Title : Der Tor und der Tod
Author : Hugo von Hofmannsthal
Release date
: March 31, 2010 [eBook #31850]
Most recently updated: January 6, 2021
Language : German
Credits
: Produced by Norbert H. Langkau, Jana Srna and the Online
Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net
Anmerkung zur Transkription:
Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen.
VON
HUGO VON HOFMANNSTHAL
IM INSEL-VERLAG ZU LEIPZIG
Der Tod | |||
Claudio, ein Edelmann | |||
Sein Kammerdiener | |||
Claudios Mutter | |||
Eine Geliebte des Claudio | Tote | ||
Ein Jugendfreund |
Claudios Haus – Kostüm der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
Studierzimmer des Claudio, im Empiregeschmack. Im Hintergrund links und rechts große Fenster, in der Mitte eine Glastüre auf den Balkon hinaus, von dem eine hängende Holztreppe in den Garten führt. Links eine weiße Flügeltür, rechts eine gleiche nach dem Schlafzimmer, mit einem grünen Samtvorhang geschlossen. Am Fenster links steht ein Schreibtisch, davor ein Lehnstuhl. An den Pfeilern Glaskasten mit Altertümern. An der Wand rechts eine gotische, dunkle, geschnitzte Truhe; darüber altertümliche Musikinstrumente. Ein fast schwarz gedunkeltes Bild eines italienischen Meisters. Der Grundton der Tapete licht, fast weiß; mit Stukkatur und Gold.
Claudio allein
Er sitzt am Fenster. Abendsonne.
Am Fenster stehend:
Aufschreckend:
Der Diener bringt eine Lampe, geht dann wieder.
Vor einem alten Bild:
Sich abwendend, vor einer Truhe:
Der Diener kommt und stellt einen Teller Kirschen auf den Tisch, dann will er die Balkontüre schließen.
Claudio
Diener
Halb für sich, mit Angst:
Claudio
Claudio
Diener
Claudio
Diener
Claudio
Diener
Diener
Claudio
Er geht eine Weile nachdenklich auf und nieder. Hinter der Szene erklingt das sehnsüchtige und ergreifende Spiel einer Geige, zuerst ferner, allmählich näher, endlich warm und voll, als wenn es aus dem Nebenzimmer dränge.
Er bleibt horchend gegen die rechte Seite gewandt.
Die Musik verstummt fast plötzlich.
Am Fenster rechts:
Wie er nach der Türe rechts geht, wird der Vorhang leise zurückgeschlagen, und in der Tür steht der Tod, den Fiedelbogen in der Hand, die Geige am Gürtel hängend. Er sieht Claudio, der entsetzt zurückfährt, ruhig an.
Sinkend:
Der Tod
Claudio
Kleine Pause.
Der Tod
Claudio
Der Tod
Claudio
Der Tod
Claudio
Da er die ungerührte Miene des Todes wahrnimmt, mit steigender Angst:
Er reißt eine Lade auf und entnimmt ihr Pakete geordneter alter Briefe:
Er wirft ihm die Pakete vor die Füße, daß die einzelnen Briefe herausfliegen.
Der Tod
Der Tod tut ein paar Geigenstriche, gleichsam rufend. Er steht an der Schlafzimmertüre, im Vordergrund rechts, Claudio an der Wand links, im Halbdunkel. Aus der Tür rechts tritt die Mutter. Sie ist nicht sehr alt. Sie trägt ein langes, schwarzes Samtkleid, eine schwarze Samthaube mit einer weißen Rüsche, die das Gesicht umrahmt. In den feinen blassen Fingern ein weißes Spitzentaschentuch. Sie tritt leise aus der Tür und geht lautlos im Zimmer umher.
Die Mutter
An der Truhe:
Sie geht durch die Mitteltüre ab.
Claudio
Der Tod
Claudio
Der Tod
Claudio
Der Tod, um seine Klagen unbekümmert, spielt die Melodie eines alten Volksliedes. Langsam tritt ein junges Mädchen ein; sie trägt ein einfaches, großgeblümtes Kleid, Kreuzbandschuhe, um den Hals ein Stückchen Schleier, bloßer Kopf.
Das junge Mädchen
Kleine Pause.
Sie geht ab; Claudio birgt sein Gesicht in den Händen. Unmittelbar nach ihrem Abgehen tritt ein Mann ein. Er hat beiläufig Claudios Alter. Er trägt einen unordentlichen, bestaubten Reiseanzug. In seiner linken Brust steckt mit herausragendem Holzgriff ein Messer. Er bleibt in der Mitte der Bühne, Claudio zugewendet, stehen.
Der Mann
Er geht ab.
Claudio
Sich langsam aufrichtend:
Er besinnt sich einen Augenblick.
Er sinkt tot zu den Füßen des Todes nieder.
Der Tod
indem er kopfschüttelnd langsam abgeht
Er verschwindet in der Mitteltür, seine Worte verklingen. Im Zimmer bleibt es still. Draußen sieht man durchs Fenster den Tod geigenspielend vorübergehen, hinter ihm die Mutter, auch das Mädchen, dicht bei ihnen eine Claudio gleichende Gestalt.
Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig