Title : Die Hessen und die andern deutschen Hilfstruppen im Kriege gross-britanniens gegen Amerika, 1776-1783
Author : Edward J. Lowell
Translator : Otto Christoph von Verschuer
Release date : October 27, 2013 [eBook #44049]
Language : German
Credits
: Produced by Peter Becker, Karl Eichwalder and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This
book was produced from scanned images of public domain
material from the Google Print project.)
Von
Edward J. Lowell.
Uebersetzt mit Autorisation des Verfassers
von
O. C. Freiherrn von Verschuer
Major z. D.
Mit 8 Plänen
Zweite, um eine Einleitung vermehrte Ausgabe.
Braunschweig und Leipzig
Verlag von Richard Sattler
1902.
Seinem ehemaligen Regiments-Kommandeur
Herrn Generalmajor z. D. von Gersdorff
in Dankbarkeit und Verehrung
gewidmet
von
dem Uebersetzer
In vorliegendem Buche will der Verfasser das Auftreten der »Deutschen Hilfstruppen« in Amerika einer genauen Beleuchtung unterwerfen, insbesondere will er den Legenden entgegentreten, die sich in seinem Vaterlande im Laufe der Zeit über die Hilfstruppen — mit dem Sammelnamen »Hessen« bezeichnet — gebildet haben. Seine Anschauungen in Betreff der Subsidien-Verträge mit England und der an diesen beteiligten Fürsten stimmen im allgemeinen mit den Ansichten weiter Kreise in Deutschland überein, viele urteilen bei weitem schärfer, aber bei einer grossen Menge werden die abfälligen Urteile nach verschiedener Richtung hin mehr oder weniger scharf bekämpft. Wie erklärt sich dieser Zwiespalt der Meinungen, und wie könnte er einigermassen überbrückt werden? Er erklärt sich m. E. hauptsächlich dadurch, dass viele Geschichtschreiber die Frage des sogenannten Soldatenhandels nicht genügend im Lichte der damaligen Zeit betrachten, und dass diese Frage bisher nicht in ihrer Vielseitigkeit und mit derjenigen Gründlichkeit behandelt worden ist, die zur Erlangung eines objektiven Urteils unbedingt notwendig ist. Ein solches Urteil wird nur erlangt werden können durch eine genaue Prüfung und Vergleichung der bereits vorhandenen und eine Untersuchung der noch unbenutzt liegenden Quellen, ferner durch gleichzeitiges in-Betrachtziehen der politischen und militärischen Verhältnisse und Zustände — und ihrer Entwickelung — in allen Staaten, die im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts je an dem Überlassen von Truppen gegen Subsidien beteiligt gewesen sind, und schliesslich durch ein sich-Vertiefen in die Anschauungen der Zeit und zwar aller Kreise: der Fürsten, Landstände, Offiziere, Soldaten und des Volkes. Nur aus dem Geiste der Zeit heraus kann das Übereinkommen deutscher Fürsten mit England im Jahr 1776, können die Urteile der Zeitgenossen für und wider — verstanden, erklärt werden. Von grosser Bedeutung aber ist die Thatsache, dass die Verträge mit England und das Auftreten deutscher Soldtruppen in Amerika in den Zeitabschnitt fallen, der der französischen Revolution vorausging. Hervorragende Geister der damaligen Zeit bemühten sich, weiten Kreisen in Europa bei Gelegenheit des ungewöhnlichen Falles der Verschickung deutscher Truppen über den Ozean zum Bewusstsein zu bringen: was das Überlassen von Menschen an fremde Souveräne gegen Geld zu bedeuten habe! Wie in vielen andern Dingen so auch in dieser Frage beginnt sich ein Wandel in den Anschauungen Bahn zu brechen. Das was die Fürsten und die an den Verträgen mit England interessierten Kreise — im Geiste ihrer Zeit, in ihren Ideen und ererbten Überlieferungen befangen, sowie unter Berufung auf die Reichsverfassung — zu thun für Recht hielten, wird als »Menschenhandel« bezeichnet. So erklärt es sich, dass bei den Verträgen des Landgrafen Friedrich II. und der andern beteiligten Fürsten Ausdrücke wie »Verkauf« und »Seelenhandel« anfangen laut zu werden, während man zu Zeiten der frühern Subsidien-Verträge in dem Überlassen von Truppen etwas Althergebrachtes, nichts Unrechtes erblickte.
Viel Aufsehen hat seiner Zeit das Buch von Friedrich Kapp über den »Soldatenhandel« erregt. Er nennt es »Beitrag zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts.« Niemand wird den Wert, den es hat, bestreiten. Ein Buch aber, das sein Entstehen einer Tendenz verdankt, wie sie der Verfasser im Eingang zum Ausdruck bringt, kann unmöglich Anspruch auf Objektivität machen. Und wer eine so leidenschaftliche Sprache wie Kapp führt, kann nur ein einseitiges, kein gerechtes Urteil fällen.
Wie wir sehen, stützt Lowell sein Urteil über die deutschen Zustände im 18. Jahrhundert zum grossen Teil auf die Forschungen Kapps, sowie auch auf Seume (dessen Zeugnis aber ebenfalls nicht kritiklos hinzunehmen ist). Dieser Teil des L.schen Buches wird deshalb sicher — wenngleich ihn eine völlig objektive Ausdrucksweise auszeichnet — von einer spätern Geschichtschreibung berichtigt und ergänzt werden. Von unbestreitbarem Wert wird aber ebenso sicher der Hauptteil seines Buches sein, in dem er — dank seiner umfassenden und gewissenhaften Quellenforschungen — besser, und nebenbei fesselnder, als irgend ein Geschichtschreiber vor ihm, uns erzählt, von welcher Art deutsche Offiziere und Soldaten waren, die in der »Neuen Welt« auftraten, welche Eindrücke sie von ihr bekamen, und dass sie unter den schwierigsten Verhältnissen ihre Schuldigkeit gethan haben.
Zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen: das Vermieten von Truppen ist eine Erscheinung im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts, die der Geschichte einer grossen Zahl von deutschen Staaten, darunter die bedeutendsten, angehört. Ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte wird in vorliegendem Buche in Erinnerung gebracht. Dunkel sah es mehr oder weniger in allen deutschen Landen — in mancher Hinsicht — um die Zeit des letzten Viertels des 18. Jahrhunderts aus. Gleichzeitig wissen wir aber zu unserm Glück, dass dieses Dunkel einem Licht hat weichen müssen, das uns das 19. Jahrhundert gebracht hat.
Frankfurt a. M., im März 1902.
v. Verschuer.
