Title : Rembrandt
Author : H. Knackfuss
Release date : January 21, 2011 [eBook #35030]
Language : German
Credits : E-text prepared by Constanze Hofmann, Juliet Sutherland, Wolfgang Menges,
E-text prepared by
Constanze Hofmann, Juliet Sutherland, Wolfgang Menges,
and the Online Distributed Proofreading Team
(http://www.pgdp.net)
In Verbindung mit Andern herausgegeben
von
H. Knackfuß
Mit 159 Abbildungen
von Gemälden, Radierungen und Zeichnungen
Vierte Auflage
Bielefeld
und
Leipzig
Verlag von Velhagen & Klasing
1897
V on diesem Werke ist für Liebhaber und Freunde besonders luxuriös ausgestatteter Bücher außer der vorliegenden Ausgabe
eine numerierte Ausgabe
veranstaltet, von der nur 100 Exemplare auf Extra-Kunstdruckpapier hergestellt sind. Jedes Exemplar ist in der Presse sorgfältig numeriert (von 1–100) und in einen reichen Ganzlederband gebunden. Der Preis eines solchen Exemplars beträgt 20 M. Ein Nachdruck dieser Ausgabe, auf welche jede Buchhandlung Bestellungen annimmt, wird nicht veranstaltet.
Die Verlagshandlung.
Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.
Rembrandt.
D ie holländische Malerei kann man füglich als ein Erzeugnis der staatlichen Selbständigkeit Hollands bezeichnen. Solange die Niederlande ein Ganzes bildeten, war von einer besonderen holländischen Kunst gegenüber der tonangebenden flandrischen nicht die Rede. Die Verschiedenheit des Erfolges aber, mit dem die nördlichen und die südlichen Provinzen aus dem langen, blutigen Kriege gegen die spanische Herrschaft hervorgingen, hatte eine ausgesprochene Verschiedenheit der Kunstentwickelung hier und dort zur Folge, wenn auch die Stammverwandtschaft sich niemals ganz verleugnete und namentlich in der Wesenseigentümlichkeit die flandrische und die holländische Malerei übereinstimmten, daß in der Farbe mehr als in der Form das Mittel dichterischen Ausdrucks gesucht und gefunden wurde. Das Jahr 1609, in welchem der Abschluß eines zwölfjährigen Waffenstillstandes thatsächlich die Anerkennung der sieben vereinigten Provinzen als eines selbständigen Staates in sich trug, war gewissermaßen das Geburtsjahr der holländischen Malerei, die sich nunmehr in höherem Maße als jemals irgend eine andere Kunst des christlichen Zeitalters als eine nationale gestaltete. Ein lebendiges Kunstbedürfnis war in diesen Provinzen von alters her vorhanden, und der hohe Wohlstand, der nach dem Waffenstillstandsabschluß so unglaublich schnell aufblühte und der selbst während der Wiederaufnahme der erst 1648 endgültig zum Abschluß gelangenden Freiheitskämpfe fortwährend zunahm, brachte naturgemäß eine Steigerung dieses Bedürfnisses mit sich. Aber der junge protestantische Freistaat hatte mit allem gebrochen, was bisher der Malerei die höchsten Aufgaben geboten hatte. Hier waren jetzt nicht mehr die Kirchen mit prunkvollen Altargemälden auszustatten, die Fürstenpaläste nicht mit üppigen Göttergeschichten und Thaten antiker Helden zu schmücken; es handelte sich darum, die behagliche bürgerliche Häuslichkeit durch künstlerische Zierde würdig zu verschönern und für Rathäuser und Gildehäuser Werke zu liefern, die frei von jeder Überschwenglichkeit das Wesen nüchterner und stolzer Bürgerlichkeit wahrten. Worin die Aufgabe bestand, die das neue Volk seinen Künstlern stellte, faßt ein französischer Schriftsteller sehr zutreffend in das Wort zusammen: „es verlangte, daß man ihm sein Abbild liefere“. Das ist in der That der Inhalt der holländischen Malerei: das ehrliche, wahrheitsgetreue Abbild von Land und Leuten und Dingen, die Wiedergabe der schlichten Wirklichkeit, wie die Heimat und die Gegenwart sie zeigten und im Künstlerauge sich spiegeln ließen, mag nun Bildnis, 2 Genre, Landschaft, Tierstück oder Stillleben der Gegenstand des Gemäldes sein. Dieses ehrliche Abbilden der Wirklichkeit war ein großer Teil der Kunst des einen, der über zahlreiche ausgezeichnete Maler hoch emporragend als der größte holländische Maler dasteht; aber es war nicht seine ganze Kunst. Rembrandt wußte seine staunenswürdige Befähigung zu geistreich treffender Wiedergabe der Natur seinem eigenen freien Schaffensdrange dienstbar zu machen und fand in ihr das Mittel, den Gebilden seiner eigenwilligen und lebhaften, gelegentlich geradezu schwärmerischen Einbildungskraft eine Gestalt zu verleihen, die nicht nur seinem eigenen Wesen entsprach, sondern auch seine damaligen Landsleute unmittelbar ansprechen mußte. So offenbarte er sich, unterstützt durch eine großartige Vollkommenheit in der Beherrschung seines Handwerkszeuges, die ihn zu einem der allerbesten Maler und zum geistreichsten Radierer aller Zeiten machte, als einer der selbständigsten und eigengestaltigsten Künstler der Welt.
Rembrandts Elternhaus stand zu Leiden, am Weddesteeg in der Nähe des Weißen Thores (Wittepoort). Es war eine Mühle, Besitztum einer Familie, deren einer Zweig 3 vom Rhein, das heißt von dem Mündungsarm des Flusses, der allein diesen Namen behält und der in mehreren Kanälen die Stadt durchfließt, den Zunamen van Ryn führte. Als das fünfte von sechs Kindern der Eheleute Harmen (Hermann) Gerritszoon (Gerrits oder Gerhards Sohn) van Ryn und Neeltje (Cornelia) Willemsdochter wurde am 15. Juli 1606 oder 1607 – die Jahreszahl steht nicht ganz fest – der Knabe geboren, der in der Taufe den ungewöhnlichen Vornamen Rembrandt erhielt und der daher, nach der damals in Holland und auch anderwärts verbreiteten Sitte, den Vornamen des Vaters dem eigenen hinzuzufügen, Rembrandt Harmenszoon (oder abgekürzt Harmensz) van Ryn hieß.
Während Rembrandts drei ältere Brüder zu handwerklichen Berufsarten erzogen worden waren, wurde ihm eine gewähltere Ausbildung zu teil. Er ward in eine Lateinschule geschickt und sollte später die Universität seiner Vaterstadt besuchen, „um, wenn er das Alter erreicht hätte, durch seine Wissenschaft der Stadt und dem Staate nützen zu können.“ Aber seine ausgesprochene Neigung und Begabung zur Malerei führte frühzeitig den Übergang zu diesem Beruf herbei. Jakob van Swanenburgh, ein sonst kaum bekannter Leidener Maler, wurde zuerst sein Lehrer; nachdem er dessen Unterricht drei Jahre lang genossen, wurde Rembrandt nach Amsterdam zu Pieter Lastman geschickt, von dem er nur sechs Monate lang unterrichtet worden sein soll. Beide Maler hatten, wie man es zu ihrer Zeit für unbedingt erforderlich hielt, in Italien studiert, und ihre Kunst ward von dem Bemühen, die Italiener nachzuahmen, beherrscht; Lastman war in Rom ein Schüler des Frankfurters Adam Elshaimer gewesen, der seinen fein gemalten Bildchen durch starke Lichtwirkungen – Lampen-, Feuer- und Mondschein – einen besonderen Reiz zu verleihen strebte. So untergeordnet die Stellung ist, welche Rembrandts Lehrer in der Kunstgeschichte einnehmen, unzweifelhaft hat der gelehrige Schüler aus ihren Unterweisungen großen Nutzen gezogen; von Lastman wurde er vermutlich auch in der Kunst des Radierens unterrichtet. Nach Leiden zurückgekehrt, bildete er selbst sich weiter, und man darf annehmen, daß sein eigener Trieb ihn auf das eingehende Studium der Natur in einer Weise hinwies, wie seine Lehrer es wohl schwerlich gethan hatten.
Die ersten bezeichneten Gemälde des jungen Künstlers tragen die Jahreszahl 1627. Das eine derselben, „der Apostel Paulus im Gefängnis,“ befindet sich im Museum zu Stuttgart, das andere, „der Geldwechsler,“ im Museum zu Berlin. Beide Bilder besitzen keine hervorstechenden Reize; es sind glatt gemalte Jugendwerke, die den unbefangenen Beschauer recht kalt lassen; und dennoch kann man in ihnen schon diejenigen 4 Eigenschaften gleichsam keimen sehen, welche Rembrandt später so groß gemacht haben: der tiefe, gedankenvolle Blick des gefangenen Apostels kündigt den zukünftigen Meister des seelischen Ausdruckes an, das kleine Berliner Bild zieht den Beschauer durch die von einer verdeckten Kerze in der Hand des Wechslers ausgehende malerische Helldunkelwirkung an, obgleich diese Wirkung hier noch mehr an die Bilder des Gerhard Honthorst, als an Rembrandts spätere Meisterwerke erinnert. Zwei kleine Gemälde biblischen Inhalts aus dem Jahr 1628, beide mit R H (Rembrandt Harmensz) und daran gehängtem L (als Hinweis auf des Künstlers Vaterstadt Leiden) bezeichnet, sind durch die zu Berlin im Jahre 1883 zu Ehren der silbernen Hochzeit des damaligen Kronprinzenpaares veranstaltete Ausstellung von im Berliner Privatbesitz befindlichen Werken alter Meister weiteren Kreisen bekannt geworden. Das eine, im Besitz Seiner Majestät des Kaisers, stellt Simsons Verrat durch Delila vor, das andere, im Besitz von Herrn Otto Pein, den Apostel Petrus zwischen den Knechten des Hohenpriesters; das letztere ist ein durch Feuer- und Kerzenlicht wirkungsvoll gemachtes Nachtstück. Noch auf einige andere Bilder ist in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit gelenkt worden, in denen man Erstlingsarbeiten des jungen Rembrandt erblicken zu dürfen glaubt, namentlich auf einige malerisch beleuchtete Studienköpfe (in Kassel, Gotha und an anderen Orten), die man für Selbstbildnisse des Künstlers hält. Rembrandt hat nämlich während seines ganzen Lebens sich selbst mit Vorliebe zu einem Gegenstand seines Studiums gemacht; mochte er eine Beleuchtung des menschlichen Antlitzes, einen Ausdruck, eine kleidsame Tracht studieren wollen, so fand er in seiner eigenen Person ein stets bereites und williges Modell, das zugleich wegen seiner kräftigen, offenen und ansprechenden Züge und seiner gesunden Farbe ein sehr dankbarer Gegenstand der Darstellung war. Daher die außerordentlich große Anzahl der gemalten und der in Kupfer geätzten Selbstbildnisse, die Rembrandt hinterlassen hat.
Das erste mit einer Jahreszahl bezeichnete Werk der Radiernadel Rembrandts, von 1628, macht uns mit der ehrwürdigen Erscheinung seiner Mutter bekannt. Dieses köstliche kleine Brustbild, so sprechend lebenswahr, so geistreich und zugleich so liebevoll hingezeichnet, ist ein vollendetes Meisterwerk, in der Ausführung ebenso unübertrefflich wie in der Auffassung ( Abb. 2 ). Außer in diesem Brustbildchen hat Rembrandt in den ersten Jahren seines Schaffens für die Öffentlichkeit noch mehrmals die eigentümliche Schönheit seiner betagten Mutter in Radierungen festgehalten. Darunter zeichnet sich 5 besonders eines aus (zubenannt „mit dem schwarzen Schleier“), welches die alte Dame von der Seite, vor einem Tische sitzend, zeigt; man kann nur staunen, wenn man sieht, wie lebensvoll hier wieder, bei weiter durchgebildeter malerischer Ausführung, das von zahllosen Runzeln durchfurchte, ausdrucksvolle Gesicht gezeichnet ist, wie wunderbar die verschrumpfte Haut der alten Hände mit den hervortretenden Adern wiedergegeben, wie meisterhaft die Stoffe behandelt sind ( Abb. 3 ).
Die Art und Weise kennen zu lernen, wie die Seele des Menschen sich in seinem Antlitz spiegelt und wie das Spiel der Gesichtsmuskeln zum Ausdruck der Empfindungen wird, war für Rembrandt von Anfang an ein Gegenstand der eifrigsten Beobachtung. Um das eingehend studieren zu können, setzte er sich mit der Kupferplatte vor den Spiegel und machte sich selbst irgend einen bestimmten Ausdruck vor, den er dann mit der Radiernadel festhielt. So hat er sich lachend gezeichnet, mit verdrießlichem Gesicht, mit verschlossener, finsterer Miene und mit dem Ausdruck starren Entsetzens ( Abb. 4 ); aber auch in der Ruhe seines natürlichen Ausdruckes hat er das von den Sorgen des Lebens noch nicht belastete, jugendheitere Antlitz mit dem ersten sprossenden Barte der Nachwelt durch die Kupferplatte überliefert ( Abb. 1 ). Personen aus seiner Umgebung, die wohl nicht daran dachten, ein Kupferstichbildnis ihrer Person zu bestellen, die aber dem jungen Künstler gutwillig ein paar Stunden still hielten, waren weitere Gegenstände der Übung von Auge und Hand ( Abb. 5 und 6 ).
Eine ganze Anzahl von Radierungen legt ferner Zeugnis davon ab, wie Rembrandt sich mit großem Fleiße übte, zufällig Gesehenes mit der denkbar größten Schnelligkeit in wenigen treffenden Strichen festzuhalten oder auch aus dem Gedächtnis wiederzugeben. Ganz besonders reizten ihn Erscheinungen aus den niedersten Volksschichten, die ihren Charakter am unverhülltesten zur Schau trugen und deren zerlumpte Kleidung ebenso wie ihre Häßlichkeit ihm eine eigentümliche Anregung 6 boten, eben weil sie sich so charakteristisch darstellen ließen. Es war der natürliche Widerwille gegen die kalt und leer und dadurch abstoßend gewordene äußerliche Schönheitssucherei der den Italienern nachtretenden Kunst, der sich in dieser Weise – bei Rembrandt nicht zuerst, aber bei ihm vielleicht am kräftigsten – äußerte. Da fielen ihm die verschmitzten Augen eines alten Bettlers mit lächerlich hoher Mütze auf oder ein auf der Straße in langatmigem Gespräch sich unterhaltendes Bettlerpaar und ähnliche lumpige Gestalten, und er bannte sie auf die Kupferplatte; oder es reizte ihn, die Erscheinung eines Bauern festzuhalten, der seine Verschlagenheit hinter einer unglaublich dummen Miene verbirgt ( Abb. 7 , 8 , 9 , 12 , 13 ). – Aber auch zur Niederschrift von Kompositionen, in denen der jugendliche Schaffensdrang sich Luft machte, wurde die Radiernadel benutzt ( Abb. 16 ).
Es fehlte dem jungen Maler nicht an Bestellungen. Aus dem Jahre 1630 ist schon das Bildnis eines augenscheinlich den besten Ständen angehörigen, in schwarzen Sammet gekleideten und mit doppelter goldener Kette geschmückten alten Herrn vorhanden. Dieses in der Gemäldegalerie zu Kassel befindliche Bild legt zugleich in seiner leichten und freien Behandlung Zeugnis ab von Rembrandts schneller Vervollkommnung in der Ölmalerei. Mehrere um die nämliche Zeit gemalte Studienköpfe, die in verschiedenen Sammlungen aufbewahrt werden, erzählen 8 von dem Fleiß und der Gewissenhaftigkeit seiner Übungen und fordern durch die geistreiche Weise der Anpassung und der Ausführung unsere höchste Bewunderung heraus ( Abb. 11 ).
Im Jahre 1631 verließ Rembrandt seine Vaterstadt Leiden, in die er nur zu kurzen Besuchen zeitweilig zurückkehrte, und siedelte nach Amsterdam, der stolzen und reichen Hauptstadt der vereinigten Provinzen, über, wo für seine Thätigkeit das denkbar fruchtbarste Feld bereit sein mußte. In der That gelangte der Vierundzwanzigjährige hier schnell zu großem Rufe, und es sammelte sich bald eine Schar von Schülern um ihn; es wird erzählt, er habe diese in gesonderten Zellen arbeiten lassen, zu dem Zwecke, daß das Individuelle ihrer Begabung besser gewahrt bleibe und ihre Kunst vor schulmäßiger Gleichförmigkeit behütet werde.
In Amsterdam fand Rembrandts Neigung, dem an und für sich Häßlichen künstlerischen Reiz abzugewinnen, reiche Nahrung. Vor allem zog ihn das Judenviertel mit seinen malerischen Erscheinungen an. Hier waren für Geld die interessantesten Modelle zu haben, und mit wahrer Lust verewigte Rembrandt die jüdischen Charakterköpfe; die an und für sich schon auffallende Tracht der Amsterdamer Juden bereicherte er dabei gern in phantastischer Weise durch bunte Stoffe und mancherlei Schmuckstücke aus dem Vorrat seiner Werkstatt ( Abb. 10 ). Rembrandts Werkstatt gestaltete sich nämlich allmählich zu einer förmlichen Sammlung von malerischen Kostbarkeiten und fremdartigen Kleidungsstücken; zu deren Anschaffung gab es wohl nirgends bessere Gelegenheiten als in Amsterdam, wo Kaufleute von allen Enden der Welt zusammenströmten und wo die Trödlerläden des Judenviertels, das Rembrandt so gern durchstreifte, solcher Liebhaberei gar einladend entgegenkamen. Übrigens suchte Rembrandt die jüdischen Modelle nicht bloß um ihres persönlichen malerischen und charakteristischen Äußeren willen als dankbare Vorwürfe für Radierungen und Studienbilder auf. Er erblickte in ihnen auch die Vertreter des auserwählten Volkes, und es war eine Art geschichtlicher Gewissenhaftigkeit, wenn er sie als die einzig echten Modelle für biblische Kompositionen ansah, – und Gewissenhaftigkeit war ja der eigentliche Grundzug der 12 holländischen Kunst. Die ehrwürdigen Erscheinungen der alten Patriarchen wurden vor ihm lebendig, und er versuchte, wenn auch fürs erste noch nicht in Gemälden, so doch in Zeichnungen, die er nur für sich selber machte, Vorgänge aus deren Leben in einer unmittelbar der Wirklichkeit abgelauscht scheinenden Weise zu verbildlichen. Ein Beispiel gibt uns die anscheinend in dieser frühen Zeit entstandene Federzeichnung in der Albertina zu Wien, welche den Vater Jakob zeigt, wie er seinen Benjamin zärtlich zwischen den Knieen hält, während Juda vor ihn hintritt und spricht: „Laß den Knaben mit mir ziehen; ich will Bürge für ihn sein, von meinen Händen sollst du ihn fordern“ ( Abb. 17 ).
Das erste bedeutendere biblische Gemälde, welches Rembrandt ausführte – die Probe eines gewaltigen Fortschritts gegen jene frühen Leidener Versuche –, war eine „Darstellung im Tempel;“ dasselbe befindet sich in der königlichen Gemäldesammlung im Haag und ist mit der Jahreszahl 1631 bezeichnet. Den nämlichen Gegenstand behandelte die erste datierte figürliche Komposition unter Rembrandts Radierungen. Vielleicht war das eine Vorübung für das Gemälde. Das zart ausgeführte Blättchen, von 1630, fesselt durch die Tiefe und Mannigfaltigkeit des Ausdrucks in den kleinen Figuren; es führt den Beinamen, „mit dem Engel,“ weil über der Gestalt der Prophetin Hanna ein Engel herabschwebt, welcher der Greisin in dem Knäblein den Erlöser zeigt. Auch in einer späteren, größeren Radierung desselben Inhaltes – denn Rembrandt liebte es, sich in einen Gegenstand, den er einmal erfaßt hatte, immer von neuem zu vertiefen – erscheint die greise Seherin, eine hohe, feierliche Gestalt, im Mittelpunkt der Komposition als deren eigentliche Hauptfigur; von oben senkt sich eine dunkle Wolke in die dämmerigen Wölbungen des Tempels herab, von der Seite bricht ein Lichtstrahl herein, und wo sich beide berühren, schwebt über dem Haupte Hannas die Taube des heiligen Geistes. Dieses Blatt ist unvollendet geblieben, zum Teil nur in leichten Umrissen angelegt; aber auch so macht es einen mächtigen Eindruck durch die hohe Poesie der Lichtwirkung; ein unübertreffliches Meisterwerk ist für sich allein schon der Kopf des alten Simeon. In dem Gemälde von 1631 ist, nach der zumeist üblichen Auffassungsweise, Simeon 13 der Hauptträger der Handlung. Das Bild, in kleinem Maßstab mit der größten Sorgfalt ausgeführt, offenbart den Maler als den unvergleichlichen Meister des Helldunkels, der im Durchbrechen geschlossener Schattenmassen durch strahlende Lichtwellen das Mittel findet, seine dichterischen Empfindungen ergreifend zum Ausdruck zu bringen. Während die phantastischen Formen des Tempelbaues im Dunkel verschwimmen, sammelt das Licht sich auf der Hauptgruppe; es überflutet mit vollem Glanze das Jesuskind, das ehrwürdige Haupt Simeons und die zum Segen erhobene Hand des Oberpriesters und gleitet, schon etwas abgeschwächt, über die knieende Gestalt Marias und die Gestalten ihrer Umgebung, um sich nach und nach wieder im Dunkel zu verlieren. Der Vorgang selbst ist ganz realistisch aufgefaßt, überirdische Erscheinungen sind nicht dabei angebracht. Mit der Radierung von 1630 stimmt das Gemälde darin überein, daß man im Hintergrunde eine große Treppe sieht, auf der sich viele Gestalten im Halbdunkel bewegen.
Dieses Bild eröffnet die stattliche Reihe der gemalten Meisterwerke Rembrandts. Der hervorstechendste Zug im Wesen Rembrandts war eine unverwüstliche Arbeitslust; sein ganzes Leben hindurch, in guten und in bösen Tagen, hat er mit unermüdlichem Fleiß gearbeitet. So ist es möglich geworden, daß er weit über dreihundert Gemälde hinterlassen hat, abgesehen von solchen, deren Echtheit fraglich ist, und von einigen zu Grunde gegangenen. Dazu kommt eine gleich große Anzahl (353) eigenhändiger Radierungen. Da er seine Arbeiten gern mit der Jahreszahl bezeichnete, so läßt sich bis gegen das Ende seines Lebens seine Thätigkeit fast Schritt für Schritt verfolgen.
Das Jahr 1631 sah außer der „Darstellung im Tempel“ noch ein anderes aus dem Evangelium geschöpftes Gemälde entstehen: die „Heilige Familie“ der Münchener Pinakothek. Es ist ein schönes, gemütvolles Bild. Das auf dem Schoß der Mutter liegende Kind hat eben die Brust losgelassen und ist eingeschlafen; es wird von Maria 18 mit dem stillen Lächeln der Mutterlust betrachtet; neben Maria steht die Wiege mit weißem Leinen; Joseph beugt sich mit gedankenvoll betrachtendem Blick herüber ( Abb. 14 ).
Zu den ersten der in Amsterdam gemalten Bildnisse gehört ein stolz und kühn blickender Mann mit großem Schnurrbart (in der Sammlung der Ermitage zu Petersburg). Er trägt einen mit reicher Goldkette geschmückten pelzbesetzten Mantel, eine ebenso geschmückte Pelzmütze, hat Perlengehänge in den Ohren und hält einen Stock mit verziertem goldenen Knopf. Es ist anscheinend ein polnischer Edelmann, den sein Weg einmal in den damaligen Mittelpunkt des Weltverkehrs, nach Amsterdam, führte ( Abb. 15 ).
Unter den Radierungen Rembrandts vom Jahre 1631 befindet sich eine, welche durch ihren Gegenstand auffällt. Es ist eine Diana im Bade. Bei diesem Titel denken wir unwillkürlich an eine klassische Schönheit oder doch mindestens an eine Erscheinung von straffer Jugendlichkeit. Rembrandt aber hat seine „Diana“ nach einem grundhäßlichen, abgeblühten Modell mit abschreckender Naturtreue gezeichnet. Es fehlte ihm aller und jeder Sinn für das, was wir im Sinne der griechischen Kunst schön nennen. Wenn man unter „Renaissance“ den engeren Begriff der Veredelung der Kunst durch die Kenntnis antiker Schönheit versteht, so ist für Rembrandt die Renaissance gar nicht dagewesen; zu einem Freunde sagte er einmal, auf seine Sammlung alter Stoffe, Waffen und Geräte zeigend: „Das sind meine Antiken.“ Rembrandts mythologische Kompositionen berühren uns denn auch mindestens sehr fremdartig. Er hat deren freilich nicht viele geschaffen. 19 Die damalige internationale Kunst und somit auch die Schule, aus der Rembrandt hervorgegangen war, wurde ja von einer Vorliebe für Darstellungen aus der antiken Götterwelt beherrscht. Aber dem Wesen Rembrandts lagen derartige Stoffe sehr fern, auch ist seine Kenntnis von diesen Dingen schwerlich groß gewesen; sein Buch war die Bibel, und es scheint nicht, daß er überhaupt viel anderes als dieses Buch gelesen hat. Übrigens hatten ebenso wie er selbst seine Landsleute nicht mehr viel Geschmack für die Mythologie; dem nüchternen Sinn und der protestantischen Strenggläubigkeit der Holländer konnte die Verbildlichung heidnischer Götterfabeln nicht zusagen.
Vielleicht das Hübscheste, was Rembrandt an mythologischen Darstellungen geschaffen hat, ist ein in der Liechtensteingalerie zu Wien befindliches Gemälde: „Diana und Endymion.“ In der Flut des Mondlichts schwebend hat die keusche Göttin sich auf die Erde herabgesenkt; wie mondbeglänzte Wolkengebilde schimmern Schwäne, die sie getragen, im Dunkel der Luft. Mit dem Jagdspeer in der Hand, groß und stolz, tritt sie dem blöden Burschen entgegen, der ihr Wohlgefallen erregt hat. Das Licht, das von ihr ausstrahlt, fällt ihm ins Gesicht, da er, aus seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Schlafen, aufgestört, sich nach ihr umblickt, während seine derben Hunde scheu die Hunde der himmlischen Jägerin anknurren ( Abb. 18 ).
Das Gesicht der Göttin zeigt hier eine unverkennbare Ähnlichkeit mit einem rotblonden Mädchen, das Rembrandt in den 20 Jahren 1632 und 1633 wiederholt gemalt hat. Man hält dieses Mädchen mit Grund für eine von seinen Schwestern, die vielleicht mit ihm nach Amsterdam übergesiedelt war ( Abb. 19 ).
Im Jahre 1632 wagte Rembrandt sich an einen figurenreichen mythologischen Gegenstand: es ist der im Berliner Museum befindliche „Raub der Proserpina.“ Das merkwürdige Bild enthüllt in Farbe, Wirkung, Empfindung und Ausdruck in der bezeichnendsten Weise Rembrandts künstlerische Vorzüge und Besonderheiten. Es ist wie alle Gemälde dieser seiner frühen Zeit sehr fein und sorgfältig gemalt. Die Kräuter des Vordergrundes, bei denen man die einzelnen Äderchen der Blätter sieht, sind staunenswürdig, und ebenso genau bis ins einzelste sind die etwa zollgroßen Köpfchen und die reichen Stoffe ausgeführt. Bei dieser fast peinlichen Vortragsweise ist das Bild indessen von wahrhaft gewaltigem Leben erfüllt. Die schwarzen Rosse des Hades sausen wie eine flüchtige Erscheinung in den dampfenden Abgrund hinein; schwarzer Wolkendampf liegt unter dem Himmelsblau festgeballt über dem Eingang der Schlucht. Proserpina kratzt und schlägt ihren Entführer ins Gesicht; entsetzt versuchen ihre Gespielinnen ihr Gewand festzuhalten, um sie von dem goldenen Wagen herabzuziehen, dessen Schnelligkeit doch ihr rasendes Nacheilen vereitelt.
