zeit, die ihm noch vergönnt war, verschwendete er in nutzlosen Versuchen, wenn nicht Begnadigung, doch einen Aufschub zu erlangen. Er schrieb klägliche Briefe an den König und an mehrere Höflinge, aber vergebens. Von Seiten des Hofes wurden einige katholische Geistliche zu ihm gesandt, sie überzeugten sich jedoch bald, daß er zwar gern durch Abschwörung des Glaubens, als dessen Vertheidiger er sich ganz speciell erklärt V.70 hatte, sein Leben erkaufen würde, daß er aber, wenn er einmal sterben müßte, eben so gern ohne ihre Absolution als mit derselben sterben würde. 111
Ken und Turner waren mit seiner Gemüthsverfassung nicht viel zufriedener. Die Lehre von der Verwerflichkeit des Widerstandes war nach ihrer eigenen wie nach der Ansicht ihrer Berufsgenossen das unterscheidende Merkmal der anglikanischen Kirche. Die beiden Bischöfe drangen in Monmouth, er solle zugestehen, daß er durch seine bewaffnete Auflehnung gegen die Regierung eine große Sünde begangen habe; aber sie fanden ihn in diesem Punkte entschieden heterodox. Und dies war nicht seine einzige Ketzerei. Er behauptete, sein Verhältniß mit Lady Wentworth sei in den Augen Gottes tadellos. Er sei schon als Knabe vermählt worden und habe sich nie um die Herzogin gekümmert; er habe daher das Glück, das er in seiner Häuslichkeit nicht gefunden, in einer Reihenfolge lockerer Liebschaften gesucht, welche die Religion und die Moral verdammten. Henriette habe ihn seinem lasterhaften Lebenswandel entrissen, ihr sei er beständig treu geblieben. In gemeinschaftlichem Gebet hätten sie den Himmel um seine göttliche Leitung angefleht und nach solchem Gebet hätten sie ihre gegenseitige Zuneigung jedesmal stärker gefunden, so daß sie nicht länger hätten zweifeln können, daß ihre Verbindung in den Augen Gottes so gut wie eine gesetzliche Ehe sei. Die beiden Bischöfe waren so entrüstet über diese Auffassung des ehelichen Verhältnisses, daß sie sich weigerten, dem Gefangenen das Abendmahl zu reichen. Alles, was sie von ihm erlangen konnten, war das Versprechen, daß er in der letzten Nacht, die er noch zu leben hatte, den Himmel um Erleuchtung bitten wolle, wenn er im Irrthum sei.
Am Mittwoch Morgen kam auf sein besonderes Ansuchen Dr. Thomas Tenison, welcher damals Vikar zu St. Martin war und sich in diesem wichtigen Amte die hohe Achtung des Publikums erworben hatte, in den Tower. Der Herzog erwartete von Tenison, dessen gemäßigte Ansichten bekannt waren, mehr Nachsicht als Ken und Turner gegen ihn zu üben geneigt waren. Welcher Ansicht aber Tenison auch in Betreff des Nichtwiderstandes sein mochte, den letztem Aufstand hielt er für übereilt und strafbar, und Monmouth’s Begriff von der Ehe betrachtete er als einen höchst gefährlichen Irrwahn. Monmouth blieb jedoch hartnäckig bei seiner Meinung. Er habe Gott gebeten, daß er ihn erleuchten möge, sagte er; aber seine Ansichten seien unverändert geblieben, und er könne daher nicht zweifeln, daß es die richtigen seien. Tenison’s Ermahnungen waren indessen in einem milderen Tone gehalten als die der Bischöfe. Aber auch er war, gleich ihnen, der Meinung, daß er es nicht verantworten könne, wenn er einem Manne, dessen Bußfertigkeit so unbefriedigend sei, das Abendmahl reichte. 112
Die Stunde rückte immer näher heran, jede Hoffnung war geschwunden, und Monmouth’s kleinmüthige Angst hatte sich in gefühllose Verzweiflung verwandelt. Seine Kinder wurden in Begleitung ihrer Mutter bei ihm eingeführt, damit er Abschied von ihnen nehme. Er V.71 sprach freundlich, aber ohne Rührung mit seiner Gemahlin. Obgleich sie eine Frau von großer Seelenstärke war und wenig Ursache hatte, ihn zu lieben, so war ihr Schmerz doch so heftig, daß keiner der Umstehenden sich der Thränen enthalten konnte. Er allein blieb ungerührt. 113
109. Burnet I. 644 ; Evelyn’s Diary, July 15. ; Sir J. Bramston’s Memoirs ; Reresby’s Memoirs ; Jakob an den Prinzen von Oranien vom 14. Juli 1685; Barillon, 16.(26.) Juli; Buccleuch MS.
110. Jakob an den Prinzen von Oranien vom 14. Juli 1685; Holländische Depesche von dem nämlichen Datum; Luttrell’s Tagebuch; Dartmouth’s Anmerkung in Burnet I. 646.
111. Buccleuch MS. ; Clarke’s Life of James the Second, II. 37 ; Orig. Mem. ; Citters, 14.(24.) Juli 1685; Gazette de France, Aug. 1.(11.)
112. Buccleuch MS. ; Clarke’s Life of James the Second, II. 37. 38 ; Orig. Mem. ; Burnet, I. 645 ; Tenison’s Bericht in Kennet III. 432, Ausg. v. 1719.
113. Buccleuch MS.
Seine Hinrichtung. Es war zehn Uhr. Der Wagen des Gouverneurs vom Tower stand bereit. Monmouth bat seine geistlichen Beistände, daß sie ihn auf den Richtplatz begleiten möchten; sie willigten ein, sagten ihm aber, daß er, ihrer Überzeugung nach, dem Tode in einem gefährlichen Seelenzustande entgegengehe und daß es ihre Pflicht sei, bis zum letzten Augenblicke Ermahnungen an ihn zu richten. Als er durch die Reihen der Garden fuhr, begrüßte er sie mit einem Lächeln und bestieg mit festem Schritte das Schaffot. Tower Hill war bis zu den Spitzen der Schornsteine mit einer unzähligen Zuschauermenge bedeckt die in ehrerbietiger, nur durch Weinen und Schluchzen unterbrochener Stille den letzten Worten des Lieblings des Volkes lauschten. „Ich werde wenig sagen,“ hob er an. „Ich komme hierher, nicht um zu sprechen, sondern um zu sterben. Ich sterbe als Protestant der englischen Kirche.“ Die Bischöfe unterbrachen ihn, indem sie sagten, daß er kein Mitglied ihrer Kirche sei, wenn er nicht den Widerstand als sündhaft anerkenne. Er sprach nun von seiner Henriette. Sie sei eine tugendhafte und ehrenwerthe junge Dame, sagte er; er liebe sie bis zum letzten Augenblicke und könne nicht sterben, ohne seine Gefühle zu äußern. Die Bischöfe unterbrachen ihn abermals und baten ihn, keine solche Sprache zu führen. Es entspann sich ein kurzer Wortwechsel. Man hat den Geistlichen zu große Härte gegen den Sterbenden vorgeworfen; aber sie entledigten sich nur einer ihrer Überzeugung nach heiligen Pflicht. Monmouth kannte ihre Grundsätze, und wenn er ihre lästige Zusprache nicht wünschte, so hätte er ihre Begleitung ablehnen sollen. Ihre gewöhnlichen Argumente für die Verwerflichkeit des Widerstandes äußerten keine Wirkung auf ihn. Als sie ihn aber an das Unglück erinnerten, das er über seine wackeren und ihn liebenden Anhänger gebracht, an das vergossene Blut und an die vielen Seelen, welche unvorbereitet vor den höchsten Richterstuhl gesandt worden, da ward er tief ergriffen und sagte mit sanfter Stimme: „Ja, ich gestehe es, es thut mir leid, daß es geschehen ist.“ Sie beteten hierauf lange und inbrünstig mit ihm, und er stimmte in ihre Gebete ein, bis sie für den König des Himmels Segen erflehten. Hier schwieg er. „Betet Ihr nicht mit uns für den König, Sir?“ fragte einer der Umstehenden. Monmouth schwieg noch eine Weile und nach einem heftigen inneren Kampfe sagte er: „Amen“. Vergebens aber forderten die Prälaten ihn auf, an die Soldaten und das versammelte Volk einige Worte über die Pflicht des Gehorsams gegen die Regierung zu richten. „Ich will keine Rede halten,“ rief er aus; „nur zehn Worte, Mylord.“ Er wendete sich um, rief seinen Diener und händigte ihm eine Zahnstocherbüchse ein, das letzte Unterpfand einer unglücklichen Liebe. „Dies gieb jener Person,“ sagte er zu ihm. Hierauf wendete er sich zu Johann Ketch, dem Scharfrichter, einem Elenden, der schon manch muthiges und edles Opfer hingeschlachtet und dessen Namen das Volk noch ein und ein halbes Jahrhundert lang Allen, die ihm in seinem widerlichen Amte folgten, V.72 beilegte 114 . „Hier,“ sagte der Herzog, „sind sechs Guineen für Euch. Aber hackt mich nicht, wie Ihr es bei Lord Russel gethan habt. Ich habe gehört, daß Ihr drei- oder viermal nach ihm schluget. Mein Diener soll Euch noch etwas Geld geben, wenn Ihr Eure Sache gut macht.“ Er entkleidete sich sodann, untersuchte die Schneide des Beils, äußerte die Besorgniß, daß es wohl nicht scharf genug sei, und legte endlich das Haupt auf den Block. Währenddem riefen die Geistlichen beständig mit großem Eifer aus: „Gott nehme Eure Reue an! Gott nehme Eure unvollkommene Reue an!“
Der Henker schickte sich an, sein Geschäft zu verrichten; aber die Worte des Herzogs hatten ihn aus der Fassung gebracht. Der erste Hieb brachte ihm nur eine leichte Wunde bei. Der Herzog erhob sich schwankend von dem Blocke und sah den Scharfrichter vorwurfsvoll an. Dann ließ er das Haupt wieder auf den Block sinken. Der Scharfrichter schlug noch einmal und noch einmal; aber noch war der Kopf nicht vom Rumpfe getrennt, der sich aufs neue bewegte. Ein Geschrei des Entsetzens und des Unwillens erhob sich unter der Menge. Mit einem Fluche warf Ketch das Beil zu Boden. „Ich kann es nicht thun“, sagte er, „das Herz bricht mir!“ — „Hebe das Beil auf, Mensch!“ rief der Sheriff. „Werft ihn über das Geländer!“ brüllte der Pöbel. Endlich wurde das Beil wieder aufgehoben und zwei neue Schläge verlöschten den letzten Lebensfunken; aber der Kopf mußte noch mit einem Messer vollends von den Schultern getrennt werden. Das Volk war so außer sich vor Wuth, daß der Scharfrichter in Gefahr war, in Stücke zerrissen zu werden und daß er unter starker Bedeckung abgeführt werden mußte 115 .
Inzwischen wurden viele Tücher in das Blut des Herzogs getaucht, denn ein großer Theil der Menge betrachtete ihn als einen Märtyrer, der für den protestantischen Glauben gestorben war. Kopf und Rumpf wurden in einen mit schwarzen Sammet bedeckten Sarg gelegt und in aller Stille unter dem Abendmahlstische der St. Peterskapelle im Tower beigesetzt. Vier Jahre später wurden die Steinplatten des Altarplatzes wieder aufgehoben und dicht neben Monmouth’s Hülle die Überreste Jeffreys’ gelegt. Es giebt in Wahrheit keine traurigere Grabstätte in der Welt als dieser kleine Platz. Die dort liegenden Todten erinnern nicht, wie in der Westminsterabtei und in der Paulskirche, an Genie und Tugend, nicht, wie in unseren bescheidensten Kirchen und Gottesäckern, an Alles, was der gesellschaftlichen und häuslichen Liebe am theuersten ist, sondern an die dunkelsten Seiten des menschlichen Characters und Schicksals, an den wilden Triumph unerbittlicher Feinde, an die Unbeständigkeit, Undankbarkeit und Feigheit treuloser Freunde, an all’ das Elend gefallener V.73 Größe und verblichenen Glanzes. Dorthin wurden Jahrhunderte hindurch auf den Schultern rauher Kerkerknechte, ohne Trauergeleite, die blutenden Überreste von Männern getragen, welche Befehlshaber von Armeen, Führer von Parteien, Orakel von Senaten und Zierden souverainer Höfe gewesen waren. Dorthin wurde, unter dem Fenster vorüber, an welchem Johanna Grey betete, der zerrissene Leichnam Guildford Dudley’s getragen. Dort ruht Eduard Seymour, Herzog von Somerset und Protector des Reiches, an der Seite des Bruders, den er ermordet. Dort modert der kopflose Rumpf Johann Fisher’s, Bischofs von Rochester und Cardinals von St. Vitalis, eines Mannes; der zu einer besseren Zeit zu leben und für eine bessere Sache zu sterben verdient hätte. Dort liegen Johann Dudley, Herzog von Northumberland und Lordgroßadmiral, und Thomas Cromwell, Earl von Essex und Lordoberschatzmeister. Dort liegt auch noch ein andrer Essex, an den die Natur und das Glück ihre herrlichsten Gaben umsonst verschwendet hatten, den Tapferkeit, Anmuth, Genie, königliche Gunst und Beifall des Volks zu einem frühzeitigen und schmachvollen Untergange führten. Nicht weit davon ruhen zwei Oberhäupter des großen Hauses Howard, Thomas, vierter Herzog von Norfolk, und Philipp, elfter Earl von Arundel. Zwischen den zahlreichen Gräbern unruhiger und ehrgeiziger Staatsmänner zerstreut schlummern daselbst auch zartere Dulder: Margarethe von Salisbury, die letzte des stolzen Namens Plantagenet, und die beiden schönen Königinnen, welche Heinrich’s eifersüchtiger Wuth zum Opfer fielen. Mit solchem Staub ward Monmouth’s Staub vermischt. 116
Noch wenige Monate, und das friedliche Dorf Toddington in Bedfordshire sah ein noch erschütternderes Leichenbegängniß. Unweit dieses Dorfes stand ein altes, stattliches Schloß, der Stammsitz der Wentworth. Das Querschiff der Pfarrkirche war seit langer Zeit ihr Begräbnißplatz. In dieser Grabstätte ward im ersten Frühling nach Monmouth’s Tode der Sarg der jungen Baronesse Wentworth von Nettlestede getragen. Ihre Familie ließ ihr ein prächtiges Mausoleum errichten; aber ein viel einfacheres Erinnerungszeichen an sie wurde lange mit weit größerer Theilnahme betrachtet. Ihr Name, von der Hand des Mannes eingeschnitten, den sie nur zu sehr liebte, war noch mehrere Jahre nachher an einem Baume des anstoßenden Parkes zu erkennen.
114. Der Name Ketch’s wurde in den Spottgedichten jener Zeit oft mit dem Namen Jeffreys’ in Verbindung gebracht:
„Jeffreys sitzt auf der Bank, Ketch auf dem Galgen,“
sagt ein Dichter. Das Jahr darauf nach Monmouth’s Hinrichtung wurde Ketch seines Amtes entsetzt, weil er einen der Sheriffs beleidigt hatte, und ihm folgte ein Metzger, Namens Rose. Aber schon nach vier Monaten wurde Rose selbst in Tyburn gehängt und Ketch wieder in seine Stelle eingesetzt. Luttrell’s Diary, Jan. 20. & May 28. 1686. Siehe auch eine interessante Note von Dr. Grey im Hudibras, Th. II. Ges. 2, Zeile 1534.
115. Bericht über die Hinrichtung Monmouth’s, unterzeichnet von den Geistlichen, die ihn begleiteten. Buccleuch MS. ; Burnet, I. 646 ; Citters, 17.(27.) Juli 1685; Luttrell’s Diary ; Evelyn’s Diary, July 15 ; Barillon, 19.(29.) Juli.
116. Ich kann nicht umhin, hier meine Entrüstung über die barbarische Thorheit auszusprechen, welche diese höchst interessante Kirche in ein Gebäude verwandelt hat, das dem Versammlungshause in einer Fabrikstadt ähnlich sieht.
Wie das niedere Volk sein Andenken ehrte. Lady Wentworth war nicht die Einzige, die das Andenken des Herzogs mit abgöttischer Liebe ehrte. Er lebte fort in den Herzen des Volks, bis das Geschlecht, das ihn gesehen hatte, verschwunden war. Bänder, Schnallen und andere geringfügige Kleinigkeiten, die er an sich getragen, wurden von Denen, welche bei Sedgemoor unter ihm gefochten hatten, wie kostbare Reliquien aufbewahrt. Alte Leute, die ihn lange überlebten, sprachen in ihrer Sterbestunde den Wunsch aus, daß man ihnen diese Kleinigkeiten mit in’s Grab geben möchte. Ein Knopf von Goldlahn, der mit Mühe diesem Schicksale entging, ist noch in einem Hause zu sehen, von welchem aus man das Schlachtfeld überblickt. Das Volk hing mit einer solchen Zärtlichkeit an seinem unglücklichen Lieblinge, daß trotz der augenfälligsten V.74 Beweise, die seinen Tod betätigten, Viele noch immer die Hoffnung hegten, daß er lebe und bald wieder bewaffnet erscheinen werde. Es hieß, ein Mann, der dem Herzoge auffallend ähnlich sähe, habe sich selbst aufgeopfert, um den Helden des Protestantismus zu retten. Bei jeder politischen Krisis von einiger Wichtigkeit flüsterte das gemeine Volk sich zu, die Zeit sei nahe und König Monmouth werde sich bald zeigen. Im Jahre 1686 wurde ein Betrüger, der sich für den Herzog ausgegeben und in verschiedenen Dörfern von Wiltshire Gelder eingesammelt hatte, eingefangen und von Newgate nach Tyburn gepeitscht. Im Jahre 1698, nachdem England schon lange unter einem neuen Herrscherstamme constitutionelle Freiheit genoß, gab sich der Sohn eines Gastwirths bei den Freisassen von Sussex für ihren geliebten Monmouth aus und täuschte Viele, die keineswegs der untersten Klasse angehörten. Es wurden fünfhundert Pfund Sterling für ihn gesammelt, die Pächter schenkten ihm ein Pferd, ihre Frauen schickten ihm ganze Körbe voll Hühner und Enten und man sagte sogar, daß sie auch zärtlichere Gunstbezeigungen an ihn verschwendeten, denn im Punkte der Galanterie wenigstens war der Doppelgänger ein nicht unwürdiger Repräsentant des Originals. Als dieser Mensch wegen seines Betrugs in’s Gefängniß geworfen wurde, verschafften ihm seine Anhänger dort alle möglichen Genüsse. Viele erschienen bei den Sitzungen der Assisen von Horsham, um ihn durch ihre Anwesenheit zu ermuthigen. Die Täuschung währte noch immer fort als Georg III. bereits drei Jahre auf dem Throne saß, bis Voltaire es endlich für nöthig hielt, allen Ernstes die Muthmaßung zu entkräften, daß der Mann mit der eisernen Maske der Herzog von Monmouth sei. 117
Es dürfte keine minder auffallende Thatsache sein, daß bis auf den heutigen Tag die Bewohner einiger westlichen Provinzen Englands, sobald irgend eine ihre Interessen berührende Bill im Hause der Lords zur Verlesung kommt, sich für berechtigt hielten, auf die Unterstützung des Herzogs von Buccleuch, eines Nachkommen des unglücklichen Oberhauptes, für den ihre Vorfahren bluteten, Anspruch zu machen.
Die Geschichte Monmouth’s würde allein genügen, um den Vorwurf der Unbeständigkeit zu widerlegen, der dem gemeinen Volke so oft gemacht wird. Allerdings ist das niedere Volk zuweilen unbeständig, weil es eben Menschen sind; daß es aber unbeständig sei im Vergleich zu den höheren Klassen, zu dem Adel und zu den Fürsten, muß entschieden geleugnet werden. Man könnte leicht Demagogen namhaft machen, deren Popularität sich nicht vermindert hat, während Souveraine und Parlamente einer langen Reihe von Staatsmännern ihr Vertrauen entzogen haben. Als Swift’s Geisteskräfte sich schon viele Jahre überlebt hatten, fuhr das irische Volk noch immer fort, an seinem Geburtstage Freudenfeuer anzuzünden, zur Erinnerung an die Dienste, die er, wie sie glaubten, dem Vaterlande zu der Zeit geleistet hatte, da sein Geist noch in voller Kraft war. Während sieben Ministerien zur Macht erhoben und in Folge von Hofintriguen oder Gesinnungsveränderungen der höheren V.75 Klassen der Gesellschaft wieder vertrieben wurden, behauptete der verworfene Wilkie seine Herrschaft über einen Pöbel, den er brandschatzte und verhöhnte. Politiker, welche 1807 sich bei Georg III. in Gunst zu setzen suchten, indem sie Karolinen von Braunschweig vertheidigten, schämten sich nicht, dreizehn Jahre später die nämliche Fürstin zu verfolgen, um sich bei Georg IV. einzuschmeicheln. Die ganze Masse der arbeitenden Klassen aber war im Jahre 1820 noch eben so für sie begeistert wie 1807. So war es auch mit Monmouth. Im Jahre 1680 war er in gleichem Maße von der Gentry wie von dem Landvolke des Westens verehrt worden, und als er im Jahre 1685 wieder erschien, war er für die Gentry ein Gegenstand der Abneigung geworden, während das Landvolk ihm noch immer mit einer den Tod nicht scheuenden Liebe zugethan war, mit einer Liebe, die weder Mißgeschick und Fehler, noch die Flucht von Sedgemoor, noch der Brief von Ringwood, noch die Thränen und schmachvollen Bitten in Whitehall zu ersticken vermochten. Nicht Unbeständigkeit ist es, was man dem niederen Volke zum Vorwurf machen kann, sondern nur, daß es in der Wahl seiner Lieblinge fast stets so unglücklich ist, daß seine Beständigkeit ein Fehler und keine Tugend wird.
117. Observator, Aug. 1. 1685 ; Gazette de France, Nov. 2. 1686 ; Brief von Humphrey Wanley vom 25. Aug. 1698 in der Aubrey’schen Sammlung; Voltaire, Dict. Phil. In der Pepys’schen Sammlung befinden sich mehrere nach Monmouth’s Tode geschriebene Balladen, in denen er als noch lebend dargestellt und seine baldige Rückkehr prophezeit wird.
Grausamkeiten der Soldaten im Westen. Während Monmouth’s Hinrichtung die Gemüther der Londoner beschäftigte, mußten die Grafschaften, die sich gegen die Regierung erhoben hatten, alle Unbilden ertragen, die eine zügellose Soldateska nur ersinnen kann. Feversham war an den Hof eingeladen worden, wo ihn Ehren und Gunstbezeigungen erwarteten, die er wenig verdiente. Er wurde zum Ritter des Hosenbandordens ernannt und erhielt den Befehlshaberposten über die erste und am besten besoldete Abtheilung der Leibgarde; aber Hof und Stadt lachte über seine militairischen Heldenthaten und Buckingham’s Witz sprühte seine letzten schwachen Funken gegen den General aus, der im Bett eine Schlacht gewonnen hatte. 118
118. London Gazette, Aug. 3. 1685 ; The Battle of Sedgemoor, a Farce.
Kirke. Feversham übertrug das Commando in Bridgewater dem Obersten Percy Kirke, einem Abenteurer, dessen Laster in der schlechtesten aller militairischen Schulen, in Tanger, entwickelt worden waren. Kirke hatte einige Jahre hindurch die Besatzung dieser Stadt commandirt und war beständig in Feindseligkeiten mit fremden Barbarenstämmen verwickelt gewesen, welche die Regeln und Gesetze der Kriegführung gebildeter und christlicher Nationen nicht kannten. Innerhalb der Mauern seiner Festung war er ein despotischer Fürst und seine Tyrannei wurde nur durch die Furcht, von der entfernten und sorglosen Regierung zur Verantwortung gezogen zu werden, einigermaßen in Schranken gehalten. Er konnte sich daher ohne Gefahr die frechsten Ausschweifungen der Raubgier, der Sittenlosigkeit und der Grausamkeit erlauben. Er lebte in zügelloser Üppigkeit und Verschwendung und verschaffte sich durch Erpressungen die Mittel, um seinen Lüsten zu fröhnen. Keine Waaren konnten verkauft werden, ohne daß Kirke das Vorkaufsrecht geltend machte, keine Rechtsfrage konnte entschieden werden, bevor Kirke bestochen war. Einst ließ er aus bloßer übermüthiger Laune im Keller eines Weinhändlers alten Fässern den Boden einschlagen; ein andermal vertrieb er alle Juden aus Tanger und überlieferte zwei von ihnen der spanischen Inquisition, die sie ohne weiteres verbrannte. Und unter dieser eisernen Herrschaft ward V.76 kaum eine Klage laut, da der Haß durch die Furcht wirksam niedergehalten wurde. Zwei Personen, die sich widersetzlich gezeigt hatten, wurden ermordet gefunden, und man war allgemein der Überzeugung, daß sie auf Kirke’s Befehl umgebracht worden waren. Wenn er mit seinen Soldaten nicht zufrieden war, peitschte er sie mit schonungsloser Strenge, entschädigte sie aber wieder dafür, indem er ihnen erlaubte, auf der Wache zu schlafen, betrunken durch die Straßen zu taumeln und Kaufleute und Handwerker auszuplündern, zu prügeln und auf jede Weise zu quälen.
Als Tanger aufgegeben wurde, kehrte Kirke nach England zurück. Er behielt das Commando über seine bisherigen Soldaten, welche zuweilen als das erste Regiment von Tanger, zuweilen auch als das Regiment der Königin Katharine bezeichnet wurden. Da diese Mannschaft zu dem Zwecke ausgehoben war, um gegen eine ungläubige Nation Krieg zu führen, so hatte sie ein christliches Emblem, das Osterlamm, auf ihrer Fahne. In Anspielung auf dieses Zeichen und in einem bitter ironischen Sinne wurden diese Leute, die rohesten und wildesten Soldaten der englischen Armee, Kirke’s Lämmer genannt. Das gegenwärtige zweite Linienregiment führt noch heute dieses alte Fahnenzeichen, das aber durch ehrenvolle, in Ägypten, Spanien und Asien verdiente Dekorationen in den Schatten gestellt worden ist. 119
Ein solcher Befehlshaber und solche Soldaten waren jetzt gegen die Bevölkerung von Somersetshire losgelassen. Von Bridgewater marschirte Kirke nach Taunton. Zwei Karren mit verwundeten Rebellen, deren Wunden nicht verbunden waren, und ein langer Zug von Gefangenen, welche paarweis zusammengefesselt zu Fuß gingen, begleiteten ihn. Sogleich nach seiner Ankunft in Taunton ließ er mehrere von diesen ohne jede gerichtliche Formalität hängen; sie durften nicht einmal von ihren nächsten Verwandten Abschied nehmen. Der Pfahl, an welchem das Schild des Gasthofes „zum weißen Hirsche“ hing, diente als Galgen. Die schauerliche Execution soll unter den Fenstern des Zimmers stattgefunden haben, in welchem die Offiziere des Tanger’schen Regiments zechten, und bei jedem Toaste soll ein Unglücklicher aufgeknüpft worden sein. Während die Beine des Verscheidenden im letzten Todeskampfe zuckten, ließ der Oberst die Trommeln rühren; er sagte, er wolle den Rebellen zu ihrem Tanze Musik machen. Die Sage erzählt, daß einem der Gefangenen nicht einmal die Vergünstigung eines schnellen Todes zu Theil wurde; zweimal wurde er emporgezogen und zweimal wieder abgeschnitten; zweimal ward er gefragt, ob er seinen Verrath bereue, und zweimal antwortete er, wenn es noch einmal losginge, werde er das Nämliche thun. Dann wurde er endlich zum letzten Male aufgeknüpft. Es wurden so viele Leichname geviertheilt, daß der Henker bis an die Knöchel im Blute stand. Zur Beihülfe hatte er einen armen Mann, dessen Loyalität verdächtig war und der sein Leben dadurch loskaufen mußte, daß er die Überreste seiner Freunde in Pech sott. Dieser Mann, der sich zu einer so grauenvollen Arbeit hergegeben hatte, kehrte nachher zu seinem Pfluge zurück. Aber er behielt für seine Lebenszeit ein Kainszeichen, indem er von Stund an im ganzen Dorfe Tom Boilman (Siedemann) genannt wurde. Die Landleute der dortigen Gegend erzählten sich noch lange nachher, daß er sich V.77 durch seine sündliche und schändliche That zwar vor der Rache der „Lämmer“ schützte, aber der Rache einer höheren Gewalt nicht entging. Bei einem starken Gewitter trat er unter eine Eiche und wurde vom Blitze erschlagen. 120
Die Anzahl der Menschen, welche auf solche Art hingeschlachtet wurden, läßt sich jetzt nicht mehr ermitteln; neun wurden in die Kirchenregister von Taunton eingetragen, aber diese Register enthalten nur die Namen Derer, welche ein christliches Begräbniß erhielten. Die Zahl Derjenigen, die in Ketten gehängt oder deren Köpfe und Glieder in die umliegenden Dörfer geschickt wurden, muß viel bedeutender gewesen sein. In London glaubte man damals, daß Kirke in der Woche nach der Schlacht hundert Gefangene hinrichten ließ. 121
Die Grausamkeit war indessen nicht die einzige Leidenschaft dieses Mannes; er liebte das Geld und war kein Neuling in Erpressungskünsten. Ein sicheres Geleit mußte man ihm mit dreißig bis vierzig Pfund Sterling bezahlen, und wenn ein solcher Geleitsbrief auch keine gesetzliche Gültigkeit hatte, so setzte er den Inhaber wenigstens in den Stand, die Posten der „Lämmer“ ungehindert zu passiren und einen Seehafen zu erreichen, um ins Ausland entfliehen zu können. Die nach Neuengland bestimmten Schiffe waren zu jener Zeit so mit Flüchtlingen von Sedgemoor angefüllt, daß sie Gefahr liefen, mit ihren Wasser- und Lebensmittelvorräthen nicht auszureichen. 122
Außerdem war Kirke auch in der ihm eigenen rohen und wilden Art ein Freund der sinnlichen Genüsse, und es ist sehr wahrscheinlich, daß er seine Macht zur Befriedigung seiner zügellosen Begierden anwendete. Man erzählte sich, daß er die Tugend eines schönen Mädchens durch das Versprechen besiegte, das Leben eines Mannes schonen zu wollen, an dem sie mit zärtlicher Liebe hing, daß er aber, nachdem sie sich ihm hingegeben, ihr die leblose Hülle Dessen, dem sie ihre Ehre geopfert hatte, am Galgen hängend zeigte. Diese Erzählung kann ein unparteiischer Richter nicht glauben, und sie wird auch durch keine Beweise unterstützt. Die früheste Autorität dafür ist ein Gedicht von Pomfret. Die glaubwürdigen Geschichtschreiber jener Zeit erwähnen bei der Schilderung der Greuelthaten Kirke’s dieses scheußliche Verbrechen entweder gar nicht, oder doch nur als unverbürgtes Gerücht, und Diejenigen, welche die Geschichte ausführlich erzählen, erzählen sie so verschiedenartig, daß sie dadurch allen Anspruch auf Glaubwürdigkeit verliert. Nach Einigen soll sie in Taunton, nach Anderen in Exeter geschehen sein; nach Einigen war die Heldin der Geschichte ein junges Mädchen, nach Anderen eine verheirathete Frau, und der Verwandte, dem sie das entehrende Opfer brachte, wird von Einigen als ihr Vater, von Anderen als ihr Bruder, von noch Anderen als ihr Gatte bezeichnet. Endlich ist die Anekdote schon ehe Kirke geboren war, vielen anderen Unterdrückern zugeschrieben und ein Lieblingsthema für Romanschreiber und Schauspieldichter geworden. Zwei Staatsmänner des fünfzehnten Jahrhunderts, Rhynsault, der Günstling Karl’s des Kühnen von Burgund, und Olivier le Dain, der Günstling Ludwig’s XI. von V.78 Frankreich, werden des nämlichen Verbrechens beschuldigt. Cintio hat einen Roman daraus gemacht, Whetstone hat Cintio’s Roman als Stoff für das rohe Schauspiel „Promos und Cassandra“ benutzt, und Shakespeare hat die Intrigue der herrlichen Tragikomödie „Maß für Maß“ von Whetstone entlehnt. Wie Kirke nicht der Erste war, so war er auch nicht der Letzte, dem das Volk diese haarsträubende Schändlichkeit zur Last legt. Während der Reaction, welche auf die Schreckensherrschaft der Jakobiner in Frankreich folgte, wurde eine ganz ähnliche Beschuldigung gegen Joseph Lebon, eines der abscheulichsten Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, erhoben; nach erfolgter Untersuchung aber gestanden selbst seine Ankläger zu, daß sie ungegründet sei. 123
Die Regierung war mit Kirke unzufrieden, nicht wegen seiner barbarischen Behandlung unbemittelter Gefangenen, sondern wegen der uneigennützigen Milde, die er gegen reiche Delinquenten übte. 124 Er wurde daher bald aus dem Westen zurückberufen und eine regelmäßigere und zugleich grausamere Metzelei veranstaltet. Die Rache ward um einige Wochen aufgeschoben, denn man hielt es für wünschenswerth, die Assisen im Westen nicht eher beginnen zu lassen, bis die anderen beendigt waren. Mittlerweile füllten sich die Gefängnisse von Somersetshire und Dorsetshire mit Tausenden von Gefangenen. Der hauptsächlichste Freund und Beschützer dieser Unglücklichen in ihrer Bedrängniß war ein Mann, der ihre religiösen und politischen Ansichten verabscheute, dessen Stand sie haßten und dem sie ohne Veranlassung von seiner Seite Böses zugefügt hatten, der Bischof Ken. Dieser menschenfreundliche Prälat bot seinen ganzen Einfluß auf, um die Kerkermeister zur Milde zu stimmen und beschränkte seinen bischöflichen Aufwand, damit er im Stande war, die schlechte und dürftige Kost der Unglücklichen, die seine geliebte Kathedrale entweiht hatten, einigermaßen zu verbessern. Sein Benehmen bei dieser Gelegenheit entsprach seinem ganzen Lebenswandel. Allerdings war sein Verstand durch manchen Aberglauben und manche Vorurtheile verdunkelt, sein sittlicher Character aber hält bei unparteiischer Betrachtung einen Vergleich mit jeder Persönlichkeit der Kirchengeschichte aus und kommt der idealen Vollkommenheit der christlichen Tugend so nahe, als menschliche Schwäche es immer gestattet. 125
119. Pepys’s Diary, kept at Tangier ; Historical Records of The Second or Queen’s Royal Regiment of Foot.
120. Bloody Assizes ; Burnet, I. 647 ; Luttrell’s Diary, July 15. 1685 ; Locke’s Western Rebellion ; Toulmin’s History of Taunton, edited by Savage.
121. Luttrell’s Diary, July 15. 1685 ; Toulmin’s History of Taunton.
122. Oldmixon, 705 ; Life and Errors of John Danton, chap. VII.
123. Das Stillschweigen Oldmixon’s und der Herausgeber der Western Martyrologie entscheidet meiner Ansicht nach allein schon die Frage. Außerdem verdient bemerkt zu werden, daß die Geschichte von Rhynsault in Nr. 491 des „Spectator“ von Steele erzählt wird. Es ist gewiß kaum anzunehmen, daß wenn eine dem Verbrechen Rhynsault’s so ähnlich sehende Schandthat innerhalb Menschengedenkens von einem Offiziere Jakob’s II. in England verübt worden wäre, Steele, ein sehr vorlauter und ostensibler Whig, davon gesprochen haben sollte. In Betreff Lebon’s siehe den Moniteur vom 4. Messidor des Jahres III.
124. Sunderland an Kirke vom 14. & 28. Juli 1685. „Seine Majestät“, sagte Sunderland, „beauftragt mich, Ihnen sein Mißfallen an diesem Verfahren auszudrücken und befiehlt Ihnen, darauf bedacht zu sein, daß keine bei der Rebellion betheiligte Person übergangen wird.“ Um gerecht zu sein, muß hinzugefügt werden, daß Kirke in dem nämlichen Schreiben getadelt wird, weil er seinen Soldaten erlaube, sich umsonst einzuquartieren.
125. Es würde mich freuen, wenn ich der im Volke verbreiteten Erzählung Glauben schenken könnte, daß Ken unmittelbar nach der Schlacht von Sedgemoor die Befehlshaber der königlichen Armee auf die Ungesetzlichkeit militairischer Hinrichtungen aufmerksam machte. Wäre er zugegen gewesen, so würde er ohne Zweifel seinen ganzen Einfluß zu Gunsten des Rechts und der Nachsicht geltend gemacht haben; aber es giebt keinen glaubwürdigen Beweis dafür, daß er damals überhaupt im Westen war. Aus den Protokollen des Hauses der Lords geht hervor, daß er sich am Donnerstag vor der Schlacht in Westminster befand. Eben so gewiß ist es, daß er am Montag nach der Schlacht Monmouth im Tower besuchte.
Jeffreys reist zu den westlichen Assisen ab. Sein Liebeswerk war jedoch nicht von langer Dauer; eine schnelle und wirksame Entleerung der Gefängnisse stand nahe bevor. Anfangs September trat Jeffreys in Begleitung von vier anderen Richtern die Assisen-Rundreise an, deren Andenken so lange unter uns fortleben wird, als unsre Nation und unsre Sprache existiren. Die commandirenden Offiziere in den Bezirken, durch die sein Weg ihn führte, waren angewiesen, ihm jeden militairischen Beistand zu leisten, den er verlangte. Obgleich sein hämischer Character keines Spornes bedurfte, so wurde doch ein solcher angewendet. Die Gesundheit und die Geisteskräfte des Lordsiegelbewahrers waren geschwächt. Die Kälte des Königs und der Übermuth des Lordoberrichters hatten ihn tief gekränkt, und der Rückblick auf seine Vergangenheit, die zwar mit keinem abscheulichen Verbrechen geschändet, aber doch durch Feigheit, Selbstsucht und Servilität befleckt war, konnte ihm nur geringen Trost gewähren. Der unglückliche Mann fühlte sich so tief gedemüthigt, daß er bei seinem letzten Erscheinen in Westminsterhall einen Blumenstrauß mitgebracht hatte, um sein Gesicht dahinter zu verbergen, weil er, wie er später gestand, die Blicke der Richter und der Zuhörer nicht ertragen konnte. Die Aussicht auf sein nahes Ende scheint ihn mit ungewöhnlichem Muthe erfüllt zu haben. Er beschloß, sein Herz zu erleichtern, bat den König um eine Audienz, sprach in ernstem Tone von den von heftigen und unwillkürlichen Rathschlüssen unzertrennlichen Gefahren, und tadelte auf das Entschiedenste die gesetzwidrigen Grausamkeiten, welche die Soldaten in Somersetshire verübt hatten. Bald darauf verließ er London und starb. Er verschied wenige Tage nach der Abreise der Richter nach dem Westen. Sofort wurde Jeffreys gemeldet, daß er als Lohn für treue und energische Dienste das große Siegel erwarten dürfe. 126
126. North’s Life of Guildford , 260. 263. 273; Mackintosh’s View of the Reign of James the Second, p. 16, note ; Brief von Jeffreys an Sunderland vom 5. Sept. 1685.
Prozeß der Alice Lisle. In Winchester öffnete der Oberrichter zum ersten Male seine richterlichen Vollmachten. Hampshire war zwar nicht der Kriegsschauplatz gewesen, aber viele von den besiegten Rebellen hatten sich, wie ihr Oberhaupt, dahin geflüchtet. Zwei von ihnen, Johann Hickes, ein nonconformistischer Geistlicher, und Richard Nelthorpe, ein wegen seiner Betheiligung an dem Ryehousecomplot geächteter Advokat, hatten in dem Hause einer gewissen Alice Lisle, der Wittwe Johann Lisle’s, eine Zufluchtsstätte gefunden. Johann Lisle war Mitglied des Langen Parlaments und des Hohen Gerichtshofes, in den Tagen der Republik Commissar für das Große Siegel gewesen und war von Cromwell zum Lord erhoben worden. Die von dem Protector verliehenen Titel waren von keiner seit dem Sturze seines Hauses ans Ruder gekommenen Regierung anerkannt worden, wenn sie auch, selbst von Roylisten, im gewöhnlichen Gespräch angewendet wurden. Die Wittwe Johann Lisle’s wurde daher fast allgemein Lady Alice genannt. Sie war mit mehreren angesehenen und sogar mit einigen adeligen Familien verwandt und genoß einer allgemeinen Achtung, selbst bei den toryistischen Gentlemen ihrer V.80 Grafschaft, denn es war ihnen wohlbekannt, daß sie manche Gewaltthätigkeiten, an denen ihr Gatte Theil genommen, schmerzlich bedauerte, daß sie um Karl I. bittere Thränen vergossen und viele Kavaliere in ihrer Noth unterstützt und getröstet hatte. Die nämliche weibliche Herzensgüte, die sie früher bewogen hatte, sich bedrängter Royalisten anzunehmen, gestattete ihr nicht, auch den Unglücklichen, die sie jetzt um Schutz baten, ein Mahl und eine Freistätte zu verweigern. Sie nahm sie in ihr Haus auf, reichte ihnen Speise und Trank und gewährte ihnen ein Nachtlager. Am nächsten Morgen war ihre Wohnung von Soldaten umstellt, es wurde strenge Haussuchung vorgenommen und Hickes im Malzhause, Nelthorpe im Kamin versteckt gefunden. Wenn Lady Alice wußte, daß ihre Gäste an dem Aufstande Theil genommen hatten, so war sie allerdings im strengen Sinne eines Kapitalverbrechens schuldig, denn das Gesetz über die Hauptschuld und Mitschuld beim Hochverrath war damals und ist heute noch in einem der englischen Jurisprudenz nicht zur Ehre gereichendem Zustande. In Fällen der Felonie wird nach vollbrachter That ein auf Recht und Vernunft begründeter Unterschied zwischen dem Hauptverbrecher und dem Mitschuldigen gemacht. Wer Jemanden, den er als Mörder kennt, vor der Justiz verbirgt, ist zwar straffällig, hat aber nicht die auf einen Mord gesetzte Strafe verwirkt; Derjenige aber, der Jemanden bei sich aufnimmt, den er als Hochverräther kennt, ist nach allen unseren Juristen des Hochverraths schuldig. Es ist überflüssig, die Ungereimtheit und Grausamkeit eines Gesetzes nachzuweisen, welches Vergehen, die an den entgegengesetzten Endpunkten der Stufenleiter der Strafbarkeit liegen, unter der nämlichen Definition begreift und mit der nämlichen Strafe belegt. Das Gefühl, welches auch den loyalsten Unterthan es nicht über sich gewinnen läßt, den besiegten und halb todt gehetzten Rebellen, der ihn um ein Stück Brod und um einen Trunk Wasser bittet, einem schimpflichen Tode preiszugeben, mag eine Schwäche sein, aber gewiß ist es eine Schwäche, die mit der Tugend sehr nahe verwandt ist, eine Schwäche, die wir Menschen, wie wir nun einmal beschaffen sind, schwerlich aus dem Herzen reißen können, ohne zu gleicher Zeit viele andere edle und humane Gefühle zu ersticken. Ein weiser und guter Regent mag es nicht für recht halten, diese Schwäche zu sanctioniren; aber er wird sie in der Regel hingehen lassen, oder sie doch nur sehr mild bestrafen. In keinem Falle aber wird er sie als ein Verbrechen der schwärzesten Art betrachten. Ob Flora Macdonald recht daran that, daß sie den geächteten Erben der Stuart verbarg; ob ein wackerer Soldat unsrer Zeit recht daran that, daß er Lavalette bei seiner Flucht behülflich war, dies sind Fragen, über welche die Casuisten verschiedener Meinung sein können; solche Handlungen aber in eine Kategorie mit den Verbrechen eines Guy Faux oder Fieschi zu werfen, ist ein Frevel an der Humanität und an dem gesunden Menschenverstande. Gleichwohl sind sie in unsrem Gesetz so klassificirt. Es ist klar, daß ein solches Gesetz nur durch milde Ausführung desselben erträglich werden kann, und um gerecht zu sein, muß man sagen, daß seit vielen Menschenaltern keine englische Regierung, eine einzige ausgenommen, gegen Personen, die sich der bloßen Aufnahme geschlagener und flüchtiger Insurgenten schuldig gemacht, mit Strenge verfahren ist. Besonders den Frauen ist durch eine Art von stillschweigender Bewilligung das Recht zugestanden, inmitten der Zerstörung und Rache das Mitleid zu üben, welches die schönste Zierde ihres Characters ist. Seit dem Beginn des großen Bürgerkrieges sind V.81 eine Menge Rebellen, die zum Theil viel bedeutender waren als Hickes und Nelthorpe, durch weibliche Klugheit und Hochherzigkeit vor der Strenge siegreicher Regierungen geschützt worden. Aber kein auf diese Weise hintergangener englischer Regent, mit alleiniger Ausnahme des gefühllosen und unerbittlichen Jakob, ist so barbarisch gewesen, nur daran zu denken, eine Dame wegen eines so verzeihlichen und liebenswürdigen Vergehens einem schmerzvollen und schimpflichen Tode zu überantworten.
So gehässig das Gesetz an sich schon war, es wurde auf die Spitze getrieben, um Alice Lisle zu verderben. Sie konnte nach dem von der höchsten Autorität festgestellten Grundsatze erst nach erfolgter Überführung der Rebellen, die sie beherbergt hatte, überwiesen werden. 127 Dennoch wurde sie vor Gericht gestellt, ehe weder Hickes noch Nelthorpe nur verhört waren. Es war kein leichtes Ding, in einem solchen Falle ein Verdict im Sinne der Krone zu erlangen. Die Zeugen machten Ausflüchte und die Jury, welche aus den vornehmsten Gentlemen von Hampshire bestand, bebten zurück vor dem Gedanken, einen Nebenmenschen einer Handlung, die ihrer Ansicht nach eher Lob als Tadel verdiente, auf das Schaffot zu senden. Jeffreys war wüthend. Es war der erste Fall von Hochverrath auf seiner Rundreise und es hatte ganz den Anschein, als ob seine Beute ihm entschlüpfen würde. Er raste und fluchte und schwur in einer Sprache, der sich ein gebildeter Mann nicht bei einem Wettrennen oder bei einem Hahnenkampfe bedient haben würde. Ein Zeuge Namens Dunne verlor theils aus Mitleid mit Lady Alice, theils aus Angst vor den Drohungen und Verwünschungen des Oberrichters völlig den Kopf und antwortete gar nicht mehr. „Wie schwer es doch hält,“ sagte Jeffreys, „aus einem solchen lügenhaften presbyterianischen Schurken die Wahrheit heraus zu bekommen!“ Nach einer Pause stammelte der Zeuge einige unzusammenhängende Worte hervor. „Hat die Erde jemals einen solchen Buben getragen?“ rief der Oberrichter mit einem Fluche. „Glaubst Du, daß es einen Gott giebt? glaubst Du an das Feuer der Hölle? Noch nie in meinem Leben ist mir ein solcher Zeuge vorgekommen wie Du!“ Der arme Mann war ganz verdutzt und schwieg noch immer. „Ich hoffe, meine Herren Geschwornen,“ donnerte Jeffreys weiter, „daß Sie sich das verruchte Benehmen dieses Burschen merken werden. Ist es wohl anders möglich, als daß man diese Menschen und ihre Religion verabscheuen muß? Ein Türke ist ein Heiliger gegen einen solchen Buben, ein Heide würde sich solcher Schurkerei schämen. Altmächtiger Jesus, unter was für einem Otterngezücht leben wir doch!“ — „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Mylord,“ stammelte Dunne. Der Richter brach aufs neue in einen Strom von Flüchen und Verwünschungen aus. „Kann es wohl je einen frecheren Hallunken gegeben haben?“ brüllte er wieder. „Haltet ihm ein Licht vor, damit wir sein schamloses Gesicht sehen! Meine Herren Kronanwälte, Sie werden dafür sorgen, daß eine Anklage auf Meineid gegen diesen Schurken erhoben wird.“ Nach einer solchen Zeugenvernehmung wurde Lady Alice aufgefordert, sich zu vertheidigen. Sie begann mit der Versicherung, die auch wahr sein konnte, sie habe zwar gewußt, daß Hickes verfolgt werde, als sie ihn bei sich aufgenommen, aber weder gewußt noch geahnet, daß er bei dem Aufstande betheiligt gewesen sei. Er sei ein Geistlicher, ein Mann des Friedens, es sei ihr daher nicht V.82 entfernt in den Sinn gekommen, daß er gegen die Regierung die Waffen getragen haben könnte, und sie habe geglaubt, er wolle sich deshalb verbergen, weil wegen Feldpredigens Verhaftbefehle gegen ihn erlassen worden seien. Der Oberrichter begann aufs neue zu donnern: „Ich will’s Euch besser sagen. Es ist nicht einer unter diesen lügnerischen, näselnden, scheinheiligen Presbyterianern, der nicht auf eine oder die andre Art bei der Rebellion die Hand im Spiele gehabt hätte. Der Presbyterianismus vereinigt alle Schurkereien in sich, nur der Presbyterianismus hat Dunne zu einem solchen Schufte machen können. Ein Presbyterianer sein heißt soviel als ein lügenhafter Bube sein.“ In dem nämlichen Style faßte er das Resumé der Anklage zusammen, tobte noch eine Stunde lang gegen Whigs und Dissenters und gab der Jury zu bedenken, daß der Gatte der Gefangenen Antheil an der Ermordung Karl’s I. genommen habe, eine Beschuldigung, welche durch nichts bewiesen war und die, selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, mit der vorliegenden Sache gar nichts zu thun hatte. Die Geschwornen zogen sich zurück und blieben lange in Berathung. Der Richter wurde ungeduldig. Er könne nicht begreifen, sagte er, wie sie in einem so klaren Falle nur den Gerichtssaal hätten verlassen können. Er schickte ihnen einen Boten und ließ ihnen sagen, daß, wenn sie nicht augenblicklich zurückkämen, er die Sitzung aufheben und sie die ganze Nacht einschließen werde. So gedrängt, kamen sie zurück, aber nur um zu sagen, daß sie zweifelten, ob die Anklage begründet sei. Jeffreys machte ihnen die heftigsten Vorwürfe und nach einer nochmaligen kurzen Berathung sprachen sie mit Widerstreben das Schuldig aus.
Am folgenden Morgen wurde das Urtheil gefällt. Jeffreys sprach sich dahin aus, daß Alice Lisle noch denselben Nachmittag lebendig verbrannt werden sollte. Dieses Übermaß von Barbarei erregte das Mitleid und den Unwillen selbst derjenigen Klasse, die der Krone am ergebensten war. Die Geistlichen der Kathedrale von Winchester machten dem Oberrichter Vorstellungen und er wagte es bei all’ seiner Brutalität nicht, sich über einen solchen Gegenstand in einen Streit mit einer Körperschaft einzulassen, die bei der Torypartei in so hohem Ansehen stand. Er willigte ein, daß die Hinrichtung fünf Tage verschoben wurde. Während dieser Zeit boten die Freunde der Gefangenen Alles auf, um von Jakob ihre Begnadigung zu erwirken; sehr vornehme Damen verwendeten sich für sie, und auch Feversham, dessen letzter Sieg seinen Einfluß bei Hofe vergrößert hatte und der, wie man sagte, sich zum Mitleid hatte bestechen lassen, sprach zu ihren Gunsten. Sogar Clarendon, der Schwager des Königs, nahm sich ihrer Sache an. Aber es war Alles vergebens. Das Höchste, was man erlangen konnte, war die Umwandlung des Feuertodes in Enthauptung. Auf einem auf dem Marktplatze zu Winchester errichteten Schaffot wurde sie hingerichtet, und sie ertrug ihr Schicksal mit heiterem Muthe. 128
127. Siehe die Einleitung zu der Parlamentsacte, welche das Urtel umstieß.
128. Prozeß der Alice Lisle in der Collection of State Trials ; Stat. 1 Gul. & Mar. ; Burnet, I. 649 ; Caveat against the Whigs.
Die blutigen Assisen. In Hampshire war Alice Lisle das einzige Opfer; aber den Tag nach ihrer Hinrichtung begab sich Jeffreys nach Dorchester, der Hauptstadt der Grafschaft, in welcher Monmouth gelandet war, und hier begann das richterliche Gemetzel.
Der Gerichtssaal war auf Befehl des Oberrichters mit rothem Tuche V.83 ausgeschlagen, und die Menge erblickte in dieser Neuerung ein Anzeichen von blutigen Absichten. Auch erzählte man sich, Jeffreys’ blutdürstiger Mund habe sich zu einem unheilverkündenden Grinsen verzogen, als der Geistliche, der die Assisenpredigt hielt, den Richtern die Pflicht der Milde ans Herz legte. Alle diese Umstände erweckten schlimme Ahnungen hinsichtlich dessen, was folgen sollte. 129
Es waren mehr als dreihundert Gefangene abzuurteilen. Dies schien ein schweres Stück Arbeit, aber Jeffreys wußte es sich leicht zu machen. Er gab zu verstehen, daß die Angeklagten nur dann Aussicht hatten, Begnadigung oder Strafaufschub zu erlangen, wenn sie ihre Schuld eingestanden. Neunundzwanzig Personen, die sich für nicht schuldig erklärten, aber schuldig befunden wurden, ließ Jeffreys sofort aufknüpfen. Die übrigen Gefangenen bekannten, sich nun massenweise für schuldig. Zweihundertzweiundneunzig wurden zum Tode verurtheilt. Die Anzahl Derer, welche in Dorsetshire gehängt wurden, belief sich im Ganzen auf vierundsiebzig.
Von Dorchester zog Jeffreys weiter nach Exeter. Der Bürgerkrieg hatte kaum die Grenzen von Dorsetshire berührt und es wurden deshalb hier verhältnißmäßig nur wenige Personen mit dem Tode bestraft. Somersetshire, der Hauptsitz des Aufstandes, war für die letzte und furchtbarste Rache aufgespart. In dieser Grafschaft wurden binnen wenigen Tagen zweihundertdreiunddreißig Gefangene gehängt, geschleift und geviertheilt. An jeder Stelle, wo zwei Straßen sich kreuzten, auf jedem Marktplatze, und auf der Gemeindewiese jedes großen Dorfes, das Monmouth Soldaten geliefert hatte, verpesteten gefesselte Leichname, die sich klirrend im Winde schaukelten, oder auf Pfähle gespießte Köpfe und Glieder die Luft und erfüllten den Reisenden mit Grauen und Entsetzen. In manchen Dörfern konnten die Leute sich nicht im Gotteshause versammeln, ohne über dem Portale das gespensterhafte Antlitz eines Nachbarn grinsen zu sehen. Der Oberrichter war in seinem Element. Je weiter das Mordwerk gedieh, um so heiterer und lebhafter wurde er. Er lachte, jubelte, scherzte und schwur in solchem Maße, daß viele Leute ihn vom Morgen bis zum Abend für betrunken hielten. Aber bei ihm war es nicht leicht, den durch wilde Leidenschaften erregten Wahnsinn von dem durch den Branntwein hervorgerufenen zu unterscheiden. Ein Gefangener behauptete, die gegen ihn aufgetretenen Zeugen verdienten keinen Glauben, indem einer von ihnen Papist, der andre prostituirt sei. „Wie, frecher Rebell?“ rief der Oberrichter, „Du wagst es, des Königs Zeugen zu verwerfen? Ich sehe Dich schon mit dem Stricke um den Hals, Schurke!“ Ein Andrer bewies durch Zeugnisse, daß er ein guter Protestant sei. „Protestant?“ rief Jeffreys, „Presbyterianer wollt Ihr sagen! Ich biete Euch eine Wette darauf an, daß ich einen Presbyterianer vierzig Meilen weit wittere.“ Ein Unglücklicher erweckte selbst das Mitleid erbitterter Tories. „Mylord,“ sagten sie, „dieser arme Mann wird auf Gemeindekosten unterhalten.“ „Seid unbesorgt,“ entgegnete der Oberrichter, „ich will die Gemeinde von der Last befreien.“ Seine Wuth richtete sich nicht gegen die Gefangenen allein. Gentlemen und Adelige von hohem Ansehen und fleckenloser Loyalität, die es wagten, ihn auf einen mildernden Umstand aufmerksam zu machen, konnten fast mit Gewißheit V.84 darauf rechnen, daß sie eine Antwort von ihm erhielten, die er in der gemeinen Sprache, welche er sich in den Bierhäusern von Whitechapel angeeignet hatte, einen Schlag mit der rauhen Seite seiner Zunge nannte. Lord Stawell, ein toryistischer Peer, der seinen Abscheu vor der Gewissenlosigkeit, mit der seine unglücklichen Nachbarn hingeschlachtet wurden, nicht verhehlen konnte, wurde dadurch bestraft, daß man über seinem Parkthore einen Leichnam in Ketten aufhängte. 130 Aus derartigen Schauspielen entsprangen manche schauerliche Geschichten, die sich die Landleute von Somersetshire noch lange nachher am Weihnachtsfeuer beim Äpfelwein erzählten. Noch in den letzten vierzig Jahren kannten in einigen Districten Manche die verwünschten Stellen genau und gingen des Abends nur mit Widerstreben an denselben vorüber. 131
Jeffreys rühmte sich mehr Verräther gehängt zu haben, als alle seine Vorgänger seit der Eroberung. Es ist gewiß, daß die Anzahl der Personen, die er in einem Monate und in einer Grafschaft hinrichten ließ, bei weitem die Zahl aller politischen Verbrecher übersteigt, welche seit der Revolution auf unsrer Insel hingerichtet worden sind. Die Aufstände von 1715 und 1745 waren von längerer Dauer, von größerer Ausdehnung und viel drohenderem Aussehen als der, welcher bei Sedgemoor niedergeworfen wurde, und man war nicht allgemein der Ansicht, daß das Haus Hannover sowohl nach der Rebellion von 1715 als auch nach der von 1745 in der Milde zu weit gegangen sei. Gleichwohl muß die Anzahl der Hinrichtungen von 1715 und 1745 zusammengenommen, im Vergleich mit denen, welche die blutigen Assisen geschändet haben, gering erscheinen. Die Gesammtzahl der Rebellen, welche Jeffreys auf dieser Rundreise hängen ließ, belief sich auf dreihundertzwanzig. 132
Ein solches Gemetzel hätte selbst dann Abscheu erregen müssen, wenn die Verurtheilten im Allgemeinen hassenswerth gewesen wären. Aber sie waren zum größten Theil Leute von tadellosem Wandel und wahrer Religiosität. Sie betrachteten sich selbst und wurden auch von einem großen Theile ihrer Nachbarn nicht als Missethäter, sondern als Märtyrer betrachtet, welche die Wahrheit des protestantischen Glaubens mit ihrem Blute besiegelten. Nur sehr wenige von den Verurtheilten legten Reue über das, was sie gethan, an den Tag. Viele, die von dem alten puritanischen Geiste beseelt waren, gingen dem Tode nicht nur standhaft, sondern sogar freudig entgegen. Vergebens hielten ihnen die Diener der Staatskirche Sermone über die Sündhaftigkeit des Aufruhrs und über die Wichtigkeit der priesterlichen Absolution. Der Anspruch des Königs auf unbeschränkte Autorität in weltlichen Dingen, und der Anspruch des Klerus auf die geistliche Gewalt, zu verbinden und aufzulösen, erregten den bitteren Spott der unerschrockenen Sectirer. Einige von ihnen componirten im Gefängnisse Hymnen, die sie dann auf der verhängnißvollen Schleife sangen. Christus, riefen sie aus, während sie sich zu dem Gemetzel V.85 entkleideten, werde bald kommen, um Zion zu erlösen und Babylon zu bekriegen; er werde sein Banner aufpflanzen, in seine Trompete stoßen und seinen Feinden zehnfältig all’ das Böse vergelten, das sie seinen Dienern zugefügt. Die letzten Worte dieser Leute wurden aufgezeichnet, ihre Abschiedsbriefe wie kostbare Schätze aufbewahrt, und so entstand mit Hülfe einiger Erdichtung und Übertreibung ein umfänglicher Nachtrag zur Marianischen Martyrologie. 133
129. Bloody Assizes.
130. Locke’s Western Rebellion.
131. Dies kann ich aus meinen eigenen Jugenderinnerungen bestätigen.
132. Lord Lonsdale sagt siebenhundert, Burnet sechshundert. Ich habe die Listen zu Grunde gelegt, welche die Richter an das Schatzamt einsandten und die noch daselbst aus dem Briefbuche zu ersehen sind. Man sehe auch die Bloody Assizes ; Locke’s Western Rebellion ; the Panegyric on Lord Jeffreys ; Burnet I. 648 ; Eachard III. 775 ; Oldmixon, 705.
133. Einige Gebete, Ermahnungen und Hymnen dieser Dulder findet man in den Bloody Assizes .
Abraham Holmes. Einige Fälle verdienen noch besondere Erwähnung. Abraham Holmes, ein verabschiedeter Offizier von der Parlamentsarmee und einer von den Zeloten, welche keinen andren König als den König Jesus anerkannten, wurde bei Sedgemoor gefangen genommen. Sein Arm war in der Schlacht furchtbar verstümmelt und zerschmettert worden, und da kein Wundarzt zur Hand war, schnitt der muthige alte Soldat ihn sich selbst ab. Er wurde nach London abgeführt und vom Könige selbst im Rathe verhört, wollte sich aber zu keiner Demüthigung erniedrigen. „Ich bin ein alter Mann“ sagte er, „und die kurze Spanne Zeit, die ich noch zu leben habe, ist keiner Lüge oder Erniedrigung mehr werth. Ich war stets ein Republikaner und bin es noch.“ Er wurde nach dem Westen zurückgesandt und gehängt. Das Volk bemerkte mit ängstlicher Scheu und Verwunderung, daß die Thiere, die ihn zum Galgen schleppen sollten, störrig wurden und umkehren wollten. Holmes selbst zweifelte nicht daran, daß der Engel des Herrn, wie vor alter Zeit, mit dem Schwert in der Hand im Wege stehe, dem menschlichen Auge unsichtbar, aber dem niederen Thiere sichtbar. „Halt, Ihr Herren!“ rief er aus, „laßt mich zu Fuß gehen. Die Sache hat mehr zu bedeuten als Ihr glaubt. Erinnert Euch, daß der Esel Den sah, den der Prophet nicht sehen konnte.“ Mit festem Schritte ging er zum Galgen, hielt lächelnd eine Ansprache an das Volk, betete inbrünstig, Gott möge die Vernichtung des Antichrist und die Befreiung Englands beschleunigen, und stieg die Leiter hinauf mit der Entschuldigung, daß er es so ungeschickt mache. „Ihr seht“ sagte er, „daß ich nur einen Arm habe.“ 134
134. Bloody Assizes ; Locke’s Western Rebellion ; Lord Lonsdale’s Memoirs ; Bericht über die Schlacht von Sedgemoor in den Hardwicke Papers .
Die Erzählung in Clarke’s life of James the Second ist nicht den königlichen Handschriften entnommen und widerlegt sich selbst hinlänglich.
Christoph Battiscombe. Nicht weniger muthig starb Christoph Battiscombe, ein junger Templer von guter Familie und Vermögen, der in Dorchester, einer freundlichen Provinzialstadt, die auf ihren guten Geschmack und auf ihre Bildung stolz war, allgemein für das Muster eines feinen Gentleman galt. Es wurde Alles aufgeboten, um ihn zu retten. Man glaubte im Westen Englands, er sei mit einer jungen Dame von edlem Geblüt, der Schwester des Sheriffs, verlobt, diese habe sich Jeffreys zu Füßen geworfen und ihn um Gnade gebeten, Jeffreys aber habe sie mit einem abscheulichen Witze von sich gestoßen, den zu wiederholen eine Verletzung des Anstandes und der Menschlichkeit sein würde. Ihr Geliebter erlitt in Lyme gläubig und standhaft den Tod. 135
135. Bloody Assizes ; Locke’s Western Rebellion ; Humble Petition of Widows and fatherless Children in the West of England ; Panegyric on Lord Jeffreys.
V.86Die Gebrüder Hewling. Noch größere Theilnahme erweckte das Schicksal zweier tapferen Brüder, Wilhelm und Benjamin Hewling. Sie waren beide jung, hübsch, gebildet und aus anständiger Familie. Ihr Großvater von mütterlicher Seite hieß Kiffin, war einer der ersten Kaufleute in London und wurde allgemein als das Oberhaupt der Baptisten betrachtet. Der Oberrichter benahm sich beim Verhör gegen Wilhelm Hewling mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit. „Ihr habt einen Großvater,“ sagte er zu ihm, „der es eben so reichlich verdiente, gehängt zu werden wie Ihr.“ Der arme junge Mann, der erst neunzehn Jahr alt war, ertrug den Tod mit solcher Ergebung und Standhaftigkeit, daß ein bei der Hinrichtung anwesender Offizier von der Armee, der sich durch Rohheit und Härte ausgezeichnet hatte, tief ergriffen wurde und äußerte: „Ich glaube nicht, daß der Lordoberrichter selbst dabei ungerührt bleiben würde,“ Man hatte gehofft, Benjamin’s Begnadigung zu erlangen. Ein so jugendliches Opfer war sicherlich genug für eine Familie. Jeffreys selbst war zur Milde geneigt oder stellte sich wenigstens so. Der Grund davon war der, weil einer seiner Verwandten, von dem er viel zu erwarten hatte und den er daher nicht so behandeln konnte, wie er derartige Bittsteller gewöhnlich behandelte, sich für die schwergeprüfte Familie angelegentlich verwendete. Es wurde ein Aufschub bewilligt, um in London anzufragen; und die Schwester des Gefangenen begab sich selbst mit einer Bittschrift nach Whitehall. Viele Hofleute wünschten ihr glücklichen Erfolg, und Churchill, zu dessen zahlreichen Fehlern wenigstens die Grausamkeit nicht gehörte, verschaffte ihr eine Audienz. „Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen den besten Erfolg,“ sagte er, während sie sich zusammen im Vorzimmer befanden, „aber schmeicheln Sie sich nicht mit Hoffnungen. Dieser Marmor, setzte er hinzu, indem er die Hand auf den Kaminsims legte, ist nicht härter als der König.“ Seine Vermuthung bestätigte sich, Jakob war unerbittlich. Benjamin Hewling starb mit unerschrockenem Muthe unter lautem Wehklagen, in welches die um den Galgen Wache haltenden Soldaten unwillkürlich einstimmten. 136
Die zum Tode verurtheilten Rebellen waren indessen weniger zu beklagen als manche von den Überlebenden. Verschiedene Gefangene, welche Jeffreys des Hochverraths nicht überführen konnte, wurden geringerer Vergehen schuldig befunden und zu nicht minder furchtbarer Auspeitschung verurtheilt, als sie früher dem Oates zuerkannt worden war. Eine Frau ward einiger geringfügiger Worte halber, wie sie in den Bezirken, wo der Krieg gewüthet hatte, von der Hälfte der Frauen geäußert wurden, dazu verurtheilt, durch alle Marktorte der Grafschaft Dorset gepeitscht zu werden. Sie erlitt einen Theil ihrer Strafe noch vor Jeffreys’ Rückkehr nach London; als er aber den Westen verlassen hatte, nahmen die Kerkerknechte unter stillschweigender Einwilligung der Behörden es auf sich, sie mit weiteren Qualen zu verschonen.
136. In Bezug auf die Gebrüder Hewling habe ich mich an Kiffin’s Memoiren und an Mr. Hewling Luson’s Erzählung in der zweiten Ausgabe der Hughes Correspondence vol. II. Appendix gehalten. Die Berichte in Locke’s Western Rebellion und in dem Panegyric on Jeffreys sind voll falscher Angaben. Der Bericht in den Bloody Assizes ist zum großen Theile von Kiffin verfaßt und stimmt wörtlich mit seinen Memoiren überein.
Tutchin’s Strafe. Eine noch fürchterlichere Strafe wurde über einen jungen Menschen, Namens Tutchin, verhängt, der ebenfalls wegen V.87 aufrührerischer Reden zur Untersuchung gezogen war. Er wurde, wie gewöhnlich, in seiner Verteidigung durch gemeine und rohe Scherze vom Richterstuhle herab unterbrochen. „Ihr seid ein Rebell und Eure ganze Familie hat seit Adam’s Zeiten aus Rebellen bestanden. Wie ich höre, seid Ihr ein Dichter; ich will um die Wette Verse mit Euch machen.“ Das Urtel gegen den jungen Menschen lautete auf sieben Jahr Gefängniß, während welcher Zeit er jedes Jahr durch alle Marktorte der Grafschaft gepeitscht werden sollte. Die Frauen auf den Galerien brachen in Thränen aus; der Gerichtsschreiber erhob sich in großer Aufregung und sagte: „Mylord, der Gefangene ist noch sehr jung und es giebt viele Marktorte in unsrer Grafschaft. Nach diesem Urtel wird er sieben Jahre lang alle vierzehn Tage ausgepeitscht werden.“ „Ein junger Mensch mag er sein,“ erwiederte Jeffreys, „aber nichts desto weniger ist er ein alter Schurke. Meine Damen, Sie kennen den Buben nicht so wie ich. Die Strafe ist eigentlich noch lange nicht hart genug für ihn; keine Macht Englands soll sie abändern.“ Tutchin bat in seiner Verzweiflung, und wahrscheinlich im vollen Ernst, um die Gunst gehängt zu werden. Zu seinem Glück erkrankte er an den Pocken und wurde von den Ärzten aufgegeben. Da es sehr zweifelhaft war, ob das Urtel würde vollzogen werden können, so ließ sich der Oberrichter durch eine Bestechungssumme, die dem Gefangenen zum armen Manne machte, zur Zurücknahme desselben bewegen. Der von Haus aus nicht sehr sanfte Character Tutchin’s wurde durch dieses Erlebniß bis zur Überspanntheit verbittert und er machte sich späterhin als einer der heftigsten und unversöhnlichsten Feinde des Hauses Stuart und der Torypartei bemerkbar. 137
137. Siehe Tutchin’s eigne Erzählung seines Prozesses in den Bloody Assizes.
Deportation von Rebellen. Die Anzahl der Gefangenen, welche Jeffreys zur Deportation verurtheilte, belief sich auf achthunderteinundvierzig. Diese Leute, die noch viel unglücklicher waren als ihre dem Tode überantworteten Leidensgefährten, wurden in Trupps abgetheilt und Personen verliehen, welche bei Hofe in Gunst standen. Die Bedingungen der Verleihung waren, daß die Verurtheilten als Sklaven über’s Meer transportirt würden, daß sie vor Ablauf von zehn Jahren nicht freigelassen werden dürften, und daß der Ort der Verbannung irgend eine westindische Insel sein müßte. Dieser letzte Punkt war mit raffinirter Bosheit hinzugefügt worden, um das Elend der Gefangenen zu vermehren. In Neuengland oder Neujersey würden sie eine ihnen freundlich gesinnte Bevölkerung und ein der Gesundheit nicht nachtheiliges Klima gefunden haben. Daher beschloß man, sie nach solchen Kolonien zu senden, wo ein Puritaner keine besondere Theilnahme erwarten durfte und ein in der gemäßigten Zone geborner Arbeiter für seine Gesundheit nicht viel Gutes zu hoffen hatte. Der Stand des Sklavenmarktes war aber von der Art, daß diese Unglücklichen trotz der langen Seereise und obgleich sie voraussichtlich bald krank wurden, immer noch einen bedeutenden Werth hatten. Nach Jeffreys’ Schätzung war jeder von ihnen, nach Abzug aller Unkosten, im Durchschnitt zehn bis fünfzehn Pfund Sterling werth. Es fanden sich daher viele Bewerber für die Verleihung dieser Sklaven. Einige Tories im Westen waren der Meinung, daß sie sich durch ihre Leiden und Drangsale während der Insurrection gegründete Ansprüche auf einen V.88 Antheil an dem Nutzen, der ihnen von den Schmarotzern zu Whitehall gierig weggefischt worden sei, erworben hätten. Die Höflinge aber trugen den Sieg davon. 138
Das Elend der Verbannten kam dem der Negersklaven, welche jetzt von Congo nach Brasilien verschifft werden, vollkommen gleich. Aus den besten jetzt noch zugänglichen Quellen geht hervor, daß mehr als ein Fünftel von den Deportirten vor Beendigung ihrer Reise den Haifischen vorgeworfen wurden. Die Menschenladungen waren in den Kielräumen kleiner Schiffe dicht zusammengedrängt, und die Unglücklichen, von denen viele noch an ungeheilten Wunden litten, hatten so wenig Spielraum, daß sie sich nicht alle zu gleicher Zeit niederlegen konnten, ohne auf einander zu liegen. Auf das Verdeck durften sie niemals kommen; die Luken waren beständig von Schildwachen besetzt, die mit Seitengewehr und Muskete bewaffnet waren. Unten im Kerker herrschte Finsterniß, pestilentialischer Geruch, Jammer, Krankheit und Tod. Von neunundneunzig Verurtheilten, die auf einem Schiffe transportirt wurden, starben zweiundzwanzig vor der Ankunft in Jamaika, obgleich die Reise ungewöhnlich rasch von Statten ging, und als die Überlebenden den Ort ihrer Bestimmung erreichten, waren sie nur noch Skelette. Mehrere Wochen lang hatten sie so kärgliche Rationen von grobem Schiffszwieback und fauligem Wasser bekommen, daß Einer mit leichter Mühe fünfmal so viel hätte zu sich nehmen können. Sie kamen daher in einem solchen Zustande an, daß der Kaufmann, an den sie consignirt waren, es für nöthig hielt, sie erst zu mästen, bevor er sie verkaufte. 139
138. Sunderland an Jeffreys, 14. Sept. 1685; Jeffreys an den König, 19. Sept. 1685, im Staatsarchive.
139. Die beste Schilderung der Leiden der zur Deportation verurtheilten Rebellen findet sich in einer interessanten Erzählung, geschrieben von Johann Coad, einem rechtschaffnen und gottesfürchtigen Zimmermanne, der sich Monmouth angeschlossen hatte, bei Philips Norton schwer verwundet, von Jeffreys verurtheilt und nach Jamaika transportirt wurde. Das Originalmanuscript ward mir von Herrn Phippard, dem es gehört, freundlichst geliehen.
Confiscationen und Erpressungen. Unterdessen wurde das Eigenthum sowohl der hingerichteten Rebellen, als auch der noch unglücklicheren, die unter der tropischen Sonne dahinwelkten, von einer Menge gieriger Kläger in Beschlag genommen und zerstückelt. Nach dem Gesetz ist ein wegen Hochverraths verurtheilter Unterthan seines ganzen Vermögens verlustig, und dieses Gesetz wurde nach Beendigung der blutigen Assisen mit einer eben so grausamen als lächerlichen Strenge durchgeführt. Die gebeugten Wittwen und die verlassenen Waisen der Arbeiter, deren Leichname noch an den Kreuzwegen am Galgen hingen, wurden von den Agenten des Schatzamtes aufgefordert, Rechenschaft darüber abzulegen, wohin ein Korb, eine Gans, eine Speckseite, ein Fäßchen Äpfelwein, ein Sack Bohnen oder ein Bündel Heu gekommen sei. 140 Während die niederen Beamten der Regierung die Familien der hingeschlachteten Landleute ausplünderten, sammelte der Oberrichter durch Ausplündrung einer höheren Klasse von Whigs bedeutende Schätze. Er trieb einen ausgedehnten Handel mit Begnadigungen. Das einträglichste Geschäft dieser Art machte er mit einem Gentleman, Namens Edmund Prideaux. Es steht fest, daß V.89 Prideaux nicht gegen die Regierung gekämpft hatte, und sein einziges Verbrechen bestand wahrscheinlich in der Ererbung eines großen Vermögens, das ihm sein Vater, ein ausgezeichneter Jurist, der unter dem Protector ein hohes Amt bekleidet, hinterlassen hatte. Der Unglückliche schmachtete lange im Kerker und verstand sich endlich aus Furcht vor dem Galgen dazu, für seine Freilassung fünfzehntausend Pfund Sterling zu bezahlen. Diese bedeutende Summe eignete sich Jeffreys zu. Er kaufte sich dafür ein Landgut, welches das Volk nach jenem verfluchten Acker, der um den Preis unschuldigen Blute’s erkauft ward, Hakeldama nannte. 141
In diesem Erpressungsgeschäft wurde er von dem Schmarotzerschwarm, der mit ihm zu schwelgen und zu jubeln pflegte, wacker unterstützt. Das Amt dieser Menschen bestand darin, daß sie den Verurtheilten, die von der Angst vor dem Tode gequält wurden, und den Ältern, welche für das Leben ihrer Kinder zitterten, als Unterhändler ansehnliche Geldversprechungen zu erpressen suchten. Einen Theil der Beute überließ Jeffreys seinen Agenten. Einem seiner Zechgenossen soll er, wie man sagt, die Begnadigung eines reichen Hochverräthers bei einem Gelage über den Tisch zugeworfen haben. Es war nicht rathsam, sich einer andren Fürsprache als der seiner Creaturen zu bedienen, denn er war sehr eifersüchtig auf die Erhaltung seines einträglichen Begnadigungsmonopols. Man vermuthete sogar, daß er einige Personen lediglich deshalb an den Galgen schickte, weil sie sich auf von ihm unabhängigen Wegen an die königliche Gnade gewendet hatten. 142
140. Unter den Papieren des Schatzamtes vom Herbst 1685 befinden sich mehrere Briefe, welche Nachforschungen nach derartigen Kleinigkeiten anbefehlen.
141. Commons’ Journals, Oct. 9., Nov. 10. & Dec. 26. 1690 ; Oldmixon, 706 ; Panegyric on Jeffreys.
142. Life and Death of Lord Jeffreys ; Panegyric on Jeffreys ; Kiffin’s Memoirs.
Habgier der Königin und ihrer Hofdamen. Einige Höflinge fanden dessenungeachtet Mittel und Wege, um einen kleinen Gewinnantheil von dem Handel zu ziehen, und ganz besonders zeichneten sich die Hofdamen der Königin durch ihre Geldgier und Hartherzigkeit aus. Die Schuld an dieser Schmach fällt zum Theil auf ihre Gebieterin, denn sie wurden lediglich durch ihre Stellung an deren Hofe in den Stand gesetzt, sich durch einen so abscheulichen Handel zu bereichern, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Königin demselben durch ein Wort oder einen Wink hätte Einhalt thun können. Allein sie bestärkte sie vielmehr darin durch ihr eignes Beispiel, wenn nicht durch ausdrückliche Ermächtigung. Sie scheint der zahlreichen Klasse von Menschen angehört zu haben, die im Unglück besser sind als im Glück. So lange ihr Gemahl ein Unterthan und ein Verbannter war, von jedem Staatsamte ausgeschlossen und in dringender Gefahr, seines Geburtsrechts beraubt zu werden, gewannen ihr die Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit ihres Auftretens selbst die Herzen Derer, die ihren Glauben am meisten verabscheuten. Als aber ihr Glücksstern aufging, verschwand ihre Gutherzigkeit. Die sanfte und leutselige Herzogin wurde eine lieblose und hochmüthige Königin. 143 Das Mißgeschick, das in der Folge über sie kam, hat zwar einige Teilnahme für sie erweckt; aber diese Theilnahme würde viel größer sein, wenn es sich V.90 nachweisen ließe, daß sie in den Tagen ihrer Größe nur ein einziges Opfer von der schrecklichsten Proscription, die England je gesehen hat, rettete, oder nur zu retten versuchte. Leider aber that sie, so viel bekannt ist, für die Rebellen nichts weiter, als daß sie darum anhielt, daß ihr von den zur Deportation Verurtheilten Hundert geschenkt werden möchten. 144 Der Gewinn, den ihr diese Menschenladung abwarf, kann nach reichlichem Abzug für Diejenigen, welche auf der Überfahrt vor Hunger und an Krankheiten starben, auf mindestens tausend Guineen angeschlagen werden. Wir dürfen uns demnach nicht wundern, daß ihre Hofdamen das Beispiel ihrer unfürstlichen Habgier und ihrer unweiblichen Grausamkeit nachahmten. So erpreßten sie tausend Pfund von einem Kaufmanne in Bridgewater, Namens Roger Hoare, der einen Beitrag zur Kriegskasse der Rebellenarmee gegeben hatte. Die Beute aber, nach der sie sich am gierigsten zeigten, war eine, von der man hätte denken sollen, daß auch der unedelste Character sie verschonen würde. Von den Mädchen, welche Monmouth in Taunton eine Fahne überreichten, hatten schon einige ihr Vergehen schwer büßen müssen. Eine von ihnen war in ein Gefängnis geworfen worden, in welchem eine ansteckende Krankheit wüthete. Sie ward von derselben ergriffen und starb. Eine Andre kam in den Gerichtssaal, um Jeffreys um Gnade zu bitten. „Fort mit ihr, Kerkermeister!“ brüllte der Richter mit seiner finstren Miene, die schon stärkere Gemüther als das ihrige mit Schrecken erfüllt hatte. Sie brach in Thränen aus, zog ihre Haube über das Gesicht, verließ mit dem Kerkermeister den Gerichtssaal, wurde krank von dem Schrecken und war in wenigen Stunden eine Leiche. Die meisten der jungen Mädchen, die an dem Zuge Theil genommen hatten, waren jedoch noch am Leben. Einige davon waren unter zehn Jahr alt; alle hatten auf Befehl ihrer Lehrerinnen gehandelt, ohne zu wissen, daß sie etwas Unrechtes thaten. Die Ehrendamen der Königin baten ihre Gebieterin um die Erlaubniß, den Eltern der armen Kinder Geld erpressen zu dürfen, und sie wurde ihnen bewilligt. Es wurde der Befehl nach Taunton geschickt, alle diese jungen Mädchen zu verhaften und ins Gefängniß zu werfen. Sir Franz Warre von Hestercombe, der toryistische Abgeordnete für Bridgewater, wurde mit der Eintreibung der Lösegelder beauftragt. Er sollte mit Entschiedenheit erklären, daß die Ehrenfräulein keinen Aufschub gestatten könnten, sondern entschlossen seien, die Sache bis zur Ächtung zu treiben, wenn nicht eine angemessne Summe erlegt werde, und daß unter dieser angemessnen Summe siebentausend Pfund zu verstehen seien. Warre lehnte jedoch jede Theilnahme an einer so schmachvollen Unterhandlung ab. Die Ehrendamen wendeten sich nun an Wilhelm Penn, und dieser übernahm den Auftrag. Ein wenig von der starrsinnigen Scrupulosität, die er oft in Betreff des Hutabnehmens gezeigt hatte, würde bei dieser Gelegenheit nicht am unrechten Orte gewesen sein. Wahrscheinlich beschwichtigte er die Mahnungen seines Gewissens dadurch, daß er sich einredete, es werde von dem zu erpressenden Gelde nichts in seine eigne Tasche fließen, daß die Damen leicht einen weniger humanen Diener finden würden, wenn er sich weigerte, ihren Auftrag zu übernehmen, und daß er endlich durch Willfährigkeit einen größren Einfluß bei Hofe erlangen werde, welcher Einfluß ihn schon in den Stand gesetzt hatte und auch fernerhin in den Stand setzen konnte, seinen unterdrückten Brüdern viel zu nützen. V.91 Die Ehrendamen mußten sich übrigens schließlich mit weniger als einem Drittel der verlangten Summe begnügen. 145
Kein andrer englischer Souverain hat so starke Beweise von einer grausamen Natur gegeben, als Jakob II. Seine Grausamkeit war jedoch nicht gehässiger als seine Gnade, oder vielleicht richtiger gesagt, seine Gnade und seine Grausamkeit waren von der Art, daß sie einander gegenseitig schändeten. Unser Entsetzen über das Schicksal der einfachen Bauern, der jungen Burschen und zarten Frauen, gegen die er mit unerbittlicher Strenge verfuhr, steigert sich noch, wenn wir sehen, wem und aus welchen Rücksichten er Verzeihung gewährte.
Das Verfahren, welches ein Fürst nach Unterdrückung eines Aufstandes bei der Auswahl der zu bestrafenden Rebellen beobachten muß, ist vollkommen klar. Die Rädelsführer, die Männer von Ansehen, Vermögen und Bildung, welche durch ihre Macht und ihre Kunstgriffe die Menge verführten, sind Diejenigen, über welche strenges Gericht zu halten ist. Das getäuschte Volk kann, nachdem das Blutbad auf dem Schlachtfelde vorüber ist, kaum zu mild behandelt werden. Diese Regel aber, welche doch augenfällig der Gerechtigkeit und Menschlichkeit entspricht, wurde nicht allein nicht befolgt, sondern sogar umgekehrt. Während Die, welche hätten verschont werden sollen, zu Hunderten hingeschlachtet wurden, verschonte man die Wenigen, die man gerade der äußersten Strenge des Gesetzes hätte überlassen sollen. Diese verkehrte Milde hat manche Schriftsteller in Verwunderung gesetzt, andere zu lächerlichen Lobhudeleien verleitet. Sie war weder unerklärlich, noch lobenswerth; sie konnte in jedem einzelnen Falle ganz leicht auf einen schmutzigen oder einen boshaften Beweggrund, entweder auf Geldgier oder auf Blutdurst zurückgeführt werden.
143. Burnet I. 368 ; Evelyn’s Diary, Feb. 4. 1684—85, July 13. 1686. In einer damaligen Satire kommen die Zeilen vor:
Als Herzogin sie sanft und mild sich zeigte,
Als Königin sie einem Teufel glich.
144. Sunderland an Jeffreys, 14. Septbr. 1685.
145. Locke’s Western Rebellion ; Toulmin’s History of Taunton, ed. by Savage ; Briefe des Herzogs von Somerset an Sir F. Warre; Brief Sunderland’s an Penn vom 13. Febr. 1685—86 aus dem Staatsarchive in Mackintosh’s Sammlung.
Verfahren gegen Grey, Cochrane, Storey, Wade, Goodenough und Ferguson. Bei Grey war kein mildernder Umstand vorhanden. Seine Talente und Kenntnisse, der erbliche Rang, den er im Staate einnahm, und der hohe Befehlshaberposten, den er in der Rebellenarmee bekleidet hatte, würden ihn einer gerechten Regierung als viel straffälliger bezeichnet haben als Alice Lisle, Wilhelm Hewling oder irgend einen von den Hunderten unwissender Landleute, deren Köpfe und Glieder in Somersetshire ausgestellt wurden. Aber Grey’s Besitzungen waren groß und unveräußerliches, erbliches Eigenthum seiner Familie. Er bezog nur den Nießbrauch seiner Güter auf Lebenszeit und mehr als diese Rente konnte er nicht verwirken. Starb er, so fiel Alles seinem nächsten Erben zu. Wenn er begnadigt wurde, konnte er ein bedeutendes Lösegeld bezahlen, und man gestattete ihm daher, sich dadurch loszukaufen, daß er dem Lordschatzmeister eine Verschreibung auf vierzigtausend Pfund und anderen Höflingen kleinere Summen einhändigte. 146
Sir Johann Cochrane hatte unter den schottischen Rebellen die nämliche Stellung eingenommen, wie Grey im Westen Englands. Es schien unglaublich, daß Cochrane von einem so beispiellos rachsüchtigen Fürsten Verzeihung erhalten würde. Aber er war der jüngere Sohn einer reichen V.92 Familie, und man konnte daher nur wenn man ihn verschonte, Geld für ihn erlangen. Sein Vater, Lord Dundonald, bot den Priestern des königlichen Hauses ein Geschenk von fünftausend Pfund an und die Begnadigung wurde ihm dafür bewilligt. 147
Samuel Storey, ein bekannter Aufwiegler, welcher Kriegscommissar bei der Rebellenarmee gewesen war und das unwissende Volk von Somersetshire durch heftige Reden aufgestachelt hatte, in denen Jakob als Brandstifter und Giftmischer dargestellt war, wurde ebenfalls begnadigt, denn Storey konnte Jeffreys bei der Erpressung der fünfzehntausend Pfund von Prideaux wichtige Dienste leisten. 148
Von allen Verräthern waren Wade, Goodenough und Ferguson am wenigsten berechtigt, Gnade zu erwarten. Diese drei Häupter des Aufstandes waren zusammen vom Schlachtfelde von Sedgemoor geflohen und hatten glücklich die Küste erreicht. Aber in der Nähe des Ortes, wo sie sich einzuschiffen gedachten, hatten sie eine kreuzende Fregatte gefunden. Sie hatten sich hierauf getrennt und Wade und Goodenough waren bald entdeckt und nach London gebracht worden. Obgleich sie aber tief in das Ryehousecomplot verwickelt und unter den Häuptern des Aufstandes im Westen eine hervorragende Stellung eingenommen hatten, wurde ihnen dennoch das Leben geschenkt, weil sie Aufschlüsse geben konnten, welche den König in den Stand setzten, einige Personen, die er haßte, die er aber noch nie eines Verbrechens hatte bezichtigen können, zum Tode zu verurtheilen und auszuplündern. 149
Auf welche Weise Ferguson davon kam, war und ist noch jetzt ein Geheimniß. Er war von allen Feinden der Regierung ohne allen Zweifel der strafbarste. Er war der erste Anstifter des Planes zur Ermordung der königlichen Brüder; er hatte ferner die Erklärung verfaßt, die an Frechheit, Gehässigkeit und Lügenhaftigkeit selbst unter den Schmähschriften jener stürmischen Zeit ihres Gleichen nicht hatte, und endlich war er Derjenige, der den Herzog von Monmouth erst zu dem Einfalle in England und dann zu der Usurpation der Krone aufreizte. Es ließ sich wohl erwarten, daß man auf den Erzverräther, wie er oft genannt wurde, mit ganz besondrem Eifer fahnden werde, und einer sorgfältigen Nachforschung konnte ein Mann von so auffallendem Äußeren und Sprachdialecte schwerlich entgehen. In den Kaffeehäusern von London erzählte man als ganz gewiß, daß Ferguson festgenommen sei, und diese Nachricht fand bei Männern Glauben, welche die beste Gelegenheit hatten, die Wahrheit zu erfahren. Das Nächste was man von ihm hörte, war, daß er unangefochten auf dem Continent lebe. Man hatte ihn stark in dem Verdachte, daß er eine regelmäßige Verbindung mit der Regierung unterhalten, gegen die er gleichwohl beständig complotirte, daß er von den Unternehmungen seiner Genossen, die er fortwährend zu den übereiltesten Schritten drängte, gerade so viel nach Whitehall berichtete, damit sein Hals nicht in Gefahr kam, und daß daher Befehl gegeben wurde, ihn entschlüpfen zu lassen. 150
V.93Jetzt hatte Jeffrey’s sein Werk beendigt und er kehrte zurück, um seinen Lohn zu verlangen. Er kam wieder in Windsor an, nachdem er im ganzen Westen Haufen von Leichen, und Trauer und Schrecken zurückgelassen hatte. Der Haß, den die Bevölkerung von Somersetshire gegen ihn hegte, hat in unsrer Geschichte nicht seines Gleichen. Weder die Zeit, noch politische Veränderungen vermochten denselben zu ersticken, er pflanzte sich fort von Geschlecht zu Geschlecht und wüthete noch heftig gegen seine unschuldigen Nachkommen. Viele Jahre nach seinem Tode, als sein Name und Titel längst erloschen waren, wurde seine Enkelin, die Gräfin von Pomfret, auf einer Reise im Westen vom Pöbel insultirt und sah, daß sie sich nicht mit Sicherheit unter die Nachkommen Derer wagen konnte, welche die blutigen Assisen erlebt hatten. 151
Am Hofe aber fand Jeffreys die herzlichste Aufnahme. Es war ein Richter ganz nach dem Sinne seines Gebieters. Jakob hatte seine Rundreise mit Interesse und mit großem Vergnügen verfolgt; in seinem Empfangzimmer und an seiner Tafel hatte er oft von dem Gemetzel, das gegenwärtig unter seinen mißvergnügten Unterthanen angerichtet wurde, mit einer Schadenfreude gesprochen, über welche die fremden Gesandten erstaunten. Er hatte mit eigner Hand Berichte über seines Lordoberrichters Feldzug im Westen, wie er es scherzend nannte, aufgezeichnet. Einige hundert Rebellen, schrieb Se. Majestät in den Haag, seien verurtheilt werden; einige davon seien bereits gehängt, eine größere Anzahl sollte dies noch werden, und der Rest solle nach den Kolonien geschickt werden. Umsonst wendete sich Ken schriftlich an ihn, um Gnade für das irregeleitete Volk zu erflehen, und schilderte mit ergreifender Beredtsamkeit die entsetzliche Lage seines Sprengels. Er sagte, man könne auf keiner Heerstraße gehen, ohne ein schreckliches Schauspiel zu erblicken, und die Luft von Somersetshire sei mit Todesdünsten geschwängert. Der König las das Schreiben, blieb aber so hart, wie der marmorne Kaminsims in Whitehall, wie Churchill gesagt hatte.
146. Burnet, I. 646 , und Sprecher Onslow’s Note; Clarendon an Rochester vom 8. Mai 1686.
147. Burnet, I. 634.
148. Calamy’s Memoirs ; Commons’ Journals, Dec. 26. 1690 ; Sunderland an Jeffreys vom 14. Sept. 1685; Protokolle des Geheimen Raths vom 26. Febr. 1685—86.
149. Lansdowne MS. 1152 ; Harl. MS. 6845 ; London Gazette, July 20. 1685.
150. Viele Schriftsteller haben ohne den mindesten Grund behauptet, daß Ferguson von Jakob einen Pardon erhalten habe. Einige sind sogar so weit gegangen, diesen Pardon, der übrigens, wenn er wirklich ertheilt worden wäre, nichts weiter beweisen würde, als daß Ferguson ein Spion des Hofes war, als Beleg für die Großmuth und Nachsicht des Fürsten anzuführen, der Alice Lisle enthaupten und Elisabeth Gaunt verbrennen ließ. Ferguson wurde nicht allein nicht speziell begnadigt, sondern sogar von der im nächsten Frühjahr verkündeten Amnestie ausdrücklich ausgeschlossen. (London Gazette vom 15. März 1685/86.) Wenn Jakob, wie das Publikum vermuthete und wie es auch wahrscheinlich ist, stillschweigend Nachsicht gegen Ferguson übte, so schämte er sich derselben nicht ohne Grund und hielt sie möglichst geheim. Die damals in London umlaufenden Gerüchte werden im Observator vom 1. August 1685 erwähnt.
Sir Johann Reresby, der gut unterrichtet sein konnte, behauptet mit Bestimmtheit, daß Ferguson drei Tage nach der Schlacht von Sedgemoor eingefangen wurde. Aber Reresby irrte sich ganz gewiß im Datum und er kann sich daher wohl auch in der ganzen Geschichte geirrt haben. Aus der London Gazette und aus Goodenough’s Geständniß ( Lansdowne MS. 1152. ) geht klar hervor, daß Ferguson vierzehn Tage nach der Schlacht noch nicht gefangen war und daß man vermuthete, er halte sich noch irgendwo in England verborgen.
151. Granger’s Biographical History, „Jeffreys’“.
Jeffreys zum Lordkanzler ernannt. In Windsor wurde das große Siegel den Händen Jeffreys’ übergeben, und in der nächsten Nummer der London Gazette feierlich verkündet, daß diese Ehre eine Belohnung für die vielen ausgezeichneten und treuen Dienste sei, die er der Krone geleistet. 152
V.94Später, als die Leute aller Parteien mit Schaudern von den blutigen Assisen sprachen, versuchten der schändliche Richter und der gottlose König sich dadurch zu rechtfertigen, daß Jeder die Schuld auf den Andren schob. Jeffreys versicherte im Tower, daß er selbst bei dem grausamsten Verfahren nie die ausdrücklichen Befehle seines Gebieters überschritten habe, ja sogar noch hinter denselben zurückgeblieben sei. Ebenso hätte Jakob in St. Germain gern glauben gemacht, daß er selbst zur Milde geneigt gewesen sei und daß die Gewaltthätigkeiten seines Dieners ihm unverdienten Tadel zugezogen hätten. Doch keiner der beiden hartherzigen Männer kann auf Kosten des Andren freigesprochen werden. Die Vertheidigung Jakob’s kann durch Dokumente von seiner eignen Hand als thatsächlich falsch nachgewiesen werden, und Jeffreys’ Vertheidigung ist, selbst wenn sie sich auf wahre Thatsachen gründete, völlig werthlos.
152. Burnet, I. 648. Jakob an den Prinzen von Oranien, 10. u. 24. September 1685; Lord Lonsdale’s Memoirs ; London Gazette, Oct. 1. 1685.
Cornish’s Prozeß und Hinrichtung. Das Gemetzel im Westen war vorüber; nun sollte es in London beginnen. Es war der Regierung namentlich darum zu thun unter den großen whiggistischen Kaufleuten der City Schlachtopfer zu finden. Diese hatten unter der letzten Regierung einen sehr gefürchteten Theil der Opposition gebildet. Sie waren reich, und ihr Reichthum war nicht, wie der vieler Edelleute und Landgentlemen, durch Fideicommisse gegen Confiscation gesichert. Bei Grey und anderen Männern von ähnlicher Stellung war es unmöglich, den Blutdurst und die Habgier zugleich zu befriedigen; ein reicher Kaufmann konnte gehängt und auch ausgeplündert werden. Obgleich aber die Handelsfürsten im Allgemeinen dem Papismus und der Willkürherrschaft feind waren, so waren sie doch zu gewissenhaft oder zu ängstlich gewesen, als daß sie sich hätten des Hochverraths schuldig machen sollen. Einer der angesehensten unter ihnen war Heinrich Cornish. Er war unter der früheren Verfassung der City Alderman gewesen und hatte zu der Zeit, als die Angelegenheit der Ausschließungsbill die öffentliche Meinung beschäftigte, das Amt eines Sheriffs bekleidet. Seiner politischen Ansicht nach war er ein Whig und in seinen religiösen Ansichten neigte er sich zum Presbyterianismus hin; aber er war äußerst besonnen und gemäßigt. Es ist kein irgend glaubwürdiger Beweis dafür vorhanden, daß er je auch nur die Grenze des Hochverraths berührte. In der That hatte er als Sheriff sich nur sehr ungern dazu verstanden, einen so heftigen und characterlosen Menschen wie Goodenough als Bevollmächtigten zu gebrauchen. Nach der Entdeckung des Ryehousecomplots hegte man in Whitehall große Hoffnung, daß sich Cornish’s Theilnahme an demselben herausstellen werde; aber diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Einer der Mitverschworenen, Johann Rumsey, war zwar bereit Alles zu beschwören; aber ein Zeuge genügte nicht, und ein zweiter war nicht aufzutreiben. Seitdem waren über zwei Jahre vergangen. Cornish glaubte sich vollkommen sicher; aber der Tyrann hatte ein scharfes Auge auf ihn. Goodenough, den die nahe Aussicht auf den Tod schreckte und der noch einen Groll gegen seinen ehemaligen Vorgesetzten hegte, weil er bei diesem nie in besondrer Gunst gestanden hatte, erklärte sich bereit, das noch fehlende Zeugniß zu ergänzen. Cornish wurde auf der Börse, während er Geschäfte abschloß, verhaftet, ins Gefängniß geworfen, daselbst einige Tage in Einzelhaft gehalten und dann völlig unvorbereitet vor die Schranken der Old Bailey geführt. Die Anklage gegen ihn stützte sich lediglich auf die Aussagen Rumsey’s und Goodenough’s. Beide waren eingestandenermaßen in das V.95 Complot verwickelt, als dessen Theilnehmer sie den Gefangenen beschuldigten. Beide wurden durch die stärksten Motive der Hoffnung und Angst angetrieben, ihn als schuldig darzustellen, und außerdem lagen Beweise dafür vor, daß Goodenough auch unter dem Einflusse persönlicher Feindschaft stand. Endlich widersprach Rumsey’s Angabe der Geschichte, die er erzählt hatte, als er gegen Lord Russell zeugte. Aber alle diese Umstände wurden vergebens geltend gemacht. Auf der Richterbank saßen drei Richter, welche mit Jeffreys im Westen gewesen waren, und Leute, die ihr Verhalten beobachteten, hatten bemerkt, daß sie von dem Gemetzel in Taunton in einer übermüthigen und gereizten Stimmung zurückgekehrt waren. Es ist in der That nur zu wahr, daß die Neigung zum Blutvergießen eine Neigung ist, die selbst solche Menschen, welche von Natur durchaus nicht blutdürstig sind, durch die Gewohnheit sehr schnell annehmen können. Anwälte und Richter vereinigten sich in dem Bemühen, den unglücklichen Whig niederzuschmettern, die von einem höfischen Sheriff ernannte Jury gab bereitwilligst ein „Schuldig“ ab und trotz des unwilligen Murrens von Seiten des Publikums erlitt Cornish am zehnten Tage nach seiner Verhaftung den Tod. Damit kein entehrender Umstand fehlte, wurde der Galgen an der Stelle errichtet, wo Kingstreet in Cheapside einmündet, dem Hause gegenüber, in welchem Cornish lange in allgemeiner Achtung gelebt hatte, angesichts der Börse, an der er stets in hohem Ansehen gestanden, und Guildhall’s, wo er sich als ein Führer des Volks ausgezeichnet hatte. Er starb muthig und mit vielen Äußerungen von Frömmigkeit, legte aber in Blicken und Geberden eine so heftige Entrüstung über die barbarische Ungerechtigkeit, mit der man gegen ihn verfahren war, an den Tag, daß seine Feinde ein verleumderisches Gerücht über ihn aussprengten. Sie sagten, er sei betrunken, oder nicht bei Sinnen gewesen, als er aufgeknüpft wurde. Wilhelm Penn aber, der nahe bei dem Galgen gestanden und der entschieden für die Regierung eingenommen war, versicherte nachher, er habe in Cornish’s Benehmen nichts weiter als den natürlichen Unwillen eines schuldlosen Mannes, der unter der Form des Gesetzes ermordet wird, finden können. Der Kopf des gemordeten Magistratsbeamten wurde über Guildhall aufgepflanzt. 153
153. Cornish’s Prozeß in der Collection of State Trials ; Sir J. Hawles’s Remarks on Mr. Cornish’s Trial ; Burnet. I. 651 ; Bloody Assizes ; Stat. 1. Gul. & Mar.
Prozeß und Hinrichtung Fernley’s und der Elisabeth Gaunt. So schwarz dieser Fall auch war, es war noch nicht der schwärzeste, der die damalige Herbstsession der Old Bailey schändete. Unter den bei dem Ryehousecomplot Betheiligten war auch ein gewisser Jakob Burton. Er war nach seinem eignen Geständniß dabei zugegen gewesen, als der Mordplan von seinen Mitverschwornen berathen wurde. Nach Entdeckung des Complots wurde auf seine Festnehmung eine Belohnung gesetzt. Eine alte Matrone, baptistischen Glaubens, Namens Elisabeth Gaunt, rettete ihn vom Tode. Diese Frau verband mit den eigenthümlichen Manieren und Redensarten, durch welche sich damals ihre Secte auszeichnete, eine barmherzige Menschenliebe. Der Zweck ihres ganzen Lebens war die Unterstützung der Unglücklichen jedes Glaubensbekenntnisses, und sie war als eine regelmäßige Besucherin der Gefängnisse allgemein bekannt. Ihre politische und religiöse Meinung sowohl als ihr mitleidiges V.96 Herz trieben sie an, Alles, was in ihren Kräften stand, für Burton zu thun. Sie verschaffte ihm ein Boot, das ihn nach Gravesend mitnahm, wo er an Bord eines nach Amsterdam bestimmten Schiffes ging. Im Augenblicke der Abreise gab sie ihm noch eine für ihre Verhältnisse sehr bedeutende Summe Geldes. Nachdem Burton einige Zeit in der Verbannung gelebt hatte, kehrte er mit Monmouth nach England zurück, focht bei Sedgemoor und flüchtete sich dann nach London in das Haus eines Barbiers in Whitechapel, Namens Johann Fernley. Fernley war sehr arm, wurde von Gläubigern gedrängt und wußte, daß auf Burton’s Einlieferung von der Regierung hundert Pfund Sterling ausgesetzt waren. Aber der wackere Mann war nicht im Stande, einen Menschen zu verrathen, der in der äußersten Gefahr unter sein schützendes Dach gekommen war. Unglücklicherweise wurde es bald ruchbar, daß Jakob’s Zorn weit heftiger gegen Diejenigen entbrannt war, welche Rebellen beherbergten, als gegen die Rebellen selbst. Er hatte öffentlich erklärt, daß das Verbergen von Verräthern vor seiner Rache die unverzeihlichste Form des Hochverraths sei. Burton wußte dies. Er stellte sich daher freiwillig der Regierung und denuncirte Fernley und Elisabeth Gaunt. Sie wurden verhaftet, die Untersuchung gegen sie eingeleitet, und der Schurke, dem sie das Leben gerettet, hatte den Muth und die Frechheit, als Hauptzeuge gegen sie aufzutreten. Sie wurden für schuldig befunden und Fernley zum Galgen, Elisabeth Gaunt aber zum Scheiterhaufen verurtheilt. Selbst nach all’ den Gräuelscenen jenes Schreckensjahres hielten Viele es für unmöglich, daß diese Urtheile vollzogen werden könnten. Aber der König kannte kein Erbarmen. Fernley wurde gehängt und Elisabeth Gaunt an dem nämlichen Tage, an welchem Cornish in Cheapside den Tod erlitt, in Tyburn lebendig verbrannt. Sie hinterließ einige Aufzeichnungen, die zwar nicht in einem eleganten Style, aber doch so geschrieben waren, daß viele Tausende sie mit tiefer Rührung und zugleich mit Entsetzen lasen. „Mein Vergehen“, sagte sie, „war eines, das ein Fürst wohl hätte verzeihen können. Ich half nur einer unglücklichen Familie , und dafür muß ich nun sterben!“ Sie beklagte sich über die Rücksichtslosigkeit der Richter, über die Härte des Kerkermeisters und über die Tyrannei des Größten von Allen, der sie und so viele Andere dem Tode überliefert. Insofern diese Menschen nur ihr persönlich Unrecht gethan hätten, vergäbe sie ihnen, als unversöhnliche Feinde der guten Sache aber, die schon wieder aufleben und gedeihen werde, überlasse sie sie dem Richterspruche des Königs der Könige. Sie bewahrte bis zum letzten Augenblicke eine ruhige Fassung, welche die Zuschauer an die heldenmüthigsten Beispiele von Todesverachtung erinnerte, die sie in Fox gelesen hatten. Wilhelm Penn, für den Schauspiele, welche zartfühlende Menschen in der Regel meiden, einen ganz besondren Reiz gehabt zu haben scheinen, eilte von Cheapside, wo er Cornish hatte hängen sehen, nach Tyburn, um Elisabeth Gaunt verbrennen zu sehen. Er erzählte nachher, daß alle Umstehenden in Thränen ausgebrochen seien, als sie ruhig das Stroh um sich herum so ordnete, daß ihre Leiden möglichst abgekürzt werden möchten. Es wurde viel davon gesprochen, daß, während der abscheulichste Justizmord verübt ward, der jene Schreckenszeit schändete, ein Sturm losbrach, wie man ihn seit dem großen Orkane, der um das Todesbett Oliver Cromwell’s wüthete, nicht wieder erlebt hatte. Die bedrückten Puritaner zählten nicht ohne finstre Genugthuung die umgeworfenen Häuser und verschlagenen Schiffe zusammen und fanden einigen V.97 Trost in dem Gedanken, daß der Himmel seinen Zorn über die Ungerechtigkeiten, unter denen die Erde seufzte, so sprechend äußere. Seit jenem fürchterlichen Tage hat in England kein Weib wieder eines politischen Verbrechens wegen den Tod erlitten. 154
154. Prozeß Fernley’s und der Elisabeth Gaunt in der Collection of State Trials ; Burnet I. 649 ; Bloody Assizes ; Sir J. Bramston’s Memoirs ; Luttrell’s Diary, Oct. 23. 1685.
Prozeß und Hinrichtung Bateman’s. Man war der Meinung, daß Goodenough’s Begnadigung noch nicht hinreichend gesühnt sei. Die Regierung wollte noch ein Opfer niederen Standes vernichten, einen Wundarzt, Namens Bateman. Er war Arzt bei Shaftesbury und ein eifriger Exclusionist gewesen; es ist möglich, daß er in das Whigcomplot eingeweiht war, so viel aber steht fest, daß er nicht zu den leitenden Häuptern der Verschwörung gehörte, denn in der großen Menge von Aussagen, welche die Regierung veröffentlichte, war sein Name nur einmal genannt, und zwar nicht in Verbindung mit irgend einem an Hochverrath grenzenden Verbrechen. Aus seiner Anklageacte und den auf uns gekommenen spärlichen Angaben über seinen Prozeß scheint klar hervorzugehen, daß er der Betheiligung an dem Plane, die königlichen Brüder zu ermorden, nicht einmal beschuldigt wurde. Die Gehässigkeit, mit der ein so unbedeutender und eines so geringfügigen Vergehens schuldiger Mann dem Tode überliefert wurde, während viel straffälligere und wichtigere Hochverräther sich dadurch loskauften, daß sie als Zeugen gegen ihn auftraten, schien einer Erklärung zu bedürfen, und man fand auch eine solche, die aber schmachvoll genug war. Als Oates nach seiner Auspeitschung besinnungslos und Aller Meinung nach schon halb todt nach Newgate gebracht worden war, hatte Bateman ihn zur Ader gelassen und ihn verbunden. Das war ein unverzeihliches Verbrechen. Bateman wurde verhaftet und in Anklagestand versetzt. Die gegen ihn auftretenden Zeugen waren ehrlose Menschen, die jeden möglichen Eid ablegten, wenn sie dadurch ihr Leben retten konnten. Keiner von ihnen war schon begnadigt, und das Volk pflegte zu sagen, daß sie wie abgerichtete Seeraben mit dem Stricke um den Hals nach Beute fischten. Der durch Krankheit geistig und körperlich angegriffene Gefangne war nicht im Stande, vernehmlich zu sprechen, noch zu verstehen, was um ihn her vorging. Sein Sohn und seine Tochter standen vor Gericht an seiner Seite; sie lasen so gut sie konnten einige Angaben vor, die er niedergeschrieben hatte, und befragten die Entlastungszeugen. Doch es half ihnen nichts, ihr Vater wurde verurtheilt, gehängt und geviertheilt. 155
155. Bateman’s Prozeß in der Collection of State Trials ; Sir John Hawles’s Remarks . Es ist der Mühe werth, Thomas Lee’s Aussagen bei dieser Gelegenheit mit seinem früher amtlich veröffentlichten Geständnisse zu vergleichen.
Grausame Verfolgung der protestantischen Dissenters. Noch nie, selbst nicht unter Laud’s tyrannischer Herrschaft, war die Lage der Puritaner so traurig gewesen, als zu jener Zeit. Nie war so eifrig spionirt worden, um religiöse Versammlungen zu entdecken, nie hatten Behörden, Mitglieder der großen Jury, Pfarrer und Kirchenälteste eine solche Wachsamkeit entwickelt. Viele Dissenters wurden vor die geistlichen Gerichtshöfe geladen; Andere hielten es für nöthig, die Nachsicht der Regierungsagenten durch Geschenke zu erkaufen, welche zum Beispiel in Fässern Wein und in mit Guineen gefüllten Handschuhen bestanden. Die V.98 Separatisten konnten nicht gemeinschaftlich beten, ohne Vorsichtsmaßregeln zu beobachten, wie sie von Falschmünzern und Diebshehlern angewendet werden. Die Versammlungsorte wurden häufig gewechselt; der Gottesdienst wurde zuweilen kurz vor Tagesanbruch, zuweilen mitten in der Nacht gehalten; um das Gebäude, in welchem die kleine Heerde versammelt war, wurden Wachen ausgestellt, um sogleich Lärm zu machen, wenn ein Unbekannter sich näherte. Der Geistliche wurde verkleidet durch den Garten und durch eine Hinterthür eingeführt; in einigen Häusern waren Fallthüren, durch die er bei vorkommender Gefahr verschwinden konnte. Wo Nonconformisten nebeneinander wohnten, waren oft die Wände durchbrochen und verborgene Communicationsthüren angebracht. Kein Psalm wurde gesungen und allerhand künstliche Mittel angewendet, um zu verhindern, daß die Stimme des Predigers in Momenten feuriger Inbrunst außerhalb der Mauern gehört werden konnte. Doch bei aller dieser Vorsicht war es oft unmöglich, die Wachsamkeit der Späher zu täuschen. Besonders in den Vorstädten Londons wurde das Gesetz mit der äußersten Strenge durchgeführt. Mehrere reiche Leute wurden angeklagt, daß sie Conventikel hielten, ihre Häuser streng durchsucht und sie mit Geldstrafen bis zu mehreren tausend Pfund belegt. Die leidenschaftlicheren und furchtloseren Sectirer, welche so aus ihrem schützenden Obdache vertrieben wurden, versammelten sich dann unter freiem Himmel, und beschlossen, Gewalt mit Gewalt zu erwiedern. Ein Richter von Middlesex, der erfahren hatte, daß in einer Sandgrube, ungefähr zwei Meilen von London, eine nächtliche Betversammlung stattfinden sollte, drang mit einer starken Abtheilung Constabler in die Versammlung ein und verhaftete den Prediger. Aber die aus zweihundert Köpfen bestehende Gemeinde befreite ihren Geistlichen wieder und schlug den Beamten mit seinen Schergen in die Flucht. 156 Dies war jedoch ein ungewöhnlicher Fall, denn im Allgemeinen schien der puritanische Geist damals viel wirksamer eingeschüchtert, als zu irgend einer früheren oder späteren Zeit. Die toryistischen Tagesschriftsteller rühmten sich, daß nicht ein Fanatiker zur Vertheidigung seiner religiösen Ansichten die Zunge oder die Feder zu rühren wage. Dissenterprediger vom tadellosesten Lebenswandel und von ausgezeichneter Bildung und Gelehrsamkeit durften es nicht wagen, auf die Straße zu gehen, wenn sie sich nicht Beleidigungen und Mißhandlungen aussetzen wollten, welche von Denen, deren Pflicht es war, Ruhe und Frieden aufrecht zu erhalten, nicht nur nicht verhindert, sondern sogar begünstigt wurden. Einige berühmte Theologen saßen im Gefängniß, unter ihnen Richard Baxter; Andere, die ein Vierteljahrhundert lang die Unterdrückung ertragen hatten, verloren endlich den Muth und verließen das Land. Unter diesen befand sich Johann Howe. Eine Menge Leute, welche früher Conventikel zu besuchen pflegten, gingen in die Pfarrkirchen. Man machte die Bemerkung, daß die Schismatiker, welche durch die Angst angetrieben worden waren, sich scheinbar der Staatskirche anzubequemen, leicht an der Schwierigkeit, mit der sie die Collecte fanden, und an der linkischen Art zu erkennen waren, mit der sie sich bei dem Namen Jesu verneigten. 157
V.99Noch viele Jahre lang erinnerten sich die Nonconformisten des Herbstes 1685 als einer Zeit der Noth und des Schreckens. Dennoch waren in jenem Herbste schon die ersten schwachen Anzeichen eines Schicksalswechsels zu bemerken, und noch vor Ablauf von achtzehn Monaten bewarben sich der unduldsame König und die unduldsame Kirche eifrigst um die Unterstützung der Partei, welche beide so tief gekränkt hatten.
156. Citters, 13.(23.) Oct. 1685.
157. Neal’s History of the Puritans, Calamy’s Account of the ejected ministers , und The Nonconformist Memorial enthalten zahlreiche Beispiele von der Härte dieser Verfolgungen. Howe’s Abschiedsbrief an seine Gemeinde findet man in der interessanten Lebensbeschreibung dieses großen Mannes von Rogers. Howe beklagt sich darin, daß er es nicht wagen dürfe, sich auf den Straßen Londons zu zeigen und daß der Mangel an frischer Luft und Bewegung seine Gesundheit angegriffen habe. Die lebendigste Schilderung des Elends der Nonconformisten aber giebt ihr Todfeind Lestrange im Observator vom September und October 1685.
Inhalt .
VI.5
Jakob’s Macht auf dem höchsten Gipfel. Jakob stand jetzt — 1685 — auf dem Gipfel der Macht und des Glücks. Er hatte seine Feinde in England und in Schottland besiegt und sie mit einer Strenge bestraft, die sie zwar zum bittersten Haß gereizt, aber doch zu gleicher Zeit ihren Muth wirksam gebrochen hatte. Die Whigpartei schien erloschen zu sein und die Bezeichnung „Whig“ wurde nur noch in tadelndem Sinne gebraucht. Das Parlament war dem Könige ergeben und es stand in seiner Macht, dieses Parlament bis ans Ende seiner Regierung beizubehalten. Die Kirche versicherte ihn lauter als je ihrer Anhänglichkeit und hatte während des letzten Aufstandes diesen Versicherungen entsprechend gehandelt. Die Richter waren seine Werkzeuge, und wollten sie es nicht mehr sein, so konnte er sie nach Belieben absetzen. Alle Staatskörperschaften waren mit seinen Kreaturen angefüllt, seine Einkünfte überstiegen bei weitem die seiner Vorgänger. Sein Stolz hob sich gewaltig. Er war nicht mehr der nämliche Mann, der wenige Monate zuvor aus Besorgniß, daß sein Thron in einer Stunde umgestürzt werden könnte, mit unköniglichem Flehen auswärtige Hülfe erbeten und mit Thränen des Dankes angenommen hatte. Visionen von Herrschaft und Ruhm zogen an seiner Seele vorüber, er sah sich schon im Geiste als den Schiedsrichter Europa’s, als Beschützer vieler durch eine allzumächtige Monarchie unterdrückter Staaten. Schon im Monat Juni hatte er die Vereinigten Provinzen versichert, daß, sobald die Angelegenheiten Englands geordnet seien, er der Welt zeigen werde, wie wenig er Frankreich fürchte. In Übereinstimmung mit diesen Versicherungen schloß er kaum einen Monat nach der Schlacht von Sedgemoor mit den Generalstaaten einen Defensivvertrag, der ganz im Geiste der Tripelallianz gefaßt war. Es wurde im Haag sowohl wie in Versailles als ein bedeutungsvoller Umstand betrachtet, daß Halifax, der stete Todfeind des französischen Übergewichts, der seit dem Beginn der gegenwärtigen Regierung nicht ein einziges Mal in einer wichtigen Angelegenheit zu Rathe gezogen worden war, bei dieser Gelegenheit die Hauptrolle spielte und das Organ des Königs zu sein schien. Nicht minder bedeutsam war der Umstand, daß Barillon nicht vorher benachrichtigt worden war, so daß sowohl diesen als seinen Gebieter die Mittheilung nicht wenig überraschte. Ludwig war sehr betroffen und äußerte große und wohlbegründete Besorgnisse wegen der ferneren Pläne eines Fürsten, der noch vor Kurzem sein Söldling und Vasall gewesen war. Es ging stark die Rede, daß Wilhelm von Oranien damit beschäftigt sei, ein großes Bündniß zu Stande zu bringen, welches beide Linien des Hauses Österreich, die Vereinigten Provinzen, das Königreich Schweden und das Kurfürstenthum Brandenburg umfassen sollte. Jetzt schien VI.6 es, als würde der König und das Parlament von England an der Spitze dieses Bündnisses stehen 1 .
1. Avaux Neg. Aug. 6.(16.) 1685 ; Depesche von Citters an seine Collegen vom 14.(24.) August, den Vertrag enthaltend; Ludwig an Barillon, 14.(24.) und 20.(30.) August.
Seine auswärtige Politik. Es wurden auch in der That Unterhandlungen eröffnet, die auf ein solches Resultat hinzielten. Spanien schlug ein enges Bündniß mit Jakob vor, und er lieh diesem Vorschlage ein geneigtes Ohr, obwohl es auf der Hand lag, daß ein solches Bündniß gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung gegen Frankreich gewesen wäre. Er verschob jedoch seine definitive Entscheidung bis nach der Wiedereinberufung des Parlaments. Das Schicksal der ganzen Christenheit hing von der Stimmung ab, in der er das Haus der Gemeinen finden würde. Waren sie geneigt auf seine Ideen bezüglich der inneren Verwaltung einzugehen, so hinderte ihn nichts, sich mit Energie und Nachdruck in den großen Streit zu mischen, der auf dem Continent bald zur Entscheidung kommen mußte; zeigten sie sich dagegen widerspenstig, so mußte er jeden Gedanken daran, als Schiedsrichter zwischen streitende Nationen zu treten, aufgeben, mußte aufs neue den Beistand Frankreichs erbitten und sich dessen Vorschriften unterwerfen, mußte zu einem Potentaten dritten oder vierten Ranges herabsinken und sich für die Verachtung, mit der das Ausland auf ihn niederblickte, durch Triumphe über das Gesetz und die öffentliche Meinung im eigenen Lande entschädigen.
Seine Pläne in Betreff der inneren Verwaltung. Es hatte in der That den Anschein, als ob es nicht leicht sein würde, mehr zu verlangen, als die Gemeinen zu bewilligen geneigt waren. Sie hatten schon genugsam bewiesen, daß sie seine Prärogative ungeschmälert aufrecht zu erhalten wünschten und daß sie es mit seinen Eingriffen in die Rechte des Volks nicht so genau nehmen würden. Elf Zwölftel der Mitglieder waren entweder vom Hofe abhängig oder eifrige Kavaliere vom Lande. Es gab nur Weniges, was eine solche Versammlung dem Souverain beharrlich verweigern konnte, und zum Glück für die Nation war dieses Wenige gerade das, auf was Jakob sich capricirte.
Die Habeas-Corpus-Acte. Einer seiner Hauptzwecke war die Aufhebung der Habeas-Corpus-Acte, die er haßte, wie ein Tyrann naturgemäß den stärksten Zügel hassen mußte, den je eine Gesetzgebung der Tyrannei anlegte. Dieser Gedanke beschäftigte seinen Geist bis zum letzten Augenblicke und ist auch in den Instructionen ausgesprochen, die er in der Verbannung für seinen Sohn niederschrieb 2 . Aber obgleich die Habeas-Corpus-Acte während der Herrschaft der Whigs erlassen war, so war sie doch den Tories nicht weniger theuer als jenen. Es ist auch in der That nicht zu verwundern, daß dieses große englische Gesetz von allen Engländern ohne Unterschied der Partei hoch geschätzt wird, denn es ist ein Gesetz, das nicht auf Umwegen, sondern unmittelbar die Sicherheit und das Glück jedes Bewohners des Königreichs erhöht 3 .
2. Instructionen mit der Überschrift: „Für meinen Sohn, den Prinzen von Wales, 1692“ in den Stuart-Papieren.
3. „Die Habeas-Corpus-Acte,“ sagte Johnson, der eingefleischteste Tory, zu Boswell, „ist der einzige Vorzug, den unsre Verfassung vor den Verfassungen anderer Staaten hat.“
Das stehende Heer. Jakob hatte noch einen andren Plan, VI.7 welcher der Partei, die ihn auf den Thron erhoben und auf demselben erhalten hatte, verhaßt war: die Bildung eines großen stehenden Heeres. Er hatte den letzten Aufstand benutzt, um die ihm von seinem Bruder hinterlassene Streitmacht bedeutend zu verstärken. Die Truppentheile, welche jetzt als die sechs ersten Regimenter Gardedragoner bezeichnet werden, so wie das dritte und vierte Dragonerregiment und die neun Linieninfanterieregimenter, vom siebenten bis fünfzehnten einschließlich, waren eben erst errichtet worden 4 . Durch diese Vermehrungen, verbunden mit der Zurückberufung der Garnison von Tanger, war die Stärke der regulären Truppen Englands binnen wenigen Monaten von sechstausend auf nahe an zwanzigtausend Mann gestiegen. Noch kein englischer König hatte in Friedenszeiten über eine solche Heeresmacht zu verfügen gehabt, dennoch aber war Jakob noch nicht damit zufrieden. Er äußerte sehr oft, daß man sich auf die Treue der Milizen nicht verlassen könne, daß sie mit allen Leidenschaften des Standes, dem sie angehörten, sympathisirten, daß bei Sedgemoor in dem Rebellenheere sich mehr Miliz als im königlichen Lager befunden hätte und daß, wenn der Thron nur durch das Aufgebot der Grafschaften vertheidigt worden wäre, Monmouth im Triumph von Lyme nach London marschirt sein würde.
So groß auch die Einkünfte im Vergleich mit denen früherer Könige waren, so reichten sie doch kaum hin, um diesen neuen Mehraufwand zu bestreiten. Ein großer Theil des Ertrags der neuen Abgaben wurde durch den Bedarf der Flotte absorbirt. Am Ende der vorigen Regierung hatte der Gesammtaufwand für die Armee, mit Einschluß der in Tanger stehenden Regimenter, nicht ganz dreihunderttausend Pfund betragen; jetzt wollten dazu sechshunderttausend noch nicht ausreichen 5 . Sollte eine weitere Vermehrung erfolgen, so mußte man einen neuen Credit vom Parlament verlangen, und es war nicht wahrscheinlich, daß dieses sich dazu geneigt zeigte. Schon der Ausdruck „stehendes Heer“ war der ganzen Nation verhaßt, und Niemandem mehr als den Kavalieren, welche das Unterhaus füllten. Nach ihren Begriffen war das stehende Heer gleichbedeutend mit Rumpfparlament, mit Protector, mit Beraubung der Kirche, Säuberung der Universitäten, Abschaffung der Pairie und der Ermordung des Königs, mit dem unheimlichen Regimente der Heiligen, mit Frömmelei und Ascetik, mit Geldstrafen und Sequestrationen, mit den Insulten, die sich Generalmajore, welche aus der Hefe des Volks hervorgegangen waren, gegen die ältesten und vornehmsten Familien des Reichs erlaubt hatten. Überdies gab es kaum einen Baronet oder Squire im Parlamente, der nicht einen Theil des Ansehens, das er in seiner Grafschaft genoß, seiner Stellung in der Miliz verdankt hätte. Wenn diese Nationalstreitmacht beseitigt wurde, so mußte die englische Gentry nothwendig viel von ihrem Ansehen und ihrem Einflusse verlieren. Es war daher wahrscheinlich, daß es dem Könige schwerer werden würde, die Mittel zum Unterhalt seiner Armee, als die Aufhebung der Habeas-Corpus-Acte zu erlangen.
4. Siehe die Historical Records of Regiments , herausgegeben unter der Oberleitung des Generaladjutanten.
5. Barillon, 3.(13.) Dec. 1685. Er hatte den Gegenstand gründlich studirt. „C’est un detail,“ schreibt er, „dont j’ai connoissance.“ Aus den Rechnungsbüchern des Schatzamts ergiebt sich, daß der Aufwand für die Armee auf das Jahr 1687 am 1. Januar auf 623,104 L. 9 s. 11 d. angeschlagen war.
Pläne zu Gunsten der römisch-katholischen Religion. Die beiden erwähnten Pläne waren jedoch einem andren untergeordnet, an dem der König mit ganzer Seele hing, der aber sowohl den Torygentlemen, welche bereit waren, für seine Rechte mit ihrem Blute einzustehen, als auch der Kirche, welche seit drei unter bürgerlichen Unruhen verflossenen Menschenaltern in der treuen Anhänglichkeit an sein Haus nie gewankt hatte, und selbst der Armee verhaßt war, auf die er im äußersten Nothfalle rechnen mußte.
Seine Religion war noch immer geächtet, manch’ strenges Gesetz gegen die römischen Katholiken stand im Gesetzbuche und war vor nicht gar langer Zeit mit rücksichtsloser Härte angewendet worden. Die Testacte schloß alle der anglikanischen Kirche nicht Angehörenden von jedem bürgerlichen und militairischen Amte aus, und eine spätere Verordnung, welche erlassen worden war, als die Erdichtungen des Oates die Nation wüthend gemacht hatten, bestimmte, daß in keinem der beiden Parlamentshäuser Jemand sitzen dürfe, der nicht die Lehre von der Transsubstantiation feierlich abgeschworen hatte. Es war natürlich und recht, daß der König für die Kirche, der er angehörte, vollständige Duldung wünschte, und man hat keinen Grund daran zu zweifeln, daß er mit ein wenig Geduld, Klugheit und Billigkeit diese Duldung auch erlangt haben würde.
Der heftige Widerwille und die Furcht, womit das englische Volk den Glauben des Königs betrachtete, durfte nicht ausschließlich und nicht hauptsächlich theologischer Erbitterung zugeschrieben werden. Daß man auch in der römischen Kirche selig werden könne, ja daß einzelne Mitglieder dieser Kirche zu den ausgezeichnetsten Vorbildern christlicher Tugend gehörten, wurde von allen Theologen der anglikanischen Kirche wie von den angesehensten Nonconformisten zugegeben. Dagegen ist es notorisch, daß die Strafgesetze gegen den Papismus von Vielen, welche Arianismus, Quäkerthum und Judenthum vom geistlichen Gesichtspunkte betrachtet für gefährlicher hielten als den Papismus, deshalb aber doch nicht geneigt waren, ähnliche Gesetze gegen Arianismus, Quäkerthum und Judenthum zu erlassen, energisch vertheidigt wurden.