Die Geschichte der deutschen Hülfstruppen, die im Revolutionskriege für Gross-Britannien fochten, hat von amerikanischen Geschichtsschreibern nicht den Grad von Beachtung gefunden, den ihre Wichtigkeit berechtigt erscheint zu verdienen. Es ist sehr viel Wesen davon gemacht worden, dass 7000 französische Soldaten und 19 000 französische Seeleute den Vereinigten Staaten bei der Belagerung von Yorktown beistanden, aber vergessen haben wir, dass eine Macht von zwischen 15 und 20 000 Deutschen im Verlauf von 7 Jahren gegen uns kämpfte, dass mehr als 29 000 zu diesem Zweck nach Amerika gebracht wurden, dass mehr als 12 000 niemals nach Deutschland zurückkehrten. Ich weiss von keinem amerikanischen Geschichtsschreiber ausser Bankroft, der gründliche Studien über diesen Gegenstand in den Original-Quellen gemacht hätte; dem ganzen Charakter seines Werkes nach wäre es nicht angängig gewesen, die Geschichte der deutschen Truppen in ihren Einzelheiten zu schreiben. Doctor George Washington Greene hat interessante Auszüge aus 3 Kapp'schen Büchern herausgegeben, und die Erzählungen der Baronesse Riedesel sind ins Englische übersetzt worden von William L. Stone Esq., der auch den Teil von Eelkings »Leben von Riedesel«, welcher vom Revolutionskrieg handelt, übersetzt hat. [S. X]
Ich kann nicht behaupten, bei der Bearbeitung des vorliegenden Buches annähernd alle die sehr inhaltreichen Quellen, die die Bibliotheken und Archive in Deutschland enthielten, benutzt zu haben. Ich habe indessen deutsche Originalberichte von jedem wichtigen Engagement gefunden und von beinahe jedem Scharmützel im Revolutionskriege vom Jahr 1776 bis zum Ende, ausgenommen einige von den Gefechten, die in Carolina und Georgia stattfanden und in denen wenige, wenn überhaupt, Deutsche engagiert waren. Einige von diesen Berichten sind, glaube ich, niemals einem amerikanischen Schreiber vor Augen gekommen.
In Deutschland haben die Verträge in Betreff der Überlassung von Hilfstruppen an Gross-Britannien und die Geschichte dieser Truppen mehr Beachtung gefunden als in Amerika. Zwei Geschichtsschreiber sind unter denen, die diesen Gegenstand behandelt haben, besonders hervorzuheben. Der eine ist Fritz Kapp, einst Mitglied des Reichstages und vordem in der Verbannung in Amerika. Diesem Buche verdanke ich sehr viel, direkt und indirekt, wegen der vielen Fingerzeige, die dasselbe enthält, besonders in den ersten fünf Kapiteln. Der andere Geschichtsschreiber ist Max von Eelking, Hauptmann in Sachsen-Meiningen'schen Diensten und korrespondierendes Mitglied des New-Yorker Geschichtsvereins. Seine zwei Werke, »Die deutschen Hilfstruppen im nordamerikanischen Befreiungskriege« und »Leben und Wirken des Herzoglich Braunschweigischen Generallieutenants Friedrich Adolf von Riedesel«, stellen die Geschichte vom deutschen Standpunkt aus dar. Hauptmann von Eelking stand ein sehr reichhaltiges Material zur Verfügung. Die Liste der für das erste Werk benutzten Handschriften (von denen viele Eigentum von Privatpersonen) enthält 38 Nummern. Bei der Lebensbeschreibung von Riedesel hatte er die Erlaubnis, alle Briefe und Schriften, die der General hinterlassen, zu benutzen. Wenn Hauptmann von Eelking [S. XI] so viel Sorgfalt im Gebrauch des Materials als Fleiss in der Sammlung desselben entwickelt hätte, so würden seine Werke sehr wertvolle Beiträge zur amerikanischen Geschichte sein. Leider erleiden die Resultate seines Fleisses durch Ungenauigkeiten Einbusse. Ich habe ihn oft benutzen müssen, habe es aber mit Vorsicht gethan.
Der Leser wird in diesem Buche Stellen finden, die mehr dem Gebiete der Biographie oder Anekdote als der reinen Geschichte angehören. Die Abenteuer von verhältnismässig unwichtigen Persönlichkeiten wie Wiederhold, Ewald oder Baronesse Riedesel sind mit ziemlicher Ausführlichkeit erzählt. Es war meine Aufgabe, einen Begriff davon zu geben, was für eine Art Leute die Hilfstruppen waren und was für einen Eindruck Amerika und die Amerikaner auf sie machten. Zu diesem Zweck habe ich mich nicht gescheut, scheinbar unbedeutenden, gewöhnlichen Stoff da zu verwenden, wo er charakteristisch geschienen hat, oder Meinungen und Beschreibungen anzuführen, die, obschon echt, irrig waren.
Der Verfasser.
Seite | |||
Kapitel | I. | Die Fürsten | 1 |
" | II. | Die Verträge | 12 |
" | III. | Die Verträge vor dem Parlament | 22 |
" | IV. | Die Soldaten | 30 |
" | V. | Von Deutschland nach Amerika | 37 |
" | VI. | Die Schlacht von Long-Island 1776 | 41 |
" | VII. | Von der Okkupation von New-York bis zur Wegnahme von Fort Washington, 15. Sept.-16. Nov. 1776 | 51 |
" | VIII. | Trenton, 26. Dez. 1776 | 64 |
" | IX. | Der Winter 1777 | 75 |
" | X. | Die Braunschweiger in Canada 1776 | 90 |
" | XI. | Baronin Riedesels Reise 1776 u. 77 | 98 |
" | XII. | Ticonderoga und Bennington, Juli und August 1777 | 108 |
" | XIII. | Stillwater, am 19. Sept. u. 7. Okt. 1777 | 120 |
" | XIV. | Saratoga, vom 11-16. Okt. 1777 | 129 |
" | XV. | Die Braunschweiger in Gefangenschaft | 145 |
" | XVI. | Brandywine, Germantown und Redbank, September und Oktober 1777 | 160 |
" | XVII. | Der Rückzug der Briten durch New-Jersey, Januar bis Juli 1778 | 170 |
" | XVIII. | Newport, vom November 1776 bis Oktober 1779 | 174 |
" | XIX. | Die Umgegend von New-York 1777-79 | 180 |
" | XX. | Wiederholds Reise — eine Episode — Sept. 1779 | 187 |
" | XXI. | Savannah, Charleston und Pensacola, 1778-1781 | 195 |
" | XXII. | New-York in den Jahren 1780 u. 81 | 208 |
" | XXIII. | Der Feldzug im Süden im Jahre 1781 | 216 |
" | XXIV. | Schluss | 230 |
Anhang. |
Seite | |
A. | Quellen-Verzeichnis | 241 |
B. | Die hessischen Regimenter und ihre Namen | 244 |
C. | Übersicht über die Zahl der von jedem deutschen Staat nach Amerika gesandten Truppen und über die Zahl derer, die nicht zurückkehrten | 248 |
D. | Verlustliste der Deutschen in den Haupt-Schlachten und Gefechten des Revolutionskrieges | 250 |
Karten und Pläne. |
||
1. | Schlacht von Long-Island 1776 | 48 |
2. | Operationen in New-Jersey und Pennsylvanien 1776 | 64 |
3. | Affaire bei Trenton 1776 | 74 |
4. | Burgoynes Übergabe 1777 | 128 |
5. | Schlacht von Brandywine 1777 | 160 |
6. | Überfall auf Paulus Hook 1779 | 186 |
7. | Lord Cornwallis Operationen im Süden 1781 | 216 |
8. | Yorktown 1781 | 224 |
Die Hessen
und die andern deutschen Hülfstruppen im Kriege
Gross-Britanniens gegen Amerika
1776-1783.