In dem nämlichen Jahre 1632 malte Rembrandt ein größeres Gemälde, welches Mit- und Nachwelt zur höchsten Bewunderung hingerissen hat: „die Anatomiestunde.“ Nachdem das Sezieren menschlicher Leichen zu Unterrichtszwecken im Jahre 1555 gesetzlich gestattet worden war, wurde es in mehreren Städten Hollands gebräuchlich, regelmäßige öffentliche Vorträge über Anatomie stattfinden zu lassen. Diese Vorträge wurden in eigens dazu bestimmten Sälen gehalten, welche in entsprechender, für unsere Anschauungen bisweilen recht seltsamer Weise ausgestattet waren; ein solches „ Theatrum anatomicum “ zeigte z. B. auf der Brüstung, welche den Zuhörerraum abschloß, eine aus Gerippen gebildete Darstellung des Sündenfalles. Regelmäßig gehörten zur Ausstattung dieser Säle die Bildnisse der Wundärzte, welche in der betreffenden Stadt zu Ansehen gekommen waren; wie im allgemeinen in Holland eine besondere Art der Bildnismalerei, das Genossenschaftsbild, beliebt war, so ließen auch die Chirurgen gern ihre Bildnisse in einem gemeinschaftlichen Bilde vereinigen, dessen Mittelpunkt der an der Leiche oder am Gerippe erklärende Professor bildete. Eine Aufgabe solcher Art war es, die Rembrandt als einem nun schon zu gutem Namen gelangten Bildnismaler gestellt wurde durch den Auftrag, das Porträt des Anatomieprofessors Nikolaas Tulp im Verein mit den sieben Vorstehern der Amsterdamer Chirurgengilde zu malen. Rembrandt hat es mit hoher Meisterschaft verstanden, aus der Nebeneinanderstellung einer Anzahl von Bildnissen ein einheitliches, in sich abgerundetes und schon an und für sich als Komposition den Beschauer fesselndes Kunstwerk, ein Bild im besten Sinne des Wortes 23 zu schaffen. Auf einem Tische liegt, verkürzt von unten gesehen, die Leiche; sie ist in ihrer oberen Hälfte hell beleuchtet und bildet so als große Lichtmasse ein Gegengewicht gegen die vereinzelt auf den dunklen Kleidern und dem dunklen Hintergrunde hervorleuchtenden Gesichter mit den weißen Halskrausen. Tulp, der den Hut auf dem Kopfe hat, während seine Zuhörer ihn barhäuptig umgeben, hat an der Leiche den linken Vorderarm der Haut entkleidet und erklärt dessen Muskulatur; er hebt gerade einen der Beugemuskeln der Finger heraus, und indem er die Finger der eigenen linken Hand beugt, veranschaulicht er die Thätigkeit, welche diesem Muskel im Leben zukommt. Wir fühlen, wie der Anatom fast unabsichtlich die Muskeln, über die er spricht, bei sich selbst in Wirkung setzt, und bewundern Rembrandts feine und scharfe Beobachtung. Die Vorsteher der Chirurgengilde, teils sitzend, teils sich herandrängend, folgen mit verschiedenartig abgestufter Aufmerksamkeit dem Vortrage des Professors ( Abb. 20 ). Der Kopf des letzteren ist ein Meisterwerk der Bildniskunst ( Abb. 23 ). Wenn sich auch nicht das Gleiche von den sämtlichen Köpfen der Hörer sagen läßt, so finden sich doch auch unter diesen einige ganz vortreffliche und alle sind sie von innerem Leben erfüllt ( Abb. 21 und 22 ). Das Gemälde befand sich lange an seiner ursprünglichen Stelle, in der „Snykamer“ (Schneidezimmer) zu Amsterdam; 1828 kaufte König Wilhelm I dasselbe der Chirurgengilde für 32 000 Gulden ab, um es der Gemäldesammlung im Haag einzuverleiben.
Jedenfalls trug das Anatomiebild viel dazu bei, Rembrandts Ruf als Bildnismaler zu erhöhen; aus dem Jahre 1632 sind mehr als zehn auf Bestellung von ihm gemalte Einzelbildnisse nachgewiesen, unter denen vielleicht das in der Kasseler Gemäldegalerie befindliche meisterhaft gemalte, lebensvolle Bild eines Mannes, der sich 24 die Feder schneidet, angeblich des Amsterdamer Schreibmeisters Coppenol, das vorzüglichste ist ( Abb. 24 ).
Dabei ließ Rembrandt die Radiernadel niemals ruhen. Er setzte seine Studien nach dem Leben unermüdlich fort, und neben Gestalten aus dem Volke hielt er gelegentlich eine fremdartige ausländische Erscheinung fest, wie jenen seltsam gekleideten Mann, der den Kupferstichsammlern unter dem Namen „der Perser“ bekannt ist ( Abb. 25 ). Manches, was er in den Straßen der Stadt und auf ländlichen Spaziergängen sah, gestaltete er zu seinen Genrebildchen, denen er durch hochkünstlerische Ausführung einen unvergänglichen Reiz verlieh. Ein köstliches Beispiel ist der „Rattengifthändler.“ Es ist ein schauderhafter Kerl, den wir da in einer Dorfstraße von Haus zu Haus ziehen sehen, einen Säbel an der Seite und eine Stange mit einem Korb in der Hand, von dem tote Ratten herabbaumeln, während auf seinem Rande eine lebende Ratte herumklettert und ein anderes dieser Tiere auf der Schulter des Mannes sitzt, um von dessen Macht über ihresgleichen sichtbares Zeugnis abzulegen; fast noch schauderhafter als der Rattenfänger ist sein Begleiter, der Knabe mit der Giftschachtel, ein Urbild körperlicher und geistiger Verkommenheit; wir begreifen die Gebärde des Ekels, mit welcher der alte Jude, der da auf den unteren Flügel seiner Hausthür gelehnt ins Freie schaut, die Hand zurückweist, die ihm den Rattentod anbietet ( Abb. 26 ). Ein Beispiel anderer Art ist die rührende Gestalt des von seinem Hündchen geführten blinden Geigenspielers ( Abb. 27 ). In allen seinen Darstellungen entfaltet Rembrandt neben der Gabe, die Persönlichkeiten, so wie er sie gesehen oder sich gedacht hat, aufs treffendste zu charakterisieren, die noch unvergleichlichere 26 Gabe, den Beschauer in den Gesichtern lesen zu lassen, was die Persönlichkeiten in dem gegebenen Augenblick denken, und ebenso wie die stärksten Empfindungen die feinsten Regungen der Seele zum Ausdruck zu bringen. Er thut nichts dazu, eine Darstellung launig oder ernst wirken zu lassen; er gibt nur immer die Sache selbst, und durch die Unmittelbarkeit, mit welcher das scharf und richtig Geschaute – im Geist oder in der Wirklichkeit Geschaute – wiedergegeben wird, wirkt ganz von selbst, wie im Leben, so in der Verbildlichung das Komische komisch und das Ernste ernst. Diese Tiefe der Auffassung verleiht auch Rembrandts religiösen Darstellungen einen so hohen Wert, wenn uns auch deren äußere Form, weil uns ungewohnt, fremdartig vorkommen mag. Niemals wohl sind die Empfindungen eines Mannes, der in heißem Gebet um Erleuchtung fleht, mit größerer Tiefe und in schlichterer Klarheit zum Ausdruck gebracht worden, 27 als in dem Blatt von 1632: „der heilige Hieronymus“ ( Abb. 28 ). Zugleich läßt dieses Blatt, das mit leichter und schneller Hand ausgeführt ist, Rembrandts große Begabung für das Landschaftliche erkennen. – Im Besitz einer unübertrefflichen Fertigkeit in der Handhabung der Radiernadel begnügte sich Rembrandt nicht mehr damit, Studien und Kompositionen in kleinerem Maßstabe, mehr für sich selbst als für andere, in Kupfer zu ätzen. Er trat mit großen, sorgfältig ausgeführten und in Wirkung gebrachten Radierungen biblischen Inhaltes an die Öffentlichkeit. An der Spitze dieser Blätter steht die „Auferweckung des Lazarus,“ die zum Unterschied von einem späteren, kleineren Blatte desselben Inhalts „die große“ genannt wird. Es ist eine Äußerung stärkster und kühnster Phantasie, seltsam beim ersten Anblick, aber unmittelbar ergreifend durch die malerische Wirkung von hell und dunkel und wie mit Zaubermacht fesselnd bei näherer Betrachtung. Wir befinden uns in einer phantastischen Räumlichkeit; der Gruftbau ist mit Vorhängen ausgestattet und an den Wänden mit den Waffen des Verstorbenen geschmückt; von dem eigentlichen Grabe ist die Erde beiseite geschaufelt und so das enge Steinbett bloßgelegt worden; die Vorhänge des Eingangs sind zurückgezogen, so daß ein volles Licht von draußen her in das Dunkel des Todes hineinflutet. Über ein herangelegtes Brett ist der Heiland an den Rand des Grabes getreten, und in erhabener Ruhe, nur mit einer machtvollen Gebärde der Hand, ruft er den Toten empor, der sich langsam, wie von schwerem Traum befangen, aufzurichten beginnt. Dem Wiedererweckten stürzen die Schwestern entgegen, noch etwas zagend die eine, mit freudig ausgebreiteten Armen die andere. Staunend sehen die übrigen Anwesenden den unglaublichen Vorgang; überzeugender sind niemals von einem Künstler die mannigfaltigen Äußerungsformen des höchsten Staunens über das Unbegreifliche geschildert worden ( Abb. 29 ). Unter den Radierungen Rembrandts ist dieses Blatt zu allen Zeiten eins der gesuchtesten gewesen. Beachtenswert ist die Gewandung des Christus; strenger – um 28 nicht mit einem viel mißbrauchten Ausdruck zu sagen stilvoller – gezeichnet, als es sonst bei Rembrandt vorkommt, verrät sie noch die Nachwirkungen der italienischen Schule, in der sich Rembrandts Lehrer gebildet hatten.
Während hier, bei der Verbildlichung eines Wunders, Rembrandt sich ganz dem freien Fluge seiner Dichterkraft hingab, versuchte er in anderen Fällen, biblische Erzählungen durch die äußerste Natürlichkeit der Darstellung so recht glaubhaft zu veranschaulichen und sich und dem Beschauer menschlich nahe zu legen. Ein Beispiel ist die gleichfalls in ziemlich großem Maßstabe ausgeführte Radierung von 1633: „der barmherzige Samariter.“ Dieses Blatt gehört nicht zu den glücklichsten Schöpfungen Rembrandts: namentlich stört uns das sehr hölzern ausgefallene Pferd, von dem der Verwundete herabgehoben wird. Aber die Absicht, das Erzeugnis seiner Einbildungskraft so zu gestalten, als ob er etwas in der Wirklichkeit Gesehenes wiedergäbe, ist dem Meister vortrefflich gelungen; in diesem Sinne ist selbst der häßliche Hund im Vordergrunde nicht ohne Bedeutung; er trägt mit dazu bei, den Anschein zu erwecken, als ob das Ganze sozusagen ein Augenblicksbild nach dem Leben wäre ( Abb. 30 ). Wie Rembrandt, auch von dem allerleisesten Anflug von äußerlichem Idealismus frei, sich die heiligen Gestalten so vorstellte, wie er in der ihn umgebenden Wirklichkeit die Armen und Bedürftigen sah, das zeigt uns recht sprechend die feine kleine Radierung aus demselben Jahre: „die Flucht nach Ägypten.“ Unedler in der äußeren Erscheinung läßt sich der Nährvater Joseph 29 füglich nicht denken. Aber Rembrandt wirkt nicht durch körperliche, sondern durch sittliche Schönheit. Könnte wohl eine edlere Gestalt so tiefes, warmes Gefühl durchblicken lassen, wie dieser ärmliche Handwerker, der in banger Sorge sein Liebstes in Sicherheit zu bringen sucht, der mit pochendem Herzen und bebenden Knieen das Reittier an seiner Hand mit immer beschleunigteren Schritten über die unwegsamen Waldpfade leitet? Wie streitet in dem flüchtig gezeichneten Gesicht der Maria, die, in einen großen Mantel eingewickelt, das sorglich eingehüllte Kind vorsichtig in den Armen haltend, auf dem mit spärlichem Gepäck belasteten Esel sitzt, die Furcht mit dem Vertrauen auf den Führer! Ein Kleinod reizvoller Erfindung ist dabei die Landschaft; man fühlt, daß das Tageslicht, welches den Wanderern lange Schatten voranwirft, dem Erlöschen nahe ist und daß bald die Schrecken der Finsternis die Flüchtigen umgeben werden ( Abb. 31 ). In mehreren anderen Blättern, welche die Flucht nach Ägypten, einen von Rembrandt oft bearbeiteten Gegenstand, behandeln, versetzt der Künstler uns in diese Nacht. Da sehen wir, wie Joseph mit dem spärlichen Scheine einer flackernden Laterne den unebenen Pfad zu erhellen sucht, und ein anderes Mal, wie die Flüchtlinge, an der Grenze ihrer Kräfte angekommen, unter einem Baume ausruhen; an einem Aste ist die Laterne aufgehängt und bescheint mit unsicherem Lichte die dichtbelaubten Zweige und die todmüden Wanderer.
Ein radiertes Selbstbildnis brachte Rembrandt im Jahre 1633 in Gestalt einer Beleuchtungsstudie. Wir sehen ihn bei scharf auf seinen Rücken einfallendem Lichte mit ganz beschattetem Gesicht, aus dem nur die Augen blitzend hervorleuchten; die vom Licht gestreiften Locken hängen lang und wirr auf die Schultern herab ( Abb. 32 ). Man liest auf den meisten Abdrücken dieser Radierung, die nach dem Halstuch, das der Künstler hier umgeschlungen hat, benannt zu werden pflegt, anscheinend ganz deutlich die Jahreszahl 1653; aber die scheinbare Ziffer 5 ist eine 3, die ihren auf den ersten Abdrücken klar ausgeprägten obersten Strich durch die Abnutzung der Platte verloren hat.
Jetzt bekam Rembrandt auch Bestellungen 30 auf Radierungen. Ein Amsterdamer Buchhändler beauftragte ihn mit der Anfertigung des Titelkupfers für ein Werk, das im folgenden Jahre (1634) herausgegeben wurde: „De Zeevaerts Lof“ (Lob der Seefahrt), und Rembrandt führte für diesen Zweck das Bild aus, das unter dem Titel „das widrige Geschick“ bekannt ist. In einer Barke, die mit fröhlichen Menschen – genießenden und thätigen – angefüllt ist, steht Fortuna und hält Mast und Segel des Schiffes; sie wendet dem Beschauer den Rücken, und so auch einem lorbeerbekränzten Reiter, dessen Roß gestürzt ist und der jammernd dem davonsegelnden Schiffe nachblickt; hinter ihm sieht man eine große Herme des Janus mit dem Doppelantlitz, das vorwärts und rückwärts schaut, und in größerer Entfernung einen Tempel, auf dessen Treppe viel Volk sich drängt. Die Darstellung bezieht sich, wie der Begleittext erläutert, auf die Schlacht bei Actium, und der gestürzte Held ist Antonius ( Abb. 33 ). – Angesehene Persönlichkeiten, deren Bild zu besitzen der Wunsch größerer Kreise war, ließen gern ihr Bildnis in Kupferstich herstellen, wie dies schon im Anfang des XVI. Jahrhunderts aufgekommen war; oder wenn sie selbst es nicht thaten, so veranlaßten wohl ihre Freunde die Anfertigung eines solchen Bildes. Daß einem Porträtmaler wie Rembrandt, der die Radiernadel so gewandt handhabte, derartige Aufträge in Fülle zugingen, versteht sich von selbst. Den Anfang machte das im Jahre 1633 radierte Bildnis des Predigers Jan Cornelisz Silvius (Janus Silvius). Selbstredend erforderten solche Blätter eine ganz andere, bildmäßigere Durcharbeitung, als wenn der Künstler nur zu seiner Übung oder zu seiner und seiner Angehörigen Freude einen Kopf nach dem Leben radierte. So war er denn auch mit den ersten Abdrücken, 34 welche er von der Platte mit dem Bilde des Silvius abzog, nicht zufrieden; er bearbeitete, wie er dies überhaupt öfters that, die Platte von neuem; durch Vertiefung der Schatten suchte er das Bild zu beleben, zerstörte dabei aber einigermaßen die Einheitlichkeit der Wirkung. Daher besitzen die von der Platte in ihrem ersten Zustand genommenen Abdrücke des überhaupt ziemlich seltenen Blattes einen besonderen Wert, nicht nur wegen ihrer großen Seltenheit, sondern auch weil sie das treffliche Bildnis in größerer Schönheit zeigen ( Abb. 34 ).
Die Zahl der gemalten Bildnisse aus dem Jahre 1633 ist sehr groß. Rembrandt wurde der gesuchteste Porträtmaler Amsterdams. Herren und Damen der besten Gesellschaft wendeten sich an ihn, und er schuf in ihren Bildnissen Meisterwerke ersten Ranges. Dahin gehören, um nur einige der bekanntesten zu nennen, das Kniestück des Dichters Jan Hermansz Krul in der Gemäldegalerie zu Kassel ( Abb. 35 ) und das prächtige Doppelbildnis eines Schiffsbaumeisters und seiner Frau in der Sammlung der Königin von England im Buckinghampalast. Das letztere ist als Genrebild angeordnet: der Mann ist damit beschäftigt, die Zeichnung eines Schiffes zu entwerfen, und wird durch seine Frau, die mit einem Brief herbeikommt, in der Arbeit unterbrochen. ( Abb. 36 gibt den Kopf des Mannes aus diesem Bilde wieder.) Wie Rembrandt sich darauf verstand, Doppelbildnisse genremäßig zu gestalten, davon gibt in der nämlichen Sammlung der Königin von England das Bild des Bürgermeisters Pancras und seiner Frau ein schönes Beispiel. Diese beiden Leute scheinen es geliebt zu haben, ihren Reichtum zur Schau zu stellen, das Ehepaar ist in der Vorbereitung zu irgend einer festlichen Gelegenheit, welche höchste Prunkentfaltung erfordert, dargestellt; die Bürgermeisterin sitzt vor einem Spiegel, mit einem reichen Mantel bekleidet, und schmückt sich; ihr Gatte, bereits in vollständiger Feierkleidung, steht neben ihr und hält weitere Juwelen für sie bereit ( Abb. 37 ).
Ungeachtet der zahlreichen Bildnisaufträge, welche den Meister im Jahre 1633 beschäftigten – aus der Zeit von 1632 bis 1634 werden einige vierzig von Rembrandt gemalte Porträts aufgezählt –, fand er immer noch Zeit, kleine Bilder freier Erfindung auszuführen, wie die „Philosophen“ in der Sammlung des Louvre und das köstliche, im Rot des Morgenlichtes glühende Bild im Buckinghampalast: „Christus erscheint der Maria Magdalena als Gärtner.“ Und daneben wurde er nicht müde, zu seiner Übung und zu seiner Freude Bildnisse eigener Wahl auszuführen, in Radierungen und Gemälden. Er putzte seine jüdischen Modelle mit hohen Turbanen und sonstigem phantastischen Kleiderschmuck zu Patriarchen und Hohenpriestern heraus, und am häufigsten saß er selbst sich in mannigfaltigem Aufputz Modell; aus eben diesen Jahren stammt eine außerordentlich große Zahl von Selbstbildnissen Rembrandts. Wir finden darunter merkwürdige Versuche mit ungewöhnlichen Kostümstücken: eine sehr selten gewordene Radierung von 1634, „Rembrandt mit dem Flamberg,“ zeigt ihn in einer Art von Kurfürstentracht, mit einem Schwert in der Hand. So malte er sich auch in allerlei Verkleidungen, bald in goldgesticktem Sammetmantel und Federbarett, mit vornehmer Miene ( Abb. 53 ), bald als ernstblickenden Krieger in Harnisch und Sturmhaube. Wir dürfen bei Betrachtung derartiger Bildnisse nicht vergessen, daß es dem Meister nicht darauf ankam, ein Abbild seiner Person zu liefern, sondern daß es sich für ihn um irgend eine künstlerische Aufgabe handelte, sei es um etwas Innerliches, einen Ausdruck, sei es um etwas Malerisches in Beleuchtung oder Tracht, sei es um all dieses zusammen. Daher erkennen wir in diesen Studien wohl die Züge des Meisters alsbald wieder, aber vor den wenigsten derselben gewinnen wir den Eindruck, ein sprechend ähnliches Porträt vor uns zu haben. Doch malte Rembrandt sich auch wiederholt in solcher Weise, daß wir über seine ausgesprochene Absicht, sich selbst, wie er war, getreulich für die Seinigen und für die Nachwelt abzubilden, nicht im Zweifel sein können. Zu diesen Selbstbildnissen im engeren Sinne gehört das prächtige Bild von 1633 im Louvre ( Abb. 38 ), und ein sehr ähnliches, aber anders gekleidetes, in der nämlichen Sammlung, das von jenem nur durch einen geringen Zeitunterschied getrennt wird ( Abb. 49 ).
Rembrandt hatte im Jahre 1633 wohl besonderen Grund, seine Person mit Aufmerksamkeit zu betrachten. Ein in der Dresdener Galerie befindliches Gemälde aus diesem 36 Jahre zeigt uns das Brustbild einer jungen Dame mit zarter, rosiger Haut und goldigblondem lockigen Haar, die unter dem Schatten eines rotsammetnen Hutes hervor dem Beschauer mit lustigen Augen entgegenlacht ( Abb. 40 ). Das ist Saskia van Ulenburgh (oder – in der Schreibweise ihrer Heimat – Uilenborg), die verwaiste Tochter des zu Leeuwarden ansässig gewesenen Rechtsgelehrten Rombertus Ulenburgh. Wie und wo Rembrandt diese Tochter eines alten und hochangesehenen friesischen Geschlechts kennen gelernt hat, wissen wir nicht. Ward ihm die Aufgabe gestellt, ihr Bild zu malen, und ist ihm bei dieser Gelegenheit das sonnige Lächeln, das er so reizvoll festzuhalten wußte, ins Herz gedrungen? Oder galt dieses Lächeln Saskias schon dem Manne ihrer Wahl? Genug, sie ward seine Braut. In bräutlichem Ernst sehen wir sie dastehen in dem herrlichen, mit unvergleichlichem Farbenzauber übergossenen Bildnis in der Kasseler Gemäldegalerie, einem Bilde, das in dem Beschauer einen nachhaltigen Eindruck zurückläßt, und auf dessen Ausführung Rembrandt eine mehr als gewöhnliche Sorgfalt verwandt hat. Saskia erscheint hier in vornehmem Schmuck; sie trägt einen rotsammetnen Hut mit Goldverzierungen und weißer Straußenfeder, ein Kleid aus dunkelrotem Sammet, mit Unterärmeln aus einem leichten, goldiggrauen Stoff mit farbigen Müsterchen, einen mattbläulichen, mit Gold und Farben bestickten Kragen, einen Pelzmantel hat sie leicht umgeworfen, im Haar, um den Hals, an der Brust und den Armen glänzt und blitzt es von Gold, Perlen und Juwelen; in der behandschuhten Rechten hält sie einen Zweig von Rosmarin, und sinnend blickt sie vor sich hin, dem Beschauer die jungfräulich reinen Linien ihres Profils zeigend ( Abb. 42 ). Saskia war keine Schönheit, aber sie war sehr hübsch und dabei von blühender Jugendfrische und glücklicher Heiterkeit reizvoll umkleidet. Sie war eine Verwandte jenes Predigers Jan Silvius, der zu Rembrandts 38 frühesten Auftraggebern zählte, und als am 10. Juni 1634 Rembrandt und Saskia sich in Amsterdam zur Ehe aufbieten ließen, erschien Silvius als Stellvertreter der Braut. Wir erfahren durch das betreffende, noch vorhandene Aktenstück, daß Rembrandts Vater damals schon gestorben war; denn nur von seiner Mutter wird die Einwilligung zur Eheschließung eingeholt.
Unter den Radierungen Rembrandts aus dem Jahre 1633 befindet sich eine, die auf besondere Beachtung ein Anrecht hat. Denn vielleicht hat sie die erste Veranlassung zu einem großen Auftrag gegeben, der Rembrandt eine Reihe von Jahren hindurch beschäftigte. Es ist eine Abnahme Christi vom Kreuz, zum Unterschied von anderen inhaltsgleichen Radierungen Rembrandts „die große Kreuzabnahme“ benannt. Drei Männer sind mit Leitern an das Kreuz hinangestiegen und haben den Leichnam vom Holze gelöst; jetzt legt der oberste von ihnen sich über den Querbalken des Kreuzes und hält den oberen Zipfel eines Leintuches, das sie schonend unter den Körper des Toten geschoben haben; von den beiden anderen auf den Leitern Stehenden an den Armen gehalten, gleitet der nackte Leichnam schwer und in sich zusammensinkend herab, um von zwei unten stehenden Männern, die ihre Hände ehrfürchtig unter dem Leintuch halten, aufgenommen zu werden. Joseph von Arimathia, Nikodemus, die zwei Marien und einige Jünger umgeben, teils stehend, teils am Boden kauernd, den Fuß des Kreuzes. Ihre Blicke folgen der Bewegung der Leiche; nur die Mutter hält das Antlitz tief gesenkt. Ein kostbarer Teppich wird von den Frauen bereit gehalten, um den Toten darauf zu betten. Joseph von Arimathia beaufsichtigt das Ganze; er ist durch seine Kleidung als der reiche Mann gekennzeichnet, und wie er auf seinen Stock gestützt mit gemessener Ruhe dasteht, weiß er in seiner Haltung bei aller Ergriffenheit die Würde des angesehenen Ratsherrn zu bewahren. Es ist 43 dunkle Nacht, und undeutlich heben sich in der Ferne die Festungswerke und Kuppeln der Stadt von dem schwachen Dämmerschein am Horizont ab; aber aus dem schwarzen Himmel fluten übernatürliche Lichtstrahlen herab, die zu dem frommen Werke leuchten und den heiligen Leichnam in einen Glorienschein einhüllen. „Hier ist der Beweis gegeben,“ sagt der französische Kunstschriftsteller Charles Blanc, „wieviel auf der Gesinnung beruht. Die Darstellung einiger bei der Leiche ihres Gottes weinenden Christen kann des antiken Reizes, der heidnischen Schönheit wohl entbehren und dennoch einen erhebenden Eindruck zurücklassen. Nur eine Seele braucht dem Bilde eingehaucht zu werden, und dies hat Rembrandt gethan, als er das Licht seines Genius darauf hinstrahlen ließ. Wie sollte man sich nicht für einen solchen Vorgang interessieren, da doch der Himmel selbst sich dafür interessiert!“ ( Abb. 43 .)
Ganz in derselben Weise, nur noch ergreifender 44 gestaltet durch das Zaubermittel der Farbe, sehen wir die Kreuzabnahme dargestellt in einem Gemälde, welches sich jetzt in der Alten Pinakothek zu München befindet ( Abb. 44 ). Dieses Gemälde bildet mit vier anderen ebendort befindlichen Bildern eine zusammengehörige Folge, welche das Ende von des Erlösers irdischem Dasein, von der Aufrichtung des Kreuzes bis zur Himmelfahrt behandelt. Es sind tief ergreifende Schöpfungen. Die äußere Häßlichkeit der Gestalten, die wir da sehen, verschwindet gänzlich hinter der Schönheit ihrer Seele. Wohl mag einer, der an äußerlicher Kunstbetrachtung Gefallen findet, auch an den Kompositionen im ganzen manche Unschönheiten und Härten entdecken; aber durch die geheimnisvolle Poesie der Lichtwirkung, die hier um so eindringlicher wirkt, als die siegreiche Kraft des Lichtes gegenüber ringsum breit gelagerter Finsternis dem Inhalt des Dargestellten so unmittelbar entspricht, wird der Beschauer wie mit Zaubermacht gebannt, und der Wohllaut einer in unbeschreiblicher Eigentümlichkeit gestimmten Farbe dringt gleich den Melodien alter Kirchenlieder in seine Seele. Rembrandt malte diese Bilder im Auftrage seines Landesherrn, des Statthalters Friedrich Heinrich Prinzen von Oranien. Die letzten derselben vollendete er im Jahre 1638, und er erhielt für jedes den Betrag von 600 Gulden; über diese Angelegenheit, die Ablieferung und Bezahlung der „Grablegung“ und der „Auferstehung“ sind drei eigenhändige Briefe Rembrandts erhalten. Zu den fünf Passionsbildern gehörte noch, um die Geschichte des Erlösungswerkes zu vervollständigen, eine Darstellung der Geburt Christi. Alle sechs Gemälde sind durch Erbschaft in die kurfürstliche Gemäldegalerie zu Düsseldorf und von da mit den übrigen wertvollsten Schätzen dieser Sammlung nach München gekommen. Das Bild der Geburt ist fast noch ergreifender als die übrigen. In äußerster Armut und Demut lagern Maria und Joseph im Stalle; der letztere hält eine Lampe, um den verehrungsvoll herantretenden Hirten das Kind zu zeigen, und so scheint dieses, voll beleuchtet, nun die eigentliche Lichtquelle zu sein, deren 46 Wiederschein die dürftige Umgebung verschönert. In ähnlicher und doch wieder verschiedener Weise hat Rembrandt, wohl zu derselben Zeit, als er das Gemälde ausführte, die Geburt Jesu in einer Radierung dargestellt. Hier ist es noch mehr als dort die „stille Nacht.“ Maria ruht, in ihren Mantel eingewickelt, im Stroh, an ihrer Seite der Neugeborene; an der anderen Seite des Kindes, zusammengekauert, wacht lesend der Mann Marias; ihnen gegenüber ruhen die Tiere des Stalles. Da treten die Hirten herein, Männer, Weiber und Kinder – man sieht, wie sie sich bemühen, leise zu gehen –, an ihrer Spitze ein bärtiger Mann mit einer Laterne, und begrüßen in feierlicher Stille in dem Kinde den Erlöser der Armen.
Es versteht sich von selbst, daß ein so fleißiger und gewandter Maler wie Rembrandt während der fünf Jahre, die er zur Vollendung der vom Statthalter bestellten sechs Gemälde, die ihren großen Inhalt in kleinem Umfange einschließen, brauchte, nur einen verhältnismäßig geringen Bruchteil seiner Zeit auf diese Arbeit verwendete.
Das Jahr 1634 brachte ihm, wie schon erwähnt, eine Fülle von Porträtbestellungen. Unter den Meisterwerken seiner Bildniskunst aus diesem Jahre, von denen einige zu seinen allervorzüglichsten Werken gehören, sei das Brustbild einer bejahrten Dame in weißer Haube und Halskrause, in der Nationalgalerie zu London, hervorgehoben ( Abb. 47 ).
Auch unter den Radierungen des Jahres 1634 befinden sich mehrere ganz hervorragende Meisterwerke. Da ist zuerst das große Blatt „die Verkündigung bei den 48 Hirten“ zu nennen. In prachtvoller waldiger Berglandschaft haben die Hirten bei der Herde geruht. Da bricht aus einer dicht geballten Wolke, die sich herabsenkt, ein Himmelslicht in die dunkle Nacht hinein, daß das Vieh geängstigt aus dem Schlafe aufspringt und davonrennt. Auch die Hirten fliehen, werfen sich nieder, blicken starr empor, während die Stäbe ihren Händen entfallen. Auf den Rand der Wolke ist, von dem strahlenden Licht durchschienen, dessen Urquell Scharen kleiner Englein jubelnd umkreisen, ein Engel in weißen Gewändern getreten und spricht, die eine Hand zum Himmel erhebend, die andere beruhigend ausstreckend, zu den Erschreckten die Himmelsworte: „Fürchtet euch nicht, ich verkünde euch eine große Freude“ ( Abb. 45 ). Ein wirkungs- und ausdrucksvolles Blatt schildert die Begegnung des Heilandes mit der Samariterin am Jakobsbrunnen. Jesus sitzt im Lichte der Abendsonne auf dem Rande des Brunnens, der sich an die Trümmer eines ausgedehnten alten Bauwerks anlehnt; man glaubt zu hören, wie von den Lippen des ermüdeten Wanderers milde, ernste Worte fließen, und das Weib steht ihm gegenüber, äußerlich ruhig, aber innerlich bewegt, daß sie vergißt, den Krug, den sie schon an der Kette befestigt hat, hinabzulassen; in der Ferne erhebt sich die Stadt Sichar mit stolzen Gebäuden, und am Abhang des Hügels steigen die Jünger empor, die sich wundern, daß ihr Meister mit dem Weibe redet ( Abb. 46 ). Ein kleines Blatt, wieder ein Meisterwerk des Ausdruckes, stellt die Begebenheit mit den beiden Jüngern zu Emmaus dar. „Der Tag hat sich geneigt,“ und die Abendsonne scheint, kräftige Schatten werfend, in den auf einer Seite offen gedachten Raum, 50 wo Christus mit den beiden Jüngern, die Stab und Wandertasche abgelegt haben, an einem kleinen Tische sitzt. Eben hat der Heiland das Brot mit beiden Händen gefaßt, um es zu brechen; „da wurden ihre Augen geöffnet“: starr blickend schlägt der eine, der ihm gegenübersitzt, ein bäuerlich aussehender Mann mit hoher Judenmütze, die Hände zusammen, und der andere, ein würdevoller Greis, hält im Zerlegen des Fleisches inne, mit einem Blick, der in das Innerste des Unbekannten dringen zu wollen scheint, fragend, ob er wirklich der Gekreuzigte sei; um dessen Haupt aber flammt ein mächtiger Strahlenkranz, der weit über die Bedeutung des sonst in der Kunst gebräuchlichen Heiligenscheins hinausgeht; wir würden, auch wenn uns der Vorgang ganz unbekannt wäre, doch nicht darüber im Zweifel sein können, daß hier zwischen Sterblichen ein Überirdischer sitzt, der gleich verschwinden wird ( Abb. 48 ). Dies Verschwinden selbst hat Rembrandt einmal darzustellen versucht in einer geistreichen Handzeichnung, die im Dresdener Kupferstichkabinett aufbewahrt wird: in dem Augenblicke, wo die Jünger den Christus erkannt haben, ist dieser ihren Blicken entschwunden, und sie starren auf den leeren Stuhl, über dem noch ein geheimnisvoller Lichtglanz zu schweben scheint. – Im Gegensatz zu solchen Schöpfungen dichterischer Gestaltungskraft stehen Blätter, die mit haarscharfem Realismus aus dem Leben abgeschrieben sind, wie die lesende Frau, die sich in sonntäglicher Muße so ganz in ihr Buch vertieft hat ( Abb. 50 ). Ein ähnliches Meisterwerk feinster Beobachtung führt uns das ganz hastig, augenscheinlich ohne Wissen des Abgebildeten, in die Kupferplatte gekratzte Brustbild eines Kartenspielers vor Augen ( Abb. 39 ). Auch das seltene kleine Blatt mit der Halbfigur eines vom Markte heimkehrenden 52 jungen Mädchens ( Abb. 41 ) ist ein hübsches Beispiel der Augenblicksbilder, in denen Rembrandt zufällig in seinen Gesichtskreis kommende Erscheinungen verewigte.
Einen willkommenen Gegenstand des Studiums gab dem Meister begreiflicherweise seine junge Frau. Eine reizende Silberstiftzeichnung, die im Berliner Kupferstichkabinett aufbewahrt wird, zeigt uns Saskia am dritten Tage nach ihrer Trauung, wie sie, den Kopf leicht in die Hand gestützt, in heiterer Zufriedenheit unter ihrem breitrandigen Strohhute hervorschaut, mit einem Blick, der nicht auf unbekannte Beschauer des Blattes berechnet ist, sondern nur dem Zeichner selbst gilt ( Abb. 51 ). Merkwürdig ist bei diesem Blatte, daß in der Unterschrift zwar der Monat richtig, aber sowohl der Tag als das Jahr unrichtig angegeben sind. Sollte Rembrandt in der Freude seines Herzens ganz in der Zeitrechnung irre geworden sein? Daß das Umgehen mit Zahlen nicht seine 56 starke Seite war, dafür bietet allerdings auch sein Briefwechsel mit dem Sekretär des Prinzen von Oranien Belege. Thatsächlich fand Rembrandts Trauung mit Saskia, nach dem Ausweis des Eheschließungsregisters des Amtes Bildt in Friesland, am 22. Juni 1634 statt. – Eine spätere Zeichnung, mit Feder und Tusche ganz flüchtig, aber sehr treffend hingeworfen, zeigt uns die junge Frau in ganzer Gestalt, wie sie mit der häuslichen Schürze angethan am Fenster sitzt, in dessen Nähe die aufgeschlagene Bibel lehnt ( Abb. 52 ). Wie sich selbst, so putzte Rembrandt auch seine Gattin gern mit allerlei Kostümstücken aus der Garderobe seiner Werkstatt heraus. Er radierte ihr Bild in den verschiedensten Beleuchtungen und Ansichten; besonders anmutig erscheint sie auf dem seltenen Blatte, welches sie in gerader Vorderansicht, wiederum die Hand an Stirn und Wange gelehnt, mit einem leichten Schleier 58 über den seitlich lose herabhängenden Haaren zeigt ( Abb. 54 ).
Es drängte Rembrandt, sein eheliches Glück in einem größeren Gemälde der Nachwelt gleichsam urkundlich zu überliefern. So schuf er das weltberühmte Doppelbildnis, welches die Dresdener Gemäldegalerie besitzt. In der Tracht eines Kavaliers, den Raufdegen an der Seite, ein Sammetbarett mit wallenden Straußenfedern auf dem langen, lockigen Haar, sitzt Rembrandt vor einer reichbedeckten Tafel; mit der Rechten schwingt er ein Glas schäumenden Weines empor, die Linke hat er um die Hüften der Gattin gelegt, die er auf seinen Knieen wiegt. Mit ungebändigter Fröhlichkeit lacht Rembrandt in die Welt hinein; mit starker Wendung des Halses sieht Saskia sich um und blickt den Beschauer vergnügt, aber doch mit schicklicher Gemessenheit an. Ein unbeschreiblicher üppiger Farbenreiz verklärt das Bild und verstärkt den rückhaltlosen künstlerischen Ausdruck höchster Daseinsfreude ( Abb. 55 ). Das ganze Bild atmet Wohlleben; Saskia trägt kostbaren Juwelenschmuck, der freilich nur einen geringen Teil vorstellt von den Schätzen, mit denen Rembrandt das geliebte Weib überhäufte. Wir erfahren, daß im Jahre 1638 einige seiner Verwandten bei Gelegenheit einer an und für sich geringfügigen Vermögensauseinandersetzung ihn laut anschuldigten, er habe sein ganzes väterliches Erbteil in Schmuck und Prunk vergeudet, und daß er deswegen – freilich ohne Erfolg – eine Verleumdungsklage gegen dieselben anstrengte. – Wir müssen 59 dem Meister dankbar sein, daß er uns sein Gesicht auch einmal im Sonnenschein der hellsten Fröhlichkeit gezeigt hat. Denn sonst tragen die Bildnisse, die er im jugendlichen Mannesalter nach sich selbst gemalt hat – abgesehen von denjenigen, welche nicht seinen natürlichen, sondern einen gemachten, eben für das betreffende Bild angenommenen Ausdruck haben –, einen tiefen Ernst zur Schau. So zeigt uns auch das um dieselbe Zeit wie das Dresdener Bild entstandene Selbstbildnis in der Londoner Nationalgalerie, das eines der schönsten unter den schönen ist, die ernst gedankenvollen Züge des klar und scharf beobachtenden, mehr aber noch innerlich arbeitenden Künstlers ( Abb. 56 ).
Dem Jahre 1635, das wir mit Sicherheit als dasjenige der Entstehung des Dresdener Doppelbildnisses ansehen dürfen, gehört ein ebenfalls in der Gemäldegalerie zu Dresden befindliches Bild mythologischen Inhalts an: „Der Raub des Ganymedes.“ Der Liebling des Göttervaters ist als ein noch ganz kleiner Knabe gedacht, der eben Kirschen essen wollte, als der Adler auf ihn herabstieß, um ihn in die Lüfte zu führen; und nun schreit er ganz erbärmlich und gibt seinem Schrecken in einer nicht näher zu beschreibenden Weise Ausdruck. Da helfen uns nun freilich alle malerischen Vorzüge nicht über die Ungeheuerlichkeit der Geschmacklosigkeit und über den vollständigen Mangel an Formenschönheit hinweg. Das 60 Bild ist der stärkste Beweis, daß es Rembrandt gänzlich an Sinn und Verständnis für dasjenige fehlte, was einer mythologischen Darstellung die Berechtigung geben kann. Aber auch mit einem Gemälde biblischen Inhaltes, das er zu derselben Zeit ausführte, war er nicht gerade glücklich. Wie Simson zu seinem Schwiegervater, der ihm die Gattin vorenthält, die Drohworte spricht: „Ich habe einmal eine rechte Sache wider die Philister, ich will euch Schaden thun,“ ist der Gegenstand des im Berliner Museum befindlichen Gemäldes. Lange hat man geglaubt, dasselbe stelle eine Begebenheit aus dem Leben des Herzogs Adolf von Geldern vor; aber der morgenländisch gekleidete Riese mit der Überfülle des langen dunklen Haupthaares ist deutlich genug als Simson gekennzeichnet ( Abb. 59 ). Trotz des Mangels an unmittelbarer Verständlichkeit und trotz der man möchte sagen geradezu unbehilflichen Anordnung macht übrigens dieses Bild einen großartigen Eindruck durch die Macht seiner Farbenwirkung.
Zu den Radierungen des Jahres 1635 gehört ein hochberühmtes Blatt: „Christus reinigt den Tempel.“ Es ist eine wuchtige Darstellung voll bewegten Lebens. Christus, eine kraftvolle Gestalt, die wie eine Erinnerung an eine Dürersche Figur aussieht, dringt in leidenschaftlicher Entrüstung auf die Käufer und Verkäufer ein, die unbekümmert 61 um die in einem höher gelegenen Chorraum vor sich gehende feierliche gottesdienstliche Handlung in den Hallen des Tempels ihren Schacher treiben; es ist ein seltsamer, aber wirkungsvoller Gedanke, daß der Heiligenschein hier nicht das Haupt, sondern die Faust des Erlösers umstrahlt, welche die Geißel schwingt. Die Tische der Wechsler stürzen, das Geld rollt auf den Boden, auch Leute stürzen hin in der Hast des Fliehens, während andere ihre Ware noch schnell zu sichern bemüht sind; so rennen Menschen und Tiere – denn auch Viehhändler, nicht bloß Taubenkrämer, hat Rembrandt sich unter den Verkäufern gedacht, die das Heiligtum entweihten –, die Gewänder des Christus umkläfft, ohne sich doch an ihn heranzuwagen, ein häßlicher Köter. Je länger man das Bild betrachtet, um so staunenswürdigere Einzelheiten wird man entdecken, namentlich in den Gesichtern und Gebärden der verschiedenen in ihrem Geschäft gestörten jüdischen Händler ( Abb. 57 ).
Von sonstigen biblischen Darstellungen gehört dieser Zeit wohl auch das kleine Blatt mit der Kreuzigung an, das so überaus einfach und anspruchslos komponiert ist und doch durch die sprechende Gegenüberstellung der ohnmächtig zu Boden gesunkenen Mutter und des hilflos am Kreuze emporgestreckten Sohnes eine so ergreifende Wirkung ausübt ( Abb. 58 ).
Neben so tief empfundenen ernsten Schöpfungen fehlen auch die leichteren Bilder aus dem Leben nicht; welche Fülle von Geist und Humor steckt in dem kostbaren Straßenbild: „die Kuchenbäckerin“ ( Abb. 60 ).
Hauptprachtblätter finden wir unter den Bildnisradierungen des Jahres 1635. Da sehen wir ein Brustbild eines alten Herrn von lebhaftem Temperament, mit klugen, hell blickenden Augen unter der vieldurchfurchten Stirn, mit sorgfältig ausgebürstetem Schnurrbart und einem schwarzseidenen Käppchen auf dem kahlen Scheitel, die Schultern mit einem Pelzkragen bedeckt, auf dem eine goldene Gnadenkette glitzert. Das ist Jakob Cats, der Dichter und Staatsmann, der verdienstvolle Lehrer des Prinzen von Oranien, ein heute noch unter dem Namen „Vater Cats“ in Holland volkstümlicher Schriftsteller ( Abb. 61 ). Neben diesem Meisterwerk von Geist und Leben steht ebenbürtig das zu malerischer Haltung und bildmäßiger Wirkung sorgfältig durchgearbeitete Porträt des Remonstrantenpredigers Jan Uytenbogaard. Der achtundsiebzigjährige Geistliche, der von 1599 bis 1614 zuerst Feldkaplan, dann Hofprediger des Prinzen Moritz von Oranien gewesen, dann wegen seiner Freundschaft mit Barnevelt und Grotius in Ungnade gefallen und nach Frankreich geflüchtet war, seit dem Regierungsantritt des Prinzen Friedrich Heinrich (1625) aber wieder in der Heimat geduldet wurde und der nun im Haag lebte, blickt mit seinen ansprechenden Zügen, in denen die Spuren von Sorgen und Kummer den Ausdruck väterlichen Wohlwollens nicht haben verwischen können, vom Lesen der theologischen Schriften, die seinen Tisch bedecken, auf und heftet die müden Augen auf den Beschauer ( Abb. 62 ). Unter der Radierung stehen 63 von Hugo Grotius verfaßte lateinische Verse folgenden Inhalts:
Wir sehen aus solchen Bildnissen, daß Rembrandt mit den Besten und Gebildetsten seiner Nation verkehrte. Neben dem rechtsgelehrten und dichterisch begabten Staatsmann und dem überzeugungsmutigen Priester sei in dieser Reihe der an der Leidener Hochschule wirkende berühmte Arzt Jan Antonsz (oder, wie er als Gelehrter schrieb, Johannes Antonides) van der Linden genannt, von dem Rembrandt wohl einmal bei Gelegenheit eines Besuchs in seiner Vaterstadt – die Jahreszahl ist nicht angegeben – ein in Haltung und Ausdruck so überaus liebenswürdiges Bildnis radiert hat ( Abb. 63 ).
So groß auch die Fertigkeiten waren, welche Rembrandt erlangt hatte, seine Studienübungen ließ er niemals ruhen. Wie einst Dürer es nicht verschmäht hatte, die Feder eines Vogels oder das Fell eines Hasen zum Gegenstand des gewissenhaftesten Studiums zu machen, so malte Rembrandt mit eingehender Treue Zusammenstellungen lebloser Gegenstände, mannigfaltig gefiederte Vögel u. dergl., um sich von der Natur in dem Geheimnis wohllautender Farbenstimmungen belehren zu lassen. Vor allem aber blieb das menschliche Antlitz der Gegenstand seines unausgesetzten Studiums. Neben Radierungen nach verschiedenartigen Modellen ( Abb. 64 und 65 ) legen zahlreiche Handzeichnungen, bald mehr oder minder sorgfältig ausgeführt, meistens aber ganz flüchtig hingeworfene Augenblicksbilder von seinem Eifer Zeugnis ab ( Abb. 66 , 67 , 68 ). Auch einer Karikatur begegnen wir gelegentlich unter diesen Blättern, wie sie der Meister vielleicht einmal im fröhlichen Gespräch im Freundeskreise hinzeichnete, um eine Persönlichkeit, von der gerade die Rede war, allen erkennbar auch im Bilde vorzuführen ( Abb. 69 ). Am häufigsten sind unter Rembrandts Studienköpfen, mögen sie nun mit der Feder, mit dem Stifte oder mit der Radiernadel 64 gezeichnet sein, immer die Juden. Allmählich fanden sich nun unter des Meisters Judenbekanntschaften auch solche ein, die nicht als bezahlte Modelle oder als Antiquitätenhändler, sondern als Auftraggeber mit ihm in Verkehr traten.
Das Bild eines Juden von großem Namen lernen wir in einer Radierung von 1636 kennen. Dieser Mann, der auf den ersten Anblick kaum einen jüdischen Eindruck macht, zumal auch die Tracht von Bart und Kleidung nichts von den damals den Juden eigenen Besonderheiten zeigt, sondern mit der allgemeinen Mode übereinstimmt, und hinter dessen unbedeutend scheinenden Zügen mit den schweren Augenlidern man erst nach längerem Betrachten einen lebhaften Geist und den vielseitig begabten und geschulten Verstand eines großen Gelehrten vermuten kann, ist Manasseh-ben-Israel ( Abb. 70 ). Zu Lissabon im Jahre 1604 geboren, war er als Kind mit seinem Vater nach Amsterdam gekommen, wo so viele portugiesische Juden damals Zuflucht und Freiheit der Religionsübung fanden; seine in jungen Jahren erworbene Gelehrsamkeit war so groß, daß er im Alter von achtzehn Jahren zum Oberrabbiner einer der drei Amsterdamer Synagogen ernannt wurde. Sein größter Ruhm war eine ganz außergewöhnliche Sprachenkenntnis; außerdem war er Doktor der Medizin; er hat zahlreiche Schriften, meist theologischen Inhalts, hinterlassen.
Die Jahreszahl 1636 lesen wir auch auf mehreren hervorragenden Radierungen biblischen Inhalts. Da ist in einem kleinen Blatt der Tod des heiligen Stephanus dargestellt. Schön ist da weder die Gestalt des jugendlichen Glaubenszeugen, noch auch selbst der Linienzug der Komposition. Aber wie diese rohe Menge mit wahrer Wonne den Schuld- und Wehrlosen steinigt, das ist eine für alle Zeiten wahre Schilderung des zu rohen Leidenschaften aufgehetzten Pöbels. An der zeichnerischen Behandlung sogar sieht man, wie Rembrandt sich in seinen Gegenstand vertieft hat: man möchte sagen, daß diese hastigen, hart und schroff gegeneinander stoßenden und sich durchkreuzenden Strichlagen von Leidenschaft und zugleich von Widerwillen gegen die rohe That beseelt 65 sind ( Abb. 71 ). Wie ganz anders ist die Behandlung bei dem wundervollen Blatt, das die Rückkehr des verlorenen Sohnes zum Gegenstande hat! Wie deutlich sieht man hier, daß die Hand des Künstlers von hingebenden und innigen Empfindungen geleitet worden ist! Niemals ist aber auch dieser so oft behandelte, künstlerisch so dankbare Vorwurf in so rührender und ergreifender Schilderung bearbeitet worden. Wie dieser verkommene, nur mit den notdürftigsten Lumpen bedeckte Mensch sein von den Spuren des Lasters und des Elends entstelltes Gesicht, das aber jetzt durch den Ausdruck der Reue und des durch die Vergebung wiedergefundenen Friedens innerlich verschönt wird, an die Vaterbrust drückt, und wie dieser Vater, erschüttert über den Anblick, den sein Sohn ihm bietet, aber für kein anderes Gefühl zugänglich als für das der alles vergebenden und vergessenden Freude über den Wiedergefundenen, mit großen Schritten herbeigeeilt ist und sich liebevoll über ihn beugt, das ist ein Meisterwerk der Seelenmalerei, das kaum seinesgleichen hat. Ebenso lebendig sprechen die Empfindungen der Nebenpersonen zu uns. Die Mutter, die hastig den Fensterladen aufstößt, ist noch nicht Herr geworden über die Gefühle, die auf sie einstürmen; der Diener, der Schuhe und schöne Kleider für den Ankömmling herbeibringt, weiß nicht, wohin er sehen und was er dazu sagen soll, und hinter ihm erscheint der Bruder, unfähig, in seiner Miene den Unwillen über die freundliche Aufnahme, die jener findet, zu verbergen. Durch den Bogen des Hofthores sieht man ins Freie, wo ein Hügel mit einigen Gebäuden die Aussicht beschränkt; es sind nur wenige Striche, welche die Landschaft andeuten, aber sie genügen, um die Vorstellung in uns zu wecken, daß der Heimgekehrte in weiter Wanderung über Berg und Thal gekommen ist ( Abb. 72 ).
Von der Emsigkeit, mit welcher der Meister studierte, legt ein Blatt mit sechs Studienköpfen 66 Zeugnis ab, die mit rücksichtsloser Ausnutzung des Raumes, den die gerade bereit liegende Platte gewährte, zusammengedrängt sind und sich gegenseitig den Platz streitig machen. Am weitesten ausgeführt ist der mittelste von diesen Köpfen, und unschwer erkennen wir hier die von ungebändigten krausen Löckchen umrahmten, sehr anmutig aufgefaßten Züge von Frau Saskia ( Abb. 73 ). Auf einem anderen Blatte aus demselben Jahre 1636 finden wir Saskia in Gesellschaft ihres Gatten. Diese zu allen Zeiten besonders hochgeschätzte Radierung bildet gewissermaßen den Gegensatz zu dem Dresdener Gemälde; während dort die Lust des Genießens geschildert ist, sehen wir hier, wie das liebende Beisammensein dem Ernst der Arbeit keinen Abbruch thut. Es ist Abend; denn nur von einer oberhalb des Bildes über dem Tische hängenden Lampe können wir uns die Beleuchtung ausgehend denken. Saskia hat sich hingesetzt, um von des Tages Arbeit zu ruhen; Rembrandt aber, der Unermüdliche, wechselt, indem er die Werkstatt mit dem Wohngemach vertauscht, nur die Art seiner Thätigkeit; die Augen durch ein breitrandiges Barett vor dem Lampenschein beschirmend, hat er Papier oder Kupferplatte herbeigeholt, um den künstlerischen Eingebungen zu folgen, die der Augenblick ihm bietet ( Abb. 75 ).
Zwei große Gemälde tragen die Jahreszahl 1636. Das eine derselben ist eine „Danae“ oder nach einer in jüngster Zeit vorgeschlagenen Bezeichnung eine „Braut des Tobias.“ Auf den Namen kommt es hier nicht an; es ist schlechtweg ein entkleidet auf weichem Lager ruhendes junges Weib. Das Bild befindet sich in der Ermitage zu Petersburg, die überhaupt eine größere Anzahl Rembrandtscher Gemälde besitzt, als in irgend einer anderen Sammlung vereinigt sind; „schreckliche Natur, unvergleichliche Kunst“ – so wird dasselbe 67 von den einen gekennzeichnet, während es anderen schlechthin als eines der ausgezeichnetsten Meisterwerke dieser an Kunstwerken ersten Ranges so reichen und leider so entlegenen Sammlung gilt und den Venusbildern Tizians ebenbürtig genannt wird. Das andere große Gemälde dieses Jahres, das sich in der gräflich Schönbornschen Sammlung in Wien befindet (eine gute alte Kopie in der Kasseler Galerie), kann auch von den begeistertsten Verehrern Rembrandts kaum bewundert werden. Es stellt die Überwältigung Simsons durch die Philister dar. Über den zu Boden geworfenen wehrlosen Helden, der mit Händen und Füßen um sich schlägt, stürzen die Gegner im Eisenharnisch, und einer bohrt ihm den Stahl ins Auge, während Delila mit den abgeschnittenen Haaren in der Hand triumphierend davonläuft. Die Schilderung des Vorganges ist so grauenhaft wie häßlich, und was das Schlimmste ist, die grauenhafte Häßlichkeit streift an das Lächerliche.
Demselben Jahr gehört wahrscheinlich die prächtige Figur des sogenannten Bürgerfähnrichs an, der, ganz in Braun gekleidet, in stolzer Haltung dasteht, die Rechte auf die Hüfte gestemmt, in der Linken eine über die Schulter genommene Fahne, von deren weißlichem Seidenton der dunkle Kopf sich wundervoll abhebt; in dem Gesicht dürfen wir wohl die ins kriegerisch Derbe übersetzten Züge des Malers wiedererkennen ( Abb. 74 ). Das Bild befindet sich im Besitz der Baronin James Rothschild zu Paris (eine alte Kopie in der Galerie zu Kassel). – Von Bildnissen unbekannter Personen mag das unübertrefflich vornehm aufgefaßte Brustbild eines augenscheinlich den höchsten Ständen angehörenden jungen Mannes mit großem Spitzenkragen, in der Londoner Nationalgalerie, in diese Zeit fallen ( Abb. 77 ).
Das Jahr 1637 bringt uns wieder ein herrliches Selbstbildnis des Meisters, das im Louvre aufbewahrt wird ( Abb. 78 ). Eine Radierung dieses Jahres zeigt uns das merkwürdig sprechende Bildnis eines unbekannten Mannes, eines anscheinend kränklichen jungen Gelehrten, der mit sorgfältig gegen Erkältung geschütztem Halse neben seinen Büchern sitzt, und dessen nachdenklichem Gesicht man die Blässe seiner Hautfarbe ansieht ( Abb. 76 ). Ein anderes Blatt vereinigt drei reizend ausgeführte weibliche Studienköpfe nach sehr verschiedenartigen Modellen ( Abb. 79 ).
Weiterhin ist dieses Jahr durch mehrere treffliche Kompositionen biblischen Inhalts ausgezeichnet. Eine Radierung zeigt uns Abraham, wie er Hagar verstößt. In reiche morgenländische Tracht gekleidet, steht der Patriarch an der Schwelle seines Hauses; den einen Fuß hat er schon auf die unterste Stufe der Eingangstreppe gesetzt, um in das Haus zurückzukehren. Denn eben hat er zu Hagar, die, mit wenigen Habseligkeiten beladen, bitterlich weinend von dannen zieht, während der kleine Ismael, mit einem Täschchen an der Seite und einem Bündelchen in den Händen, ihr folgt, sein letztes Wort gesprochen, und seine Handbewegung scheint zu sagen: Wir sind fertig miteinander, dein Weinen rührt mich nicht mehr. Aus dem laubumrahmten Fenster aber schaut Sara, und über ihre alten Züge fliegt ein unschönes Lächeln; aber dieses siegesfrohe Lächeln gilt nicht der beseitigten Nebenbuhlerin, sondern dem Gatten. Neben ihr sieht man im Schatten der Hausthür das dickwangige Gesicht ihres Söhnchens, eines echten Judenknäbleins ( Abb. 80 ). – Diesem Blatt ist eine reizvolle Federzeichnung in der Albertina in Bezug auf die Kostümierung und auf das Verhältnis der Figuren zur Landschaft so ähnlich, daß 69 sie wohl in derselben Zeit entstanden sein muß; sie stellt Juda dar, wie er der im sonnigen Grün am Wege sitzenden Thamar seinen Ring und Stab zum Pfand gibt ( Abb. 81 ). – Dem alten Testament ist auch der Stoff zu einem herrlichen Gemälde von 1637 entnommen, das sich in der Louvresammlung zu Paris befindet. Wie der Engel Raphael die Familie des Tobias verläßt, ist der Inhalt der großartigen und wirkungsvollen Darstellung. Eben hat der Engel sich zu erkennen gegeben, und Vater und Sohn Tobias, die eben noch mit ihm wie mit einem guten Freunde vor der Hausthür stehend gesprochen haben, sind auf die Kniee gefallen, während eine Wolke sich herabsenkt, um den entschwebenden Himmelsboten aufzunehmen. Mit unendlichem Staunen erkennt der junge Tobias, dessen Blicken die schattende Wolke den Engel schon entzieht, das überirdische Wesen seines Begleiters. Der greise Vater aber begreift leichter das Wunder Gottes; mit gefalteten Händen hat er sich demütig zu Boden geworfen. Er ist vom Himmelslicht scharf beleuchtet und so auch die junge Frau, die neben der Mutter in der rebenumlaubten Hausthür erscheint, und die, während ihr Gesicht noch das höchste Erstaunen spiegelt, die Hände faltet und betet; die Mutter, ganz überwältigt und geblendet von der Erscheinung, wendet sich ab, und die Krücke entfällt ihren zitternden Händen ( Abb. 82 ). Die Geschichte des Tobias war ein Lieblingsgegenstand Rembrandts. Die Handzeichnungensammlung der Albertina enthält eine ganze Reihe von Federzeichnungen Rembrandts aus verschiedenen Zeiten, welche diese Geschichte behandeln. Da blicken wir 70 in die dürftige, aber behagliche Häuslichkeit der Eltern des Tobias. Die Mutter spinnt, der blinde Vater sitzt in der Ecke des Kamins und spricht, um seinen Sohn besorgt, zu dem Boten, der diesen geleiten will; auf den Wanderstab gestützt steht der Engel – dem Beschauer durch seine Lichtgestalt und die Fittiche als solcher kenntlich – dem Alten gegenüber und scheint seinen Worten aufmerksames Gehör zu schenken; der junge Tobias steht zur Wanderschaft gegürtet am Kamin, und sein Hündlein springt mit freudiger Ungeduld an ihm empor ( Abb. 83 ). Dann sehen wir, wie Tobias, sein Bündel am Stock über dem Rücken tragend, an der Seite des Engels, dessen Gesprächen er lauscht, durch eine baumreiche Landschaft wandert; das Hündlein fehlt nicht, das mit 72 ihm lief ( Abb. 84 ). Eine ungemein reizvolle, feine Zeichnung versetzt uns dann an das Ufer des Tigris, das durch Wiesen und Gesträuch allmählich zu ferner liegenden Höhen hinansteigt. In ganz kindlichem Schrecken hat Tobias die Füße aus dem Wasser zurückgezogen, als er den Fisch erblickte, und drückt sich schutzsuchend gegen den Engel, der in großer und ruhiger Haltung ihn anweist, den Fisch zu ergreifen ( Abb. 85 ). Noch schöner ist das durch Tusche in malerische Wirkung gebrachte Blatt, welches zeigt, wie Tobias unter der Aufsicht des Engels den zappelnden Fisch aufschneidet und die heilbringenden Eingeweide herausnimmt. Man kann sich nichts Poetischeres denken als diese sonnige Uferlandschaft; man fühlt die Hitze des Tages, die das Hündchen antreibt, seinen Durst mit begierigen Zügen zu löschen, und man glaubt im Schatten der üppig wachsenden Bäume erfrischende Wasserluft zu atmen ( Abb. 86 ).
Ein anderes Gemälde aus dem Jahre 1637, „Susanna im Bade,“ im Museum im Haag, nimmt den biblischen Stoff nur als Vorwand zur Darstellung unverhüllter weiblicher Schönheit, freilich der Schönheit, wie sie Rembrandt verstand, nicht als Formen-, sondern als Farbenreiz. Die Nebenfiguren der beiden Alten sind nur durch den Kopf des einen, der zwischen dem Gesträuch sichtbar wird, angedeutet. Susanna ist stehend dargestellt, im Begriff ins Wasser hinabzusteigen; man sieht sie von der Seite; das vorsichtig, wie um sich von der Einsamkeit des Ortes noch einmal zu überzeugen, umschauende Gesicht ist dem Beschauer zugewendet. Die unübertreffliche Lebenswahrheit, mit 73 welcher die jugendliche Gestalt dargestellt ist, würde nicht ausreichen, um dem Bilde das hohe Schönheitslob zu spenden, das es thatsächlich verdient; aber wie die zarte blonde Haut dieser Gestalt aus dem saftigen Dunkel der Büsche, die den Hintergrund bilden, hervorleuchtet, das ist echteste Poesie.
Ein drittes Gemälde des nämlichen Jahres, das sich in der Ermitage zu Petersburg befindet, hat seinen Stoff aus dem neuen Testament geschöpft. Es behandelt das Gleichnis von den Arbeitern des Weinbergs: im Schein der letzten Abendsonne sitzt der Herr des Weinbergs und hört dem einen Arbeiter zu, der murrend spricht: „Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleich gemacht.“ Durch die Macht des Ausdrucks, mit der Rembrandt selbst das scheinbar ganz Undarstellbare anschaulich zu machen wußte, verstand er es in ganz einziger Weise, die Gleichnisse des Evangeliums zu verbildlichen und die Möglichkeit der Darstellung in Stoffen zu finden, wo kein anderer eine solche Möglichkeit erblicken würde. So hat er in zwei Zeichnungen, die jetzt weit voneinander getrennt sind, indem die eine in der Sammlung des Herzogs von Aumale, die andere in der Albertina zu Wien sich befindet, das Gleichnis von dem unbarmherzigen Knecht behandelt, welches im 18. Kapitel des Matthäusevangeliums erzählt wird. Auf dem einen dieser Blätter sehen wir, wie der Knecht in demütiger Bitte, mit der Gebärde der Anbetung vor dem Herrn auf die Kniee gefallen ist, der nachrechnend über den Büchern sitzt, und wie dieser mit leicht gewendetem Haupt und milder Handbewegung – man glaubt ihn sprechen zu hören – dem Flehenden die Schuld erläßt. Das zweite Blatt ( Abb. 87 ) zeigt uns die nämlichen zwei Figuren; wieder kniet der Knecht am Boden, 76 aber diesmal kann er keine Vergebung mehr erwarten; denn zornig ist der Herr von seinem Sitze aufgestanden, und die nämliche Hand, die vorhin Gnade gewährte, ist jetzt zum erbarmungslosen Urteilsspruch über den Unbarmherzigen erhoben, der unter der Wucht des Urteils zusammenknickt.
Die Entstehungszeit der Handzeichnungen läßt sich meistens nur ganz annäherungsweise vermuten, da bei der Mehrzahl derselben die leicht und schnell hingeschriebenen Züge hierfür keine ausreichenden Merkmale bieten; und Jahreszahlen hat Rembrandt diesen Skizzen selten beigefügt. Die Jahreszahl zu vermerken hat der Meister für der Mühe wert gehalten, als er 1637 Gelegenheit hatte, einen Elefanten nach dem Leben zu zeichnen. In den Städten Hollands, das damals den ganzen überseeischen Handel beherrschte, und insbesondere in Amsterdam, wurden wohl öfter als irgendwo anders ausländische Tiere zur Schau gestellt, und Rembrandt, der das Studium um des Studiums willen liebte, suchte mit dem Skizzenbuch in 77 der Hand solche Schaustellungen auf. Den Elefanten hat er ganz meisterhaft gezeichnet; nicht nur das Ganze der Erscheinung, sondern auch die Eigentümlichkeit der Haut ist mit unübertrefflicher Charakteristik wiedergegeben ( Abb. 89 ). Flüchtiger, aber ebenso treffend hat Rembrandt einmal einen Löwen nach dem Leben gezeichnet ( Abb. 88 ). Daß er auch das Kamel, mit dessen Darstellung sonst die Maler alttestamentlicher Gegenstände manchmal so sehr wenig Glück gehabt haben, nach der Natur studiert hat, beweist uns die reizvolle Zeichnung mit der Begegnung von Elieser und Rebekka am Brunnen. Das liebenswürdige Blättchen, welches sich ebenso wie die vorgenannten Studienzeichnungen in der Albertina, der an Rembrandtschen Handzeichnungen reichsten Sammlung, befindet, ist in einzelnen Teilen, wie in der Figur des ermüdet dasitzenden Mannes, sorgfältig durchgebildet, in anderen, wie in den unter schattigen Bäumen sich um die Tränke drängenden Tieren, nur flüchtig angelegt, und da es sehr zart gezeichnet ist, enthüllt es uns nicht gleich beim ersten Anblick seine ganze Schönheit; haben wir uns aber erst einmal hineingesehen, so entzückt es uns als ein köstliches idyllisches Gedicht ( Abb. 90 ).
Zahme Tiere studierte Rembrandt häufiger mit der ganzen ihm eigenen Sorgfalt; 78 solche Studien führte er gelegentlich auch auf der Kupferplatte aus. Ein Beispiel ist der, wie man heute sagen würde, mit photographischer Treue wiedergegebene schlafende Hund ( Abb. 91 ).
Zu den biblischen Erzählungen, welche auf Rembrandt eine ganz besondere Anziehung ausübten, gehören neben der Geschichte des Tobias diejenigen des Simson und des ägyptischen Joseph. Mit beiden beschäftigte er sich im Jahre 1638. Den zwei vorhergegangenen lebensgroßen Gemälden aus der Geschichte Simsons ließ er ein figurenreiches Bild folgen, welches das Hochzeitsfest des Helden zum Gegenstand hat. Die Dresdener Galerie besitzt dieses mit einem wunderbaren Zauber der von den zartesten leuchtenden Perlmuttertönen zu den glühendsten, goldig-purpurnen Tiefen abgestuften Farbe bekleidete Gemälde. Durch die Farbe allein schon empfangen wir den Eindruck vornehmer festlicher Pracht, und wir vergessen darüber die Seltsamkeiten in der Darstellung der Personen. Den lichten Mittelpunkt des Gemäldes bildet die im reichsten bräutlichen Schmucke prangende Tochter des Thimnithers; die stolze Gelassenheit, mit der sie unter dem prächtigen Thronhimmel sitzt, läßt uns die Kaltblütigkeit ahnen, mit der sie das Rätselgeheimnis Simsons ihren Landsleuten verraten und sich dann von ihrem Vater einem anderen Manne geben lassen wird. Zu ihrer Linken hat Simson auf breitem, kissenbedecktem Ruhesitz seinen Platz am Kopfende der Tafel; mit ungeschlachter Bewegung hat er seine wilde Kraftgestalt herumgedreht und gibt, mit Mund und Händen sprechend, den Philistern das Rätsel auf, das ihm nur ein Vorwand zum Händelsuchen ist; wie die Umstehenden ihm zuhören – da ist jeder Kopf wieder ein Meisterwerk des Ausdrucks. Weiter unten an der reich besetzten Tafel geben die geputzten Gäste in bunter Reihe 80 sich der zwanglosesten Lustigkeit hin, – „wie die Jünglinge zu thun pflegen,“ im damaligen Holland nämlich, bei den ausgelassenen Gelagen, welche dort an der Tagesordnung waren. Es liegt eine Stimmung der Berauschtheit über dem Gemälde, in den Figuren und in der Farbe, und die kalte Erscheinung der Braut wird dadurch doppelt scharf hervorgehoben ( Abb. 92 ). – Der Geschichte des ägyptischen Joseph gehört eine der berühmtesten Radierungen Rembrandts an: „Joseph erzählt seine Träume.“ Das unmittelbar Sprechende des Ausdrucks bei den verschiedenen Personen, die innerliche Erregung Josephs, der beim Erzählen sich besinnt, um nicht das Geringste ungenau wiederzugeben von dem Merkwürdigen, das er geträumt hat, der nachdenkliche Ernst des im Lehnstuhl sitzenden greisen Israel und der altersmüden, auf dem Bette ruhenden Lea, alle Abstufungen der Mißgunst bei den Brüdern, die teils mit der Aufmerksamkeit des Neides lauschen, teils spöttisch untereinander zischeln, und von denen nur der junge Benjamin ohne Arg und ohne Falsch, mit rein kindlicher Neugier dem Erzähler über sein Lesebuch hinweg zuhört, – und nicht minder die reizvolle malerische Wirkung des Blattes rechtfertigen in vollstem Maße dessen alten Ruhm, der schon bei Lebzeiten Rembrandts so groß war, daß man, wie ein Zeitgenosse erzählt, in den Kreisen kunstsinniger Leute für ungebildet galt, wenn man nicht mindestens zwei Abzüge davon besaß, ein „Josephchen mit dem weißen Gesicht“ und ein „Josephchen mit dem schwarzen Gesicht.“ Auf den Abzügen nämlich, welche Rembrandt von der Platte in ihrem ersten Zustand genommen hat, ist bei dem hinter Joseph stehenden Bruder mit dem Turban auf dem Kopfe und dem Sammetmantel um die Schultern das Gesicht hell beleuchtet. Als aber eine Anzahl von Abzügen hergestellt war, veränderte Rembrandt 81 die Platte, indem er über jenes Gesicht, einen Teil des Turbans und die auf der Brust sichtbare Unterkleidung kräftige Schattentöne legte und im Anschluß daran die beiden benachbarten Gesichter und den anstoßenden Teil des Hintergrundes, Thür und Vorhang, mehr oder weniger abtönte ( Abb. 93 ). Bei dieser Behandlung hat das „schwarze Gesicht“ gegen das weiße entschieden an Ausdruck verloren, aber der Hervorhebung der Hauptfigur kommt die Änderung wesentlich zu gute. Übrigens wußte Rembrandt nicht bloß durch nachträgliche Bearbeitungen der Kupferplatte derartige Abwandlungen in eine Radierung zu bringen, daß die verschiedenartigen Abdrücke von den Sammlern wie verschiedenartige Werke geschätzt wurden und heute noch geschätzt werden. Auch die von ein und demselben Zustand einer Platte gezogenen Abdrücke sind bei wirkungsvollen Blättern häufig voneinander verschieden. Denn Rembrandt druckte seine Radierungen eigenhändig, und indem er hier den Ton verstärkte, dort milderte, erzielte er neue künstlerische Reize und Mannigfaltigkeiten der Wirkung. Wenn das Gerücht umging, er besitze Geheimnisse der Kupferstecherkunst, die keinem anderen bekannt seien, so bestand das Geheimnis außer in seinem Genie eben nur darin, daß er, selber druckend, auch beim Druck noch als schaffender Künstler zu Werke ging.
Von Bildnissen tragen nur wenige die Jahreszahl 1638. Man darf annehmen, daß die Fertigstellung der vom Prinzen von Oranien bestellten Folge von Gemälden mit der Erlösungsgeschichte jetzt seine Zeit fast vollständig in Anspruch nahm.
Zu den wenigen Bildnissen, zu deren Ausführung er zwischendurch noch Zeit fand, gehört vielleicht das in der Ermitage zu Petersburg befindliche Bild seiner Mutter. Rembrandt hatte seine bejahrte Mutter in den letzten Jahren ihres Lebens – sie starb im September 1640 – mehrmals abgemalt. 82 In wunderbarer Weise wußte er in der Haltung und den Zügen der ehrwürdigen Frau den klaren Seelenfrieden eines ruhigen, gottergebenen Greisenalters zur Anschauung zu bringen. Eines der letzten ihrer Bildnisse, von 1639, besitzt die Wiener Hofgemäldesammlung, ein ausgezeichnetes Bild, welches die alte Dame in einer dem Geschmack ihres Sohnes entsprechenden reichen Kleidung, beide Hände auf einen Stab stützend, zeigt.
Unter den übrigen Gemälden des Jahres 1639 ragt das in lebensgroßer ganzer Figur ausgeführte vornehme Bildnis eines in schwarzen Atlas gekleideten Mannes in der Kasseler Galerie hervor.
Aus dem letzten der Briefe, welche Rembrandt in der Angelegenheit seiner für den Prinzen von Oranien gemalten Bilder an dessen Sekretär Constantin Huigens richtete, erfahren wir, daß er Anfang 1639 diesem Herrn aus Erkenntlichkeit für das Wohlwollen und die Zuneigung, die er ihm bewiesen hat, ein Gemälde schenkt. Den Gegenstand des geschenkten Bildes nennt Rembrandt nicht; aber er bittet den Empfänger, dasselbe in sehr heller Beleuchtung und so, daß man es auf große Entfernung sehen könne, aufzuhängen.
Bei der Ablieferung eben der vom Statthalter bestellten Gemälde wurde Rembrandt mit einem Manne bekannt und, wie es scheint, auch befreundet, der für ihn insofern von besonderer Wichtigkeit war, als aus seinen Händen der Schatzmeister des Prinzen die Mittel empfing, um Rembrandt zu bezahlen. Das war der Steuereinnehmer der Staaten – Obersteuerdirektor würden wir sagen – Pieter Uytenbogaerd. Dessen Bild führte Rembrandt alsbald in einer prachtvollen Radierung aus. Uytenbogaerd – nicht zu verwechseln mit dem gleichfalls von Rembrandt abgebildeten gleichnamigen Prediger – ist in seiner amtlichen Thätigkeit dargestellt. Er sitzt in einem Gemach, dem, 83 trotzdem daß es nur der dienstlichen Arbeit dient, ein gewisser Aufwand der Ausstattung nicht fehlt: der Arbeitstisch ist mit einer prächtigen Decke bekleidet, und an der Wand hängt ein ziemlich großes Gemälde, das die Errichtung der ehernen Schlange in der Wüste vorstellt. Aber das Gemälde wird unseren Augen zum Teil entzogen durch ein unter der Zimmerdecke im Handbereich des Einnehmers angebrachtes Aktengestell, von dem die Goldwage über den Tisch herabhängt; und auf der schönen Tischdecke stehen schwere Geldsäcke und ein schmuckloses kleines Pult zur Aufnahme des großen Eintragebuches, in welches der seinem Stande gemäß sehr reich gekleidete hohe Beamte Zahlen an Zahlen reiht. Er hält die Feder in der Rechten und reicht mit der Linken eines der Säckchen, dessen Gewicht eben festgestellt worden ist, einem jugendlichen Diener, der dasselbe kniend – der junge Freistaat hatte noch nicht alle Überbleibsel strenger spanischer Etikette abgeschafft – in Empfang nimmt. Auf dem Fußboden sehen wir eine große eisenbeschlagene Kiste und mehrere Fässer, von denen eins, mit dem daneben liegenden Hammer geöffnet, seinen aus Geldstücken bestehenden Inhalt erkennen läßt. Im Hintergrunde blicken wir durch eine Art Schalter in einen Vorraum, wo mehrere Personen auf ihre Abfertigung durch den Herrn Einnehmer warten ( Abb. 94 ).
Sein eigenes Bildnis hat uns Rembrandt in diesem Jahre in der herrlichen Radierung gegeben, welche wohl das von all seinen Selbstbildnissen am meisten bekannte ist: „Rembrandt mit dem aufgestützten Arm.“ Der Meister steht oder sitzt hinter einer am unteren Rand der Platte angegebenen Brüstung und lehnt sich auf dieselbe mit dem linken Arm, um den der bestickte Schultermantel malerisch herumgenommen ist; die rechte Hand hat er in die Brust gesteckt, und den Kopf, den ein keck auf das rechte Ohr geschobenes Barett bedeckt, wendet er über die linke Achsel dem Beschauer zu. Die nachdenkliche Stirn ist schon furchig geworden, und die Gewohnheit prüfenden Sehens hat die Haut über den Augenlidern herabgesenkt; aber trotz solcher Zeichen scheidender Jugend 84 spricht die höchste Frische des Geistes und des Körpers aus diesem Gesicht, das die noch unverminderte Lockenfülle in üppiger Länge einrahmt und das neben dem Schnurrbart ein spitzer Kinnbart ziert. Dies ist das Gesicht, welches den meisten modernen Darstellungen von Rembrandts Person zu Grunde liegt; auch zu dem Standbild, welches dem Meister im Jahre 1852 zu Amsterdam errichtet worden ist, hat es gedient. Ein anderes Selbstbildnis, das wohl nicht viel später entstanden ist, sondern nur durch den Ausdruck, in dem eine gemachte Strenge mit natürlicher Ermüdung streitet, die Züge älter erscheinen läßt, gibt uns den ungewöhnlichen Anblick, daß Rembrandt seinem Bartwuchs an Kinn und Wangen volle Freiheit gelassen hat. Gesicht und Haare sind hier mit besonderer Feinheit ganz köstlich ausgeführt, und meisterhaft sind die verschiedenen Stoffe gekennzeichnet, der Sammet des mit einer Straußenfeder geschmückten Baretts, die Seide und die Goldtressen des pelzgefütterten Mantels ( Abb. 95 ).
Ein sehr fremdartiger Gegenstand begegnet uns unter den Radierungen des Jahres 1639. „Die Jugend vom Tod überrascht“ heißt das Blatt. Vor einem jungen Herrn und einer jungen Dame in gewählter Modetracht taucht plötzlich der Tod als Gerippe mit Sense und emporgehobener Sanduhr aus dem Boden auf. Sicherlich ist Rembrandt durch den Anblick der Totentanzbilder Holbeins, dessen Holzschnitte einen Bestandteil seiner sehr umfangreichen Kunstsammlung bildeten, zu dieser Phantasie angeregt worden.
Das Hauptmeisterwerk des Jahres 1639 aber ist die Radierung „der Tod Marias,“ ein sehr großes, großartig geistreiches und wirkungsvolles Blatt. Maria liegt in einem Himmelbett. Zu ihrer Rechten steht ein Priester mit einem stabtragenden Knaben und einem Schleppträger, in phantastischer, 85 dem katholischen Bischofsornat in freier Umbildung entliehener Tracht; die herabhängenden Hände ineinander faltend, blickt er die Sterbende ernst und sinnend an; was seines Amtes war, hat er vollendet. Noch weiter im Vordergrunde sitzt an einem Tische ein Vorleser in reicher morgenländischer Tracht; er hat aufgehört zu lesen und wendet den Blick gleichfalls nach Maria hin. Denn diese hat eben den letzten Atemzug gethan, schlaff liegen Haupt und Hände in den Kissen. Wohl hebt Petrus, der vorderste der Apostel, die sich im Verein mit Frauen, die den Ausbruch ihres Schmerzes zurückzuhalten nicht mehr imstande sind, an der linken Seite des Bettes zusammendrängen, mit dem Kopfkissen 86 das Haupt Marias empor und versucht durch ein Riechmittel, das er in ein Tuch gegossen hat, das Leben noch einen Augenblick zu fesseln; ob noch eine Spur von Leben vorhanden sei, sucht der mit einem Turban bekleidete Arzt am Puls zu erforschen. Aber die Seele gehört der Erde nicht mehr an; während im Gemache überall die Trauer über den irdischen Tod herrscht – besonders schön ist die Gestalt des mit ausgebreiteten Händen dastehenden Jüngers Johannes –, dringt vom Himmel herab eine Wolke durch die Balkendecke des Zimmers; sie ist mit Licht gleichsam gefüllt und wirft flutendes Licht auf das Bett und die Leiche. Im Licht schwebt ein Engel herab, von Kinderengeln begleitet, um die Seele der Reinsten in Empfang zu nehmen. – Während die unteren Figuren, wenn auch mit leichter Hand, so doch sehr sorgfältig ausgeführt sind, sind die Engel und Wolken nur ganz flüchtig skizziert; aber was bei einem anderen Künstler als grobe Nachlässigkeit erscheinen würde, dient hier als wirksamstes, geistvollstes Mittel, um von dem Irdischen das Überirdische, Traumhafte, Erscheinende, nicht mit dem materiellen Auge Wahrnehmbare und Festzuhaltende zu sondern. Je länger wir das herrliche Blatt ansehen, um so mehr werden wir davon hingerissen ( Abb. 96 ).
Nicht mit einer Jahreszahl bezeichnet, aber, seiner Behandlungsweise nach zu urteilen, wohl um dieselbe Zeit entstanden ist das gleichfalls sehr wirkungsvolle Blatt: „Der Triumph des Mardochai.“ Von Haman geleitet, der die Empfindung seiner Demütigung hinter gewaltsamer Gebärdensprache verbirgt, reitet Mardochai, mit Scepter und goldener Halskette, mit 88 Fürstenhut und hermelinbesetztem Mantel ausgestattet, auf einem Schimmel durch das Volk, das sich unterwürfig und jubelnd um ihn drängt, wie eben die Menge dem Helden des Tages zu huldigen pflegt, mag sie auch gestern noch dessen jetzt gedemütigtem Gegner zugejauchzt haben; von einer Art von Balkon aus, in einer Säulenhalle, sehen der König Ahasverus und Esther dem Schauspiel zu ( Abb. 97 ). Ein Teil der Figuren ist auf diesem Blatte nur in leichten Umrißlinien skizziert, aber dafür um so bewunderungswürdiger im Ausdruck. Wir dürfen deshalb das Blatt nicht für unfertig halten: Rembrandt hat diese Figuren so stehen lassen, weil er sah, daß ihre große Lichtmasse der Bildwirkung des Ganzen zu gute kam. Übrigens hat Rembrandt auch manche Platten unfertig liegen lassen und dennoch für die Liebhaber Abzüge davon gemacht. Diese Abzüge haben den eigenen Reiz, daß sie erkennen lassen, in welcher Weise der Meister bei seinen Radierungen zu Werke ging. Besonders belehrend ist in dieser Beziehung das Blatt, welches den Titel „Pygmalion“ führt, aber weiter nichts vorstellt, als einen in seiner Werkstatt sitzenden Maler – wohl den Meister selbst –, der nach einem weiblichen Modell eine Aktstudie zeichnet. Der größte Teil dieses Blattes ist mit flüchtigen Umrissen so leicht angelegt, daß man nur eben erkennen kann, was gemeint ist; dabei ist aber der obere Teil des Hintergrundes mit genauer Aussparung der Umrisse bis zur letzten Vollendung ausgeführt; man sieht, mit welcher unbedingten Sicherheit der Meister von vornherein wußte, was er wollte.
Gleichsam zur Erholung von seinen gedanken- und empfindungsreichen Schöpfungen radierte Rembrandt zwischendurch immer wieder einmal Straßenbilder nach dem Leben. Die komische Figur eines armen alten Mannes mit hoher Judenmütze trägt die Jahreszahl 1639 ( Abb. 98 ). Auch die Übungen nach den Köpfen bezahlter Modelle setzte der Meister nicht aus. So ist die wunderbar fein gezeichnete Radierung von 1640 mit dem Brustbild eines bärtigen Greises, der eine ungewöhnlich geformte Mütze trägt (hiernach als „Mann mit der gespaltenen Mütze“, oder auch als „Greis mit dem viereckigen Bart“ bezeichnet), sicherlich kein bestelltes Bildnis, sondern nur eine derartige Übungsarbeit ( Abb. 99 ).
Ein in großem Format radiertes Kniestück, welches eine reichgekleidete behäbige Frau mit kleinen Augen und dicken Lippen 90 und mit prächtigem aufgelösten Haar zeigt, bekannt unter dem Namen „die große Judenfrau“ ( Abb. 100 ), wird von einigen als ein Bild von Frau Saskia angesehen. Aber die alte Bezeichnung dürfte doch zutreffender sein, so daß wir das Bildnis einer reichen Jüdin vor uns hätten. Denn wenn Rembrandt auch bei den Studien, die er nach sich selbst oder seiner Frau machte, es mit der Ähnlichkeit nicht immer genau nahm, eine derartige Verhäßlichung Saskias würde doch allzu befremdlich sein. Wie ungleich anmutiger die Gattin des Meisters, obgleich sie inzwischen stärker und gesetzter geworden, um das Jahr 1640 noch war, beweist uns das schöne Bild in der Dresdener Galerie, welches die etwa Achtundzwanzigjährige zeigt, wie sie mit freundlichen Blicken dem Beschauer eine Nelke hinreicht, während die an die Brust gelegte linke Hand, welche die reizvollen Grübchen der Fingergelenke sehen läßt, zu sagen scheint, daß die kleine Blumengabe herzlich gemeint sei ( Titelbild ).
Eines der allerbesten Meisterwerke von Rembrandts Bildnismalerei trägt die Jahreszahl 1640. Es ist das Bild des Vergolders, welcher Rembrandt die Rahmen für seine Gemälde lieferte. Wie dieser ehrsame Handwerker, der sich indessen mit der Würde, die einem Bürger der Stadt Amsterdam zukommt, zu tragen weiß, mit seinen schlichten und ehrlichen Zügen so schlicht und ehrlich wiedergegeben ist, das ist die denkbar wahrheitsgetreueste Nachbildung der Wirklichkeit, dabei aber zugleich durch den künstlerischen Reiz, der sich nicht erklären, sondern nur empfinden läßt, durch die unfaßbare Poesie der Malerei eines der größten Kunstwerke aller Zeiten ( Abb. 101 ). Im Gegensatze zu der Farbenfreudigkeit jenes annähernd gleichzeitigen Bildnisses der Saskia bewegt sich hier der Wohllaut der Farben in den einfachsten Tönen: vor einem grauen Hintergrund ein schwarzer Rock, ein schwarzer Hut, dazu eine weiße Krause und die gesunde Gesichtsfarbe des Mannes; weiter nichts – aber es war Rembrandt, der diese Töne zusammengestimmt hat. Das Prachtgemälde bildete früher einen Bestandteil der Sammlung des Herzogs von Morny zu Paris; seit dem Verkauf dieser Sammlung im Jahre 1865 hat es mehrmals den Besitzer gewechselt und befindet sich jetzt in den Händen des Herrn Havemeyer zu New York.
Von mehreren biblischen Gemälden, die Rembrandt 1640 vollendete, sind zwei, eine 91 Heimsuchung und eine Kreuzabnahme, in den Sammlungen englischer Lords verborgen. Ein drittes, eine heilige Familie, befindet sich im Louvre. Dieses kleine, schöne Bild ist ganz häuslich und ganz menschlich aufgefaßt, es wird auch daher schlechtweg „die Familie des Tischlers“ genannt. Auch die Beleuchtung ist keine überirdische, sondern sie geht von einem ganz natürlich zu erklärenden Sonnenstrahl aus. Wie aber trotzdem Rembrandt durch die Poesie des Lichtes die Darstellung weit über das Alltägliche hinauszuheben gewußt hat, daß wir das Göttliche ahnen, das in dieser Handwerkerfamilie wohnt, das läßt sich nicht treffender schildern, als es Charles Blanc 92 mit meisterhaften Worten gethan hat: „Es ist die düstere Werkstätte eines Zimmermanns; eine junge Frau hält ein Kind in den Armen, die Großmutter beugt sich hin, um den Enkel zu betrachten, und neben dem Fenster, welches einen grauen, bedeckten Himmel durchblicken läßt, läßt der Handwerksmann seinen Hobel über ein Brett gleiten. Obgleich der Himmel umwölkt ist, hat doch ein dünner Sonnenstrahl durch eine unsichtbare Öffnung sich eingeschlichen, berührt das Kind, erwärmt, vergoldet, überschwemmt es mit Licht und bricht sich sodann an allen Teilen des Zimmers, in Bälde aber von dem Halbdunkel aufgezehrt. Das Gesicht der jungen Mutter glänzt und erheitert sich, jenes der Alten leuchtet infolge jener plötzlichen Heiterkeit, das Kind scheint selbst ein leuchtender Körper zu sein! Doch wie? sind wir nicht in Marias Behausung? Diese Mutter ist eine Jungfrau, und ihr Kind verheißt uns einen Gott!“
Um diese Zeit fing Rembrandt an, einer neuen Gattung gewissenhaften Studiums seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Von des Meisters großer Begabung, seinen Kompositionen durch dichterisch erfundene Landschaft einen stimmungsvollen Hintergrund zu geben, sind uns bisher schon manche Proben geboten 93 worden. Mit dem reizvollen Blatt „der Kanal“ aber beginnt im Jahre 1640 die Reihe der Radierungen, in denen Rembrandt Stückchen seines Heimatbodens schlicht und treu der Wirklichkeit nachzeichnete und dabei Gegenden, die einem anderen ganz und gar poesielos erschienen wären, künstlerische Reize abgewann, weil er sie eben mit Künstleraugen anschaute. Das Jahr 1641 bringt uns von solchen geistvollen, der Natur nachgeschriebenen Blättern zwei besonders berühmte, „die Windmühle“ und „die Strohhütte mit dem großen Baum.“ Auf dem erstgenannten, das auch als „die Mühle Rembrandts“ bezeichnet wird, weil lange Zeit die irrige Meinung verbreitet war, Rembrandt, der Müllerssohn, habe in einer Windmühle am Rhein, zwischen Leiderdorp und Koudekerk, das Licht der Welt erblickt, sehen wir nichts als eine Windmühle, ein paar Häuser und einen ganz flachen Horizont; aber welcher feine, namenlose Reiz – das unerklärbare Geheimnis echter Kunst – liegt in der Wahrheit, mit der dieses an und für sich so reizlos scheinende Stück aus einer eintönigen Gegend wiedergegeben ist ( Abb. 102 ). Das andere, in bedeutend größerem Maßstabe ausgeführte Blatt zaubert aus einer niedrigen alten Strohhütte und einem Lindenbaum, einem zwischen flachen Wiesenufern regungslos hingleitenden Wasser, einigen in der Ferne sichtbaren Windmühlenflügeln und einer den niedrigen Horizont abschließenden Stadt ein hochpoetisches Bild hervor ( Abb. 103 ). – Drei Skizzenbuchblätter Rembrandts aus der Handzeichnungensammlung der Albertina mögen als weitere Beispiele dienen von des Meisters feinfühligem landschaftlichen Sinn und seiner Gabe, auch im Unbedeutendsten das künstlerisch Ansprechende zu sehen ( Abb. 104 , 105 , 106 ). Dabei wendet der Meister des Helldunkels bei solchen auf Spaziergängen gesammelten Studien fast gar kein Wirkungsmittel von Hell und Dunkel 94 an; er zeichnet fast nur mit Umrißlinien, und mit diesen Umrißlinien weiß er eine ganze Stimmung zu malen, er läßt uns den eigentümlichen Zauber einer ruhigen, spiegelnden Wasserfläche und den feinen Reiz der in duftiger Zartheit schimmernden weiten Ferne so vollständig empfinden, als ob alle Mittel der Farbenkunst hier aufgeboten wären.
Das Jahr 1641 weist wieder eine ansehnliche Zahl von Bildnissen auf. Zu ihnen gehört das Prachtbild der Mutter des nachmaligen Bürgermeisters Jan Six, welches sich noch im Besitz der Familie Six zu Amsterdam befindet. Ferner das vor kurzem für das Berliner Museum erworbene Doppelbildnis des Mennonitenpredigers Anslo und einer Dame in Witwentracht, die in tiefem Leid den lebhaft vorgetragenen Trostworten des geistlichen Herren zuhört ( Abb. 107 ). – Um die nämliche Zeit dürfte das in Abb. 108 97 wiedergegebene, in der Ermitage zu Petersburg befindliche Bild entstanden sein, das sorgfältig ausgeführte Porträt einer unbekannten ältlichen Dame in Pelzmantel und schwarzem Schleier; die an sich harten Züge dieser Frau gewinnen durch Rembrandts Auffassung etwas Liebenswürdiges, und wunderbar schön sind die Hände gezeichnet. – Wie der Künstler selbst um diese Zeit aussah, zeigt uns ein prächtiges Brustbild in der Sammlung des Buckinghampalastes ( Titelbild ).
Unter den radierten Bildnissen von 1641 zeichnet sich das in höchster malerischer Weichheit ausgeführte Bild eines vornehmen jungen Mannes aus, der vor seinem Schreibpulte sitzt; eben hat er ein Buch zugeschlagen und denkt nun über etwas nach, das er niederschreiben will ( Abb. 109 ). – Von sonstigen Radierungen dieses Jahres verdient das Blatt besondere Erwähnung, welches die Madonna in den Wolken darstellt. Weder die Jungfrau noch das Kind sind schön, und die starke Betonung der jüdischen Stammeseigentümlichkeit und der Zugehörigkeit zu den niederen Ständen berührt uns gar fremdartig; und dennoch liegt eine unbeschreibliche Erhabenheit in dem gottergeben nach oben gewendeten Antlitz der Mutter und in dem Zauber des Lichts, das von den beiden ausstrahlt und die Wolkenränder beleuchtet, während in der Tiefe nächtliches Dunkel lagert. Es ist bei Rembrandt etwas ganz Ungewöhnliches, daß er in seinen Kompositionen den irdischen Boden so vollständig verläßt, wie er es in diesem Blatte gethan hat. Häufiger gab er in dem Bestreben, die biblischen Gestalten so recht glaubhaft zu verkörpern, den biblischen Darstellungen ein so schlicht natürliches Ansehen, daß man einfache Genrebilder in ihnen zu sehen glaubt. Dahin gehört das sehr feine kleine Blatt von 1641, welches darstellt, wie Jakob den Laban, der ihn nicht heimziehen lassen will, mit stolzem Selbstbewußtsein zur Rede stellt, das auch, wenn man den Gegenstand einmal erkannt hat, als ein Meisterwerk des Ausdrucks bewunderungswürdig ist, ohne daß man sich indessen darüber zu wundern braucht, wenn das Blatt gewöhnlich nur „die drei Orientalen“ genannt wird ( Abb. 110 ).
Im Ausdruck liegt auch in erster Linie das Bewunderungswürdige des in Lebensgröße ausgeführten Gemäldes von 1641: „das Opfer des Manoah,“ in der Dresdener 98 Galerie. Die beiden alten Leute, denen die Geburt des Simson verheißen worden ist, knieen in frommer Demut vor dem Opferaltar; in ruhiger Zuversicht betet das Weib, nicht minder gläubig, aber erschüttert durch den Anblick des in der Lohe emporfahrenden Engels, der Mann. Wunderbar ist es ausgedrückt, wie die Erscheinung des Engels sich verflüchtigt – im nächsten Augenblick wird er unsichtbar sein; nur schade, daß die Gestalt des Verschwindenden gar so unglücklich in der Form ausgefallen ist, so daß sie den Eindruck beeinträchtigt, den das sonst durch die Einfachheit der Komposition und den Ernst der Farbenstimmung so großartig wirkende Bild ausübt ( Abb. 111 ).
Ein gleichfalls sehr großartiges, wirkungsvolles biblisches Gemälde aus dem Jahre 1642 befindet sich in der Ermitage zu Petersburg. Es stellt die Versöhnung Jakobs mit Esau dar: „Esau lief ihm entgegen und herzte ihn und fiel ihm um den Hals und küßte ihn, und sie weinten.“ Es liegt eine seltsame Stimmung über dem Bilde. Dunkele Wolken bedecken den Himmel, die nur an einer Stelle eine unbestimmte Helligkeit durchblicken lassen; die begleitenden Völker der beiden Brüder verschwinden in der Finsternis: aber sie selbst sind hell beleuchtet, daß der reiche Schmuck an ihren Kleidern und an Esaus Kriegsschwert glänzt und blitzt. Niemand könnte sagen, woher bei einer solchen Dunkelheit ein solches Licht kommt; es ist der künstlerische Ausdruck einer Empfindung, das Licht der Bruderliebe, das wie ein plötzlicher Himmelsstrahl in die Nacht des kampfbereiten Unfriedens hereinbricht ( Abb. 112 ).
Das Wirken eines geheimnisvollen Lichts, für das es keine natürliche Erklärung gibt, dessen Quelle nur eine künstlerische Einbildungskraft ist, welche an die Stelle alles dessen, was auf der Erde Licht spenden kann, eine selbstgeschaffene Sonne setzt, beherrscht von nun an Rembrandts Kompositionen. Mit seinem seltsam zauberischen Goldton beginnt es selbst die natürlichen Lokalfarben aufzuzehren.
Nirgends tritt dieses Licht so stark, nirgends aber auch so befremdlich in die Erscheinung, wie in dem größten und berühmtesten Gemälde des Meisters, das er in dem nämlichen Jahre 1642 vollendete und das, weltberühmt unter dem unzutreffenden Namen „die Scharwache“ (oder „die Nachtwache“), den stolzesten Besitz des Reichsmuseums zu Amsterdam bildet. Wie Rembrandt zehn Jahre früher die Vorsteher der Chirurgengilde und den Professor Tulp in einem gemeinschaftlichen Bilde abgemalt hatte, so wurde ihm jetzt die Aufgabe gestellt, den Amsterdamer Schützenhauptmann Frans Banning Cock mit seiner Kompanie in einem großen Gemälde zu verewigen, welches für deren Gildenhaus bestimmt war. Aber hier war eine ungleich größere Anzahl von Personen zu vereinigen, als in dem Chirurgenbild. Rembrandts Vorgänger hatten derartige Aufgaben gelöst, so gut es ging, und 99 sich bemüht, einem jeden der Beitragzahler sein Recht zukommen zu lassen, daß er ebenso deutlich gesehen und erkannt würde wie die übrigen; die Vereinigung der Personen bei einem Festmahl war die beliebteste Art und Weise, Leben in die Nebeneinanderstellung der vielen gleichmäßig beleuchteten Bildnisköpfe zu bringen. Rembrandt aber schuf ein Bild voll bewegten Lebens, indem er den Augenblick wählte, wie die Kompanie, im Begriff sich zu einem Zuge zu ordnen, aber noch in voller Unordnung, das Schützenhaus verläßt. Und über diesen bewegten Vorgang goß er sein Zauberlicht aus, mit dessen Hilfe er aus dem Genossenschaftsbild der Amsterdamer Schützen ein in seiner Art ganz einzig dastehendes, jeden Beschauer mit einer seltsamen Macht ergreifendes Kunstwerk schuf. In der Mitte des Bildes schreitet an der Spitze seiner Kompanie der Kapitän Frans Banning Cock. Ein voller Lichtstrahl trifft seinen Oberkörper, und seine im Gespräch mit dem neben ihm gehenden Leutnant Willem van Ruytenberg erhobene Hand wirft einen scharfen Schlagschatten auf dessen helles Lederkoller. Der in vornehme dunkele Tracht gekleidete Hauptmann führt als Würdezeichen nur einen Stab, der Leutnant trägt die Partisane in der Hand. Hinter den beiden drängen sich die mannigfaltig gekleideten und ausgerüsteten Schützen mit Arkebusen und Spießen; Zugordner mit Hellebarden werden auf beiden Seiten sichtbar, und eifrig rührt der Tambour seine Trommel. Neben einem der Schützen, der eben beschäftigt ist, im Gehen sein Gewehr zu laden, läuft neckisch lachend ein Knabe, der sich eine Sturmhaube aufgestülpt hat. Zwei andere Kinder, besonders auffallend ein hellgekleidetes Mädchen, an dessen Gürtel ein weißer Hahn – wie vermutet wird, ein Schützenpreis – hängt, bewegen sich, den Zug quer durchkreuzend, am Fuß der Treppe, auf deren Höhe zwischen anderen der Fahnenträger Jan Visser Cornelißen seine stolze Gestalt zeigt. Die Namen der Schützen sind auf einer am Thorpfeiler angebrachten Tafel angeschrieben. Es sind sechzehn Personen, die hier genannt werden; wir können aus dieser Zahl die Summe berechnen, welche Rembrandt für seine Arbeit bekam, da wir aus einer in Erbschaftsangelegenheiten gemachten gerichtlichen Aussage eines der Beteiligten erfahren, daß der Beitrag des einzelnen zu dem Bilde hundert Gulden betrug. Das Bild befand sich bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts in dem am Singel gelegenen Vereinshause der Bürgerschützen. Dann wurde es in das Stadthaus übergeführt, und bei dieser Gelegenheit soll es, um es dem vorhandenen 100 Raum zwischen zwei Thüren anzupassen, an den Seiten beschnitten worden sein. In der That zeigt eine in der Londoner Nationalgalerie befindliche alte Kopie (die wegen ihrer guten Erhaltung, infolge deren sie manches deutlicher erkennen läßt als das Original, unserer Abbildung zu Grunde gelegt ist) mehr von der Gestalt des Trommlers als das Original, und gegenüber werden hinter dem auf einer Brüstung sitzenden Sergeanten mit der Hellebarde noch zwei Figuren sichtbar, welche dort gänzlich fehlen ( Abb. 113 ).
In dem nämlichen Jahre, welches die Vollendung des Bildes sah, das allein schon ausreichen würde, Rembrandts Namen die Unsterblichkeit zu sichern, entriß der Tod dem Meister die Gattin. Saskia hatte Rembrandt in siebenjähriger Ehe vier Kinder geschenkt, von denen aber nur das letzte, ein Sohn, der am 22. September 1641 auf den Namen Titus getauft wurde, die Mutter überlebte. Am 5. Juni 1642 machte Saskia, krank und bettlägerig, ihr Testament. Vierzehn Tage später ward sie aus dem Hause in der Breestraat, welches Rembrandt wenige Jahre vorher gekauft und mit künstlerischer Pracht eingerichtet hatte, hinausgetragen und auf dem Friedhof der Alten Kirche ( Oude Kerk ) begraben. – Rembrandts Trost war seine Arbeit. Beim Anblick der Radierungen, welche die Jahreszahl 1642 tragen, möchten wir denken, daß der Meister hier einen Teil der Empfindungen, die ihn beim Verlust der Gattin bewegten, verarbeitet hat. Wie der heilige Hieronymus, den er darstellt, wie er tief versunken über dem Buch der Bücher sinnt und sich nicht davon trennen kann, ob auch die Nacht hereinbricht und nur noch ein spärlicher Dämmerungsschimmer durch das Fenster des Gemaches dringt, so sucht auch er Beruhigung in der Einsamkeit und in der heiligen Schrift. Er denkt an den Tod des Erlösers und skizziert mit wenigen ausdrucksvollen Strichen eine ergreifende Darstellung der Kreuzabnahme auf eine Kupferplatte ( Abb. 114 ). Er vergegenwärtigt sich die Verheißungen des Siegers über den Tod und schafft das hochpoetische Blatt, welches uns den Heiland zeigt, wie er den Lazarus aus seinem in einer Felsengrotte gelegenen Grabe ins Leben zurückruft, nicht wie auf jener älteren Radierung mit machtvollem Gebot, sondern mit mildem und friedlichem Segensspruch ( Abb. 116 ). – Dann versucht er sich das Bild der Verstorbenen so lebendig zurückzurufen, daß er das, was in seinem Gedächtnis erscheint, auf die Leinwand bannen kann, als ob Saskia noch leibhaftig vor ihm säße. Nicht ohne Rührung können wir das im Jahre 1643 gemalte wunderbar schöne Bild im Berliner Museum betrachten, welches uns die Gattin des Meisters in verklärter Lieblichkeit, mit ihrem holdseligsten Lächeln zeigt.
Die Jahre 1644 und 1645 bringen außer Bildnissen wieder mehrere biblische Gemälde. Von 1644 ist das figurenreiche 101 und empfindungstiefe Bild in der Londoner Nationalgalerie: „Die Ehebrecherin vor Christus.“ Von den Werken des folgenden Jahres besitzt das Berliner Museum zwei ganz kleine, aber durch die feine Wirkung anziehende Bildchen: das eine stellt die Frau des Tobias dar, wie sie die Ziege heimbringt, die ihr Mann nicht annehmen will wegen des Verdachts, daß sie gestohlen sei; das andere, das sich durch die Schönheit der Farbe ebenso wie durch diejenige der Wirkung auszeichnet, zeigt den heiligen Joseph, dem im Traume der Engel erscheint, um ihm die Flucht nach Ägypten zu befehlen.
Wie Rembrandt 1643 seine Gattin in einem Bilde hatte wiederaufleben lassen, so machte er sich 1645 das Andenken seines schon 1638 verstorbenen Freundes, des Predigers Jan Cornelisz Silvius, lebendig, indem er dessen ausdrucksvolle Züge in einem gemalten Bildnis, welches sich jetzt im Besitze von Herrn A. von Carstanjen in Berlin befindet, und außerdem in einer lebensvollen Radierung wiedergab.
Ein Hauptwerk von Rembrandts Porträtmalerei ist das mit der Jahreszahl 1645 bezeichnete Bild eines alten jüdischen Kaufmannes, der in dunkelbraunem Rock, in braunem Pelzmantel und Pelzmütze dasitzt, die beiden mageren Hände auf einen Stock gestützt, die Blicke kühl und ruhig auf den Beschauer heftend. Dieses Gemälde ist schon in alter Zeit wiederholt kopiert worden; das Original befindet sich in der Ermitage zu Petersburg, gute alte Nachbildungen in den Galerien von London und Kassel. Das holländische Reichsmuseum zu Amsterdam besitzt ein nicht minder vortreffliches Bildnis, das um die nämliche Zeit entstanden sein muß, in dem Bild der bejahrten Witwe des Admirals Swartenhondt, die in schwarzseidenem Kleide mit Pelzbesatz, in weißem Kragen und weißer Haube im Lehnstuhl sitzt und mit zusammengelegten Händen über dasjenige nachzudenken scheint, was sie eben in der neben ihr liegenden Bibel gelesen hat. – Ein Prachtbild aus annähernd derselben Zeit ist auch das in Abb. 115 wiedergegebene Porträt eines alten Rabbiners im Buckinghampalast.
Wenn wir solche Bildnisse mit den früheren vergleichen, so gewahren wir eine augenfällige Veränderung der Vortragsweise. An die Stelle der fleißigen Sorgfalt, mit der er sonst die Farben miteinander zu verschmelzen pflegte, ist eine kühne Sicherheit getreten, welche das ganze Maß von Vollendung scheinbar ganz mühelos erreicht, indem jeder Pinselstrich mit Unfehlbarkeit die Stelle trifft, wo er sitzen soll. Mit den vierziger Jahren beginnt, ungefähr gleichzeitig mit dem Auftreten der eigentümlichen 102 goldigen Beleuchtung, in Rembrandts Malerei die breite Vortragsweise, die das Staunen und die Bewunderung aller ist, welche Rembrandts Werke mit Handwerksinteresse betrachten.
Eine ergreifende Schöpfung ist die kleine Radierung von 1645, welche Abraham und Isaak auf dem Weg zur Opferstätte zeigt. Sie sind auf der einsamen Höhe des von Wolken umzogenen Berges angelangt. Abraham, der in der reichen morgenländischen Tracht erscheint, die Rembrandt sich für die Patriarchen ersonnen hatte, hat das Feuerbecken zu Boden gesetzt und hat sich nach seinem Knaben umgewendet; der aber steht erstaunt und hält das Holzbündel, das er von der Schulter genommen hat, noch unschlüssig vor sich; seine Augen suchen fragend nach dem Opfertier, das unter dem breiten Schächtmesser, welches der Vater am Gürtel trägt, verbluten soll; sein kindlicher Verstand kann nicht fassen, was der Vater mit einem Gesicht, dessen Muskeln zu zucken scheinen, um die Rührung gewaltsam niederzukämpfen, und mit aufwärts deutender Hand ihm sagt, daß Gott sich schon das Opferlamm ersehen habe ( Abb. 117 ). Dem Gedanken nach zu diesem Blatt gehörig, wenn auch vielleicht nicht gleichzeitig mit demselben entstanden, ist ein anderes, welches die Schwere des Opfers, das darzubringen Abraham sich dort anschickt, durch ein gemütvolles Genrebild hervorhebt: Abraham sitzt vor der Thür seines Hauses und seine knochige Hand gleitet zärtlich über die runde Wange des Knaben, den er lieb hat und der sich, fröhlich lachend, mit einem Apfel in der Hand, zwischen die Kniee des Vaters schmiegt ( Abb. 118 gibt den seltenen ersten Plattenzustand der Radierung wieder). – Mehrere nach der Natur radierte Landschaften tragen die Jahreszahl 1645. Davon ist die „Ansicht von Omval“ ein vorzüglich reizendes Blatt: ein Blick über das Wasser auf einen kleinen Ort mit Windmühlen und spitzem Kirchturm, im Vordergrund eine malerische Weidengruppe mit tiefen Schatten. Das unter dem Namen „die Sixbrücke“ bekannte sehr seltene Blatt – ein Kanal mit ein paar Kähnen, eine flache Fernsicht, vorn eine Brücke und ein paar Bäumchen – verdient besondere Erwähnung wegen des Geschichtchens, das sich an seine Entstehung knüpft. Rembrandt wurde von Jan Six häufig auf dessen Landgut mitgenommen. Bei einem dieser Ausflüge, so wird erzählt, als die beiden Freunde sich zu Tisch setzen wollten, bemerkten sie, daß der Senf fehlte, und Six schickte seinen Diener in das Dorf, um solchen zu holen; da Rembrandt die Langsamkeit des Dieners kannte, so bot er Six die Wette an, er werde eine Radierung ausführen, bevor der Diener zurück sei; er nahm eine der Kupferplatten, die er bei sich zu tragen pflegte, radierte die vom Fenster aus sich darbietende Aussicht und gewann die Wette. Das Blatt ist in derselben Weise mit Umrißlinien gezeichnet, wie Rembrandt es mit seinen landschaftlichen Stift- oder Federzeichnungen nach der Natur zu thun pflegte. Gelegentlich begegnen wir unter seinen landschaftlichen Skizzenbuchblättern aber auch solchen, in denen er kräftige Licht- und Schattenwirkungen festgehalten hat, die in der Natur ihm ähnliche Erscheinungen vor Augen führten, wie seine Einbildungskraft sie zu schaffen liebte; dahin gehört die angetuschte Federzeichnung in der Albertina, welche ein paar alte Strohhütten in der grellen Beleuchtung zeigt, die entsteht, wenn die tiefstehende Sonne ihre Strahlen unter schweren, schwarzen Gewitterwolken hersendet ( Abb. 119 ).
Wenn Rembrandt Landschaftsbilder malte, so pflegte er im Gegensatz zu seinen gewissenhaften Zeichnungen sich nicht an die Wirklichkeit zu halten, sondern sich in freien Phantasien zu ergehen. Ein anspruchsloses Stückchen abgemalter Wirklichkeit aber zeigt uns die ganz kleine reizende Winterlandschaft von 1646 in der Galerie zu Kassel, die uns mit drei Tönen – einer blauen Luft, einer bräunlichen Reihe von Gebäuden und einer goldig überstrahlten Eisfläche – mitten in einen sonnigen holländischen Wintertag versetzt, an dem die Schlittschuhläufer vergnügt in der erfrischenden Luft sich tummeln.
An Figurenbildern bringt das Jahr 1646 eine Anbetung der Hirten, in der Nationalgalerie zu London, und eine heilige Familie, in der Kasseler Galerie. Das letztgenannte versetzt uns ebenso wie das Pariser Bild von 1640 und ein 1645 gemaltes Bild des nämlichen Gegenstandes, das sich in der Ermitage zu Petersburg befindet, in die ärmliche Behausung eines Handwerkers. Aber welche Fülle heimlichster häuslicher Poesie, die das scheinbare Genrebild weit über das Alltägliche hinaushebt, hat der Meister dahineingearbeitet! 104 Die junge Mutter sitzt in bescheiden bürgerlichem Hauskleid da und drückt den Knaben an sich, der ihr zärtliche Wörtchen ins Ohr flüstert. Man glaubt zu sehen, wie sie den Oberkörper vorwärts und rückwärts wiegt, während sie in das auf dem Estrich brennende Feuer blickt, an dem das irdene Breitöpfchen für den Kleinen gewärmt wird. Ein warmes Licht, wie von eben erloschener Abendsonne, erhellt das Gemach; seine Strahlen sammeln sich auf dem frischen Linnen der Korbwiege und werfen von da aus goldige Reflexe auf die dürftige Bettstatt. Draußen aber, wo vor der Thüre der fleißige Hausvater noch mit Holzhacken beschäftigt ist, herrscht schon kühle Dämmerung; während drinnen die Koseworte, die Mutter und Kind austauschen, von dem traulichen 105 Knistern der Flamme und von dem behaglichen Schnurren der neben dem Feuer liegenden Hauskatze begleitet werden, glaubt man in den Wipfeln der Bäume, die man durch das Fenster und den offenen Eingang erblickt, den Abendwind leise rauschen zu hören. Um auch äußerlich etwas dafür zu thun, daß das Gemälde nicht für ein alltägliches Familienbild gehalten werde, hat Rembrandt dasselbe so dargestellt, als ob es ein für gewöhnlich verdecktes und eben nur für kurze Zeit dem Beschauer enthülltes geweihtes Bild sei, – die Sitte, Kirchenbilder an den Wochentagen mit einem Vorhang zu verdecken, besteht in den Niederlanden noch heute –; er hat einen reich verzierten Goldrahmen um die Darstellung herumgemalt, an dem oben eine Stange befestigt ist mit einem das Bild für gewöhnlich verhüllenden, jetzt aber beiseite gezogenen rotseidenen Vorhang. Bei dem Petersburger Bild aus dem vorhergegangenen Jahre hatte Rembrandt ein anderes Mittel angewendet, um das Familienbild in das Gebiet des Göttlichen zu erheben; dort schweben leuchtende Engelgestalten über Mutter und Kind.
Aus dem Jahre 1647 besitzt das Berliner Museum ein ganz kostbares kleines Gemälde: „Susanna im Bade.“ Es ist eine Schöpfung voll wunderbaren Farbenzaubers; 106 den Lichtpunkt bildet das weiße, jugendwarme Fleisch der Susanna, die sich in dem saftig grünen Dunkel des Gartens sorglos entkleidet und ihren roten Rock neben sich gelegt hat. Ebenso bewunderungswürdig wie die Licht- und Farbenwirkung ist der Ausdruck der Figuren; in ganz unvergleichlicher Weise ist die nichtswürdige Lüsternheit der beiden Alten gekennzeichnet, die geräuschlos wie Diebe von hinten heranschleichen.
In dem nämlichen Jahre schuf Rembrandt seine berühmteste Bildnisradierung. Er bildete den damals als Sekretär in der städtischen Verwaltung thätigen nachmaligen Bürgermeister Six in ganzer Figur ab, wie er an einem Fenster seiner vornehm eingerichteten Wohnung lehnt und irgend ein wichtiges Aktenstück aufmerksam durchliest. Es liegt ein unbeschreiblicher Zauber in der diesmal ganz naturgetreuen Beleuchtung, die durch das große Fenster zwischen den dunklen Vorhängen voll einfällt, den Kopf des Mannes und seine Hände, die das Schriftstück ins Helle halten, mit gesammelter Kraft trifft, sich dann auf dem Boden verbreitert, einen mit weiteren Aktenstößen beladenen Stuhl hervorhebt und weiter seitwärts im Zimmer befindliche Gegenstände mit blitzartigen Streiflichtern berührt.
Wenn wir aus den Bildnissen, die Rembrandt anfertigte, auf seinen Umgang schließen dürfen, so verkehrte er in der allerbesten Gesellschaft von Amsterdam. Mit Six jedenfalls war er in aufrichtiger Freundschaft verbunden. Dagegen scheint er mit seinen Kunstgenossen nur wenig Verkehr gepflogen zu haben; wenigstens sind die Malerbildnisse selten unter seinen Werken. Er stand in seiner Eigenart den übrigen Malern – abgesehen natürlich von seinen Schülern – fremdartig gegenüber, und seine Abgeschlossenheit mag zum großen Teil die seltsamen Gerüchte veranlaßt haben, die in jenen Kreisen über ihn umliefen. Doch porträtierte Rembrandt im Jahre 1647 den Tier- und Landschaftsmaler Nikolaas Berchem, der gleich ihm ein Sammler von Kunstgegenständen und Merkwürdigkeiten 107 war, nebst seiner Frau (beide Gemälde befinden sich in einer englischen Sammlung) und radierte das Bildnis des hauptsächlich durch italienische Landschaften bekannten Malers Jan Asselyn, der in Freundeskreisen wegen seiner nicht gerade vorteilhaften Gestalt den Beinamen het Crabbetje (Verkleinerungsform von Krabbe) führte. An diese schöne Bildnisradierung ( Abb. 120 ) knüpft sich eine drollige Geschichte, die einem Fälscher widerfahren sein soll. Auf dem Tische, auf welchen Asselyn seine Rechte stützt, erblicken wir neben mehreren Büchern Pinsel und Palette; ursprünglich hatte Rembrandt das Malgerät noch durch eine hinter dem Tische stehende Staffelei – auf holländisch ezel – vervollständigt. Da ihm aber dieses Gestell die Bildwirkung störte, so beseitigte er dasselbe wieder, nachdem er eine geringe Anzahl von Abzügen genommen hatte. Eben wegen der Seltenheit aber wurde nun „ Asselijn met den ezel “ von den Sammlern besonders geschätzt und teuer bezahlt; daher verfiel ein deutscher Kupferstecher auf den Gedanken, solche Abdrücke fälschlich herzustellen; er kopierte das Bildnis des Asselyn und fügte im Hintergrunde – nicht etwa eine Staffelei, sondern, das holländische Wort mißverstehend, einen Esel hinzu; natürlich hatte er damit bei den Sammlern Rembrandtscher Radierungen wenig Glück, und man sagte ihm, er habe sein eigenes Bild neben dasjenige Asselyns gesetzt. Ob die Geschichte wahr ist, kann dahingestellt bleiben, aber sie ist bezeichnend für die Beliebtheit, deren sich Rembrandts Blätter gleich nach ihrem Erscheinen erfreuten, so daß die Anfertigung betrügerischer Nachbildungen als ein einträgliches Geschäft angesehen werden konnte. – Ein 108 Maler, zu dem Rembrandt in näherer Freundschaft stand, war Hercules Seghers. Dieser sonst wenig bekannte Künstler hat seinen Namen hauptsächlich durch landschaftliche Radierungen auf die Nachwelt gebracht, und Rembrandt hat es nicht verschmäht, die stimmungsvollen Landschaftskompositionen seines Freundes mit Figuren zu „staffieren“ ( Abb. 122 ).
Es war damals sehr beliebt, dichterisch erfundenen Landschaften dadurch, daß man einen biblischen oder mythologischen Vorgang in ihnen sich abspielen ließ, eine höhere Bedeutung zu geben. Rembrandt selbst verstand sich meisterhaft darauf, die landschaftliche Stimmung mit der figürlichen Darstellung einheitlich zu verweben, und so kann es uns nicht wunder nehmen, wenn wir auch einmal einem Bilde von ihm begegnen, welches einen biblischen Gegenstand in überwiegend 110 landschaftlicher Weise behandelt. Die Londoner Nationalgalerie besitzt von ihm eine reizvolle Abendlandschaft, in welcher der Blick an einem dunklen Waldessaum vorbei in eine weite, hügelige Ferne schweift; man fühlt die Einsamkeit, und man ahnt, daß ein Wanderer, der hier die Sonne hat untergehen sehen, noch rüstig ausschreiten muß, um vor Einbruch der gefahrdrohenden Finsternis eine Herberge zu finden; der Wanderer aber, den wir hier erblicken, braucht nichts zu fürchten: es ist Tobias, und neben ihm schreitet der Engel.
Ein großes Meisterwerk im kleinsten Maßstabe ist das 1647 gemalte Bildnis des gelehrten Arztes Ephraim Bonus, eines portugiesischen Juden, das sich in der Sammlung des Herrn Six zu Amsterdam befindet. Das Bildchen ist nur 20 Centimeter hoch, kaum größer als die Radierung, in welcher Rembrandt das Bildnis desselben Mannes weiteren Kreisen überlieferte.
Sein eigenes Bildnis hat Rembrandt im Jahre 1647 mehrmals gemalt. Wohl zeigt seine Haltung noch ein vornehmes Selbstbewußtsein, aber der Ernst, der seinen Zügen schon lange eigen war, hat etwas geradezu Düsteres angenommen, und selbst das einst so leuchtende Auge blickt trübe und müde. Man ahnt nicht, welche Fülle von Schaffenslust noch hinter dieser jetzt schon stark gefurchten Stirn wohnt ( Abb. 121 ).
In der That war das Jahr 1648 eines der fruchtbarsten in Rembrandts Leben, und unter den mit dieser Jahreszahl bezeichneten Werken befinden sich viele, die zu den glücklichsten Schöpfungen des Meisters zählen. In einer Radierung von prächtiger Helldunkelwirkung zeigt er sich selbst in der Emsigkeit der Arbeit. Mit einem runden Hut auf dem Kopf sitzt er an einem kleinen Fenster und zeichnet in ein vor ihm liegendes Heft; die Gewißheit des sicheren künstlerischen Erfassens leuchtet aus dem scharf beobachtenden 112 Blick. Aber was er uns in diesem Jahre bringt, sind nur zum geringsten Teile die unmittelbaren Ergebnisse seiner scharfen Beobachtung. Allerdings fehlen auch die geistvollen Wiedergaben des in der Wirklichkeit Gesehenen nicht. Das kostbare Prachtblättchen, das uns in eine Synagoge blicken läßt, wo verschiedene alte Juden kommen und gehen und sich in einer Weise unterhalten, daß wir das Durcheinandersummen der gedämpften Stimmen zu hören glauben, ist wie aus dem Leben abgeschrieben ( Abb. 123 ). Das wunderbar schön radierte Blatt, welches uns eine Bettlerfamilie zeigt, die an einer Hausthür von einem freundlichen Greis mit einer Gabe bedacht wird, ist eine der vollendetsten von des Meisters meisterhaften Schilderungen aus dem Leben der Armen ( Abb. 124 ). Aber vorzugsweise vertiefte Rembrandt jetzt sich in die Welt des Wunderbaren. Man möchte sagen, daß die geheimnisvolle Lichtquelle selbst, die Rembrandts Bilder beleuchtet, sich uns in einer gespensterhaften Erscheinung offenbart, wenn wir das unvergleichliche Blatt „Doktor Faust“ betrachten. Die Sage von dem wissensdurstigen, mit Hilfe böser Mächte in übernatürliche Geheimnisse eingedrungenen Dr. Johannes Faustus war seit dem XVI. Jahrhundert in Deutschland und in England ein beliebter Gegenstand volkstümlicher Bearbeitung. Das 1588 zu Frankfurt am Main erschienene Volksbuch war fast in alle abendländischen Sprachen übersetzt worden, die Erzählung konnte daher Rembrandt sehr wohl bekannt sein. Die Darstellung eines Dr. Faust bot damals der bildenden Kunst weniger Schwierigkeiten als heutzutage; denn auch die Gebildeten glaubten damals noch allgemein an die Möglichkeit eines persönlichen Verkehrs mit den Mächten der Finsternis und an die Möglichkeit, mit deren Hilfe ein höheres 113 Wissen zu erlangen, als sonst den Sterblichen beschieden ist; und es gab wohl kaum jemand, der an der buchstäblichen Wahrheit dessen, was das Buch erzählte, gezweifelt hätte. So hat denn Rembrandts „Faust“ den Reiz der vollsten Ursprünglichkeit, man möchte fast sagen der Wahrhaftigkeit. Wir blicken in ein dunkeles Gemach, das mit allerlei Geräten der Gelehrsamkeit vollgepfropft ist; Tag und Nacht hat der Gelehrte über die Geheimnisse der schwarzen Kunst gegrübelt und hat sich nicht Zeit genommen, seine Morgenkleidung mit einem anderen Anzug zu vertauschen. Endlich ist ihm eine Beschwörung gelungen; aus dunkelen Dämpfen, welche den unteren Teil des großen Fensters verhüllen, leuchtet eine strahlende Lichtscheibe empor und trifft mit einem blitzenden Strahl das vertrocknete Gesicht des Gelehrten. Dieser ist aufgesprungen, und beide Hände aufstützend, den Oberkörper vorwärts beugend, blickt er mit Spannung und Erregung in den Spiegel, den nebelhafte Hände, die unterhalb der Lichtscheibe sich aus den Dämpfen gebildet haben, ihm zeigen. Wird seine Wissensbegehrlichkeit da eine Befriedigung finden? Wiederholt ihm der Zauberspiegel nur die kabbalistischen Worte, die in dem Lichtgespenst erscheinen? Das einzige für uns verständliche Wort in den kreisenden Schriftreihen ist der Name des ersten Menschen; und in der Mitte des Lichtes erscheinen in den vier Winkeln eines Kreuzes die vier Buchstaben INRI ; heißt das „ Jesus Nazarenus Rex Judæorum ,“ und wird damit dem Schwarzkünstler die Warnung erteilt, daß der Abkömmling Adams sich die Offenbarungen des Christentums genügen lassen und nicht weiter nach dem Unbegreiflichen forschen soll? Daß dieser Gedanke in der Darstellung verborgen liege, hat bei Rembrandts streng christlicher Gesinnung nichts Unwahrscheinliches ( Abb. 125 ).
Zur Behandlung eines heidnischen Stoffes wurde der Meister veranlaßt durch die Veröffentlichung 114 des von seinem Freunde Six gedichteten Trauerspiels „Medea.“ Dazu lieferte er die große Prachtradierung „Vermählung des Jason mit Krëusa.“ Archäologische Studien hatte Rembrandt nicht gemacht. Eine Hochzeit im griechischen Sagenalter dachte er sich als eine religiöse Feier, deren Formen den christlichen Kirchengebräuchen entsprachen. Wir blicken in einen phantastisch erdachten Säulenbau, in dessen Bogen und Wölbungen ungeachtet der Seltsamkeit ihrer Konstruktion die eigentümliche Poesie lagert, welche den hochgewölbten mittelalterlichen Kirchen innewohnt. Auf der Chorerhöhung steht der Altar, auf dem die Opferflamme lodert; darüber thront das Bild der Ehegöttin Juno, die der Pfau an ihrer Seite kenntlich macht. Am Altar steht der Priester, dessen Kopfbedeckung und Stab phantastische Umbildungen der bischöflichen Ornatstücke sind, und spricht den Segen über das in fürstlicher Tracht vor ihm knieende Paar; vornehme Zuschauer erfüllen das Schiff der Kirche, und dem Altar gegenüber hat auf einer Emporbühne der Sängerchor Platz genommen. Eine festliche Helligkeit dringt durch die hohen Fenster in den Raum, nur der Chorumgang hinter dem Altar liegt im Dunkel; hier erblicken wir eine vornehm gekleidete Gestalt, der ein kleiner Diener die Schleppe trägt. Die Gesichtszüge dieser Frau verschwimmen im dämmerigen Schatten; aber wie sie da ungesehen einherschleicht, das hat etwas Unheimliches, und auch ohne 115 den Ausdruck ihres Gesichts zu erkennen, ahnen wir, daß sie Verderben bringt. Könnten wir nicht erraten, daß dies die verlassene Medea ist, so würden uns die Verse der Unterschrift darüber belehren, die in hochdeutscher Übersetzung also lauten:
Die ersten Abdrücke dieses Blattes zeigen das Junobild mit bloßem Kopfe; später befand es der Künstler für nötig, demselben durch Aufsetzen einer Krone ein würdevolleres Ansehen zu geben; im dritten Plattenzustand sind die Namensunterschrift Rembrandts mit der Jahreszahl 1648 und die angeführten Verse hinzugekommen ( Abb. 126 ). Das Blatt gehörte zu denjenigen, von denen man als Kunstliebhaber mindestens zwei Abdrücke besitzen mußte, ein „Junochen ohne Krone“ und ein „Junochen mit Krone.“
Bei dem großen Wert, den die Sammler allen seinen Radierungen damals schon beilegten, so daß sie mit wahrer Begierde immer neuen Blättern entgegensahen, konnte es Rembrandt sich schon erlauben, auch solche Platten, an denen ihm die Lust vergangen war, so daß er sie unfertig liegen ließ, durch Hinzufügung seiner Namensunterschrift für abgeschlossen zu erklären und die Abzüge derselben in den Handel zu bringen. Ein sprechendes Beispiel ist der „große heilige Hieronymus“ von 1648, ein Blatt, auf dem fast nichts Weiteres ausgeführt ist, als ein Weidenstamm im Vordergrund. Freilich hat das Blatt auch so einen unbestreitbaren hohen Kunstwert; denn das Gesicht des Heiligen, der mit einer Brille bewaffnet an seiner Übersetzung des heiligen Wortes schreibt, ist, obgleich erst mit wenigen Strichen angedeutet, ein Wunderwerk des Ausdrucks.
Zweimal malte Rembrandt in diesem Jahre die Erscheinung des Erlösers zu Emmaus. Das eine dieser Bilder befindet sich im Museum zu Kopenhagen, das andere, das zu den ausdrucksvollsten Meisterwerken 116 Rembrandts zählt, zu Paris im Louvre. Der Augenblick des Erkennens ist dargestellt. Ganz überwältigt blicken die beiden Jünger den Heiland an, der, von geheimnisvollem Licht umflutet, die Augen nach oben wendet und das Brot bricht; die schmerzlichen Züge seines Antlitzes spiegeln noch das überstandene Erdenleiden wieder. Einen wirkungsvollen Gegensatz gegen die weihevolle Ergriffenheit, mit der die Jünger das Wunderbare erkennen, bildet die verhaltene blöde Verwunderung des jungen Dieners, der eben ein Gericht auf den Tisch zu setzen sich anschickt und der das Staunen der beiden nicht begreift; man meint zu sehen, wie seine Augen von jenem auf diesen und dann wieder auf den dritten wandern ( Abb. 127 ).
Ein ebenso fesselndes Meisterwerk aus demselben Jahr besitzt die Louvresammlung in dem Bilde „der barmherzige Samariter,“ in welchem dem Meister die Lösung dieser wiederholt von ihm behandelten Aufgabe am glücklichsten gelungen ist. Es ist Abend; in dem Gasthaus, das vor dem Thore einer Stadt an der Landstraße liegt, beginnt es lebendig zu werden; mehrere Pferde sind neben dem Brunnen am Hause angebunden, und die Gäste legen sich, da sie wieder Hufschläge gehört haben, mit gewohnheitsmäßiger Neugier ins Fenster der Wirtsstube, um zu sehen, wer da noch ankommt. Die Wirtin eilt dienstbeflissen an die Treppe des Hauses, um den neuen Ankömmling in Empfang zu nehmen. Es ist ein gut gekleideter Mann, der da die Treppe hinansteigt; aber nicht diesen soll sie beherbergen, sondern den unglücklichen Verwundeten, nach dem jener mit liebevoller Besorgnis sich umsieht. Dieser Verwundete ist ein Bild des Jammers, er stöhnt, jede Bewegung der beiden Knechte, die ihn eben vom Pferde gehoben haben, verursacht ihm Schmerzen. Niemand kann ihn ohne Bedauern ansehen, außer dem Stalljungen, der das Pferd hält und der sich mit der Mitleidslosigkeit des Knabenalters, bloß von Neugierde erfüllt, auf die Zehen hebt, um über den Rücken des Pferdes hinweg besser sehen zu können ( Abb. 128 ).
Die großen weltgeschichtlichen Ereignisse des XVII. Jahrhunderts gingen im allgemeinen fast unbemerkt an den holländischen Malern vorüber. Aber der Abschluß des Westfälischen Friedens, der ja für den niederländischen Freistaat die endgültige Anerkennung 118 seiner Unabhängigkeit brachte, ward wie von den Dichtern, so auch von den Malern gefeiert. Zumeist beschränkten sich die bildlichen Verherrlichungen des Ereignisses auf die Abbildung von Festmahlzeiten, die zur Feier des Friedens stattfanden. Rembrandt aber widmete dem Ereignis eine große allegorische Komposition. Es ist eine Skizze, vielleicht zur Ausführung in großem Maßstabe, die dann aber nicht zur That wurde, bestimmt; unter dem Namen „die Eintracht des Landes“ wird sie im Boymans-Museum zu Rotterdam aufbewahrt. Allegorien waren freilich nicht Rembrandts Fach, und es ist ein Gemisch von Großartigkeit und Sonderbarkeiten, was wir da vor uns sehen. Es ist dem Maler nicht gelungen, die Fülle der Gedanken, die er zum Ausdruck bringen wollte, im einzelnen verständlich zu machen, und es sind Stöße von Erklärungsversuchen über dieses unter Rembrandts Werken ganz vereinzelt dastehende Bild geschrieben worden.
Als das Hauptwerk des Jahres 1649 gilt ein in der Sammlung des Lord Cowper zu Panshanger befindliches Reiterbild, welches den Marschall Turenne, der sich gerade in jenem Jahre in Holland aufhielt, vorstellen soll.
Dem Jahre 1650 gehören mehrere von den feinen landschaftlichen Radierungen des Meisters an: die köstlich gezeichnete „Landschaft mit dem Turm,“ die von den Resten eines alten Turmes, welche in der Ferne über einer von Bäumen umgebenen Hütte sichtbar werden, den Namen führt, und das in seiner Einfachheit so reizende Blättchen „der Kanal mit den Schwänen.“ Auf diesem letzteren Blatt hat der Meister zu den heimatlichen, von Gehölz umsäumten und von ruhig fließendem Wasser durchzogenen Wiesen Höhenzüge, wie die Wirklichkeit sie ihm nicht zeigte, hinzukomponiert ( Abb. 129 ). Eine ähnliche Verbindung von holländischer Landschaft mit Geländen, zu denen er in den Mappen seiner Freunde, welche in Italien 119 gewesen waren, die Vorbilder fand, zeigt das berühmteste Landschaftsgemälde Rembrandts, die um eben diese Zeit entstandene „große Landschaft mit Ruinen auf dem Berge“ in der Galerie zu Kassel. In träumerischer Dämmerung liegt die Ebene da, von einem Bache durchschlängelt, den eine Brücke überspannt und den ein leise dahingleitender Kahn und mehrere Schwäne beleben; am jenseitigen Ufer liegt eine leere reichgeschmückte Gondel, diesseits sitzt ein Angler, und ein einsamer Reiter verfolgt den am Bach entlang gehenden Weg. Jenseits des Wassers werden zwischen dichten Baumgruppen die roten Ziegeldächer eines in feierlicher Abendruhe daliegenden Gehöftes sichtbar, weiter nach vorn schließt sich eine Windmühle an. Hinter den Gebäuden erhebt sich der Boden zu einem ansehnlichen Bergrücken, der an einer Seite in schroffer Felswand abfällt. Nahe dem Abhang bekrönen Trümmermassen die Höhe, die in einem hochragenden Bauwerk gipfeln, das wie ein Überbleibsel eines antiken Rundtempels aussieht. Ein wunderbarer goldiger Dämmerungston verbindet Berg und Thal, in weiter Ferne verschmelzen duftige Höhenzüge mit dem lichten Blau des Himmels, der den letzten Schimmer des untergegangenen Tagesgestirnes festhält, und den eine an den Rändern noch beleuchtete dünne Wolkenschicht zum Teil überzieht. Selten wohl ist es einem Landschafter alter oder neuer Zeit gelungen, eine solche Tiefe der Stimmung im Beschauer hervorzurufen; es liegt eine stille Feierlichkeit und ein leiser Anflug von Schwermut über dem Bilde, die uns um so unwiderstehlicher einnehmen, je länger wir dasselbe betrachten ( Abb. 130 ). – Zu den stimmungsvollen Landschaftskompositionen 120 gehört auch die prachtvoll farbig gezeichnete Radierung mit der nur angelegten Figur des in die Schrift vertieften heiligen Hieronymus, neben dem der Löwe sich wie ein sorglicher Wärter umschaut. Wegen der eigentümlichen schwermütigen Poesie, des Formenreichtums und der bis in die kleinsten Einzelheiten gehenden Ausführung der Landschaft wird dieses Blatt durch die Bezeichnung „in Dürers Geschmack“ von den zahlreichen anderen Hieronymusbildern Rembrandts unterschieden ( Abb. 131 ).
Von 1651 sind einige ganz vorzügliche Radierungen. Da ist das wunderbar feine kleine Blatt „der blinde Tobias,“ die treffendste und rührendste Darstellung der Hilflosigkeit eines Erblindeten, der mit Stab und Hand vor sich her tastend, sich in seinem eigenen Zimmer zurechtsuchen muß. Dann das treffliche Bildnis des Clemens de Jonghe, der einer der berühmtesten Kupferstichhändler und Verleger seiner Zeit war und der uns hier mit seinen klugen Augen so bestimmt und ruhig anschaut ( Abb. 133 ). – Ein prächtiges gemaltes Bildnis eines unbekannten jungen Mannes im Louvre trägt die nämliche Jahreszahl ( Abb. 132 ). Ein biblisches Gemälde aus diesem Jahre besitzt die herzogliche Gemäldesammlung zu Braunschweig in der großartig wirkungsvollen, ergreifenden Darstellung der Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena.
Ein ganz herrliches Bild von 1652 besitzt die Gemäldegalerie zu Kassel. Es ist das Kniestück des Nikolaas Bruyningh, der als Sekretär an der Gerichtsabteilung für Zahlungsunfähige zu Amsterdam angestellt war. Es ist ein lebensfroher junger Mann, den wir da in vornehmer schwarzer Atlaskleidung vor uns sitzen sehen; mit munterer Bewegung hat er sich auf dem Stuhle umgedreht und blickt lächelnd vor sich hin; eine Fülle dunkelblonder Locken umwallt das freundliche Gesicht ( Abb. 134 ).
Die nämliche Jahreszahl trägt ein allerliebstes Blättchen: „der zwölfjährige Jesus unter den Schriftgelehrten.“ Die Radierung ist nur ganz leicht angelegt, fast ohne Andeutung einer malerischen Wirkung, und dennoch ist sie unbeschreiblich fesselnd. Man hört die milden und verständigen Worte des Knaben, man sieht die mannigfaltigen Regungen, mit welchen die gelehrten alten Juden – jeder ein Charakterbild – dieselben aufnehmen: Aufmerksamkeit, Spott, Dünkel der Überlegenheit, ernstes Nachsinnen. Eine andere nicht minder ansprechende Komposition desselben Gegenstandes zeigt uns eine schnell und geistreich hingeschriebene Federzeichnung in der Albertina, welche den Gegensatz zwischen der Kindlichkeit des Knaben und dem Gelehrtenstolz der Rabbiner noch stärker hervorhebt ( Abb. 135 ). Die Betrachtung der zahlreichen Kompositionsentwürfe 122 Rembrandts, welche diese, alle ähnlichen Sammlungen an Reichtum weit überbietende Wiener Sammlung beherbergt, ist überhaupt ein hoher Genuß. Von Rembrandts unvergleichlicher Fähigkeit, mit wenigen Strichen unendlich viel zu sagen, bekommen wir die staunenerregendsten Proben; als eines der sprechendsten Beispiele sei die ganz flüchtige Federzeichnung angeführt, welche darstellt, wie Christus zum Verhör vor Kaiphas gebracht worden ist und wie dieser, vom Richterstuhl sich erhebend, ausruft: „Ihr habt gehört die Gotteslästerung, was dünkt euch?“ ( Abb. 136 .)
Wenn wir die Jahreszahlen von 1649 bis 1653 verhältnismäßig selten auf Werken Rembrandts vermerkt finden, so folgt daraus nicht, daß der Meister in diesen Jahren weniger thätig gewesen sei. Im Gegenteil fallen mehrere seiner allervorzüglichsten Schöpfungen in diese Zeit, wie man nach dem Vergleich mit anderen mit Bestimmtheit sagen kann, wenn auch die Jahresbezeichnung fehlt. Dahin gehört das herrliche Gemälde im Berliner Museum, welches das Gesicht Daniels am Wasser Ulai (Daniel 8, 3) zum Gegenstand hat, ein Meisterwerk großartiger traumhafter Stimmung. In erhabener Berglandschaft 124 kniet der Prophet, mit einem olivenfarbenen Rock bekleidet, und wartet mit Schauern der Ehrfurcht auf das, was der Engel, der in leuchtend weißem Gewande hinter ihn tritt, ihm zeigen wird: dämmerig erscheint jenseits der Schlucht der Widder mit den seltsamen Hörnern. Ferner werden einige in lebensgroßen Figuren ausgeführte biblische Gemälde, die sich in der Ermitage zu Petersburg befinden, dieser Zeit zugeschrieben: „Jakob weint beim Anblick von Josephs blutigem Rock“ und „der Herr erscheint Abraham im Thal Mamre.“ Bei dem letzteren Bilde wird namentlich die für Rembrandt ungewöhnliche äußere Schönheit der Engel bewundert. Eine hochpoetische Komposition des nämlichen Gegenstandes hat der Meister in einer Federzeichnung hinterlassen, die sich in der Albertina befindet. Jehovah selbst ist als erhabener Greis von seinen beiden jugendlichen Begleitern unterschieden; die ganze Gruppe der drei Männer, vor der sich Abraham zu Boden geworfen hat, ist eine großartige Lichterscheinung, in der irdischen Umgebung aber ist die natürliche Tagesstimmung, „da der Tag am heißesten war,“ mit einigen Tuschlagen meisterhaft zur Anschauung gebracht: der tiefe Ton des wolkenlosen Himmels, von dem alles Beleuchtete sich hell abhebt, läßt uns die Sommerglut empfinden, und einladend winkt der Schatten des Baumes, unter dem der Patriarch die himmlischen Gäste bewirten wird ( Abb. 137 ).