Es läßt sich leicht erklären, warum der römische Katholik mit weniger Nachsicht behandelt wurde als Leute, die von der Lehre der nicäischen Väter nichts wissen wollten, ja selbst als solche Leute, welche nicht einmal durch die Taufe in den christlichen Bund aufgenommen waren. Es herrschte unter den Engländern die feste Überzeugung, daß der römische Katholik, sobald die Interessen seiner Religion im Spiele waren, sich aller gewöhnlichen Regeln der Moral entbunden glaube, ja daß er es sogar für verdienstlich halte, diese Regeln zu verletzen, wenn er dadurch eine Benachtheiligung oder eine Schmach von der Kirche, deren Mitglied er war, abwenden könnte. Diese Ansicht hatte auch wirklich einen Schein von Begründung. Man konnte es unmöglich leugnen, daß ausgezeichnete römisch-katholische Casuisten zur Verteidigung der Doppelsinnigkeit, des stillschweigenden Vorbehalts, des Meineides und selbst des Mordes geschrieben hatten. Auch waren, wie man sagte, die Theorien dieser abscheulichen Sophistenschule nicht ohne praktische Resultate geblieben. Das Blutbad der Bartholomäusnacht, die Ermordung des ersten Wilhelm von Oranien, die Ermordung Heinrich’s III. von Frankreich, die zahlreichen Verschwörungen gegen das Leben der Königin Elisabeth und ganz besonders die Pulververschwörung wurden beständig als Beweise für die enge Beziehung VI.9 zwischen verderblicher Theorie und verderblicher Praxis angeführt. Man behauptete, daß jedes dieser Verbrechen von römisch-katholischen Priestern angestiftet oder doch gebilligt worden sei. Die Briefe, welche Eberhard Digby im Tower mit Citronensaft an seine Gattin geschrieben, waren unlängst veröffentlicht worden und wurden häufig angeführt. Er war ein Gelehrter und ein Gentleman, im gewöhnlichen Leben durchaus rechtschaffen und von dem Gefühle der Pflichten gegen Gott durchdrungen. Dennoch, war er tief in den Anschlag verwickelt, den König, die Lords und die Gemeinen in die Luft zu sprengen, und hatte am Rande der Ewigkeit erklärt, daß es ihm unbegreiflich sei, wie ein römischer Katholik einen solchen Plan für sündhaft halten könne. Aus allen diesen Dingen zog das Volk den Schluß, daß der allgemeine Character eines Papisten noch so tadellos sein könne, er doch jeder Arglist und Grausamkeit fähig sei, wenn das Wohl und die Ehre seiner Kirche in’s Spiel komme.
Der außerordentliche Erfolg der Fabeln des Oates ist namentlich dem Vorherrschen dieser Ansicht zuzuschreiben. Umsonst berief sich der angeklagte römische Katholik auf die Rechtschaffenheit, Menschenfreundlichkeit und Loyalität, die er während seines ganzen Lebens bewiesen habe; umsonst berief er sich auf zahlreiche achtbare Zeugen seines Glaubens, um die abenteuerlichen Romane zu widerlegen, welche der ehrloseste aller Menschen erdichtet; umsonst rief er noch mit dem Stricke um den Hals die ganze Rache des Gottes, vor dem er in wenigen Augenblicken erscheinen sollte, auf sich herab, wenn er irgend etwas Böses gegen seinen Fürsten oder seine protestantischen Landsleute beabsichtigt hätte. Die Zeugen, die er zu seiner Entlastung aufrief, bewiesen nur, wie wenig ein Papisteneid werth war; gerade seine Tugenden erweckten den Verdacht seiner Schuld, und der Umstand, daß er den Tod und das jüngste Gericht vor Augen sah, machte es nur um so wahrscheinlicher, daß er leugnen werde, was er nicht gestehen konnte, ohne der heiligsten Sache zu schaden. Unter den Unglücklichen, die wegen der Ermordung Godfrey’s verurtheilt wurden, befand sich auch ein Protestant von nicht sehr achtungswerthem Character, Namens Heinrich Berry. Es ist ein bedeutungsvoller und authentisch erwiesener Umstand, daß Berry’s letzte Worte mehr dazu beitrugen, den Glauben an das Complot zu erschüttern, als die Erklärungen, welche die frommen und ehrenwerthen römischen Katholiken, die das nämliche Loos traf, in der Todesstunde abgaben 6 .
Und nicht allein von dem unwissenden Pöbel, nicht allein von den Eiferern, in denen der Fanatismus alle Vernunft und Menschenliebe erstickt hatte, wurde der Katholik als ein Mensch betrachtet, den gerade die Zartheit seines Gewissens zum falschen Zeugen, zum Brandstifter und zum Mörder machen konnte, als ein Mensch, der vor keiner Schandthat zurückbebte und sich durch keinen Eid gebunden glaubte, sobald seine Kirche im Spiele war. Wenn es damals zwei Männer gab, die ihr Verstand wie ihr Gemüth zur Duldsamkeit geneigt machte, so waren es gewiß Tillotson und Locke. Dennoch sagte Tillotson, den seine Nachsicht gegen verschiedene Klassen von Schismatikern und Ketzern den Vorwurf der Heterodoxie zugezogen hatte, dem Hause der Gemeinen auf der Kanzel, daß es ihre Pflicht sei, wirksame Maßregeln gegen die Verbreitung einer Religion zu VI.10 treffen, welche verderblicher sei als völlige Irreligiosität, einer Religion, die von ihren Bekennern Dienste fordere, welche den ersten Grundsätzen der Moral zuwiderliefen, sein Herz, versicherte er aus aufrichtiger Überzeugung, sei zur Milde geneigt, aber seine Pflicht gegen die Gesammtheit zwinge ihn, in diesem einen Punkte streng zu sein. Er erklärte, daß seiner Ansicht nach Heiden, welche den Namen Christi nie gehört hätten und nur durch das Licht der Natur geleitet würden, vertrauenswürdigere Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft seien, als Menschen, die in der Schule der papistischen Casuisten gebildet wären 7 . Locke behauptete in der berühmten Schrift, durch die er zu beweisen versuchte, daß selbst die rohesten Formen des Götzendienstes nicht durch Strafbestimmungen verboten werden dürften, daß eine Kirche, welche die Menschen lehre, Ketzern gegenüber ihr Wort nicht zu halten, keinen Anspruch auf Duldung habe 8 .
Unter solchen Umständen konnte ein englischer Katholik seinen Glaubensgenossen gewiß keinen größeren Dienst erzeigen, als wenn er das Publikum überzeugte, daß seine Kirche, was auch einige heftige Männer in Zeiten stürmischer Aufregung geschrieben oder gethan haben mochten, keineswegs der Ansicht huldige, daß irgend ein Zweck mit der Sittlichkeit unvereinbare Mittel heiligen könne. Und es stand in Jakob’s Macht, diesen großen Dienst zu leisten. Er war König und mächtiger als irgend ein englischer König, dessen sich die ältesten Leute erinnern konnten, gewesen war. Von ihm hing es ab, ob der Vorwurf, der auf seiner Religion haftete, beseitigt oder verewigt werden sollte.
Hätte er sich den Gesetzen gefügt, hätte er seine Versprechungen erfüllt, hätte er sich der Anwendung jedes unrechtmäßigen Mittels zur Verbreitung seiner eigenen religiösen Glaubenssätze enthalten, hätte er die Wirkung der Strafbestimmungen durch einen ausgedehnten Gebrauch seines unbestreitbaren Begnadigungsrechtes aufgehoben, zu gleicher Zeit aber sich sorgfältig vor jeder Verletzung der bürgerlichen oder kirchlichen Verfassung des Reiches gehütet, so würde in den Gesinnungen seines Volkes bald ein Umschwung eingetreten sein. Ein so sprechender Beweis gewissenhafter Redlichkeit von Seiten papistischer Fürsten, gegenüber einer protestantischen Nation, würde die allgemeinen Befürchtungen bald beschwichtigt haben. Wenn das Volk gesehen hätte, daß man einem Katholiken ohne alle Gefahr die Leitung der ganzen ausübenden Verwaltung, den Oberbefehl über Armee und Flotte, die Einberufung und Auflösung der gesetzgebenden Versammlung, die Ernennung der Bischöfe und Dechanten der englischen Kirche anheim geben konnte, so würde es bald von der Befürchtung zurückgekommen sein, daß Unheil daraus entstehen könne, wenn ein Katholik als Hauptmann einer Compagnie oder als Alderman eines Stadtbezirks fungirte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß binnen wenigen Jahren die von der Nation so lange verabscheute Secte mit allgemeinem Beifall zu Staatsämtern wie in’s Parlament zugelassen worden wäre.
Versuchte es dagegen Jakob, das Interesse seiner Kirche durch Verletzung der Grundgesetze seines Reiches und der feierlichen Versprechungen, die er wiederholt im Angesicht der ganzen Welt gegeben, zu fördern, so stand kaum zu bezweifeln, daß die Beschuldigungen, welche gegen die VI.11 römisch-katholische Religion an der Tagesordnung waren, von allen Protestanten für vollkommen begründet gehalten werden würden. Denn wenn je ein römischer Katholik Ursache hatte, Ketzern sein Wort zu halten, so hatte Jakob Ursache, der anglikanischen Geistlichkeit sein Wort zu halten. Ihr verdankte er seine Krone, ohne ihre beharrliche Opposition gegen die Ausschließungsbill würde er ein Verbannter gewesen sein. Er hatte wiederholt und feierlich seine Verpflichtungen gegen sie anerkannt und gelobt, daß er sie in allen ihren gesetzlichen Rechten schützen werde. Wenn er sich durch solche Verpflichtungen nicht gebunden erachtete, so war es klar, daß keine Pflicht der Dankbarkeit oder der Ehre ihn binden konnte, wenn sein Aberglaube in’s Spiel kam. Es war dann unmöglich, daß sein Volk ihm traute, und wenn es ihm nicht trauen konnte, welchem Mitgliede seiner Kirche sollte es dann trauen? Man hielt ihn nicht für heimtückisch von Natur oder aus Gewohnheit. Seinem gedankenlosen Wesen und seiner Rücksichtslosigkeit gegen die Gefühle Anderer verdankte er einen viel höheren Ruf von Aufrichtigkeit, als er ihn irgendwie verdiente. Seine Lobhudler pflegten ihn gern Jakob den Gerechten zu nennen. Wenn es sich nun aber zeigte, daß er, indem er Katholik wurde, zu gleicher Zeit auch ein Heuchler und Wortbrüchiger geworden war, welche Folgerungen mußte dann wohl aus dem Allen eine Nation ziehen, die ohnehin schon zu dem Glauben geneigt war, daß der Papismus einen verderblichen Einfluß auf den sittlichen Character ausübe?
6. Burnet I. 447.
7. Tillotson’s Predigt vor dem Hause der Gemeinen am 5. Nov 1678.
8. Locke, First Letter on Toleration.
Verletzung der Testacte. Aus diesen Gründen waren viele der vornehmsten Katholiken jener Zeit, unter ihnen der Papst selbst, der Meinung, daß das Interesse ihrer Kirche auf unsrer Insel durch eine gemäßigte und der Verfassung entsprechende Politik am wirksamsten gefördert werden würde. Aber solche Argumente machten keinen Eindruck auf den beschränkten Verstand und den herrschsüchtigen Character des Königs. In seinem Eifer, die gesetzlichen Ausschließungen aufzuheben, unter denen die Bekenner seiner Religion litten, schlug er ein Verfahren ein, welches die aufgeklärtesten und tolerantesten Protestanten seiner Zeit überzeugte, daß solche Ausschließungen für das Wohl des Staates nothwendig waren. Die englischen Katholiken verdankten seiner Politik drei Jahre eines rechtswidrigen und übermütigen Triumphes, und hundertvierzig Jahre der Unterjochung und Erniedrigung.
Viele Mitglieder seiner Kirche bekleideten Offiziersstellen in den neu errichteten Regimentern. Diese Verletzung des Gesetzes ließ man eine Zeit lang ungerügt hingehen, weil man nicht Lust hatte, jede Regelwidrigkeit von Seiten eines Königs zu moniren, der sich plötzlich genöthigt sah, seine Krone und sein Leben gegen Rebellen zu vertheidigen. Jetzt aber war die Gefahr vorüber, die Aufrührer waren besiegt und bestraft, ihr mißlungener Versuch hatte die Regierung, die sie zu stürzen hofften, nur noch mehr gekräftigt. Dennoch vergab Jakob noch immer Stellen an unbefähigte Personen, und bald ging die Rede, daß er beschlossen habe, sich nicht mehr an die Testacte zu binden, daß er hoffe, das Parlament zur Aufhebung dieses Gesetzes zu bewegen, daß er aber, wenn das Parlament sich widerspenstig zeigen sollte, dennoch seinen Willen durchsetzen werde.
Halifax fällt in Ungnade. Sobald dies bekannt wurde, mahnte ihn ein dumpfes Murren, der Vorläufer eines Gewittersturmes, daß der Geist, dem sein Großvater, sein Vater und sein Bruder hatten weichen müssen, nur schlummere, aber noch nicht erloschen sei. Der Widerstand VI.12 zeigte sich zuerst im Kabinet. Halifax versuchte es gar nicht, seinen Unmuth und seine Besorgniß zu verhehlen; im geheimen Rathe sprach er furchtlos die Gefühle aus, von denen, wie es sich sehr bald zeigte, die ganze Nation durchdrungen war. Da keiner seiner Collegen ihn unterstützte, ließ man den Gegenstand fallen. Nach der Sitzung aber wurde er in’s königliche Kabinet berufen und er hatte zwei lange Conferenzen mit seinem Gebieter. Jakob versuchte die Wirkung von Schmeicheleien und Complimenten, aber vergebens, Halifax weigerte sich auf das Bestimmteste zu versprechen, daß er im Hause der Lords für die Abschaffung der Testacte oder der Habeas-Corpus-Acte stimmen werde.
Einige Männer aus der Umgebung des Königs riethen ihm, am Vorabende der Einberufung des Parlaments nicht den beredtesten und vollendetsten Staatsmann des Jahrhunderts in das Lager der Opposition zu treiben. Sie stellten ihm vor, daß Halifax die Ehre und das Einkommen seines Amtes liebe, daß, so lange er Lordpräsident sei, er schwerlich mit seiner ganzen Kraft gegen die Regierung auftreten werde, daß aber die Entlassung von seinem hohen Posten so viel heiße, als ihn aller Rücksichten entbinden. Der König aber beharrte auf seinem Vorsatze, Halifax wurde benachrichtigt, daß man seiner Dienste nicht mehr bedürfe, und sein Name in dem Geheimrathsbuche gestrichen 9 .
9. Geheimrathsbuch. Der Name wurde gestrichen am 21. Oct. 1685. Halifax an Chesterfield; Barillon, 19.(29.) Oct.
Allgemeine Unzufriedenheit. Seine Entlassung machte nicht allein im England, sondern in Paris, in Wien und im Haag großes Aufsehen, denn es war wohl bekannt, daß er stets darauf hingearbeitet hatte, den Einfluß des Hofes von Versailles auf die Angelegenheiten Englands zu neutralisiren. Ludwig freute sich über die Nachricht; die Gesandten der Vereinigten Provinzen und des Hauses Österreich dagegen priesen die Weisheit und die Tugenden des entlassenen Staatsmannes in einer Weise, welche in Whitehall großes Ärgerniß erregte. Ganz besonders aufgebracht war Jakob gegen den Sekretär der kaiserlichen Gesandtschaft, der sich nicht scheute zu sagen, daß die wichtigen Dienste, welche Halifax in der Debatte über die Ausschließungsbill geleistet habe, mit grobem Undanke vergolten würden 10 .
Es zeigte sich bald, daß Halifax viele Nachfolger haben werde. Ein Theil der Tories, mit ihrem alten Führer Danby an der Spitze, begann eine whiggistische Sprache zu führen; selbst die Prälaten gaben nicht undeutlich zu verstehen, daß es einen Punkt gebe, wo die dem Fürsten schuldige Loyalität höheren Rücksichten weichen müsse. Die Unzufriedenheit der Generäle war noch größer und besorgnißerregender. Schon zeigten sich die ersten Symptome jener Stimmung, welche drei Jahre später so viele hohe Offiziere antrieb, die königliche Fahne zu verlassen. Männer, welche sich sonst aus nichts ein Gewissen machten, wurden jetzt mit einem Male auffallend bedenklich. Churchill äußerte schüchtern, daß der König doch etwas zu weit gehe. Kirke, der eben von seiner Schlächterei im Westen zurückgekehrt war, schwur, daß er am protestantischen Glauben festhalten werde, und selbst wenn er den Glauben, in welchem er erzogen worden, abschwören sollte, so werde er doch nie ein Papist werden. Er habe sich VI.13 bereits vergeben; wenn er überhaupt seinem Glauben je entsage, so sei er durch ein dem Kaiser von Marokko gegebenes feierliches Versprechen verbunden, Muselmann zu werden 11 .
10. Barillon, 26. Oct, (5. Nov.) 1685; Ludwig an Barillon 27. Oct, (6. Nov.) und 6/16. Nov.
11. Ein interessanter Bericht über das erste Erscheinen der Symptome von Unzufriedenheit unter den Tories findet sich in einem Briefe von Halifax an Chesterfield, geschrieben im October 1635. Burnet I. 684.
Verfolgung der französischen Hugenotten. Während die schon in mannichfacher Beziehung aufgeregte Nation mit ängstlicher Spannung dem Wiederzusammentritt der Parlamentshäuser entgegensah, kamen Nachrichten aus Frankreich, welche die Aufregung noch vermehrten.
Der lange und heldenmüthige Kampf, den die Hugenotten gegen die französische Regierung bestanden hatten, war durch Richelieu’s Geschicklichkeit und Energie zu einem endlichen Schlusse gebracht worden. Dieser große Staatsmann besiegte sie, sicherte ihnen aber die ihnen durch das Edict von Nantes verliehene Gewissensfreiheit zu. Es wurde ihnen unter einigen leichten Beschränkungen gestattet, Gott nach ihrem Ritual zu verehren und zur Vertheidigung ihrer Lehre zu schreiben. Alle Civil- und Militairämter standen ihnen offen und geraume Zeit hindurch war ihre Ketzerei kein praktisches Hinderniß für sie, um sich in der Welt emporzuschwingen. Einige von ihnen befehligten Armeecorps, Andere standen an der Spitze wichtiger Zweige der Civilverwaltung. Endlich aber trat eine Veränderung ein. Ludwig XIV. hegte schon seit langer Zeit eine politische und religiöse Abneigung gegen die Calvinisten. Als eifriger Katholik verabscheute er ihre theologischen Dogmen, und als Fürst, der die Willkürherrschaft liebte, verabscheute er die republikanischen Theorien, welche in die Genfer Theologie verwoben waren. Er verkürzte nach und nach alle Rechte, welche die Schismatiker genossen. Er mischte sich in die Erziehung der protestantischen Kinder, confiscirte Besitzungen, welche protestantischen Consistorien durch Erbschaft zugefallen waren, und schloß unter nichtigen Vorwänden protestantische Kirchen. Die protestantischen Geistlichen wurden von den Steuereinnehmern gequält, den protestantischen Magistratspersonen die Adelstitel entzogen, und den protestantischen Hofbeamten angekündigt, daß Seine Majestät ihrer Dienste nicht mehr bedürfe. Es wurde Befehl gegeben, daß kein Protestant mehr im Justizfache angestellt werden solle. Die unterdrückte Secte ließ einige schwache Anzeichen von dem Geiste blicken, der im vorhergehenden Jahrhundert der ganzen Macht des Hauses Valois Trotz geboten hatte. Es erfolgten Metzeleien und Hinrichtungen. In die Städte, wo sich viele Ketzer befanden und auf die Güter des ketzerischen Adels wurden Dragoner gelegt, und die Grausamkeit und Zügellosigkeit dieser rohen Missionare wurde von der Regierung gutgeheißen oder doch nur sehr mild getadelt. Indessen war das Edict von Nantes, obgleich es in seinen wesentlichsten Punkten factisch verletzt wurde, nicht förmlich aufgehoben, und der König erklärte wiederholt in feierlichen öffentlichen Erlassen, daß er entschlossen sei, es aufrecht zu erhalten. Aber die Fanatiker und Schmeichler, denen er ein geneigtes Ohr lieh, gaben ihm Rathschläge, die er zu befolgen nur zu bereit war. Sie stellten ihm vor, daß seine strenge Politik außerordentlich erfolgreich gewesen sei, daß sein Wille wenig oder gar keinen Widerstand gefunden habe, daß schon Tausende von Hugenotten bekehrt worden seien, und wenn er noch den letzten entscheidenden Schritt thue, so würden VI.14 sich die bis jetzt noch hartnäckig Widerstrebenden bald fügen, Frankreich von dem Flecken der Ketzerei vollkommen gereinigt sein und sein Beherrscher sich eine himmlische Krone verdienen, nicht minder ruhmvoll als die des heiligen Ludwig. Diese Gründe schlugen durch. Der letzte Streich wurde geführt, das Edict von Nantes wurde widerrufen und eine Menge Verordnungen gegen die Sectirer erschienen in rascher Aufeinanderfolge. Knaben und Mädchen wurden ihren Eltern entrissen und in Klöster geschickt, um dort erzogen zu werden. Alle calvinistischen Geistlichen wurden aufgefordert, entweder ihren Glauben abzuschwören, oder binnen vierzehn Tagen das Land zu verlassen. Den anderen Bekennern, des reformirten Glaubens wurde verboten, das Königreich zu verlassen, und um ihre Flucht zu verhindern, wurden die Häfen und Grenzen streng bewacht. Man glaubte, daß die auf solche Art von ihren gefährlichen Hirten getrennten Heerden bald in ihre wahre Hürde zurückkehren würden. Aber trotz aller Wachsamkeit der militairischen Polizei fand eine bedeutende Auswanderung statt; es wurde berechnet, daß binnen wenigen Monaten funfzigtausend Familien Frankreich für immer verließen. Auch waren diese Flüchtlinge keineswegs Leute, die ein Land leicht entbehren kann, denn die Mehrzahl von ihnen waren Personen von aufgeklärter Bildung, von großer Betriebsamkeit und von strengen Sitten. Es befinden sich Namen darunter, die in Krieg, Wissenschaft, Literatur und Kunst eine hervorragende Stellung einnahmen. Einige von den Verbannten boten Wilhelm von Oranien ihre Schwerter an und zeichneten sich durch die Erbitterung aus, mit der sie nachher gegen ihren Unterdrücker kämpften. Andere rächten sich durch noch furchtbarere Waffen und reizten durch die holländische, englische und deutsche Presse dreißig Jahre lang die öffentliche Meinung Europa’s gegen die französische Regierung auf. Ein friedlicher gesinnter Theil errichtete in der östlichen Vorstadt Londons Seidenmanufacturen; ein andrer Theil unterrichtete die Sachsen in der Verfertigung von Stoffen und Hüten, für welche Frankreich bis dahin das Monopol gehabt hatte. Noch Andere pflanzten die ersten Weinstöcke in der Nähe des Caps der guten Hoffnung 12 .
Unter gewöhnlichen Umständen würden die Höfe von Spanien und Rom einem Fürsten, der so nachdrücklich gegen die Ketzerei zu Felde zog, den lebhaftesten Beifall gezollt haben. Aber die Ungerechtigkeit und der Hochmuth Ludwig’s hatten einen solchen Haß erregt, daß, als er zum Verfolger wurde, die Höfe von Spanien und Rom für die religiöse Freiheit Partei nahmen und laut die Grausamkeit mißbilligten, eine wilde und freche Soldateska gegen ein harmloses Volk zu hetzen 13 . Das ganze protestantische Europa brach in einen Schrei des Schmerzes und der Wuth aus. Nach England kam die Nachricht von der Zurücknahme des Edicts von Nantes ungefähr eine Woche vor dem Tage, bis zu welchem das Parlament vertagt war. Es wurde nun klar, daß der Geist Gardiner’s VI.15 und Alba’s noch immer der Geist der römisch-katholischen Kirche war. Ludwig stand Jakob an Hochherzigkeit und Humanität nicht nach und war ihm in allen Fähigkeiten und Kenntnissen eines Staatsmannes jedenfalls weit überlegen. Wie Jakob, hatte auch Ludwig zu wiederholten Malen versprochen, die Rechte seiner protestantischen Unterthanen zu achten. Dennoch trat Ludwig jetzt ganz offen als Verfolger des reformirten Glaubens auf. Konnte man wohl zweifeln, daß Jakob nur auf eine günstige Gelegenheit wartete, um dieses Beispiel nachzuahmen? Schon bildete er, dem Gesetz zum Hohn, eine Militairmacht, die zum großen Theile von römisch-katholischen Offizieren befehligt ward. Lag wohl etwas Unvernünftiges in der Befürchtung, daß diese Armee zu gleichen Zwecken verwendet werden sollte, wie die fränzösischen Dragoner?
12. Die damals in verschiedenen Sprachen erschienenen Schriften über diese Verfolgung sind unzählig. Eine ungemein klare, elegante und geistvolle Übersicht findet sich in Voltaire’s Zeitalter Ludwigs XIV.
13. „Misionarios embotados“ , sagt Ronquillo. „Apostoli armati“ , sagt Innocenz. In der Mackintosh-Sammlung befindet sich ein interessanter Brief über diesen Gegenstand von Ronquillo, d. d. 26. März (5. April) 1686. Siehe Venior, Relatione di Francia , 1689, angeführt von Prof. Ranke in seinen „Römischen Päpsten“, Buch VIII.
Eindruck dieser Verfolgung in England. Jakob war über das Verfahren des Hofes von Versailles fast eben so erstaunt als seine Unterthanen. Es schien in der That als hätte dieser Hof es darauf abgesehen gehabt, ihn in Verlegenheit zu setzen und ihm zu schaden. Er war eben im Begriff, von einer protestantischen gesetzgebenden Versammlung volle Duldung für die Katholiken zu verlangen, und es konnte ihm daher nichts unwillkommener sein, als die Nachricht, daß die Regierung eines Nachbarstaates so eben den Protestanten die Duldung entzogen habe. Sein Verdruß wurde noch vermehrt durch eine Rede, die der Bischof von Valence zur selben Zeit im Namen der gallikanischen Geistlichkeit an Ludwig XIV. richtete. Der gottesfürchtige Souverain von England, sagte der Redner, blicke auf den allerchristlichsten König und hoffe auf seine Unterstützung gegen eine ketzerische Nation. Es wurde bemerkt, daß namentlich die Mitglieder des Hauses der Gemeinen sich bemühten, Exemplare dieser Rede zu erlangen und daß sie von alten Engländern mit Unwillen und Besorgniß gelesen wurde 14 . Jakob wünschte sehr, den Eindruck, den diese Dinge gemacht hatten, zu verwischen und ebenso wäre es ihm durchaus nicht unlieb gewesen, wenn er bei dieser Gelegenheit Europa hätte zeigen können, daß er nicht der Sklave Frankreichs sei. Er erklärte daher öffentlich, daß er das Verfahren gegen die Hugenotten mißbillige, gewährte den Verbannten eine Unterstützung aus seiner Privatchatoulle und forderte durch ministerielle Ausschreiben seine Unterthanen auf, seine Freigebigkeit nachzuahmen. In wenigen Monaten zeigte es sich schon, daß all’ dieses Mitleid nur erheuchelt war, um dem Parlamente zu schmeicheln, daß er die Flüchtlinge mit tödtlichem Hasse betrachtete und daß er nichts mehr bedauerte, als daß er nicht das Nämliche thun konnte, was Ludwig gethan hatte.
14. „Mi dicono che tutti questi parlamentarii ne hanno voluto copia, il che assolutamente avrà causate pessime impressioni.“ Adda v. 9.(19.) Nov. 1685, Siehe auch Evelyn’s Diary, Nov. 3.
Zusammentritt des Parlaments, Rede des Königs. Am 9. November traten die Häuser zusammen. Die Gemeinen wurden vor die Schranken der Lords beschieden und der König hielt eine Thronrede, die er selbst verfaßt hatte. Er wünschte seinen getreuen Unterthanen zu der Unterdrückung des Aufstandes im Westen Glück, setzte aber hinzu, daß die Schnelligkeit, mit der dieser Aufstand zu einer furchtbaren Ausdehnung angewachsen sei, wie die lange Dauer desselben Jedermann überzeugen müsse, wie wenig man sich auf die Miliz verlassen könne. Er VI.16 habe daher die reguläre Armee vergrößert, die Unterhaltungskosten derselben würden hinfüro mehr als das Doppelte der bisherigen betragen und er hoffe, daß die Gemeinen ihm die Mittel zur Bestreitung dieses Mehraufwandes bewilligen würden. Hierauf kündigte er der Versammlung an, daß er einige Offiziere angestellt habe, welche zwar den Testeid nicht geleistet hätten, die er aber als des öffentlichen Vertrauens würdige Männer kenne. Er fürchte, daß ränkesüchtige Menschen diese Unregelmäßigkeit benutzen möchten, um das gute Einvernehmen zwischen ihm und seinem Parlamente zu stören; aber er wolle ihnen offen sagen, daß er entschlossen sei, sich nicht von Männern zu trennen, auf deren Treue er sich verlassen könne und deren Hülfe er vielleicht bald bedürfen werde 15 .
15. Lords’ Journals, Nov. 9. 1685. „Vengo assicurato“ , sagt Adda, „che S. M. stessa abbia composto il discorso.“ — Depesche vom 16.(26.) Nov. 1685.
Es bildet sich eine Opposition im Hause der Gemeinen. Diese deutliche Erklärung, daß er die Gesetze verletzt habe, welche die Nation als die Hauptbollwerke der Staatsreligion betrachtete, und daß er entschlossen sei, in der Verletzung dieser Gesetze zu beharren, war nicht geeignet, die aufgeregte Stimmung seiner Unterthanen zu beschwichtigen. Die Lords, welche selten geneigt sind, in der Opposition gegen eine Regierung voranzugehen, beschlossen, ihm ihren förmlichen Dank für die gesprochenen Worte auszudrücken; die Gemeinen aber zeigten eine minder willfährige Stimmung. Als sie in ihren Saal zurückgekehrt waren, trat eine lange andauernde Stille ein und tiefe Betrübniß sprach aus den Zügen vieler der ehrenwerthesten Mitglieder. Endlich erhob sich Middleton und trug darauf an, daß sich das Haus augenblicklich zu einem Comité zur Berathung über die Thronrede constituiren solle; aber Sir Edmund Jennings, ein eifriger Tory von Yorkshire, von dem man vermuthete, daß er die Gesinnungen Danby’s aussprach, protestirte gegen diesen Schritt und verlangte Zeit zur Überlegung. Sir Thomas Clarges, der Oheim des Herzogs von Albemarle von mütterlicher Seite und seit langer Zeit im Parlament als geschäftskundiger Mann und wachsamer Aufseher über die Verwendung der öffentlichen Gelder bekannt, trat auf die nämliche Seite. Die Stimmung des Hauses war nicht zu verkennen. Sir Johann Ernley, Kanzler der Schatzkammer, bestand darauf, daß der Aufschub zweimal vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen dürfe, aber er wurde überstimmt und man beschloß, die Berathung drei Tage zu verschieben 16 .
Die Zwischenzeit wurde von den leitenden Gegnern des Hofes wohl angewendet. Sie hatten in der That kein leichtes Stück Arbeit zu bewältigen: in drei Tagen sollte eine Vaterlandspartei organisirt werden. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe kann in unsrer Zeit nicht gehörig gewürdigt werden, denn man darf sagen, daß in unsrer Zeit die ganze Nation bei jeder Berathung der Lords wie der Gemeinen zugegen ist. Was die Häupter der Ministerialpartei und der Opposition nach Mitternacht sagen, wird von der ganzen Hauptstadt bei Tagesanbruch, von den Bewohnern von Northumberland und Cumberland am Nachmittag und in Irland und den schottischen Hochlanden am andren Morgen gelesen. Daher sind in unseren VI.17 Tagen die Stadien der Gesetzgebung, die Regeln der Debatte, die Taktik der Factionen, die Ansichten, der Character und die Ausdrucksweise jedes thätigen Mitgliedes der beiden Häuser Hunderttausenden bekannt. Jeder, der jetzt ins Parlament kommt, besitzt, was man im siebzehnten Jahrhundert einen reichen Schatz parlamentarischer Kenntnisse genannt haben würde. Diese Kenntnisse konnte man sich damals nur durch praktische parlamentarische Thätigkeit erwerben. Der Unterschied zwischen einem alten und einem neuen Mitgliede war daher eben so groß als zwischen einem Veteranen und einem eben vom Pfluge kommenden Rekruten, und Jakob’s Parlament enthielt eine ganz ungewöhnliche Menge neuer Mitglieder, welche keine politische Kenntnisse, wohl aber eine Menge leidenschaftlicher Vorurtheile von ihren Landsitzen mit nach Westminster gebracht hatten. Diese Herren haßten die Papisten, aber nicht minder haßten sie die Whigs und betrachteten den König mit einer abergläubischen Ehrfurcht. Aus solchen Elementen eine Opposition zu bilden, war eine Aufgabe, welche die größte Geschicklichkeit und zarteste Schonung erforderte. Einige Männer von großem Gewicht nahmen jedoch das schwierige Werk in Angriff und führten es mit gutem Erfolge durch. Mehrere erfahrene whiggistische Staatsmänner, welche keinen Sitz in diesem Parlamente hatten, gaben nützliche Winke und Rathschläge; an dem Tage vor der Eröffnung der Debatte wurden viele Versammlungen gehalten, in denen die Leiter die Neulinge instruirten, und es zeigte sich bald, daß diese Bemühungen nicht vergebens gewesen waren 17 .
16. Commons’ Journals ; Bramston’s Memoirs ; Jakob von Leeuwen an die Generalstaaten, 10.(20.) Nov. 1685. Leeuwen war Sekretär bei der holländischen Gesandtschaft und führte in Citters’ Abwesenheit die Correspondenz. In Betreff Clarges’ siehe Burnet I. 98.
17. Barillon, 16.(26.) Nov. 1685.
Ansichten auswärtiger Regierungen. Die fremden Gesandtschaften waren alle in heftiger Aufregung. Sie erkannten sehr wohl, daß wenige Tage die große Frage entscheiden würden, ob der König von England der Vasall des Königs von Frankreich war oder nicht. Die Gesandten des Hauses Österreich wünschten sehnlich, daß Jakob sein Parlament zufrieden stellen möchte. Innocenz hatte zwei Männer nach London geschickt, welche beauftragt waren, durch Zureden und gutes Beispiel auf Mäßigung zu dringen. Einer von diesen war Johann Leyburn, ein englischer Dominikaner, der Sekretär beim Cardinal Howard gewesen war und der bei einiger Gelehrsamkeit und einem reichen Schatze natürlichen Verstandes der besonnenste, geschickteste und verschwiegenste Mann war, den es geben konnte. Er war unlängst zum Bischof von Adrumetum geweiht und zum apostolischen Vikar in Großbritannien ernannt worden. Ferdinand, Graf von Adda, ein Italiener von nicht gerade ausgezeichneten Geistesgaben, aber von sanftem Character und einnehmendem Wesen, war zum Nuntius ernannt worden. Jakob nahm diese Würdenträger sehr freundlich auf. Seit mehr als einem halben Jahrhundert hatte kein römisch-katholischer Bischof geistliche Functionen auf der Insel verwaltet, und während der hundertsiebenundzwanzig Jahre seit dem Tode Maria’s war kein päpstlicher Nuntius bei uns empfangen worden. Leyburn erhielt eine Wohnung in Whitehall und einen Jahrgehalt von tausend Pfund. Adda nahm noch keinen öffentlichen Character an, galt für einen vornehmen Fremden, der zu seinem Vergnügen nach London gekommen war, erschien täglich bei Hofe und wurde mit großer Auszeichnung behandelt. Beide päpstliche Gesandte thaten ihr Möglichstes, um das Gehässige, das von ihrer amtlichen Stellung unzertrennlich war, zu mildern und den unbesonnen VI.18 Eifer Jakob’s zu dämpfen. Der Nuntius insbesondere erklärte, daß nichts der römischen Kirche nachtheiliger sein könne, als ein Bruch zwischen dem Könige und dem Parlamente 18 .
Barillon war auf der entgegengesetzten Seite thätig. Die Instructionen, welche er bei dieser Gelegenheit von Versailles erhielt, verdienen aufmerksam studirt zu werden, denn sie geben den Schlüssel zu der Politik, die sein Gebieter während der letzten zwanzig Jahre vor unsrer Revolution systematisch gegen England verfolgte. Die Nachrichten von Madrid, schrieb Ludwig, lauteten sehr beunruhigend; man hege dort die sichere Hoffnung, daß Jakob sich mit dem Hause Österreich eng verbinden werde, sobald er die Gewißheit habe, daß sein Parlament ihm nicht zu schaffen machen werde. Unter diesen Umständen lag es augenscheinlich im Interesse Frankreichs, daß das Parlament sich widerspenstig zeigte, und Barillon erhielt daher Befehl, mit aller möglichen Vorsicht gegen etwaige Entdeckung die Rolle eines Friedensstörers zu spielen. Bei Hofe sollte er keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um den religiösen Eifer und den Herrscherstolz Jakob’s aufzustacheln, zu gleicher Zeit aber dürfte es auch wünschenswerth sein, daß er geheime Verbindungen mit den Mißvergnügten unterhalte. Allerdings seien diese Verbindungen gefährlich und erforderten die äußerste Gewandtheit; aber es werde dem Gesandten auf diese Weise vielleicht gelingen, ohne sich und seine Regierung zu compromittiren, den Eifer der Opposition für die Gesetze und Freiheiten Englands zu beleben und dabei zu verstehen zu geben, daß diese Gesetze und Freiheiten von seinem Gebieter nicht mißfällig betrachtet würden 19 .
18. Dodd’s Church History ; Leeuwen, 17.(27.) Nov. 1685; Barillon, 24. Dec. 1685. Barillon sagt von Adda: „On l’avoit fait prévenir que la sureté et l’avantage des Catholiques consistoient dans une réunion entière de Sa Majesté Britannique et de son parlement.“ Briefe von Innocenz an Jakob vom 27. Juli (6. Aug.) und 23. Sept. (3. Octbr.) 1685; Depeschen von Adda vom 9.(19.) u. 16.(26.) Nov. 1685. Die höchst interessante Correspondenz Adda’s, aus den päpstlichen Archiven abgeschrieben, befindet sich im Britischen Museum, nachträgliche Handschriften Nr. 15395.
19. Diese höchst merkwürdige Depesche trägt das Datum vom 9.(19.) Nov. 1685 und findet sich im Anhange zu Fox’ Geschichte.
Comité der Gemeinen wegen der Thronrede. Als Ludwig diese Instructionen ertheilte, ahnete er gewiß nicht, wie bald und vollständig seine Befürchtungen durch Jakob’s Hartnäckigkeit und Dummheit gehoben werden würden. Am 12. November trat das Haus der Gemeinen zu einem Comité zur Berathung der Thronrede zusammen. Der Staatsanwalt Heneage Finch nahm den Präsidentenstuhl ein. Die Debatte wurde von den Oberhäuptern der neuen Vaterlandspartei mit seltenem Takt und Geschick geleitet. Niemandem entschlüpfte ein Ausdruck, der Mangel an Achtung vor dem Souverain oder Sympathie für die Rebellen verrathen hätte. Der Aufstand im Westen wurde stets mit Abscheu erwähnt und von Kirke’s oder Jeffreys’ Grausamkeiten kein Wort gesagt. Es wurde zugegeben, daß die durch die letzen Unruhen verursachten bedeutenden Ausgaben den König berechtigten, eine fernerweite Creditbewilligung zu verlangen, gegen die Vermehrung der Armee und die Verletzung der Testacte aber wurden sehr ernste Einwürfe erhoben.
Den Gegenstand der Testacte übergingen die Höflinge mit geflissentlichem Stillschweigen, dagegen aber hoben sie mit ziemlichem Nachdrucke die großen Vorzüge eines stehenden Heeres vor einer Miliz hervor. Einer VI.19 von ihnen fragte höhnisch, ob die Vertheidigung des Königs etwa den Rindfleischessern überlassen bleiben solle. Ein Andrer äußerte, daß er wohl wissen möchte, wie sich die Milizen von Devonshire, welche vor Monmouth’s Sensenmännern in wilder Verwirrung geflohen seien, den Haustruppen Ludwig’s gegenüber Stand gehalten haben würden. Diese Argumente aber machten auf Kavaliere, die sich noch immer mit bittrem Grolle des strengen Regiments des Protectors erinnerten, wenig Eindruck. Der vornehmste toryistische Landedelmann Englands, Eduard Seymour, gab dem allgemeinen Gefühle energischen Ausdruck. Er gestand zu, daß sich die Miliz nicht in einem befriedigenden Zustande befinde, behauptete aber, daß sie reorganisirt werden könne. Allerdings würde diese Reorganisation Geld kosten, aber er für seine Person wolle lieber eine ganze Million zum Unterhalte eines Heeres geben, von dem er nichts zu fürchten habe, als eine halbe Million für eine Armee, von der er jederzeit Schlimmes befürchten müsse. Führe man eine gute Disciplin bei der Miliz ein und verstärke die Flotte, so werde das Land vollkommen geschützt sein. Ein stehendes Heer sei im besten Falle nichts als ein Blutegel der Staatseinkünfte, der Soldat werde jeder nützlichen Arbeit entzogen, er producire nichts, sondern verzehre nur die Früchte des Gewerbfleißes Anderer und dominire dabei über Diejenigen, die ihn erhalten müßten. Unter jetzigen Umständen aber drohe der Nation nicht nur ein stehendes Heer, sondern ein papistisches stehendes Heer, ein stehendes Heer, das von Männern commandirt werde, welche sehr liebenswürdige und achtbare Leute sein könnten, aber grundsätzlich Feinde der Verfassung des Reiches seien. Sir Wilhelm Twisden, Abgeordneter für die Grafschaft Kent, sprach in gleichem Sinne mit großer Energie und unter lautem Beifalle. Sir Richard Temple, einer von den wenigen Whigs, die in jenem Parlamente saßen, paßte seine Rede geschickt der vorherrschenden Stimmung seiner Zuhörer an und machte sie darauf aufmerksam, daß ein stehendes Heer nach den gemachten Erfahrungen der rechtmäßigen Autorität der Fürsten eben so gefährlich sei als der Freiheit der Völker. Sir Johann Maynard, der gelehrteste Jurist der damaligen Zeit, nahm ebenfalls an der Debatte Theil. Er war jetzt über achtzig Jahre alt und konnte sich noch sehr gut der politischen Zwistigkeiten unter der Regierung Jakob’s I. erinnern. Er hatte im Langen Parlamente gesessen und auf der Seite der Rundköpfe gestanden, hatte aber stets zur Milde und Mäßigung gerathen und sich bemüht, eine allgemeine Aussöhnung herbeizuführen. Seine vom Alter noch nicht geschwächten ausgezeichneten Fähigkeiten und seine juristischen Kenntnisse, durch die er lange Zeit ganz Westminsterhall imponirt hatte, sicherten ihm eine sehr gewichtige Stimme im Hause der Gemeinen. Auch er erklärte sich gegen die Vermehrung des stehenden Heeres.
Nach lebhaften Debatten wurde beschlossen, der Krone einen Credit zu bewilligen, zu gleicher Zeit aber auch eine Bill zur zweckmäßigeren Organisirung der Miliz einzubringen. Dieser letzte Beschluß war gleichbedeutend mit einer Erklärung gegen das stehende Heer. Der König war höchst unzufrieden, und man sprach schon davon, daß, wenn es so fortgehe, die Session nicht von langer Dauer sein werde 20 .
VI.20Am nächsten Morgen begann der Kampf von neuem. Die Sprache der Vaterlandspartei war auffallend kühner und schärfer als am vorigen Tage. Der die Geldbewilligung betreffende Paragraph in der Thronrede des Königs ging dem auf den Test bezüglichen voraus. Aus diesem Grunde schlug Middleton vor, den auf die Geldbewilligung bezüglichen zuerst im Comité zu berathen. Die Opposition verlangte die umgekehrte Reihenfolge; sie behauptete, das vernünftige, und verfassungsmäßige Verfahren sei, erst dann Geld zu bewilligen, wenn den Beschwerden abgeholfen worden, diesem Gebrauche aber würde man untreu, wenn man sich sklavisch an die Reihenfolge binde, in der der König die Gegenstände in der Thronrede erwähnt habe.
Es wurde nun über die Frage abgestimmt, ob Middleton’s Antrag angenommen werden solle. Der Präsident ersuchte die mit „Nein“ Stimmenden, sich in das Vorzimmer zu begeben. Dies verdroß sie heftig und sie beschwerten sich laut über seine Servilität und Parteilichkeit, da sie wußten, daß sie nach der damals geltenden verwickelten und subtilen Regel, welche in unsrer Zeit durch einen verständigeren und zweckmäßigeren Gebrauch ersetzt worden ist, berechtigt waren, auf ihren Plätzen zu bleiben. Auch waren überhaupt alte parlamentarischen Taktiker jener Zeit der Ansicht, daß die im Saale zurückbleibende Partei einen Vortheil gegen die sich entfernende voraus hatte, denn die Einrichtung mit den Bänken war damals noch so mangelhaft, daß Niemand, der so glücklich gewesen war, einen guten Platz zu erlangen, ihn gern einbüßte. Trotzdem sah man zum großen Ärger der Minister viele Mitglieder, auf deren Stimme der Hof zuversichtlich gerechnet hatte, auf die Thür zu gehen. Unter ihnen befand sich der Kriegszahlmeister Karl Fox, Sohn des Sekretärs beim Hofmarschallgericht, Sir Stephan Fox. Der Zahlmeister hatte sich durch seine Freunde überreden lassen, während eines Theils der Debatte hinauszugehen; aber es quälte ihn eine unerträgliche Angst. Er kehrte daher in das Präsidentenzimmer zurück, hörte einen Theil der Debatte mit an, entfernte sich dann wieder, und nachdem er eine oder zwei Stunden zwischen seinem Gewissen und seinem Jahrgehalt von fünftausend Pfund geschwankt hatte, faßte er einen mannhaften Entschluß und eilte gerade noch zur rechten Zeit, um seine Stimme abzugeben, in den Saal zurück. Zwei Offiziere von der Armee, der Oberst Johann Darey, Sohn des Lord Conyers, und der Hauptmann Jakob Kendall, begaben sich ebenfalls ins Vorzimmer. Middleton ging an die Schranke hinab und setzte sie heftig zur Rede, wobei er sich vorzugsweise an Kendall wendete, einen unbemittelten Anhänger des Hofes, der auf Befehl des Königs von einem bestochenen Wahlkörper in Cornwall ins Parlament geschickt worden war und kürzlich hundert zur Deportation verurtheilte Rebellen zum Geschenk erhalten hatte. „Sir“, fragte VI.21 Middleton, „commandiren Sie nicht eine Abtheilung Reiterei in Seiner Majestät Diensten?“ — „Allerdings, Mylord“, antwortete Kendall, „aber mein älterer Bruder ist eben gestorben und hat mir siebenhundert Pfund jährlich hinterlassen.“
20. Commons’ Journals, Nov. 12. 1685 ; Leeuwen, 13.(23.) Nov.; Barillon, 16.(26.) Nov.; Sir John Bramston’s Memoirs . Der beste Bericht über die Verhandlungen des Hauses der Gemeinen vom Nov. 1685 hat eine ziemlich merkwürdige Geschichte. Es befinden sich zwei geschriebene Copien davon im Britischen Museum (Harl. 7187 & Lansd. 253). In diesen Copien sind die Namen der Sprecher ausgeschrieben. Der Verfasser der 1702 erschienenen Lebensbeschreibung Jakob’s, nahm diesen Bericht auf, gab aber nur die Anfangsbuchstaben der Redner an. Die Herausgeber von Chandler’s Debates und der Parliamentary History riethen von diesen Anfangsbuchstaben auf die Namen und riethen zuweilen falsch. So schreiben sie eine ausgezeichnete Rede, welche später erwähnt werden wird, Waller zu, während sie von Windham, dem Abgeordneten von Salisbury , gehalten wurde. Zu meinem Bedauern sah ich mich gezwungen, die Meinung aufzugeben, daß die letzten öffentlich gesprochenen Worte Wallers so ehrenvoll für ihn waren.
Niederlage der Regierung. Als die Stimmenzähler ihr Geschäft beendet hatten, ergaben sich hundertzweiundachtzig bejahende und hundertdreiundachtzig verneinende Stimmen. Also in einem Unterhause, welches durch gewissenlose Anwendung von Ränken, Bestechungen und Gewaltmaßregeln zusammengebracht war und von dem Jakob gesagt hatte, daß elf Zwölftel der Mitglieder so seien, wie er sie selbst gewählt haben würde, in einem solchen Unterhause erfuhr der Hof in einer Lebensfrage eine Niederlage 21 .
In Folge dieser Abstimmung wurden die Ausdrücke, deren sich der König rücksichtlich des Testes bedient hatte, am 13. November in Erwägung gezogen. Nach einer langen Discussion wurde beschlossen, ihm eine Adresse zu überreichen, worin er erinnert werden sollte, daß er dem Gesetze nach hinfüro keine Beamten mehr anstellen dürfe, welche den Zulässigkeitseid verweigerten und durch die er zugleich aufgefordert werden sollte, Verfügungen zu treffen, welche geeignet wären, die Besorgnisse und das Mißtrauen seines Volks zu zerstreuen 22 .
Dann wurde der Antrag gestellt, daß die Lords ersucht werden sollten, sich der Adresse anzuschließen. Ob dieser Antrag ehrlicherweise von der Opposition gestellt wurde, in der Hoffnung, daß der Anschluß der Peers der Gegenvorstellung mehr Gewicht geben werde, oder ob er arglistigerweise von der Hofpartei ausging, welche hofften, dadurch einen Bruch zwischen den beiden Häusern herbeizuführen, läßt sich nicht mehr ermitteln. Der Antrag wurde indessen verworfen. 23
Das Haus constituirte sich hierauf zu einem Comité, um über den Betrag des zu bewilligenden Credits zu berathen. Der König brauchte vierzehnhunderttausend Pfund, aber die Minister sahen wohl ein, daß sie eine so große Summe vergebens fordern würden. Der Kanzler der Schatzkammer sprach von zwölfhunderttausend Pfund. Die Häupter der Opposition VI.22 erwiederten, daß sie durch Bewilligung eine solchen Summe die beständige Dauer des gegenwärtigen Militairetats votiren würden; sie seien nicht geneigt, mehr zu geben, als hinreiche, um die regulären Truppen so lange auf dem Kriegsfuße zu erhalten, bis die Miliz neu organisirt werden könne, und schlügen deshalb vierhunderttausend Pfund vor. Die Höflinge waren entrüstet über diesen Vorschlag, den sie als unwürdig des Hauses und respectwidrig gegen den König bezeichneten; aber sie stießen auf nachdrücklichen Widerstand. Einer der Abgeordneten aus dem Westen, Johann Windham, der Salisbury vertrat, zeichnete sich besonders aus. Er sagte, er habe die stehenden Heere von jeher mit Besorgniß und Widerwillen betrachtet, und neuerdings gemachte Erfahrungen hätten ihn in dieser Ansicht bestärkt. Dann wagte er es, ein Thema zu berühren, das bis jetzt geflissentlich umgangen worden war. Er schilderte die traurige Lage der westlichen Grafschaften. Das Volk, sagte er, sei müde der Bedrückungen durch die Truppen, müde der freien Einquartierungen, der Räubereien und der noch ruchloseren Vergehen, welche das Gesetz Felonien nenne, gegen die man aber, wenn sie von dieser Klasse von Verbrechern begangen würden, keine Abhülfe erlangen könne. Die Diener des Königs hätten zwar dem Hause gesagt, daß vortreffliche Verordnungen in Betreff des Benehmens der Armee erlassen worden seien, allein Niemand könne behaupten, daß diese Verordnungen auch befolgt würden. Was müsse man nothwendig daraus schließen? Beweise nicht der Widerspruch zwischen den väterlichen Verordnungen des Thrones und der unerträglichen Tyrannei der Soldaten, daß die Armee schon jetzt für den Fürsten sowohl als für das Volk zu stark sei? Die Gemeinen könnten also sicherlich, ohne sich selbst zu wiedersprechen, ihr volles Vertrauen in die guten Absichten Seiner Majestät ausdrücken und dennoch jede Vermehrung einer Armee verweigern, die Seine Majestät offenbar nicht zu zügeln vermöchte.
21. Common’s Journals, Nov. 13. 1685 ; Bramston’s Memoirs ; Reresby’s Memoirs ; Barillon, 16.(26.) Nov.; Leeuwen, 13.(23.) Nov.; Memoirs of Sir Stephen Fox, 1717 ; The Case of the Church of England fairly stated ; Burnet I. 666 , und Präsident Onslow’s Note.
22. Commons’ Journals, Nov. 1685 ; Harl. MS. 7187 ; Lansd. MS. 253.
23. Der Widerspruch zwischen den Zeugnissen über diesen Gegenstand ist auffallend und nach reiflicher Erwägung muß ich gestehen, daß sie einander die Wage zu halten scheinen. In Jakob’s Lebensbeschreibung (1702) wird der Antrag als vom Hofe ausgegangen dargestellt, und diese Ansicht wird durch eine bemerkenswerthe Stelle in den Stuart-Papieren bestätigt, welche von dem Prätendenten selbst corrigirt wurde. ( Clarke’s Life of James the Second, II. 55. ) Dagegen stellen Reresby, der anwesend war, und Barillon, der gut unterrichtet sein konnte, den Antrag als von der Opposition ausgegangen dar. Die Harley- und Lansdowne-Manuscripte differiren gerade in dem einzigen Worte, auf das Alles ankommt. Bramston war leider an jenem Tage nicht in der Sitzung. Jakob Van Leeuwen erwähnt zwar des Antrags und der Abstimmung, setzt aber kein Wort hinzu, das auf den Stand der Parteien das mindeste Licht werfen könnte. Auch muß ich gestehen, daß ich nicht im Stande bin, aus den Namen der Stimmenzähler, Sir Joseph Williamson und Sir Franz Russell für die Majorität, Lord Ancram und Sir Heinrich Goodricke für die Minorität, einen irgend zuverlässigen Schluß zu ziehen. Ich möchte es für wahrscheinlich halten, daß Lord Ancram mit dem Hofe und Sir Heinrich Goodricke mit der Opposition gegangen sind.
Zweite Niederlage der Regierung. Der Antrag, daß die zu bewilligende Summe vierhunderttausend Pfund nicht übersteigen solle, fiel mit zwölf Stimmen durch. Dieser Sieg der Minister war jedoch nicht viel besser als eine Niederlage. Die Häupter der Vaterlandspartei, durchaus nicht entmuthigt, zogen sich ein wenig zurück, hielten dann wieder Stand und schlugen siebenhunderttausend Pfund vor. Das Comité schritt zur Abstimmung und die Hofpartei wurde mit zweihundertzwölf Stimmen gegen hundertsiebzig geschlagen 24 .
24. Commons’ Journals, Novbr. 16, 1685 ; Harl. MS. 7187 ; Lansd. MS. 235.
Der König giebt den Gemeinen einen Verweis. Am folgenden Tage begaben sich die Gemeinen mit ihrer Adresse in Bezug auf den Test in Prozession nach Whitehall. Der König empfing sie auf dem Throne. Die Adresse war in ehrerbietiger und herzlicher Sprache abgefaßt, denn die große Mehrheit Derer, die dafür gestimmt hatten, war eifrig und sogar abergläubisch loyal und hatte schon zur Einflechtung einiger schmeichelhaften Redensarten und zur Vermeidung jedes von den Höflingen für anstößig gehaltenen Wortes bereitwilligst ihre Zustimmung gegeben. Jakob’s Antwort war ein kalter und mürrischer Verweis. Er sprach sein entschiedenes Mißfallen und Erstaunen aus, daß die Gemeinen die Ermahnungen, die er ihnen gegeben, so wenig berücksichtigt hätten. VI.23 „Doch was Sie auch thun mögen,“ setzte er hinzu, „ich werde alle Ihnen gegebenen Versprechungen unverbrüchlich halten.“ 25
Mißvergnügt, aber auch ein wenig eingeschüchtert, versammelten sich die Gemeinen wieder in ihrer Kammer. Für die meisten von ihnen war der König noch immer ein Gegenstand kindlicher Verehrung. Drei weitere Jahre voll Ungerechtigkeiten und voll Beleidigungen, welche noch kränkender waren als Ungerechtigkeiten, reichten kaum hin, das Band zu zerreißen, welches die Kavaliergentry an den Thron fesselte.
Der Sprecher wiederholte den wesentlichen Inhalt der königlichen Antwort. Es trat eine feierliche Stille ein, dann wurde, wie gewöhnlich, die Tagesordnung verlesen und das Haus bildete sich zum Comité behufs der Berathung der Bill wegen Reorganisation der Miliz.
25. Commons’ Journals, Nov. 17, 18. 1685.
Coke wird wegen Verletzung der dem Könige schuldigen Achtung von den Gemeinen mit Gefängnißstrafe belegt. In wenigen Stunden aber lebte der Oppositionsgeist wieder auf. Als gegen das Ende der Sitzung der Sprecher seinen Stuhl wieder eingenommen hatte, stellte Wharton, der kühnste und thätigste der Whigs, den Antrag, daß ein Tag bestimmt werden solle, um die Antwort Seiner Majestät in Erwägung zu ziehen. Johann Coke, Abgeordneter für Derby, unterstützte Wharton, obgleich er ein bekannter Tory war. „Ich hoffe,“ sagte er, „daß wir alle Engländer sind und uns durch einige hohe Worte nicht von unsrer Pflicht zurückschrecken lassen werden.“
Das war männlich, aber nicht klug gesprochen. Das ganze Haus gerieth in stürmische Aufregung. „Schreibt seine Worte nieder!“ „Vor die Barre!“ „In den Tower!“ erscholl es von allen Seiten. Die Nachsichtigsten schlugen vor, dem Beleidiger einen Verweis zu geben; die Minister aber bestanden mit Heftigkeit darauf, daß er in Haft geschickt werden solle. Das Haus, sagte er, möge Beleidigungen gegen sich selbst verzeihen, habe aber nicht das Recht, eine Beleidigung der Krone zu vergeben. Coke wurde in den Tower geschickt. Die Übereilung eines Einzelnen zerstörte das ganze von den Häuptern der Opposition so geschickt entworfene Operationssystem. Umsonst versuchte es in diesem Augenblicke Eduard Seymour, seine Anhänger wieder zu sammeln, forderte sie auf, einen Tag zur Berathung über die königliche Antwort zu bestimmen und sprach die zuversichtliche Erwartung aus, die Discussion werde mit derjenigen Achtung geführt werden, welche Unterthanen ihrem Herrscher schuldig seien. Die Mitglieder waren durch das Mißfallen des Königs so sehr eingeschüchtert und über Coke’s Rücksichtslosigkeit so aufgebracht, daß eine Abstimmung nicht rathsam gewesen wäre 26 .
Das Haus vertagte sich und die Minister schmeichelten sich mit der Hoffnung, daß der Geist der Opposition bezwungen sei. Aber am nächstfolgenden Tage, dem 19. November, zeigten sich neue beunruhigende Symptome. Die Zeit war gekommen, um die aus allen Theilen Englands eingegangenen Petitionen gegen die letzten Wahlen in Erwägung zu ziehen. Als Seymour sich in der ersten Zusammenkunft des Parlaments über die Gewalt und Hinterlist beschwert, wodurch die Regierung die Wahlkörper in dem freien Ausdrucke ihrer Meinung behindert habe, hatte VI.24 er keine Unterstützung gefunden. Viele aber, welche damals von seiner Seite gewichen waren, hatten sich später ein Herz gefaßt und hatten mit Johann Lowther, dem Abgeordneten von Cumberland, an der Spitze, vor dem Auseinandergehen auf Untersuchung der Mißbräuche angetragen, welche das Volk so heftig aufgeregt hätten. Jetzt war das Haus in einer viel mißmuthigeren Stimmung und es erhoben sich zahlreiche Stimmen mit kühnen Drohungen und Anklagen. Man sagte den Ministern, die Nation erwarte kräftige Abhülfe und werde sie erlangen. Inzwischen wurde geschickt darauf hingedeutet, daß die beste Genugthuung, welche ein durch ordnungswidrige Mittel ins Parlament gewählter Gentleman dem Publikum geben könne, darin bestehe, daß er seine übel erworbene Macht zur Verteidigung der Religion und der Freiheiten seines Vaterlandes anwende. Kein Mitglied, das in dieser Krisis seine Pflicht thue, habe etwas zu fürchten. Es könne sein, daß man ihm seinen Sitz im Hause vorenthalten müsse, aber der ganze Einfluß der Opposition werde dann aufgeboten werden, um seine Wiedererwählung durchzusetzen. 27
26. Commons’ Journals, Nov. 18. 1685 ; Harl. MS. 7187 ; Lansd. MS. 253 ; Burnet I. 667.
27. Lonsdale’s Memoirs. Burnet sagt uns (I. 667), daß nach Coke’s Verhaftung im Hause der Gemeinen eine heftige Debatte über die Wahlen stattgefunden habe. Dies muß also am 19. November gewesen sein, denn Coke wurde am Abend des 18. in den Tower geschickt und am 20. wurde das Parlament prorogirt. Burnet’s Angabe wird auch durch die Protokolle bestätigt, aus denen hervorgeht, daß am 19. über mehrere Wahlen debattirt wurde.
Opposition gegen die Regierung im Hause der Lords. Der Earl von Devonshire. An dem nämlichen Tage zeigte es sich auch klar, daß der Oppositionsgeist sich von den Gemeinen in das Haus der Lords und selbst bis auf die Bank der Bischöfe verbreitet hatte. Wilhelm Cavendish, Earl von Devonshire, stellte sich im Oberhause an die Spitze, und er war ganz dazu geeignet. In Reichthum und Einfluß stand er keinem andren englischen Edelmanne nach, und er galt allgemein für den feinsten Gentleman seiner Zeit. Seine Prachtliebe, sein ausgezeichneter Geschmack, seine Talente, seine klassische Bildung, seine Hochherzigkeit und sein liebenswürdiges, herablassendes Benehmen wurden selbst von seinen Feinden anerkannt; leider aber konnten seine Lobredner nicht behaupten, daß seine Sittlichkeit von der damals so weit verbreiteten Ansteckung frei geblieben sei. Obwohl ein Feind des Papismus und der willkürlichen Gewalt, hegte er doch eine entschiedene Abneigung gegen jede Überstürzung, war, als die Ausschließungsbill fiel, zu einem Vergleiche bereit gewesen und hatte sich nie an den gesetzwidrigen und übereilten Plänen betheiligt, welche die Whigpartei in einen so üblen Geruch gebracht hatten. Aber wenn er auch das Verfahren seiner Freunde zum Theil mißbilligte, so erfüllte er deshalb doch mit gewissenhaftem Eifer die schwierigsten und gefährlichsten Pflichten der Freundschaft. Er hatte neben Russell an den Schranken gestanden, hatte an dem schauerlichen Morgen der Hinrichtung mit innigen Umarmungen und unter heißen Thränen von ihm Abschied genommen und sich sogar erboten, ihm mit Gefahr seines eignen Lebens zur Flucht zu verhelfen. 28 Dieser große Edelmann trug jetzt darauf an, daß ein Tag zur Berathung über die Thronrede festgesetzt werden sollte. Auf der andren Seite wurde behauptet, die Lords hätten sich durch ihr Dankvotum für die Thronrede bereits jede Möglichkeit, VI.25 Beschwerden dagegen zu erheben, abgeschnitten. Aber dieser Einwand wurde von Halifax mit Verachtung zurückgewiesen. „Solche Dankesbezeigungen“, sagte er mit dem sarkastischen Scherze, durch den er sich auszeichnete, „schließen keine Billigung in sich. Wir sind unsrem gnädigen Herrn und Gebieter stets dankbar, wenn er mit uns zu sprechen geruht, und ganz besonders dankbar sind wir ihm, wenn er, wie im vorliegenden Falle, gerade heraus spricht und uns offen sagt, was wir zu gewärtigen haben“. 29
28. Burnet, I. 560 ; Funeral Sermon of the Duke of Devonshire, preached by Kennet, 1708 ; Travels of Cosmo III. in England.