Die Stadt Cassel ist für den durchreisenden Fremden eine der anziehendsten in Mitteldeutschland. Ihre Galerien, Parks und Gärten, sowie ihre grossen Paläste erregen Bewunderung und Staunen. Hier brachte Napoleon III. die Monate seiner Gefangenschaft zu inmitten einer Umgebung, die ihn an die Grossartigkeit von Versailles erinnert haben möchte, welche den Schöpfern dieser herrlichen Anlagen wohl als Vorbild vorschwebte. Die Anlagen und Schlösser rührten hauptsächlich aus dem XVIII. Jahrhundert her, als die Augen der meisten Fürsten von Europa auf den französischen Hof gerichtet waren; und kein Hof folgte eifriger und konsequenter, in äusserem Gepränge wenigstens, dem Beispiel des französischen Hofes, als der des Landgrafen von Hessen-Cassel. Die Ausgaben für alle diese Bauten und Parkanlagen waren ungeheuer, aber es war im allgemeinen Geld im Staatsschatz. Das Land jedoch war arm. Die 3-400 000 Einwohner lebten hauptsächlich vom Ackerbau, während die Landgrafen Finanzmänner waren. Es war ein einträglicher Handel, den sie betrieben. Nach der Ware, die sie verkauften oder ausliehen, war grosse Nachfrage im damaligen Jahrhundert, wie in allen Jahrhunderten, es waren eben Menschen , mit denen die Landgrafen von Hessen-Cassel Handel trieben. Daher kam es, dass Landgraf Friedrich II. und seine Leute in der amerikanischen Geschichte eine Rolle spielten und dass der Name »Hessen« eine landläufige Bezeichnung in [S. 2] den Vereinigten Staaten wurde. Die Landgrafen nahmen es nicht sonderlich genau mit den Ländern und den Abnehmern, mit denen sie in Verbindung traten. 1687 stellte einer derselben 1000 Mann den Venetianern für Geld zur Verfügung, um gegen die Türken zu fechten. 1702 dienten 9000 Hessen unter den Seemächten und 1706 waren 11 500 Mann in Italien. England war der beste Kunde. Während eines grossen Teils des XVIII. Jahrhunderts hatte es Hessen in seinem Sold. Ein Teil derselben war bei der Armee des Herzogs von Cumberland während des Prätendenten Invasion 1745, aber es ist festgestellt, dass sie sich zu fechten weigerten, um einen Vertrag wegen Auslieferung der Gefangenen zu erlangen. Es würde für viele von ihnen günstig gewesen sein, wenn sie sich aus demselben Grunde geweigert hätten nach Amerika zu gehen. So wenig spielte bei den Landgrafen der Patriotismus oder die Politik eine Rolle, dass im Jahre 1743 Hessen gegenüber Hessen standen, 6000 Mann, die in der Armee des Königs Georg III. von England und 6000 Mann, die im gegnerischen Heere des Kaiser Karl VII. dienten.
Die Landgrafen von Hessen waren nicht die einzigen Fürsten, die ihre Truppen in fremden Sold gaben. Im amerikanischen Revolutionskrieg überliessen sechs deutsche Fürsten ihre Soldaten an Gross-Britannien. Diese waren Friedrich II., Landgraf von Hessen-Cassel, Wilhelm, sein Sohn, unabhängiger Graf von Hessen-Hanau, Carl I., Herzog von Braunschweig, Friedrich, Fürst von Waldeck, Carl Alexander, Markgraf von Anspach-Bayreuth und Friedrich August, Fürst von Anhalt-Zerbst. Die Handlungsweise dieser Fürsten stand in keinem Einklang mit der Politik des Kaiserreichs und dem sittlichen Empfinden der damaligen Zeit, der Kaiser aber hatte keine Macht es zu verhindern, denn die Abhängigkeit von denjenigen Teilen des Reiches, die ausserhalb seiner Erblande lagen, war wenig mehr wie nur dem Namen nach vorhanden. [S. 3]
Die Karte von Deutschland im XVIII. Jahrhundert zeigt ein ausserordentliches Flickwerk. Ueber den nördlichen Theil des Landes, von Osten nach Westen, aber nicht in ununterbrochener Folge, ziehen sich die Gebiete des Königs von Preussen. Die österreichischen Erblande, in einer ziemlich kompakten Masse, nehmen die südöstliche Ecke ein. Ueber die Grenzen dieser zwei grossen Mächte hinaus liegt Alles durcheinander. Kurfürstentümer, Herzogtümer, Erzbistümer, Besitzungen von Markgrafen, Landgrafen, Fürsten und freien Städten sind unentwirrbar zusammengewürfelt. Es gab beinahe 300 souveräne Staaten in Deutschland, neben über 1400 Besitzungen des hohen Adels, die direkt unter dem Kaiser standen und viele Souveränitätsrechte hatten. Einige von diesen 300 Staaten waren nicht grösser als Stadtgebiete von Neu-England, viele nicht grösser als amerikanische counties. Auch war keiner derselben in sich geschlossen, die Besitztümer waren meist aus getrennten Länderteilen zusammengesetzt. Jedes kleine Fürstentum hatte seinen kleinen Fürsten mit seinem Hof und seiner Armee zu unterhalten. Die Fürsten waren regelrecht despotisch. Die Ueberreste von dem, was einst konstitutionelle Versammlungen gewesen waren, bestanden in manchen Orten noch (Landstände), aber sie repräsentierten im besten Falle nur einen kleinen Teil der Bevölkerung. Die Städte wurden durch die privilegierten Klassen verwaltet. Auf dem Lande war den Bauern in einigen Gegenden ein wenig Freiheit in der Verwaltung ihrer Orts-Angelegenheiten belassen, aber im allgemeinen waren die Bauern nicht viel besser daran wie Leibeigene und Gegenstand der Tyrannei einer Horde von Beamten, die bei jeder Gelegenheit sich einmischten. Der Handel war durch Zölle und Abgaben gehemmt; jeder kleine Staat hatte sein eigenes Finanz-System, Handel und Industrie waren durch Monopole beschränkt. [S. 4] An einigen Orten regelten drückende Gesetze die Kleidung und Kost der Bevölkerung.
Vor Eintritt in das letzte Viertel des Jahrhunderts hatten in politischer Beziehung bessere Verhältnisse Platz gegriffen. Friedrich der Grosse von Preussen und Joseph II. von Oesterreich waren, jeder in seiner Art, erleuchtete Fürsten, und ihr Beispiel hatte viele von den besseren Souveränen bewogen, einigermassen für das Wohl des Volkes zu sorgen. Der Einfluss der freiheitlichen Bewegung in Frankreich machte sich ebenfalls fühlbar. Aber die Ideen von politischer Freiheit hatten selbst bei den am weitesten vorgeschrittenen Geistern in Deutschland kaum Eingang gefunden. Die gute oder schlechte Gesinnung des Fürsten stand nicht mehr unter dem Einfluss der öffentlichen Meinung als der Zustand des Wetters. Die Lehre vom passiven Gehorsam war an der Tagesordnung, obschon nicht völlig unbestritten. Wenn, wie ein Geschichtsschreiber in Betreff politischer Verhältnisse auseinandersetzte, es die Pflicht des Untergebenen wäre zu gehorchen, selbst wenn sein Fürst aus reiner Willkür sein Leben von ihm fordern würde, so kann man hoffen, dass es ebenso richtig war, wenn ein anderer Geschichtsschreiber sagte, dass »in fürstlichen Häusern alle Tugenden erblich sind«.
Wir wollen nun etwas eingehender die speziellen Erben aller Tugenden betrachten, die Söldner nach Amerika sandten.