Sein Bestes aber hat Rembrandt in dieser Zeit in zwei großen Radierungen gegeben, welche die Heilsthätigkeit des Erlösers schildern. Das eine der beiden Blätter zeigt Christus als Lehrer. Ein Bild der Menschenliebe, wie kein Künstler es wärmer zu gestalten vermocht hat, steht der Heiland in einem dunkelen Raum auf einer hell beleuchteten Erhöhung und spricht mit erhobenen Händen zu dem Volke, das sich um ihn geschart hat. Nur wenige der Zuhörer tragen eine einigermaßen ansehnliche Kleidung; bei weitem die meisten, die da aufmerksam stehen und sitzen, sind Leute, auf denen die tiefste Not des Daseins lastet; ärmlich ist auch der Raum und ärmlich die Gasse, in welche wir durch eine niedrige Thoröffnung blicken. Die Mühseligen und Beladenen sind es, die da erquickt werden; welchen Reichtum müssen die Worte spenden, denen diese Hörer so regungslos lauschen! Wie in der dunkelen Umgebung, von der 126 sich die mild erhabene Gestalt des Lehrers leuchtend abhebt, ein helles Sonnenlicht auf dem Kreise der Hörer liegt, so ist das Ganze eine unvergleichliche malerische Dichtung über das Wort: „Ich bin das wahre Licht“ ( Abb. 139 ).
Das andere, größere Blatt ist eine geistvolle Verbildlichung der Vorgänge, die das 19. Kapitel des Matthäusevangeliums erzählt. Wieder blicken wir in einen dunkelen Raum, und in der Mitte steht hell beleuchtet der Heiland zwischen gedrängten Gruppen von Menschen, die seine Gegenwart angezogen hat. „Es folgte ihm viel Volkes nach, und er heilte sie daselbst.“ Gebrechliche aller Art haben sich zu seinen Füßen gelagert, und weitere kommen herbei oder werden herbeigebracht, wenn sie selbst sich nicht mehr schleppen können. Man hört die Bitten der für sich oder für die Ihrigen in gläubigem Vertrauen um Hilfe Flehenden, und man kann nicht zweifeln, daß ihnen allen geholfen wird. Die armen Kranken füllen die rechte Hälfte des Bildes aus; man ahnt, daß durch die Thüröffnung, die man da sieht, noch viele herbeikommen werden. An der anderen Seite des Bildes gewahren wir neben den Jüngern, die mit den Blicken am Munde ihres Meisters hängen und mit schlichter Einfalt seine Worte erfassen, eine Schar von Männern ganz anderer Art, in weite Gewänder stattlich gekleidet, mit dem Ausdruck des Selbstbewußtseins und des Weisheitsdünkels auf den Gesichtern; mit lebhaften Mienen und Gebärden reden sie untereinander und können sich nicht einigen. Das sind die Pharisäer, die herangetreten waren, um Jesus zu versuchen. Was sie erregt, ist der eben vernommene Ausspruch, der ihre Angriffe 128 abgeschnitten hat: „Das Wort fasset nicht jedermann, sondern denen es gegeben ist.“ Mit den Worten: „Wer es fassen kann, der fasse es!“ hat der Heiland sie stehen lassen, um sich einer Gruppe zuzuwenden, die ihm vom Vordergrunde her naht. „Da wurden Kindlein zu ihm gebracht, daß er die Hände auf sie legte und betete.“ Einer der Jünger – die herkömmliche Tracht von Haar und Bart läßt ihn als Petrus erkennen – will die junge Frau, die ihren Säugling zu Jesus emporhebt, unwillig zurückschieben. Jesus aber streckt ihr seine Rechte entgegen, und indem er die andere Hand beschwichtigend erhebt, spricht er mit himmelsmildem Blick die Worte: „Lasset die Kindlein und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen!“ Zwischen der Gruppe der Mütter und den Pharisäern sehen wir einen jungen Mann mit langen Locken, in reicher, mit Stickereien verzierter Kleidung, am Boden sitzen; nachdenklich stützt er sein Gesicht in die Hand. Das ist der reiche Jüngling, den die Frage bewegt, was er thun soll, um das ewige Leben zu haben, und der, um diese Frage an Jesus zu stellen, auf dessen Weggehen aus der umgebenden Menge wartet. Damit ist in dem Bilde auch auf das, was dem unmittelbar zur Anschauung Gebrachten nach dem Bericht des Evangelisten folgt, ein Hinweis gegeben. Die ganze, an Inhalt in Beziehungen und Gegensätzen so reiche Darstellung ist ein Meisterwerk des Ausdrucks, wie es nichts Vollkommeneres gibt, und in der Poesie des Lichtes hat Rembrandt hier sein Höchstes geleistet. Das ist mehr als Sonnenlicht, 130 was hier die Gestalten fast schattenlos einhüllt und dort seinen weichen Wiederschein voraussendet in die Gruppen derer, die aus dem Dunkel herauskommen; es ist das Licht der Erlösung, das in die Nacht des menschlichen Daseins scheint ( Abb. 138 ). Das Blatt war von jeher das berühmteste unter allen Radierungen Rembrandts. Es führt von alters her die Bezeichnung „das Hundertguldenblatt.“ Über die Entstehung dieser Bezeichnung wird folgendes erzählt: Eines Tages kam ein Kupferstichhändler aus Rom und bot Rembrandt einige Stiche von Marcantonio Raimondi zum Kauf an, für die er zusammen hundert Gulden forderte; da bot ihm Rembrandt als Bezahlung für die Stiche einen Abdruck dieses eben fertig gewordenen Blattes an, und der Verkäufer ging auf den Handel ein, sei es nun – fügt der Gewährsmann hinzu –, daß er dadurch Rembrandt sich verpflichten wollte, sei es, daß er wirklich mit dem Tauschgeschäft zufrieden war. Heute ist die Bezeichnung „Hundertguldenblatt“ nicht mehr ganz zeitgemäß, denn bei einer Versteigerung im Jahre 1867 erzielte ein schöner Abdruck des Blattes den Preis von 27 500 Francs.
Eine Anzahl von Meisterwerken der Radierkunst trägt die Jahreszahl 1654. Da ist vor allem das durch die reizvolle Einfachheit des Vortrags doppelt ansprechende Blatt, welches den von dem Meister schon so oft behandelten Gegenstand der Erscheinung des Erlösers in Emmaus in neuer künstlerischer Schönheit wiederbringt. Wie auf dem Gemälde von 1648 hat der Künstler auch hier, in gebührender Unterordnung, aber in einer für die innere und für die äußere Abrundung des Ganzen nicht unwesentlichen Bedeutung, den aufwartenden Diener hinzugefügt; der mit der Wirtsschürze bekleidete Bursche schickt sich eben an, die Kellertreppe hinabzusteigen, hält aber plötzlich inne, da er gewahrt, daß bei den Gästen etwas Merkwürdiges vor sich geht, für das ihm die Erklärung fehlt; ihm ist es natürlich unfaßbar, warum die beiden den dritten, der doch als ihresgleichen mit ihnen gekommen war, mit solcher Ergriffenheit anstaunen, in dem Augenblick, wo er jedem von ihnen mit milder Freundlichkeit ein Stück Brot darreicht ( Abb. 140 ). – Ein sehr sorgfältig ausgeführtes Blatt zeigt uns den heiligen Hieronymus, wie er an 131 einem stillen Plätzchen im Freien sitzend sich in das Lesen der Bibel vertieft. Das ist wieder ein Meisterwerk der Stimmung; wir empfinden die feiertägliche Ruhe, den heiligen Frieden dieser sonnigen Einsamkeit, und wir würden uns einen hohen Kunstgenuß unnötigerweise verkürzen, wenn wir daran Anstoß nehmen wollten, daß der Löwe, der sich so behaglich in der Sonne reckt, in seinen Formen etwas dürftig geraten ist ( Abb. 141 ).
Rembrandt verschmähte es auch jetzt nicht, Figuren aus dem Alltagsleben auf die Kupferplatte zu skizzieren. Ein unter dem Namen „das Kolef“ (Kolbenspiel) bekanntes Blatt, welches weniger dieses im Freien geübte Spiel, als einen in behäbiger Nichtbeteiligung dabei sitzenden Mann zum Gegenstand hat, eine in schnellen Zügen hingeworfene Abschrift der Natur, trägt die Jahreszahl 1654. Auch das köstliche Bildchen, welches, gleich ansprechend durch die unmittelbare Lebenswahrheit wie durch die malerische Wirkung, uns ein paar arme wandernde Musikanten vorführt, die im Vorraum eines Hauses, von dem aus der Stube kommenden Licht beleuchtet, mit Leierkasten und Dudelsack einem Bauernpaar und dessen dickem Sprößling einen bescheidenen Kunstgenuß bereiten, mag dieser Zeit angehören ( Abb. 142 ). Wenigstens werden wir aufs lebhafteste an diese Musikanten erinnert beim Anblick des alten Hirten mit dem Dudelsack, der seine Genossen in der heiligen Nacht vor die Krippe zu Bethlehem führt, auf einem in der Ausführung nur derb hingestrichelten, in der Empfindung aber hochvollendeten, im Gedanken und in der Wirkung so wunderbar poetischen Blatt ( Abb. 143 ). Daß dieses im Jahre 1654 entstanden ist, beweist die Jahreszahl auf einem gleich großen, offenbar als Gegenstück dazu in ganz gleichartiger Behandlung ausgeführten Blatt, welches die Beschneidung des Jesusknaben vorstellt.
Zu einem in spanischer Sprache geschriebenen Buche des Manasseh-ben-Israel, welches unter dem Titel „ Piedra gloriosa “ im folgenden Jahre zu Amsterdam erschien, radierte Rembrandt vier Kupfer, welche in kleinstem Maßstab großartige Darstellungen, wie Jakobs Traum von der Himmelsleiter 132 und das Gesicht des Propheten Hesekiel, brachten.
Unter den Gemälden von 1654 befindet sich eins, das zu den schönsten Schöpfungen des Meisters gehört: „Joseph wird bei Potiphar von dessen Frau verklagt,“ im Berliner Museum. Das Weib sitzt neben dem hell beleuchteten Bett, und während sie mit der Linken den halbentblößten Busen zu verhüllen sucht, deutet sie mit dem Daumen der rechten Hand auf Joseph, der im Gefühl seiner Unschuld aufwärts blickt und die Hand beteuernd emporhebt; sie vermeidet es, beim Vorbringen ihrer erlogenen Anschuldigung den Gatten anzusehen, der hinter ihr steht und seine aufkeimende Entrüstung über Joseph noch hinter der Miene vornehmer Gelassenheit und ernsten Erwägens verbirgt. In der Farbenwirkung hat Rembrandt hier Wunderbares, im Ausdruck Unglaubliches geleistet; „nein, wie die Frau lügt!“ war die erste Äußerung eines feinfühligen und unbefangenen Kunstfreundes beim Anblick dieses Bildes. Verführerische Reize besitzt diese Frau nach unseren Anschauungen allerdings nicht. Rembrandt hat in zwei Gemälden des nämlichen Jahres, von denen das eine in ganz schlichtem Realismus eine junge Frau im Bade zeigt (in der Londoner Nationalgalerie), das andere (im Louvre) die Bathseba darstellt, wie sie, eben dem Bade entstiegen, mit widerstreitenden Gefühlen die Botschaft Davids liest, auffallender noch als in den gleichartigen Gemälden der dreißiger Jahre bewiesen, daß er für weibliche Formenschönheit keinen Sinn hatte. Aber in seiner Weise, durch den Reiz der Farbe wußte er die unverhüllte Frauengestalt zu verherrlichen. Die Züge des nämlichen Modells, das zu diesen beiden Bildern die Anregung gegeben hat, erkennt man in dem Brustbild einer jungen Frau, das als eins der allergrößten Meisterwerke der gesamten Malerei einen Ehrenplatz im Salon carré des Louvre einnimmt und ebenbürtig neben Leonardo da Vincis weltberühmter „ Gioconda “ hängt.
Die Galerie zu Kassel besitzt von 1654 ein eigentümlich düsteres Gemälde, das unter dem Namen „die Wache“ bekannte lebensgroße Bildnis (Kniestück) eines mit eisernem Vollharnisch bepanzerten Mannes, der sich mit beiden Händen auf einen Speer stützt und finster zur Seite blickt. Eine gewisse Düsterheit wird ungefähr seit dieser Zeit in Rembrandts Gemälden vorherrschend; der goldige Ton verdunkelt sich häufig zu einem tiefen Braun, aus welchem die Zauberlichter des Meisters um so wirkungsvoller hervorleuchten. Augenfälliger noch ist eine Veränderung 134 der Vortragsweise: die handsichere Breite der Behandlung geht in eine eigentümliche malerische Weichheit über, welche die scharfen Umrisse der Gegenstände zu verwischen liebt, ohne daß diese dadurch von ihrer Bestimmtheit einbüßten.
Diese Art der malerischen Auffassung und Behandlung stimmt in der vortrefflichsten Weise mit der innerlichen Auffassung überein bei mehreren, gerade dieser Zeit angehörigen Bildern alter Leute. Die Petersburger Galerie besitzt fünf Bildnisse von Greisen und Greisinnen, die mit der Jahreszahl 1654 bezeichnet sind. Darunter sind namentlich zwei weibliche Halbfiguren bemerkenswert durch die weiche Stimmung einer durch inneren Frieden verklärten Lebensmüdigkeit, die den unter dunkelen Kopftüchern hervorblickenden welken Gesichtern etwas eigentümlich Rührendes verleiht ( Abb. 144 ). Auch in anderen Sammlungen gibt es ähnlich empfundene Bildnisse alter Frauen; es paßt zu dem vergeistigten Ausdruck der betagten Matrone, wenn sie sich in das Lesen der Bibel versenkt ( Abb. 145 ). Gewöhnlich führen diese Gemälde die Bezeichnung „Rembrandts Mutter.“ Die liebevolle Auffassung macht diese Namensgebung erklärlich, deren Irrigkeit sich, abgesehen von der nicht vorhandenen Ähnlichkeit mit den früheren Porträts der Mutter Rembrandts, aus der Entstehungszeit der Bilder ergibt.
Ein Selbstbildnis des Meisters aus dem Jahre 1654 (oder 1655, die letzte Ziffer ist nicht ganz deutlich), ebenfalls in dunkelem Ton gehalten, befindet sich in der Gemäldegalerie zu Kassel. Dieses Bild mit den umdüsterten Zügen läßt uns erkennen, daß Rembrandt damals schon über seine Jahre hinaus gealtert war. Aber seine Schaffenskraft bewahrte ihre unverwüstliche Frische.
Mehrere prächtige Radierungen hat Rembrandt 135 im Jahre 1655 der Leidensgeschichte Christi gewidmet. Wie Pilatus den gefesselten Dulder von der Terrasse des Amtsgebäudes dem schreienden, höhnenden Volke darstellt, hat er in einem ergreifenden Blatte geschildert, das durch die Eigentümlichkeit der Ausführung – die Figuren sind fast nur mit meisterhaften Umrißlinien gezeichnet, dazwischen stehen hier und da, namentlich in der Architektur, einige fast schwarze Schatten – eine seltsam packende Wirkung ausübt. Ein figurenreiches Blatt von wunderbar großartiger, traumhafter Lichtwirkung zeigt den Erlöser am Kreuz zwischen den beiden Schächern, von Fluten himmlischen Lichtes verklärt, ein Gegenstand spottenden oder gleichgültigen Gesprächs für die Menge, die sich anschickt, den Richtplatz zu verlassen, mit namenlosem, erschütterndem Schmerz von seinen Getreuen beklagt und von dem ergriffen aufs Knie gesunkenen heidnischen Hauptmann angebetet. Die Krone dieser Darstellungen aber ist die Kreuzabnahme, vielleicht die poetischste von allen Schöpfungen Rembrandts. Das Blatt führt den Beinamen „mit der Fackel,“ weil das helle Licht, das sich auf dem bereits herabgenommenen und in einem untergebreiteten Leintuch getragenen Leichnam und seiner nächsten Umgebung sammelt, hier eine natürliche Erklärung in einer herzugehaltenen Fackel findet; im Vordergrunde, auf dem von zertretenem Grase bedeckten, taufeuchten Boden breitet Joseph von Arimathia ein zweites Leintuch über die bereit stehende Bahre. Die Nacht ist vollständig finster, nur die höchstgelegenen Gebäude von Jerusalem schimmern in der Ferne in einer matten Helligkeit, deren Quelle uns verborgen bleibt ( Abb. 146 ). – Die Beschäftigung mit dem Opfertode des Christus mag den Meister veranlaßt haben, auch 136 dessen altes Vorbild, die Opferung Isaaks, wieder einmal zu verbildlichen. Er hat den Augenblick gewählt, wie Abraham, der Kopfbedeckung und Mantel abgelegt hat, mit der einen Hand seinem Knaben, der entkleidet dakniet und sich geduldig wie ein Lamm, mit opferwillig vorgestrecktem Halse über das Knie des Vaters legt, die Augen zuhält und mit dem gezückten Messer in der anderen Hand sich eben anschickt, das Schwerste zu vollbringen und das Blut seines geliebten Kindes in das am Boden stehende Becken fließen zu lassen; aber in diesem Augenblicke ist in einem Lichtstrahle, der den Wolkendampf der Bergeshöhe durchbricht, ein Engel herniedergeflogen und fällt dem Patriarchen von hinten in die Arme. Unter dem rechten Flügel des Engels gewahrt man im Dunkelen den Widder, der sich mit den Hörnern im Gesträuch verfangen hat; seitwärts werden am Bergesabhange der Esel und die beiden Knechte, die hier zurückgeblieben sind, sichtbar, und ganz in der Ferne erblickt man zwei Männer, welche den Hang des gegenüberliegenden Berges beschreiten ( Abb. 147 ).
Im folgenden Jahre schöpfte Rembrandt aus der Geschichte Abrahams eine merkwürdige Darstellung der Bewirtung der drei Himmlischen durch Abraham. Der Patriarch, der die Weinkanne bereit hält, um seine überirdischen Gäste zu bedienen, horcht mit demütiger Verneigung auf die Worte des Herrn, der in der Gestalt eines ehrwürdigen Greises an seinem Tische Platz genommen hat; die beiden Begleiter Jehovahs sind durch Fittiche als Engel gekennzeichnet, aber sie sind nicht in der sonst üblichen und auch von Rembrandt früher gebrauchten Weise als Jünglinge, sondern als gereifte Männer dargestellt, und diese Verbindung von bärtigen Gesichtern und Engelsflügeln hat für uns etwas gar Befremdliches; in der Schrift ist allerdings von Männern und nicht von Jünglingen die Rede. Hinter der Hausthür horcht Sara verstohlen und lächelt ungläubig 137 über die Verheißung eines Sohnes; vor der Hausthür aber übt sich Hagars Sohn Ismael, der zukünftige Stammvater der Araber, im Bogenschießen ( Abb. 148 ).
Eine seiner meisterhaftesten Porträtradierungen ließ Rembrandt 1656 in dem unübertrefflich malerischen und lebenswahren Bildnis des berühmten Goldschmieds Janus Lutma aus Groningen entstehen, das uns einen freundlichen alten Herrn zeigt, der, von Geräten seines Gewerbes umgeben, behaglich im Lehnstuhl sitzt ( Abb. 149 ). – In dem nämlichen Jahre malte der Meister seinen alten Freund Six in einem Prachtbildnis ab, das sich heute noch im Besitz von dessen Nachkommen zu Amsterdam befindet. Ein nicht minder berühmtes Porträt ist dasjenige des Dr. Tholinx in einer Pariser Privatsammlung. Diese Persönlichkeit bildete Rembrandt etwas später auch in einer dem Bilde Lutmas ebenbürtigen Radierung ab, von der es erwähnt sein mag, daß im Jahre 1883 in England für einen Abdruck die Summe von 37 750 Francs, wohl der höchste Preis, den jemals ein Kupferstich erzielt hat, bezahlt wurde. – Für die veränderte Malweise Rembrandts ist das schöne Bild eines nachdenklich dasitzenden Architekten, in der Galerie zu Kassel, sehr bezeichnend, welches die weiche Behandlung auch in der photographischen Verkleinerung noch deutlich wahrnehmen läßt ( Abb. 150 ).
Die Kasseler Galerie besitzt aus dem nämlichen Jahre 1656 ein in lebensgroßen Figuren ausgeführtes biblisches Gemälde, das gleich ausgezeichnet ist durch die milde Schönheit der das Ganze in weichen Tönen überziehenden Farbe und durch die großartige Einfachheit, mit welcher hier ein Stück patriarchalischen Familienlebens geschildert ist: „Jakob segnet seine Enkel.“ Der ehrwürdige Greis liegt unter einer mattroten Bettdecke, deren stumpfe Farbe den graugoldigen Ton des übrigen Bildes wunderbar hervorhebt; er ist mit einer hellen Jacke und einem weiß und gelben Mützchen bekleidet; über die fröstelnden Schultern hat man ihm einen Mantel von Fuchspelz gelegt, als er sich mit noch einmal zusammengerafften Kräften aufrichtete. Sein Sohn 138 Joseph, dessen Haupt ein großer Turban bedeckt, steht neben ihm; er unterstützt ihn und versucht ehrfürchtig und schonend die Hand des dem Tode nahen Greises vom Haupt des blondlockigen Ephraim, der mit verständnisvoller Ehrfurcht den Segen empfängt, auf dasjenige des dunkelhaarigen Erstgeborenen Manasseh hinüberzuführen. Josephs Gattin Asnath, mit einem olivenfarbigen Kleide, mit Haube und Schleier bekleidet, steht daneben; sie läßt ihre Augen zärtlich auf den Kindern ruhen und scheint 139 zugleich, den Verheißungsworten Jakobs folgend, in eine ferne Zukunft zu schauen ( Abb. 151 ). Die Züge dieser Frau, die hier ein so schöner Ausdruck verklärt, haben eine Ähnlichkeit mit dem erwähnten Frauenbildnis im Salon carré des Louvre, und es wird vermutet, daß wir hier das Bildnis der Persönlichkeit vor uns haben, die damals Rembrandt am nächsten stand.
Die Einsamkeit des häuslichen Herdes nach dem Tode Saskias mochte dem Meister allmählich unerträglich werden. Mit der alten Amme, welcher die Erziehung des heranwachsenden Titus überlassen blieb, hatte er üble Erfahrungen gemacht, er hatte die Gerichte zu Hilfe nehmen müssen, um sich ihrer Anmaßlichkeit zu entledigen. Im Herbst 1649 hatte er dann Hendrikje Stoffels, ein junges Mädchen von bäuerlicher Abkunft, das statt der Namensunterschrift nur drei Kreuzchen machen konnte, in sein Haus genommen; allmählich trat diese dem Herzen 140 Rembrandts näher, und bald durfte sie sich als die Nachfolgerin Saskias in dem stattlichen Hause der Breestraat betrachten.
Wie es in diesem Hause aussah, darüber gibt uns ein urkundliches Schriftstück aus dem Jahre 1656 genaue Auskunft. Schon im Flur waren die Wände mit Gemälden bedeckt, darunter viele Studien – Landschaften, Tiere, Köpfe und anderes – von der Hand des Meisters, mehrere Genrebilder von Rubens' berühmtem Schüler Adriaan Brouwer und Landschaften von Jan Lievensz und Hercules Seghers; außerdem sah man da Kinderfiguren in Gips und eine Gipsbüste; die Stühle waren zum Teil mit schwarzen Kissen bedeckt, zum Teil mit Leder bezogen. Im Vorzimmer hingen einige fünfzig Bilder, neben Werken von Rembrandt und verschiedenen zeitgenössischen holländischen und vlämischen Malern auch solche italienischen Ursprunges, eines von Palma Vecchio und eines, das dem Raffael zugeschrieben wurde; unter den eigenen Werken des Meisters zeichnete sich hier eine in reichem Goldrahmen prangende große „Kreuzabnahme“ aus. Ein Spiegel in Ebenholzrahmen, ein Tisch von Nußbaumholz mit einem kostbaren Teppich, sieben spanische Stühle mit grünen Sammetkissen und ein marmornes Kühlbecken vervollständigten die Einrichtung des Vorzimmers. Ein anstoßendes Zimmer war einfacher eingerichtet, an den Wänden aber gleichfalls mit Gemälden geschmückt; neben Bildern und Skizzen von 141 der Hand des Hausherrn und seiner Zeitgenossen hingen da auch Werke der alten niederländischen Meister, von van Eyck war der Kopf eines alten Mannes da; ferner Kopien nach Annibale Caracci und Kopien nach Rembrandt, die letzteren wohl Arbeiten, die seine Schüler ihm verehrt hatten. In dem sogenannten Saal prangten zwischen den niederländischen Bildern, von denen die meisten wieder von Rembrandt selbst, eines von seinem Lehrer Lastmann war, Werke von Giorgione und Raffael; der Tisch war von Eichenholz, der Tischteppich war gestickt, die Stühle mit blauen Kissen bedeckt. Hier stand auch das Bett, mit blauen Vorhängen umzogen; ein Wäscheschrank von Cedernholz und eine aus demselben Holz angefertigte Wäschemangel bekundeten, daß hier das Bereich der Frau vom Hause war. Ein besonderer Raum war das Kunstkabinett. Da sah man Standbilder und Kopfe römischer Kaiser, vielleicht auch den einen oder anderen wirklich antiken Kopf, neben indischen Gefäßen und chinesischen Porzellanfiguren, eine eiserne Rüstung und mehrere Helme, auch einen japanischen Helm und Gerätschaften wilder Völker, ferner Erdkugeln, mineralische und zoologische Gegenstände, sowie eine Anzahl von Gipsabgüssen nach dem Leben, darunter den Abguß eines Negers. Auf einem Gestell befanden sich eine Menge von Muscheln und Seegewächsen, Naturabgüsse „und viele andere Kuriositäten.“ Da waren mancherlei Waffen, ein kostbarer, mit Figuren geschmückter eiserner Schild, eine Totenmaske des Prinzen Moritz von Oranien und die plastische Gruppe eines Löwen mit einem Stier. Auch eine geschnitzte und vergoldete Bettstelle stand da. Den reichsten Schatz aber bargen die Mappen. Mehrere Mappen waren ganz mit Kupferstichen von Rembrandts berühmtem Landsmann Lukas von Leiden angefüllt, andere mit den Stichen Marcantonios nach Raffael; eine enthielt die Werke des Andrea Mantegna, eine andere die Holzschnitte und Kupferstiche Lukas Cranachs, ein ganzer Schrank war mit den Werken von Martin Schongauer, 142 Israel von Meckenen, Hans Brosamer und Holbein gefüllt; Stiche nach fast allen Bildern Tizians und nach den Schöpfungen Michelangelos waren gesammelt. Man sieht, Rembrandt kannte die großen Meister der Renaissance ganz genau, aber er war zu selbständig, um sich von ihnen beeinflussen zu lassen. Er besaß eine Sammlung von Abbildungen der römischen Baudenkmäler, die er doch gar nicht in seinen Schöpfungen verwertete; eher mögen die gleichfalls in einer Mappe vereinigten Bilder aus dem Morgenlande, welche Melchior Lorch und andere gestochen hatten, gelegentlich von ihm benutzt worden sein, freilich auch nur sozusagen ganz von weitem und in der freiesten Weise. Die Zahl der Mappen, in denen er weitere Stiche von und nach berühmten früheren und gleichzeitigen Meistern der Niederlande und Italiens bewahrte, war außerordentlich groß; Rembrandt kannte und schätzte die Werke seiner Zeitgenossen, so verschieden ihre Weise auch von der seinigen sein mochte.
Ein Teil des Kupferstichkabinetts war nicht in Mappen untergebracht, sondern lag in indischen und chinesischen Körbchen zur bequemen Besichtigung auf. Natürlich fehlten auch Rembrandts eigene Radierungen nicht in der Sammlung; die Stiche des van Vliet nach Rembrandts Gemälden nahmen einen besonderen Schrank ein. Zu den Stichen kamen die Handzeichnungen, die sorgfältig geordneten Studien und Entwürfe des Meisters selbst, Studien von Lastmann, nach der Herstellungsart, ob Federzeichnungen oder Rötelzeichnungen, gesondert, und solche von anderen Meistern. In diesem Kunstkabinett, das noch manche andere Dinge, einen Schrein voll Teller, eine Sammlung Fächer, einen ausgestopften Paradiesvogel und sonstige bunte Sachen enthielt, befand sich auch Rembrandts Bibliothek; diese war nicht groß: eine alte Bibel, das Trauerspiel „Medea“ von Six, Dürers Proportionslehre, mehrere Bücher in hochdeutscher Sprache, die wohl nur um ihrer Holzschnitte willen da waren, und fünfzehn nicht näher bezeichnete Bände. 143 Im Vorzimmer des Kunstkabinetts sah man wieder mancherlei Bilder und plastische Bildwerke, auch eingerahmte Stiche. Mit diesem Raum stand die Werkstatt, die aus einem kleinen und einem großen Atelier bestand, in Verbindung. Das erstere zerfiel in mehrere Abteilungen, die in verschiedenartiger Weise ausgestattet waren; die erste war mit alten Arkebusen und Blasrohren geschmückt, die zweite mit Büchsen und mit Bogen und Pfeilen, Wurfspießen und Keulen aus Indien; die dritte enthielt Trommeln und Pfeifen, die vierte Gipsabgüsse von Händen und Köpfen, außerdem eine Harfe und einen türkischen Bogen; die fünfte umschloß außer Naturabgüssen, Bogen, Armbrüsten, alten Helmen und Schilden eine Sammlung von Hirschgeweihen, ferner eine Anzahl von Standbildern und Büsten, die zum Teil als antik galten, eine kleine Kanone, eine Sammlung von alten bunten Stoffen, sieben Saiteninstrumente und zwei kleine Gemälde von Rembrandt. In dem großen Atelier befanden sich Hellebarden, Degen und indische Fächer, vollständige indische Kleidungen, eine hölzerne Trompete, ein großer Helm und fünf Brustharnische, ein Bild mit zwei Mohren von Rembrandt und eine Kinderfigur – es ist nicht gesagt, ob eine gemalte oder eine plastische – von Michelangelo. Der Flur vor dem Atelier war mit zwei Löwenfellen, einem großen Bilde, welches Diana vorstellte, 144 und einer Naturstudie nach einer Rohrdommel geschmückt. Zehn größere und kleinere Gemälde des Meisters zierten ein kleines Zimmer, in dem ein hölzernes Bett stand. – Was sich in der Küche und im Gange befand, dürfte den Leser wenig interessieren.