29. Bramston’s Memoirs . Burnet irrt sich sowohl in der Zeit, wo diese Bemerkung gemacht wurde, als auch in der Person, von der sie herrührt. In Halifax’ Brief an einen Dissenter findet sich eine interessante Anspielung auf diese Discussion.
Der Bischof von London. Doctor Heinrich Compton, Bischof von London, sprach nachdrücklich zu Gunsten des Antrags. Obgleich dieser Mann nicht mit ausgezeichneten Fähigkeiten begabt, noch in seinen Berufswissenschaften gründlich bewandert war, so wurde er doch stets mit Ehrerbietung von dem Hause angehört, denn er war einer der wenigen Geistlichen jener Zeit, die sich adeligen Blutes rühmen konnten. Er selbst und seine ganze Familie hatten ausgezeichnete Beweise ihrer Loyalität gegeben. Sein Vater, der zweite Earl von Northumberland, hatte für König Karl I. tapfer gefochten und war, von Parlamentssoldaten umzingelt, mit dem Schwerte in der Hand gefallen, weil er sich weigerte, Pardon zu geben oder anzunehmen. Der Bischof selbst hatte vor seiner Ordination in der Garde gedient, und obgleich er sich im Allgemeinen nach Kräften bemühte, die einem Prälaten ziemende Würde und Ruhe zu bewahren, so zuckten doch gelegentlich einige Blitze seines militairischen Geistes hervor. Er hatte die religiöse Erziehung der beiden Prinzessinnen geleitet und diese wichtige Aufgabe in einer Weise gelöst, die alle guten Protestanten zufrieden stellte und ihm einen bedeutenden Einfluß auf die Gemüther seiner Zöglinge, namentlich der Prinzessin Anna sicherte. Jetzt erklärte er, er sei ermächtigt, die Gesinnung seiner Amtsbrüder auszusprechen und ihrer wie seiner eignen Ansicht nach sei die ganze bürgerliche und kirchliche Verfassung des Reiches in Gefahr. 30
30. Wood, Ath. Ox. ; Gooch’s Funeral Sermon on Bishop Compton.
Viscount Mordaunt. Eine der merkwürdigsten Reden jenes Tages wurde von einem jungen Manne gehalten, dessen excentrische Laufbahn später ganz Europa in Erstaunen setzen sollte. Es war Karl Mordaunt, Viscount von Mordaunt, viele Jahre später weit und breit bekannt als Earl von Peterborough. Er hatte schon zahlreiche Beweise seines Muthes, seiner Befähigung und jener sonderbaren Verschrobenheit des Geistes gegeben, durch welche sein Muth und seine Fähigkeiten für sein Vaterland völlig nutzlos wurden. Schon hatte er sich als Schöngeist und Gelehrter, als Soldat und als Seemann ausgezeichnet, und er hatte sich sogar vorgenommen, mit Bourdaloue und Bossuet in die Schranken zu treten. Obgleich ein erklärter Freidenker, hatte er doch auf der See ganze Nächte durchwacht, um Predigten auszuarbeiten, und war nur mit großer Mühe daran gehindert worden, die Mannschaft eines Kriegsschiffes durch seine frommen Vorträge zu erbauen. 31 Er sprach jetzt zum ersten Male mit der ihm eigenen Beredsamkeit, Lebhaftigkeit und Keckheit zu den Lords. Er tadelte die Gemeinen, daß sie nicht kühner aufgetreten seien. VI.26 „Sie haben nicht den Muth gehabt, mit der Sprache herauszugehen,“ sagte er. „Sie haben von Besorgnissen und Mißtrauen gesprochen. Was haben Besorgniß und Mißtrauen hiermit zu thun? Besorgniß und Mißtrauen sind Gefühle, mit denen wir zukünftigen und noch ungewissen Übeln entgegensehen. Das Übel aber, mit dem wir es hier zu thun haben, ist weder ein zukünftiges, noch ein ungewisses. Ein stehendes Heer existirt, und es ist von Papisten befehligt. Wir haben keinen auswärtigen Feind, auch keinen Aufstand im Lande. Wozu wird also diese Streitmacht anders unterhalten als zu dem Zwecke, unsere Gesetze umzustoßen und jene Willkürherrschaft einzuführen, welche die Engländer mit Recht verabscheuen?“ 32
Jeffreys sprach gegen den Antrag in der rohen und gemeinen Sprache, in der er Meister war; aber er überzeugte sich bald, daß es nicht so leicht war, die stolzen und mächtigen Barone Englands in ihrem eigenen Saale einzuschüchtern, als Advokaten, deren Existenz von seiner Gunst abhing, und Gefangene, deren Kopf in seiner Gewalt war, niederzudonnern. Ein Mann, der sein ganzes Leben damit hingebracht hat, anzugreifen und zu dominiren, spielt in der Regel eine jämmerliche Figur, wenn er mit energischem Nachdruck angegriffen wird, mögen seine Talente und sein Muth noch so groß sein, denn da er nicht gewohnt ist, sich vertheidigen zu müssen, wird er verlegen, und das Bewußtsein, daß Alle, die er gekränkt und beleidigt hat, sich über seine Verlegenheit freuen, verwirrt ihn immer mehr. Jeffreys wurde jetzt zum ersten Male, seit er ein großer Mann war, auf gleichem Fuße von Gegnern angegriffen, die ihn nicht fürchteten. Zum allgemeinen Ergötzen sprang er plötzlich vom höchsten Übermuth zur tiefsten Erniedrigung über und konnte sich nicht enthalten, aus Wuth und Ärger zu weinen. 33 Es fehlte in der That nichts zu seiner Demüthigung, denn das Haus war mit etwa hundert Peers gefüllt, eine größere Anzahl, als selbst an dem hochwichtigen Tage der Ausschließungsbill abgestimmt hatten. Auch der König war anwesend. Sein Bruder pflegte seiner Zeit den Sitzungen der Lords zum Vergnügen beizuwohnen und sagte oft, eine parlamentarische Debatte sei eben so unterhaltend wie eine Komödie. Jakob kam jedoch nicht, um sich zu amüsiren, sondern in der Hoffnung, daß die Discussion durch seine Anwesenheit in den Schranken der Mäßigung zurückgehalten werden würde. Er sah sich aber getäuscht. Das Haus sprach seine Meinung so kräftig aus, daß die VI.27 Höflinge nach einer überaus kühnen Schlußrede von Halifax es nicht wagten, eine Abstimmung zu verlangen. Einer der nächsten Tage wurde zur Erwägung der Thronrede festgesetzt und der Wunsch ausgesprochen, daß jeder nicht zu weit von Westminster entfernt wohnende Peer auf seinem Platze sein möchte. 34
31. Teonge’s Diary.
32. Barillon giebt uns die beste Auskunft über diese Debatte. Ich will seinen Bericht über Mordaunt’s Rede hier im Auszuge anführen. „Milord Mordaunt, quoique jeune, parla avec éloquence et avec force. Il dit que la question n’étoit pas réduite, comme la Chambre des Communes le prétendoit, à guérir des jalousies et défiances, qui avoient lieu dans les choses incertaines; mais que ce qui se passoit ne l’étoit pas, qu’il y avoit une armée sur pied qui subsistoit, et qui étoit remplie d’officiers Catholiques, qui ne pouvoit être conservée, que pour le renversement des loix, et que la subsistance de l’armée, quand il n’y a aucune guerre ni au dedans ni au dehors, étoit l’établissement du gouvernement arbitraire, pour lequel les Anglois ont une aversion si bien fondée.“
33. Er war sehr leicht zu Thränen zu rühren. „Wenn er kühn angegriffen wurde,“ sagt der Verfasser der Panegyric , „kann er sich der Thränen nicht enthalten.“ An einer andren Stelle heißt es: „Man spricht immer von seinem trotzigen und anmaßenden Wesen; konnte ein so hochstehender Mann seine Demuth besser beweisen als durch Weinen und Schluchzen?“ In der Antwort auf die Lobrede wird gesagt: „Der Umstand, daß er seine Thränen nicht zurückhalten konnte, machte ihn unfähig zum Heuchler.“
34. Lords’ Journals, Nov. 19. 1685 ; Barillon, 23. Nov. (3. Dec.); Holländische Depesche vom 20.(30.) Nov.; Luttrell’s Diary, Nov. 19. ; Burnet, I. 665. Halifax’ Schlußrede wird von dem Nuntius in seiner Depesche vom 16.(26.) Nov. erwähnt. Etwa einen Monat später stellt Adda dem Talent Halifax’ ein glänzendes Zeugniß aus: „Da questo uomo che ha gran credito nel parlamento, e grande eloquenza, non si possono attendere che fieri contradizioni, e nel partito Regio non vi è un uomo da contrapporsi.“ 21.(31.) Dec.
Prorogation des Parlaments. Am folgenden Morgen kam der König in seinen Staatskleidern in das Haus der Lords. Der Thürsteher mit dem schwarzen Stabe beschied die Gemeinen vor die Schranken und der Kanzler kündigte ihnen an, daß das Parlament bis zum 10. Februar prorogirt sei. 35 Die Mitglieder, welche gegen den Hof gestimmt hatten, wurden aus dem Staatsdienste entlassen; Karl Fox ward seines Zahlmeisteramtes enthoben; der Bischof von London hörte auf, Dechant der königlichen Kapelle zu sein und wurde aus der Liste der Geheimen Räthe gestrichen.
Durch diese Prorogation wurde ein Prozeß von der höchsten Wichtigkeit beendigt. Thomas Grey, Earl von Stamford, der Sprosse eines der vornehmsten Häuser Englands, war unlängst unter einer auf Hochverrath lautenden Anklage verhaftet und im Tower in strenges Gewahrsam gebracht worden. Er war der Betheiligung an dem Ryehousecomplot angeklagt. Die große Jury der City von London hatte die Anklage begründet gefunden und sie vor die Schranken der Lords gebracht, der einzige Gerichtshof, bei dem ein weltlicher Peer während der Parlamentssession wegen eines Verbrechens, das über einem gewöhnlichen Vergehen steht, angeklagt werden kann. Der 1. December war zur Verhandlung anberaumt und schon Befehl gegeben, daß Westminster mit Sitzen und Behängen versehen werden sollte. In Folge der Prorogation aber wurde dieser Prozeß auf unbestimmte Zeit vertagt und Stamford erlangte bald seine Freiheit wieder. 36
Außerdem waren beim Schlusse der Session noch drei andere hochangesehene Whigs in Haft. Karl Gerard, Lord Gerard von Bramdon, der älteste Sohn des Earl von Macclesfield, Johann Hampden, Enkel des berühmten Führers des Langen Parlaments, und Heinrich Booth, Lord Delamere. Gerard und Hampden waren der Theilnahme an dem Ryehousecomplot, Delamere der Unterstützung des Aufstandes im Westen angeklagt.
Prozeß Lord Gerard’s und Hampden’s. Es war nicht die Absicht der Regierung, Gerard oder Hampden mit dem Tode zu bestrafen. Grey hatte sich Schonung ihres Lebens ausbedungen, ehe er einwilligte, als Zeuge gegen sie aufzutreten. 37 Aber man hatte einen noch gewichtigeren Grund, um Nachsicht gegen sie zu üben. Sie waren die Erben großer Besitzungen, aber ihre Väter lebten noch. Der Hof VI.28 konnte daher durch Confiscation sehr wenig gewinnen, um so mehr aber durch Auflegung eines Lösegeldes. Gerard wurde verhört, und nach den dürftigen Nachrichten, welche auf uns gekommen sind, scheint er sich mit viel Geist und Nachdruck vertheidigt zu haben. Er berief sich auf die Anstrengungen und Opfer, die seine Familie zu Gunsten Karl’s I. aufgewendet habe und bewies, daß Rumsey durchaus keinen Glauben verdiene, da er Russell und Cornish durch zwei ganz von einander abweichende Aussagen gemordet habe. Die Jury gab nach einigem Zögern ihr „Schuldig“ ab. Nach langer Haft durfte Gerard sich loskaufen. 38 Hampden hatte die politische Meinung und einen großen Theil der Fähigkeiten seines Großvaters geerbt, in Betreff der Biederkeit und des Muthes aber, durch welche Letzterer sich ausgezeichnet hatte, war er aus der Art geschlagen. Man ließ den Gefangenen mit raffinirter Grausamkeit lange in quälender Ungewißheit, um seine Familie zur Bezahlung einer großen Summe für seine Begnadigung zu bewegen. Die beständige Todesangst hatte seinen Muth völlig gebrochen, und als er vor den Schranken der Old Bailey erschien, bekannte er sich nicht nur für schuldig, sondern entehrte auch seinen berühmten Namen durch kriechende Unterwürfigkeit und demüthige Bitten. Er versicherte, daß er in den Mordplan nicht eingeweiht gewesen sei, gestand aber, daß er Revolutionsideen gehegt habe, äußerte tiefe Reue über sein Vergehen, erflehte die Fürsprache der Richter und gelobte, daß, wenn die königliche Gnade ihm zu Theil würde, er während seines ganzen Lebens seine Dankbarkeit für diese große Güte an den Tag legen wolle. Die Whigs waren empört über seinen Kleinmuth und erklärten laut, daß er weit mehr Tadel verdiene als Grey, der, obgleich er als Königszeuge aufgetreten sei, doch einen gewissen Anstand dabei beobachtet habe. Hampden’s Leben wurde geschont, aber seine Familie bezahlte dem Kanzler mehrere Tausend Pfund, und einige Höflinge niederen Ranges erpreßten kleinere Summen von ihm. Der unglückliche Mann hatte noch Ehrgefühl genug, um die Erniedrigung, zu der er sich herabgelassen, schmerzlich zu empfinden. Er überlebte den Tag seiner Schande mehrere Jahre. Er lebte noch so lange, um seine Partei triumphiren zu sehen, noch einmal ein einflußreiches Mitglied derselben zu werden, eine hohe Stellung im Staate einzunehmen und seine Verfolger vor sich zittern zu sehen. Aber sein Glück wurde durch eine quälende Erinnerung verbittert. Er erlangte nie seinen heiteren Sinn wieder und starb endlich von seiner eignen Hand. 39
37. Burnet, I. 646.
38. Bramston’s Memoirs ; Luttrell’s Diary.
39. Der Prozeß in der Collection of State Trials ; Bramston’s Memoirs ; Burnet, I. 647 ; Lords’ Journals, Dec. 20. 1689.
Delamere’s Prozeß. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß Delamere die königliche Gnade erlangt haben würde, wenn er ihrer bedurft hätte. Soviel ist wenigstens gewiß, daß jeder Vortheil, den der Buchstabe des Gesetzes der Regierung gewährte, ohne Bedenken und ohne Scham gegen ihn benutzt wurde. Er befand sich in einer ganz andren Lage als Stamford. Die Anklage gegen Letzteren war während der Parlamentssession vor die Schranken der Lords gebracht worden und konnte daher vor dem Wiederzusammentritt des Parlaments nicht weiter verfolgt werden; dann konnten alle Peers ihre Stimmen abgeben, um sowohl über das Rechtliche als über das Thatsächliche zu entscheiden. Delamere’s VI.29 Anklage aber war erst nach der Prorogation als begründet erkannt worden. 40 Er stand daher unter der Jurisdiction des Gerichtshofes des Lordgroßrichters. Dieser Gerichtshof, welcher, so lange das Parlament nicht versammelt ist, über alle von weltlichen Peers begangenen Kapitalverbrechen ( treasons and felonies ) zu erkennen hat, war damals so zusammengesetzt, daß kein Gefangener, der eines politischen Vergehens angeklagt war, ein unparteiisches Urtel zu erwarten hatte. Der König ernannte den Lordgroßrichter und dieser ernannte nach seinem Gutdünken gewisse Peers, welche über ihren angeklagten Collegen richten sollten. Die Zahl derselben war unbestimmt und eine Appellation gegen ihren Ausspruch nicht statthaft. Eine einfache Majorität, vorausgesetzt, daß sie aus zwölf Personen bestand, genügte zur Schuldigerklärung. Über die Rechtsfrage entschied nur der Lordgroßrichter, und die beisitzenden Lords bildeten eine bloße Jury, die über den Thatbestand zu entscheiden hatte. Jeffreys wurde zum Lordgroßrichter ernannt. Er wählte dreißig Peers und seine Wahl war für den Mann wie für seine Zeit bezeichnend. Alle Dreißig waren entschiedene politische Gegner des Gefangenen. Fünfzehn davon waren Regimentsobersten und konnten vom Könige nach Belieben ihres einträglichen Commando’s enthoben werden. Unter den übrigen Fünfzehn befanden sich der Lordschatzmeister, der erste Staatssekretär, der Obersthofmeister, der Haushofmeister, der Hauptmann der königlichen Leibgarde, der Kammerherr der Königin und andere Personen, welche durch starke Bande des Interesses an den Hof geknüpft waren. Dessenungeachtet hatte Delamere einige große Vortheile über die untergeordneteren Angeklagten, welche vor die Old Bailey gefordert waren. Hier waren die Geschwornen heftige Parteigänger, welche von höfischen Sheriffs auf einen Tag aus der Masse der Gesellschaft genommen wurden, um sogleich darauf wieder unter dieser Masse zu verschwinden, durch keine Rücksichten des Schamgefühls gebunden, und da sie wenig daran gewöhnt waren, Beweise sorgfältig zu erwägen, so folgten sie unbedenklich den Weisungen der Richter. Beim Gerichtshofe des Lordgroßrichters dagegen war jeder beisitzende Lord ein Mann von einiger Geschäftserfahrung. Jeder von ihnen nahm eine hohe Stellung in der Gesellschaft ein, jeder mußte einzeln aufstehen und vor einem zahlreichen Zuhörerkreise auf Ehre und Gewissen sein Urtheil abgeben, und dieses Urtheil wurde mit seinem Namen versehen, der ganzen Welt bekannt gemacht und lebte in der Geschichte fort. Dazu kam noch, daß, obgleich die ausgewählten Adeligen sämmtlich Tories und fast durchgehends öffentliche Beamte waren, doch schon viele von ihnen angefangen hatten, mit Besorgniß die Schritte des Königs zu betrachten und zu fürchten, daß sie wohl bald in den nämlichen Fall kommen könnten wie Delamere.
Jeffreys benahm sich wie gewöhnlich übermüthig und ungerecht. Allerdings hatte er einen alten Groll, der seinen Eifer aufstachelte. Er war Oberrichter von Chester gewesen, als Delamere, damals Mr. Booth, diese Grafschaft im Parlamente vertrat. Booth hatte sich bei den Gemeinen bitter beschwert, daß die theuersten Interessen seiner Wähler einem trunksüchtigen Narren anvertraut seien. 41 Der rachsüchtige Richter schämte sich nun nicht, Kunstgriffe zu Hülfe zu nehmen, die selbst bei VI.30 einem gewöhnlichen Advokaten strafbar gewesen wären. Er erinnerte die beisitzenden Lords in sehr bezeichnender Sprache daran, daß Delamere im Parlamente sich der Verurtheilungsbill gegen Monmouth widersetzt habe, eine Beschuldigung, die weder bewiesen war, noch bewiesen werden konnte. Doch Jeffreys war nicht der Mann, der eine Versammlung von Peers einschüchtern konnte, wie er gewöhnliche Geschworne einzuschüchtern pflegte. Der Beweis für die Krone würde auf der Rundreise im Westen oder in den Assisenverhandlungen der City wahrscheinlich für vollkommen genügend erachtet worden sein, konnte aber nicht einen Augenblick Männern imponiren wie Rochester, Godolphin und Churchill, die überdies auch, bei allen ihren Fehlern, noch nicht so verdorben waren, daß sie den einfachsten Regeln der Gerechtigkeit zuwider einen Nebenmenschen hätten zum Tode verurtheilen können. Grey, Wade und Goodenough wurden als Zeugen vorgeführt, konnten aber nur das wiederholen, was sie Monmouth und Wildman’s Emissären hatten sagen hören. Der Hauptzeuge für die Anklage, ein Schurke, Namens Saxton, der an dem Aufstande Theil genommen hatte, und sich jetzt bemühte, seine Begnadigung zu erlangen, indem er gegen alle der Regierung mißliebige Personen eidliches Zeugniß ablegte, war durch eine Menge unverwerflicher Beweise überführt, eine Reihe von Lügen ausgesagt zu haben. Sämmtliche beisitzende Lords, von Churchill an, der als jüngster Baron zuerst sprach, bis hinauf zu dem Lordschatzmeister, erklärten bei ihrer Ehre, daß Delamere nicht schuldig sei. Der Ernst und das Gepränge des ganzen Gerichtsverfahrens machte selbst auf den Nuntius, der an die Ceremonien Roms gewöhnt war, welche an Feierlichkeit und Glanz Alles übertreffen, was die übrige Welt aufweisen kann, einen tiefen Eindruck. 42 Der König, welcher anwesend war und gegen ein so offenbar gerechtes Urtheil nichts einwenden konnte, gerieth in Wuth gegen Saxton und gelobte, daß der Schurke zuerst wegen Meineids vor Westminsterhall an den Pranger gestellt und dann in den Westen geschickt werden solle, um wegen Verraths gehängt, gcschleift und geviertheilt zu werden. 43
40. Lords’ Journals, Nov. 9, 10, 16. 1685.
41. Siehe über die Verderbtheit der Richter in Lord Delamere’s Werken, 1694.
42. „Fa una funzione piena di gravità, di ordine, e di gran speciosità.“ Adda vom 15.(25.) Jan. 1686.
43. Der Prozeß in der Collection of State Trials . Leeuwen, 15.(25.) und 19.(29.) Januar 1686.
Eindruck seiner Freisprechung. Die Freude des Publikums über Delamere’s Freisprechung war groß. Die Schreckensherrschaft war also vorüber, die Unschuldigen begannen wieder freier zu athmen und die falschen Ankläger zu zittern. Einen bei dieser Gelegenheit geschriebenen Brief kann man kaum lesen, ohne zu Thränen gerührt zu werden. Russell’s Wittwe erfuhr in ihrer Abgeschiedenheit die frohe Nachricht mit verschiedenartigen Gefühlen. „Ich danke Gott,“ schrieb sie, „daß er dem Blutvergießen in diesem unglücklichen Lande Einhalt gethan hat. Aber während ich mich mit den Fröhlichen freuen sollte, suche ich einen einsamen Winkel auf, um darin zu weinen. Ich fühle, daß ich keiner Freude mehr fähig bin, denn jeder neue Umstand, und gerade die Vergleichung meiner kummervollen Nacht nach solch’ einem Tage, mit ihren Tagen der Freude, zerreißt mein gebrochenes Herz, ich mag die Sache betrachten, von welcher Seite ich will. Obwohl ich weit entfernt bin, ihren Tagen ein VI.31 Ende zu wünschen, wie das der meinigen, so kann ich doch nicht umhin, es zuweilen zu beklagen, daß das meinige nicht war wie das ihrige“. 44
Jetzt trat ein entscheidender Wendepunkt ein. Der Tod Stafford’s, den das gemeine Volk, dessen Wuth er geopfert worden war, mit Äußerungen der innigsten Theilnahme und Reue angesehen hatte, bezeichnet das Ende der einen Proscription, die Freisprechung Delamere’s bezeichnet das Ende der andren. Die Verbrechen, welche Shaftesbury’s stürmisches Tribunat geschändet hatten, waren furchtbar gesühnt, das Blut unschuldiger Papisten war mehr als zehnfältig durch das Blut eifriger Protestanten gerächt. Auch eine andre große Reaction hatte begonnen. Die Parteien erfuhren eine schnelle Umgestaltung, alte Verbündete trennten sich und alte Feinde verbanden sich. Unzufriedenheit verbreitete sich rasch durch alle Reihen der unlängst noch herrschenden Partei; eine allerdings noch schwache und unbestimmte Hoffnung auf Sieg und Rache beseelte die andre, welche kurz zuvor schon vernichtet zu sein schien. Unter solchen Umständen ging das ereignißvolle und sturmbewegte Jahr 1685 zu Ende und das Jahr 1686 begann.
44. Lady Russell an Dr. Fitzwilliam vom 15. Jan. 1686.
Parteien am Hofe. Die Prorogation hatte den König von den sanften Vorstellungen der beiden Häuser befreit, aber er mußte noch andere Vorstellungen anhören, welche Ähnliches bezweckten, wenn sie auch in einem noch vorsichtigeren und unterwürfigeren Tone ausgesprochen wurden. Einige Männer, die ihm mit einem nur zu großen, ihrem eigenen Rufe wie dem öffentlichen Wohle nachtheiligen Eifer gedient hatten, begannen von schlimmen Ahnungen ergriffen zu werden und wagten es bei Gelegenheit, einen kleinen Theil ihrer Gefühle schwach anzudeuten.
Stimmung der protestantischen Tories. Seit vielen Jahren waren der Eifer des englischen Tory für die erbliche Monarchie und sein Eifer für die Staatskirche nebeneinander aufgewachsen und hatten sich gegenseitig gekräftigt. Nie war es ihm in den Sinn gekommen, daß diese beiden unzertrennlich und sogar identisch scheinenden Gefühle sich eines Tages nicht nur als verschieden, sondern sogar als unverträglich erweisen könnten. Seit dem Beginn des Streites zwischen den Stuarts und den Gemeinen waren die Sache der Krone und die Sache der Hierarchie allem Anscheine nach Eins gewesen. Die Kirche hatte Karl I. als ihren Märtyrer betrachtet. Wenn Karl II. gegen sie complottirt hatte, so hatte er es nur im Geheimen gethan. Öffentlich hatte er sich stets als ihren dankbaren und ergebenen Sohn erklärt, hatte an ihren Altären gekniet und es war ihm bei aller seiner Sittenlosigkeit gelungen, der großen Masse ihrer Anhänger einzureden, daß er eine aufrichtige Vorliebe für sie hege. Welche Kämpfe der ehrliche Kavalier daher auch gegen Whigs und Rundköpfe zu bestehen gehabt hatte, er war bisher wenigstens nicht durch Kämpfe in seiner eigenen Brust beunruhigt worden. Er hatte den Pfad der Pflicht klar vor sich gesehen. Er mußte im Glück wie im Unglück der Kirche und dem Könige treu bleiben. Wenn nun aber diese beiden erhabenen und ehrwürdigen Mächte, welche bisher so eng mit einander verbunden zu sein schienen, daß wer der einen treu war, der andren nicht untreu werden konnte, durch tödtliche Feindschaft getrennt wurden, welchen Weg sollte dann der orthodoxe Royalist gehen? Konnte es eine schwerere Prüfung für ihn geben, als die ihm dann bevorstehende: VI.32 zwischen zwei gleich heiligen Pflichten, zwischen zwei gleich starken Sympathien hin und her geworfen zu werden? Wie sollte er dem Kaiser geben was des Kaisers war, ohne Gott einen Theil dessen zu entziehen, was Gottes war? Wer diese Gefühle hegte, konnte den Streit zwischen dem Könige und dem Parlamente in der Testfrage nicht ohne tiefe Betrübniß und düstere Ahnungen verfolgt haben. Wenn Jakob wenigstens jetzt noch bewogen werden konnte, sein Verfahren zu überlegen, die Häuser wieder einzuberufen und sich ihren Wünschen zu fügen, so konnte noch Alles gut gehen.
Dies waren die Gedanken zweier Verwandten des Königs, der Earls von Clarendon und von Rochester. Die Macht und die Gunst dieser beiden Edelleute schienen in der That groß zu sein. Der jüngere Bruder war Lordschatzmeister und Premierminister, der ältere war, nachdem er einige Monate das Geheimsiegel verwahrt hatte, zum Lordlieutenant von Irland ernannt worden. Der ehrwürdige Ormond trat auf die nämliche Seite. Middleton und Preston, welche als Führer des Hauses der Gemeinen neuerdings aus Erfahrung gelernt hatten, wie theuer die Staatskirche der loyalen Gentry Englands war, stimmten ebenfalls für gemäßigte Beschlüsse.
Gleich zu Anfang des neuen Jahres erfuhren diese Staatsmänner und die große Partei, die sie repräsentirten, eine tiefe Kränkung. Daß der verstorbene König im Herzen ein Katholik gewesen, war zwar seit einigen Monaten vermuthet und leise angedeutet, aber doch noch nicht förmlich angekündigt worden. Allerdings mußte diese Eröffnung auch großes Ärgerniß erregen. Karl hatte sich unzählige Male für einen Protestanten erklärt und hatte das Abendmahl stets von Bischöfen der Staatskirche empfangen. Diejenigen Protestanten, die im Unglück treu zu ihm gehalten und ihm noch immer ein liebevolles Andenken bewahrten, mußten mit Scham und Unwillen erfüllt werden, wenn sie erfuhren, daß sein ganzes Leben eine Lüge gewesen war, daß er, während er vorgab, ihrem Bunde anzugehören, in Wirklichkeit sie als Ketzer betrachtete, und daß die Demagogen, die ihn als einen verkappten Papisten dargestellt, die Einzigen gewesen waren, die seinen Character richtig beurtheilt hatten. Selbst Ludwig begriff den Stand der öffentlichen Meinung Englands hinreichend, um einzusehen, daß die Enthüllung der Wahrheit schaden könne und hatte daher aus eigenem Antriebe versprochen, Karl’s Übertritt streng geheim zu halten. 45 So lange Jakob’s Macht noch neu war, hatte er es für rathsam gehalten, in diesem Punkte vorsichtig zu sein, und es nicht gewagt, seinen Bruder nach dem Gebrauche der römischen Kirche begraben zu lassen. Eine Zeit lang stand es daher einem Jeden frei, zu glauben, was er wollte. Die Papisten nahmen den verewigten Fürsten als ihren Proselyten in Anspruch, die Whigs verwünschten ihn als einen Heuchler und Renegaten, die Tories hielten das Gerücht von seinem Abfall für eine Verleumdung, deren Verbreitung aus verschiedenen Gründen im gemeinschaftlichen Interesse der Papisten und der Whigs lag.
45. Ludwig an Barillon, 10.(20.) Febr. 1685/86.
Veröffentlichung hinterlassener Papiere Karl’s II. Jakob that nun einen Schritt, der die ganze anglikanische Partei bestürzt machte. In Karl’s Cassette hatten sich zwei Aufsätze gefunden, in denen in gedrängter Kürze die Gründe entwickelt waren, welche die Katholiken VI.33 in ihrer Polemik gegen die Protestanten geltend zu machen pflegten, und sie waren als von Karl eigenhändig geschrieben erkannt worden. Diese Papiere zeigte Jakob triumphirend mehreren Protestanten und erklärte, daß seines Wissens sein Bruder als Katholik gelebt habe und gestorben sei. 46 Einer der Männer, denen die Handschriften vorgelegt wurden, war der Erzbischof Sancroft. Er las sie tief bewegt und sagte nichts. Dieses Stillschweigen war einzig und allein die natürliche Wirkung eines Kampfes zwischen Respect und Verdruß. Jakob aber glaubte, der Primas sei vor der unwiderstehlichen Gewalt der angeführten Gründe verstummt und forderte Se. Gnaden dringend auf, mit Hülfe der ganzen Bischofsbank eine befriedigende Antwort zu entwerfen. „Legen Sie mir eine gründliche, in schicklichem Tone gehaltene Antwort vor,“ sagte er, „und sie kann die von Ihnen so sehr gewünschte Wirkung haben, mich zum Übertritt in den Schooß Ihrer Kirche zu bestimmen.“ Der Erzbischof entgegnete gelassen, daß seiner Meinung nach eine solche Antwort leicht zu schreiben sei, lehnte aber die Polemik unter dem Vorwande der Ehrfurcht vor dem Gedächtniß seines entschlafenen Gebieters ab. Diesen Grund hielt der König für die Ausflucht eines geschlagenen Disputanten. 47 Wäre er mit der polemischen Literatur der letzten hundertfünfzig Jahre vertraut gewesen, so würde er gewußt haben, daß die Aufsätze, auf die er so großes Gewicht legte, von jedem fünfzehnjährigen Knaben des Gymnasiums von Douay hätten verfaßt werden können, und daß sie nichts enthielten, was nach der Überzeugung aller protestantischen Geistlichen nicht schon zehntausendmal widerlegt und entkräftet war. In seinem unwissenden Enthusiasmus befahl er, daß diese Abhandlungen mit der prächtigsten typographischen Ausstattung gedruckt werden sollten, und fügte denselben, eine durch seine eigenhändige Unterschrift bekräftigte Erklärung bei, daß die Originale von seines Bruders eigener Hand seien. Er vertheilte die ganze Auflage unter seine Höflinge und unter die geringeren Leute, die sich um seinen Wagen drängten. Ein Exemplar schenkte er einem jungen Frauenzimmer niederen Standes, von der er glaubte, daß sie seine religiöse Überzeugung theile, und versicherte sie, daß sie durch die Lectüre höchlich erbaut und getröstet werden würde. Zum Lohn für seine Güte überreichte sie ihm einige Tage darauf einen Brief, durch den sie ihn beschwor, das mystische Babylon zu verlassen und den Becher der Hurerei von seinen Lippen zu stoßen. 48
46. Evelyn’s Diary, Oct. 2. 1685.
47. Clarke’s Life of James the Second, II. 9. Orig. Mem.
48. Leeuwen, vom 1.(11.) und 12.(22.) Jan. 1686. So lang und abgeschmackt der Brief auch war, hielt man ihn doch für werth, als ein Zeichen der Zeit den Generalstaaten übersandt zu werden.
Stimmung der achtungswerthen Katholiken. Diese Dinge machten die der Staatskirche angehörenden Tories sehr besorgt; nicht weniger unzufrieden damit war der achtungswerthere Theil des katholischen Adels. Es wäre in der That zu entschuldigen gewesen, wenn die Leidenschaft sie bei dieser Gelegenheit taub gemacht hätte gegen die Stimme der Klugheit und Gerechtigkeit, denn sie hatten viel gelitten. Die Eifersucht der Protestanten hatte sie des Ranges entsetzt, zu dem sie geboren waren, hatte den Erben von Baronen, welche die Magna Charta unterzeichnet die Thüren des Parlamentshauses verschlossen, hatte das Commando über VI.34 eine Compagnie Infanterie als einen zu hohen Posten für die Nachkommen von Generälen erklärt, welche bei Flodden und Saint-Quentin gesiegt hatten. Es gab kaum einen dem alten Glauben anhängenden vornehmen Peer, dessen Ehre, Vermögen und Leben nicht in Gefahr gewesen wäre, der nicht Monate lang im Tower zugebracht, der nicht oft das Schicksal Stafford’s für sich selbst gefürchtet hätte. Männern, die so lange und so herzlos unterdrückt worden waren, hätte man es wohl verzeihen können, wenn sie die erste Gelegenheit, um zu gleicher Zeit Ansehen zu erlangen und Rache zu üben, begierig ergriffen hätten. Aber weder Fanatismus, noch Ehrgeiz, weder der Groll wegen früher erlittenen Unrechts, noch der durch plötzliches Glück verursachte Rausch konnte den ausgezeichnetsten Katholiken die Einsicht nehmen, daß das Glück, dessen sie sich endlich erfreuten, nur vorübergehend war und daß es ihnen verderblich werden könnte, wenn sie nicht einen weisen Gebrauch davon machten. Schmerzliche Erfahrungen hatten sie belehrt, daß die Abneigung der Nation gegen ihren Glauben nicht eine bloße Laune sei, die der Befehl eines Fürsten vertreiben könne, sondern vielmehr ein tiefwurzelndes Gefühl, das Erzeugniß von fünf Generationen, durch alle Klassen und Parteien verbreitet und mit den Grundsätzen der Tories nicht minder eng verflochten, als mit denen der Whigs. Allerdings lag es in der Macht des Königs, durch Ausübung seines Begnadigungsrechts die Wirkung des Strafgesetzes zu suspendiren. Es konnte ihm durch behutsames Verfahren mit der Zeit gelingen, vom Parlamente die Aufhebung der Gesetze zu erwirken, welche die Bekenner seines Glaubens für nicht zulässig zu öffentlichen Ämtern erklärten. Aber wenn er es versuchte, die protestantische Gesinnung Englands durch rohe Gewaltmittel zu ersticken, so ließ sich leicht voraussehen, daß dem heftigen Drucke auf eine so starke und elastische Feder ein eben so heftiger Rückschlag folgen werde. Durch voreilige Versuche, den Weg in den Geheimen Rath und in das Haus der Lords zu erzwingen, konnten die katholischen Peers ihre Schlösser und ihre großen Besitzungen verlieren und in die Lage kommen, daß sie ihr Leben als Verräther auf Towerhill oder als Bettler an den Thüren italienischer Klöster enden mußten.
So dachte Wilhelm Herbert, Earl von Powis, welcher damals allgemein als das Haupt der römisch-katholischen Aristokratie betrachtet wurde und der, nach Oates’ Aussage, für den Fall des Gelingens der papistischen Verschwörung zum Premierminister bestimmt war. Johann Lord Bellasyse hatte ganz die nämliche Ansicht von der Sache. Er hatte in seiner Jugend tapfer für Karl I. gefochten, war nach der Restauration mit hohen Ehrenstellen und Commandos belohnt worden und hatte diese nach Erlassung der Testacte niedergelegt. Mit diesen ausgezeichneten Führern stimmten alle vornehmsten und reichsten Mitglieder ihrer Kirche überein, ausgenommen Lord Arundell von Wardour, ein alter Mann, der schon anfing kindisch zu werden.
Cabale heftiger Katholiken. Es gab jedoch am Hofe eine kleine Anzahl Katholiken, an deren Herzen vergangene Unbill nagte, denen ihre neuerliche Erhebung den Kopf verrückt hatte, die es nicht erwarten konnten, die höchsten Ehrenstufen im Staate zu erklimmen und denen der Gedanke an einen Tag der Wiedervergeltung wenig Sorge machte, da sie nicht viel zu verlieren hatten.
Castelmaine. Einer von diesen war Roger Palmer, Earl von Castelmaine in Irland, Gemahl der Herzogin von Cleveland. Es war VI.35 notorisch, daß er seinen Titel mit seiner eignen und seiner Gemahlin Entehrung erkauft hatte. Er besaß nur ein unbedeutendes Vermögen und sein von Natur unfreundlicher Character war durch häusliche Zwistigkeiten, durch öffentliche Vorwürfe und durch die in den Tagen des papistischen Complots erduldeten Leiden noch mehr verbittert worden. Nachdem er lange in Gefangenschaft zugebracht, war ihm endlich der Prozeß auf Tod und Leben gemacht worden. Zu seinem Glück wurde er erst als die Wuth des Volks sich einigermaßen gelegt hatte und der Credit der falschen Zeugen erschüttert war, vor Gericht gestellt. So war er mit knapper Noth dem Tode entgangen. 49
49. Siehe seinen Prozeß in der Collection of State Trials und sein 1681 gedrucktes merkwürdiges Manifest.
Jermyn. Mit Castelmaine eng befreundet war einer der bevorzugtesten von den hundert Liebhabern seiner Frau, Heinrich Jermyn, den Jakob kürzlich mit dem Titel Lord Dover zum Peer erhoben hatte. Jermyn hatte sich vor mehr als zwanzig Jahren durch seine Liebeshändel und verzweifelten Duelle ausgezeichnet, war jetzt durch das Spiel zu Grunde gerichtet und strebte eifrig danach, seinen zerrütteten Finanzen durch einträgliche Stellen, von denen ihn das Gesetz ausschloß, wieder aufzuhelfen. 50
50. Mémoires de Grammont ; Pepys’s Diary, Aug. 19. 1662 ; Bonrepaux an Seignelay, 1.(11.) Febr. 1686.
White. Zu der nämlichen Partei gehörte ein ränkevoller unternehmender Irländer, Namens White, der viel im Auslande zugebracht, dem Hause Österreich als ein Zwitterding von Gesandten und Spion gedient hatte und für seine Dienste mit dem Titel eines Marquis von Albeville belohnt worden war. 51
51. Bonrepaux an Seignelay, 1.(11.) Febr. 1686.
Tyrconnel. Bald nach der Prorogation erhielt diese verwegene Partei eine wichtige Verstärkung. Richard Talbot, Earl von Tyrconnel, der Heftigste und Unbeugsamste von Allen, welche die Freiheiten und die Religion Englands haßten, kam von Dublin am Hofe an. Talbot stammte aus einer alten normännischen Familie, die lange in Leinster ansässig gewesen, dort in Verfall gerathen war, die Sitten der Celten angenommen hatte, gleich diesen der alten Religion anhing und sich bei dem Aufstande von 1641 denselben angeschlossen hatte. In seiner Jugend war er einer der bekanntesten Schwindler und Raufbolde Londons gewesen. Als Karl und Jakob in Flandern in der Verbannung lebten, war er ihnen als ein Mann vorgestellt worden, der zu dem abscheulichen Dienste, den Protector zu ermorden, geschickt und bereit war. Bald nach der Restauration versuchte es Talbot, durch einen noch schändlicheren Dienst die Gunst der königlichen Familie zu erlangen. Man bedurfte eines Vorwandes, um den Herzog von York deshalb zu rechtfertigen, daß er das Eheversprechen brach, durch welches er von Anna Hyde den höchsten Beweis von weiblicher Liebe erlangt hatte. Talbot unternahm es in Verbindung mit einigen seiner ausschweifenden Genossen, einen solchen Vorwand zu liefern. Es wurde verabredet, die junge Dame als ein Geschöpf ohne Tugend, Scham und Ehrgefühl darzustellen und einen langen Roman von zärtlichen Zusammenkünften und heimlichen Gunstbezeigungen zu erdichten. Talbot insbesondere erzählte, wie er bei einem seiner heimlichen Besuche so unglücklich gewesen sei, das Dintenfaß des Kanzlers über einen Stoß von VI.36 Papieren zu schütten und wie geschickt sie der Entdeckung dadurch vorgebeugt habe, daß sie die Schuld an dem Unfalle auf ihren Affen schob. Diese Geschichten, die, selbst wenn sie wahr gewesen wären, nur über die Lippen des gemeinsten Menschen hätten kommen können, waren reine Erfindungen. Talbot war auch bald genöthigt, dies einzugestehen, und er that es ohne zu erröthen. Die verleumdete Dame wurde Herzogin von York. Wäre ihr Gemahl ein wirklich rechtschaffener und ehrenwerther Mann gewesen, so würde er die Schurken, die sie verleumdet hatten, mit Entrüstung und Verachtung aus seiner Nähe verbannt haben. Aber es war eine characteristische Eigenheit Jakob’s, daß er eine auch noch so schändliche und gemeine Handlung nicht für verwerflich hielt, wenn sie in der Absicht begangen war, seine Gunst zu gewinnen. Talbot hatte nach wie vor Zutritt bei Hofe, erschien täglich mit frecher Stirn vor der Fürstin, die er hatte ins Verderben stürzen wollen und erhielt bald den einträglichen Posten eines Hauptkupplers ihres Gemahls. Nicht lange darauf wurde Whitehall plötzlich durch die Nachricht erschreckt, daß Dick Talbot, wie er gewöhnlich genannt wurde, einen Plan zur Ermordung des Herzogs von Ormond geschmiedet habe. Der Bravo wurde in den Tower geschickt, aber schon nach wenigen Tagen stolzirte er wieder in den Galerien umher und beförderte Briefchen zwischen seinem Gebieter und den schamlosesten Hoffräuleins. Vergebens drangen ergraute und besonnene Rathgeber in die königlichen Brüder, diesen abscheulichen Menschen nicht zu begünstigen, dessen einzige Empfehlung sein einnehmendes Äußere und sein guter Geschmack in der Kleidung sei; Talbot war nicht nur willkommen im Palaste, wenn die Flasche oder der Würfelbecher die Runde machten, sondern er wurde auch in Staatsangelegenheiten aufmerksam angehört. Er spielte die Rolle eines irischen Patrioten und vertheidigte mit großer Unverschämtheit und zuweilen mit Erfolg die Sache seiner Landsleute, deren Vermögen confiscirt worden war, ließ sich aber jederzeit seine Dienste gut bezahlen und erwarb sich theils durch den Handel mit seinem Einflusse, theils durch das Spiel, theils durch Kuppelei ein Vermögen von dreitausend Pfund jährlicher Einkünfte. Denn unter dem äußeren Scheine des Leichtsinns, der Verschwendung, der Sorglosigkeit und der maßlosesten Unverschämtheit, war er der feilste und schlaueste Mensch, den es geben konnte. Jetzt war er nicht mehr jung und büßte mit schweren körperlichen Leiden die Ausschweifungen seiner Jugend; aber weder Alter noch Krankheit hatten eine wesentliche Änderung in seinem Character und in seinen Sitten hervorgebracht. So oft er den Mund öffnete, tobte, fluchte und schwur er noch immer mit so rasender Heftigkeit, daß flüchtige Beobachter ihn für den unbändigsten Wüstling hielten. Der große Haufe begriff nicht, daß ein Mann, der selbst im nüchternen Zustande sich prahlerischer und wüthender geberdete, als Andere in der Trunkenheit, und der vollkommen unfähig zu sein schien, irgend eine Gefühlsregung zu verbergen oder ein Geheimniß zu bewahren, in der Wirklichkeit ein kaltherziger, weitsehender und wohlberechnender Speichellecker sein könne. Gleichwohl war Talbot solch ein Mensch. Seine Heuchelei war von weit höherer und seltenerer Art als die, welche in Barebone’s Parlament florirt hatte. Denn nicht Derjenige ist ein vollendeter Heuchler, der seine Lasterhaftigkeit hinter einem Schein von Tugend zu verbergen weiß, sondern Der, welcher das Laster, das er sich nicht scheut offen zur Schau zu tragen, als Larve zur Verhüllung schwärzerer und einträglicherer Laster benutzt, welche zu verbergen in seinem Interesse liegt.
VI.37Nachdem Talbot von Jakob zum Earl von Tyrconnel erhoben war, hatte er während der neun Monate zwischen dem Tode Karl’s und dem Beginn der Lordstatthalterschaft Clarendon’s die Truppen in Irland befehligt. Als der neue Lordlieutenant im Begriff war, sich von London nach Dublin zu begeben, wurde der General von Dublin nach London berufen. Dick Talbot war lange Zeit wohlbekannt gewesen auf dem ganzen Wege, den er zurückzulegen hatte; es gab zwischen Chester und der Hauptstadt kein Gasthaus, in welchem er nicht Händel gehabt hätte. Wohin er kam, preßte er dem Gesetze zum Hohn Pferde, fluchte über die Köche und Postillone, und veranlaßte durch seine unverschämten Rodomontaden fast Aufläufe. Die Reformation, sagte er zu dem Volke, habe Alles ruinirt, aber es würden schon wieder gute Zeiten kommen, die Katholiken würden bald wieder obenauf sein und dann sollten die Ketzer für Alles bezahlen. So unaufhörlich tobend und lästernd wie ein Besessener kam er am Hofe an. 52 Sobald er angelangt war, verband er sich auf das Engste mit Castelmaine, Dover und Aldeville. Diese Leute schrieen einstimmig nach Krieg gegen die Kirchen- und Staatsverfassung. Sie sagten ihrem Gebieter, daß er es seiner Religion und der Würde seiner Krone schuldig sei, sich durch das Geschrei der ketzerischen Demagogen nicht irre machen zu lassen und dem Parlament gleich anfangs zu verstehen zu geben, daß er trotz aller Opposition der Herr zu bleiben gedenke und die Opposition nichts Andres bewirken werde, als ihn zu einem harten Herrn zu machen.
52. Mémoires de Grammont ; Life of Edward, Earl of Clarendon ; Correspondenz Heinrich’s Earl von Clarendon an mehreren Stellen, besonders der Brief vom 29. Dec. 1685; Sheridan Mspte. unter den Stuart-Papieren; Ellis’ Correspondenz vom 12. Jan. 1686.
Gesinnung der fremden Gesandten. Jede der beiden Parteien, in die der Hof gespalten war, hatte eifrige ausländische Verbündete. Die Gesandten Spaniens, des deutschen Reichs und der Generalstaaten waren jetzt eben so eifrig bemüht, Rochester zu unterstützen, wie sie früher Halifax unterstützt hatten. Barillon bot seinen ganzen Einfluß in entgegengesetzter Richtung auf, und er wurde darin von einem im Range unter ihm stehenden, in Talenten aber ihm weit überlegenen andren französischen Agenten unterstützt: von Bonrepaux. Barillon war zwar nicht ohne diplomatische Befähigung und besaß in hohem Grade die Liebenswürdigkeit und die feine Bildung, durch die sich der damalige französische Adel auszeichnete. Aber sein Verstand war den Anforderungen seines wichtigen Postens nicht gewachsen. Er war phlegmatisch und bequem geworden, liebte gesellige Vergnügungen und Tafelfreuden mehr als die Geschäfte und entwickelte bei wichtigen Vorgängen gewöhnlich erst dann eine energische Thätigkeit, wenn er Ermahnungen und selbst Verweise aus Versailles erhalten hatte. 53 Bonrepaux hatte sich durch die Umsicht und Thätigkeit, die er als Sekretär bei der Marineverwaltung gezeigt, aus der Dunkelheit emporgeschwungen und er galt für eingeweiht in die Geheimnisse der Handelspolitik. Zu Ende des Jahres 1685 wurde er mit mehreren besonderen Aufträgen von hoher Wichtigkeit nach London geschickt. Er sollte einen Handelsvertrag anbahnen, sollte den Zustand der englischen VI.38 Flotten und Werfte ermitteln und darüber berichten, und endlich den hugenottischen Flüchtlingen, von denen man voraussetzte, sie würden durch Mangel und Verbannung so zahm geworden sein, daß sie fast jede Bedingung der Wiederaussöhnung dankbar annehmen würden, gewisse Vorschläge machen. Der neue Gesandte war plebejischen Ursprungs, seine Gestalt war zwergartig, sein Gesicht lächerlich häßlich und sein Dialect der seiner gascognischen Heimath; aber sein heller Verstand, sein seltener Scharfblick und sein witziger Geist befähigten ihn ganz vorzüglich für seinen Posten. Trotz seiner niederen Herkunft und seines abstoßenden Äußeren war er sehr bald als ein höchst angenehmer Gesellschafter und gewandter Diplomat bekannt. Während er mit der Herzogin von Mazarin scherzte, mit Waller und St. Evremond wissenschaftliche Fragen erörterte und mit La Fontaine correspondirte, wußte er sich eine genaue Kenntniß der englischen Staatsangelegenheiten zu erwerben. Seine Geschicklichkeit im Seewesen empfahl ihn Jakob, der schon seit vielen Jahren den Geschäften der Admiralität eine große Aufmerksamkeit zugewendet hatte und diese Geschäfte so gut verstand, als er überhaupt etwas zu verstehen fähig war. Sie unterhielten sich Tag für Tag offen über den Zustand der Schiffe und der Werfte. Das Resultat dieses intimen Verkehrs war, wie es sich erwarten ließ, daß der kluge und wachsame Franzose Jakob’s Fähigkeiten und Character gründlich verachten lernte. Er sagte, die Welt habe seine Großbritannische Majestät weit überschätzt, denn sie besitze weniger Befähigung und nicht mehr Tugenden als Karl. 54
Obgleich die beiden Gesandten Ludwig’s den nämlichen Zweck verfolgten, so schlugen sie doch wohlweislich verschiedene Wege ein. Sie theilten sich in den Hof; Bonrepaux verkehrte hauptsächlich mit Rochester und dessen Umgebungen, Barillon stand namentlich mit der entgegengesetzten Partei in Verbindung. Die Folge davon war, daß sie zuweilen das nämliche Ereigniß von verschiedenen Gesichtspunkten betrachteten. Die besten Aufschlüsse, die es über den Streit giebt, welcher damals Whitehall bewegte, findet man in ihren Depeschen.
53. Siehe seine spätere Correspondenz an mehreren Stellen; St. Evremond desgl.; die Briefe der Frau von Sévigné zu Anfang des Jahres 1689. Auch vergleiche man die Instructionen für Tallard nach dem Frieden von Ryswick, in den französischen Archiven.
54. Memoiren St. Simon’s, 1697, 1719; St. Evremond; La Fontaine; Bonrepaux an Seignelay, 28. Jan. (7. Febr.) und 8.(18.) Febr. 1686.
Spaltung zwischen dem Papste und der Gesellschaft Jesu. Wie jede der beiden Parteien am Hofe Jakobs an auswärtigen Fürsten eine Stütze hatte, so wurde auch jede von ihnen durch eine kirchliche Autorität, vor der Jakob große Achtung hatte, unterstützt. Der Papst war für ein gesetzliches und gemäßigtes Verfahren und die Organe seiner Ansichten waren der Nuntius und der apostolische Vikar. 55 Auf der andren Seite stand eine Körperschaft, deren Gewicht sogar dem Gewichte des Papstthums gleichkam: der mächtige Jesuitenorden.
Daß sich bei dieser Gelegenheit diese beiden großen geistlichen Mächte, welche einst untrennbar verbunden zu sein schienen, feindlich gegenüberstanden, ist ein sehr wichtiger und bemerkenswerther Umstand. Während eines Zeitraums von mehr als tausend Jahren war die Ordensgeistlichkeit VI.39 die Hauptstütze des heiligen Stuhles gewesen. Dieser Stuhl hatte sie gegen bischöfliche Einmischung beschützt und den ihnen gewährten Schutz hatten sie reichlich vergolten. Ohne ihre Anstrengungen wäre der Bischof von Rom wahrscheinlich nur das Ehrenoberhaupt einer großen Prälaten-Aristokratie gewesen. Mit Hülfe der Benedictiner war Gregor VII. im Stande, zu gleicher Zeit die fränkischen Kaiser und die weltliche Priesterschaft zu bekämpfen. Mit Hülfe der Dominikaner und Franziskaner vernichtete Innocenz III. die albigensischen Sectirer.
55. Adda, 16.(26.) Nov., 7.(17.) Dec. und 21.(31.) Dec. 1685. Adda giebt in diesen Depeschen gewichtige Gründe für einen Vergleich durch Abschaffung der Strafgesetze und Beibehaltung des Eides. Er nennt den Streit mit dem Parlamente eine „gran disgrazia“ , und deutet wiederholt an, der König habe durch ein verfassungsgemäßes Verfahren für die Katholiken viel erlangen können, der Versuch aber, ihre Lage durch gesetzwidrige Mittel zu verbessern, werde wahrscheinlich großes Unheil über sie bringen.
Der Jesuitenorden. Im sechzehnten Jahrhundert wurde das Papstthum, das damals von neuen und furchtbareren Gefahren als je zuvor bedroht war, durch einen neuen religiösen Orden gerettet, der mit glühender Begeisterung erfüllt und mit außerordentlichem Geschick organisirt war. Als die Jesuiten zur Rettung des Papstthums erschienen, schwebte es in der größten Gefahr, aber von diesem Augenblicke an wendete sich das Glück. Der Protestantismus, der während eines ganzen Menschenalters Alles mit sich fortgerissen hatte, wurde in seinem Fortschreiten gehemmt, und mit reißender Schnelligkeit vom Fuße der Alpen bis an die Küsten der Ostsee zurückgetrieben. Der Orden bestand noch keine hundert Jahre, so hatte er schon die ganze Welt mit Denkmalen großer Thaten und Leiden für den Glauben erfüllt. Keine religiöse Gemeinschaft konnte eine Liste so mannigfach ausgezeichneter Männer aufweisen, keine andre hatte das Feld ihrer Thätigkeit zu solchem Umfange erweitert und doch hatte in keiner jemals eine so vollkommene Einheit des Denkens und Handelns geherrscht. Es gab keine Gegend des Erdballs, kein Gebiet des wissenschaftlichen oder praktischen Lebens, auf dem nicht Jesuiten zu finden waren. Sie leiteten die Beschlüsse der Könige; sie entzifferten lateinische Inschriften; sie beobachteten die Bahnen der Trabanten des Jupiter; sie gaben ganze Bibliotheken heraus: Polemik, Casuistik, Geschichte, Werke über Optik, alcäische Oden, Ausgaben der Kirchenväter, Madrigals, Katechismen und Libelle. Die höhere Erziehung der Jugend fiel fast ausschließlich in ihre Hände und wurde von ihnen mit ausgezeichnetem Geschick geleitet. Sie hatten genau den Punkt entdeckt, bis zu welchem man mit der geistlichen Bildung gehen kann, ohne geistige Emancipation fürchten zu müssen. Selbst ihre Feinde mußten zugestehen, daß sie in der Kunst, das jugendliche Gemüth zu leiten und zu bilden nicht ihres Gleichen hatten. Daneben pflegten sie auch mit großem Eifer und Erfolg die Kanzelberedtsamkeit. Mit noch größerem Eifer und noch größerem Erfolge aber widmeten sie sich dem Dienste des Beichtstuhls. Durch das ganze katholische Europa waren sie im Besitz der Geheimnisse jeder Regierung und fast jeder hochstehenden Familie. Unter zahllosen Gestalten, als elegante Kavaliere, als einfache Landleute und als puritanische Prediger, schlichen sie aus einem protestantischen Lande in das andre. Sie wanderten nach Ländern, zu deren Erforschung weder merkantilische Habsucht noch wissenschaftliche Neugierde je einen Fremden veranlaßt hatte. Man fand sie in Mandarinentracht in Peking als Aufseher der Sternwarte; man fand sie mit dem Spaten in der Hand in Paraguay, wo sie den Wilden in den Anfangsgründen des Ackerbaues unterrichteten. Doch wo sie auch sein und was sie auch treiben mochten, ihr Geist war stets und überall der nämliche: unbegrenzte Hingebung für die gemeinsame Sache und unbedingter Gehorsam gegen die Centralgewalt. Keiner von ihnen hatte seinen Aufenthaltsort oder seinen Beruf selbst VI.40 gewählt. Ob der Jesuit unter dem Polarkreis oder unter dem Äquator leben, ob er seine Tage damit hinbringen sollte, im Vatikan Gemmen zu ordnen und Handschriften zu vergleichen, oder damit, die Wilden der südlichen Hemisphäre zu bitten, daß sie einander nicht auffressen mochten, dies waren Fragen, deren Entscheidung er mit tiefster Unterwürfigkeit Anderen überließ. Brauchte man ihn in Lima, so schwamm er mit der nächsten Flotte auf dem Atlantischen Meere; wurde er in Bagdad gebraucht, so watete er mit der nächsten Karawane durch den Sand der Wüste. Bedurfte man seiner Dienste in einem Lande, wo sein Leben unsicherer war als das eines Wolfes, wo es ein Verbrechen war, ihn zu beherbergen, und wo die auf den öffentlichen Plätzen aufgesteckten Köpfe und Glieder seiner Brüder ihm sagten, was er zu gewärtigen habe, so ging er ohne Murren und ohne Zaudern seinem Schicksale entgegen. Dieser heldenmüthige Geist der Aufopferung ist noch jetzt nicht erloschen. Als in unseren Tagen eine neue und furchtbare Seuche die Runde um die Welt machte, als in mehreren großen Städten die Furcht alle Bande, die eine Gesellschaft zusammenhalten, zerrissen, als die weltlichen Geistlichen ihre Heerden verlassen hatten, als ärztlicher Verstand nicht mit Geld zu erkaufen war und selbst die stärksten natürlichen Neigungen der Liebe zum Leben gewichen waren, fand man den Jesuiten an dem Krankenlager, das Bischof und Pfarrer, Arzt und Wärterin, Vater und Mutter verlassen hatten, zu den verpesteten Lippen herabgeneigt, um den schwachen Hauch der letzten Beichte zu erhaschen und dem verscheidenden bußfertigen Sünder das Bild des sterbenden Erlösers bis zum letzten Augenblicke vorzuhalten.
Aber mit der der Gesellschaft Jesu eigenen bewundernswerthen Energie, Uneigennützigkeit und Selbstverleugnung waren große Fehler vermischt. Es wurde, und nicht ohne Grund, behauptet, daß der glühende Gemeinsinn, der den Jesuiten gleichgültig gegen seine Ruhe, seine Freiheit und sein Leben machte, ihn auch eben so gleichgültig gegen Wahrheit und Mitleid mache, daß kein Mittel ihm unerlaubt scheine, wenn es das Interesse seiner Religion fördern konnte, und daß er unter dem Interesse seiner Religion nur zu oft das Interesse seines Ordens verstehe. Es wurde behauptet, daß seine Mitwirkung bei den abscheulichsten Intriguen und Verschwörungen, von denen die Geschichte erzählt, deutlich zu erkennen sei, daß er, nur in der Anhänglichkeit an seine Gesellschaft unwandelbar, in manchen Ländern der gefährlichste Feind der Freiheit, in anderen der gefährlichste Feind der Ordnung gewesen sei. Die großen Siege, die er in der Sache der Kirche errungen zu haben sich rühmte, waren nach der Meinung vieler ausgezeichneter Mitglieder dieser Kirche mehr scheinbar als wirklich. Er hatte sich zwar mit anscheinend wundervollem Erfolge bemüht, die Welt ihren Gesetzen zu unterwerfen, aber indem er dies gethan, hatte er zugleich die Gesetze gelockert, um sie dem Geiste der Welt anzupassen. Anstatt sich zu bestreben, die menschliche Natur auf die hohe, durch göttliche Lehre und göttliches Beispiel bezeichnete Stufe zu erheben, hatte er diese Stufe erniedrigt, bis sie sich unter dem Durchschnittsniveau der menschlichen Natur befand. Er prahlte mit Massen von Bekehrten, welche in den fernen Gegenden des Ostens getauft worden waren; aber es wurde berichtet, daß Vielen dieser Bekehrten die Facta, auf die sich die ganze Glaubenslehre des Evangeliums gründet, arglistig verschwiegen worden seien und daß Andere sich dadurch vor Verfolgung schützen könnten, daß sie vor den Bildern falscher Götter niederknieten, während sie im Stillen VI.41 Paternosters und Ave-Marias beteten. Und solche Kunstgriffe sollten nicht blos in heidnischen Ländern angewendet worden sein. Es war kein Wunder, daß Leute aller Stände, und besonders die der höchsten, sich zu den Beichtstühlen der jesuitischen Tempel drängten, denn Niemand verließ diese Beichtstühle unbefriedigt. Hier war Allen der Priester Alles. Er zeigte eben nur so viel Strenge, damit die vor seinem geistlichen Richterstuhle Knieenden nicht in eine Dominikaner- oder Franziskanerkirche getrieben wurden. Wenn er ein wahrhaft frommes Gemüth vor sich hatte, sprach er in dem heiligen Tone der ersten Kirchenväter; aber bei dem sehr großen Theile der Menschen, welche Religion genug haben, damit sie sich ängstigen, wenn sie etwas Böses gethan haben, aber nicht genug, um das Böse zu meiden, befolgte er ein ganz andres System. Da er sie nicht von der Schuld freisprechen konnte, so war es sein Geschäft, sie vor der Reue zu bewahren. Er verfügte über einen unerschöpflichen Vorrath schmerzstillender Mittel für verwundete Gewissen. In den casuistischen Werken, die von seinen Brüdern geschrieben und mit Bewilligung seiner Vorgesetzten gedruckt waren, fanden sich Tröstungen für Sünder jeder Gattung. Der Bankerottirer wurde belehrt, wie er, ohne eine Sünde zu begehen, sein Vermögen vor seinen Gläubigern verheimlichen könne. Der Dienstbote wurde belehrt, wie er, ohne eine Sünde zu begehen, mit dem Silberzeuge seines Herrn durchgehen könne. Der Kuppler wurde versichert, daß ein Christ sich ohne Schuld seinen Lebensunterhalt verschaffen könne, indem er zwischen einer verheiratheten Frau und ihren Liebhabern Briefe und Aufträge befolgte. Der stolze und empfindliche französische Edelmann wurde durch eine Entscheidung zu Gunsten des Zweikampfes beruhigt. Der an eine gemeinere und mehr im Dunklen schleichende Rache gewöhnte Italiener erfuhr zu seiner Freude, daß er, ohne ein Verbrechen zu begehen, aus dem Hinterhalte auf seinen Feind schießen könne. Dem Betruge war ein Spielraum gelassen, der groß genug war, um den ganzen Werth menschlicher Verträge und menschlichen Zeugnisses zu vernichten. In der That, die menschliche Gesellschaft hielt nur deshalb noch zusammen, das Leben und Eigenthum genoß nur deshalb noch einige Sicherheit, weil die gesunde Vernunft und das natürliche Humanitätsgefühl die Menschen abhielt, das zu thun, was sie nach den Versicherungen der Gesellschaft Jesu mit gutem Gewissen hätte thun können.
Der Character dieser berühmten Brüder war ein wunderliches Gemisch von Gutem und Bösem und in dieser Mischung lag das Geheimniß ihrer gigantischen Macht. Eine solche Macht hätten bloße Heuchler eben so wenig als strenge Moralisten je erlangen können. Sie war nur Männern erreichbar, die für die Verfolgung eines großen Zieles wahrhaft begeistert und dabei gewissenlos in der Wahl der Mittel waren.
Anfangs waren die Jesuiten zu besondrem Gehorsam gegen den Papst verpflichtet gewesen. Es war nicht weniger ihre Aufgabe gewesen, jede Empörung im Schooße der Kirche zu unterdrücken, als die Angriffe ihrer erklärten Feinde abzuwehren. Ihre Lehre war im höchsten Grade das, was diesseits der Alpen ultramontan genannt worden ist und wich von der Lehre Bossuet’s eben so sehr ab, wie von der Lehre Luther’s. Sie verdammten die gallikanischen Freiheiten, den Anspruch öcumenischer Concile auf die Beaufsichtigung des römischen Stuhles und den Anspruch der Bischöfe auf unabhängigen Auftrag von Oben. Lainez erklärte in Trient im Namen der ganzen Brüderschaft unter dem Beifalle der Creaturen VI.42 Pius’ IV. und dem Murren der französischen und spanischen Prälaten, daß Christus die Herrschaft über die Gläubigen dem Papste allein übertragen habe, daß in dem Papste allein alle priesterliche Autorität vereinigt sei und daß er allein den Priestern und Bischöfen eine geistliche Autorität verleihen könne. 56 Viele Jahre lang hatte die Einigkeit zwischen den Päpsten und dem Orden ungeschwächt fortbestanden. Wäre diese Einigkeit zu der Zeit, als Jakob II. den Thron bestieg, noch nicht zerrissen gewesen, hätten die Jesuiten sowohl als der Papst ihren Einfluß zu Gunsten einer gemäßigten und verfassungtreuen Politik aufgeboten, so würde die große Revolution, welche in kurzer Zeit die ganze Gestalt der europäischen Angelegenheiten veränderte, wahrscheinlich nicht stattgefunden haben. Aber schon vor der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts war die auf ihre Dienste stolze und auf ihre Macht bauende Gesellschaft des Joches überdrüssig geworden. Es stand eine Generation von Jesuiten auf, die lieber von dem französischen als von dem römischen Hofe Schutz und Leitung annehmen wollte, und diese Stimmung gewann nicht wenig an Stärke, als Innocenz XI. den päpstlichen Thron bestieg.
Die Jesuiten waren damals in einen erbitterten Kampf gegen einen Feind verwickelt, den sie anfangs verachtet hatten, endlich aber mit Achtung und Furcht zu betrachten genöthigt worden waren. Gerade als sie sich auf dem Gipfel des Glücks befanden, wurden sie von einer Handvoll Gegner herausgefordert, welche zwar keinen Einfluß auf die Beherrscher dieser Welt ausübten, aber stark an religiösem Glauben und an geistiger Energie waren. Es folgte ein langer, denkwürdiger und ruhmvoller Kampf des Geistes gegen die Macht. Die Jesuiten riefen Kabinette, Tribunale und Universitäten zu ihrem Beistande auf und sie gaben dem Rufe Gehör. Port Royal appellirte nicht umsonst an die Herzen und an den Verstand von Millionen. Die Dictatoren der Christenheit sahen sich plötzlich in der Lage von Angeklagten. Sie wurden beschuldigt, den Maßstab der evangelischen Sittlichkeit systematisch zu dem Zwecke herabgedrückt zu haben, um ihren eigenen Einfluß zu erhöhen, und diese Beschuldigung wurde in einer Weise hingestellt, welche mit einem Male die Aufmerksamkeit der ganzen Welt fesselte, denn der Hauptankläger war Blaise Pascal. Er besaß Geistesgaben, wie sie selten einem Menschenkinde verliehen worden sind, und die Heftigkeit seines Feuereifers hatte sich in grausamen Kasteiungen und Nachtwachen, unter denen sein erschöpfter Leib in ein frühes Grab sank, nur zu wohl erprobt. Sein Geist war der Geist des heiligen Bernhard, aber die Feinheit seines Witzes, die Reinheit, Kraft und Einfachheit seiner Rhetorik haben nie ihres Gleichen gehabt, außer unter den großen Meistern der attischen Beredtsamkeit. Ganz Europa las und staunte, lachte und weinte. Die Jesuiten versuchten zu antworten, aber ihre schwachen Entgegnungen wurden vom Publikum mit Hohngeschrei aufgenommen. Es fehlte ihnen allerdings an keinem der Talente und an keiner der Fertigkeiten, die dem Menschen durch ausgezeichneten Unterricht eingelernt werden können; aber ein solcher Unterricht kann wohl die Anlagen gewöhnlicher Köpfe entwickeln, das angeborne Genie aber wird er eher ersticken, als entfalten. Es ward allgemein anerkannt, daß in dem wissenschaftlichen Streite die Jansenisten den vollständigsten Sieg davongetragen hatten. Den Jesuiten blieb nichts weiter übrig, als die Secte VI.43 zu unterdrücken, die sie nicht widerlegen konnten. Ludwig XIV. war jetzt ihre Hauptstütze; sie hatten seine Überzeugungen von Jugend auf nach ihren Willen geleitet und er hatte von ihnen gelernt, den Jansenismus eben so sehr wie den Protestantismus und noch weit mehr als den Atheismus zu verabscheuen. Innocenz XI. dagegen neigte sich zu den jansenistischen Ansichten. Die Folge von dem Allen war, daß sich die Gesellschaft Jesu in einer Lage erblickte, an die ihre Gründer nie gedacht hatten. Die Jesuiten waren dem Papste entfremdet und eng verbunden mit einem Fürsten, der sich zum Beschützer der gallikanischen Freiheiten und zum Feinde der ultramontanen Forderungen erklärte. So wurde der Orden in England ein Werkzeug für Ludwig’s Pläne und arbeitete mit einem Erfolge, den die Katholiken nachher lange und bitter bereuten, darauf hin, die Kluft zwischen dem Könige und dem Parlamente zu erweitern, die Thätigkeit des Nuntius zu durchkreuzen, die Macht des Lordschatzmeisters zu untergraben und die verzweifelten Pläne Tyrconnel’s zu unterstützen.
So standen denn auf der einen Seite die Hyde mit der ganzen Masse der toryistischen Anhänger der Staatskirche, Powis mit den achtungswerthesten Edelleuten und Gentlemen von des Königs Glauben, die Generalstaaten, das Haus Österreich und der Papst; auf der andren Seite einige römisch-katholische Abenteurer mit zerrüttetem Vermögen und beflecktem Rufe, unterstützt von Frankreich und den Jesuiten.
56. Fra Paolo, lib. VII. ; Pallavicino, lib. XVIII. chap. 15.
Pater Petre. Der Hauptrepräsentant der Jesuiten in Whitehall war ein englischer Ordensbruder, der eine Zeit lang als Viceprovinzial gedient hatte, von Jakob mit besonderer Gunst beehrt und erst kürzlich noch zum Kabinetssekretär ernannt worden war. Dieser Mann, Namens Eduard Petre, stammte aus einer achtbaren Familie. Er besaß einnehmende Manieren, eine gewandte und zum Herzen dringende Redeweise, war aber schwach und eitel, habsüchtig und ehrgeizig. Von allen bösen Rathgebern, denen der König ein geneigtes Ohr lieh, hatte er vielleicht den größten Antheil am Untergange des Hauses Stuart gehabt.
Stimmung und Ansichten des Königs. Der starrsinnige und herrschsüchtige Character des Königs kam Denjenigen, die ihm riethen fest zu bleiben, in nichts nachzugeben und sich gefürchtet zu machen, sehr zu Statten. In seinem beschränkten Kopfe hatte sich eine Staatsmaxime eingenistet, die durch keine Vernunftgründe daraus zu vertreiben war. Er war überhaupt nicht gewohnt, auf Vernunftgründe zu hören. Seine Methode der Beweisführung, wenn man es so nennen darf, war von der Art, wie man sie bei beschränkten und eigenwilligen Personen, welche nur Untergebene um sich zu haben gewohnt sind, sehr häufig findet. Er stellte eine Behauptung auf, und wenn verständigere Leute sich herausnahmen, ihm zu beweisen, daß er im Irrthum war, so wiederholte er seine Behauptung mit den nämlichen Worten und glaubte auf diese Weise alle Einwendungen entkräftet zu haben. 57 „Ich mag keine Zugeständnisse machen“, sagte er oft: „mein Vater machte auch Zugeständnisse und er wurde enthauptet“. 58 Wenn es auch wahr gewesen wäre, daß Karl I. VI.44 sich durch seine Nachgiebigkeit ins Verderben gestürzt, so würde doch jeder verständige Mann eingesehen haben, daß eine einzige Erfahrung selbst in viel weniger verwickelten Wissenschaften als die Staatswissenschaft ist, nicht genügt, um eine allgemeine Regel festzustellen, daß seit Erschaffung der Welt nicht zwei politische Experimente unter völlig gleichen Bedingungen gemacht worden sind und daß man auf keinem andren Wege aus der Geschichte Staatsklugheit schöpfen kann, als indem man eine große Anzahl Fälle prüft und mit einander vergleicht. Wenn indessen der einzelne Fall, auf den der König sich stützte, überhaupt etwas bewies, so bewies er nur, daß der König Unrecht hatte. Es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, daß, wenn Karl dem Kurzen Parlamente, welches im Frühjahr 1640 zusammentrat, aus freiem Antriebe nur die Hälfte der Zugeständnisse gemacht hätte, die er wenige Monate später dem Langen Parlamente machte, er als ein mächtiger König gelebt haben und gestorben sein würde. Auf der andren Seite kann es nicht im geringsten bezweifelt werden, daß, wenn er sich geweigert hätte, dem Langen Parlamente irgend ein Zugeständniß zu machen, und er zur Vertheidigung des Schiffsgeldes und der Sternkammer die Waffen ergriffen hätte, er Hyde und Falkland neben Hollis und Hampden in den feindlichen Reihen gesehen haben würde. In Wahrheit aber würde er gar nicht im Stande gewesen sein zu den Waffen zu greifen, denn es würden sich keine zwanzig Kavaliere seiner Fahne angeschlossen haben. Nur seinen ausgedehnten Zugeständnissen verdankte er die Unterstützung der großen Masse von Kavalieren und Gentlemen, die so lange und so tapfer für seine Sache fochten. Doch es wäre ganz umsonst gewesen, Jakob diese Dinge vorzustellen.
Außerdem war sein Geist noch in einem andren unseligen Irrthum befangen, den er sich nicht nehmen ließ, bis er ihn ins Unglück gestürzt hatte. Er glaubte steif und fest er könne thun was er wolle, die Mitglieder der Staatskirche würden nach ihren Grundsätzen handeln. Es war, wie er wußte, von zehntausend Kanzeln herab gepredigt und von der Universität Oxford feierlich erklärt worden, daß selbst eine so fürchterliche Tyrannei wie die der verderbtesten Cäsaren den Widerstand der Unterthanen gegen die königliche Autorität nicht rechtfertige, und er war schwach genug, hieraus den Schluß zu ziehen, daß die ganze Hauptmasse der toryistischen Gentlemen und Geistlichen sich geduldig von ihm ausplündern, bedrücken und verhöhnen lassen würde, ohne nur die Hand gegen ihn zu erheben. Man sollte es kaum für möglich halten, daß ein Mann, der sein fünfzigstes Lebensjahr zurückgelegt hatte, noch nicht dahinter gekommen war, daß die Menschen zuweilen etwas thun, obgleich sie es als unrecht erkennen. Jakob brauchte nur in sein eignes Herz zu blicken, um hinreichende Beweise dafür zu erhalten, daß selbst ein starkes religiöses Pflichtgefühl den schwachen Menschen nicht immer abhält, trotz aller göttlichen Gebote und auf die Gefahr der furchtbarsten Strafen hin, seinen Leidenschaften zu fröhnen. Er mußte wissen, daß er, obgleich er den Ehebruch für eine Sünde hielt, dennoch ein Ehebrecher war; aber nichts vermochte ihn zu überzeugen, daß ein Mensch, der den Aufruhr laut für sündlich erklärte, je einmal im Nothfalle selbst ein Aufrührer werden konnte. Die Kirche Englands war seiner Ansicht nach ein passives Opfer, VI.45 das er ohne die mindeste Gefahr nach Gutdünken mißhandeln und quälen konnte, und er sah seinen Irrthum nicht eher ein, als bis die Universitäten Anstalt trafen, aus ihrem Silbergeschirr Geld schlagen zu lassen, damit sie die Kriegskasse seiner Feinde unterstützen konnten, und bis ein lange Zeit durch seine Loyalität ausgezeichneter Bischof den Priesterrock abwarf, das Schwert um die Lenden gürtete und das Commando eines Insurgentenregiments übernahm.
57. Ganz dieselbe Methode befolgte auch seine Tochter Anna, und Marlborough sagt, sie habe das von ihrem Vater gelernt. — Vindication of the Duchess of Marlborough.
58. Wie zur Zeit des Prozesses der Bischöfe sagte Jacob beständig zu Adda, alles Unglück Karl’s I. sei „per la troppa indulgenza“ über ihn gekommen. Depesche vom 29. Juni (9. Juli) 1688.
Sunderland bestärkt den König in seinen Irrthümern. In diesen unseligen Täuschungen wurde der König arglistigerweise durch einen Minister bestärkt, der Exclusionist gewesen war und sich noch immer einen Protestanten nannte, den Earl von Sunderland. Die Beweggründe und die Handlungsweise dieses grundsatzlosen Staatsmannes sind oft irrig dargestellt worden. Er wurde bei seinen Lebzeiten von den Jakobiten beschuldigt, daß er schon vor dem Regierungsantritte Jakob’s eine Revolution zu Gunsten des Prinzen von Oranien hervorzurufen beabsichtigt und daß er zu dem Ende eine Reihe von Gewaltmaßregeln gegen die staatliche und kirchliche Verfassung des Reichs anempfohlen habe. Diese grundlose Fabel ist bis auf unsere Tage von unwissenden Schriftstellern nacherzählt worden. Aber kein gut unterrichteter Geschichtsforscher, welches auch seine vorgefaßte Meinung sein mochte, hat sich entschließen können, daran zu glauben, denn es liegt durchaus kein Beweis dafür vor, und einsichtsvolle Männer würden sich kaum durch irgend einen Beweis überzeugen lassen, daß Sunderland absichtlich Schuld und Schande auf sich lud, um eine Veränderung herbeizuführen, durch die er offenbar unmöglich etwas gewinnen konnte und durch die er in der That nachher unermeßlichen Reichthum und Einfluß verlor. Auch ist nicht der mindeste Grund zu einer so sonderbaren Annahme vorhanden, denn das Wahre liegt klar auf der Hand. So krumm auch die Wege dieses Mannes waren, das Gesetz, welches sie ihm vorzeichnete, war sehr einfach. Sein Verfahren muß dem abwechselnden Einflusse der Habgier und der Furcht auf einen für diese beiden Leidenschaften sehr empfänglichen und mehr scharfsichtigen als weitsehenden Geist zugeschrieben werden. Er wollte mehr Macht und mehr Geld haben. Mehr Macht konnte er nur auf Unkosten Rochester’s erlangen, und das klar vorliegende Mittel zur Erreichung dieses Zweckes war, daß er das Mißfallen des Königs an Rochester’s gemäßigten Rathschlägen nährte. Geld war am leichtesten und am reichlichsten vom Hofe von Versailles zu erlangen, und Sunderland eilte, sich diesem Hofe zu verkaufen, er hatte keine heiteren und anständigen Laster, gegen Wein und Frauenschönheit war er sehr gleichgültig; aber er besaß eine zügellose, unersättliche Begierde nach Reichthum. Eine maßlose Spielwuth beherrschte ihn und war durch ungeheure Verluste nicht vermindert worden. Er war der Erbe eines großen Vermögens, hatte lange Zeit einträgliche Ämter bekleidet und kein Mittel gescheut, wodurch er sie noch einträglicher machen konnte; aber sein Unglück am Spieltisch war so groß, daß seine Güter von Tag zu Tag mit immer neuen Schulden belastet wurden. In der Hoffnung, sich aus seinen Verlegenheiten zu reißen, verrieth er Barillon alle gegen Frankreich gerichteten Pläne, die im englischen Kabinet geschmiedet worden waren, und gab zu verstehen, daß in solchen Zeiten ein Staatssekretär Dienste leisten könne, welche gut zu bezahlen von Ludwig sehr weise gehandelt sein würde. Der Gesandte sagte seinem Gebieter, daß sechstausend Guineen die kleinste Gratification sei, VI.46 die man einem so einflußreichen Minister anbieten könne. Ludwig willigte ein bis zu fünfundzwanzigtausend Kronen zu gehen, was ungefähr so viel als fünftausendsechshundert Pfund Sterling war. Man kam überein, daß Sunderland jährlich diese Summe erhalten und dagegen seinen ganzen Einfluß aufbieten sollte, um die Wiedereinberufung des Parlaments zu hintertreiben. 59
Er trat deshalb der jesuitischen Cabale bei und wußte den Einfluß derselben so geschickt zu benutzen, daß er zum Nachfolger Halifax’ in der hohen Stellung eines Lordpräsidenten ernannt wurde, ohne deshalb den viel einflußreicheren und einträglicheren Posten als Staatssekretär aufgeben zu müssen. 60 Er sah jedoch wohl ein, daß er nie hoffen konnte einen überwiegenden Einfluß bei Hofe zu erlangen, so lange er noch für ein Mitglied der Staatskirche galt. Ihm war jede Religion gleich, und er pflegte in Privatzirkeln oft von den heiligsten Dingen mit einer empörenden Geringschätzung zu sprechen. Er beschloß daher, dem Könige das Vergnügen und den Ruhm zu verschaffen, eine Bekehrung zu Stande gebracht zu haben. Die Sache mußte indessen mit Vorsicht und Geschick angegriffen werden. Niemand ist völlig gleichgültig gegen die Meinung seiner Nebenmenschen, und wenn sich auch Sunderland aus der Schande wenig machte, so fürchtete er doch das Schimpfliche eines öffentlichen Abfalles. Er spielte seine Rolle mit seltener Gewandtheit. Der Welt zeigte er sich als Protestanten; im königlichen Kabinet nahm er die Miene eines ernsten Wahrheitsforschers an, der schon fast dahin gebracht war, sich für römisch-katholisch zu erklären, und in Erwartung weiterer Erleuchtung vorläufig schon geneigt war, den Bekennern des alten Glaubens jeden in seiner Macht stehenden Dienst zu leisten. Jakob, der nie sehr scharfsichtig, in religiösen Dingen aber völlig blind war, ließ sich trotz Allem, was er von menschlicher Schurkerei, der Schurkerei der Höflinge im Allgemeinen und der Schurkerei Sunderland’s im Besonderen erfahren hatte, zu dem Glauben verlocken, daß die göttliche Gnade das falscheste und verstockteste aller menschlichen Herzen gerührt habe. Viele Monate lang wurde der schlaue Minister am Hofe für einen hoffnungsvollen Katechumenen gehalten, ohne daß er deshalb in den Augen des Publikums als Renegat erschien. 61
Er machte den König in Zeiten darauf aufmerksam, daß es zweckmäßig sein dürfte, einen geheimen Ausschuß von Katholiken zu bilden, der in allen die Interessen ihres Glaubens berührenden Angelegenheiten Rath zu ertheilen habe. Dieser Ausschuß versammelte sich bald in Chiffinch’s VI.47 Privatwohnung, bald in den amtlichen Gemächern Sunderland’s, der, obgleich dem Namen nach noch Protestant, an allen ihren Berathungen Theil nahm und bald ein entschiedenes Übergewicht über die anderen Mitglieder erlangte. Jeden Freitag speiste die jesuitische Cabale bei dem Staatssekretär. Bei Tafel herrschte eine sehr freie Unterhaltung und die Schwächen des Fürsten, den die Verbündeten zu leiten hofften, wurden dabei nicht geschont. Dem Petre versprach Sunderland den Cardinalshut, Castelmaine eine glänzende Gesandtschaft in Rom, Dover ein einträgliches Commando in der Garde und Tyrconnel eine hohe Stellung in Irland. So durch die stärksten Bande des Interesses mit einander verbunden, gingen diese Männer ans Werk, die Macht des Schatzmeisters zu stürzen. 62
59. Barillon, 16.(26.) Nov. 1685; Ludwig an Barillon, 26. Nov. (6. Dec.) In einem höchst interessanten Schriftstück, das 1687 so gut als gewiß von Bonrepaux verfaßt wurde und sich jetzt in den französischen Archiven befindet, wird Sunderland folgendermaßen geschildert: „La passion qu’il a pour le jeu, et les pertes considérables qu’il y fait, incommodent fort ses affaires. Il n’aime pas le vin; et il haït les femmes.“
60. Aus dem Geheimrathsbuche geht hervor, daß er seinen Präsidentenposten am 4. Dec. 1685 antrat.
61. Bonrepaux ließ sich nicht so leicht täuschen als Jakob: „En son particulier il (Sunderland) n’en professe aucune (religion), et on parle fort librement. Ces sortes de discours seroient en exécration en France. Ici ils sont ordinaires parmi un certain nombre de gens du pais.“ Bonrepaux an Seignelay, 25. Mai (4. Juni) 1687.
62. Clarke’s Life of James the Second, II. 74, 77. Orig. Mem. ; Sheridan MS. ; Barillon, March 19.(29.) 1686.
Treulosigkeit Jeffreys’. Es waren im Kabinet zwei protestantische Mitglieder, welche an dem Kampfe keinen thätigen Antheil nahmen. Jeffreys wurde um diese Zeit von einer schmerzhaften inneren Krankheit gequält, die sich durch Unmäßigkeit verschlimmert hatte. Bei einem Gastmahle, das ein reicher Alderman einigen Regierungshäuptern gab, waren der Lordschatzmeister und der Lordkanzler dermaßen betrunken, daß sie sich fast splitternackt auskleideten und nur mit Mühe abgehalten werden konnten, auf einen Schildpfahl zu klettern, auf dem sie die Gesundheit Sr. Majestät ausbringen wollten. Der fromme Schatzmeister kam mit dem bloßen Skandale davon, der Kanzler aber bekam einen heftigen Anfall seines Übels. Eine Zeit lang glaubte man sein Leben sei in ernster Gefahr. Jakob zeigte sich sehr beunruhigt durch den Gedanken an den Verlust eines Ministers, der sich so gut in ihn zu schicken wußte, und sagte, in gewissem Sinne mit Recht, daß ein solcher Mann nicht leicht zu ersetzen sei. Als Jeffreys wieder genesen war, versprach er beiden streitenden Parteien seine Unterstützung und wartete es ab, welche von ihnen sich als siegreich erweisen würde. Einige merkwürdige Beweise von seiner Doppelzüngigkeit sind noch vorhanden. Wir haben schon erwähnt, daß die ehemals in London sich aufhaltenden zwei französischen Agenten sich in den englischen Hof getheilt hatten. Bonrepaux verkehrte beständig mit Rochester, Barillon mit Sunderland. In einer und derselben Woche erfuhr Ludwig durch Bonrepaux, der Kanzler sei ganz befreundet mit dem Schatzmeister, und durch Barillon, der Kanzler habe sich mit dem Sekretär 63 verbündet.
63. Reresby’s Memoirs ; Luttrell’s Diary, Feb. 2. 1685/86 ; Barillon, 4.(14.) Feb., 28. Jan. (7. Feb.); Bonrepaux, 25. Jan. (4. Feb.)
Godolphin und die Königin. Der vorsichtige und schweigsame Godolphin that sein Möglichstes, um neutral zu bleiben. Seine Ansichten und Wünsche waren allerdings für Rochester; aber sein Amt nöthigte ihn, beständig in der Nähe der Königin zuzubringen, und daher wollte er natürlich nicht gern auf gespanntem Fuße mit ihr stehen. Man hat in der That Grund zu glauben, daß er mit einer romantischeren Zuneigung an ihr hing, als sie gewöhnlich in dem Herzen ergrauter Staatsmänner Platz findet, und Umstände, deren Erwähnung jetzt nöthig wird, hatten sie gänzlich der jesuitischen Cabale in die Arme geworfen. 64
64. Dartmouth’s Note zu Burnet I. 621. In einer zeitgenössischen Satyre heißt es von Godolphin:
„Mit staatsklugem Kopf er sich in Alles schickte,
Wenn man ihm Muff und Handschuh nicht entrückte.“
Liebeshändel des Königs. Der König stand trotz seines unfreundlichen Charakters und seiner ernsten Haltung doch nicht viel weniger unter der Herrschaft weiblicher Reize, als ehedem sein lebhafterer und liebenswürdigerer Bruder. Allerdings fragte Jakob nicht viel nach der Schönheit, durch die sich die begünstigten Damen Karl’s auszeichneten. Barbara Palmer, Eleonore Gwynn und Louise von Quérouaille gehörten zu den schönsten Frauen ihrer Zeit. Jakob hatte schon in früher Jugend um der unschönen Gesichtszüge der Anna Hyde willen seiner Freiheit entsagt, war unter seinen Rang herabgestiegen und hatte sich dadurch das Mißfallen seiner Familie zugezogen. Zum großen Ergötzen des Hofes hatte er sich bald von seiner simplen Gemahlin durch eine noch simplere Geliebte, Arabella Churchill, abziehen lassen. Seine zweite Gemahlin hatte häufig Ursache, sich über seine Unbeständigkeit zu beklagen, obgleich sie zwanzig Jahr jünger als er und von Gesicht wie von Gestalt nicht häßlich war. Aber die stärkste von allen seinen unerlaubten Neigungen war die, welche ihn an Katharine Sedley fesselte.
Katharine Sedley. Diese Dame war die Tochter des Sir Karl Sedley, eines der glänzendsten aber sittenlosesten Schöngeister der Restauration. Die Schamlosigkeit seiner Schriften wird nicht durch besondere Eleganz und Lebendigkeit der Sprache aufgewogen; aber der Zauber seiner Conversation wurde selbst von ernsten Männern, die seinen Character nicht achteten, anerkannt. Es wurde als eine besondere Gunst betrachtet, im Theater neben ihm zu sitzen und sein Urtheil über ein neues Stück zu hören. 65 Dryden hatte ihm die Ehre erzeigt, ihn zu einer Hauptperson in dem Gespräch über dramatische Dichtkunst zu machen, Sedley’s Lebenswandel war von der Art, daß er selbst zu jener Zeit Ärgerniß erregte. Einmal zeigte er sich nach einem schwelgerischen Gelage ohne eine Spur von Kleidungsstück auf dem Balcon eines Gasthauses unweit Coventgarden und haranguirte das vorübergehende Volk in einer so unanständigen und gottlosen Sprache, daß er deshalb gerichtlich verfolgt, zu einer schweren Geldbuße verurtheilt wurde und vom Gerichtshofe der Kings Bench einen sehr nachdrücklichen Verweis erhielt. 66 Seine Tochter hatte seine Talente und seine Schamlosigkeit geerbt. Körperliche Reize besaß sie nicht, außer einem Paar blitzender Augen, deren Glanz jedoch Männern von wirklich feinem Geschmack frech und unweiblich vorkam. Von Gestalt und Gesicht war sie hager. Karl fand zwar Gefallen an ihrer Unterhaltung, lachte aber über ihre Häßlichkeit und sagte die Priester müßten sie seinem Bruder als Bußmittel empfohlen haben. Sie wußte sehr wohl, daß sie nicht hübsch war und scherzte selbst über ihre Häßlichkeit. Sonderbarerweise aber schmückte sie sich trotzdem sehr gern und machte sich oft lächerlich, wenn sie mit Schönpflästerchen beklebt, geschminkt, in brüsseler Spitzen gekleidet, von Diamanten strahlend und alle Reize eines achtzehnjährigen Mädchens affectirend, im Theater erschien. 67
Welcher Art ihr Einfluß auf Jakob war, ist nicht leicht zu erklären. Er war nicht mehr jung und ein religiöser Mann, oder wenigstens bereit, für seine Religion Anstrengungen und Opfer aufzuwenden, vor denen die meisten von Denjenigen, die man religiös nennt, zurückschrecken würden. VI.49 Es muß auffallend erscheinen, daß irgend welche Reize im Stande waren, ihn zu einem Lebenswandel zu verleiten, den er als höchst strafbar betrachtet haben muß; und in diesem Falle konnte man nicht einmal begreifen, wo der Reiz lag. Katharine selbst war erstaunt über die Heftigkeit seiner Leidenschaft. „Meine Schönheit kann es nicht sein“, sagte sie, „denn er muß doch sehen, daß ich eben nicht schön bin; und mein Geist kann es auch nicht sein, denn er hat nicht genug, um zu bemerken, daß ich welchen habe.“
Zur Zeit seines Regierungsantritts machte das Gefühl der auf ihn lastenden neuen Verantwortlichkeit den König besonders empfänglich für religiöse Eindrücke. Er faßte und äußerte viele gute Vorsätze, sprach öffentlich mit großer Strenge von den gottlosen und ausschweifenden Sitten der Zeit und versprach privatim der Königin und seinem Beichtvater, daß er Katharine Sedley nicht mehr sehen wolle. Er ersuchte seine Maitresse schriftlich, die Gemächer, die sie in Whitehall bewohnte, zu verlassen und ein Haus am St. James Square zu beziehen, das auf seine Kosten prachtvoll für sie eingerichtet worden war. Zu gleicher Zeit versprach er ihr einen hohen Jahrgehalt aus seiner Chatulle. Die kluge, energische, unerschrockene und sich ihrer Macht bewußte Katharine aber weigerte sich das Feld zu räumen. Schon nach wenigen Monaten raunte man sich zu, daß Chiffinch’s Dienste wieder in Anspruch genommen würden und daß die Maitresse häufig durch die verborgene Thür aus- und eingehe, durch welche Pater Huddleston die Hostie an Karl’s Bett gebracht hatte. Die protestantischen Minister des Königs hofften wahrscheinlich, die Verblendung ihres Gebieters für dieses Weib könne ihn von der weit gefährlicheren Verblendung heilen, die ihn antrieb, ihre Religion anzugreifen. Sie besaß alle die Talente, die sie befähigen konnten, mit seinen Gefühlen und seinen Gewissensscrupeln Scherz zu treiben und ihm die Schwierigkeiten und Gefahren, in die er sich kopfüber stürzte, mit den grellsten Farben auszumalen.
Intriguen Rochester’s zu Gunsten der Katharine Sedley. Rochester, der Vorkämpfer der Kirche, bemühte sich, ihren Einfluß zu vergrößern. Ormond, der gewöhnlich als die personificirte Sittenreinheit und Hochsinnigkeit des englischen Kavaliers betrachtet wird, unterstützte ebenfalls diesen Plan. Selbst Lady Rochester schämte sich nicht, das Ihrige dazu beizutragen und zwar in der abscheulichsten Weise. Ihre Aufgabe bestand darin, die Eifersucht der beleidigten Gemahlin auf eine ganz unschuldige junge Dame zu lenken. Dem ganzen Hofe fiel die Kälte und Härte auf, mit der die Königin dem armen Mädchen begegnete, auf welche der Verdacht geworfen war, aber die Ursache der üblen Laune Ihrer Majestät war ein Geheimniß. Eine Zeit lang wurde die Intrigue glücklich und unentdeckt fortgesponnen. Katharine sagte dem Könige oft keck ins Gesicht, was die protestantischen Lords des Geheimen Raths nur in den zartesten Ausdrücken leise anzudeuten wagten. Seine Krone, sagte sie, sei in Gefahr, der alte kindische Arundell und der großsprecherische Tyrconnel würden ihn ins Verderben führen. Es ist leicht möglich, daß sie durch ihre Liebkosungen noch das erreicht haben würde, was dem vereinten Zureden der Lords und Gemeinen, des Hauses Österreich und des heiligen Stuhles nicht gelingen wollte, hätte nicht ein sonderbarer Unfall die ganze Gestalt der Dinge verändert. Jakob beschloß in einem Anfalle von Zärtlichkeit, seine Geliebte zur Gräfin von Dorchester zu erheben. VI.50 Katharine erkannte die ganze Gefährlichkeit eines solchen Schrittes und lehnte die gehässige Ehre ab. Ihr Geliebter aber beharrte darauf und drückte ihr selbst das Diplom in die Hand. Endlich nahm sie es unter einer Bedingung an, welche ihr Vertrauen auf ihre Macht und seine Schwäche beweist. Er mußte ihr das feierliche Versprechen geben, nicht daß er sie nie verlassen, sondern nur daß er ihr in diesem Falle seinen Entschluß selbst ankündigen und ihr eine Abschiedszusammenkunft gewähren wolle.
Sobald die Nachricht von ihrer Erhebung bekannt wurde, kam der ganze Palast in Aufruhr. Das heiße italienische Blut kochte in den Adern der Königin. Stolz auf ihre Jugend und ihre Reize, auf ihren hohen Rang und ihre makellose Tugend konnte sie sich nicht ohne tiefen Schmerz und Zorn um einer solchen Nebenbuhlerin willen verlassen und beleidigt sehen. Rochester, der sich vielleicht erinnerte, wie geduldig sich Katharine von Braganza nach kurzem Widerstreben darein gefügt hatte, die Maitresse Karl’s höflich zu behandeln, hatte erwartet, daß auch Marie von Modena nach ein wenig Murren und Schmollen so fügsam sein werde. Aber dem war nicht so. Sie versuchte es gar nicht, die Heftigkeit ihrer empörten Gefühle vor den Augen der Welt zu verbergen. Tag für Tag bemerkten die Höflinge, welche herbeikamen, um sie speisen zu sehen, daß die Schüsseln unberührt von ihrer Tafel wieder abgetragen wurden. Im Beisein sämmtlicher Minister und Gesandten ließ sie ihren Thränen freien Lauf, und zum Könige sprach sie mit wilder Heftigkeit. „Lassen Sie mich!“ rief sie aus, „Sie haben Ihre Dirne zur Gräfin gemacht, machen Sie sie auch zur Königin, setzen Sie ihr meine Krone aufs Haupt. Nur gestatten Sie mir, mich in einem Kloster zu verbergen, damit ich sie nicht mehr sehe.“ Dann fragte sie ihn ein wenig ruhiger, wie er sein Benehmen mit seinen religiösen Ansichten vereinigen könne. „Sie sind bereit“, sagte sie, „um Ihres Seelenheils willen Ihr Königreich aufs Spiel zu setzen, und doch werfen Sie Ihre Seele um eines solchen Geschöpfes willen weg.“ Pater Petre stimmte auf den Knieen liegend in diese Vorstellungen ein. Dies war seine Pflicht, und er erfüllte sie nur um so eifriger, da sie mit seinem Interesse zusammenfiel. Der König fuhr noch eine Zeit lang fort zu sündigen und zu bereuen. In seinen Stunden der Zerknirschung legte er sich strenge Bußübungen auf. Marie bewahrte die Geißel, mit der er das ihr zugefügte Leid an seinen eigenen Schultern schonungslos gerächt hatte, sorgfältig auf bis an ihr Ende und vermachte sie dem Kloster von Chaillot. Nur Katharinen’s Entfernung konnte diesem Kampfe zwischen schmachvoller Liebe und schmachvollem Aberglauben ein Ziel setzen. Jakob bat sie und befahl ihr schriftlich, abzureisen. Er leugnete es nicht, daß er ihr versprochen habe, persönlich Abschied von ihr zu nehmen. „Aber“, setzte er hinzu, „ich weiß nur zu gut, welche Gewalt sie über mich ausüben. Ich werde nicht Seelenstärke genug haben, um meinen Vorsatz auszuführen, wenn ich Sie sehe.“ Er bot ihr eine Yacht an, damit sie mit allen Ehren und Bequemlichkeiten nach Flandern gehen könne, und drohte ihr, daß er sie mit Gewalt entfernen lassen werde, wenn sie nicht gutwillig gehe. Einmal suchte sie ihn dadurch zu erweichen, daß sie sich krank stellte. Dann nahm sie die Miene einer Märtyrin an und nannte sich unverschämterweise eine Dulderin für die protestantische Religion. Dann sprach sie wieder in dem Style Johann Hampden’s. Sie forderte den König heraus, sie fortbringen zu lassen, sie werde den VI.51 Rechtsweg gegen ihn einschlagen, so lange die Magna Charta und die Habeas-Corpus-Acte im Lande Gesetzeskraft hätten, werde sie leben, wo es ihr gefalle. „Und vollends nach Flandern!“ rief sie, „dahin gehe ich nimmermehr! Eines habe ich von meiner Freundin, der Herzogin von Mazarin gelernt, und das ist, mich nie einem Lande anzuvertrauen, wo es Klöster giebt.“ Endlich wählte sie Irland als Verbannungsort, wahrscheinlich, weil der Bruder ihres Gönners Rochester dort Vicekönig war. Nach langem Zögern reiste sie endlich ab und räumte so der Königin das Feld. 68
Die Geschichte dieser merkwürdigen Intrigue würde unvollständig sein, wenn wir nicht hinzusetzten, daß noch eine religiöse Betrachtung existirt, die der Lordschatzmeister mit eigner Hand an dem Tage niederschrieb, an welchem sein Versuch, den König durch eine Concubine am Gängelbande zu führen, von Bonrepaux nach Versailles berichtet wurde. Kein Werk Ken’s oder Leighton’s athmet den Geist einer glühenderen und exaltirteren Frömmigkeit als diese Herzensergießung. Heuchelei kann man hier nicht vermuthen, denn der Aufsatz war offenbar nur für den Verfasser selbst bestimmt und wurde erst veröffentlicht, als dieser schon über hundert Jahre im Grabe lag. So viel wunderbarer als Dichtung ist oft die Geschichte, so wahr ist es, daß die Natur Launen hat, welche die Kunst nicht nachzuahmen wagt. Ein dramatischer Dichter würde es schwerlich wagen, einen am Abend seines Lebens stehenden ernsten Fürsten auf die Bühne zu bringen, der bereit wäre, seine Krone den Interessen seines Glaubens zu opfern, der unermüdlich dahin wirkte, Proselyten zu machen, und der bei alledem eine Gemahlin, mit Jugend und Schönheit begabt, um einer verworfenen Maitresse willen, die keines von beiden besitzt, verließe und beleidigte. Womöglich noch weniger würde ein dramatischer Dichter es wagen, einen Staatsmann auf der Bühne darzustellen, der sich zu dem gemeinen und entehrenden Amte eines Kupplers hergäbe, sich in diesem schmachvollen Geschäft durch seine Gattin unterstützen ließe und sich dabei doch in seinen Mußestunden in ein stilles Kämmerlein zurückzöge, um hier im Verborgenen sein Herz in reuigen Thränen und frommen Stoßseufzern gegen Gott auszuschütten. 69
68. Die Hauptquellen für die Geschichte dieser Intrigue sind die Depeschen von Barillon und Bonrepaux vom Anfang des Jahres 1686. Siehe Barillon, 25. Jan. (4. Febr.), 28. Jan. (7. Febr.), 1.(11.) Febr., 8.(18.) Febr. u. 19.(29.) Febr., und Bonrepaux unter den vier erstgenannten Daten. Ferner Evelyn’s Diary, Jan. 19 ; Reresby’s Memoirs ; Burnet, I. 682 ; Sheridan MS. ; Chaillot MS. und Adda’s Depeschen vom 22. Jan. (1. Febr.) u. 29. Jan. (8. Febr.) 1686. Adda schreibt wie ein frommer, aber schwacher und unwissender Mann. Er kannte jedenfalls Jakob’s vergangenes Leben nicht.
69. Die Betrachtung ist datirt vom 25. Jan. (4. Febr.) 1685/86. Bonrepaux sagt in seiner Depesche von dem nämlichen Tage: „L’intrigue avoit été conduite par Milord Rochester et sa femme ... Leur projet étoit de faire gouverner le Roy d’Angleterre par la nouvelle comtesse. Ils s’étoint assurés d’elle.“ Während Bonrepaux dies schrieb, schrieb Rochester Folgendes: „O Gott, lehre mich meine Tage so zählen, daß ich mein Herz zur Weisheit lenke. Lehre mich die Tage zählen, die ich in Eitelkeit und Müßiggang vergeudet, und lehre mich die zählen, die ich in Sünde und Schmach verbracht habe. O Gott, lehre mich auch die Tage meiner Trübsal zählen und Dir für Alles danken, was mir von Deiner Hand zugekommen ist. Lehre mich aber auch die Tage der irdischen Größe zählen, von der mir ein so großes Theil geworden ist, und lehre mich sie als Tage der Eitelkeit und der Seelenpein betrachten.“
Sinken von Rochester’s Einfluß. Der Schatzmeister überzeugte sich bald, daß er durch Anwendung schimpflicher Mittel zur Erreichung eines lobenswerthen Zweckes nicht nur ein Verbrechen, sondern auch einen Fehler begangen hatte. Die Königin war jetzt seine Feindin. Sie stellte sich zwar als höre sie die Hyde, die ihr Benehmen so gut als möglich zu entschuldigen suchten, freundlich an und behauptete sogar, daß sie zu Gunsten derselben ihren Einfluß verwende; aber sie hätte mehr als ein Weib oder weniger sein müssen, um wirklich die Verschwörung verzeihen zu können, welche die Familie der ersten Gemahlin ihres Gatten gegen ihre Ehre und ihr häusliches Glück angestiftet hatte. Die Jesuiten stellten dem Könige auf das Eindringlichste vor, welcher Gefahr er mit genauer Noth entgangen war. Sie sagten, sein Ruf, sein Frieden, sein Seelenheil sei durch die Ränke seines Premierministers gefährdet worden. Der Nuntius, welcher gern dem Einflusse der heftigen Partei entgegengearbeitet und sich den gemäßigten Mitgliedern des Kabinets angeschlossen hätte, konnte sich ehrenhafter und schicklicher Weise bei dieser Gelegenheit nicht von Pater Petre trennen. Jakob selbst konnte, als das Meer zwischen ihm und den Reizen lag, die ihn so unwiderstehlich bezaubert hatten, nur mit Unwillen und Verachtung auf Diejenigen blicken, die ihn vermittelst seiner Laster hatten leiten wollen. Das Geschehene mußte nothwendig die Wirkung haben, seine eigne Kirche in seiner Achtung zu erhöhen, die englische Kirche dagegen zu erniedrigen. Die Jesuiten, die man als die unsichersten aller geistlichen Führer darzustellen gewohnt war, als Sophisten, welche das ganze System der evangelischen Moral hinweg philosophirten, als Speichellecker, die ihren Einfluß hauptsächlich der Nachsicht verdankten, mit der sie die Sünden der Großen behandelten, hatten ihn durch so scharfen und kühnen Tadel, wie ihn David von Nathan, und Herodes von dem Täufer hören mußte, von einem schuldvollen Leben zurückgebracht. Dagegen hatten eifrige Protestanten, deren Lieblingsthema die Lockerheit der papistischen Casuisten und die Verwerflichkeit des Grundsatzes war, Böses zu thun, damit Gutes daraus hervorgehe, es versucht, auf einem Wege, den alle Christen für höchst strafbar hielten, Vortheile für ihre Kirche zu erlangen. Der Sieg der Cabale und der bösen Rathgeber war daher vollkommen. Der König wurde kalt gegen Rochester; die Höflinge und die fremden Gesandten bemerkten bald, daß der Lordschatzmeister nur noch dem Namen nach Premierminister war. Er bot nach wie vor noch täglich seinen Rath an, und erfuhr die Kränkung, ihn täglich zurückgewiesen zu sehen. Dennoch konnte er sich nicht entschließen, den äußeren Schein von Macht und die Einkünfte, welche er unmittelbar und mittelbar aus seinem hohen Amte zog, aufzugeben. Er bemühte sich daher nach Kräften, seinen Verdruß vor den Blicken des Publikums zu verbergen. Aber seine heftigen Leidenschaften und seine Unmäßigkeit machten ihn für die Rolle eines Heuchlers untauglich. Sein finstres Gesicht, wenn er aus dem Geheimrathszimmer kam, verrieth deutlich seine Unzufriedenheit mit dem, was in der Sitzung vorgegangen war, und wenn die Flasche einigemale die Runde gemacht hatte, entschlüpften ihm Worte, aus denen man seinen Ärger leicht errathen konnte. 70
VI.53Er hatte auch in der That Ursache, sich unbehaglich zu fühlen. Unbesonnene und unpopuläre Maßregeln folgten rasch auf einander, jeder Gedanke, zur Politik der Tripleallianz zurückzukehren, war aufgegeben. Der König erklärte den Gesandten der Continentalmächte, mit denen er sich noch kürzlich zu verbinden beabsichtigt hatte, ausdrücklich, daß alle seine Ansichten sich geändert hätten und daß England auch fernerhin, wie unter seinem Großvater, seinem Vater und seinem Bruder, von keiner Bedeutung für das übrige Europa sein solle. „Ich bin nicht in der Lage,“ sagte er zu dem spanischen Gesandten, „mich um das, was auswärts vorgeht, zu kümmern. Ich habe beschlossen, die fremden Angelegenheiten ihren eigenen Gang gehen zu lassen, meine Macht im Inlande zu befestigen und etwas für meine Religion zu thun.“ Einige Tage darauf kündigte er die nämlichen Entschließungen auch den Generalstaaten an. 71 Von diesem Augenblicke an bis ans Ende seiner schmachvollen Regierung machte er keinen ernsten Versuch mehr, sich der Abhängigkeit zu entreißen, obgleich er bis zuletzt jedesmal in Wuth gerieth, wenn man ihn einen Vasallen nannte.
Die beiden Ereignisse, welche dem Publikum bewiesen, daß Sunderland und seine Partei gesiegt hatten, waren die Prorogation des Parlaments vom Februar bis zum Mai und die Abreise Castelmaine’s nach Rom mit dem Gehalte eines Gesandten ersten Ranges. 72
Bisher waren alle Geschäfte der englischen Regierung am päpstlichen Hofe von Johann Caryl versehen worden. Dieser Gentleman war unter seinen Zeitgenossen als ein vermögender und fein gebildeter Mann, so wie als Verfasser zweier beifällig aufgenommenen Schauspiele bekannt, einer Tragödie in Versen, welche durch Betterton’s Spiel und Vortrag beliebt geworden war, und eines Lustspiels, das seinen ganzen Werth einigen von Molière entlehnten Scenen verdankt. Diese Stücke sind längst vergessen; aber was Caryl selbst nicht für sich thun konnte, das hat ein gewaltigeres Genie für ihn gethan. Eine halbe Zeile im „Lockenraub“ hat seinen Namen unsterblich gemacht.
70. »Je vis Milord Rochester comme il sortoit du conseil fort chagrin; et, sur la fin du souper, il lui en échappe quelque chose.« Bonrepaux, 18.(28.) Febr. 1686. Siehe auch Barillon, 1.(11.) u. 4.(14.) März.
71. Barillon, 22. März (1. April) u. 12.(22.) April 1686.
72. London Gazette, Feb. 11. 1685/86 ; Luttrell’s Diary, Feb. 8. ; Leeuwen, 9.(19.); Clarke’s Life of James the Second, II. 75. Orig. Mem.
Castelmaine wird nach Rom gesandt. Caryl, der wie alle übrigen achtbaren Katholiken, ein Feind aller Gewaltmaßregeln war, hatte seine schwierige Aufgabe in Rom mit großer Einsicht und richtigem Takt gelöst. Er besorgte die ihm übertragenen Geschäfte vortrefflich, bekleidete aber keine öffentliche Stellung und vermied sorgfältig allen Aufwand. Sein Posten bürdete daher der Regierung fast gar keine pekuniäre Last auf und erregte fast gar kein Murren. Jetzt wurde seine Stelle höchst unklugerweise durch eine kostspielige und glänzende Gesandtschaft ersetzt, die dem englischen Volke ein Dorn im Auge und dem römischen Hofe durchaus nicht willkommen war. Castelmaine hatte den Auftrag, für seinen Verbündeten Petre einen Cardinalshut zu verlangen.
Die Hugenotten werden von Jakob übel behandelt. Um die nämliche Zeit begann der König in unzweideutiger Weise seine wirklichen Gesinnungen gegen die verbannten Hugenotten zu zeigen. So lange er noch gehofft hatte, sein Parlament in Fügsamkeit hineinzuschmeicheln und das Oberhaupt einer europäischen Coalition gegen Frankreich VI.54 zu werden, hatte er sich gestellt, als ob er die Widerrufung des Edicts von Nantes tadelte und er die Unglücklichen bemitleidete, welche durch Verfolgung aus ihrem Vaterlande vertrieben worden waren. Er hatte bekannt machen lassen, daß mit seiner Genehmigung in allen Kirchen des Reichs eine Collecte für sie veranstaltet werden solle. Die betreffende Ankündigung war in Ausdrücken abgefaßt, die den Stolz eines weniger empfindlichen und eitlen Fürsten als Ludwig verletzt haben würden. Aber jetzt war Alles anders. Die Grundsätze des Vertrags von Dover waren wieder die Grundsätze der auswärtigen Politik Englands. Man entschuldigte sich demüthig wegen der Unhöflichkeit, der sich die englische Regierung durch Begünstigung der verbannten Franzosen gegen Frankreich schuldig gemacht. Der Aufruf, welcher Ludwig mißfallen hatte, ward widerrufen 73 , und den hugenottischen Geistlichen eingeschärft, in ihren öffentlichen Vorträgen mit Ehrerbietung von ihrem Unterdrücker zu sprechen, indem man sie widrigenfalls zur Verantwortung ziehen werde. Jakob zeigte nicht nur keine Theilnahme mehr für die Dulder, sondern erklärte sogar, daß er ihnen die schlimmsten Pläne zutraue und gestand, daß er sich durch Unterstützung derselben eines Fehlers schuldig gemacht habe. Einer der ausgezeichnetsten unter den Flüchtlingen, Namens Johann Claude, hatte auf dem Festlande ein kleines Buch drucken lassen, in welchem er die Leiden seiner Glaubensbrüder mit ergreifender Beredtsamkeit schilderte. Barillon verlangte, daß diesem Buche irgend ein Schandmahl aufgedrückt werde. Jakob willigte ein und erklärte in voller Staatsrathssitzung, es sei sein Wille, daß Claude’s Libell vor der königlichen Börse durch Henkershand verbrannt werden solle. Darüber erschrak sogar Jeffreys und wagte es, dem Könige vorzustellen, daß ein solches Verfahren ohne Beispiel sei, daß das Buch in einer fremden Sprache geschrieben und auf einer fremden Presse gedruckt sei, daß es lediglich Vorgänge bespreche, die sich in einem fremden Lande zugetragen, und daß noch nie eine englische Regierung von derartigen Schriften Notiz genommen habe. Jakob wollte jedoch von einer weitläufigen Erörterung der Frage nichts wissen. „Mein Entschluß steht fest,“ sagte er. „Es ist Mode geworden, die Könige unehrerbietig zu behandeln, und sie müssen einander beistehen. Ein König sollte stets für den andren Partei nehmen, und ich habe besondere Gründe, dem Könige von Frankreich diesen Beweis von Achtung zu geben.“ Die Räthe schwiegen nun still. Der Befehl wurde unverzüglich erlassen und Claude’s Flugschrift nicht ohne lautes Murren Vieler, welche stets für unerschütterlich loyal gegolten hatten, den Flammen übergeben 74 .
Die verheißene Collecte wurde unter verschiedenen Vorwänden lange hinausgeschoben. Der König hätte gar zu gern sein Wort gebrochen, aber es war so feierlich gegeben, daß er sich doch schämte, es zurückzunehmen 75 . Es wurde indessen nichts versäumt, was den Eifer der Gemeinden abkühlen konnte. Man hatte erwartet, daß das Volk, wie es in VI.55 solchen Fällen üblich ist, von den Kanzeln herab zur Mildthätigkeit aufgefordert werden würde; aber Jakob war entschlossen, keine Demonstrationen gegen seinen Glauben und gegen seinen Verbündeten zu dulden. Der Erzbischof von Canterbury erhielt daher Befehl, die Geistlichen in Kenntniß zu setzen, daß sie den Erlaß einfach vorzulesen und sich alles Predigens über die Leiden der französischen Protestanten zu enthalten hätten 76 . Dessenungeachtet gingen so reiche Beiträge ein, daß nach Abzug aller Kosten die Summe von vierzigtausend Pfund Sterling in die Londoner Kammer bezahlt wurde. Es hat vielleicht keine der großartigen Sammlungen unsrer Zeit in einem ähnlichen Verhältniß zu dem Nationalvermögen gestanden 77 .
Der König ärgerte sich heftig über das glänzende Ergebniß der Sammlung, die in Folge seines eignen Aufrufs veranstaltet worden war. Er sagte, er wisse wohl, was diese Freigebigkeit zu bedeuten habe, es sei nichts als whiggistischer Trotz gegen ihn und seine Religion 78 . Er hatte bereits beschlossen, daß das Geld Denen, welche die Geber unterstützen wollten, nicht zu Gute kommen solle. Schon seit mehreren Wochen verhandelte er über diesen Gegenstand mit der französischen Gesandtschaft und hatte sich unter Genehmigung des Hofes von Versailles zu einem Verfahren entschieden, welches mit den Grundsätzen der Toleranz, deren Freund er später zu sein behauptete, nicht wohl in Einklang zu bringen ist. Die Flüchtlinge waren eifrig der calvinistischen Kirchenzucht und Gottesverehrung zugethan. Jakob befahl daher, daß Keiner ein Stück Brod oder einen Korb Kohlen erhalten solle, der nicht zuvor das Abendmahl nach anglikanischem Ritus empfangen habe 79 . Es ist sonderbar, wie ein Fürst, welcher vorgab, daß er die Testacte als eine gewaltsame Verletzung der Gewissensfreiheit betrachte, eine so inhumane Verordnung ersinnen konnte; denn so wenig es zu rechtfertigen sein mag, das Sakrament zum Prüfstein der Tauglichkeit für Civil- und Militairämter zu machen, ist es doch jedenfalls noch viel weniger zu rechtfertigen, eine solche Bedingung vorzuschreiben, um danach zu bestimmen, wer in der äußersten Bedrängniß der Mildthätigkeit würdig ist. Auch konnte Jakob nicht den Grund für sich anführen, der zur theilweisen Entschuldigung fast aller anderen Verfolger geltend gemacht werden kann, denn der Glaube, dessen Bekenntniß er den Flüchtlingen bei Strafe des Verhungerns anbefahl, war nicht sein eigner Glaube. Sein Verfahren gegen sie war daher viel weniger zu rechtfertigen als das des Königs von Frankreich, denn dieser unterdrückte sie in der Hoffnung, sie von verdammenswerther Ketzerei zum wahren Glauben zurückzubringen, während Jakob sie nur in der Absicht unterdrückte, um sie zum Übertritt von einer verdammenswerthen Ketzerei zur andren zu zwingen.
VI.56Zur Vertheilung der eingegangenen Unterstützungsgelder wahren mehrere Commissare ernannt worden, unter denen sich auch der Kanzler befand. Als sie zum ersten Male zusammenkamen, kündigte ihnen Jeffreys den königlichen Entschluß an. Die Flüchtlinge, sagte er, seien in zu großer Mehrzahl Feinde der Monarchie und des Episcopats. Wenn sie Unterstützung wünschten, so müßten sie Mitglieder der englischen Kirche werden und das Abendmahl aus den Händen seines Kaplans empfangen. Viele Verbannte, welche mit Gefühlen des innigsten Dankes und der Hoffnung gekommen waren, um eine Unterstützung zu erbitten, vernahmen das harte Urtheil und gingen mit gebrochenem Herzen wieder von dannen 80 .
73. Leeuwen, 23. Febr. (5. März) 1686.
74. Barillon, 26. April (6. Mai) u. 3.(13.) Mai 1686; Citters, 7.(17.) Mai; Evelyn’s Diary, May 5 ; Luttrell’s Diary unter demselben Datum; Geheimrathsbuch unterm 2. Mai.
75. Lady Russell an Dr. Fitzwilliam, 22. Jan. 1686; Barillon, 15.(25.) Febr. u. 22. Febr. (4. März) 1686. Barillon sagt: „Ce prince témoigne une grande aversion pour eux, et aurait bien voulu se dispenser de la collecte, qui est ordonnée en leur faveur: mais il n’a pas cru que cela fût possible.“
76. Barillon, 22. Febr. (4. März) 1686.
77. Bericht der Commissare v. 15. März 1688.
78. „Le Roi d’Angleterre connait bien que les gens mal intentionnés pour lui sont les plus prompts et les plus disposés à donner considérablement ... Sa Majesté Britannique connoit bien qu’il auroit été à propos de ne point ordonner de collecte, et que les gens mal intentionnés contre la réligion Catholique et contre lui se servent de cette occasion pour témoigner leur zèle.“ — Barillon, 19.(29.) April 1686.
79. Barillon, 15.(25.) Febr., 22. Febr. (4. März), 19.(29.) April 1686; Ludwig an Barillon, 5.(15.) März.
80. Barillon, 19.(29.) April 1686; Lady Russell an Dr. Fitzwilliam, 14. April. „Er schickte Viele mit gebrochenem Herzen wieder fort,“ schreibt sie.
Das Dispensationsrecht. Jetzt rückte der Monat Mai heran, der zum Wiederzusammentritt der Kammern festgesetzt war; aber sie wurden aufs neue bis zum November prorogirt 81 . Es war kein Wunder, daß der König nicht wieder mit ihnen zu thun haben wollte, denn er hatte beschlossen, hinfüro eine Politik zu befolgen, von der er wohl wußte, daß sie ihnen im höchsten Grade zuwider war. Er hatte von seinen Vorgängern zwei Hoheitsrechte geerbt, deren Grenzen nie mit strenger Genauigkeit bestimmt worden waren und die, wenn sie unbeschränkt ausgeübt worden wären, schon an sich hingereicht haben würden, die ganze Verfassung des Staates und der Kirche umzustürzen. Dies waren das Dispensationsrecht und das kirchliche Supremat. Kraft des Dispensationsrechts beabsichtigte der König, römische Katholiken nicht allein zu bürgerlichen und militairischen, sondern auch zu kirchlichen Ämtern zuzulassen; vermöge des kirchlichen Supremats hoffte er die anglikanische Geistlichkeit zu Werkzeugen der Vernichtung ihrer eigenen Religion zu machen.
Dieser Plan entwickelte sich ganz allmälig. Es wurde nicht für rathsam gehalten, von allem Anfang an den Katholiken insgesammt eine Dispensation von allen den Gesetzen, welche Strafen und Eide auferlegten, zu gewähren, denn daß eine solche Dispensation gesetzwidrig war, stand zu fest. Die Cabale hatte 1672 eine allgemeine Indulgenzerklärung erlassen, gegen welche die Gemeinen bei ihrem Zusammentritt sofort protestirt hatten. Karl II. hatte sie in seiner Gegenwart kassiren lassen und die Häuser sowohl mündlich als durch eine schriftliche Botschaft versichert, daß der Schritt, der zu so vielen Klagen Anlaß gegeben habe, nie als geschehen betrachtet werden solle. Man würde schwerlich an irgend einem Gerichtshofe einen renommirten Anwalt gefunden haben, der die Vertheidigung eines Hoheitsrechtes übernommen hätte, auf welches der Souverain wenige Jahre zuvor im vollen Parlament auf seinem Throne feierlich verzichtet hatte. Weniger klar aber war es, daß der König nicht aus besonderen Gründen Einzelnen eine ausnahmsweise Dispensation bewilligen könne. Jakob strebte daher zunächst danach, von den Gerichtshöfen des gemeinen Rechts die Anerkennung zu erlangen, daß er wenigstens das Dispensationsrecht in diesem Umfange besitze.
81. London Gazette, May 13. 1685.
Absetzung widerspenstiger Richter. Aber obwohl seine Forderungen im Vergleich zu denen, die er wenige Monate später stellte, mäßig waren, so sah er doch bald, daß er die Meinung von beinahe ganz Westminsterhall gegen sich hatte. Vier von den Richtern gaben ihm zu VI.57 verstehen, sie könnten in diesem Falle seinen Wünschen nicht dienen, und es ist bemerkenswerth, daß alle vier heftige Tories waren und daß sich Männer unter ihnen befanden, welche Jeffreys auf seiner blutigen Rundreise begleitet und für die Hinrichtung Cornish’s und der Elisabeth Gaunt gestimmt hatten. Jones, der Oberrichter der Common Pleas, ein Mann, der noch nie vor irgend einer, wenn auch noch so grausamen und servilen Beihülfe zurückgeschreckt war, führte jetzt im königlichen Kabinet eine Sprache, deren sich die Lippen des makellosesten Magistratsbeamten unsrer Geschichte nicht hätten zu schämen brauchen. Es wurde ihm kurz und bündig erklärt, daß er entweder seine Ansicht oder seine Stelle aufgeben müsse. „An meiner Stelle“, antwortete er, „ist mir wenig gelegen. Ich bin im Dienste der Krone alt und schwach geworden, aber ich sehe zu meiner tiefen Betrübniß, daß Eure Majestät mich für fähig halten, ein Urtheil abzugeben, das nur ein unwissender oder ein ehrloser Mann abgeben könnte.“ — „Ich bin überzeugt“, sagte der König, „daß ich zwölf Richter finde, die in dieser Angelegenheit ganz meines Sinnes sind.“ — „Zwölf Richter Ihres Sinnes mögen Eure Majestät wohl finden“, erwiederte Jones, „schwerlich aber zwölf Rechtsgelehrte 82 .“ Er wurde nebst Montague, erstem Baron der Schatzkammer, und zwei jüngeren Richtern, Neville und Charlton, entlassen. Einer der neuen Richter war Christoph Milton, der jüngere Bruder des großen Dichters. Man weiß von diesem Christoph Milton wenig mehr, als daß er zur Zeit des Bürgerkrieges Royalist gewesen war und sich jetzt auf seine alten Tage zum Papismus hinneigte. Es ist nicht erwiesen, daß er sich je mit der römischen Kirche völlig aussöhnte; gewiß aber ist es, daß er Bedenken trug, sich der anglikanischen Kirche anzuschließen, weshalb er ein starkes Interesse an der Aufrechthaltung des Dispensationsrechts hatte 83 .
Der König fand seine Rechtsbeistände ebenso widerspenstig als seine Richter. Der erste Anwalt, welcher erfuhr, daß man von ihm die Vertheidigung des Dispensationsrechts erwarte, war der Staatsprokurator Heneage Finch. Er weigerte sich entschieden und wurde am folgenden Tage seines Amtes entsetzt 84 . Der Generalfiskal Sawyer erhielt Befehl, Vollmachten auszufertigen, kraft deren Mitglieder der römischen Kirche Pfründen inne haben durften, welche der englischen Kirche gehörten. Sawyer war bei einigen der härtesten und am wenigsten zu rechtfertigenden Verfolgungen der damaligen Zeit stark betheiligt gewesen, und die Whigs verabscheuten in ihm einen Mann, der sich mit dem Blute Russell’s und Sydney’s befleckt hatte; bei dieser Gelegenheit aber bewies er keinen Mangel an Ehrenhaftigkeit oder Characterstärke. „Sire“, sagte er, „dies heißt nicht blos von einem Gesetze dispensiren, sondern das ganze von der Thronbesteigung der Königin Elisabeth bis auf den heutigen Tag gültige Gesetzbuch umstoßen. Ich darf es nicht thun und bitte Eure Majestät zu erwägen, ob solch ein Angriff auf die Rechte der Kirche mit Ihren neulichen gnädigen Versprechungen im Einklange steht 85 .“ Sawyer würde so gut wie Finch augenblicklich entlassen worden sein, wenn die Regierung einen Nachfolger für VI.58 ihn hätte finden können; allein dies war kein leichtes Ding. Es war für den Schutz der Rechte der Krone nöthig, daß wenigstens einer ihrer Anwälte ein gelehrter, fähiger und erfahrener Mann war; aber kein solcher ließ sich bereit finden, das Dispensationsrecht zu vertheidigen. Der Generalfiskal durfte daher seinen Posten noch einige Monate beibehalten. Thomas Powis, ein unbedeutender Mann, der sich nur durch seine Servilität zu einem so hohen Posten empfahl, wurde zum Staatsprokurator ernannt.
82. Reresby’s Memoirs ; Eachard, III. 797 ; Kennet, III. 451.
83. London Gazette, Apr. 22. & 29. 1686 ; Barillon, 19.(29.); Evelyn’s Diary, June 2. ; Luttrell, June 8. ; Dodd’s Church History.