Der bedeutendste von ihnen war Friedrich II., Landgraf von Hessen-Cassel. Dieser Fürst war der katholische Fürst eines protestantischen Landes. Seine erste Gemahlin war eine englische Prinzessin, eine Tochter Georg II. Sie hat sich bei seinem Uebertritt zum Katholizismus nur von ihm getrennt und nach Hanau zurückgezogen mit seinem vorzüglichen Sohn, von dem ich sogleich sprechen werde.
Friedrich hatte in Cassel ein fröhliches Leben ge [S. 5] führt. Er hatte eine abgedankte Maitresse des Herzogs von Bouillon zu sich genommen, aber er hielt nicht viel von der Treue und soll mehr als 100 Kinder gehabt haben. Es wurde ein französisches Theater und eine Oper mit französischem Ballet unterhalten. Französische Abenteurer mit guten Empfehlungen waren willkommen und erhielten selbst verantwortliche Stellungen im Staat. Der Hof war nach französischem Muster eingerichtet. Französisch war ebenfalls — und ist es noch lange nachher geblieben — die Sprache der Fürsten, Hofmänner und Diplomaten. In dieser Sprache korrespondierte Friedrich der Grosse mit vielen seiner Verwandten, seine Schwester schrieb darin ihre Memoiren, und französisch wurde gesprochen am Hofe des kleineren Friedrich, welchen wir vor Augen haben.
Zur Zeit der amerikanischen Revolution lebte der Landgraf mit seiner zweiten Frau. Er war ungefähr 60 Jahre alt und scheint damals etwas gesetzter geworden zu sein. Er war ein tüchtiger Regent. Seine Truppen, durch Konscription ausgehoben und nach preussischem System gedrillt, bestanden aus guten Soldaten. Seine Armee zählte im Jahre 1781 22,000 Mann, während die Bevölkerung seiner Gebiete wenig mehr als 300,000 Seelen betrug; aber viele Fremde wurden zum Dienen angeworben. Ein Teil wurde nicht ununterbrochen bei der Fahne gehalten, sondern während des grössten Teils des Jahres beurlaubt, um nur auf einige Wochen zu den Uebungen eingezogen zu werden. Friedrich nahm grosses Interesse an seiner Armee und korrespondierte mit seinen Offizieren in Amerika um allen seinen Einfluss nutzbringend fühlen zu lassen. Auch bekümmerte er sich um die inneren Angelegenheiten des Landes und hinterliess bei seinem Tode einen vollen Staatsschatz. Er gründete Schulen und Museen und liebte wie seine Vorfahren, Prachtbauten. Als er 12,000 Mann nach Amerika sandte, setzte er die Steuern für deren Hinterbliebene [S. 6] herunter, und, obschon diese, traurig und niedergeschlagen, ihre Söhne und Brüder, die jenseits des Ozeans für fremde Interessen kämpfen mussten, betrauerten, so verdient Friedrich von Hessen-Cassel in gewisser Hinsicht Nachsicht im Urteil, da er immerhin persönliche Würde zeigte und einer der wenigst scrupellosen Fürsten war, die Söldner nach Amerika schickten.
Wilhelm, der älteste Sohn und voraussichtliche Erbe Landgraf Friedrichs, regierte während der Revolution die unabhängige Grafschaft Hanau, die einige Meilen östlich von Frankfurt am Main lag. Wilhelm stand seinem Vater nach an Würde, kam ihm aber gleich an Sinnlichkeit. Im August 1775, als man in Deutschland von der Nachricht der Schlacht von Bunker Hill noch ganz erfüllt war, beeilte sich der Erbprinz, Georg III. ein Regiment anzubieten »ohne die geringsten Bedingungen«. Trotz der Beteuerung seiner uneigennützigsten Ergebenheit erhielt er schliesslich einen höhern Preis für den gestellten Mann als einer seiner Mitbewerber, ausgenommen seinen durchlauchtigen Vater. Die Höfe von Cassel und Hanau standen nicht auf gutem Fusse. Seitdem der Landgraf den Glauben gewechselt hatte, lebte er mit seiner Gemahlin und seinen Erben in Streit. Aber die Lebensweise seines ältesten Sohnes unterschied sich nicht sehr von seiner eigenen. Als Wilhelm ein natürliches Kind zu unterhalten hatte, schlug er den Preis eines jeden Sackes Salz, den seine Unterthanen von den Salzminen brachten, um einen Kreuzer auf und gab die so erhaltenen Einkünfte dem Kinde. Als seine Nebenkinder die Zahl 74 erreicht hatten, mussten die ärmeren seiner Unterthanen mit dem Salz sparsam umgehen. Einer seiner Bastarde war jener General von Haynau, welcher in österreichischen Diensten Grausamkeiten in Italien 1849 beging, der in Brescia Frauen peitschen liess und nachher in London vom Pöbel misshandelt wurde. Wilhelms Maitresse war während vieler [S. 7] Jahre ein Fräulein von Schlotheim, die ihm zuerst entlief aber von den eigenen Eltern zurückgeschickt wurde. Nach den Worten einer Dame in Cassel »konnte der hessische Adel diesen Vorteil nicht entbehren«. Obschon der Fürst im Jahre einige 12,000 Pfund Sterling als Subsidien für die Sendung von Truppen nach Amerika erhielt, so glaubt doch Kapp, dass er keine Steuern erliess, ausser den Frauen und Kindern der Soldaten der Expedition oder solche Steuern, die vom Eigentum der Soldaten erhoben wurden, die weder Frauen noch Kinder hatten. Dass die nachher erwähnten Fürsten Steuern erlassen hatten, habe ich nicht erfahren, aber meine Quellen mögen lückenhaft sein.
Herzog Carl I. regierte über Braunschweig-Lüneburg und der Erbprinz Carl Wilhelm Ferdinand hatte sich mit ihm in der Regierung vereinigt. Der Letztere hatte eine Schwester König Georg III. geheiratet. Das Land hatte nur ungefähr 150,000 Einwohner und die Fürsten waren tief in Schulden. Carl war verschwenderisch und der siebenjährige Krieg war sehr kostspielig gewesen. Es waren Versuche gemacht worden, den Finanzen durch Alchemie aufzuhelfen, aber das Gold war im Rauchfang verflogen oder hatte seinen Weg in die Taschen der Alchemisten genommen, denn es war keins in den Schmelztöpfen gefunden worden. Ein italienischer Theater-Direktor erhielt ein Salair von 30,000 Thalern jedes Jahr, während Lessing, der bereits der Autor von »Emilia Galotti« und »Minna von Barnhelm« war, als Archivar für eine Kleinigkeit diente. Prinz Carl Wilhelm Ferdinand war ein besserer Haushalter als sein Vater. Die Lotterie, ein in jener Zeit modernes Mittel um Geld zu machen, war unter der Leitung eines Staatsministers eingerichtet worden, und brachte viel Geld ein, denn obschon der Herzog von Braunschweig weniger pro Kopf an Subsidien für die Sendung von Soldaten nach Amerika als irgend ein anderer Fürst erhielt, so war er doch im [S. 8] Stande, für sein Korps von 4300 Mann 160,000 Pfund in die Tasche zu stecken, bevor der Krieg beendigt war.