Es ist eine traurige Urkunde, der wir diesen Einblick in das Innere von Rembrandts Wohnung verdanken. Es ist das von der Insolventenkammer behufs öffentlicher Versteigerung aufgenommene Verzeichnis der beweglichen Habe des Meisters. Rembrandt muß zu allen Zeiten bedeutende Einnahmen gehabt haben; er selbst sagte zur Zeit seiner Ehe mit Saskia, als er der Verschwendung beschuldigt wurde, gerichtlich aus, daß er überreichlich mit Gütern versehen sei. Aber er gab das Geld mit vollen Händen aus; als Saskia nicht mehr da war, um Juwelen über Juwelen von ihm zu empfangen, verschlang der Sammeleifer des Kunstliebhabers alle Einnahmen des Künstlers; auch das nicht unbeträchtliche Vermögen, welches Saskia hinterlassen hatte, reichte nicht aus.
Seit Beginn des Jahres 1653 hatte Rembrandt mehrere größere Summen geliehen, die er nicht zur Zeit zurückgeben konnte, und so brach im Sommer 1656 das Verhängnis über ihn herein, daß er für zahlungsunfähig erklärt wurde. Als Rembrandt die Unvermeidlichkeit dieses Ereignisses vor sich sah, im Mai 1656, übertrug er das Eigentumsrecht an seinem Hause seinem noch minderjährigen Sohne Titus, um diesen, dem die Hälfte von Saskias Vermächtnis zukam, wenigstens einigermaßen sicher zu stellen. Aber nachdem gegen Ende 1657 der größte Teil der beweglichen Habe Rembrandts und in einer zweiten Versteigerung einige Zeit nachher der noch übrige Teil seiner Zeichnungen und Stiche verkauft worden war, wurde im Januar 1658 auch sein Haus versteigert. Dies führte zu langwierigen Prozessen zwischen dem Vormund des jungen Titus und den Gläubigern Rembrandts. Erst im Jahre 1665 wurde diese Sache endgültig zu Gunsten des ersteren entschieden, und im November 1665 kam Titus van Ryn in den vollständigen Besitz des Vermögens, das ihm als mütterliches Erbteil zustand.
Als Rembrandts Haus ausgeleert wurde, suchte er mit Titus, Hendrikje und einem Töchterchen Cornelia, welches diese ihm im Oktober 1654 geschenkt hatte, im Gasthof „Zur Kaiserkrone“ Unterkommen, und in eben diesem Gasthaus fand die Versteigerung seiner Habe statt.
Um dem Meister die Möglichkeit zu verschaffen, so sorglos, wie es unter diesen Umständen möglich war, seiner Arbeit zu leben, fing Hendrikje in Gemeinschaft mit Titus, der sich anfänglich ohne großen Erfolg auf die Malerei gelegt hatte, einen Handel mit Bildern, Kupferstichen, Holzschnitten und Kuriositäten an. Am 15. Dezember 1660 wurde diese Geschäftsvereinigung in aller Form vor einem Notar und zwei Zeugen abgeschlossen und dabei ausdrücklich erklärt, daß Rembrandt ohne Entschädigung für Kost und Wohnung bei den Geschäftsinhabern, denen er sich nach Möglichkeit nützlich machen werde, bleiben solle.
Unter so beklagenswerten Verhältnissen verlor Rembrandt weder den Schaffensmut noch die Schaffenskraft. In dem Zimmer eines Gasthofes, wo er kümmerlich auf Borg lebte – die Rechnung der „Kaiserkrone“, welche 1660 bezahlt wurde, ist noch vorhanden –, später in Mietswohnungen, die er immer nach kurzer Zeit wechselte, alles dessen beraubt, was sonst seiner Werkstatt Behaglichkeit und Schmuck verliehen hatte, fuhr er fort, die herrlichsten Werke zu schaffen. In dem verhängnisvollen Jahre 1656 malte er außer den schon erwähnten Bildern noch ein Gegenstück zu seinem früheren Anatomiebild für die Chirurgengilde; leider ist dieses Gemälde im vorigen Jahrhundert bei einem Brand zu Grunde gegangen, bis auf ein kleines und beschädigtes Bruchstück, das im Amsterdamer Museum aufbewahrt wird. Ferner gehörte eine „Verleugnung Petri“ in der Ermitage zu Petersburg wahrscheinlich diesem Jahre an.
Im folgenden Jahre entstand ein wirkungsvolles Prachtbild, die in der Sammlung des Buckinghampalastes befindliche „Anbetung der drei Weisen.“ Maria sitzt demütig und bescheiden vor der Hütte und hält das von himmlischem Lichte hell bestrahlte Kind dem ältesten der drei Könige entgegen, der mit zwei Gefolgsleuten niedergekniet ist und seine Gabe darreichend die Stirn gegen des Kindes Füße senkt. Joseph hält sich ganz bescheiden im Schatten unter dem Strohdach des Stalles. Der zweite 146 König nimmt aus den Händen eines Pagen, dem er mit schweigender Gebärde beiseite zu treten gebietet, das kostbare Geschenk, welches er darbringen will. Der dritte tritt mit einer Bewegung des Staunens, daß er in solcher Ärmlichkeit den neugeborenen König findet, aus dem Dunkel in das Licht, dessen Wiederschein den Gold- und Juwelenschmuck seiner eigenen reichen Königskleidung funkeln macht. Im Dunkel der Nacht verschwinden die Gestalten des Gefolges, der Schirmträger und die übrigen prächtig gekleideten Leute, die unter himmlischem Geleit vor diese Hütte gekommen sind. Im Zauber der Lichtwirkung gehört das Bild zu den reizvollsten Schöpfungen Rembrandts; ein gleiches Maß von Ausdruck der innersten Frömmigkeit, wie die drei vor dem Christkind knieenden Figuren sie zeigen, hat kaum je ein anderer der größten Meister erreicht, Ähnliches enthalten in dieser Beziehung vielleicht nur die tiefstempfundenen Werke der spätgotischen Zeit ( Abb. 152 ).
Des Meisters eigenes Bildnis aus dem Jahre 1657 besitzt die Dresdener Galerie; man vermeint ein leises Lächeln die Lippen des Malers umschweben zu sehen; solange er sich im Vollbesitz seiner Kunst weiß, darf er über jedes Mißgeschick lächeln. So trägt er auch das Haupt mit vornehmem Stolz aufrecht in dem vielleicht ein Jahr später entstandenen prächtigen Selbstbildnis, welches die Münchener Pinakothek besitzt ( Abb. 153 ). – Ein Meisterwerk der Porträtmalerei ist auch das Brustbild eines langlockigen jungen Mannes im Louvre, von 1658.
Mit eben dieser Jahreszahl ist eine Radierung bezeichnet, welche Christus und die Samariterin am Brunnen darstellt. Eine getuschte Federzeichnung in der Albertina hat mit diesem Blatte, von dem sie übrigens ebenso wie von der inhaltsgleichen Radierung aus des Meisters Jugendzeit als Komposition ganz verschieden ist, den Umstand gemein, daß eine malerische Landschaftsstimmung wesentlich zur Wirkung des Ganzen beiträgt ( Abb. 154 ).
Um diese Zeit fing der Meister übrigens an, die Lust am Radieren zu verlieren. Ein sehr wirkungsvolles Blatt ließ er im Jahre 1659 entstehen in einer Darstellung der Heilung des Lahmgeborenen durch Petrus unter der Schönen Pforte des Tempels ( Abb. 156 ).
Ein biblisches Gemälde von 1659 besitzt das Berliner Museum: „Jakob ringt mit dem Engel.“ Um dieselbe Zeit ist das ebenda befindliche Bild „Moses zertrümmert die Gesetztafeln“ entstanden. Ein meisterhaftes Bildnis von 1659, die Halbfigur eines alten Mannes, befindet sich in der Londoner Nationalgalerie.
Sich selbst hat der Meister im Jahre 1660 abgemalt in seiner Arbeitskleidung, das ergrauende Haar mit einem weißen Tuch bedeckt, mit der Palette in der Hand; seine Haut ist welk geworden, aber die Augen leuchten noch voll Leben unter den Brauen hervor. Die Louvresammlung besitzt dieses bewunderungswürdige Bildnis, welches sogar die ebendort befindlichen älteren Selbstbildnisse des Meisters in Schatten stellt.
Im folgenden Jahre vollendete er das vollkommenste unter allen seinen Werken: die Bildnisgruppe der Vorsteher („Probenmeister“) der Tuchmacherzunft von Amsterdam. Wie er in seiner Jugendzeit in der „Anatomiestunde“ und in seiner Blütezeit in der „Scharwache“ sein Bestes geschaffen hatte, so krönte er auch im Alter seine Thätigkeit wieder durch ein Genossenschaftsbild. Aber während er in jenem Gemälde sich die strengste Naturwahrheit als Ziel gestellt und in diesem den Versuch gemacht hatte, aus der an sich trockenen Aufgabe ein malerisches Gedicht zu gewinnen, so vereinigte er jetzt mit gereifter Kraft die beiden Seiten seines Könnens. Er schuf ein Bild von der ungesuchtesten Natürlichkeit und mit schlichter, gleichmäßiger Beleuchtung, ohne von dem Zauber seiner ihm allein eigentümlichen Farbe das Geringste zu opfern; er dichtete in Farben, ohne der überzeugenden Lebenswahrheit auch nur im mindesten Eintrag zu thun. In diesem Bilde von großartiger Einfachheit hat Rembrandt das letzte Wort seiner Kunst gesprochen. An einem Tische, den ein orientalischer Teppich von rotem Grundton bedeckt, sitzen vier Herren, mit dem Prüfen der Rechnungen beschäftigt, ein fünfter erhebt sich eben vom Stuhl; alle fünf sind gleichmäßig mit schwarzen Röcken, breiten weißen Kragen und schwarzen Filzhüten bekleidet; hinter ihnen steht barhäuptig ein Diener, gleichfalls in schwarzem Rock mit weißem Kragen; die Wand des Zimmers ist mit braunem Holz getäfelt. Aus so wenigen Farben hat der 148 Meister ein Bild von unbeschreiblicher Harmonie zusammengewoben; jeder Gegenstand hat deutlich und bestimmt die Farbe, die ihm zukommt: aber das Ganze ist gleichsam mit einem braungoldigen Ton durchtränkt. Dabei ist das denkbar höchste Maß von Körperhaftigkeit erreicht und nicht minder die sprechendste, zweifelloseste Porträtähnlichkeit in jeder einzelnen Persönlichkeit. Diese ehrbaren Männer leben vor unseren Augen ( Abb. 155 ). Das Bild befand sich ursprünglich im sogenannten Staalhof; jetzt prangt es im Reichsmuseum zu Amsterdam und verdunkelt die trefflichsten Porträtbilder anderer Meister.
1661 ist die letzte Jahreszahl, die auf einer Radierung des Meisters vorkommt. Dieses letzte datierte Werk seiner Ätzkunst ist das Bildnis seines nunmehr zweiundsechzigjährigen alten Freundes Coppenol, den er im Laufe seines Lebens mehrmals mit Farben und mit der Radiernadel abgebildet hatte.
Aus dem nämlichen Jahre besitzt die 150 Louvresammlung ein mit fast verwegener Meisterschaft gemaltes Bild, welches den Evangelisten Matthäus darstellt. – Ebendort befindet sich aus etwas späterer Zeit ein Gemälde, das uns eine reichgekleidete wohlbeleibte Holländerin mit einem Knaben auf dem Schoße zeigt; der Knabe hat Flügel an den Schultern, und daran merken wir, daß hier Venus und Amor vorgestellt werden sollen. Daß Rembrandt sich auf derartige Gegenstände nicht verstand, ist in diesem seinen letzten mythologischen Gemälde endgültig dargethan. Aber als den großen Meister biblischer Darstellungen bewährte er sich noch einmal in einem ergreifenden Gemälde, welches in lebensgroßen Figuren die Rückkehr des verlorenen Sohnes schildert (in der Ermitage zu Petersburg). – Ein dem Gegenstande nach nicht ganz verständliches Bild von 1662 besitzt das Museum van der Hoop in Amsterdam. Dieses farbenprächtige Gemälde führt den Namen „die jüdische Braut“ und zeigt eine reich gekleidete junge Frau, der ein ältlicher Mann mit würdevollem Äußeren zärtlich entgegentritt.
Es liegt etwas, man möchte sagen Aufgeregtes in der Art und Weise, wie diese Gemälde aus Rembrandts letzten Lebensjahren behandelt sind; man könnte glauben, der Meister, der sein ganzes Leben lang so gewissenhaft an seiner Ausbildung gearbeitet und der immer Fortschritte gemacht hatte, habe nach der Vollendung des nicht mehr zu überbietenden Tuchmacherbildes in unerhörten Kühnheiten der Malweise eine Möglichkeit, noch mehr zu erreichen, gesucht. Sehr auffallend tritt dieses auch bei dem großen, schönen Familienporträt im Museum zu Braunschweig zu Tage, auf dem ein Mann, eine Frau und zwei Kinder abgebildet sind.
Die Jahreszahl 1666 tragen das Bildnis einer alten Dame in der Londoner Nationalgalerie 152 und dasjenige des Dichters Jeremias de Decker in der Ermitage. Der letztere war ein alter Freund Rembrandts; vor fast dreißig Jahren hatte er dessen jetzt im Buckinghampalast befindliches Gemälde „Christus erscheint der Magdalena“ in einem Sonett gefeiert; in einem Gedicht dankte er nun auch dem Meister für das Bildnis, das dieser ihm „nicht aus Aussicht auf Gewinn, sondern aus Freundschaft“ gemalt hatte, und er pries den Ruhm, den Rembrandt errungen habe, „dem Neid zum Trotze, dem verruchten Tier.“ – Seine unverwüstliche Frische der Auffassung und seine Schärfe der Beobachtung bewies der Meister auch noch in einer ganzen Anzahl von Selbstbildnissen, mit denen er seine Künstlerlaufbahn beschloß, wie er sie damit begonnen hatte ( Abb. 157 ).
Als seine letzte Schöpfung gilt das in der Gemäldesammlung des großherzoglichen Schlosses zu Darmstadt befindliche ergreifende Bild: „Christus an der Martersäule.“ Es ist mit der Jahreszahl 1668 bezeichnet. Ein bitteres Gefallen an der Verbildlichung des Qualvollen spricht aus der Darstellung. Der Heiland wird durch zwei Schergen in eine grausame Stellung zum Empfang der Geißelhiebe gebracht; der eine zieht ihm die gefesselten Hände vermittelst einer Rolle gewaltsam in die Höhe, während der andere ihm die Füße in Eisen legt; die Magerkeit des entblößten Körpers erhöht die Peinlichkeit des Anblicks. Das Gemälde ist in seinem schwarzgoldigen Ton noch ein echtes Werk Rembrandts, und zugleich ist es das echte Werk eines müden alten Mannes, mit vollem Können, aber ohne Herzenswärme gemalt.
Hendrikje Stoffels war wahrscheinlich schon bald nach 1661 gestorben, und ihr Töchterchen Cornelia scheint nicht über das Kindesalter hinausgekommen zu sein. Seinen Sohn Titus verlor Rembrandt im September 1668, nachdem derselbe kurz zuvor geheiratet hatte. Er selbst war eine neue Ehe eingegangen mit Catharina van Wyck, von der er noch zwei Kinder bekam. Der Meister beschloß sein arbeitsames, von Ruhm und glänzenden Erfolgen erhelltes und von 154 harten Schicksalsschlägen verdüstertes Leben im Herbst 1669. Die Begräbnisliste der Westerkirche zu Amsterdam verzeichnet den 8. Oktober 1669 als den Tag seiner Beerdigung.
Die Geschichte seines Lebens verschwand auffallend schnell im Dunkel. Ein Gemisch von schülerhaften Werkstattgeschichtchen und von böswilligen Verleumdungen, das aus den Kreisen seiner eigenen Schüler hervorging, hat die Stelle seiner Lebensbeschreibung vertreten müssen, bis in unserem Jahrhundert holländische Forscher die urkundliche Wahrheit ans Licht förderten. Sein Künstlerruhm aber war zu groß, um vom Neide berührt zu werden. Die besten Meister der Kupferstecherkunst bemühten sich, die Gemälde Rembrandts zu vervielfältigen. Namentlich wurde in der sogenannten Schabkunstmanier, welche gegen das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland erfunden wurde und alsbald besonders in England zu großer Beliebtheit gelangte, ein sehr geeignetes Mittel gefunden, die Rembrandtsche Helldunkelwirkung wiederzugeben. Die Abbildungen 38 , 56 , 75 , 101 , 122 , 145 und 157 sind nach solchen Schabkunst- (oder Schwarzkunst-)Blättern deutscher und englischer Meister aus dem XVII. und XVIII. Jahrhundert angefertigt. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat der größte Kupferstecher jener Zeit, der preußische Hofkupferstecher G. F. Schmidt, zahlreiche Rembrandtsche Gemälde durch Radierungen, welche Rembrandts eigene Radiermanier nachahmten, vervielfältigt. So trefflich diese Radierungen sind, so geben sie doch Rembrandts Werke nicht mit unbedingter Treue wieder; jene Zeit war nicht unbefangen genug, um sich in eine andere Zeit ganz rückhaltslos vertiefen zu können: namentlich fällt es uns auf, daß G. F. Schmidt als echter Sohn seiner Zeit die einfache Natürlichkeit des Ausdruckes, die für uns heute einer der höchsten Ruhmestitel von Rembrandts Kunst ist, nicht begriffen hat; der Zopfkünstler hat, gewiß unabsichtlich, fast überall etwas Schauspielerisches in die Augen der Rembrandtschen Figuren gelegt, was doch den Originalen so ganz und gar fremd ist. Durch wirklich zweifellos getreue Vervielfältigung die weit zerstreuten Schöpfungen des Meisters größeren Kreisen bekannt zu machen, blieb der Photographie in ihrer heutigen Vollkommenheit vorbehalten. Neben den prachtvollen photographischen Abbildungen, welche in der letzten Zeit von den Schätzen einzelner Sammlungen veröffentlicht worden sind – auf die Photographien von F. Hanfstängl in München nach den Gemälden der Galerie zu Kassel sei ganz besonders hingewiesen – muß die Thätigkeit des Verlags von A. Braun & Co. in Dornach (Elsaß) in erster Reihe hervorgehoben werden. Diese Firma hat, wie von Raffael, Holbein und anderen Meistern, so auch von Rembrandt in den verschiedenen Sammlungen Europas, von Madrid bis Petersburg und von London bis Neapel, die Hauptwerke aufgesucht und in unübertrefflichen Photographien wiedergegeben. Ein besonderes Verdienst dieser Firma ist es, daß sie auch die Handzeichnungen des Meisters photographiert und so einen dem großen Publikum vordem so gut wie gar nicht bekannten kostbaren Schatz der Öffentlichkeit übergeben hat. Handzeichnungen Rembrandts kennen zu lernen, hat heute, wo dieser Meister mehr als je geschätzt wird, das höchste Interesse. Von Rembrandt kann man sagen, daß sein Ruhm stets gewachsen ist; denn die Stimmen einzelner Kunstkenner vom Ende des vorigen und dem Anfange unseres Jahrhunderts, denen für einen Meister, auf welchen sich eine die Nachahmung der Antike als Grundlage aller Kunst ansehende Kunstbeurteilung allerdings ganz und gar nicht anwenden ließ, das Verständnis fehlte – von Empfindung gar nicht zu reden –, fallen nicht allzu schwer ins Gewicht. Der Bewunderung Rembrandts kommt freilich seinen älteren Ruhmesgenossen gegenüber auch das zu gute, daß beim Beginn seiner Blütezeit die letzten, welche ihm als ebenbürtig gelten konnten, tot waren, – denn die mitlebenden beiden großen Meister der spanischen Malerei kamen, da sie außerhalb ihres Heimatlandes fast unbekannt blieben, nicht in Betracht –, daß also das Parteinehmen und Vergleichen – die Zerstörung alles Kunstgenusses – wegfiel, und daß nach ihm keiner gekommen ist, dessen Name neben dem seinigen genannt werden dürfte. Er war der letzte wirklich große Maler.
Künstler-Monographien
In Verbindung mit Andern herausgegeben
von
H. Knackfuß
.
Verlag von Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig.
In reich illustrierten, vornehm ausgestatteten Bänden mit Goldschnitt
zum Preise von 2–3 Mark pro Band.
Plan der Sammlung:
D ie Sammlung ist darauf angelegt, in erschöpfenden, reich illustrierten Monographien, jeder Band selbständig in sich abgeschlossen, eine vollständige
Geschichte der klassischen und modernen Kunst
zu bilden, deren handliche und äußerlich vornehme Form in kunst- und litteraturliebenden Kreisen ungeteilten Beifall gefunden hat.
Verzeichnis
der bis zum März 1897 erschienenen Bände:
Band | 1. | Raffael (Mit 128 Abbildungen) | 3 M. |
" | 2. | Rubens (Mit 115 Abbildungen) | 3 " |
" | 3. | Rembrandt (Mit 156 Abbildungen) | 3 " |
" | 4. | Michelangelo (Mit 95 Abbildungen) | 3 " |
" | 5. | Dürer (Mit 134 Abbildungen) | 3 " |
" | 6. | Velazquez (Mit 46 Abbildungen) | 2 " |
" | 7. | Menzel (Mit 141 Abbildungen) | 3 " |
" | 8. | Teniers d. J. (Mit 63 Abbildungen) | 2 " |
" | 9. | A. v. Werner (Mit 125 Abbildungen) | 3 " |
" | 10. | Murillo (Mit 59 Abbildungen) | 2 " |
" | 11. | Knaus (Mit 67 Abbildungen) | 3 " |
" | 12. | Franz Hals (Mit 40 Abbildungen) | 2 " |
" | 13. | van Dyck (Mit 55 Abbildungen) | 3 " |
" | 14. | Ludwig Richter (Mit 183 Abbildungen) | 3 " |
" | 15. | Watteau (Mit 92 Abbildungen) | 3 " |
" | 16. | Thorwaldsen (Mit 146 Abbildungen) | 3 " |
" | 17. | Holbein d. J. (Mit 151 Abbildungen) | 3 " |
" | 18. | Defregger (Mit 96 Abbildungen) | 3 " |
" | 19. | Terborch und Jan Steen (Mit 95 Abbildungen) | 3 " |
" | 20. | Reinhold Begas (Mit 117 Abbildungen) | 3 " |
Der Eintritt in das Abonnement verpflichtet nicht zur Abnahme der ganzen Sammlung, vielmehr hat der Abonnent das Recht der Auswahl der ihm zusagenden Bände und der Rückgabe der nicht gewünschten, so daß jedem Kunst- und Bücherfreunde Gelegenheit geboten ist, seine Lieblingskünstler sich auszuwählen und nach und nach die Sammlung zu einer vollständigen und erschöpfenden Geschichte der bildenden Künste zu ergänzen.
Der anerkannte und sehr schätzenswerte Vorzug einer zugleich wissenschaftlich gründlichen und allgemein verständlichen Darstellung wird in dieser Sammlung unterstützt durch eine reiche, glänzende Illustrierung, und an dem vollendeten Druck, sowie an der eigenartigen, feinen äußeren Ausstattung der Bände wird jeder Bücherliebhaber seine Freude haben.
Der äußerst niedrige Preis der Bände ist darauf berechnet, diese Sammlung in die weitesten Kreise zu bringen und auch Liebhabern mit bescheidenen Mitteln die Anschaffung zu ermöglichen.
Als Ergänzung der Künstler-Monographien und in gleicher Ausstattung erscheint:
Allgemeine Kunstgeschichte.
Herausgegeben von
H. Knackfuß und Max Gg. Zimmermann.
3 Bände gr. 8 o mit über 1000 Abbildungen. Preis komplett 24 M.
Hiervon ist bereits erschienen:
Erster Band:
Kunstgeschichte des Altertums und des Mittelalters
bis zum Ende der romanischen Epoche
von Professor Dr.
Max. Gg. Zimmermann.
Mit 411 Illustrationen. Preis: broschiert 8 M., elegant gebunden 10 M.
I n diesem Werke wird man eine übersichtliche, anziehend und klar geschriebene Darstellung der Kunst in allen ihren Verzweigungen von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart finden, erläutert und belegt durch eine große Fülle meisterhaft reproduzierter Abbildungen nach den Originalen. Für den Bücherschrank des deutschen Hauses empfiehlt sich das Werk sowohl durch seine gemeinverständliche Darstellung wie durch seinen handlichen Umfang und mäßigen Preis, nicht minder werden die Abnehmer und Freunde der Knackfußschen „Künstler-Monographien“ dieses Werk willkommen heißen, das eine Übersicht der Kunstentwickelung aller Zeiten im Zusammenhange bietet, während die Künstler-Monographien erschöpfende in sich abgeschlossene Darstellungen einzelner großer Künstler geben. Die Allgemeine Kunstgeschichte bildet also eine notwendige Ergänzung der Künstler-Monographien, wie sie sich denn auch im Format dieser Sammlung anschließt. Zum zahlreichen Abonnement ladet ein
Die Verlagshandlung
Velhagen & Klasing
in Bielefeld und Leipzig
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zur Ansicht – in feste Rechnung
Künstler-Monographien von H. Knackfuß
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Band 1
(Raffael)
und Folge
(à Band 2–3 M.)
oder daraus einzeln:
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Raffael
(1) –
Rubens
(2) –
Rembrandt
(3) –
Michelangelo
(4) –
Dürer
(5) –
Velazquez
(6) –
Menzel
(7) –
Teniers d. J.
(8) –
A. v. Werner
(9) –
Murillo
(10) –
Knaus
(11) –
Franz Hals
(12) –
A. van Dyck
(13) –
Ludwig Richter
(14) –
Watteau
(15) –
Thorwaldsen
(16) –
Holbein d. J.
(17) –
Defregger
(18) –
Terborch
und
Jan Steen
(19) –
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(20).
(Das Nichtgewünschte gefl. zu durchstreichen.)
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Allgemeine Kunstgeschichte
. Von
H. Knackfuß
und
Max Gg. Zimmermann.
I. Band:
Altertum und Mittelalter.
Preis: broschiert 8 M. – gebunden 10 M.
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Anmerkungen zur Transkription
Seite 5
: „noch nicht belastetete“ wurde geändert in „noch nicht belastete“
Abb. 24
: „Coppeno“ wurde geändert in „Coppenol“
Abb. 51
: „Saskia von Uhlenburgh“ wurde geändert in „Saskia van Ulenburgh“
Seite 82
: „gleichnamiger Prediger“ wurde geändert in „gleichnamigen Prediger“
Seite 100
: „sikkziert“ wurde geändert in „skizziert“
Seite 100
: „wie er den Lazerus“ wurde geändert in „wie er den Lazarus“
Seite 101
: „die beiden mageren Hänbe“ wurde geändert in „die beiden mageren Hände“
Abb. 110
, die im Buch seitenverkehrt abgebildet war, ist hier seitenrichtig wiedergegeben
Seite 110
: „das 1674 gemalte Bildnis“ wurde geändert in „das 1647 gemalte Bildnis“
Seite 128
: „wer es fassen kaun“ wurde geändert in „wer es fassen kann“
Seite 132
: „ein eigentümlich düsters Gemälde“ wurde geändert in „ein eigentümlich düsteres Gemälde“
Seite 132
: „in Rembrandts Gemälden vorherschend“ wurde geändert in „in Rembrandts Gemälden vorherrschend“
Seite 140
: „Palma Veccchio“ wurde geändert in „Palma Vecchio“
Seite 152
: „wie er sie damit begonnen hatte (
Abb. 153
)“ wurde geändert in „wie er sie damit begonnen hatte (
Abb. 157
)“