84. North’s Life of Guildford, 288.
85. Reresby’s Memoirs.
Prozeß Sir Eduard Hales’. Die einleitenden Anstalten waren nun alle getroffen. Man hatte einen Generalprokurator, der das Dispensationsrecht zu vertheidigen bereit war, und zwölf Richter, die sich zu Gunsten desselben aussprechen wollten. Die Frage wurde daher eiligst zur Verhandlung gebracht. Sir Eduard Hales, ein Gentlemen aus Kent, war zu einer Zeit, da es für einen nur einigermaßen bekannten Mann nicht gerathen war, sich offen für einen Papisten zu erklären, zum Papismus übergetreten. Er hatte die Sache geheim gehalten, und, wenn er gefragt wurde, stets mit einer Feierlichkeit, die seinem Character wenig Ehre machte, versichert, daß er Protestant sei. Nachdem Jakob den Thron bestiegen, war Verstellung nicht mehr nöthig. Sir Eduard Hales erklärte öffentlich seinen Übertritt und wurde mit dem Commando eines Infanterieregiments belohnt. Diese Stelle bekleidete er bereits drei Monate, ohne den Eid geleistet zu haben, und er hatte dadurch eine Geldstrafe von fünfhundert Pfund verwirkt, die ein Kläger durch eine Schuldklage eintreiben konnte. Ein Bedienter wurde veranlaßt, eine Klage auf diese Summe beim Gerichtshofe der Kings Bench anhängig zu machen. Sir Eduard leugnete die ihm zur Last gelegten Facta nicht, berief sich aber darauf, daß er Patente habe, die ihn zur Bekleidung seines Postens trotz der Testacte ermächtigten. Der Kläger erhob dagegen einen Rechtseinwand, das heißt, er gab die factische Richtigkeit von Sir Eduard’s Vertheidigungsgrund zu, leugnete aber, daß dies eine genügende Antwort sei. So entstand eine einfache Rechtsfrage, welche der Gerichtshof zu entscheiden hatte. Ein Advokat, der anerkanntermaßen ein Werkzeug der Regierung war, trat für den Scheinkläger auf und erhob einige schwache Einwendungen gegen den Vertheidigungsgrund des Angeklagten. Der neue Generalprokurator replicirte. Der Generalfiskal nahm keinen Theil an der Verhandlung. Das Urteil wurde von dem Lordoberrichter, Sir Eduard Herbert, gefällt. Er erklärte, daß er die Frage allen zwölf Richtern vorgelegt habe und daß nach der Meinung von elfen der König in besonderen Fällen und aus besonderen hochwichtigen Gründen von Strafgesetzen dispensiren dürfe. Der Einzige, welcher nicht dieser Ansicht war, Baron Street, wurde seines Amtes nicht entsetzt. Er war ein Mann von so schlechten Sitten, daß seine eigenen Verwandten jeden Umgang mit ihm vermieden und daß dem Prinzen von Oranien zur Zeit der Revolution gerathen wurde, ihn nicht vor sich zu lassen. Nach Street’s Character kann man unmöglich glauben, daß er gewissenhafter gewesen sei als seine Collegen, und nach Jakob’s Character kann man unmöglich glauben, daß er einen widerspenstigen Baron der Schatzkammer auf seinem Posten gelassen haben würde. Es kann also kaum einem Zweifel unterliegen, daß der andersstimmende Richter ebenso wie der Kläger und dessen Rechtsbeistand im Einverständniß mit der Regierung handelte. Es war nöthig, ein großes Übergewicht an Autorität zu Gunsten des Dispensationsrechts zu erlangen; nicht minder wichtig aber war es auch, daß das für diesen Fall sorgfältig auserwählte VI.59 Richtercollegium als unabhängig erschien. Einem Richter, den am wenigsten achtungswerthen von den zwölfen, gestattete man daher, oder befahl man wahrscheinlich, seine Stimme gegen das Hoheitsrecht abzugeben. 86
Die auf solche Weise von den Gerichtshöfen anerkannte Befugniß der Krone durfte nun auch nicht müßig liegen. Innerhalb eines Monats nach erfolgter Entscheidung der Kings Bench wurden vier römisch-katholische Lords als Mitglieder des Geheimen Raths vereidigt. Zwei davon, Powis und Bellasyse, gehörten zur gemäßigten Partei und nahmen ihre Sitze wahrscheinlich mit Widerstreben und mit schlimmen Vorahnungen ein. Die anderen beiden, Arunell und Dover, hegten keine derartigen Besorgnisse. 87
86. Siehe die Erzählung des Falles in der Collection of State Trials ; Citters, 4.(14.) Mai und 22. Juni (2. Juli) 1686; Evelyn’s Diary, June 27. ; Luttrell’s Diary, June 21. Hinsichtlich Street’s sehe man Clarendon’s Diary, Dec. 27. 1688.
87. London Gazette, July 19. 1686.
Römische Katholiken werden zum Besitz geistlicher Pfründen ermächtigt. Das Dispensationsrecht wurde zu gleicher Zeit auch zu dem Zwecke benutzt, um römische Katholiken zu kirchlichen Ämtern zuzulassen. Der neue Prokurator fertigte bereitwilligst die Vollmachten aus, von denen Sawyer nichts hatte wissen wollen. Eine dieser Vollmachten wurde zu Gunsten eines Elenden, Namens Eduard Sclater, ausgestellt, welcher zwei Pfründen hatte, die er um jeden Preis und unter allen Umständen behalten wollte. Am Palmsonntage des Jahres 1686 reichte er das Abendmahl seinen Pfarrkindern nach dem Ritus der anglikanischen Kirche, und am Ostersonntage, also nur sieben Tage später, war er in der Messe. Die königliche Dispensation ermächtigte ihn, die Einkünfte seiner Pfründen fortzubeziehen. Auf die Vorstellungen der Gönner, denen er seine Anstellung verdankte, antwortete er mit frechem Trotze, und während der Katholicismus noch die Oberhand hatte, ließ er eine abgeschmackte Schrift zur Rechtfertigung seines Abfalls erscheinen. Doch wenige Wochen nach der Revolution sah eine zahlreiche Versammlung in der Marienkirche im Savoy ihn wieder in den Schooß der verlassenen Kirche aufnehmen. Er las seinen Widerruf unter strömenden Thränen ab und hielt eine heftige Schmährede gegen die papistischen Priester, deren Kunstgriffe ihn verführt hätten. 88
Nicht weniger schmachvoll war das Verfahren Obadja Walker’s. Er war ein bejahrter Priester der anglikanischen Kirche und an der Universität Oxford als gelehrter Mann bekannt. Unter der vorigen Regierung hatte man ihn in dem Verdachte gehabt, daß er sich zum Papismus hinneige, er hatte sich aber äußerlich der Staatsreligion gefügt und war daher endlich zum Rector des Universitycollegiums ernannt worden. Bald nach Jakob’s Thronbesteigung entschloß sich jedoch Walker, die bisher getragene Maske abzulegen. Er besuchte den öffentlichen anglikanischen Gottesdienst nicht mehr und hörte mit einigen Fellows und Untergraduirten, die er bekehrt hatte, täglich in seiner Privatwohnung die Messe. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Staatsprokurators war die Ausstellung einer Urkunde, welche Walker und seine Proselyten ermächtigte, ihre Pfründen VI.60 trotz ihres Abfalles beizubehalten. Es wurden sogleich Bauhandwerker bestellt, um zwei Reihen Zimmer in eine Betkapelle umzuwandeln, und nach wenigen Wochen wurde am Universitycollegium öffentlich katholischer Gottesdienst gehalten. Ein Jesuit wurde als Kaplan angestellt und mit königlicher Genehmigung eine Druckerei zur Herausgabe katholischer Tractate errichtet. Zwei und ein halbes Jahr lang fuhr Walker fort, mit der ganzen Erbitterung eines Renegaten gegen den Protestantismus zu Felde zu ziehen; als sich aber das Glück wendete, bewies er, daß er nicht den Muth eines Märtyrers besaß. Er wurde vor die Schranken des Hauses der Gemeinen gestellt, um sich wegen seines Benehmens zu verantworten, und war schamlos genug zu erklären, daß er nie seinen Glauben gewechselt, daß er im Herzen die Glaubenslehren der römischen Kirche nie gebilligt und nie den Versuch gemacht habe, irgend einen Andren in den Schooß dieser Kirche zu ziehen. Es war gewiß nicht der Mühe werth, die heiligsten Verpflichtungen und Versprechungen mit Füßen zu treten, um solche Convertiten zu machen. 89
88. Siehe die offenen Briefe in Gurch’s Collectanea Curiosa . Das Datum ist der 3. Mai 1686. Sclater’s Consensus Veterum ; Gee’s Erwiederung, betitelt: Veteres Vindicati ; Dr. Anton Horneck’s Bericht über Sclater’s Widerruf der Irrthümer des Papismus vom 5. Mai 1689; Dodd’s Church History VIII. II. 3.
89. Gutch’s Collectanea Curiosa ; Dodd, VIII. II. 3. ; Wood, Ath. Ox. ; Ellis’s Correspondence, Feb. 27. 1686 ; Commons’ Journals, Oct. 26, 1689.
Die Dechanei von Christchurch wird einem Katholiken verliehen. Bald ging der König noch einen Schritt weiter. Sclater und Walker war nur gestattet worden, die ihnen zu der Zeit, als sie noch für Protestanten galten, verliehenen Anstellungen beizubehalten, nachdem sie Papisten geworden waren. Aber ein hohes Amt der Staatskirche einem erklärten Feinde derselben zu verleihen, war eine noch viel frechere Verletzung der Gesetze und des königlichen Wortes. Jakob war aber nichts zu frech. Die Dechanei des Christchurchcollegiums war erledigt. Dieses Amt war in Rang und Einkünften eines der höchsten an der Universität Oxford. Der Dechant hatte unter seiner Leitung eine größere Anzahl junger Leute mit vornehmen Verbindungen und glänzenden Aussichten, als in irgend einem andren Collegium zu finden waren. Außerdem war er erster Geistlicher an einer Kathedrale. In beiden Eigenschaften hätte er nothwendig ein Mitglied der Staatskirche sein sollen. Trotzdem wurde kraft des Dispensationsrechts Johann Massey ernannt, der notorisch ein Mitglied der römischen Kirche war und der keine andre Empfehlung für sich hatte als eben diese. Bald war in den Räumen des Christchurchcollegiums ein Altar errichtet, an welchem täglich Messe gelesen wurde. 90 Der König sagte dem Nuntius, was in Oxford geschehen sei, solle bald auch in Cambridge geschehen. 91
90. Gutch’s Collectanea Curiosa ; Wood’s Athenae Oxonienses ; Dialogue between a Churchman and a Dissenter, 1689.
91. Adda, 9.(19.) Juli 1686.
Besetzung von Bisthümern. Doch selbst dies war nur ein kleines Übel im Vergleich zu dem, welches die Protestanten mit gutem Grunde befürchteten. Es war nur zu wahrscheinlich, daß die ganze Oberleitung der anglikanischen Kirche binnen Kurzem in die Hände ihrer Todfeinde übergehen werde. Drei wichtige Bischofssitze, der von York, der von Chester und der von Oxford, waren unlängst zur Erledigung gekommen. Das Bisthum von Oxford erhielt Samuel Parker, ein Schmarotzer, dessen Glaube, wenn er überhaupt einen hatte, der römische war und der sich nur deshalb einen Protestanten nannte, weil er eine Frau auf dem Halse VI.61 hatte. „Ich möchte einen erklärten Katholiken ernennen“, sagte der König zu Adda; „aber es ist noch nicht die Zeit dazu. Parker ist uns zugethan, seiner Gesinnung nach ist er einer der Unsrigen, und nach und nach wird er seine Geistlichen herumbringen.“ 92 Das Bisthum von Chester, welches durch den Tod Johann Pearson’s, eines in der Philologie und in der Theologie berühmten Mannes, erledigt worden war, bekam Thomas Cartwright, ein noch viel niedrigerer Schmarotzer als Parker. Das Erzbisthum von York blieb mehrere Jahre unbesetzt. Da kein triftiger Grund zu finden war, warum ein so wichtiger Posten unbesetzt gelassen wurde, so argwöhnte man, daß der König die Ernennung nur bis zu einer Zeit verschieben wolle, wo er es wagen durfte, die Mitra einem erklärten Papisten aufs Haupt zu setzen. Es ist in der That sehr wahrscheinlich, daß die anglikanische Kirche nur durch die Einsicht und den richtigen Takt des Papstes vor dieser Schmach bewahrt wurde. Ohne besonderen Dispens von Rom konnte kein Jesuit Bischof werden und Innocenz war durch nichts zu bewegen, dem Pater Petre einen solchen Dispens zu ertheilen.
92. Adda, 30. Juli (9. Aug.) 1686.
Entschluß Jakob’s, sein kirchliches Supremat gegen die Kirche zu gebrauchen. Jakob machte gar kein Geheimniß aus seiner Absicht, alte Befugnisse, die er als Oberhaupt der Staatskirche besaß, energisch und systematisch zur Vernichtung derselben anzuwenden. Er sprach es unverhohlen aus, daß nach einer weisen Fügung der Vorsehung die Suprematsacte das Mittel sein werde, um den Bruch, den sie herbeigeführt, wieder zu heilen. Heinrich und Elisabeth hätten sich eine Herrschaft angemaßt, welche von Rechtswegen dem heiligen Stuhle zukomme. Diese Herrschaft sei durch Erbfolge auf einen rechtgläubigen Fürsten gekommen und dieser werde sie als ein anvertrautes Gut dem heiligen Stuhle aufbewahren. Das Gesetz ermächtige ihn, kirchliche Mißbräuche zu beseitigen, und der erste kirchliche Mißbrauch, den er beseitigen wolle, sei die Freiheit, die sich die anglikanische Geistlichkeit anmaße, ihre eigne Religion zu vertheidigen und die römischen Glaubenslehren anzugreifen. 93
93. „Ce prince m’a dit que Dieu avoit permis que toutes les loir qui ont été faites pour établir la réligion Protestante, et détruire la réligion Catholique, servent présentement de fondement à ce qu’il veut faire pour l’établissement de la vraie réligion, et le mettent en droit d’exercer un pouvoir encore plus grand que celui qu’ont les rois Catholiques sur les affaires ecclésiastiques dans les autres pays.“ — Barillon, 12.(22.) Juli 1686. Zu Adda sagte Seine Majestät einige Tage später: „Che l’autorità concessale dal parlamento sopra l’Ecclesiastico senza alcun limite con fine contrario fosse adesso per servire al vantaggio de’ medesimi Cattolici.“ — 23. Juli (2. Aug.).
Die ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten. Dabei stieß er jedoch auf eine große Schwierigkeit. Die durch Erbschaft auf ihn gekommene kirchliche Oberhoheit war keineswegs die große und furchtbare Prärogative, welche Elisabeth, Jakob I. und Karl I. besessen hatten. Die Verordnung, welche der Krone ein fast unbeschränktes Oberaufsichtsrecht über die Kirche ertheilte, war zwar niemals förmlich aufgehoben worden, hatte aber doch einen großen Theil ihrer Kraft verloren. Das Gesetz selbst bestand noch, aber es war nicht mehr von einer achtunggebietenden Sanction oder von einem wirksamen Procedursystem begleitet, und daher war es wenig mehr als ein todter Buchstabe.
Das Gesetz, welches Elisabeth die geistliche Oberherrschaft wieder verlieh, VI.62 die ihr Vater sich angemaßt und ihre Schwester niedergelegt hatte, enthielt eine Klausel, durch welche der Regent ermächtigt wurde, ein Tribunal einzusetzen, das alle kirchlichen Vergehen untersuchen, abstellen und bestrafen sollte. Kraft dieser Klausel war der Gerichtshof der Hohen Commission errichtet worden. Dieser Gerichtshof war viele Jahre lang der Schrecken der Nonconformisten und wurde unter Laud’s Verwaltung ein Gegenstand der Furcht und des Hasses selbst für Diejenigen, welche die Landeskirche am meisten liebten. Als das Lange Parlament zusammentrat, wurde die Hohe Commission allgemein als das drückendste der vielen Joche betrachtet, unter denen die Nation seufzte. Es wurde daher etwas hastig ein Gesetz erlassen, welches der Krone nicht allein die Befugniß entzog, Visitatoren zur Beaufsichtigung der Kirche zu ernennen, sondern auch alle geistlichen Gerichte ohne Unterschied abschaffte.
Nach der Restauration erinnerten sich die Kavaliere, welche das Unterhaus füllten, trotz ihrer Begeisterung für die Hoheitsrechte, doch mit Bitterkeit der Tyrannei der Hohen Commission und waren durchaus nicht geneigt, eine so verhaßte Einrichtung wieder ins Leben zu rufen. Zu gleicher Zeit aber waren sie nicht ohne Grund der Meinung, daß das Gesetz, das alle christlichen Gerichtshöfe beseitigt hatte, ohne etwas Andres an deren Stelle zu setzen, doch ernste Einwendungen zulasse. Sie hoben daher dieses Gesetz, mit Ausnahme des auf die Hohe Commission bezüglichen Theiles, wieder auf. So wurden die Archidiakonalgerichte, die Consistorialgerichte, der erzbischöfliche Gerichtshof, der Gerichtshof der Privilegirten und der Gerichtshof der Delegirten wieder eingeführt; das Gesetz aber, welches Elisabeth und ihre Nachfolger ermächtigt hatte, Commissare mit visitatorischer Gewalt über die Kirche zu ernennen, wurde nicht allein nicht wieder hergestellt, sondern sogar in den bestimmtesten Ausdrücken für gänzlich abgeschafft erklärt. Es ist daher so klar, als nur irgend ein Punkt des Verfassungsrechts sein kann, daß Jakob II. nicht befugt war, eine Commission mit Visitations- und Regierungsgewalt über die Kirche Englands zu ernennen. 94 Wenn dem aber so war, so half es ihm wenig, daß die Suprematsacte ihn in hochtrabenden Worten ermächtigte, vorhandene Mängel dieser Kirche zu verbessern. Nur eine so gewaltige Maschine, wie die vom Langen Parlamente zerstörte war, konnte die anglikanische Geistlichkeit zwingen, sein Werkzeug zur Vernichtung der anglikanischen Glaubenslehre und Kirchenzucht zu werden. Daher nahm er sich schon im April 1686 vor, einen neuen Gerichtshof der Hohen Commission zu errichten. Der Plan wurde jedoch nicht sogleich verwirklicht. Er stieß auf den Widerspruch jedes Ministers, der nicht Frankreich und den Jesuiten ergeben war. Die Rechtsgelehrten betrachteten ihn als eine rücksichtslose Verletzung des Gesetzes und die Theologen als einen offnen Angriff auf die Kirche. Der Streit würde vielleicht noch länger gedauert haben, wäre nicht ein Ereigniß eingetreten, das den Stolz des Königs kränkte und seinen Zorn entflammte. Er hatte als erster Bischof Verordnungen erlassen, die es den Geistlichen der Landeskirche zur Pflicht machten, sich in ihren Vorträgen jeder Berührung der streitigen Lehrpunkte VI.63 zu enthalten. Also während an jedem Sonn- und Festtage in allen königlichen Palästen zur Vertheidigung des katholischen Glaubens gepredigt wurde, war es der Landeskirche, der Kirche der großen Mehrheit der Nation, verboten, ihre Grundsätze zu erörtern und zu vertheidigen. Der Geist des gesammten Klerus empörte sich gegen diese Ungerechtigkeit. Wilhelm Sherlock, ein ausgezeichneter Theolog, der mit scharfer Feder gegen die Whigs und Dissenters geschrieben hatte und dafür von der Regierung mit dem Vorsteheramte des Tempels und mit einem Jahrgehalte belohnt worden, war einer der Ersten, der sich das königliche Mißfallen zuzog. Sein Gehalt wurde ihm entzogen und er erhielt einen strengen Verweis. 95 Johann Sharp, Dechant von Norwich und Rector von St. Giles in the Fields, erregte bald darauf noch größeres Ärgerniß. Er war ein gelehrter und wahrhaft gottesfürchtiger Mann, ein berühmter Kanzelredner und ein musterhafter Seelenhirt. Seiner politischen Meinung nach war er, wie die meisten seiner Amtsbrüder, ein Tory und war eben erst zum königlichen Kaplan ernannt worden. Er erhielt einen anonymen Brief, dessen Schreiber eines seiner Pfarrkinder zu sein vorgab und sagte, er sei durch die Beweisgründe der katholischen Theologen so schwankend geworden, daß er gern Gewißheit darüber erlangen möchte, ob die anglikanische Kirche wirklich ein Zweig der wahren Kirche Christi sei. Kein Geistlicher, in dem nicht jedes Gefühl für religiöse Pflicht und Amtsehre erstickt war, konnte eine solche Anfrage unbeantwortet lassen. Am nächstfolgenden Sonntage hielt Sharp eine lebendige Predigt gegen die hohen Prätensionen des römischen Stuhles. Einige seiner Äußerungen wurden übertrieben und verdreht von Ohrenbläsern nach Whitehall berichtet; es wurde fälschlich behauptet, er habe verächtlich von den theologischen Untersuchungen gesprochen, die in der Geldkasse des verstorbenen Königs gefunden und von dem gegenwärtigen Könige veröffentlicht worden waren. Compton, der Bischof von London, erhielt von Sunderland den Befehl, Sharp bis auf weitere königliche Entschließung zu suspendiren. Der Bischof war in der größten Verlegenheit. Sein kürzliches Auftreten im Hause der Lords hatte ihm das entschiedene Mißfallen des Hofes zugezogen; schon war sein Name aus der Liste der Geheimen Räthe gestrichen, schon war er seines Amtes an der königlichen Kapelle entsetzt. Er wollte nicht gern neuen Anstoß geben; aber der Act, der ihm anbefohlen wurde, war ein gerichtlicher Act. Er erkannte die Ungerechtigkeit desselben, und die besten Rathgeber versicherten ihm, daß es auch ungesetzlich sei, eine Strafe zu verhängen, ohne daß dem Betroffenen Gelegenheit zu seiner Vertheidigung gegeben worden war. Er stellte daher dem Könige diese Bedenken in den bescheidensten Ausdrücken vor und ersuchte Sharp privatim, vorläufig nicht zu predigen. So vernünftig jedoch Compton’s Bedenken und so demüthig seine Entschuldigungsgründe gehalten waren, Jakob war höchlich entrüstet. Welche Unverschämtheit, die natürliche Gerechtigkeit und das positive Gesetz einem ausdrücklichen Befehle des Souverains gegenüberzustellen! Sharp wurde vergessen und die ganze Rache der Regierung fiel auf den Bischof. 96
94. Diese ganze Frage ist ausgezeichnet klar und unwiderlegbar in einer damals unter dem Titel: „The King’s Power in Matters Ecclesiastical fairly stated“ erschienenen kleinen Schrift abgehandelt. Siehe auch die kurze, aber kräftige Beweisführung des Erzbischofs Sancroft in seiner Biographie von Doyle, I. 229.
95. Brief von Jakob an Clarendon v. 18. Febr. 1685/86.
96. Den besten Bericht über diesen Vorgang findet man in Sharp’s Lebensbeschreibung, herausgegeben von seinem Sohne. Citters, 29. Juni (9. Juli) 1686.
Er errichtet einen neuen Gerichtshof der Hohen Commission. Der König vermißte schmerzlicher als je das gefürchtete VI.64 Zwangsmittel, welches ehedem die widerspenstigen Geistlichen gebändigt hatte. Er wußte wahrscheinlich, daß der Bischof Williams wegen einiger Worte des Unwillens gegen die Regierung seines Vaters durch die Hohe Commission aller seiner kirchlichen Würden und Ämter enthoben worden war. Der Plan, dieses furchtbare Tribunal wieder ins Leben zu rufen, wurde eifriger als je betrieben. Im Juli wurde London plötzlich durch die Neuigkeit erschreckt, daß der König in offenem Widerspruch mit zwei in den bestimmtesten Ausdrücken abgefaßten Parlamentsverordnungen, das ganze Kirchenregiment in die Hände von sieben Commissaren gelegt habe. 97 Die Worte, in denen der Umfang der Gerichtsbarkeit dieser Beamten bezeichnet war, waren unbestimmt und ließen sich fast zu jeder beliebigen Tragweite ausdehnen. Alle Collegien und Bildungsanstalten, selbst die durch Privatwohlthätigkeit gegründeten, wurden unter die Oberaufsicht dieser neuen Behörde gestellt. Alle Diejenigen, deren Lebensunterhalt von Stellen bei der Kirche oder an akademischen Anstalten abhing, vom Erzbischof bis herab zum jüngsten Curaten, vom Vicekanzler von Oxford und Cambridge bis herab zum bescheidensten Lehrer, der den Corderius las, waren nun der königlichen Gnade preisgegeben. Stand einer von diesen vielen Tausenden in dem Verdacht irgend einer der Regierung mißfälligen Handlung oder Äußerung, so konnte die Commission ihn vor sich laden. Ihr Verfahren gegen ihn war durch keine Vorschriften geregelt, sie war zu gleicher Zeit Ankläger und Richter. Der Angeklagte erhielt keine Abschrift von der Anklage, er wurde nur verhört, und waren seine Antworten nicht befriedigend, so konnte er seines Amtes entsetzt, davon vertrieben und zu jeder ferneren Anstellung unfähig erklärt werden. Zeigte er sich widerspenstig, so konnte er excommunicirt, das heißt mit anderen Worten aller bürgerlichen Rechte beraubt und auf Lebenszeit eingesperrt werden. Auch konnte er nach Belieben des Gerichtshofes in alle Kosten des Prozesses verurtheilt werden, der ihn zum Bettler machte. Von einer Appellation war keine Rede. Die Commission hatte Befehl, sich bei der Ausübung ihrer Functionen durch kein Gesetz, das mit diesen Anordnungen unvereinbar war oder zu sein schien, irre machen zu lassen. Damit endlich Niemand zweifeln konnte, daß man beabsichtigte, den gefürchteten Gerichtshof wieder einzuführen, von dem das Lange Parlament die Nation befreit hatte, sollte das neue Tribunal sich eines Siegels bedienen, das genau die nämliche Devise und die nämliche Umschrift hatte wie das Siegel der ehemaligen Hohen Commission. 98
Der oberste Commissar war der Kanzler. Seine Anwesenheit und seine Zustimmung waren zu jedem gerichtlichen Schritte erforderlich. Jedermann wußte, wie ungerecht, rücksichtslos und unmenschlich er sich bei Gerichtshöfen gezeigt hatte, wo er bis zu einem gewissen Grade durch die bekannten Gesetze Englands beschränkt worden war. Es war daher unschwer vorauszusehen, wie er sich in einer Stellung zeigen würde, in der es ihm völlig freistand, sich seine eigenen Procedurformen und Beweisregeln nach Belieben zu bilden.
VI.65Von den anderen sechs Commissaren waren drei Prälaten und drei Laien. Obenan stand der Name des Erzbischofs Sancroft. Dieser war jedoch der festen Überzeugung, daß das ganze Gericht ungesetzlich sei, daß alle Aussprüche desselben nichtig seien und daß er sich durch Theilnahme an demselben eine schwere Verantwortlichkeit aufbürden werde. Er beschloß daher, dem königlichen Rufe nicht Folge zu leisten. Allerdings handelte er bei dieser Gelegenheit nicht mit dem Muthe und der Aufrichtigkeit, die er zwei Jahre später bewies, als er aufs Äußerste getrieben wurde. Er entschuldigte sich mit Geschäften und angegriffener Gesundheit und setzte hinzu, die übrigen Mitglieder des Collegiums seien zu tüchtige Männer, als daß sie seines Beistandes bedürfen könnten. Diese leeren Ausflüchte ziemten sich in einer so hochwichtigen Angelegenheit nicht für den Primas von ganz England; auch schützten sie ihn nicht vor der königlichen Ungnade. Sancroft’s Name wurde zwar nicht aus der Liste der Geheimen Räthe gestrichen, aber zum großen Verdruß der Freunde der Kirche wurde er nicht mehr zur Teilnahme an den Staatsrathssitzungen aufgefordert. „Wenn er zu kränklich oder zu beschäftigt ist, um in die Commission gehen zu können“, sagte der König, „so ist es nicht mehr als billig, ihn auch von dem Besuche des Geheimen Raths zu befreien.“ 99
Auf keine derartigen Schwierigkeiten stieß die Regierung bei Nathaniel Crewe, Bischof des großen und reichen Bisthums Durham, ein Mann von adeliger Abkunft, der in seinem Berufe so hoch gestiegen war, daß er kaum wünschen konnte, noch höher zu steigen, aber gemeinen Sinnes, eitel und feigherzig. Er war zum Dechant der königlichen Kapelle ernannt worden, als der Bischof von London aus dem Palaste verbannt wurde. Die Ehre, ein Mitglied der Hohen Commission zu werden, verrückte Crewe den Kopf. Umsonst machten ihn einige seiner Freunde darauf aufmerksam, welchen Gefahren er sich durch Betheiligung an einem gesetzwidrigen Gerichtshofe aussetzte. Er schämte sich nicht zu antworten, daß er ohne das königliche Lächeln nicht leben könne, und sprach frohlockend die Hoffnung aus, sein Name werde in der Geschichte fortleben, eine Hoffnung, die allerdings zum Theil in Erfüllung gegangen ist. 100
Der dritte geistliche Commissar war Thomas Sprat, Bischof von Rochester. Er war ein Mann, dessen Talenten die Nachwelt kaum hat Gerechtigkeit widerfahren lassen. Zum Unglück für seinen Ruhm sind seine Verse gewöhnlich in die Sammlungen britischer Dichter aufgenommen worden, und wer ihn nach seinen Versen beurtheilt, muß ihn für einen sklavischen Nachbeter halten, der, ohne einen Funken von Cowley’s bewunderungswürdigem Genie zu besitzen, gerade das in Cowley’s Manier am wenigsten Empfehlenswerthe nachahmte; wer aber Sprat’s prosaische Schriften kennt, wird eine ganz andre Meinung von seinem Talent haben. Er war in der That ein großer Meister unsrer Sprache und besaß zu gleicher Zeit die Beredtsamkeit des Redners, des Polemikers und des Historikers. Sein sittlicher Character würde wenig Tadel erfahren haben, hätte er einem weniger heiligen Stande angehört; aber das Schlimmste, was man ihm nachsagen kann, ist, daß er gleichgültig, genußsüchtig und weltlich war. Doch solche Fehler werden zwar bei Männern weltlichen Berufs gewöhnlich VI.66 nicht für so schlimm gehalten, sind aber bei einem Prälaten sehr anstößig. Das Erzbisthum York war erledigt; Sprat hoffte es zu erhalten, und dies bewog ihn, einen Sitz bei der neuen geistlichen Behörde anzunehmen. Aber er war viel zu gutherzig, um Härte zu üben, und viel zu klug, um nicht einzusehen, daß ihn in Zukunft ein Parlament zur ernsten Rechenschaft ziehen konnte. Er nahm daher die Stelle an, bemühte sich aber, so mild als möglich aufzutreten und sich so wenig als möglich Feinde zu machen. 101
Die anderen drei Commissare waren der Lordschatzmeister, der Lordpräsident und der Oberrichter der Kings Bench. Rochester mißbilligte die Sache und murrte dagegen, verstand sich aber dennoch zur Mitwirkung, so viel er auch am Hofe ertragen mußte, konnte er sich doch nicht entschließen, denselben zu verlassen. So sehr er der Kirche zugethan war, konnte er es doch nicht über sich gewinnen, ihr seinen weißen Stab, sein Patronat, seinen Gehalt von achttausend Pfund und die noch viel bedeutenderen Nebeneinkünfte seines Amtes aufzuopfern. Er entschuldigte sein Benehmen gegen Andere und vielleicht auch gegen sich selbst damit, daß er sagte, er könne als Mitglied der Hohen Commission viel Schlimmes verhüten und es werde sich, wenn er die Stelle ablehne, anstatt seiner leicht ein der protestantischen Kirche weniger ergebener Mann finden. Sunderland war der Repräsentant der jesuitischen Cabale. Herbert’s kürzlicher Ausspruch in der Frage des Dispensationsrechts ließ erwarten, daß er sich keiner Dienstleistung, die der König von ihm verlangen könnte, entziehen werde.
97. Barillon, 21. Juli (1. Aug.) 1686; Citters, 16.(26.) Juli; Privy Council Book, July 17. ; Ellis Correspondence, July 17. ; Evelyn’s Diary, July 14. ; Luttrell’s Diary, Aug. 5. 6.
98. Die Devise war eine Rose und eine Krone. Vor der Devise stand der Anfangsbuchstabe des königlichen Namens, dahinter der Buchstabe R. Die Umschrift lautete: „Sigillum commissariorum regiae mejestatis ad causas ecclesiasticas.“
99. Anhang zu Clarendon’s Tagebuch; Citters, 8.(18.) Oct. 1686; Barillon, 11.(21.) Oct.; Doyle’s Life of Sancroft.
100. Burnet, I. 676.
101. Burnet, II. 629 ; Sprat’s Briefe an Dorset.
Verfahren gegen den Bischof von London. Sobald die Commission eröffnet war, wurde der Bischof von London vor das neue Tribunal geladen. Er erschien. „Ich bitte Sie“, sagte Jeffreys, „um eine directe und bestimmte Antwort: warum haben Sie Dr. Sharp nicht suspendirt?“
Der Bischof verlangte die schriftliche Vollmacht der Commission zu sehen, um zu erfahren, auf welche Autorität hin er so gefragt werde. „Wenn Sie unsre Autorität in Zweifel ziehen“, erwiederte Jeffreys, „so werde ich einen andren Weg mit Ihnen einschlagen. Was unsre Vollmacht betrifft, so bin ich überzeugt, daß Sie dieselbe bereits gesehen haben. Jedenfalls können Sie sie im ersten besten Kaffeehause für einen Penny lesen.“ Diese unverschämte Antwort des Kanzlers erregte den Unwillen der anderen Commissare und er war genöthigt, einige ungeschickte Entschuldigungen vorzubringen. Dann kehrte er zu dem Punkte zurück, von dem er ausgegangen war. „Dies“, sagte er, „ist kein Gerichtshof, bei dem schriftliche Anklagen niedergelegt werden. Unser Verfahren ist summarisch und mündlich. Die Frage ist einfach die: warum haben Sie dem Könige nicht gehorcht?“ Nicht ohne Schwierigkeit erlangte Compton einen kurzen Aufschub und die Gestattung eines Rechtsbeistandes. Nachdem der Fall vorgetragen war, sah Jedermann ein, daß der Bischof nur seine Pflicht gethan hatte. Der Schatzmeister, der Oberrichter und Sprat waren für die Freisprechung. Darüber gerieth der König in Zorn. Es schien, als ob die Hohe Commission ihn ebenso im Stiche lassen werde, wie ihn sein toryistisches Parlament im Stiche gelassen hatte. Er stellte daher Rochester die einfache Alternative, daß er entweder den Bischof für VI.67 schuldig zu erklären oder das Schatzamt zu verlassen habe. Rochester war erbärmlich genug nachzugeben. Compton wurde aller seiner geistlichen Functionen entsetzt und die Verwaltung seines großen Sprengels seinen Richtern, Sprat und Crewe, übertragen. Er bewohnte jedoch nach wie vor seinen Palast und bezog seine Einkünfte fort, denn man wußte sehr wohl, daß, wenn man den Versuch gemacht hätte ihn seiner Emolumente zu berauben, er sich unter den Schutz des gemeinen Rechts begeben haben würde, und Herbert selbst erklärte, daß nach diesem Rechte das Urtheil gegen die Krone ausfallen müßte. Diese Erwägung bestimmte den König inne zu halten. Nur wenige Wochen waren verflossen, seitdem er die Gerichtshöfe von Westminsterhall neu zusammengesetzt hatte, um eine Entscheidung zu Gunsten seines Dispensationsrechts zu erlangen, und er überzeugte sich jetzt, daß er ohne eine nochmalige Sichtung nicht im Stande sein würde, einen Ausspruch zu Gunsten des Verfahrens seiner kirchlichen Commission zu erlangen. Er beschloß daher, die Einziehung der Revenuen widerspenstiger Geistlicher kurze Zeit aufzuschieben. 102
102. Burnet I. 677. ; Barillon, Sept. 6.(16.) 1686. Der öffentliche Prozeß befindet sich in der Collection of State Trials .
Die öffentliche Schaustellung römisch-katholischer Gebräuche und Trachten erregt Unzufriedenheit. Die Stimmung der Nation war allerdings auch von der Art, daß sie ihn wohl zum Einhalten bestimmen konnte. Seit einigen Monaten war die Unzufriedenheit in fortwährendem und reißend schnellem Wachsen begriffen. Die Feier des katholischen Gottesdienstes war lange Zeit durch eine Parlamentsacte verboten gewesen. Seit mehreren Generationen hatte kein römisch-katholischer Geistlicher es wagen dürfen, sich mit den Zeichen seines Amtes öffentlich blicken zu lassen. Gegen die Ordensgeistlichen und insbesondere gegen die nie ruhenden und verschmitzten Jesuiten war eine Reihe strenger Verordnungen erlassen worden. Jeder Jesuit, der dieses Land betrat, setzte sich der Gefahr aus, gehängt, geschleift und geviertheilt zu werden. Auf seine Entdeckung war eine Belohnung ausgesetzt; auf ihn fand die allgemeine Regel, daß Niemand sein eigner Ankläger sein könne, keine Anwendung. Wer in dem Verdachte stand, ein Jesuit zu sein, konnte befragt, und wenn er sich zu antworten weigerte, auf Lebenszeit eingesperrt werden. 103 Obgleich nun diese Gesetze nur in solchen Fällen, wo man eine besondere Gefahr vermuthete, streng gehandhabt worden waren und die Jesuiten keineswegs von England fern gehalten hatten, so hatten sie doch die größte Vorsicht nöthig gemacht. Jetzt aber wurde jede Verstellung bei Seite geworfen. Unverständige Mitglieder der Kirche des Königs suchten, durch ihn ermuthigt, etwas darin, Gesetzen, welche noch unbestreitbare Gültigkeit hatten, und Gefühlen, welche jetzt im Geiste der Nation tiefer wurzelten als je zuvor, Hohn zu sprechen. In allen Gegenden des Landes entstanden römisch-katholische Kapellen; Mönchskutten, Gürtelschnuren und Rosenkränze zeigten sich fortwährend auf den Straßen und setzten eine Bevölkerung in Erstaunen, deren älteste Leute noch nie eine Klostertracht, außer auf der Bühne, gesehen hatten. In Clerkenwall wurde auf der Stelle des ehemaligen Klosters St. Johann ein neues Kloster erbaut; die Franziskaner bezogen ein Haus in Lincoln’s Inn Fields, die Carmeliter eins in der City; eine Gesellschaft Benedictinermönche VI.68 quartierte sich im St. Jamespalast ein und im Savoy wurde ein geräumiges Haus mit Kirche und Schule für die Jesuiten erbaut. 104 Die Geschicklichkeit und Sorgfalt, mit der diese Väter seit mehreren Generationen die Erziehung, der Jugend geleitet, hatte selbst die weisesten Protestanten wider ihren Willen zu lobender Anerkennung genöthigt. Bacon hatte die in den Jesuitencollegien angewendete Unterrichtsmethode für die beste erklärt, die man bis jetzt kenne und sein lebhaftes Bedauern darüber ausgesprochen, daß ein so vorzügliches System geistiger und sittlicher Erziehung den Interessen einer verderbten Religion diene. 105 Es war nicht unwahrscheinlich, daß die neue Akademie im Savoy unter königlichem Patronate eine gefährliche Nebenbuhlerin für die großen Anstalten von Eton, Westminster und Winchester wurde. In der That zählte die Schule kurz nach ihrer Eröffnung bereits vierhundert Knaben, von denen ungefähr die Hälfte Protestanten waren. Die protestantischen Zöglinge hatten nicht nöthig die Messe zu besuchen, aber es unterlag keinem Zweifel, daß der Einfluß tüchtiger, der römisch-katholischen Kirche ergebener und mit allen Künsten, welche das Vertrauen und die Zuneigung der Jugend gewinnen, vertrauter Lehrer viele Convertiten machen werde.
103. 27 Eliz. c. 2. ; 2 Jac. 1. c. 4. ; 3 Jac. 1. c. 5.
104. Clarke’s Life of James the Second, II. 79, 80. Orig. Mem.
105. De Augmentis, I. VI. 4.
Tumulte. Diese Dinge riefen eine große Aufregung unter dem niederen Volke hervor, auf welches sinnliche Wahrnehmungen stets einen größeren Eindruck machen als Einwirkungen auf den Verstand. Tausende von einfachen und unwissenden Leuten, für welche die Dispensationsgewalt und die kirchliche Commission Worte ohne Bedeutung waren, sahen mit Besorgniß und Unwillen an den Ufern der Themse ein Jesuitencollegium sich erheben, Mönche in Kutte und Kaputze am Strande umhergehen und Schaaren von Andächtigen nach den Tempeln strömen, in denen geschnitzte Bilder angebetet wurden. Es brachen in verschiedenen Gegenden des Landes Aufstände aus. In Coventry und Worcester wurde der katholische Gottesdienst gewaltsam unterbrochen. 106 In Bristol führte der angeblich von der Behörde unterstützte Pöbel ein gottloses und unschickliches Schauspiel auf, in welchem die Jungfrau Maria durch einen Hanswurst dargestellt und eine karrikirte Hostie in Prozession umhergetragen wurde. Die Garnison mußte ausrücken, um den Pöbel zu zerstreuen. Dieser aber, schon damals, wie noch heute einer der wildesten des ganzen Reichs, leistete Widerstand, so daß es zu Thätlichkeiten kam und schwere Verletzungen vorfielen. 107 In der Hauptstadt war die Aufregung groß, und in der eigentlichen City größer als in Westminster, denn die Bewohner von Westminster waren an den Anblick der Privatkapellen der römisch-katholischen Gesandten gewöhnt, die City aber war seit Menschengedenken durch keine götzendienerische Schaugebung befleckt worden. Jetzt aber errichtete der Gesandte des Kurfürsten von der Pfalz auf Anregung des Königs in Lime Street eine Kapelle. Die Oberhäupter der Korporation, obgleich Männer, die wegen ihres bekannten Toryismus zu ihren Ämtern erwählt waren, protestirten gegen dieses Verfahren, das, wie sie sagten, von den gelehrtesten Herren von der langen Robe für ungesetzlich erklärt würde. Der Lordmayor wurde vor den Geheimen Rath gefordert. VI.69 „Bedenkt wohl was Ihr thut“, sagte der König zu ihm: „gehorcht mir und kümmert Euch weder um die Herren von der langen Robe noch um die Herren von der kurzen Robe.“ Hierauf nahm der Kanzler das Wort und gab dem unglücklichen Mayor mit der ächten Beredtsamkeit der Old-Bailey-Barre einen Verweis. Die Kapelle wurde geöffnet, und bald gerieth die ganze Nachbarschaft in Aufruhr. Große Volkshaufen rotteten sich in Cheapside zusammen, um das neue Meßhaus anzugreifen. Die Priester wurden insultirt, ein Kruzifix wurde aus der Kapelle geholt und auf den Gemeindebrunnen gepflanzt. Der Lordmayor kam herbei, um den Aufstand zu dämpfen, wurde aber mit dem Geschrei: „Keine hölzernen Götter!“ empfangen. Jetzt wurde die Miliz aufgeboten, um den Haufen zu zerstreuen, aber sie theilte die Ansichten des Volks und man hörte in ihren Reihen Äußerungen wie diese: „Wir können mit gutem Gewissen nicht für den Papismus kämpfen.“ 108
Der Kurfürst von der Pfalz war, wie Jakob, ein eifriger Katholik und, ebenfalls wie Jakob, Beherrscher eines protestantischen Volks; aber in Character und Verstand glichen sie einander nur wenig. Der Kurfürst hatte versprochen, die in seinen Besitzungen anerkannte Landeskirche zu achten. Er hatte gewissenhaft Wort gehalten und sich durch die übereilten Reden von Predigern, welche in ihrem Haß gegen seinen Glauben gelegentlich die seiner Person schuldige Achtung aus den Augen setzten, nie zu irgend einer Gewaltthätigkeit hinreißen lassen. 109 Er vernahm mit Bedauern, daß die unverständige Handlungsweise seines Vertreters die Londoner heftig verdrossen hatte, und erklärte, was ihm sehr zur Ehre gereichte, daß er lieber dem ihm als souverainen Fürst zustehenden Vorrechte entsagen, als den Frieden einer großen Stadt gefährden wolle. „Auch ich“, schrieb er an Jakob, „habe protestantische Unterthanen, und ich weiß, wie vorsichtig und rücksichtsvoll ein katholischer Fürst in solcher Stellung handeln muß.“ Anstatt dieses menschenfreundliche und besonnene Benehmen lobend anzuerkennen, spöttelte Jakob in Anwesenheit des Gesandten über den Brief. Es wurde beschlossen, daß der Kurfürst in der City eine Kapelle haben solle, mochte er wollen oder nicht, und daß, wenn die Milizen sich weigerten ihre Pflicht zu thun, sie durch die Garden ersetzt werden sollten. 110
Diese Ruhestörungen übten einen ernsten Einfluß auf den Handel aus. Der holländische Gesandte schrieb an die Generalstaaten, daß die Börsengeschäfte stockten. Die Zollcommissare berichteten dem Könige, daß in dem auf die Eröffnung der Kapelle in Lime Street folgenden Monate die Einnahme im Themsehafen sich um einige tausend Pfund verringert habe. 111 Mehrere Aldermen, welche zwar entschiedene Royalisten und unter der neuen Gemeindeverfassung angestellt, aber an der commerciellen Wohlfahrt ihrer Vaterstadt ein starkes Interesse hatten und weder den Papismus noch das Kriegsgesetz liebten, reichten ihre Entlassung ein. Aber der König war entschlossen nicht nachzugeben.
106. Citters, 14.(24.) Mai 1686.
107. Citters, 18.(28.) Mai 1686; Adda, 19.(29.) Mai.
108. Ellis Correspondence, April 27. 1686 ; Barillon, 19.(29.) April; Citters, 20.(30.) April; Privy Council Book, March 26. ; Luttrell’s Diary ; Adda, 26. Feb. (8 März), 26. März (5. April), 2.(12.) April u. 23. April (3. Mai).
109. Burnet’s Travels.
110. Barillon, 27. Mai (6. Juni) 1686.
111. Citters, 25. Mai (4. Juni) 1686.
Es wird bei Hounslow ein Lager gebildet. Er bildete VI.70 auf der Haide von Hounslow ein Lager und zog daselbst auf einem Umkreis von ungefähr dritthalb Meilen vierzehn Infanteriebataillone und zweiunddreißig Reiterschwadronen, in Summa etwa dreizehntausend Mann, zusammen. Sechsundzwanzig Geschütze und eine Menge mit Waffen und Munition beladene Wagen fuhren vom Tower durch die City nach Hounslow. 112 Die Londoner betrachteten diese in ihrer Nähe versammelte große Truppenmacht anfangs mit Entsetzen, das sich jedoch bei genauerem Bekanntwerden mit derselben bald verminderte. Ein Ausflug nach Hounslow wurde ihr Lieblingsvergnügen an Sonn- und Feiertagen. Das Lager gewährte den Anblick eines großen Jahrmarkts. In buntem Gemisch mit den Musketieren und Dragonern wogten eine Menge eleganter Herren und Damen von Soho Square, Gauner und geschminkte Dirnen von Whitefriars, Kranke in Sänften, Mönche in Kutte und Kaputze, Lakaien in glänzenden Livreen, Hausirer, Apfelsinenmädchen, muthwillige Lehrbuben und gaffende Bauern beständig in den langen Zeltgassen auf und ab. In einigen Zelten hörte man den Lärm wüster Trinkgelage, in anderen die Flüche von Spielern. Der Platz war eigentlich nur eine heitere Vorstadt von London. Der König hatte sich, wie es sich zwei Jahre später genugsam zeigte, vollständig verrechnet. Er hatte vergessen, daß die Nachbarschaft verschiedene Wirkungen ausübt. Er hatte gehofft, seine Armee werde London Schrecken einjagen, und das wirkliche Resultat seiner Maßregel war, daß die Gefühle und Ansichten der Londoner sich vollständig auch seiner Armee bemächtigten. 113
Das Lager war in der That kaum gebildet, so hörte man auch schon von Schlägereien zwischen den protestantischen und papistischen Soldaten. 114 Eine kleine Schrift, betitelt: „Ergebene und herzliche Ansprache an alle englischen Protestanten in der Armee“, war eifrig in den Reihen verbreitet worden. Der Verfasser ermahnte die Truppen auf das Nachdrücklichste, daß sie ihre Waffen nicht zur Vertheidigung des Meßbuches, sondern der Bibel, der Magna Charta und der Bitte um Recht gebrauchen sollten. Er war ein Mann, der schon dem Zorne der Gewalt anheim gefallen war. Sein Character war interessant und seine Geschichte ziemlich lehrreich.
112. Ellis Correspondence, June 26. 1686 ; Citters, 2.(12.) Juli; Luttrell’s Diary, July 19.
113. Siehe die damals erschienenen Gedichte: Hounslow Heath und Caesar’s Ghost ; Evelyn’s Diary, June 2. 1686. Eine Ballade in der Pepys’schen Sammlung enthält folgende Zeilen:
Der Platz gefiel mir gar zu schön,
Nie sah ein Lager ich so fein,
Kein Mädchen durft’ vorübergeh’n,
Gleich schenkt’ man ihr ein Gläschen Wein.
114. Luttrell’s Diary, June 18. 1686.
Samuel Johnson. Er hieß Samuel Johnson, war Priester der anglikanischen Kirche und Kaplan bei Lord Russell gewesen. Johnson gehörte zu den Leuten, die von ihren Gegnern tödtlich gehaßt und von ihren Verbündeten mehr geachtet als geliebt werden. Seine Sitten waren tadellos, seine Religiosität tief und glühend, seine Gelehrsamkeit und seine Talente nicht zu verachten, sein Urtheil schwach und sein Character gallig, unruhig und unbeugsam starrsinnig. Er war den eifrigen Anhängern der Monarchie besonders seines Standes wegen verhaßt, denn ein VI.71 republikanischer Geistlicher war ein seltsames, fast unnatürliches Wesen. Unter der vorigen Regierung hatte Johnson ein Werk herausgegeben, betitelt: Julian the Apostate . Der Zweck dieses Buches war zu beweisen, daß die Christen des vierzehnten Jahrhunderts den Grundsatz der Verwerflichkeit des Widerstandes nicht befolgten. Es ließen sich leicht aus Chrysostomus und Hieronymus Stellen anführen, die in einem von dem Geiste der gegen die Ausschließungsbill predigenden anglikanischen Theologen völlig verschiedenen Sinne geschrieben waren. Johnson ging indessen noch weiter. Er suchte die gehässige Beschuldigung wieder hervor, welche Libanius aus leicht erklärlichen Gründen gegen die Soldaten Julian’s erhoben hatte, und gab zu verstehen, daß der Wurfspieß, der den kaiserlichen Renegaten tödtete, nicht von einem Feinde, sondern von einem Rumbold oder Ferguson aus den eigenen Reihen der Römer geschleudert worden sei. Dies führte eine heftige Polemik herbei. Whiggistische und toryistische Disputanten stritten sich heftig über eine dunkle Stelle, in der Gregor von Nazianz einen frommen Bischof lobt, der im Begriff stand, Jemanden zu prügeln. Die Whigs behaupteten, der heilige Mann habe den Kaiser schlagen wollen, die Tories meinten, er habe es höchstens auf einen Hauptmann der Garde abgesehen gehabt. Johnson schrieb nun eine Replik gegen seine Angreifer, worin er eine sehr geistreich durchgeführte Parallele zwischen Julian und Jakob, welcher damals Herzog von York war, zog. Julian hatte sich mehrere Jahre gestellt als ob er den Götzendienst verabscheute, während er im Herzen selbst ein Götzendiener war. Julian hatte, wenn es seinem Interesse entsprach, gelegentlich Achtung vor den Rechten der Überzeugung geheuchelt. Julian hatte Städte, welche der wahren Religion aufrichtig zugethan waren, durch Entziehung ihrer Municipalfreiheiten bestraft. Und Julian war von seinen Schmeichlern der Gerechte genannt worden. Jakob fühlte sich schwer beleidigt. Johnson wurde als Pasquillant verfolgt, schuldig befunden und zu einer Geldbuße verurtheilt, die er nicht bezahlen konnte. Er wurde daher eingesperrt und es hatte ganz den Anschein, als ob seine Haft nur mit seinem Leben enden werde. 115
115. Siehe Johnson’s Denkwürdigkeiten als Einleitung zu der Folioausgabe seiner Lebensbeschreibung, seinen „Julian“ und seine Antworten an seine Gegner. Außerdem auch Hickes’s Jovian .
Hugo Speke. Über der Zelle, die er im Kingsbenchgefängnisse bewohnte, saß ein andrer Verbrecher, dessen Character wohl verdient studirt zu werden. Dies war Hugo Speke, ein junger Mann aus guter Familie, aber von merkwürdig verderbten und gemeinem Character. Seine Neigung zu Unfug und zu dunklen, krummen Wegen war fast eine krankhafte Manie. Unheil zu stiften, ohne entdeckt zu werden, war sein Geschäft und sein Vergnügen, und er besaß ein seltenes Geschick darin, ehrliche Fanatiker zu Werkzeugen seiner kaltblütigen Bosheit zu benutzen. So hatte er vermittelst einer seiner Strohmänner den Versuch gemacht, Karl und Jakob des Verbrechens zu beschuldigen, Essex im Tower ermordet zu haben. Bei dieser Gelegenheit war man dem Treiben Speke’s auf die Spur gekommen, und obgleich es ihm gelang, den größten Theil der Schuld auf den von ihm Bethörten zu wälzen, kam er doch nicht ungestraft davon. Er saß jetzt im Gefängniß, aber sein Vermögen erlaubte ihm anständig zu leben und seine Haft war so mild, daß er mit einem VI.72 seiner Genossen, der eine geheime Druckerei betrieb, einen regelmäßigen Verkehr unterhalten konnte.
Johnson war ganz der Mann, wie Speke ihn für seine Zwecke brauchen konnte: eifrig und furchtlos, ein gelehrter und gewandter Polemiker, und dabei einfältig wie ein Kind. Es bildete sich ein intimes Freundschaftsverhältniß zwischen den beiden Gefangenen. Johnson schrieb eine Reihe bitterer und heftiger Artikel, welche Speke zum Druck beförderte. Als das Lager von Hounslow gebildet war, drang Speke in Johnson, eine Ansprache zu schreiben, welche die Truppen zur Meuterei reizen könne. Die Schrift wurde sogleich verfaßt und in vielen tausend Exemplaren gedruckt, welche in Speke’s Zelle gebracht wurden, der sie von hier aus durch das ganze Land und namentlich unter die Soldaten verbreitete. Eine solche Herausforderung würde selbst eine mildere Regierung als die damals in England herrschende war, zu heftigem Zorne gereizt haben. Es wurde eine strenge Untersuchung eingeleitet und ein untergeordneter Agent, der zur Verbreitung der Ansprache verwendet worden war, rettete sich dadurch, daß er Johnson denuncirte, der aber nicht der Mann war, sich durch Denuncirung Speke’s zu retten.
Prozeß gegen Johnson. Man machte Johnson den Prozeß und erlangte ohne Schwierigkeit seine Schuldigerklärung. Julian Johnson, wie er gewöhnlich genannt wurde, ward verurtheilt, dreimal am Pranger ausgestellt und von Newgate nach Tyburn gepeitscht zu werden. Der Richter, Sir Franz Withins, sagte dem Verurtheilten, er solle dem Generalfiskal für seine große Nachsicht danken, denn er habe das Vergehen als einen Hochverrath behandeln können. „Ich bin ihm keinen Dank schuldig“, erwiederte Johnson furchtlos. „Soll ich, dessen einziges Verbrechen darin besteht, die Kirche und die Gesetze vertheidigt zu haben, mich noch dafür bedanken, daß ich wie ein Hund gepeitscht werden soll, während papistische Scribenten täglich ungestraft die Kirche beleidigen und die Gesetze übertreten dürfen?“ Er sprach mit einer solchen Energie, daß die Richter sowohl als die Kronanwälte es für nöthig hielten, sich zu vertheidigen, indem sie versicherten, sie wüßten von keinen solchen papistischen Schriften, deren der Gefangene erwähnt habe. Augenblicklich brachte er einige römisch-katholische Bücher und Zierrathen zum Vorschein, welche damals mit königlicher Bewilligung überall frei verkauft wurden, las die Titel der Bücher laut vor und warf dem Kronanwalt einen Rosenkranz über den Tisch zu. „Und jetzt“, rief er dann mit lauter Stimme, „erhebe ich diese Anklage vor Gott, vor diesem Gerichtshofe und vor dem englischen Volke. Wir werden bald sehen, ob der Herr Generalfiskal seine Pflicht thut.“
Es wurde beschlossen, daß Johnson vor der Vollziehung der Strafe seiner Priesterwürde entkleidet werden sollte. Die Prälaten, denen die Verwaltung der Londoner Diöcese von der hohen Commission übertragen war, forderten ihn vor sich in das Kapitelhaus der St. Paulskathedrale. Sein Benehmen während der Ceremonie machte einen tiefen Eindruck auf alle Anwesenden. Als ihm sein heiliges Gewand ausgezogen wurde, rief er aus: „Ihr nehmt mir meinen Rock, weil ich mich bemüht habe, Euch den Eurigen zu erhalten.“ Das Einzige was ihn bei der ganzen Ceremonie wirklich zu betrüben schien, war der Augenblick als man ihm die Bibel aus der Hand riß. Er sträubte sich schwach das heilige Buch herzugeben, küßte es und brach in Thränen aus. „Die Hoffnungen, die ich VI.73 ihm verdanke“, sagte er, „könnt Ihr mir nicht rauben.“ Es wurden einige Versuche gemacht, um den Erlaß der Peitschenstrafe für ihn zu erwirken. Ein römisch-katholischer Priester bot für die Summe von zweihundert Pfund seine Fürsprache an. Das Geld würde aufgebracht und der Priester that sein Möglichstes, aber vergebens. „Mr. Johnson“, sagte der König, „hat den Muth eines Märtyrers, und er soll deshalb auch einer werden.“ Wilhelm III. sagte einige Jahre später von einem der giftigsten und unerschrockensten Jakobiten: „Er hat sich vorgenommen ein Märtyrer zu werden, und ich habe mir vorgenommen, seine Hoffnung zu vereiteln.“ Diese beiden Äußerungen würden allein hinreichen, um den großen Unterschied in dem Geschick der beiden Fürsten zu erklären.
Der für die Auspeitschung festgesetzte Tag erschien. Man bediente sich einer neunschwänzigen Katze und der Verurtheilte erhielt mit derselben dreihundertsiebzehn Hiebe, ohne eine Miene zu verziehen. Er sagte nachher, der Schmerz sei fürchterlich gewesen, aber er habe sich, während er von dem Karren fortgezogen wurde, der Geduld erinnert, mit der das Kreuz einst den Calvarienberg hinauf getragen ward, und dieser Gedanke habe ihn so gestärkt, daß er, wenn er nicht befürchtet hätte, sein Benehmen könnte als eitle Prahlerei ausgelegt werden, mit eben so fester und freudiger Stimme als ob er sich im Kreise seiner Gemeinde befände, einen Psalm gesungen haben würde. Man kann sich des Wunsches nicht enthalten, daß ein solcher Heldenmuth weniger mit Leidenschaftlichkeit und Unduldsamkeit hätte gepaart sein sollen. 116
116. Johnson’s Lebensbeschreibung als Einleitung zu seinen Werken; Secret History of the happy Revolution , von Hugo Speke; Collection of State Trials ; Citters, 23. Nov. (3. Dec.) 1686. Citters giebt die beste Darstellung des Prozesses. Ich habe einen Bogen gesehen, der seine Erzählung bestätigt.
Eifer der anglikanischen Geistlichkeit gegen den Papismus. Unter den anglikanischen Geistlichen fand Johnson keine Theilnahme. Er hatte den Aufruhr zu rechtfertigen versucht, er hatte sogar eine Billigung des Königsmordes angedeutet, und so viel sie auch beleidigt und gereizt wurden, hielten sie doch noch immer fest an der Lehre vom Nichtwiderstande. Aber sie sahen mit Schmerz und Besorgniß die Fortschritte der Religion, die sie als einen schädlichen Aberglauben betrachteten, und während sie jeden Gedanken an eine Vertheidigung ihres Glaubens durch das Schwert aufgaben, griffen sie mannhaft zu Waffen andrer Art.
Streitschriften. Gegen die Irrthümer des Papstthums zu predigen, betrachteten sie jetzt als eine Pflicht und eine Ehrensache. Die Londoner Geistlichkeit, welche damals in Hinsicht des Talents und des Einflusses obenan stand, gab ein Beispiel, das von ihren weniger gebildeten Amtsbrüdern im ganzen Lande wacker nachgeahmt wurde. Hätten nur einzelne kühne Männer sich diese Freiheit herausgenommen, so würden sie wahrscheinlich sofort vor die kirchliche Commission citirt worden sein; aber es war kaum möglich ein Vergehen zu bestrafen, das jeden Sonntag von Tausenden von Geistlichen, von Barwick bis Penzance, begangen wurde. Die Pressen von London, Oxford und Cambridge ruhten keinen Augenblick. Das Gesetz, welches die literarischen Erscheinungen einer Censur unterwarf, war kein ernstes Hinderniß für die Anstrengungen der protestantischen Polemiker, denn es enthielt eine Ausnahmsbestimmung zu Gunsten der beiden Universitäten und gestattete die Veröffentlichung aller VI.74 theologischen Werke, die der Erzbischof von Canterbury genehmigt hatte. Es stand daher nicht in der Macht der Regierung, den Vertheidigern der Staatskirche Schweigen zu gebieten. Sie bildeten eine zahlreiche, unerschrockene und wohlgeordnete Schaar von Streitern und es befanden sich unter ihnen ausgezeichnete Redner, erfahrene Dialectiker und in den Schriften der Kirchenväter wie in allen Theilen der Kirchengeschichte gründlich bewanderte Gelehrte. Einige von ihnen kehrten später die furchtbaren Waffen, die sie gegen den gemeinsamen Feind geschwungen hatten, gegen einander und brachten durch ihr heftiges Streiten und ihr übermüthiges Triumphiren Schmach über die Kirche, die sie gerettet hatten. Gegenwärtig aber bildeten sie eine fest zusammenhaltende Phalanx. In erster Linie erblickte man eine Reihe standhafter und geschickter Veteranen: Tillotson, Stillingfleet, Sherlock, Prideaux, Whitby, Patrick, Tenison und Wake. Die ausgezeichnetsten Baccalaureen der Philosophie, deren Studienziel die Diakonatsweihe war, bildeten die Nachhut. Unter den Kämpfern, welche Cambridge ins Feld stellte, ragte einer der vorzüglichsten Schüler des großen Newton hervor, Heinrich Wharton, der einige Monate früher der beste Disputant seines Jahrescursus gewesen war und dessen bald darauf erfolgender frühzeitiger Tod von allen Parteien als ein unersetzlicher Verlust für die Wissenschaft beklagt wurde. 117 Oxford war nicht minder stolz auf einen jungen Mann, der sein großes Talent in diesem Streite zum ersten Male versuchte und der nachher vierzig ereignisvolle Jahre hindurch Kirche und Staat beunruhigte: Franz Atterbury. Von solchen Männern wurde jede Streitfrage zwischen den Papisten und den Protestanten bald in einem populären Style, den jeder Knabe und jede Frau verstehen konnte, bald mit der scharfsinnigsten Logik, bald mit einem ungeheuren Aufwand von Gelehrsamkeit erörtert. Die Anmaßungen des heiligen Stuhles, die Autorität der Überlieferungen, das Fegefeuer, die Transsubstantiation, das Meßopfer, die Anbetung der Hostie, die Verweigerung des Kelches an Laien, die Beichte, die Buße, der Ablaß, die letzte Ölung, die Anrufung der Heiligen, die Anbetung von Bildern, der Cölibat der Geistlichen, die Klostergelübde, die Anwendung einer dem Volke nicht verständlichen Sprache beim öffentlichen Gottesdienste, die Verderbtheit des römischen Hofes, die Geschichte der Reformation, der Character der wichtigsten Reformatoren: dies Alles wurde ausführlich erörtert. Eine große Anzahl abgeschmackter Sagen von Wundern, welche Heilige und Reliquien bewirkt, wurden aus dem Italienischen übersetzt und als Belege für den Pfaffentrug, der den größten Theil der Christenheit genarrt, veröffentlicht. Von den Schriften, welche von anglikanischen Geistlichen während der kurzen Regierung Jakob’s II. erschienen, sind wahrscheinlich viele verloren gegangen. Diejenigen, von denen sich in unseren großen Bibliotheken noch Exemplare befinden, bilden eine Masse von nahe an zwanzigtausend Seiten. 118
117. Siehe die Vorrede zu Heinrich Wharton’s hinterlassenen Predigten.
118. Dies kann ich aus meinen eigenen Nachforschungen bestätigen. Im Britischen Museum befindet sich eine vorzügliche Sammlung. Birch sagt uns in seiner Lebensbeschreibung Tillotson’s, daß der Erzbischof Wake nicht einmal im Stande gewesen sei, einen vollständigen Katalog aller in dieser Streitsache erschienenen Schriften anzufertigen.