Die kleinen Gebiete von Anspach und Bayreuth, die zusammen ungefähr 400,000 Seelen enthielten, waren kurz vorher unter der Regierung des Markgrafen Carl Alexander vereinigt worden. Keines von beiden Ländern war unter seinen Souveränen glücklich gewesen. Beide Länder hatten zu Zweigen der grossen Hohenzollern-Familie gehört, deren Hauptlinie bereits in Preussen den Grund zu der Macht gelegt hatte, welche ihr heute den ersten Platz in Europa gegeben hat. Aber den Markgrafen von Anspach und Bayreuth fehlte die Geschicklichkeit, welche der rauhen Strenge König Friedrich Wilhelms, des Vaters Friedrichs des Grossen, zu Grunde lag.
Von diesem Friedrich Wilhelm haben wir ein lebendiges Bild in den Memoiren seiner Tochter Wilhelmine. Wie er seine Kinder mit dem Stock im Zimmer herumjagte, wie Wilhelmine sich unter dem Bett verbarg und Friedrich im Kloset, wie der König grosse Soldaten liebte und seiner Gemahlin gegenüber tobte, ist da genau erzählt. Mit der ausdrücklichen Absicht, ihre Geschichte heiterer zu machen, erzählt die Prinzessin, wie ihr Vater, der im Allgemeinen der keuscheste der Monarchen war, versuchte, eine Hofdame auf der Treppe zu küssen und wie sie ihn in's Gesicht schlug, so dass seine Nase blutete. Wilhelmine vermählte sich mit einem Markgrafen von Bayreuth, und ihre Schwester Friederike Louise mit einem Markgrafen von Anspach; letztere aber lebte nicht auf gutem Fusse mit ihm.
Dieser Markgraf von Anspach war gutmütig in seiner Weise und gütig, wenn er nicht schlecht gelaunt war. Er liebte es, seinen Dienern kleine Gnadenbeweise zu geben, und ihnen persönlich davon Mitteilung zu machen. Er erlaubte bereitwillig, den Kranken Leckerbissen aus seiner Küche zukommen zu lassen. Wenn er nicht betrunken war, so war er geneigt, bei Verbrechern [S. 9] die Todesstrafe in Freiheitsstrafe zu verwandeln, falls sie sich nicht eines so schrecklichen Verbrechens schuldig gemacht hatten, wie der Überredung von Soldaten, zu desertieren, an seinem Hof zu stehlen oder zu wilddieben; aber seine militärischen Exekutionen waren barbarisch. Der Markgraf war regelmässig in seinem Kirchenbesuch und geneigt, Kirchen, Schulen und Hospitäler zu gründen. Er wäre deshalb wohl von seinen Unterthanen geliebt worden, wenn nicht seine ungezähmte Laune, und die Excesse, in die sie ihn führte, gewesen wären. Als er einmal gehört hatte, dass seine Hunde nicht gut gefüttert wurden, ritt er zu dem Haus des Mannes, der sie in Verwahrung hatte, rief ihn an die Thür und erschoss ihn an der eigenen Thürschwelle. Als ein Gastwirt wegen eines kleinen Diebstahls geklagt hatte, liess der Markgraf den Dieb hängen. Im Jahre 1747 war ein Dienstmädchen ohne Untersuchung gehängt worden, weil es einem Soldaten zur Flucht verholfen hatte. Als der Markgraf eines Tages aus seinem Schloss ritt, hielt er still und ersuchte den Wachtposten, der der Stadtwache angehörte und kein regulärer Soldat war, um sein Gewehr. Der arme Bursche, der nicht argwöhnisch war, gab es her, worauf der Markgraf ihn einen Feigling und Schuft nannte und ihn von zwei Husaren an den Schwänzen der Pferde durch den Mühlteich schleifen liess, an welcher Behandlung der Mann starb. Einer seiner Stallmeister, mit Namen von Reitzenstein, obschon habsüchtig und verderbt, war beim Volke beliebt, weil er einigemal diese Excesse mässigte. Bei einer Gelegenheit machte ein Schafhirt mit der Herde nicht schnell genug Platz für den Markgrafen wodurch Seiner Durchlauchtigsten Hoheit Pferd scheute. Der Markgraf forderte des Stallmeisters Pistolen um den Burschen niederzuschiessen. »Sie sind nicht geladen,« antwortete von Reitzenstein. Indessen kurz bevor sie zu Hause anlangten, zog der Stallmeister beide Pistolen heraus und feuerte sie in die Luft. Paff! Paff! »Was ist los?« [S. 10] schrie der erschrockene Markgraf. »Mein gnädiger Herr,« antwortete der andere, »ich glaube, Sie werden diese Nacht viel besser schlafen, nachdem sie den Krach der Pistolen jetzt, als eine Stunde vorher gehört haben.«
Es war sehr gefährlich, des Markgrafen Handlungsweise zu kritisieren. 1740 war ein gewisser Christoph Wilhelm von Rauber angeschuldigt, Karrikaturen und Schmähschriften verbreitet zu haben. Deswegen war er verurteilt worden, sich auf den Mund zu schlagen, doch mit der Verschärfung, dass es für ihn der Scharfrichter thun sollte, ferner sollte er sehen, wie der Letztere seine Schmähschriften verbrannte, und zuletzt geköpft werden, welch letztere Strafe gnädig in lebenslängliches Gefängnis und Konfiskation umgewandelt wurde.
Carl Alexander, der Sohn dieses grausamen Markgrafen scheint etwas menschlicher als sein Vater gewesen zu sein. Er war in seiner Jugend nach Utrecht geschickt worden, um Staats-Wissenschaften zu lernen und dann nach Italien, wahrscheinlich um sich fürstliche Tugenden anzueignen. Er kehrte, durch Ausschweifungen abgelebt, zurück, welches sein Vater dem Reisebegleiter, Rath Meyer Schuld gab. Der letztere wurde in Zelle eingekerkert, sein späteres Schicksal ist unbekannt. Einer anderen Erzählung zufolge wurde er in Altenkirchen hingerichtet.
Im Jahre 1777 war Carl Alexander, der Markgraf von Anspach und Bayreuth geworden, tief in Schulden und entzückt durch die Gelegenheit zwei seiner Regimenter in fremden Sold zu geben. Rekruten und Ersatzleute waren in Zeitabschnitten hinausgesandt worden, bis eine Totalsumme 2353 erreicht war, für deren Dienste der Markgraf mehr als 100,000 Pfd. erhielt. Carl Alexander war der letzte Markgraf von Anspach und Bayreuth. Im Jahre 1791 verkaufte er beide Länder an Preussen, für eine Pension, von welcher er nachher in England lebte, wo er 1806 starb.
Neben den Markgrafen von Anspach scheinen die Fürsten von Waldeck ziemlich beachtenswert. Allerdings [S. 11] gebrauchten sie ihr kleines Land hauptsächlich als Domäne um Leute für den Holländischen Markt aufzuziehen, aber sie selbst fochten mit Auszeichnung für dasselbe Land. Das Ausrüsten von Truppen für Amerika war mehr ein Neben-Geschäft, denn die ganze ausgeschickte Anzahl betrug nur 1225 Soldaten.
Friedrich August, Fürst von Anhalt-Zerbst, kann als die Karrikatur eines kleinen deutschen Fürsten seiner Zeit angesehen werden. Er regierte über einige 20,000 Seelen, aber man kann nicht sagen, dass er sie regiert hat, denn die letzten 30 Jahre seines Lebens brachte er in Basel und Luxemburg zu. Selbst da fand er, dass seine Unterthanen ihm störend werden könnten, und verbot bei Strafe der Entlassung, durch eine formell gedruckte Ordre, dass ihn einer seiner Beamten mit den Angelegenheiten seines Landes behelligte. Er war nicht übermässig streng, indessen hatte er auf der Insel Wangeroog einen Galgen errichten lassen als Schreckmittel für die Austern-Stehler. Seine Armee von 2000 Mann, und diese noch dazu mehr auf dem Papier, zählte nicht weniger als 11 Obersten, doch als es dazu kam, 600 Mann nach Amerika zu senden, musste er über die Grenzen des Landes hinausgehen, um nicht nur Soldaten sondern auch Offiziere zu finden. Das kleine Fürstentum war so zu sagen in Kommission und wurde durch einige wenige Privat-Räte verwaltet. Es hatte weder Kunst noch Industrie, und hatte durch Krieg, Hungersnot, Pest und Hochwasser gelitten. Aber es war ein Land, das sehr hohe Beziehungen hatte. Die Schwester des Fürsten war die Kaiserin Catharina II von Russland. Der Fürst selbst, obschon er fern vom Lande wohnte, fühlte trotzdem die Höhe seiner Stellung und hatte ein mitfühlendes Herz für Monarchen, wo nicht für Unterthanen. Als er hörte, dass gottlose Franzosen ihren König Louis XVI enthauptet hatten, verfiel er in Melancholie, verweigerte Essen und Trinken und starb, wie er gelebt hatte, als Parodie, die Karrikatur eines königlichen Märtyrers.
Aus den Verhandlungen zwischen dem Hof von Grossbritannien und den deutschen Fürsten zur Anwerbung von Soldtruppen für den Krieg in Amerika ist ersichtlich, wie begierig man auf beiden Seiten war, zu einem Resultat zu gelangen. England gebrauchte Leute, die Fürsten Geld, und während die Letzteren sich bemühten so hohe Subsidienbeträge wie möglich zu bekommen, war die Hauptsorge des Kabinets von Lord North, die höchstmögliche Anzahl von Soldaten ohne Verzögerung zu erhalten. Friedrich Kapp, der deutsche Geschichtsschreiber dieses Handels, meint, dass Colonel William Faucitt, der Britische Kommissionär und General-Bevollmächtigte in dieser ganzen Angelegenheit, zu weitgehende Zugeständnisse bei Aufstellung der Bedingungen machte. Dies scheint jedoch nicht die Ansicht des Earl of Suffolk, North's Sekretär der auswärtigen Angelegenheiten, gewesen zu sein, da er sich fortgesetzt mit seinem Agenten sehr zufrieden erklärte.
Das britische Kabinet war in seinen Hoffnungen, die es darauf gesetzt hatte, im Sommer und Herbst 1775 20,000 Mann von Russland zu bekommen, getäuscht worden. Ebenso zerschlugen sich die Verhandlungen in betreff eines sogenannten Schottischen Regiments, das gegenwärtig in holländischen Diensten war. Fünf Bataillone Hannoverischer Unterthanen Georg III. wurden nach Gibraltar und Minorca schleunigst entsandt, um die Engländer, die in diesen Festungen als Besatzung dient, für andere Zwecke frei zu machen. So war keine andere Hülfe zu gewärtigen als von den kleinen unabhängigen deutschen Fürstentümern.
Der Erbprinz von Hessen-Cassel, gleichzeitig regie [S. 13] render Graf von Hessen-Hanau, hatte geschrieben, um Seiner Majestät von England seinen Eifer und seine Ergebenheit — »dem besten der Könige« — auszudrücken und ihm die Dienste seines Regiments von 500 Mann anzubieten, »alles Landeskinder, die ich dem Schutze Euerer Majestät anvertraue, und die alle mit mir bereit sind, ihr Leben und Blut in Dero Diensten zu opfern.« Man darf aber nicht glauben, dass der Prinz daran dachte, sein eigenes kostbares Leben in Gefahr zu bringen, und der Ausdruck von der Opferfreudigkeit seiner Unterthanen war auch nur eine reine Phrase. Der Fürst von Waldeck schrieb im November 1775 in ähnlicher Art, indem er 600 Mann anbot. Seine Offiziere und Soldaten, ebenso wie ihr Fürst, verlangten nichts besseres, als eine Gelegenheit zu finden, sich für Seine Majestät zu opfern.
Der Herzog von Braunschweig-Lüneburg und der Landgraf von Hessen-Cassel boten zwar ihre Dienste nicht an, Colonel Faucitt fand aber keine Schwierigkeiten in Verhandlungen mit ihnen einzutreten. Der Markgraf von Anspach-Bayreuth machte im Herbste 1775 ein Anerbieten von zwei Bataillonen, aber der betreffende Vertrag mit ihm kam erst nach mehr als einem Jahre zu Stande, und im Oktober 1777 wurde mit dem Fürst von Anhalt-Zerbst ein Übereinkommen getroffen, für dessen Zustandekommen er Alles that, was in seinen Kräften stand. Anerbietungen von Truppen von Seiten des Kurfürsten von Baiern und des Herzogs von Württemberg führten zu keinem Resultat, einesteils wegen der schlechten Beschaffenheit und Ausrüstung der angebotenen Soldaten und andernteils, Letzteren betreffend, wegen der Schwierigkeiten, die Friedrich der Grosse wegen Durchpassierens seiner Besitztümer machte. Anerbietungen mehrerer anderer kleiner deutscher Fürsten führten zu nichts.
Der Vertrag, der zuerst abgeschlossen wurde, war der mit dem Herzog von Braunschweig. Er ist datiert vom 9. Januar 1776. Der Herzog stellt darin Sr. Britan [S. 14] nischen Majestät 3964 Mann Infanterie und 336 unberittene Dragoner zur Verfügung. Dies Korps sollte auf Kosten des Herzogs vollkommen ausgerüstet werden, ausgenommen die Pferde der leichten Kavallerie. Sie sollten von Braunschweig in zwei Teilen marschieren im Februar und März, und der König war verpflichtet Massnahmen zu treffen, um Desertionen während des Marsches durch Kurfürstlich Hannoversches Gebiet auf dem Wege zur Küste zu verhindern. Der König sollte sie bezahlen und verpflegen wie seine eigenen Soldaten, und der Herzog sollte sich verpflichten, sein Korps in den vollen Genuss der von Sr. Britannischen Majestät genehmigten Geld-Verpflegung gelangen zu lassen, mit andern Worten, den Leuten keine niedrigere Löhnung zu zahlen und die Differenz in die Tasche zu stecken. Die Britische Regierung traute ihm jedoch nicht. Von der Zeit der Ankunft der Truppen in Amerika an wurde die Löhnung direkt dorthin geschickt, um sie nicht durch die Hände Sr. Hoheit des Herzog gehen lassen zu müssen. Diese Vorsichtsmassregel war bei allen deutschen Hilfstruppen angewandt worden mit Ausnahme derer von Hessen-Cassel, dessen Landgraf es gelang, die Geldwirtschaft selbständig zu führen. Die Braunschweig'schen Soldaten sollten in Britischen Hospitälern gepflegt werden, und die Verwundeten, die nicht mehr dienstfähig wären, auf Kosten des Königs nach Europa transportiert und in einem Hafen der Elbe oder Weser gelandet werden. Der Herzog war einverstanden damit, die jährlich für das Korps notwendig werdenden Rekruten auszuheben, zu disziplinieren und auszurüsten, aber wenn es sich ereignen sollte, dass eins der Regimenter, Bataillone oder eine Kompagnie aussergewöhnlich Verlust erleiden sollte, entweder in einer Schlacht, bei einer Belagerung oder durch eine Epidemie, oder durch den Verlust eines Transportschiffes auf der Fahrt nach Amerika, so sollte Se. Britannische Majestät für den Schaden aufzukommen haben an Offizieren und Soldaten [S. 15] und die Kosten tragen für die Rekruten, die nötig würden, um die Korps wieder auf ihren alten Etat zu bringen.