Die römisch-katholischen Theologen besiegt. Die römischen Katholiken ließen sich nicht ohne Widerstand besiegen. Einer von ihnen, Namens Heinrich Hill, war zum Buchdrucker des königlichen Hauses VI.75 und der Hofkapelle ernannt und vom Könige an die Spitze einer großen Officin in London gestellt worden, aus der Hunderte von theologischen Abhandlungen hervorgingen. Obadja Walker’s Presse in Oxford war nicht weniger thätig. Aus diesen Anstalten ging jedoch außer einigen schlechten Übersetzungen der herrlichen Werke Bossuet’s nichts hervor, was nur den geringsten Werth gehabt hätte. Kein verständiger und wahrheitsliebender Katholik konnte in der That leugnen, daß die Vorkämpfer seiner Kirche in jedem Talent und Wissen vollständig besiegt waren. Den fähigsten von ihnen würde von der andren Seite kaum der dritte Rang eingeräumt worden sein. Viele von ihnen wußten das was sie sagen wollten, nicht auf die rechte Weise zu sagen. Sie waren wegen ihres Glaubens von den englischen Schulen und Universitäten ausgeschlossen gewesen und hatten bis zur Thronbesteigung Jakob’s England nie als einen angenehmen oder auch nur sicheren Aufenthalt betrachtet. Daher hatten sie den größten Theil ihres Lebens auf dem Continente zugebracht und ihre Muttersprache fast völlig verlernt. Wenn sie predigten, erregte ihr ausländischer Accent das spöttische Lächeln der Zuhörer und ihre Orthographie glich der der Waschweiber. Ihre Sprache war durch ausländische Redensarten entstellt und wollten sie einmal recht beredtsam sein, so ahmten sie so gut sie konnten den Styl nach, der auf den italienischen Akademien, deren Rhetorik den höchsten Grad der Verderbtheit erreicht hatte, für schön galt. Disputanten, welche mit solchen Nachtheilen zu kämpfen hatten, würden selbst wenn sie die Wahrheit auf ihrer Seite gehabt hätten, kaum im Stande gewesen sein, Männern die Spitze zu bieten, deren Styl sich durch einfache Reinheit und Eleganz in hohem Grade auszeichnete. 119
Die Lage Englands im Jahre 1686 kann nicht besser geschildert VI.76 werden, als mit den Worten des französischen Gesandten. „Die Unzufriedenheit,“ schrieb er, „ist groß und allgemein, aber die Furcht vor noch schlimmeren Übeln hält Jeden zurück, der etwas zu verlieren hat. Der König äußert unverhohlen seine Freude darüber, daß er sich in der Lage befindet, kühne Streiche führen zu können. Er hört es gern, wenn man ihm dazu gratulirt. Er hat mit mir darüber gesprochen und mir versichert, daß er nicht nachgeben wird.“ 120
119. Kardinal Howard sprach sich in Rom gegen Burnet sehr streng über diesen Gegenstand aus. (Burnet I. 662.) Eine interessante Stelle ähnlichen Inhalts findet sich auch in einer Depesche von Barillon, aber ich habe die Nachweisung verlegt.
Einer der katholischen Geistlichen, die an dieser Polemik Theil nahmen, ein Jesuit, Namens Andreas Pulton, den Oliver in seiner Geschichte des Ordens für einen Mann von ausgezeichneter Befähigung erklärt, gesteht seine Mängel selbst offen ein: „Da A. P. achtzehn Jahre außerhalb seines Vaterlandes zugebracht hat, so macht er auf Vollkommenheit in der englischen Ausdrucksweise und Rechtschreibung noch keinen Anspruch.“ Seine Orthographie ist in der That erbärmlich; in einem seiner Briefe schreibt er wright für write und woed für would . Er forderte Tenison auf, lateinisch mit ihm zu diputiren, damit sie mit gleichen Waffen kämpften. In einer zeitgenössischen Satire, betitelt „The Advice“ finden sich folgende zwei Zeilen:
Laßt Pulton in Busby’s Schule die Ruthe geben,
Damit er sich im Druck nicht mehr zum Narren macht.
Ein andrer römischer Katholik, Namens Wilhelm Clench, schrieb eine Abhandlung über die Suprematie des Papstes und widmete sie der Königin in italienischer Sprache. Folgende Probe seines Styls mag genügen: „O del sagro marito fortunata consorte! O dolce alleviamento d’affari alti! O grata ristoro di pensieri noiosi, nil cui pello latteo, lucente specchio d’illibata matronal pudicizia, nil cui seno odorato, como in porto d’amor, si ritira il Giacomo! O beata regia coppia! O felice incerto tra l’invincibil iconi e le candide aquile!“
Clench’s Englisch ist nicht besser wie sein Toskanisch. Zum Beispiel: „Peter signifies an inexpugnable rock, able to evacuate all the plots of hell’s divan, and naufragate all the lurid designs of empoisoned heretics.“ Eine andre katholische Schrift, betitelt: The Church of England truly represented , beginnt damit uns zu sagen, „daß das Irrlicht der Reformation, das durch viele Plünderungen und Räubereien zu einem Kometen angewachsen, gereinigt von dem Schmutze, den es zwischen den Alpenseen angenommen habe, in England eingeführt worden sei.“
120. Barillon, 19.(29.) Juli 1686.
Zustand Schottlands. Mittlerweile waren in anderen Theilen des Reichs Ereignisse von ernster Wichtigkeit eingetreten. Die Lage der bischöflichen Protestanten Schottlands war von der ihrer englischen Glaubensbrüder weit verschieden. Im Süden der Insel war die Staatsreligion auch die Volksreligion und besaß eine von der Unterstützung der Regierung völlig unabhängige Kraft. Die aufrichtigen Conformisten waren viel zahlreicher als die Papisten und die protestantischen Dissenters zusammengenommen. Die Landeskirche Schottlands war die Kirche einer kleinen Minorität. Die Bevölkerung des Niederlandes hielt zum größten Theil fest an der presbyterianischen Kirchenverfassung. Die große Masse der schottischen Protestanten verabscheute das Prälatenthum als eine schriftwidrige und zugleich ausländische Einrichtung. Die Schüler Knox’ betrachteten es als ein Überbleibsel von den Gräueln des großen Babylon. Es erinnerte ein auf das Andenken Wallace’s und Bruce’s stolzes Volk schmerzlich daran, daß Schottland, seitdem seinen Herrschern ein schöneres Erbtheil zugefallen, nur noch dem Namen nach unabhängig sei. Auch stand die bischöfliche Verfassung in den Augen des Volks mit allen den Übeln, welche eine fünfundzwanzigjährige schlechte und grausame Verwaltung heraufbeschworen hatte, in der engsten Verbindung. Dennoch erhielt sich diese Verfassung, wenn auch auf einer schmalen Grundlage und unter furchtbaren Stürmen, noch immer aufrecht; sie schwankte zwar zuweilen, wurde aber durch die weltliche Obrigkeit gestützt und verließ sich bei eintretender ernster Gefahr auf die Macht Englands. Die Archive des schottischen Parlaments wimmeln von Gesetzen, welche Denen mit Strafe drohen, die in irgend einer Richtung die vorgezeichnete Grenze überschritten. Nach einem zu Knox’ Zeiten erlassenen Gesetze, das ganz seinen Geist athmete, war es ein schweres Vergehen, die Messe zu hören und im zweiten Wiederholungsfalle war es ein Kapitalverbrechen. 121 Eine neuerdings auf Andringen Jakob’s erlassene Verordnung setzte die Todesstrafe auf das Predigen in irgend einem presbyterianischen Conventikel und sogar auf den bloßen Versuch eines solchen unter freiem Himmel abgehaltenen Conventikels. 122 Das heilige Abendmahl war zwar nicht, wie in England, zu einem bürgerlichen Prüfstein herabgewürdigt worden; aber es konnte Niemand ein Amt bekleiden, im Parlament sitzen, oder nur an der Wahl eines Mitgliedes theilnehmen, ohne an Eidesstatt eine Erklärung zu unterschreiben, welche in den stärksten Ausdrücken die Grundsätze der Papisten wie der Covenanters verdammte. 123
121. Parlamentsacten vom 24. Aug. 1560 u. 15. Dec. 1567.
122. Desgl. vom 8. Mai 1685.
123. Desgl. vom 31. Aug. 1681.
Queensberry. Im schottischen Geheimen Rathe gab es zwei Parteien, welche Denen entsprachen, die in Whitehall einander kämpfend VI.77 gegenüberstanden. Wilhelm Douglas, Herzog von Queensberry, war Lordschatzmeister und wurde seit einigen Jahren als erster Minister betrachtet. Er war durch Verwandtschaft, durch Ähnlichkeit der Meinungen und durch Ähnlichkeit des Characters mit dem Schatzmeister Englands eng verbunden. Beide waren Tories; Beide hatten ein heißblütiges Temperament und starke Vorurtheile; Beide waren bereit, ihren Gebieter bei jedem Angriff auf die bürgerlichen Freiheiten seines Volks zu unterstützen; Beide waren aufrichtige Anhänger der Staatskirche. Queensberry hatte dem Hofe in Zeiten angekündigt, daß er sich an keiner Neuerung betheiligen könne, die etwa in Betreff dieser Kirche beabsichtigt werden dürfte. Dagegen befanden sich unter seinen Collegen einige ebenso grundsatzlose Männer als Sunderland. Der Geheime Rath von Edinburg war in der That ein Vierteljahrhundert lang eine Pflanzschule aller öffentlichen und Privatlaster und einige von den Staatsmännern, deren Character dort gebildet war, besaßen eine Hartherzigkeit und einen Starrsinn, von denen Westminster selbst in jener schlimmen Zeit kaum ähnliche Beispiele aufweisen konnte.
Abfall Perth’s und Melfort’s. Der Kanzler, Jakob Drummond, Earl von Perth, und sein Bruder, der Staatssekretär Johann Lord Melfort, suchten Queensberry zu verdrängen. Der Kanzler hatte bereits ein unbestreitbares Recht auf die königliche Gunst. Er hatte eine kleine stählerne Daumenschraube eingeführt, welche so fürchterliche Schmerzen verursachte, daß sie schon Männern, bei denen Seiner Majestät Lieblingsinstrument, der spanische Stiefel, vergebens angewendet worden war, Geständnisse abgepreßt hatte. 124 Aber es war wohl bekannt, daß selbst die Grausamkeit kein so sicherer Weg zu Jakob’s Herzen war als Abfall vom Glauben. Zu diesem nahmen daher Perth und Melfort mit einer frechen Gemeinheit, der kein englischer Staatsmann gleichzukommen hoffen durfte, ihre Zuflucht. Sie erklärten, daß die in der Cassette Karl’s II. gefundenen Papiere sie Beide zum wahren Glauben bekehrt hätten und sie begannen zu beichten und die Messe zu hören. 125 Wie wenig die Überzeugung mit Perth’s Religionswechsel zu thun hatte, bewies er deutlich, indem er wenige Wochen später in directem Widerspruch mit den Vorschriften der Kirche, in deren Schooß er eben erst übergetreten war, seine leibliche Cousine zur Gattin nahm, ohne eine Dispensation abzuwarten. Als der gute Papst dies erfuhr, sagte er mit wohlbegründeter Verachtung und Entrüstung, dies sei eine sonderbare Bekehrung. 126 Jakob aber war leichter zufrieden zu stellen. Die beiden Renegaten stellten sich ihm in Whitehall vor und empfingen so warme Versicherungen seiner Gunst, daß sie es wagten, directe Beschuldigungen gegen den Schatzmeister zu erheben. Die Grundlosigkeit dieser Beschuldigungen war jedoch so in die Augen springend, daß Jakob sich genöthigt sah, den verklagten Minister freizusprechen, und Viele waren der Meinung, daß der Kanzler durch seinen boshaften Eifer, seinen Nebenbuhler zu stürzen, sich selbst gestürzt habe. Einige Andere urtheilten richtiger. Halifax, gegen den Perth einige Besorgniß äußerte, antwortete spöttisch lächelnd, es habe keine Gefahr. „Sei guten Muths, Mylord,“ setzte er hinzu; „Dein Glaube hat Dir VI.78 geholfen.“ Die Prophezeiung bestätigte sich, Perth und Melfort kehrten als die wahren Oberhäupter der Regierung ihres Vaterlandes nach Edinburg zurück. 127 Noch ein andres Mitglied des schottischen Geheimen Rathes, Alexander Stuart, Earl von Murray, Nachkomme und Erbe des Regenten, schwor ebenfalls den Glauben ab, dessen erster Vorkämpfer sein erlauchter Ahnherr gewesen war, und erklärte sich zum Mitgliede der römischen Kirche. So ergeben Queensberry von jeher der Sache der Hoheitsrechte gewesen war, gegen Nebenbuhler, welche bereit waren, die Gunst des Hofes um solchen Preis zu verkaufen, konnte er sich nicht behaupten. Er mußte eine Reihe von Kränkungen und Demüthigungen ertragen, ähnlich denen, welche um die nämliche Zeit seinem Freunde Rochester das Leben zu verbittern begannen.
Begünstigung der katholischen Religion in Schottland. Es erschienen königliche Erlasse, welche die Papisten ermächtigten, Ämter zu bekleiden, ohne den Testeid zu leisten, und die Geistlichkeit erhielt strengen Befehl, sich in ihren Predigten aller Reflexionen über den römisch-katholischen Glauben zu enthalten. Der Kanzler nahm es auf sich, zu den wenigen Buchdruckern und Buchhändlern, die sich damals in Edinburg befanden, die Diener des Geheimen Raths mit dem Befehle zu senden, kein Werk ohne seine Genehmigung zu veröffentlichen. Man wußte sehr wohl, daß dieser Befehl bezweckte, die Verbreitung protestantischer Schriften zu verhindern. Ein achtbarer Buchhändler sagte den Boten, daß er in seinem Laden ein Buch habe, das sich in sehr harten Worten über den Papismus äußere, und fragte, ob er es verkaufen dürfe. Sie verlangten es zu sehen, und er zeigte ihnen eine Bibel. 128 Eine ganze Schiffsladung Heiligenbilder, Rosenkränze, Kreuze und Rauchfässer langten unter der Adresse des Lord Perth in Leith an. Die Einfuhr solcher Artikel war seit geraumer Zeit verboten gewesen; jetzt aber ließen die Zollbeamten diese Zierrathen und Geschirre des Aberglaubens passiren. 129
Aufstände in Edinburg. Bald darauf erfuhr man, daß im Hause des Kanzlers eine papistische Kapelle eingerichtet worden war und daß regelmäßig Messe darin gelesen wurde. Der Pöbel stand auf und griff das Gebäude an, in welchem der Götzendienst gefeiert ward. Die eisernen Fenstergitter wurden herausgerissen und Lady Perth nebst einigen Freundinnen wurden mit Koth beworfen. Einer der Ruhestörer wurde ergriffen und der Geheime Rath befahl, ihn auspeitschen zu lassen. Seine Kameraden aber befreiten ihn und prügelten den Henker. Die Stadt war die ganze Nacht in Aufruhr. Die Studenten der Universität mischten sich unter den Haufen und reizten ihn zum Tumult auf. Eifrige Bürger tranken auf die Gesundheit der studirenden Jugend und auf den Untergang der Papisten und ermuthigten einander zum Widerstand gegen die Truppen. Diese standen bereits unter den Waffen. Unter ihnen zeichnete sich besonders aus das Dragonerregiment Claverhouse’s, der Schrecken und Abscheu von ganz Schottland. Sie wurden mit einem Steinhagel empfangen, der einen Offizier verwundete. Alsbald erfolgte der Befehl zum Feuern, und es fielen mehrere Bürger. Der Aufruhr war ernst; VI.79 aber die von Rachsucht und Ehrgeiz entflammten Gebrüder Drummond schilderten ihn maßlos übertrieben. Queensberry bemerkte, daß ihre Berichte einen Jeden, der nicht Augenzeuge gewesen war, zu dem Glauben bringen mußten, es habe in Edinburg ein eben so furchtbarer Aufstand wie der des Masaniello gewüthet. Sie dagegen beschuldigten ihn nicht nur, daß er das Verbrechen der Aufrührer zu gering anschlage, sondern sogar, daß er es gefördert habe, und boten Alles auf, um einen Beweis für seine Schuld zu erlangen. Einem der verhafteten Rädelsführer wurde seine Begnadigung angeboten, wenn er gestehen wolle, daß Queensberry ihn aufgehetzt habe; aber die nämliche religiöse Begeisterung, welche den unglücklichen Gefangenen zu verbrecherischer Gewaltthat getrieben, hielt ihn ab, sein Leben durch eine Verleumdung zu erkaufen. Er und mehrere seiner Mitschuldigen wurden gehängt. Ein Soldat, der während des Kampfes ausgerufen haben sollte, er möchte sein Schwert lieber einem Papisten durch den Leib stoßen, wurde erschossen. So war die Ruhe in Edinburg wieder hergestellt, aber die Verurtheilten wurden als Märtyrer betrachtet und der papistische Kanzler wurde der Gegenstand eines tödtlichen Hasses, der in nicht langer Zeit reichliche Befriedigung finden sollte. 130
130. Fountainhall, 31. Jan. u. 1. Feb. 1685/86; Burnet, I. 678 ; Prozesse David Mowbray’s und Alexander Keith’s in der Collection of State Trials ; Bonrepaux, 11.(21.) Feb.
Zorn des Königs. Der König war höchlich entrüstet. Er erhielt die Nachricht von dem Aufstande in dem Augenblicke, als es der Königin mit Hülfe der Jesuiten eben gelungen war, über Lady Dorchester und ihre protestantischen Verbündeten zu triumphiren. Er sagte, die Unzufriedenen sollten erfahren, daß die Auflehnung gegen seinen Willen keine andre Wirkung habe, als ihn noch entschlossener zu machen. 131 Er sandte an den schottischen Geheimen Rath den Befehl, die Schuldigen mit der äußersten Strenge zu bestrafen und mit der Anwendung des spanischen Stiefels nicht sparsam zu sein. 132 Er stellte sich als ob er von der Unschuld des Schatzmeisters vollkommen überzeugt sei und schrieb einen sehr freundlichen Brief an ihn; aber die freundlichen Worte waren von unfreundlichen Handlungen begleitet. Die Verwaltung des schottischen Schatzamts wurde trotz der ernsten Gegenvorstellungen Rochester’s, der das Schicksal seines Verwandten wahrscheinlich für einen Vorläufer seines eignen hielt, einer Commission übertragen. 133 Allerdings wurde Queensberry zum ersten Commissar und zum Präsidenten des Geheimen Raths ernannt, aber sein Fall blieb trotz dieses lindernden Balsams immer ein Fall. Auch wurde er seines Postens als Commandant des Schlosses von Edinburg enthoben und sein Nachfolger in diesem Vertrauensposten war der Herzog von Gordon, ein römischer Katholik. 134
131. Ludwig an Barillon, 18.(28.) Febr. 1686.
132. Fountainhall, 16. Feb.; Wodrow, III. X. 3. „Wir verlangen,“ geruhten Seine Majestät zu schreiben, „daß Sie kein gesetzliches Verhörmittel, wie Folter und andere, sparen.“
133. Bonrepaux, 18.(28.) Feb. 1686.
134. Fountainhall, 11. März 1686; Adda, 1.(11.) März.
Seine Pläne in Betreff Schottlands. Jetzt kam ein Schreiben aus London, welches dem schottischen Geheimen Rathe die Absichten des Königs klar vor Augen legte. Es war sein Wille, daß alle VI.80 römischen Katholiken von der Wirkung der Gesetze, welche wegen Nichtconformität Strafen und Ausschließungen verhängten, befreit sein und daß dagegen die Verfolgungen gegen die Covenanters ohne Milderung fortgesetzt werden sollten. 135 Dieser Plan stieß im Geheimen Rathe auf kräftigen Widerstand. Einige Mitglieder wollten von einer Lockerung der bestehenden Gesetze nichts wissen. Andere waren zwar einer solchen Lockerung nicht abgeneigt, aber sie sahen doch ein, daß es unerhört sein würde, römische Katholiken zu den höchsten Ehrenämtern zuzulassen und dabei das Gesetz aufrecht zu erhalten, welches den Besuch presbyterianischer Conventikel mit dem Tode bestrafte. Die Antwort des Raths lautete daher nicht so unterwürfig als gewöhnlich. Der König gab in seiner Rückäußerung seinen pflichtvergessenen Räthen einen scharfen Verweis und entbot drei von ihnen, den Herzog von Hamilton, Sir Georg Lockhardt und General Drummond, zu sich nach Westminster.
135. Dieser Brief ist vom 4. März 1686.
Eine Deputation schottischer Geheimräthe begiebt sich nach London. Hamilton’s Talente und Kenntnisse waren zwar keineswegs so bedeutend, daß sie einem Unbekannten genügt haben würden, um sich zu einer hohen Stellung emporzuschwingen, erschienen aber immerhin bei einem Manne, der erster Peer von Schottland war, sehr achtungswerth. Lockhardt hatte lange für einen der ersten Juristen, Logiker und Redner gegolten, die sein Vaterland hervorgebracht, und genoß dabei das Ansehen, welches große Besitzungen verleihen, denn er hatte ein so bedeutendes Vermögen, wie es damals nur sehr wenige schottische Edelleute besaßen. 136 Er war unlängst zum Präsidenten des Sessionsgerichtshofes 137 ernannt worden. Drummond, ein jüngerer Bruder Perth’s und Melfort’s, war Commandant der in Schottland stehenden Truppen. Er war ein leichtfertiger und weltlich gesinnter Mann, aber ein gewisses Ehrgefühl, das seinen beiden Brüdern fehlte, hielt ihn vom öffentlichen Glaubensabfall zurück. Er lebte und starb — wie einer seiner Landsleute sich sehr bezeichnend ausdrückt — als ein schlechter Christ, aber als guter Protestant. 138
Jakob gefiel die ehrerbietige Sprache der drei Räthe, als sie zuerst vor ihm erschienen. Er äußerte sich gegen Barillon sehr günstig über sie und rühmte besonders Lockhardt als den talentvollsten und beredtesten aller lebenden Schotten. Doch bald zeigten sie sich minder gefügig, als man von ihnen erwartet hatte, und es hieß bei Hofe, daß sie durch die Gesellschaft, mit der sie in London verkehrt hatten, verdorben worden seien. Hamilton ging viel mit eifrigen Anhängern der Staatskirche um, und es stand zu befürchten, daß Lockhardt in Folge seiner Verwandtschaft mit der Familie Wharton in noch schlimmere Gesellschaft gerathen sei. Es war in der That wohl natürlich, daß die ernste und beharrliche, aber dabei Maß haltende Unzufriedenheit, welche England durchdrang, auf Staatsmänner, welche eben aus einem Lande kamen, wo die Opposition in andrer Form als in der des Aufruhrs seit langer Zeit fast unbekannt und wo Alles entweder gesetzlose Wuth oder kriechende Unterwürfigkeit war, VI.81 einen tiefen Eindruck machte und daß sie ermuthigt werden mußten, es mit dem verfassungsmäßigen Widerstande gegen den königlichen Willen zu versuchen. Zwar erklärten sie sich bereit, den römischen Katholiken große Erleichterungen zu gewähren, aber nur unter zwei Bedingungen: erstens daß eine ähnliche Nachsicht auch auf die calvinistischen Sectirer ausgedehnt werde, und zweitens daß sich der König durch ein feierliches Versprechen verpflichte, nichts zum Nachtheile der protestantischen Religion zu unternehmen.
136. Barillon, 19.(29.) April 1686; Burnet, I. 370.
137. Court of session , der höchste schottische Civilgerichtshof, dem englischen Court of Chancery und Court of Common Pleas entsprechend. D. Übers.
138. Die Worte finden sich in einem Briefe von Johnstone an Waristoun.
Ihre Unterhandlungen mit dem Könige. Beide Bedingungen waren durchaus nicht nach Jakob’s Sinne. Nach einem mehrtägigen Streite verstand er sich indessen mit Widerstreben dazu, den Presbyterianern einige Duldung zu gewährleisten; die volle Freiheit aber, die er für Mitglieder seiner Kirche beanspruchte, wollte er ihnen unter keinen Umständen bewilligen. 139 Auf die zweite Bedingung, welche die schottischen Räthe stellten, weigerte er sich entschieden einzugehen. Er sagte, die protestantische Religion sei eine falsche und er könne durchaus nicht versprechen, daß er seine Macht nicht zum Nachtheile einer falschen Religion anwenden werde. Die Unterhandlungen über diesen Punkt dauerten lange und führten zu keinem für irgend eine der beiden Parteien befriedigenden Ergebnisse. 140
139. Einige Worte von Barillon verdienen angeführt zu werden. Sie würden allein schon genügen, um eine Frage zu entscheiden, zu deren Verwirrung Unwissenheit und Parteigeist viel beigetragen haben. „Cette liberté accordée aux nonconformistes a faite une grande difficulté, et a été débattue pendant plusieurs jours. Le Roy d’Angleterre avoit fort envie que les Catholiques eussent seuls la liberté de l’exercice de leur réligion.“ 19.(29.) April 1686.
140. Barillon, 19.(29.) April; Citters, 13.(23.), 20.(30.) April u. 9.(19.) Mai.
Zusammentritt der schottischen Stände. Inzwischen rückte die zum Zusammentritt der schottischen Stände festgesetzte Zeit heran, und die drei Räthe mußten daher London verlassen, um ihren parlamentarischen Pflichten in Edinburg nachzukommen. Bei dieser Gelegenheit erfuhr Queensberry eine neue Kränkung. In der letzten Session hatte er als Lordobercommissar fungirt und als solcher die Majestät des abwesenden Königs vertreten. Diese Würde, die höchste, nach der ein schottischer Edelmann streben konnte, wurde jetzt dem Renegaten Murray übertragen.
Sie zeigen sich widerspenstig. Am 29. April eröffnete das Parlament in Edinburg seine Sitzungen. Es wurde ein Schreiben des Königs verlesen, worin er die Stände ermahnte, seinen römisch-katholischen Unterthanen Erleichterungen zu verschaffen, und ihnen dafür freien Handel mit England und eine Amnestie für politische Vergehen anbot. Es wurde ein Ausschuß ernannt, um die Antwort zu entwerfen. Dieser Ausschuß, obgleich von Murray selbst ernannt und aus Geheimen Räthen und Höflingen zusammengesetzt, entwarf eine Erwiederung, die zwar voll Versicherungen der Pflichttreue und Ehrerbietung war, aber bei alledem unverkennbar den Entschluß verrieth, dem Verlangen des Königs nicht zu entsprechen. Die Stände, hieß es darin, würden, so weit als ihr Gewissen es ihnen gestatte, den Wünschen Seiner Majestät in Betreff seiner römisch-katholischen Unterthanen entgegenkommen. Diese Ausdrücke befriedigten den Kanzler durchaus nicht, aber er mußte sich damit begnügen und es kostete ihm sogar einige Mühe, das Parlament zur Annahme derselben zu überreden. Einige eifrige Protestanten erhoben Einwürfe gegen die VI.82 Erwähnung des römisch-katholischen Glaubens. Es gebe gar keine solche Religion, meinten sie, sondern es gebe nur einen götzendienerischen Abfall, den die Gesetze mit dem Stricke bestraften und dem christliche Männer keinen beschönigenden Namen geben dürften. Einen solchen Afterglauben Katholicismus nennen, hieße die ganze Frage, welche zwischen Rom und der reformirten Kirche schwebe, aufgeben. Das Anerbieten des freien Handelsverkehrs mit England wurde als eine schimpfliche Beleidigung angesehen. „Unsere Väter,“ sagte einer der Redner, „verkauften ihren König für sündliches Gold und die Schmach jenes abscheulichen Handels ist noch nicht verwischt. Man soll nicht von uns sagen, daß wir unsren Gott verschachert haben!“ Sir Johann Lauder von Fountainhall, einer der Senatoren des Justizcollegiums, schlug die Worte vor: „die Personen, welche gewöhnlich römische Katholiken genannt werden.“ — „Wollen Sie Seiner Majestät einen Spottnamen geben?“ rief der Kanzler. Die vom Ausschuß entworfene Antwort wurde angenommen, aber eine bedeutende und achtbare Minorität stimmte gegen die vorgeschlagenen Worte als zu höfisch. 141 Es wurde bemerkt, daß die Abgeordneten der Städte fast einhellig gegen die Regierung waren. Bisher waren, diese Mitglieder im Parlament von geringer Bedeutung gewesen und nur als der Schweif mächtiger Edelleute betrachtet worden. Jetzt zeigten sie zum ersten Male eine Unabhängigkeit, eine Entschiedenheit und einen Gemeingeist, welche den Hof beunruhigten. 142
Die Antwort mißfiel Jakob dermaßen, daß er den Abdruck derselben in der Gazette nicht gestattete. Er sollte bald erfahren, daß ein Gesetz, wie er es angenommen zu sehen wünschte, nicht einmal vorgeschlagen werden würde. Die Artikel-Lords, denen es oblag, die Gesetze zu entwerfen, über welche die Stände nachher zu berathen hatten, waren thatsächlich von ihm selbst ernannt, aber sogar sie zeigten sich widerspenstig. Als sie sich versammelten, traten die kürzlich von London zurückgekommenen drei Räthe an die Spitze der Opposition gegen den königlichen Willen. Hamilton erklärte geradezu, er könne nicht thun, was verlangt werde; er sei ein treuer und loyaler Unterthan, aber das Gewissen ziehe eine Grenze. „Gewissen?“ rief der Kanzler; „Gewissen ist ein unbestimmtes Wort, das Alles und auch Nichts bedeutet.“ — „Wenn das Gewissen,“ fiel Lockhardt ein, der als Abgeordneter der großen Grafschaft Lanark im Parlamente saß, „ein leeres Wort ist, so wollen wir es mit einem andren Ausdruck vertauschen, der hoffentlich etwas bedeutet. Lassen Sie uns dafür sagen; Die Grundgesetze Schottlands.“ Diese Worte veranlaßten eine heftige Debatte. General Drummond, welcher Perthshire vertrat, erklärte sich mit Hamilton und Lockhardt einverstanden, und die meisten der anwesenden Bischöfe traten auf die nämliche Seite. 143
VI.83Es war klar, daß Jakob selbst im Artikel-Ausschuß über keine Majorität zu gebieten hatte. Die Nachricht verdroß und reizte ihn. Er führte eine heftige und drohende Sprache und bestrafte einige seiner widerspenstigen Diener in der Hoffnung, daß die übrigen es sich würden zur Warnung dienen lassen. Mehrere Mitglieder des Raths wurden entlassen und mehreren wurden Gehalte entzogen, welche einen großen Theil ihres Einkommens bildeten. Das ausgezeichnetste Opfer war Sir Mackenzie von Rosehaugh. Er hatte lange das Amt des Lordadvokaten bekleidet und an den Verfolgungen der Covenanters einen solchen Antheil genommen, daß er noch heutigen Tages in den Augen des ernsten und gottesfürchtigen schottischen Landvolks eine Stelle einnimmt, welche von der nicht beneidenswerthen Höhe Claverhouse’s nicht weit entfernt ist. Mackenzie’s juristische Kenntnisse waren nicht die glänzendsten, aber als Gelehrter, als Schöngeist und als Redner stand er bei seinen Landsleuten in hohem Ansehen, und sein Ruf hatte sich in die Londoner Kaffeehäuser und in die Oxforder Kreuzgänge verbreitet. Die noch vorhandenen gerichtlichen Vorträge von ihm beweisen, daß er ein talentvoller Mann war; nur werden sie durch etwas beeinträchtigt, was er wahrscheinlich für ciceronischen Schwung hielt, durch Interjectionen, welche mehr Kunst als Leidenschaft verrathen, und durch weitschweifige Umschreibungen, in denen sich Epipheta über Epipheta zu einem ermüdenden Klimax aufeinanderhäufen. Jetzt hatte er sich zum ersten Male bedenklich gezeigt und wurde deshalb trotz seiner Ansprüche auf den Dank der Regierung seines Amtes entsetzt. Er zog sich aufs Land zurück und ging bald darauf nach London, um sich zu rechtfertigen, wurde aber vom Könige nicht vorgelassen 144 . Während der König es auf diese Weise versuchte, die Artikel-Lords durch Einschüchterung zum Gehorsam zu zwingen, ermuthigte sie die öffentliche Meinung zur Beharrlichkeit. Die äußersten Anstrengungen des Kanzlers konnten es nicht verhindern, daß das Nationalgefühl sich auf der Kanzel und durch die Presse äußerte. Eine Abhandlung, die in so kühnem und scharfem Tone gehalten war, daß kein Buchdrucker den Druck derselben zu übernehmen wagte, wurde im Manuscript weitverbreitet. Die auf der entgegengesetzten Seite erscheinenden Schriften hatten bei weitem geringere Wirkung, obgleich sie auf Staatskosten verbreitet wurden und obgleich den schottischen Vertheidigern der Regierung ein sehr einflußreicher englischer VI.84 Bundesgenosse zur Seite stand: Lestrange, der nach Edinburg geschickt worden war und Gemächer in Holyrood House bewohnte. 145
Nach einer dreiwöchentlichen Debatte kamen die Lords der Artikel endlich zu einem Entschlusse. Sie schlugen vor, daß es den römischen Katholiken erlaubt sein sollte, ihren Gottesdienst in Privathäusern abzuhalten; aber es zeigte sich bald, daß selbst diese Maßregel, soweit sie auch hinter den Forderungen und Erwartungen des Königs zurückblieb, von den Ständen entweder gar nicht oder doch nur mit starken Beschränkungen und Modificationen angenommen werden würde.
Während der Dauer dieses Kampfes herrschte in London eine ängstliche Spannung. Jeder Bericht, jede Zeile von Edinburg wurde begierig gelesen. Einmal ging das Gerücht, Hamilton habe nachgegeben und die Regierung werde jeden Punkt durchsetzen. Dann kam wieder die Nachricht, daß die Opposition sich aufs neue gesammelt habe und hartnäckiger sei als je. In dem kritischesten Augenblicke erhielt das Postamt den Befehl, alle Briefbeutel aus Schottland nach Whitehall zu senden, und eine ganze Woche lang wurde nicht ein einziger Privatbrief, der von jenseit des Tweed kam, in London ausgegeben. In unsrer Zeit würde eine solche Unterbrechung des schriftlichen Verkehrs die ganze Insel in Verwirrung bringen; damals aber war der Handel und die Correspondenz zwischen England und Schottland so gering, daß die Nachtheile wahrscheinlich viel unbedeutender waren als die, welche gegenwärtig durch eine kurze Verzögerung in der Ankunft der indischen Post entstehen. Während so die gewöhnlichen Wege, auf denen man Nachrichten erhalten konnte, verschlossen waren, beobachtete die Menge in den Galerien von Whitehall mit gespannter Aufmerksamkeit die Mienen des Königs und seiner Minister, und man bemerkte mit großer Befriedigung, daß nach jedem aus dem Norden kommenden Expressen die Feinde des protestantischen Glaubens immer finsterer aussahen.
141. Fountainhall, 6. Mai 1686.
142. Ibid. 15. Juni 1686.
143. Citters, 11.(21.) Mai 1686. Citters versicherte die Generalstaaten, daß er seine Mittheilungen aus bester Quelle habe. Ich will einen Theil davon hier anführen. Es ist zugleich ein ergötzliches Pröbchen von dem buntscheckigen Style der damaligen holländischen Diplomaten.
„Des konigs missive, boven en behalven den Hoog Commissaris aensprake, aen het parlement afgesonden, gelyck dat altoos gebruyckelyck is, waerby Syne Majesteyt nu in genere versocht hieft de mitigatie der rigoureuse ofte sanglante wetten van het Ryck jegens het Pausdom, in het Generale Comitée des Articles (soo men hat daer naemt) na ordre gestelt en gelesen synde, in ’t voteren, den Hertog van Hamilton onder anderen klaer nyt seyde dat hy daertoe niet soude verstaen, dat hy anders genegen was den Konig in allen voorval getrouw te dienen volgens het dictamen syner conscientie: ’t gene reden gaf aen de Lord Cancelier de Grave Perts te seggen dat het woort conscientie niets en beduyde, en alleen een individuum vagum was, waerop der Chevalier Lockhardt dan verder gingh; wil man nit verstaen de betyckenis van het woordt conscientie, soo sal ik in fortioribus seggen dat wy meynen volgens de fondamentale welten van het ryck.“
In dem „Hind Let Loose“ kommt eine interessante Stelle vor, der ich ohne jene Depesche von Citters keinen Glauben geschenkt haben würde. „Sie können das Wort Gewissen nicht einmal aussprechen hören.“ Jemand, der die Ansicht des Geheimen Raths über diesen Punkt genau kannte, sagte zu einem Herrn, der vor demselben erscheinen wollte: „Sprecht um des Himmels willen vor den Lords nicht vom Gewissen, denn sie können dieses Wort nicht hören.“
144. Fountainhall, 17. Mai 1686.
145. Wodrow, III. X. 3.
Sie werden vertagt. Endlich kam zur allgemeinen Freude die Nachricht, daß der Kampf zu Ende sei, daß die Regierung mit ihren Maßregeln nicht habe durchdringen können und daß der Lordobercommissar das Parlament vertagt habe. 146
146. Citters, 28. Mai (7. Juni), 1.(11.) u. 4.(14.) Juni 1686; Fountainhall, 15. Juni; Luttrell’s Diary, June 2. 16.
Willkürherrschaft in Schottland. Wäre Jakob nicht gegen alle Warnungen taub gewesen, so würden diese Ereignisse genügt haben, ihn zu warnen. Wenige Monate früher hatte das fügsamste aller englischen Parlamente sich geweigert, seinem Willen zu gehorchen. Aber das willfährigste englische Parlament konnte im Vergleich mit jedem schottischen Parlamente aus irgend einer Zeit eine unabhängige und muthige Versammlung genannt werden, und der knechtische Sinn der schottischen Parlamente war stets in höchster Potenz bei den Lords der Artikel zu finden. Doch selbst die Artikel-Lords zeigten sich widerspenstig. Es war klar, daß alle diejenigen Klassen, alle diejenigen Institutionen, welche bis dahin für die kräftigsten Stützen der monarchischen Gewalt gegolten hatten, als Elemente der Opposition betrachtet werden mußten, wenn der König auf seiner wahnsinnigen Politik beharrte. Aber alle diese Warnungszeichen gingen spurlos an ihm vorüber; auf jede Beschwerde hatte er nur die VI.85 eine Antwort: er werde niemals nachgeben, denn Zugeständnisse hätten seinen Vater ins Verderben gestürzt, und sein unbeugsamer Starrsinn wurde von der französischen Gesandtschaft und der jesuitischen Cabale laut gepriesen.
Er erklärte jetzt, daß er schon zu genädig gewesen sei, indem er sich herabgelassen habe, die Zustimmung der schottischen Stände zu seinen Wünschen zu verlangen. Sein Hoheitsrecht werde ihn nicht nur in den Stand setzen, Diejenigen zu beschützen, denen er gewogen sei, sondern auch Die zu bestrafen, die sich gegen ihn aufgelehnt hätten. Er war fest überzeugt, daß seine Dispensationsgewalt von keinem schottischen Gerichtshofe in Zweifel gezogen werden würde. Es gab damals eine schottische Suprematsacte, welche dem Souverain eine Gewalt über die Kirche verlieh, welche selbst Heinrich VIII. befriedigt haben würde. In Folge dessen wurden Papisten in Menge zu Ämtern und Ehrenstellen zugelassen. Der Bischof von Dunkeld, der als Lord des Parlaments der Regierung opponirt hatte, wurde willkürlich von seinem Sitze vertrieben und ein Nachfolger für ihn ernannt. Queensberry wurde aller seiner Ämter entsetzt und ihm befohlen, daß er so lange in Edinburg bleiben müsse, bis die Rechnungen des Schatzamts aus der Zeit seiner Verwaltung geprüft und richtig befunden worden seien. 147 Da die Abgeordneten der Städte als der unlenkbarste Theil des Parlaments erkannt worden waren, beschloß man, in jedem Wahlorte des ganzen Landes eine völlige Umgestaltung vorzunehmen. Eine ähnliche Veränderung war erst kürzlich in England durch richterliche Erkenntnisse bewirkt worden; in Schottland aber wurde ein bloßer Befehl des Fürsten für genügend erachtet. Alle Wahlen der Magistratsbeamten und der Stadträthe wurden untersagt und der König maßte sich das Recht an, die wichtigsten Municipalbehörden selbst zu ernennen. 148 In einem formellen Schreiben an den Geheimen Rath kündigte er seine Absicht an, in seinem Holyroodpalaste eine römisch-katholische Kapelle einzurichten, und er gab Befehl, daß die Richter angewiesen werden sollten, alle gegen die Papisten gerichteten Gesetze, bei Strafe seines allerhöchsten Mißfallens, für null und nichtig zu erklären. Indessen beruhigte er die protestantischen Episcopalen durch die Zusicherung, daß er zwar entschlossen sei, die römisch-katholische Kirche gegen sie in Schutz zu nehmen, sich aber ebenso auch vorgenommen habe, sie gegen jeden Übergriff seitens der Fanatiker zu beschützen. Perth schlug eine in den kriechendsten Ausdrücken abgefaßte Antwort auf diese Mittheilung vor. Der Geheime Rath enthielt jetzt viele Papisten; die noch darin sitzenden protestantischen Mitglieder waren durch des Königs Hartnäckigkeit und Strenge eingeschüchtert worden, und nur ein schwaches Murren ließ sich dann und wann noch vernehmen. Hamilton ließ sich einige Andeutungen gegen die Dispensationsgewalt entschlüpfen, die er aber schleunigst wieder wegerklärte. Lockhardt sagte, er wolle eher seinen Kopf verlieren, als einen Brief wie der vom Kanzler entworfene unterschreiben, aber er sagte dies wohlweislich so leise, daß es nur von Freunden gehört wurde. Perth’s Worte wurden mit unbedeutenden Abänderungen angenommen und den königlichen Befehlen Folge geleistet; aber eine dumpfe Unzufriedenheit verbreitete sich VI.86 unter jener Minorität der schottischen Nation, mit deren Hülfe die Regierung bisher die Majorität niedergehalten hatte. 149
147. Fountainhall, 12. Juni 1686
148. Ibid. 16. Sept. 1686.
149. Fountainhall, 16. Sept.; Wodrow, III. X. 3.
Irland. Wenn der Geschichtsschreiber dieser unruhigen Regierung den Blick nach Irland wendet, wird seine Aufgabe ganz besonders schwierig und kitzlig. Er schreitet — um mich des schönen Bildes zu bedienen, das ein römischer Dichter in ähnlichem Falle gebraucht hat — auf einer dünnen Schicht Asche dahin, unter der die Lava noch glüht. Das siebzehnte Jahrhundert hat in jenem unglücklichen Lande dem neunzehnten ein verhängnißvolles Erbtheil schlimmer Leidenschaften hinterlassen. Das Unrecht, das die sächsischen Vertheidiger von Londonderry und die celtischen Vertheidiger von Limerick einander angethan, hat keiner der beiden genannten Stämme dem andren jemals aufrichtig verziehen. Bis auf den heutigen Tag sind die vielen edlen Eigenschaften, welche die Kinder der Sieger auszeichnen, mit einem mehr als spartanischen Trotze vermischt, während bei den Kindern der Besiegten nur zu oft ein als Furcht und Haß zusammengesetztes Zelotengefühl zu erkennen ist. Keiner der beiden feindlichen Stämme kann von jedem Tadel freigesprochen werden; der Hauptvorwurf aber trifft den kurzsichtigen und starrköpfigen Fürsten, der in einer Lage, wo er sie hätte versöhnen können, seine ganze Macht aufbot, ihren gegenseitigen Haß noch mehr zu schüren, bis er sie endlich zu einem Kampf auf Leben und Tod zwang.
Zustand des irischen Rechts in Glaubenssachen. Die Mißstände, unter denen die Mitglieder seiner Kirche in Irland litten, waren von denen, welche er in England und Schottland abzustellen versuchte, weit verschieden. Das irische Gesetzbuch, welches später durch eine ebenso barbarische Unduldsamkeit wie die der grauesten Vorzeit befleckt wurde, enthielt damals kaum eine einzige Bestimmung und nicht eine einzige bindende Bestimmung, welche über die Papisten als solche irgend eine Strafe verhängt hätte. Auf unsrer Seite des St. Georgskanals drohte jedem Priester, der einen Neubekehrten in den Schooß der römischen Kirche aufnahm, die Strafe, gehängt, geschleift und geviertheilt zu werden. Jenseit des Kanals war er keiner solchen Gefahr ausgesetzt. Ein Jesuit, der in Dover landete, setzte sein Leben aufs Spiel; in Dublin ging er vollkommen sicher einher. Bei uns konnte Niemand ein Amt bekleiden, oder sich nur als Advokat oder als Schullehrer seinen Unterhalt erwerben, wenn er nicht zuvor den Suprematseid leistete; in Irland war kein öffentlicher Beamter verbunden, diesen Eid zu leisten, wenn derselbe nicht ausdrücklich von ihm verlangt wurde. 150 Es war daher Niemand, den die Regierung anstellen wollte, dieses Grundes wegen von irgend einem Amte ausgeschlossen. Die Abendmahlsprobe und die Erklärung gegen die Transsubstantiation waren unbekannt und das Parlament keiner Religionssecte verschlossen.
150. Die Bestimmungen der irischen Suprematsacte, 2. Elis. Kap. 1. sind im wesentlichen dieselben wie die der englischen Suprematsacte, 1. Elis. Kap. 1., aber die englische wurde bald für mangelhaft befunden und der Mangel durch eine bindendere Acte, 5. Elis. Kap. 1. ersetzt. Ein solches Ergänzungsgesetz wurde in Irland nicht erlassen. Daß die im Texte erwähnte Auslegung auch auf die irische Suprematsacte angewendet wurde, erfahren wir vom Erzbischof King: State of Ireland, chap. II. sec. 9. Er nennt diese Auslegung jesuitisch, ich kann sie nicht in diesem Lichte sehen.
Feindseligkeit der Stämme. Es könnte demnach scheinen, VI.87 daß sich der irische Katholik in einer Lage befunden hätte, um die ihn seine englischen und schottischen Brüder wohl beneiden durften. In der Wirklichkeit aber war seine Lage trauriger und erbitternder als die ihrige, denn wurde er auch nicht als Katholik verfolgt, so wurde er doch als Irländer bedrückt. In seinem Vaterlande trennte dieselbe Scheidelinie, welche die Confessionen trennte, auch die Stämme, und er gehörte dem überwundenen, unterjochten und mit Füßen getretenen Stamme an. Auf dem nämlichen Boden wohnten zwei Bevölkerungen, örtlich mit einander vermischt, aber moralisch und politisch gesondert. Der Glaubensunterschied war keineswegs der einzige und vielleicht nicht einmal der Hauptunterschied, der zwischen ihnen stattfand. Sie waren verschiedenen Stämmen entsprossen, sie sprachen verschiedene Sprachen, sie hatten verschiedene Nationalcharactere, die einander so ganz entgegengesetzt waren, als nur irgend zwei Nationalcharactere in Europa, und endlich standen sie auch auf weit verschiedenen Stufen der Bildung. Zwischen zwei solchen Bevölkerungen konnte unmöglich eine große Sympathie herrschen, und Jahrhunderte von Drangsal und Unbill hatten sogar eine starke Antipathie erzeugt. Das Verhältniß der Minderheit zu der Mehrheit glich dem, in welchem das Heer Wilhelm’s des Eroberers zu den sächsischen Bauern, oder die Mannschaft des Cortez zu den Indianern von Mexiko stand.
Der Name Iren wurde damals ausschließlich den Celten und denjenigen Familien gegeben, welche, obgleich nicht celtischen Ursprungs, doch im Laufe der Zeiten celtische Sitten und Gebräuche angenommen hatten. Diese Leute, an Zahl wahrscheinlich etwas unter eine Million Seelen stark, waren mit wenigen Ausnahmen Anhänger der römischen Kirche. Unter ihnen wohnten etwa zweihunderttausend Ansiedler, die auf ihr sächsisches Blut und auf ihren protestantischen Glauben stolz waren. 151
151. Political Anatomy of Ireland.
Das eingeborne Landvolk. Das große numerische Übergewicht wurde auf der andren Seite durch eine große Überlegenheit an Intelligenz, Thatkraft und Organisation mehr als aufgewogen. Die englischen Ansiedler scheinen in Kenntnissen, Energie und Ausdauer eher über als unter dem Durchschnittsmaße der Bevölkerung des Mutterlandes gestanden zu haben. Das eingeborne Landvolk dagegen befand sich fast in einem Zustande von Wildheit. Sie arbeiteten nicht eher, als bis sie den Stachel des Hungers fühlten, und waren mit geringeren Bequemlichkeiten zufrieden, als man sie in glücklicheren Ländern den Hausthieren gewährt. Schon war die Kartoffel, ein Knollengewächs, das fast ohne Kunst, Betriebsamkeit und Kapital erbaut werden kann, die Hauptnahrung des gemeinen Volks geworden. 152 Von einem so genährten Volke waren Fleiß und Sorge für die Zukunft nicht zu erwarten. Schon wenige Meilen von Dublin sah der Reisende auf dem fruchtbarsten und üppigsten Boden der Welt mit wahrhaftem Ekel die erbärmlichen Höhlen, aus denen ihm schmutzige und halbnackte Barbaren wild anstarrten. 153
152. Political Anatomy of Ireland, 1672 ; Irish Hudibras, 1689 ; John Dunton’s Account of Ireland, 1699.
153. Clarendon an Rochester vom 4. Mai 1686.
Der eingeborne Adel. Der eingeborne Adel besaß noch in nicht gewöhnlichem Maße seinen Geburtsstolz, hatte aber den Einfluß verloren, den Reichthum und Macht verleihen. Seine Ländereien hatte Cromwell VI.88 unter seine Anhänger vertheilt. Es war zwar ein Theil des von ihm in Beschlag genommenen großen Gebiets nach der Wiedereinsetzung des Hauses Stuart den früheren Eigenthümern zurückgegeben worden, aber den bei weitem größten Theil hatten noch immer englische Emigranten unter Garantie einer Parlamentsacte im Besitz. Diese Acte war ein Vierteljahrhundert in Kraft gewesen und während dieser Zeit hatten unzählige Verpfändungen, Verträge, Verkäufe und Verpachtungen stattgefunden. Die alte irische Gentry war über die ganze Welt zerstreut. An allen Höfen und in allen Armeen des Continents wimmelte es von Abkömmlingen milesischer Häuptlinge. Die beraubten Eigenthümer, welche in der Heimath zurückgeblieben waren, brüteten finster über ihren Verlust, sehnten sich nach dem ihnen entrissenen Reichthum und Ansehen und nährten wilde Hoffnungen auf eine neue Umwälzung. Eine dieser Klasse angehörende Person wurde von ihren Landsleuten als ein Gentleman geschildert, der reich sein würde, wenn es nach Recht und Gerechtigkeit ginge, der ein schönes Gut hätte, wenn er es nur bekommen könnte. 154 Er ergriff selten einen friedlichen Beruf, denn er betrachtete den Handel als eine entehrendere Erwerbsquelle als den Raub. Zuweilen wurde er ein Freibeuter; zuweilen fristete er auch sein Leben dem Gesetze zum Trotz durch das, was man coshering nannte, das heißt, indem er sich von den ehemaligen Pächtern seiner Familie füttern ließ, welche bei allem Elend ihrer eigenen Lage doch dem Manne, den sie noch immer als ihren rechtmäßigen Grundherrn betrachteten, einen Theil ihres kümmerlichen Erwerbs nicht abschlagen konnten. 155 Der eingeborne Gentleman, der so glücklich gewesen war, etwas von seinem Grundbesitze zu behalten oder zurückzubekommen, lebte nur zu oft wie der Häuptling eines Indianerstammes und entschädigte sich für die Demüthigungen, die er von dem herrschenden Stamme ertragen mußte, dadurch, daß er seine Vasallen despotisch behandelte, sich einen rohen Harem hielt und sich täglich durch geistige Getränke um Verstand und Vernunft brachte. 156 Eine politische Bedeutung hatte er nicht. Zwar war er durch kein Gesetz vom Hause der Gemeinen ausgeschlossen, aber er hatte fast eben so wenig Aussicht, einen Sitz in demselben zu erhalten, als ein Farbiger, in den Senat der Vereinigten Staaten gewählt zu werden. Es war in der That seit der Restauration nur ein einziger Papist in das irische Parlament gewählt worden. Die ganze gesetzgebende und ausübende Gewalt war in den Händen der Ansiedler, und das Übergewicht des herrschenden Stammes wurde durch ein stehendes Heer von siebentausend Mann aufrecht erhalten, auf dessen Eifer für das sogenannte Interesse Englands man zuversichtlich rechnen konnte. 157
Eine genaue Untersuchung würde ergeben haben, daß weder das Irenthum, noch das Engländerthum einen völlig homogenen Körper bildete. Der Unterschied zwischen den Iren celtischen Geblüts und den von den Begleitern Strongbow’s und De Burgh’s abstammenden war noch nicht VI.89 ganz verwischt; die Fitz erlaubten sich zuweilen mit Geringschätzung von den O und Mac zu sprechen, und die O und Mac vergalten diese Geringschätzung zuweilen mit Haß. Unter der vorhergehenden Generation weigerte sich einer der mächtigsten der O’Neill, einem römisch-katholischen Gentleman alt-normännischer Abkunft ein Zeichen von Achtung zu geben. „Sie sagen, die Familie sei schon seit vierhundert Jahren hier. Das bleibt sich gleich, ich hasse den Bauerklotz, als ob er erst gestern hierhergekommen wäre.“ 158 Es scheint jedoch, daß solche Gesinnungen selten waren und daß die Fehde, welche lange zwischen den eingeborenen Celten und den entarteten Engländern gewüthet hatte, von der heftigeren Fehde, welche beide Racen von den neuen protestantischen Ansiedlern trennte, in den Hintergrund gedrängt worden war.
154. Bischof Malony’s Brief an Bischof Tyrrel vom 8. März 1689.
155. Statute 10 & 11 Charles I. chap. 16 ; King’s State of the Protestants of Ireland, chap. II. sec. 8.
156. King, chap. II. sec. 8. Miß Edgeworth’s „König Corny“ gehört einer späteren und viel civilisirteren Generation an; aber wer dieses treffliche Charactergemälde studirt hat, wird sich ungefähr denken können, was für ein Mann König Corny’s Großvater gewesen sein mußte.
157. King, chap. III. sec. 2.
158. Sheridan MS. ; Vorrede zum ersten Bande der Hibernia Anglicana, 1690 ; Secret Consults of the Romish Party in Ireland, 1689.
Zustand der englischen Kolonie. Auch die Kolonie hatte ihre inneren, theils nationalen, theils religiösen Zwistigkeiten. Die Mehrzahl waren Engländer, aber eine starke Minorität war aus dem Süden Schottlands. Die eine Hälfte der Ansiedler gehörte der Staatskirche an, die andre Hälfte waren Dissenters. In Irland aber waren Schotte und Southron (Südländer) durch ihren gemeinsamen sächsischen Ursprung, und Anglikaner und Presbyterianer durch ihren gemeinsamen Protestantismus eng mit einander verbunden. Alle Kolonisten hatten eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames pekuniäres Interesse. Sie waren umgeben von gemeinsamen Feinden und konnten sich nur durch gemeinsame Vorkehrungen und Anstrengungen gegen die Angriffe derselben sichern. Daher waren denn auch die wenigen in Irland gegen protestantische Nonconformisten erlassenen Strafgesetze ein todter Buchstabe. 159 Die Bigotterie des starrsten Anglikaners widerstand dem Einflusse der Versetzung über den Georgskanal nicht. Sobald der Kavalier in Irland ankam und sich überzeugte, daß er ohne den herzlichen und muthigen Beistand seiner puritanischen Nachbarn mit seiner ganzen Familie der Gefahr ausgesetzt war, von papistischen Räubern ermordet zu werben, so schwand sein Haß gegen den Puritanismus unwillkürlich mehr und mehr und erlosch endlich ganz. Ausgezeichnete Männer beider Parteien machten die Bemerkung, daß ein Protestant, der in Irland ein Hochtory genannt wurde, in England als ein gemäßigter Whig betrachtet worden wäre. 160
Die protestantischen Nonconformisten ihrerseits ertrugen mit mehr Geduld, als man hätte erwarten sollen, den Anblick der absurdesten kirchlichen Verfassung, welche die Welt je gesehen. Vier Erzbischöfe und achtzehn Bischöfe führten die Aufsicht über eine Anzahl von Anglikanern, welche ungefähr den fünften Theil der Gemeindemitglieder des Londoner Kirchspiels VI.90 betrug. Ein großer Theil der Pfarrgeistlichen waren Pluralisten 161 und wohnten entfernt von ihren Gemeinden. Einige von ihnen bezogen von ihren Pfründen ein Einkommen von nahe an tausend Pfund jährlich, ohne daß sie jemals eine geistliche Function verrichteten. Dennoch war diese verkehrte Institution den in Irland angesiedelten Puritanern bei weitem nicht so verhaßt, als den englischen Sectirern die englische Landeskirche. Denn in Irland waren die religiösen Spaltungen den nationalen untergeordnet, und obgleich der Presbyterianer als Theolog die Hierarchie der Staatskirche verwerfen mußte, so sah er doch wieder mit einer Art von Wohlgefallen auf diese Hierarchie, wenn er sie als eine glänzende und prunkende Trophäe des Sieges betrachtete, den der große Stamm, dem er entsprossen war, errungen hatte. 162
So hatten die Leiden des irischen Katholiken mit denen des englischen Katholiken kaum etwas gemein. Der Katholik von Lancashire oder von Staffordshire brauchte nur Protestant zu werden, um sogleich seinen Nachbarn in jeder Beziehung gleich zu stehen; wenn aber die Katholiken von Munster oder Connaught auch Protestanten geworden wären, so würden sie deshalb doch ein unterworfenes Volk geblieben sein. Alle Übel, welche der römische Katholik in England zu ertragen hatte, entsprangen aus harten Gesetzen und hätten durch eine liberalere Gesetzgebung beseitigt werden können; die Ungleichheit zwischen den beiden Bevölkerungen Irlands aber war weder durch eine Gesetzgebung entstanden, noch konnte sie durch eine solche gehoben werden. Die Herrschaft, welche eine dieser beiden Bevölkerungen über die andre ausübte, war die Herrschaft des Wohlstandes über die Armuth, der Bildung über die Unwissenheit, des civilisirten über den nicht civilisirten Menschen.
159. „Wenn auch nicht durch das Gesetz, so doch durch beiderseitiges Einverständniß bestand völlige Gewissensfreiheit.“ King, chap. III. sec. 1.
160. In einem Briefe an Jakob, der unter Bischof Tyrrel’s Papieren gefunden wurde und der das Datum des 14. Aug. 1686 trägt, kommen einige bemerkenswerthe Äußerungen vor. „Es giebt wenig oder gar keine Protestanten in diesem Lande, die nicht mit den Whigs gegen den gemeinsamen Feind verbunden wären.“ Dann wieder: „Diejenigen, welche hier (in England) für Tories galten, nahmen jenseit des Wassers öffentlich Partei für die Sache der Whigs.“ Das Nämliche sagte Swift einige Jahre später zum König Wilhelm: „Ich erinnere mich, bei meinem letzten Besuche in England dem Könige gesagt zu haben, daß die strengsten Tories bei uns ganz leidliche Whigs sein würden.“ Brief über den Abendmahlseid.
161. Geistliche, welche mehrere weit von einander entfernte Pfründen inne haben, die sie zum Theil oder auch sämmtlich verwalten lassen. D. Übers.
162. Den Reichthum und die Nachlässigkeit der anglikanischen Geistlichen Irlands erwähnt der Lordlieutenant Clarendon, einer der unverwerflichen Zeugen, in den stärksten Ausdrücken.
Verfahren, welches Jakob hätte beobachten sollen. Jakob selbst schien beim Beginn seiner Regierung diese Wahrheiten vollkommen erkannt zu haben. Die Verwirrungen in Irland, sagte er, entspringen nicht aus der Spaltung zwischen Katholiken und Protestanten, sondern aus der Spaltung zwischen Irländern und Engländern. 163 Die Folgerungen, die er aus diesem ganz richtigen Vordersatze hätte ziehen können, lagen nahe genug; zum Unglück für ihn und für Irland entgingen sie ihm.
Wenn nur der nationale Haß hätte gemildert werden können, so unterliegt es kaum einem Zweifel, daß auch die religiöse Erbitterung, welche nicht wie in England durch harte Strafgesetze und durch strenge Testacte wach erhalten wurde, von selbst erloschen sein würde. Die Dämpfung eines nationalen Hasses wie der, welcher die beiden Irland bewohnenden Volksstämme gegen einander beseelte, konnte allerdings nicht das Werk einiger Jahre sein. Indessen war es ein Werk, zu dem ein weiser und guter Fürst viel hätte beitragen können, und Jakob würde es mit Vortheilen unternommen haben, wie sie keinem seiner Vorgänger oder seiner VI.91 Nachfolger zur Seite standen. Als Engländer und zugleich Katholik gehörte er halb der herrschenden, halb der unterworfenen Kaste an und war daher ganz besonders zu einem Vermittler zwischen beiden geeignet. Es ist auch nicht schwer, den Weg zu bezeichnen, den er hätte einschlagen sollen. Er hätte die Unverletzbarkeit der bestehenden Vertheilung des Grundbesitzes beschließen und diesen Beschluß in einer Weise ankündigen sollen, welche die Besorgnisse der neuen Eigenthümer beruhigte und die etwaigen kühnen Hoffnungen der alten Eigenthümer niederschlug. Ob bei dem großen Besitzwechsel Ungerechtigkeiten vorgekommen wären oder nicht, war unwesentlich; dieser Besitzwechsel, mochte er nun gerecht oder ungerecht gewesen sein, hatte vor so langer Zeit stattgefunden, daß ein Umstoß desselben die Grundlagen der Gesellschaft erschüttert haben würde. Es muß für alle Rechte eine Verjährungsfrist geben. Nach fünfunddreißig Jahren factischen Besitzes, nach fünfundzwanzig Jahren eines durch das Gesetz feierlich verbürgten Besitzes, nach zahllosen Verpachtungen und Pachtveränderungen, Verpfändungen und Vermächtnissen war es zu spät, nach Mängeln in den Rechtstiteln zu suchen. Es hätte deshalb immer etwas geschehen können, um die verwundeten Gefühle der irischen Gentry zu heilen und ihrem gesunkenen Wohlstande wieder aufzuhelfen. Die Ansiedler lebten in sehr guten Verhältnissen. Sie hatten ihre Besitzungen durch Bauten, Anpflanzungen und Einzäunungen bedeutend verbessert; die Grundrente hatte sich im Laufe weniger Jahre verdoppelt, der Handel blühte und die Staatseinkünfte, die sich jährlich auf ungefähr dreihunderttausend Pfund beliefen, deckten nicht nur reichlich alle Verwaltungskosten, sondern ergaben auch noch einen Überschuß, der nach England geschickt wurde. Es unterlag keinem Zweifel, daß das nächste in Dublin zusammenkommende Parlament, obgleich es fast ausschließlich das englische Interesse vertrat, in Anerkennung des königlichen Versprechens, dieses Interesse in allen seinen gesetzlichen Rechten zu wahren, bereit sein würde, dem Könige eine sehr bedeutende Summe zu bewilligen, um damit solche eingeborene Familien, welche rechtswidrig beraubt worden waren, wenigstens theilweis zu entschädigen. Auf diese Weise schlichtete in unsrer Zeit die französische Regierung die Streitigkeiten, welche durch die ausgedehnteste Güterconfiscation, die jemals in Europa stattgefunden, hervorgerufen worden waren. So würde auch Jakob, wenn er sich durch seine loyalsten protestantischen Rathgeber hätte leiten lassen, eines der Hauptübel, welche auf Irland lasteten, wenigstens bedeutend gemildert haben. 164
Nachdem er dies gethan, hätte er darauf hinarbeiten müssen, die feindlichen Stämme durch unparteiische Beschützung ihrer Rechte und durch Zügelung der Übergriffe Beider mit einander auszusöhnen. Er hätte den Eingebornen, der sich dem zügellosen Übermuthe der Barbarei hingab, mit gleicher Strenge bestrafen sollen, wie den Ansiedler, der das Übergewicht der Civilisation mißbrauchte. So weit die rechtmäßige Autorität der Krone reichte — und sie reichte in Irland weit — hätte Niemand, den seine Rechtschaffenheit und Geschicklichkeit für ein Amt befähigten, wegen seiner Herkunft oder seines Glaubens für irgend eine öffentliche Anstellung untauglich gehalten werden sollen. Ein römisch-katholischer König mit einem VI.92 zu seiner freien Verfügung stehenden reichen Staatseinkommen, hatte sich wahrscheinlich ohne große Schwierigkeit der Mitwirkung der katholischen Prälaten und Priester bei dem großen Versöhnungswerke versichert halten können. Vieles hätte allerdings noch immer dem heilenden Einflusse der Zeit überlassen bleiben müssen. Die Eingebornen hatten immer noch von den Ansiedlern Betriebsamkeit, Sorge für die Zukunft, die Künste des Lebens und die englische Sprache zu lernen gehabt. Es konnte keine Gleichheit stattfinden zwischen Menschen, die in Häusern, und Menschen, die in Ställen wohnten, zwischen Menschen, die sich von Brod, und Menschen, die sich von Kartoffeln nährten, zwischen Menschen, welche die edle Sprache großer Philosophen und Dichter sprachen, und Menschen, die sich in verkehrtem Stolze rühmten, daß sie ihren Mund nicht zu einem Kauderwelsch verzerren könnten, in welchem die „Fortschritte der Wissenschaft“ und das „Verlorne Paradies“ geschrieben waren. 165 Man kann indessen mit gutem Grunde annehmen, daß, wenn die eben geschilderte versöhnende Politik von der Regierung beharrlich verfolgt worden wäre, alle Schranken nach und nach gefallen und daß von der Feindseligkeit, welche der Fluch Irlands gewesen ist, nicht mehr Spuren zurückgeblieben sein würden, als von der gleich erbitterten Feindschaft, welche einst in England zwischen den Sachsen und den Normannen wüthete.
163. Clarendon erinnert den König hieran in einem vom 14. März 1685/86 datirten Briefe und setzt hinzu: „Dies ist unstreitig eine ganz richtige Ansicht.“
164. Clarendon empfahl dringend dieses Verfahren und war der Meinung, daß das irische Parlament das Seinige dazu beitragen würde. Siehe seinen Brief an Ormond vom 28. Aug. 1686.
165. Es war ein O’Neill von hohem Ansehen, welcher einst sagte, daß es sich nicht für ihn zieme, den Mund zu verzerren, um englisch zu plappern. — Vorrede zur Hibernia Anglicana .
Seine Fehlgriffe. Leider wurde Jakob nicht ein Vermittler, sondern im Gegentheil der heftigste und rücksichtsloseste Parteigänger. Anstatt den gegenseitigen Haß der beiden Bevölkerungen zu besänftigen, entflammte er ihn zu einer bisher nie gekannten Gluth. Er beschloß, ihre Stellung zu einander umzukehren und die protestantischen Ansiedler unter die Füße der papistischen Celten zu werfen. Ein Mitglied der Staatskirche sein und englisches Blut in den Adern haben, machte in seinen Augen unfähig zur Bekleidung bürgerlicher wie militairischer Ämter. Er sann auf den Plan, die Hälfte des ganzen Grund und Bodens der Insel wieder zu confisciren und neu zu vertheilen, und diese Idee gab er so deutlich zu verstehen, daß die eine Partei bald von einer Angst ergriffen wurde, die er nachher umsonst zu beschwichtigen, die andre von Hoffnungen erfüllt wurde, die er nachher vergebens niederzuschlagen sich bemühte. Dies war aber erst der kleinste Theil seiner Schuld und seiner Verkehrtheit. Er faßte den wohlüberlegten Entschluß, nicht allein die Ureinwohner Irlands in den ungetheilten Besitz ihres Landes zu setzen, sondern sich ihrer auch als Werkzeuge zur Aufrichtung einer Willkürherrschaft in England zu bedienen. Der Erfolg war so, wie er ihn hätte voraussehen können. Die Kolonisten widersetzten sich mit der hartnäckigen Kühnheit ihres Stammes, und das Mutterland betrachtete ihre Sache mit Recht als ihre eigene. Es erfolgte nun ein verzweifelter Kampf um einen furchtbaren Einsatz. Alles was einer Nation theuer ist, stand auf beiden Seiten auf dem Spiele, und wir können weder die Irländer noch die Engländer tadeln, daß sie in dieser äußersten Gefahr dem Gesetze der Selbsterhaltung folgten. Der Kampf war fürchterlich, aber kurz; der schwächere Theil unterlag. Sein Schicksal war hart; indessen war die Grausamkeit, mit der er behandelt wurde, wenn auch nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen, VI.93 denn es traf ihn zwar Alles, was die Tyrannei ihm nur zufügen konnte, aber nicht mehr, als er selbst dem Gegner zugefügt haben würde, wenn er ihn überwunden hätte. Die Folge des unsinnigen Versuchs, England mit Hülfe von Irland zu unterjochen, war die, daß die Irländer die Holzhauer und Wasserträger der Engländer wurden. Die alten Grundeigenthümer verloren bei dem Versuche, das Verlorene wieder zu erobern, auch noch den größten Theil dessen, was ihnen geblieben war. Das vorübergehende Übergewicht des Papismus rief eine solche Reihe von barbarischen Gesetzen gegen den Papismus hervor, daß dadurch das irische Gesetzbuch in der ganzen Christenheit sprichwörtlich verrufen wurde. Dies waren die herben Früchte von Jakob’s Politik.
Wir haben bereits gesehen, daß einer seiner ersten Schritte, nachdem er König geworden, die Zurückberufung Ormond’s aus Irland war. Ormond war das Oberhaupt des englischen Interesses in diesem Lande, er war ein eifriger Anhänger des protestantischen Glaubens und seine Macht überstieg bei weitem die eines gewöhnlichen Lordlieutenants, erstens deshalb, weil er der vornehmste und reichste Ansiedler, und zweitens weil er nicht nur das Haupt der Civilverwaltung, sondern auch der Befehlshaber der Truppen war. Der König war damals nicht geneigt, die Regierung ausschließlich irischen Händen zu überlassen; man hatte ihn in der That äußern hören, ein eingeborner Vicekönig würde bald ein unabhängiger Herrscher werden. 166 Für den Augenblick beschloß er daher, die Macht, welche Ormond besessen hatte, zu theilen, die Civilverwaltung einem englischen und protestantischen Lordlieutenant und das Commando der Armee einem irischen und römisch-katholischen General zu übertragen. Der Lordlieutenant war Clarendon, der General war Tyrconnel.
Tyrconnel stammte, wie wir schon gesagt haben, aus einer der entarteten Familien der alten Colonie, welche gewöhnlich mit der ursprünglichen Bevölkerung Irlands zusammengeworfen wurde. Zuweilen sprach er zwar in einem Anfalle von Prahlsucht mit normännischem Übermuthe von den celtischen Barbaren; in Wirklichkeit aber hatten die Eingebornen alle seine Sympathieen. 167 Die protestantischen Ansiedler haßte er, und sie erwiederten seinen Haß. Clarendon’s Neigungen waren ganz andrer Art, aber er war nach Character, aus Interesse und aus Prinzip ein willfähriger Höfling. Sein Muth war gering, seine Vermögensumstände nicht glänzend, und die politischen Lehren, welche die anglikanische Kirche damals nur zu eifrig gepredigt, hatten sich seinem Geiste tief eingeprägt. Seine Fähigkeiten waren jedoch nicht zu verachten und unter einem guten Könige würde er wahrscheinlich ein vortrefflicher Vicekönig gewesen sein.
166. Sheridan-Handschr. unter den Stuart-Papieren. Ich muß hier die Gefälligkeit anerkennen, mit der mich Mr. Glover in meinen Nachforschungen nach diesem werthvollen Manuscripte unterstützt hat. Aus den Instructionen, welche Jakob 1692 für seinen Sohn aufsetzte, geht hervor, daß er bis zuletzt der Meinung war, Irland könne nicht ohne Gefahr einem irischen Lordlieutenant anvertraut werden.
167. Sheridan-Handschr.
Clarendon’s Ankunft in Irland als Lordlieutenant. Es vergingen etwa drei Vierteljahre zwischen der Zurückberufung Ormond’s und der Ankunft Clarendon’s in Dublin. In der Zwischenzeit wurde der König durch ein Collegium von Lordrichtern repräsentirt; die militairische Verwaltung aber war in Tyrconnel’s Händen. Die Absichten des Hofes VI.94 begannen sich allmälig schon zu enthüllen. Es kam von Whitehall ein königlicher Befehl zur Entwaffnung des Volks. Diesen Befehl vollzog Tyrconnel, soweit er die Engländer betraf, mit aller Strenge. Obgleich das Land durch Räuberbanden unsicher gemacht wurde, bekam ein protestantischer Gentleman kaum die Erlaubniß, ein Paar Pistolen behalten zu dürfen. Dem eingebornen Landvolke dagegen wurden die Waffen gelassen. 168 Die Freude der Colonisten war daher groß, als endlich im December 1685 Tyrconnel nach London berufen und Clarendon noch Dublin abgesandt wurde. Doch es zeigte sich bald, daß der wahre Sitz der Regierung nicht Dublin, sondern London war. Jede Post, die über den St. Georgskanal kam, brachte Nachrichten von dem unbegrenzten Einflusse, den Tyrconnel auf die irischen Angelegenheiten ausübte. Es hieß, er solle Marquis, ja sogar Herzog werden, er solle den Oberbefehl über die Truppen erhalten und beauftragt werden, die Armee und die Gerichtshöfe neu zu organisiren. 169
168. Clarendon an Rochester, 19. Jan. 1685/86; Secret Consults of the Romish Party in Ireland, 1690.
169. Clarendon an Rochester, 27. Febr. 1685/86.
Seine Kränkungen. Clarendon fühlte sich tief gekränkt, als er sah, daß er nur ein untergeordnetes Mitglied der Verwaltung war, deren Oberhaupt zu sein er erwartet hatte. Er beschwerte sich darüber, daß Alles was er thue von seinen Verleumdern entstellt und daß die wichtigsten Beschlüsse in Bezug auf das von ihm verwaltete Land Wochen lang bevor man dem Lordstatthalter nur eine Andeutung davon gegeben habe, in Westminster gefaßt, öffentlich bekannt gemacht, in den Kaffeehäusern besprochen und in hunderten von Privatbriefen mitgetheilt würden. Sein persönliches Ansehen, sagte er, komme dabei wenig in Betracht, aber es sei keine Kleinigkeit, wenn der Vertreter der Majestät des Thrones zum Gegenstande der Verachtung des Volks gemacht werde. 170
170. Clarendon an Rochester und Sunderland, 2. März 1685/86, und an Rochester, 14. März.
Schrecken unter den Colonisten. Ein panischer Schrecken verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den englischen Ansiedlern, als sie sahen, daß der Vicekönig, ihr Landsmann und protestantischer Glaubensbruder, nicht im Stande war, ihnen den Schutz zu gewähren, den sie von ihm erwartet hatten. Sie lernten durch eigene bittere Erfahrung, was es heißt, eine unterjochte Kaste zu sein. Die Eingebornen überhäuften sie mit Anklagen auf Hochverrath und Aufruhr. Der eine Protestant hatte mit Monmouth correspondirt, der andre hatte vor vier oder fünf Jahren einmal, als die Ausschließungsbill berathen wurde, sich unehrerbietig über den König geäußert, und das Zeugniß ehrloser Menschen war zur Erhärtung jeder derartigen Beschuldigung stets bei der Hand. Der Lordlieutenant sprach die Befürchtung aus, daß, wenn dieses Treiben nicht aufhöre, in Dublin bald eine ganz ähnliche Schreckensherrschaft bestehen werde, wie er sie in London erlebt habe, als Jedermanns Kopf und Ehre in der Gewalt eines Oates und Bedloe waren. 171
Bald darauf wurde Clarendon durch eine kurze und bündige Depesche von Sunderland in Kenntniß gesetzt, daß eine unverzüglich vorzunehmende vollständige Umänderung in der Civil- und Militairverwaltung Irlands VI.95 beschlossen worden sei und daß eine große Anzahl römischer Katholiken sofort im Staatsdienste angestellt werden sollten. Seine Majestät, wurde höchst ungnädig hinzugesetzt, habe sich in dieser Angelegenheit mit Männern besprochen, welche competentere Rathgeber seien, als sein unerfahrener Lordlieutenant es füglich sein könne. 172
Schon bevor dieses Schreiben dem Vicekönig zukam, war die darin enthaltene Nachricht auf verschiedenen Wegen nach Irland gelangt. Der Schrecken der Ansiedler war unbeschreiblich. In Folge der bedeutenden Übermacht der eingebornen Bevölkerung mußte ihre Lage in der That sehr traurig werden, wenn jene mit der ganzen Staatsgewalt gegen sie bewaffnet wurde, und nichts Geringeres drohte ihnen. Die englischen Bewohner Dublins gingen mit niedergeschlagenem Blicke auf den Straßen aneinander vorüber; die Börsengeschäfte geriethen ins Stocken, die Grundeigenthümer beeilten sich, ihre Besitzungen um jeden Preis zu verkaufen und den Erlös nach England zu schicken; die Kaufleute begannen ihre Außenstände einzuziehen und Anstalten zur Liquidation ihrer Geschäfte zu treffen. Der Schrecken äußerte bald seine Wirkung auf die Staatseinkünfte. 173 Clarendon bemühte sich, den geängstigten Ansiedlern ein Vertrauen einzuflößen, von dem er selbst weit entfernt war. Er versicherte sie, daß ihr Eigenthum nicht angetastet werden solle, und daß er bestimmt wisse, der König sei fest entschlossen, die Ansiedelungsacte, welche ihre Rechte auf den Grund und Boden gewährleistete, aufrecht zu erhalten, seine Briefe nach England aber lauteten ganz anders. Er wagte es sogar, mit dem Könige zu rechten, und ohne die Absicht Seiner Majestät, Katholiken anzustellen, geradezu zu tadeln, sprach er doch die entschiedene Ansicht aus, daß die anzustellenden Katholiken wenigstens Engländer sein müßten. 174
Jakob’s Antwort war in einem trocknen und kalten Tone gehalten. Er erklärte, daß es nicht seine Absicht sei, die englischen Ansiedler ihres Grundeigenthums zu berauben, daß er aber einen großen Theil derselben als seine Feinde betrachte und daß, wenn er so bedeutenden Grundbesitz in den Händen seiner Freunde lasse, es um so nöthiger sei, die Civil- und Militairverwaltung in die Hände von Freunden zu legen. 175
Demgemäß wurden mehrere römische Katholiken als Mitglieder des Geheimen Raths vereidigt und den Corporationen Befehl gegeben, die Katholiken zu städtischen Ämtern zuzulassen. 176 Viele Offiziere von der Armee wurden willkürlich ihrer Posten und dadurch ihres Brodes beraubt. Umsonst verwendete sich der Lordlieutenant für einige von ihnen, die er als gute Soldaten und loyale Unterthanen kannte. Es befanden sich alte Kavaliere darunter, welche tapfer für die Monarchie gefochten und noch die Narben ehrenvoller Wunden an sich trugen. Ihre Stellen wurden mit Männern besetzt, die keine andre Empfehlung hatten, als ihre Religion. Man sagte, daß einige von den neuen Hauptleuten und Lieutenants Kuhhirten, andere Bedienten, noch andere berüchtigte Räuber VI.96 gewesen seien. Mehrere waren so sehr an die Holzschuhe gewöhnt, daß sie in ihren militairischen Reiterstiefeln gar possierlich einherstolperten und watschelten. Nicht wenige von den verabschiedeten Offizieren traten in holländische Dienste und hatten vier Jahre später das Vergnügen, ihre Nachfolger in schimpflicher Flucht vor sich her durch die Fluthen des Boyne zu treiben. 177
Clarendon’s Verlegenheit und Angst wurde noch vermehrt durch Nachrichten, die er auf Privatwegen erhielt. Ohne seine Zustimmung und ohne sein Vorwissen wurde Anstalt getroffen, die ganze celtische Bevölkerung des Landes, dessen Statthalter er dem Namen nach war, zu bewaffnen und einzuüben. Tyrconnel leitete von London aus die Operation und die Prälaten seiner Kirche waren seine Agenten. Jeder Priester war angewiesen, ein genaues Verzeichniß aller seiner waffenfähigen männlichen Pfarrkinder anzufertigen und seinem Bischofe zu übersenden. 178
Schon hatte sich das Gerücht verbreitet, Tyrconnel werde bald mit außerordentlichen und selbstständigen Vollmachten ausgerüstet nach Dublin zurückkehren, und dieses Gerücht gewann täglich an Bestand. Der Lordlieutenant, den keine Demüthigung dazu bewegen konnte, den Pomp und die Einkünfte seiner Stelle aufzugeben, erklärte, daß er sich freudig dem königlichen Willen fügen und sich in allen Dingen als ein treuer und gehorsamer Unterthan erweisen werde. Er sagte, er habe nie in seinem Leben mit Tyrconnel Streit gehabt und er hoffe zuversichtlich, daß er sich auch in Zukunft nicht mit ihm veruneinigen werde. 179 Clarendon schien ganz vergessen zu haben, daß einmal ein Complot gegen den Ruf seiner unschuldigen Schwester im Gange gewesen war und daß Tyrconnel an diesem Complot sehr starken Antheil gehabt hatte. Eine solche Beleidigung gehört gewiß nicht zu denen, welche Männer von Ehrgefühl am leichtesten verzeihen. Aber an dem verderbten Hofe, an welchem die Hyde so lange ihr Glück gemacht hatten, wurden derartige Beleidigungen gern vergeben und vergessen, nicht aus Großmuth oder Nächstenliebe, sondern aus reiner Characterlosigkeit und Mangel an Sittlichkeitsgefühl.
171. Clarendon an Sunderland, 26. Febr. 1685/86.
172. Sunderland an Clarendon, 11. März 1685/86.
173. Clarendon an Rochester, 14. März; 1685/86.
174. Clarendon an Jakob, 4. März 1685/86.
175. Jakob an Clarendon, 6. April 1686.
176. Sunderland an Clarendon, 22. Mai 1686; Clarendon an Ormond, 30 Mai; Clarendon an Sunderland, 6 u. 11. Juli.
177. Clarendon an Rochester und Sunderland, 1. Juni 1686; an Rochester, 12. Juni; King’s State of the Protestants of Ireland, chap. II. sec. 6, 7 ; Apology for the Protestants of Ireland, 1689.
178. Clarendon an Rochester, 15. Mai 1686.
179. Clarendon an Rochester, 11. Mai 1686.
Tyrconnel’s Ankunft in Dublin als General. Im Juni 1686 kam Tyrconnel an. Seine Vollmacht autorisirte ihn nur zur Übernahme des militairischen Kommandos, aber er brachte königliche Instructionen mit, welche alle Zweige der Verwaltung berührten, und er nahm ohne Weiteres die wirkliche Regierung der Insel in seine Hand. Am Tage nach seiner Ankunft erklärte er gerade zu, daß eine große Anzahl Katholiken als Offiziere angestellt und daß ihnen durch Entlassung von mehr Protestanten Platz gemacht werden müsse. Er betrieb die Reorganisation der Armee mit rastlosem Eifer. Dies war auch in der That die einzige Oberbefehlshaberfunction, der er gewachsen war, denn er besaß wohl Muth in Händeln und Zweikämpfen, aber vom eigentlichen Militairdienste verstand er nichts. Sogleich bei der ersten Musterung, die er hielt, sahen Alle, die sich in seiner Nähe befanden, deutlich, daß er nicht wußte, wie man ein Regiment aufmarschiren ließ. 180
180. Clarendon an Rochester, 11. Mai 1686.
VI.97Seine Parteilichkeit und Willkür. Engländer auszumerzen und Irländer an deren Stelle zu setzen, dies war nach seiner Ansicht der Anfang und das Ende aller Militairverwaltung. Er hatte die Frechheit, sogar den Hauptmann der Leibgarde des Lordlieutenants zu verabschieden, was Clarendon erst erfuhr, als er einen ihm völlig unbekannten Katholiken neben seinem Staatswagen reiten sah. 181 Die Veränderung beschränkte sich nicht allein auf die Offiziere, auch die Reihen der Soldaten wurden völlig aufgelöst und neu zusammengesetzt. Aus einem einzigen Regimente wurden vier- bis fünfhundert Soldaten hauptsächlich aus dem Grunde verabschiedet, weil sie das erforderliche Maß nicht hatten. Aber das ungeübteste Auge sah auf den ersten Blick, daß die Leute größer und besser gebaut waren, als ihre Nachfolger, deren wildes und unsauberes Aussehen den Beschauer anekelte. 182 Die neuen Offiziere erhielten Befehl, keinen Mann protestantischen Glaubens in die Armee aufzunehmen; anstatt daß die Werbecommandos nach altem Brauche auf die Messen und Märkte zogen, um Freiwillige herbeizutrommeln, suchten sie jetzt die Orte auf, wohin die römischen Katholiken zu Andachtszwecken wallfahrteten. Binnen wenigen Wochen hatte der General mehr als zweitausend Eingeborene in die Reihen des Heeres aufgenommen, und seine Umgebungen versicherten mit Bestimmtheit, daß zu Weihnachten nicht ein einziger Mann englischer Abkunft mehr in der ganzen Armee zu finden sein werde. 183
Bei allen Fragen, welche im Geheimen Rathe zur Verhandlung kamen, zeigte Tyrconnel die nämliche Willkür und Parteilichkeit. Johann Keating, Oberrichter der Common Pleas, ein Mann, der sich durch Tüchtigkeit, Rechtschaffenheit und Loyalität auszeichnete, stellte mit großer Milde vor, daß der General billigerweise für seine Kirche nicht mehr verlangen könne, als vollkommene Gleichstellung. Es sei gewiß nur des Königs Wille, sagte er, daß kein des öffentlichen Vertrauens würdiger Mann deshalb ausgeschlossen werden solle, weil er ein römischer Katholik sei, und daß kein des Vertrauens Unwürdiger deshalb angestellt werden solle, weil er ein Protestant sei. Tyrconnel begann alsbald zu fluchen und zu schwören. „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“, rief er aus; „ich möchte alle Katholiken herein haben.“ 184 Die verständigeren Irländer seines eigenen Glaubens waren entrüstet über seine rücksichtslose Heftigkeit und wagten es, ihm Vorstellungen zu machen; aber er gebot ihnen mit Verwünschungen Schweigen. 185 Seine Brutalität war so groß, daß Viele ihn für wahnsinnig hielten. Sie war indessen noch nicht so auffallend, als die schamlose Zungenfertigkeit, mit der er Lügen aussprach. Schon lange zuvor hatte er sich den Spottnamen des „Lügners Dick Talbot“ zugezogen und selbst in Whitehall wurde jede abgeschmackte Lüge eine von Dick Talbot’s Wahrheiten genannt. Jetzt bewies er täglich, daß er diesen nicht beneidenswerthen Ruf wohl verdiente. Das Lügen war bei ihm in der That fast eine Krankheit. Nachdem er den Befehl zur Entlassung englischer Offiziere gegeben, war er im Stande, sie in sein Kabinet zu rufen, VI.98 sie seines Vertrauens und seiner Freundschaft zu versichern und den Himmel anzurufen, daß er ihn vernichten und zerschmettern möge, wenn er nicht aufs Beste für ihr Wohl sorgen sollte. Oft erfuhren Diejenigen, denen er auf solche Weise seine Gunst zugeschworen hatte, noch vor dem Abende, daß sie entlassen waren. 186
181. Secret Consults of the Romish Party in Ireland.
182. Clarendon an Rochester, 26. Juni und 4. Juli 1686; Apology for the Protestants of Irland, 1689.
183. Clarendon an Rochester, 4. u. 22. Juli 1686; an Sunderland, 6. Juli; an den König, 14. Aug.
184. Clarendon an Rochester, 19. Juni 1686.
185. Clarendon an Rochester, 22. Juni 1686.
186. Sheridan-Handschr.; King’s State of the Protestants of Ireland, III. 3. 8. Ein schlagendes Beispiel von Tyrconnel’s schamloser Lügenhaftigkeit findet sich in dem Briefe Clarendon’s an Rochester vom 22. Juli 1686.
Er sucht die Ansiedlungsacte aufzuheben. Bei seiner Ankunft versicherte er, obgleich er auf die Ansiedlungsacte entsetzlich fluchte und das englische Interesse ein abscheuliches, ein schuftiges, ein verfluchtes Ding nannte, dennoch überzeugt zu sein, daß die Vertheilung des Grundeigenthums nach so langen Jahren nicht mehr abgeändert werden könne. 187 Als er jedoch einige Wochen in Dublin war, zog er andere Saiten auf. Er begann am Rathstische heftige Reden zu halten über die Nothwendigkeit, das Land den früheren Eigenthümern zurückzugeben. Bis jetzt hatte er jedoch noch nicht die Zustimmung seines Gebieters zu diesem unheilvollen Plane erlangt. Das Nationalgefühl hatte in Jakob’s Gemüth noch einen schwachen Kampf gegen den Aberglauben zu bestehen. Er war ein Engländer und ein englischer König und er konnte nicht ohne einige schlimme Ahnungen in die Zerstörung der größten Colonie willigen, die England jemals angelegt hatte. Die englischen Katholiken, die er zu Rathe zu ziehen pflegte, waren fast einhellig für die Aufrechthaltung der Ansiedlungsacte. Nicht nur der rechtschaffene und gemäßigte Powis, sondern selbst der ausschweifende und starrsinnige Dover gaben verständigen und patriotischen Rath.
187. Clarendon an Rochester, 8. Juni 1686.
Er kehrt nach England zurück. Tyrconnel durfte kaum hoffen, von ferne den Eindruck zu neutralisiren, den solche Rathschläge nothwendig auf den König machen mußten. Er beschloß daher, die Sache seiner Kaste persönlich zu verfechten, und kehrte deshalb Ende August nach England zurück.
Der Lordlieutenant fürchtete seine Abwesenheit eben so sehr als seine Anwesenheit. Es war allerdings peinlich, Tag für Tag die gerunzelte Stirn eines Feindes vor Augen zu haben; nicht minder quälend aber war das Bewußtsein, daß ein Feind täglich dem Könige Verleumdungen und bösen Rath zuflüsterte. Clarendon ward durch mannichfache Kränkungen zu Boden gedrückt. Er machte eine Rundreise durch das Land und mußte sehen, daß die irische Bevölkerung ihn allenthalben mit Verachtung behandelte. Die katholischen Priester ermahnten ihre Gemeinden, ihm keine Ehrenbezeigungen zu erweisen; die eingeborne Gentry blieb zu Hause, anstatt ihm entgegenzukommen und ihre Achtung zu bezeigen, und das eingeborne Landvolk sang überall ersische Lieder zum Lobe Tyrconnels, der, wie sie nicht zweifelten, bald wieder erscheinen werde, um die Demüthigung ihrer Unterdrücker zu vervollständigen. 188
188. Clarendon an Rochester, 23. Sept. und 2. Oct. 1686; Secret Consults of the Romish Party in Ireland, 1690.
Der König ist unzufrieden mit Clarendon. Der Vicekönig war von seiner unerfreulichen Reise kaum wieder in Dublin angekommen, so erhielt er Briefe, die ihm ankündigten, daß er sich das ernste Mißfallen VI.99 des Königs zugezogen habe. Seine Majestät, hieß es in den Briefen, erwarte von seinen Dienern, daß sie seinen Befehlen nicht blos nachkämen, sondern daß sie denselben aus voller Seele und mit heiterer Miene gehorchten. Der Lordlieutenant habe sich zwar nicht geweigert, bei der Reform des Heeres und der Civilverwaltung mitzuwirken, aber seine Mitwirkung sei gezwungen und lässig gewesen, seine Blicke hätten seine Gedanken verrathen und Jedermann habe gesehen, daß er die Politik mißbillige, zu deren Ausführung er verwendet werde. 189 In großer Angst schrieb er einen Brief, um sich zu vertheidigen; allein es wurde ihm kalt darauf erwiedert, daß seine Vertheidigung ungenügend sei. Er erklärte nun in den demüthigsten Ausdrücken, daß er es nicht versuchen wolle, sich zu rechtfertigen, daß er mit jedem Urtheile des Königs, wie es auch ausfallen möge, zufrieden sein werde, daß er sich in den Staub werfe und um Verzeihung bitte, daß er der aufrichtigste aller reuigen Sünder sei, daß er es als seinen höchsten Ruhm betrachte, für seinen Herrn und König zu sterben, daß es ihm aber unmöglich sei, unter der Ungnade seines Fürsten zu leben. Dies war auch keineswegs bloße eigennützige Heuchelei, sondern, wenigstens zum Theil, unverstellter Sklavensinn und feige Angst, denn in vertraulichen Briefen, welche nicht für das Auge des Königs bestimmt waren, jammerte er gegen seine Familie ganz in dem nämlichen Tone. Er sei unglücklich, er sei wie vernichtet, der Zorn des Königs sei ihm unerträglich, und wenn dieser Zorn sich nicht beschwichtigen lasse, habe das Leben keinen Werth mehr für ihn. 190 Die Angst des armen Mannes nahm noch zu, als er erfuhr, daß man in Whitehall beschlossen habe, ihn zurückzurufen und seinen Nebenbuhler und Verleumder Tyrconnel zu seinem Nachfolger zu ernennen. 191 Dann schien sich der Horizont wieder auf einen Augenblick aufzuhellen, der König war in besserer Laune und Clarendon schmeichelte sich einige Tage mit der Hoffnung, daß die Fürsprache seines Bruders den erwünschten Erfolg gehabt habe, und daß die Krisis vorüber sei. 192
189. Clarendon an Rochester, 6. Oct. 1686.
190. Clarendon an den König und an Rochester, 23. Oct. 1686.
191. Clarendon an Rochester, 29. u. 30. Oct, 1686.
192. Clarendon an Rochester, 27. Nov. 1686.
Angriff der jesuitischen Cabale gegen Rochester. In Wirklichkeit aber hatte die Krisis erst begonnen. Während Clarendon sich an Rochester zu lehnen versuchte, war dieser selbst schon nicht mehr im Stande, sich noch länger zu halten. Wie in Irland der ältere Bruder, obgleich er seine Ehrengarde, seinen Staatsdegen und den Titel Excellenz behielt, thatsächlich durch den Befehlshaber der Armee verdrängt war, so sank in England der jüngere Bruder, obgleich er seinen weißen Stab behielt und kraft seines hohen Amtes den Vorrang vor dem höchsten Erbadel hatte, rasch zu einem bloßen Finanzsekretär herab. Das Parlament wurde abermals im Widerspruch mit den wohlbekannten Wünschen des Schatzmeisters auf einen entfernten Termin prorogirt. Man benachrichtigte ihn nicht einmal davon, daß eine neue Prorogation stattfinden solle, sondern überließ es ihm, die Neuigkeit aus der Gazette zu erfahren. Die wirkliche Leitung der Regierungsangelegenheiten war in die Hände der Cabale übergegangen, welche Freitags bei Sunderland speiste. Das Kabinet versammelte sich nur, um die von auswärtigen Höfen eingegangenen VI.100 Depeschen vorlesen zu hören, und diese Depeschen enthielten nichts, was man nicht schon an der Börse gewußt hätte, denn alle englischen Gesandten hatten Befehl erhalten, in ihre officiellen Schreiben nur das gewöhnliche Vorzimmergeklatsch aufzunehmen, wichtige Geheimnisse aber für Privatmittheilungen aufzusparen, welche an Jakob selbst, oder an Sunderland oder an Petre gerichtet werden mußten. 193 Die siegende Partei war indessen noch immer nicht zufrieden. Diejenigen, denen der König das meiste Vertrauen schenkte, versicherten ihn, daß die Hartnäckigkeit, mit der die Nation sich seinen Plänen widersetze, lediglich Rochester zur Last falle. Wie könne das Volk glauben, daß sein Fürst unerschütterlich fest entschlossen sei, auf dem eingeschlagenen Wege fortzuschreiten, wenn es zu seiner Rechten einen Mann erblicke, der anscheinend in Macht und Vertrauen der Erste unter seinen Räthen sei und doch anerkanntermaßen diesen Weg entschieden mißbillige? Jedem Schritte, der zu dem Zwecke gethan worden sei, die anglikanische Kirche herabzusetzen und die römische Kirche zu erheben, habe sich der Schatzmeister widersetzt. Allerdings habe er, wenn er die Nutzlosigkeit seines Widerstandes eingesehen, sich mit Unmuth gefügt und zuweilen sogar bei der Ausführung der Pläne, gegen die er am eifrigsten gekämpft, hülfreiche Hand geleistet; allerdings habe er sich, obgleich ihm die kirchliche Commission zuwider gewesen sei, dazu verstanden, eine Stelle in derselben anzunehmen; allerdings habe er, nachdem er erklärt, daß er in dem Benehmen des Bischofs von London nichts Tadelnswerthes finden könne, mit Verdruß und Widerstreben für seine Absetzung gestimmt. Aber dies sei nicht genug. Ein Fürst, der ein so wichtiges und schwieriges Unternehmen durchzuführen habe, wie das von Jakob begonnene sei, habe das Recht, von seinem ersten Minister nicht blos eine unwillige und mürrische Zustimmung, sondern eine eifrige und kräftige Mitwirkung zu erwarten. Während dem König täglich solcher Rath von Denen ertheilt wurde, in die er das meiste Vertrauen setzte, erhielt er zu gleicher Zeit durch die Pennypost eine Menge anonyme Briefe, welche von Verleumdungen gegen den Lordschatzmeister strotzten. — Dieses Angriffssystem war von Tyrconnel erfunden und stand in vollkommenem Einklange mit jedem Theile seines ehrlosen Wandels. 194
Der König war unschlüssig. Er scheint wirklich zu seinem Schwager eine aufrichtige persönliche Zuneigung, die Folge naher Verwandtschaft, langjährigen vertraulichen Umgangs und vieler gegenseitiger Gefälligkeiten, gehegt zu haben, und es ließ sich daher mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Rochester, so lange er sich, wenn auch zögernd und murrend, dem königlichen Willen fügte, dem Namen nach Premierminister bleiben werde. Sunderland gab daher mit raffinirter Schlauheit seinem Gebieter zu verstehen, daß es zweckmäßig sein dürfte, von Rochester den einzigen Beweis von Gehorsam zu verlangen, den er — dies war so gut als gewiß — niemals geben würde. Gegenwärtig — so lautete die Sprache des listigen Staatssekretärs — sei es unmöglich, mit dem ersten Diener des Königs über den Gegenstand zu sprechen, der Seiner Majestät am meisten am Herzen liege. Es sei traurig, sich sagen zu müssen, daß in einer so wichtigen Krisis religiöse Vorurtheile die Regierung einer so werthvollen Stütze beraubten. Vielleicht würden sich diese Vorurtheile VI.101 nicht als unüberwindlich erweisen. Dann deutete der Verführer an, daß seines Wissens Rochester unlängst einige Bedenken über die zwischen den Protestanten und Katholiken obschwebenden Streitpunkte geäußert habe. 195
193. Barillon, 13.(23.) Sept. 1686; Clarke’s Life of James the Second, II. 99.
194. Sheridan-Handschr.
195. Clarke’s Life of James the Second, II. 100.
Jakob’s Versuche, Rochester zu bekehren. Dies war genug. Der König griff den Wink begierig auf und begann sich mit der Hoffnung zu schmeicheln, daß er vielleicht nicht nur der unangenehmen Nothwendigkeit überhoben werden würde, einen Freund von sich zu entfernen, sondern sich sogar einen geschickten Gehilfen zur Ausführung des unternommenen großen Werkes sichern könnte. Nebenbei erhob ihn auch der Gedanke an das Verdienst und den Ruhm, einen Mitmenschen vom Verderben zu retten. Er scheint in der That um diese Zeit einen ganz besonders heftigen Anfall von religiösem Eifer gehabt zu haben, und dies ist um so auffallender, da er eben erst nach einer kurzen Pause der Selbstbeherrschung in Ausschweifungen zurückverfallen war, welche alle christlichen Theologen als sündhaft verwerfen und die bei einem schon bejahrten Manne, der eine liebenswürdige junge Gattin hat, selbst von weltlich gesinnten Menschen unschicklich genannt werden. Lady Dorchester war von Dublin zurückgekommen und war wieder die Maitresse des Königs. Eine politische Bedeutung hatte ihre Rückkehr nicht. Die Erfahrung hatte sie von der Nutzlosigkeit des Versuchs überzeugt, ihren Geliebten von dem Verderben zu retten, in das er sich kopfüber stürzte. Sie überließ daher seine politische Leitung den Jesuiten und diese gestatteten ihr dagegen, daß sie dem Könige Geld ablockte. Übrigens war sie nur eine von mehreren leichtfertigen Frauen, welche damals mit seiner geliebten Kirche die Herrschaft über ihn theilten. 196 Er schien beschlossen zu haben, die Vernachlässigung seines eignen Seelenheils durch Sorge für die Seelen Anderer einigermaßen wieder gut zu machen. Daher ging er mit wirklichem guten Willen, aber mit dem guten Willen eines harten, strengen und gebieterischen Characters an das Werk seinen Schwager zu bekehren. Jede dem Schatzmeister gewährte Audienz wurde mit Abhandlungen über die Autorität der Kirche und über den Bilderdienst ausgefüllt. Rochester hatte sich vorgenommen, seinem Glauben nicht untreu zu werden; aber er trug kein Bedenken, sich zu seiner Selbstvertheidigung eben so schimpflicher Kunstgriffe zu bedienen, als sie gegen ihn angewendet wurden. Er bemühte sich wie ein Mann zu sprechen, der noch nicht mit sich im Klaren ist, sagte daß er nichts mehr wünsche, als eines Besseren belehrt zu werden, wenn er sich irren sollte, las papistische Bücher und hörte papistische Theologen bereitwillig an. Er hatte verschiedene Unterredungen mit Leyburn, dem apostolischen Vikar, mit Godden, dem Kaplan und Almosenier der Königin Wittwe und mit Bonaventura Giffard, einem in den Schulen von Douay für die Polemik gebildeten Theologen. Es wurde verabredet, daß eine förmliche Disputation zwischen diesen Gelehrten und einigen protestantischen Geistlichen stattfinden solle. Der König forderte Rochester auf, beliebige Theologen der Staatskirche zu wählen, nur mit zwei Ausnahmen: Diese waren Tillotson und Stillingfleet. Tillotson, der populärste Prediger der damaligen Zeit und von Character der harmloseste Mensch, hatte mit einigen Whigführern in vertrautem Umgange gestanden, und Stillingfleet, der als ein vollendeter Meister in allen Waffen VI.102 der Polemik bekannt war, hatte sich durch Herausgabe einer Entgegnung auf die in der Cassette Karl’s II. gefundenen Papiere noch mißliebiger gemacht. Rochester wählte die beiden königlichen Kaplane, welche gerade den Dienst hatten. Der eine von ihnen war Simon Patrick, dessen Bibelerklärungen noch jetzt in keiner theologischen Bibliothek fehlen dürfen; der andre war Jane, ein heftiger Tory, einer von den Verfassern des Beschlusses, durch welchen die Universität Oxford die schlimmsten Thorheiten Filmer’s feierlich in sich aufgenommen hatte. Die Disputation fand am dreizehnten November in Whitehall statt. Rochester, der es nicht bekannt werden lassen wollte, daß er eingewilligt habe, die Argumente der papistischen Priester auch nur anzuhören, bedang sich Geheimhaltung aus. Es sollte kein Zuhörer weiter anwesend sein als der König. Der Gegenstand der Disputation war die wirkliche Anwesenheit Christi beim Abendmahle. Die römisch-katholischen Theologen übernahmen die Last der Beweisführung. Patrick und Jane sprachen wenig; auch hatten sie gar nicht nöthig viel zu sagen, denn der Earl unternahm es selbst die Lehre seiner Kirche zu vertheidigen und er wurde seiner Gewohnheit nach bald warm, verlor seine Ruhe und fragte mit großer Heftigkeit, ob man etwa hoffe, daß er auf so unhaltbare Gründe hin, seinen Glauben wechseln werde. Dann fiel ihm aber ein, was er riskirte; er fing wieder an sich zu verstellen, jagte den Disputanten Schmeicheleien über ihre Gewandtheit und Gelehrsamkeit und verlangte Zeit, um das Gesagte zu überlegen. 197
So beschränkt Jakob auch war, mußte er doch merken, daß dies eine bloße Komödie war. Er sagte Barillon, Rochester’s Sprache sei nicht die eines Mannes, der den aufrichtigen Willen habe, zur Wahrheit zu gelangen. Indessen konnte sich der König doch noch nicht entschließen, seinem Schwager die einfache Alternative zu stellen: Übertritt oder Entlassung; drei Tage nach der Conferenz aber machte Barillon dem Schatzmeister einen Besuch und rückte nach vielen Umschweifen und wiederholten Versicherungen der freundschaftlichsten Theilnahme mit der unangenehmen Wahrheit heraus. „Meinen Sie damit“, sagte Rochester, den die unklaren und umständlichen Phrasen, in denen das Ansinnen an ihn gestellt wurde, irre machten, „daß ich meine Stelle verliere, wenn ich nicht Katholik werde?“ — „Davon spreche ich nicht“, erwiederte der vorsichtige Diplomat; „ich komme nur als Freund zu Ihnen, um die Hoffnung auszusprechen, daß Sie darauf bedacht sein werden, Ihre Stelle zu behalten.“ — „Aber jedenfalls“, sagte Rochester, „ist der einfache und klare Sinn von dem Allen, daß ich entweder Katholik werden oder abtreten muß.“ Er richtete noch mehrere Fragen an Barillon, um dahinter zu kommen, ob die Eröffnung ihm auf höheren Befehl gemacht worden war, konnte aber nur unbestimmte und geheimnißvolle Antworten erlangen. Endlich erklärte er Barillon mit einer affectirten Zuversicht, die er weit entfernt war zu fühlen, er müsse sich durch leeres oder böswilliges Gerede haben täuschen lassen. „Ich sage Ihnen“, setzte er hinzu, „daß der König mich nicht entlassen und daß ich eben so wenig freiwillig abtreten werde. Ich VI.103 kenne ihn und er kennt mich; ich fürchte Niemanden.“ Der Franzos antwortete hierauf, er sei außerordentlich erfreut, dies zu hören, und der einzige Beweggrund seiner Einmischung in die Sache sei die aufrichtige Besorgniß um das Wohl und das Ansehen seines vortrefflichen Freundes des Schatzmeisters. So trennten sich die beiden Staatsmänner, und jeder schmeichelte sich, den andren dupirt zu haben. 198
Inzwischen hatte sich trotz der dringend anempfohlenen Geheimhaltung dennoch in ganz London die Nachricht verbreitet, der Lordschatzmeister habe eingewilligt, sich in den papistischen Glaubenslehren unterrichten zu lassen. Man hatte Patrick und Jane durch die verborgene Thür, welche in Chiffinch’s Gemächer führte, in den Palast gehen sehen und einige römisch-katholische Höflinge hatten aus Indiscretion oder mit Absicht Alles was sie wußten und noch mehr als das erzählt. Die anglikanischen Tories sahen mit ängstlicher Spannung ausführlicheren Nachrichten entgegen. Schon der Gedanke war ihnen schmerzlich, daß ihr Oberhaupt sich nur gestellt haben könnte, als sei er in seiner Überzeugung schwankend geworden; daß er sich aber bis zum Renegaten erniedrigen werde, konnten sie nicht glauben. Gepeinigt von seinen heftigen Leidenschaften und seinen niedrigen Begierden, geängstigt durch den Tadel des Publikums und durch Barillon’s Andeutungen, voll Furcht sein Ansehen und seinen Posten zu verlieren, eilte der unglückliche Minister wieder in das königliche Kabinet. Er war entschlossen, seine Stelle durch jede Schlechtigkeit zu behaupten, eine einzige ausgenommen. Er wollte vorgeben, er sei in seiner religiösen Überzeugung wankend geworden und sei ein halber Konvertit, er wollte seine kräftige Unterstützung der Politik, der er bisher opponirt hatte, versprechen; würde er aber aufs Äußerste getrieben, so wollte er sich weigern, seinen Glauben zu wechseln. Er sagte daher zuerst dem Könige, daß die Angelegenheit, für welche Seine Majestät sich so lebhaft interessire, keineswegs ruhe, daß Jane und Giffard eben damit beschäftigt seien, über die zwischen den beiden Kirchen streitigen Punkte Bücher zu Rathe zu ziehen, und daß nach Beendigung dieser Nachforschung eine zweite Conferenz wünschenswerth sein werde. Dann beklagte er sich bitter darüber, daß die ganze Stadt bereits wisse, was doch sorgfältig hätte verschwiegen werden sollen, und daß einige Personen, die in Folge ihrer Stellung gut unterrichtet sein könnten, sonderbare Dinge in Bezug auf die Absichten des Königs erzählten. „Man flüstert einander zu,“ sagte er, „daß, wenn ich nicht thäte, was Eure Majestät von mir verlangt, ich nicht länger in meiner gegenwärtigen Stellung bleiben dürfte.“ Der König erwiederte mit einigen freundschaftlichen Gemeinplätzen, daß man den Leuten nicht wehren könne zu reden, daß man aber solch’ leeres Geschwätz nicht beachten dürfe. Diese hohlen Phrasen waren nicht geeignet, das ängstliche Gemüth des Ministers zu beruhigen. Er gerieth in eine heftige Aufregung und begann seine Stelle zu vertheidigen, als ob sein Leben davon abgehangen hätte. „Eure Majestät sieht, daß ich Alles, was in meiner Macht steht, thue, Ihnen zu gehorchen. Ich will in der That Alles thun, was ich kann, um Ihnen in Allem gehorsam zu sein, ich will Ihnen dienen, ganz nach Ihrem Sinne. Ja,“ rief er in einem verzweifelten Ausbruche von niedriger Feigheit, „ich will mich sogar bemühen, zu glauben, was Sie wünschen. Aber nur das sagen Sie mir nicht, daß ich Alles verlieren muß, VI.104 wenn ich mich bei dem Versuche, meine Ansicht zu ändern, überzeuge, daß mir dies unmöglich ist. Denn ich muß Eurer Majestät offen sagen, daß hierbei noch andere Rücksichten obwalten.“ — „So, so. Sie müssen also?“ versetzte der König mit einem Fluche, denn ein einziges freimüthiges und männliches Wort, das inmitten dieser kriechenden Demuthversicherungen entschlüpft war, reichte hin, um seinen Zorn zu reizen. „Ich hoffe, Sire,“ entgegnete der arme Rochester, „daß ich Sie nicht beleidigt habe. Eure Majestät würde sicherlich keine gute Meinung von mir haben, wenn ich nicht so gesprochen hätte.“ Der König beherrschte sich, versicherte daß er sich nicht beleidigt fühle und rieth dem Schatzmeister, unbekümmert um müßiges Gerede wieder mit Jane und Giffard zu conferiren. 199
196. Barillon, 13.(23.) Sept. 1686; Bonrepaux, 4. Juni 1687.
197. Barillon, 2.(12.) Dec. 1686; Burnet I. 684 ; Clarke’s Life of James the Second, II. 100 ; Dodd’s Church History . Ich habe es versucht aus diesen einander widersprechenden Materialien eine möglichst richtige Erzählung zu entwerfen. Aus Rochester’s eigenen Papieren scheint mir klar hervorzugehen, daß er bei dieser Gelegenheit keineswegs so starrsinnig war, als er von Burnet und dem Biographen Jakob’s dargestellt wird.
198. Aus Rochester’s Minutes, d. d. 3. Dec. 1686.
199. Aus Rochester’s Minutes, d. d. 4. Dec. 1686.
Rochester’s Entlassung. Von dieser Unterredung an verstrichen noch vierzehn Tage, ehe der entscheidende Schlag fiel. Diese vierzehn Tage brachte Rochester mit Intriguiren und Flehen hin. Er bemühte sich, die Katholiken, welche bei Hofe den meisten Einfluß hatten, zu seinen Gunsten zu stimmen. Seinem Glauben, sagte er, könne er nicht untreu werden; sonst aber wolle er Alles thun, was sie nur verlangen könnten. Wenn er nur seine Stelle behielte, würden sie bald sehen, daß er ihnen als Protestant mehr nützen könne, denn als Mitglied ihrer Kirche. 200 Seine Gemahlin, welche damals krank darniederlag, hatte angeblich bereits die tief gekränkte Königin um die Ehre eines Besuchs bitten lassen und das Mitleid Ihrer Majestät zu erwecken versucht. 201 Aber die Hyde erniedrigten sich umsonst. Dem Petre waren sie ganz besonders ein Dorn im Auge und er arbeitete daraufhin, sie zu stürzen. 202 Am Abend des 17. December wurde der Earl in das königliche Kabinet beschieden. Jakob war ungewöhnlich ergriffen und weinte sogar. Diese Scene mußte allerdings Erinnerungen in ihm wecken, die wohl im Stande sind, auch das härteste Gemüth zu erweichen. Er sprach sein Bedauern aus, daß seine Regentenpflichten ihm nicht gestatteten, seinen persönlichen Neigungen zu folgen; es sei durchaus nöthig, daß die Männer, denen die Oberleitung seiner Angelegenheiten übertragen sei, seine Ansichten und Gesinnungen theilten. Er räumte ein, daß er große persönliche Verpflichtungen gegen Rochester habe und daß die Art und Weise, wie die Finanzen in neuerer Zeit verwaltet worden seien, ganz seinen Beifall gehabt habe; das Amt eines Lordschatzmeisters aber sei von so hoher Wichtigkeit, daß es überhaupt nicht einem Einzelnen übertragen werden sollte und von einem katholischen Könige nicht mit Sicherheit einem eifrigen Anhänger der anglikanischen Kirche anvertraut werden könne. „Denken Sie noch besser darüber nach, Mylord,“ fuhr er fort; „lesen Sie wiederholt die Papiere aus meines Bruders Cassette; ich will Ihnen etwas mehr Zeit zur Überlegung gönnen, wenn Sie es wünschen.“ Rochester sah, daß Alles vorbei war und daß er nichts Besseres thun konnte, als aus seinem Schiffbruche soviel Geld und soviel Ansehen als möglich zu retten. Beides gelang ihm. Er erhielt aus dem Ertrage des Postamts einen Jahrgehalt von viertausend Pfund auf doppelte Lebenszeit. Aus den Besitzungen von Hochverräthern hatte er sich große Summen zu erwerben gewußt und insbesondere Grey’s VI.105 Verschreibung auf vierzigtausend Pfund eingesteckt, sowie auch den ganzen Antheil der Krone an Grey’s ausgedehnten Gütern erhalten. 203 Noch nie war ein Minister unter so günstigen Bedingungen aus dem Amte geschieden. Auf den Beifall der wahren Freunde der Staatskirche hatte er allerdings sehr geringen Anspruch. Um seine Stelle zu retten, hatte er in dem Tribunale gesessen, das zu dem Zwecke, sie zu verfolgen, gesetzwidrig errichtet worden war; um seine Stelle zu retten, hatte er ehrloserweise für die Absetzung eines ihrer ausgezeichnetsten Diener gestimmt, hatte sich gestellt, als zweifle er an ihrer Rechtgläubigkeit, hatte mit anscheinendem Interesse Lehrer angehört, die sie schismatisch und ketzerisch nannten, und hatte sich erboten, ihren Todfeinden bei deren Plänen gegen dieselbe kräftigen Beistand zu leisten. Der höchste Ruhm, auf den er Anspruch machen konnte, war der, daß er vor dem Übermaß von Gewissenlosigkeit und Gemeinheit zurückgeschreckt war, um schnöden Gewinns willen öffentlich den Glauben abzuschwören, in welchem er erzogen war, den er für den wahren hielt und dessen er sich so lange gerühmt hatte. Dennoch wurde er von der großen Masse der Anglikaner gepriesen, als ob er der muthigste und makelloseste aller Märtyrer gewesen wäre. Das Alte und das Neue Testament, die Martyrologien von Eusebius und von Fox wurden durchstöbert, um Parallelen für seine heldenmüthige Frömmigkeit zu finden. Er war ein Daniel in der Löwengrube, ein Sadrach im feurigen Ofen, ein Petrus im Kerker des Herodes, ein Paulus vor den Schranken Nero’s, ein Ignatius im Amphitheater, ein Latimer auf dem Scheiterhaufen. Unter den vielen Thatsachen, welche beweisen, daß der Maßstab der Ehre und Tugend unter den Staatsmännern jener Zeit ein sehr niedriger war, ist die durch Rochester’s Standhaftigkeit erregte Bewunderung vielleicht die entscheidendste.
200. Barillon, 20.(30.) Dec. 1686.
201. Burnet, I. 684.
202. Bonrepaux, 25. Mai (4. Juni) 1687.
203. Rochester’s Minutes, Dec. 19. 1686 ; Barillon, 30. Dec. (9. Jan.) 1686/87; Burnet, I. 685 ; Clarke’s Life of James the Second, II. 102 ; Treasury Warrant Book, Dec. 29. 1686.
Entlassung Clarendon’s. In seinem Sturze riß er auch Clarendon mit zu Boden. Am 7. Januar 1687 verkündete die Gazette der Bevölkerung von London, daß das Schatzamt einer Commission zur Verwaltung übertragen sei.
Tyrconnel Lordstellvertreter. Am 8. Januar kam in Dublin eine Depesche an, welche formell anzeigte, daß Tyrconnel in einem Monate die Regierung von Irland übernehmen werde. Nicht ohne große Schwierigkeiten hatte dieser Mann die zahlreichen Hindernisse bewältigen können, die seinem Ehrgeize im Wege standen. Es war wohl bekannt, daß die Vernichtung der englischen Colonie in England das Ziel war, nach dem sein Sinn strebte. Er hatte deshalb einige Bedenken des Königs zu zerstreuen und den Widerstand nicht nur aller protestantischen Mitglieder der Regierung sowie der gemäßigten und achtbaren Häupter des Katholicismus, sondern selbst mehrerer Mitglieder der jesuitischen Cabale zu besiegen. 204 Sunderland erschrak vor dem Gedanken an eine religiöse, VI.106 politische und sociale Revolution in Irland. Der Königin war Tyrconnel persönlich zuwider. Powis wurde daher als der für das Vicekönigthum am besten geeignete Mann betrachtet. Er war von erlauchter Abkunft und ein aufrichtiger Katholik, galt aber bei alledem auch in den Augen der aufrichtigsten Protestanten allgemein für einen braven Mann und einen guten Engländer. Doch aller Widerstand zerschellte an Tyrconnel’s Energie und List. Er schmeichelte, tobte und bestach unermüdlich. Petre’s Beistand gewann er durch Schmeichelei; Sunderland wurde durch Versprechungen und zugleich durch Drohungen mürbe gemacht. Für seine Unterstützung wurde ein hoher Preis geboten, bestehend in einer Leibrente von fünftausend Pfund auf die Staatseinkünfte Irlands, ablösbar durch einmalige Bezahlung einer Summe von fünfzigtausend Pfund. Würde dieses Anerbieten zurückgewiesen, so drohte Tyrconnel, es dem Könige zu verrathen, daß der Lordpräsident einmal beim Freitagsdiner Seine Majestät als einen Schwachkopf geschildert habe, der entweder durch ein Weib oder durch einen Priester geleitet werden müsse. Sunderland erklärte sich in Todesangst bereit, Tyrconnel das militairische Obercommando, einen kolossalen Gehalt, kurz alles Mögliche zu verschaffen, nur nicht das Vicekönigthum; aber jeder Vergleich wurde verworfen, und er mußte nachgeben. Maria von Modena selbst blieb nicht frei von dem Verdachte, daß sie sich habe bestechen lassen. Es existirte in London eine berühmte Perlenschnur, die auf zehntausend Pfund geschätzt wurde. Sie hatte dem Prinzen Ruprecht gehört, und dieser hatte sie der Margarethe Hughes hinterlassen, einer Courtisane, die in den letzten Jahren seines Lebens eine unbegrenzte Herrschaft über ihn ausgeübt. Tyrconnel rühmte sich laut, daß er mit dieser Perlenschnur die Unterstützung der Königin erkauft habe. Manche betrachteten jedoch diese Geschichte als eine von Dick Talbot’s Wahrheiten und hielten sie für eben so unbegründet wie die Verleumdungen, welche er sechsundzwanzig Jahre früher erfunden hatte, um den guten Ruf der Anna Hyde zu untergraben. Den römisch-katholischen Höflingen gegenüber pflegte er von der Unsicherheit ihrer Ämter, Titel und Einkünfte zu sprechen. Der König könne morgen sterben und sie seien dann einer feindlichen Regierung und einem feindlichen Pöbel preisgegeben; könnte man aber in Irland den alten Glauben zur Herrschaft bringen und in jenem Lande das protestantische Interesse vernichten, so hätten sie doch im schlimmsten Falle ein Asyl, wohin sie sich zurückziehen und von wo aus sie mit Vortheil entweder unterhandeln oder sich vertheidigen könnten. Ein papistischer Priester wurde durch das Versprechen der Mitra von Waterford gewonnen, um in St. James gegen die Ansiedelungsacte zu predigen, und seine Predigt war nicht ohne Wirkung, wenn sie auch von dem englischen Theile der Zuhörer mit Unwillen angehört würde. Der Kampf, den in Jakob’s Brust der Patriotismus eine Weile gegen die Bigotterie zu bestehen gehabt hatte, war vorüber. „In Irland ist ein Werk zu verrichten,“ sagte er, „dem kein Engländer gewachsen ist.“ 205
Alle Hindernisse waren endlich beseitigt und im Februar 1687 begann Tyrconnel mit der Macht und den Einkünften eines Lordlieutenants, aber VI.107 mit dem bescheideneren Titel eines Lordstellvertreters sein Geburtsland zu regieren.
204. Bischof Malony sagt in einem Briefe an Bischof Tyrrel: „Nie wird ein Katholik oder ein Engländer an Ihre Wiedereinsetzung denken oder einen Schritt dazu thun oder gestatten, daß der König einen Schritt dazu thut, sondern er wird Sie in Ihrer bisherigen Lage und unter dem Joche Ihrer Feinde lassen; ebensowenig wird ein Engländer, gleichviel ob Katholik oder nicht, welchem Stande und Range er auch angehören möchte, Anstand nehmen, dem geringsten eigenen Interesse in England ganz Irland aufzuopfern, und lieber ganz Irland von Engländern irgend welcher Religion , als von Irländern bewohnt sehen.“
205. Den besten Aufschluß über diese Vorgänge geben die Sheridan-Handschr.
Besorgnisse der englischen Ansiedler in Irland. Seine Ankunft verbreitete Schrecken unter der ganzen englischen Bevölkerung. Ein großer Theil der angesehensten Bewohner von Dublin, Gentlemen, Kaufleute und Gewerbtreibende, begleiteten Clarendon über den St. Georgskanal oder folgten ihm sehr bald nach. Es sollen binnen wenigen Tagen fünfzehnhundert Familien ausgewandert sein. Der Schrecken war auch nicht unbegründet. Das Werk, die Colonisten unter die Füße der Eingebornen zu werfen, wurde eifrig betrieben. In kurzer Zeit war fast jeder Geheimrath, Richter, Sheriff, Mayor, Alderman und Friedensrichter ein Celte und Katholik. Bald schien Alles zu einer allgemeinen Wahl und zur Zusammensetzung eines Unterhauses reif zu sein, das zur Aufhebung der Ansiedlungsacte geneigt war. 206 Die, welche kurz zuvor die Herren der Insel gewesen waren, klagten jetzt laut in ihrer Herzensangst, daß sie zur Beute und zum Gespött ihrer Leibeigenen und ihres Gesindes geworden wären, daß ungestraft Häuser angezündet und Vieh gestohlen würde, daß die neuen Soldaten plündernd, schimpfend, schändend und verstümmelnd im Lande umherstreiften und die Protestanten mit Betttüchern prellten oder bei den Haaren aufknüpften und durchpeitschten, daß man sich vergebens auf das Gesetz berufe, daß irische Richter, Sheriffs, Geschworne und Zeugen sich alle verbunden hätten, um die irischen Verbrecher zu schützen und daß selbst ohne eine Parlamentsacte der gesammte Grund und Boden bald in andere Hände übergehen werde, indem bei jeder unter Tyrconnel’s Verwaltung erhobenen Ausweisungsklage für die Eingebornen und gegen den Engländer entschieden worden sei. 207
Während Clarendon’s Aufenthalt in Dublin war das Geheimsiegel in den Händen einer Commission gewesen. Seine Freunde hofften, daß er es bei seiner Zurückkunft nach London wieder erhalten werde. Aber der König und die jesuitische Cabale hatten sich vorgenommen, daß die Ungnade der Hyde vollständig sein sollte. Lord Arundell von Wardour, ein Katholik, erhielt das Geheimsiegel, Bellasyse, auch ein Katholik, wurde erster Lord des Schatzes, und Dover, gleichfalls Katholik, erhielt einen Sitz im Schatzamt. Die Ernennung eines zu Grunde gerichteten Spielers zu einem solchen Posten würde allein schon hingereicht haben, um das Publikum aufzubringen. Der ausschweifende Etherege, welcher damals als englischer Gesandter in Regensburg lebte, konnte sich nicht enthalten, mit einem höhnischen Lächeln die Hoffnung auszusprechen, daß sein alter Zechbruder Dover das Geld des Königs fester halten werde als sein eignes. Damit die Finanzen durch unfähige und unerfahrene Papisten nicht zerrüttet werden möchten, wurde der dienstwillige, umsichtige und verschwiegene Godolphin zum Schatzcommissar ernannt, blieb aber nach wie vor Kammerherr der Königin. 208
206. Sheridan-Handschr.; Oldmixon’s Memoirs of Ireland ; King’s State of the Protestants of Ireland , chap. 3 ; Apology for the Protestants of Ireland, 1689.
207. Secret Consults of the Romish Party in Ireland , 1690.
208. London Gazette , Jan. 6. und March 14. 1686/87; Evelyn’s Diary , March 10. Etherege’s Brief an Dover befindet sich im Britischen Museum.
Eindruck des Sturzes der Hyde. Die Entlassung der beiden Brüder bildet eine wichtige Epoche in Jakob’s Regierung. Von diesem VI.108 Augenblicke an war es klar, daß er in Wirklichkeit nicht Gewissensfreiheit für seine eigenen Glaubensgenossen, sondern die Freiheit zur Verfolgung Andersgläubiger wollte. Während er vorgab, die Religionseide zu verabscheuen, hatte er selbst einen eingeführt. Er hatte gesagt, es sei hart, es sei abscheulich, fähige und loyale Männer blos deshalb, weil sie Katholiken seien, vom Staatsdienste auszuschließen, und jetzt verabschiedete er selbst einen Schatzmeister, dessen Befähigung und Loyalität er anerkannte, lediglich deshalb, weil er Protestant war. Man sprach laut davon, daß eine allgemeine Proscription bevorstehe, und daß jeder Staatsdiener sich werde darauf gefaßt machen müssen, entweder sein Seelenheil zu verwirken, oder seine Stelle zu verlieren. 209 Wer konnte in der That hoffen, da stehen zu bleiben, wo die Hyde gefallen waten? Sie waren die Schwäger des Königs, die Oheime und natürlichen Vormunde seiner Kinder, von früher Jugend auf seine Freunde, seine treuen Anhänger in Unglück und Gefahr und seine gehorsamen Diener, seit er auf dem Throne saß. Ihr einziges Verbrechen war ihre Religion und wegen dieses Verbrechens waren sie entlassen worden. Man sah sich in großer Angst nach Hülfe um und bald richteten sich Aller Blicke auf einen Mann, den eine seltene Vereinigung von persönlichen Eigenschaften und zufälligen Umständen zum Befreier bezeichnete.
209. „Pare che gli animi sono inaspriti della voce che corre per il popolo, d’esser cacciato il detto ministro per non essere Cattolico perciò tirarsi al esterminio de’ Protestanti.“ — Adda, 31. Dec. (10. Jan.) 1687.