Der Herzog sollte die Offiziere ernennen und die vakanten Stellen besetzen. Er verpflichtete sich, dazu geeignete Leute zu wählen. Die Rechtspflege reservierte er für sich. Es wurde festgesetzt, dass seine Truppen nicht zu aussergewöhnlichen Dienstleistungen herangezogen werden sollten, die ausser Verhältnis ständen zu den Anforderungen, wie sie an die übrige Armee gestellt wurden.
Der König von England verpflichtete sich, Seiner Hoheit unter dem Titel Werbegeld für jeden Soldaten den Betrag von 30 Kronen oder 7 Pfund 4 Schilling 4-1/2 Pence zu zahlen. Ausserdem hatte er jährlich an Subsidien 11,517 L. 17 S. 1-1/2 P. vom Tage der Unterzeichnung des Vertrages an, so lange die Truppen in seinem Sold ständen, zu zahlen, und das doppelte dieser Summe (also 23,035 L. 14 S. 3 P.) noch zwei Jahre nach Rückkehr der Truppen in das Gebiet Seiner Hoheit. In Anbetracht der Eile, mit der die Truppen ausgerüstet waren, gewährte Se. Majestät den Sold für zwei Monate vor dem Ausrücken und übernahm alle Unkosten von der Zeit an nach dem Verlassen ihrer Standquartiere.
Noch eine Bedingung in diesem Vertrage verdient hervorgehoben zu werden, da sie die wohlberechtigte Entrüstung aller derer erregt hat, die dieses Handeln mit Menschenblut verdammt haben. Es heisst darin: »Dem Herkommen entsprechend sollen drei Verwundete einem Gefallenen gleich gerechnet werden; für einen Gefallenen soll der Satz bezahlt werden, wie er bei dem Werbegeld für den Einzelnen festgesetzt ist.« Diese Clausel, die in dem darauf folgenden Vertrag mit Hessen-Cassel nicht verzeichnet steht, befindet sich in dem Vertrag mit Braunschweig in demselben Artikel, in welchem die Bedingung betreffs Vergütung für aussergewöhnliche Verluste durch Schlachten, Epidemien und Schiffbrüche enthalten ist. Man könnte es so verstehen, dass der König von Eng [S. 16] land sich verpflichtete, für jeden Rekruten, der an Stelle eines gefallenen Braunschweigers treten würde, die Kosten tragen sollte, dass aber für jeden Deserteur oder für jeden an einer Krankheit verstorbenen der Herzog einen anderen Mann zu stellen hätte, es sei denn, dass eine ungewöhnlich verheerende Epidemie ausbräche. Aber wenn man der Sache diese Auslegung giebt, wie verhält es sich mit den »drei Verwundeten«? Kapp verwirft diese Erklärung, und behauptet, dass für neue Rekruten Werbegeld gezahlt wurde ausser den 30 Kronen für die Gefallenen und Verwundeten, und dass dieses Blutgeld vom Fürsten in die Tasche gesteckt wurde, anstatt dass es die Familien des Gefallenen oder der Verwundete selbst erhielt. Jedenfalls steht die Thatsache fest, dass der Herzog von Braunschweig kontraktlich die Summe von ungefähr 35 Dollars für jeden, der in der Schlacht fallen würde, und 11 Dollars 36 cent für jeden Verkrüppelten zu bekommen hatte. Es ist wahrscheinlich jetzt nicht mehr möglich nachzuweisen, wieviel England in Wirklichkeit hierfür ausgezahlt hat. Die Bezahlung war auf den Rechnungen, die dem Parlament von dem Kriegs-Ministerium eingereicht wurden, nicht in einzelnen Posten aufgeführt. Kapp glaubt, dass dem Kabinet die Kritik, die dieser Punkt herausgefordert haben würde, nicht angenehm gewesen wäre.
Der Vertrag mit Hessen-Cassel, datiert vom 15. Januar 1776; er unterscheidet sich von dem mit Braunschweig hauptsächlich dadurch, dass er sich für den deutschen Hof günstiger stellte. In erster Linie wurde der König von Gross-Britannien veranlasst, ein Schutz- und Trutz-Bündnis mit dem Landgrafen von Hessen-Cassel zu schliessen. Die Hessischen Truppen sollten geschlossen unter der Führung ihres Generals bleiben, wenn nicht die Kriegsverhältnisse eine Teilung notwendig machen würde. Die Kranken sollten in der Pflege der eigenen Ärzte und anderer Leute bleiben, welche die Hessischen [S. 17] Generale zu ernennen hätten; und es sollte ihnen Alles, was der König seinen eigenen Truppen zu Teil werden liesse, ebenfalls zugestanden werden. Nach diesem Vertrage war der Landgraf verpflichtet, 12,000 Mann aufzubringen, sie vollständig auszurüsten und, wenn gewünscht auch Artillerie zuzuteilen. Es wurde derselbe Satz Werbegeld wie an den Herzog von Braunschweig gezahlt, also 30 Kronen oder 7 £. 4 Sch. 4-1/2 Pfg. für jeden Mann. Die Subsidien waren jedoch im Verhältnis höher, sie betrugen 450,000 Kronen oder 108,281 £ 5 Sch. pro Jahr und wurden (aber nicht verdoppelt) noch ein weiteres Jahr nach Rückkehr der Truppen nach Hessen gezahlt. Der Landgraf stellte später noch mehrere kleinere Kontingente auf, für die er besondere Verträge abschloss. Nach ungefährer Schätzung bestand der Vorteil, den der Landgraf über den Herzog erlangte, darin, dass — abgesehen von dem obenerwähnten Blutgeld, worüber genauere Angaben fehlen und abgesehen von den Sporteln, die die hohen Rivalen noch bekamen und wenn man nur das Werbegeld und die Subsidien rechnet — der Landgraf von Hessen-Cassel mehr als das Doppelte für jeden nach Amerika geschickten Mann wie der Herzog von Braunschweig bekam. Hierzu kam noch, was ausserhalb des Vertrages lag, dass der Landgraf Ansprüche auf eine alte Schuld vom siebenjährigen Kriege her geltend machte, die früher nicht anerkannt worden war. Sie betrug 41,820 £. 14 Sch. 5 Pfg.
Die Verträge mit den kleineren Staaten Hessen-Hanau, Waldeck, Anspach-Bayreuth und Anhalt-Zerbst unterschieden sich in den Grundzügen nicht von den oben beschriebenen. Keiner von ihnen war für die Fürsten ganz so günstig wie der Vertrag mit Cassel, keiner ganz so günstig für England wie der mit Braunschweig. Die Blutgeld-Klausel findet sich in den Verträgen mit Hanau und Waldeck, aber nicht in dem mit Anspach.
Von Zeit zu Zeit wurden mit mehreren der oben er [S. 18] wähnten kleineren Fürsten Händel wegen Gestellung von Ersatzmannschaften abgeschlossen. Jäger und Scharfschützen waren besonders gesucht.
Jedes Jahr wurden Rekruten zu den verschiedenen Truppenteilen nach Amerika gesandt. Die Gesamtsumme der Leute setzt sich nach Kapp wie folgt zusammen aus:
Braunschweig | 5 723 |
Hessen-Cassel | 16 992 |
Hessen-Hanau | 2 422 |
Anspach-Bayreuth | 2 353 |
Waldeck | 1 225 |
Anhalt-Zerbst | 1 152 |
|
|
Zusammen: | 29 867 |
Von diesen segelten etwas mehr als 18 000 Mann im Jahre 1776 nach Amerika. Von dieser Gesamtsumme von beinahe 30,000 Mann kehrten 12,554 nicht wieder nach Deutschland zurück. Ausser den Kontingenten, die durch die Verträge mit den deutschen Fürsten nach Amerika gesandt wurden, diente noch eine gewisse Anzahl Deutscher in Englischen Regimentern, von denen einige Aushebungs-Stationen am Rhein hatten.
Es ist schwer zu sagen, wie diese Händel zwischen England und den deutschen Fürsten von der öffentlichen Meinung in Deutschland damals beurteilt wurden. Schlözer's »Briefwechsel«, das erste deutsche Journal dieser Periode, kam in Göttingen, dem Hannoverschen Gebiet Georg's III. zugehörig, heraus. Es enthält viele Aufsätze über den Amerikanischen Krieg, die alle von Englischer Seite geschrieben sind mit der einzigen Ausnahme eines Briefes an Baron Steuben, der auf Seiten der Kolonien focht. Der Brief ist obendrein von dem Herausgeber in einer den Amerikanern übel gesinnten Weise mit Anmerkungen versehen. Dieser Ton mag vielleicht Schlözer durch die Umstände aufgezwungen worden sein, da die Presse in Deutschland mehr geduldet als frei war. Ein interessantes kleines Buch wurde in [S. 19] Wolfenbüttel bei Braunschweig im Jahre 1778 veröffentlicht. Es enthält eine Beschreibung von Amerika, seiner Produkte, Geographie, seine Geschichte und eine vorzügliche Karte. Der Verfasser des Buches ist den Kolonisten durchaus feindlich gesinnt. Die Sendung von mehr als 17000 Deutschen nach Amerika ist nur kurz, man möchte sagen, nebenbei erwähnt, dagegen sind die ersten Operationen in diesem Kriege, und speziell dieser Hilfstruppen ziemlich ausführlich behandelt und doch war die Anwesenheit so vieler Deutscher in Amerika zweifellos der Hauptgrund für das Entstehen des Buches. Auch ist es billig, dass in jenen Tagen ein Aufruhr viel schärfer beurteilt wurde als heut zu Tage, und dass ein solcher in den Augen von konservativ denkenden Leuten nicht als ein politischer Fehler sondern als ein abscheuliches Verbrechen galt.
Ganz verschieden davon war die Art, in welcher die Liberalen Europas über den Krieg und die Söldner urteilten. Die Prinzipien, die im Begriff waren, der französischen Revolution die Wege zu ebnen, brachen sich Bahn, und einige der Darsteller dieses grossen Dramas begannen auf der Bühne zu erscheinen. Mirabeau, als Flüchtling in Holland weilend, veröffentlichte ein Pamphlet gerichtet »An die Hessen und andere deutsche Volksstämme, die von ihren Fürsten an England verkauft sind.« Es ist die Mirabeau'sche Schrift ein beredter Protest gegen die Raubgier der Fürsten und ein herrlicher Tribut, der dem Patriotismus der Amerikaner gezollt wird. Das Genie Mirabeau's konnte weit genug in die Zukunft sehen, um zu erkennen, dass der Nord-Amerikanische Kontinent einst ein Asyl für die Unterdrückten aller Nationen werden würde. Der gegen den Landgrafen von Hessen-Cassel geführte Schlag traf sein Ziel. Letzterer versuchte nicht nur die ganze Auflage des Pamphlets aufzukaufen, sondern veranlasste auch die Veröffentlichung einer Antwort, die wiederum [S. 20] eine Entgegnung zur Folge hatte, in welchem der zukünftige Tribun die Ansicht vertritt, dass ein Angriff auf die Freiheit der Nationen das grösste aller Verbrechen sei. In demselben Sinne schrieb Abbé Raynal und Andere, von denen einige zu dieser Zeit in Europa besser bekannt waren als Mirabeau, und gegen den ein Zeitungskrieg losbrach, der in den holländischen Zeitungen ausgefochten wurde, die damals die einflussreichsten, weil freisten auf dem Kontinent waren. In der Landes-Bibliothek in Cassel befindet sich ein interessantes kleines Pamphlet, herausgegeben im Jahre 1782 in französischer Sprache und ebenso in Deutsch. Dies Pamphlet war von Schlieffen, dem Gesandten Landgraf Friedrichs II., geschrieben. Der Schreiber weist auf die alte Erfahrung hin, dass die Menschen in allen Zeitaltern sich gegenseitig umgebracht hätten, dass die Schweizer lange Zeit gewöhnt gewesen als Söldner zu fechten, dass 10,000 Griechen unter Xenophon dasselbe gethan hätten, und er hielte es für ungerecht, seine Zeitgenossen für eine Sache zu tadeln, die in dem natürlichen Instinkt der Menschheit begründet läge. Er konstatierte, dass das gegenwärtige Vermieten von Truppen der zehnte Fall dieser Art seit Anfang des Jahrhunderts sei. Er wies auf die Wohlthaten hin, die der Landgraf seinem Lande hatte zu Teil werden lassen, und auf die Liebe, mit der ihn sein Volk verehrte. Er lenkte die Aufmerksamkeit, und dies war vielleicht sein bestes Argument, auf die Thatsache, dass der Landgraf von Hessen und der Herzog von Braunschweig so nahe mit dem englischen Königshaus verwandt wären, dass ihre Nachkommen eines Tages auf den grossbritannischen Thron berufen werden könnten. Die prahlerische Freiheit der Amerikaner wäre nur eine trügerische Sirene, denn die Geschichte bewiese, dass republikanische Regierungsformen ebenso tyrannisch und grausam wären wie Monarchieen.
Dahingegen war der Freiherr von Gemmingen, der [S. 21] Gesandte des Markgrafen von Anspach, etwas beschämt über den Handel, den er abgeschlossen hatte. »Es kommt mir immer sehr hart an, mit Truppen zu handeln,« schreibt er an seinen Agenten in London, »aber der Markgraf ist entschlossen, die Sache um jeden Preis zu Stande zu bringen, um seine und seiner Vorgänger Schulden bezahlen zu können. Auf diese Weise wird freilich das Gute, das aus dem Subsidien-Vertrag entspringt, die schlechte Seite des Geschäfts überwiegen.« Später schreibt er: »Der Vertrag, den wir soeben abgeschlossen haben, ist viel günstiger, als wir erwarten konnten, wenn man bedenkt, dass das Anerbieten von uns aus ging und dass die königlichen Waffen bisher einen solchen Erfolg in Amerika gehabt haben. Die Sache wird natürlich in dem möglichst ungünstigsten Licht von Leuten angesehen werden, die es nicht verstehen, eine Staatsangelegenheit im Rahmen des Ganzen und nach ihren besonderen Motiven zu beurteilen. Aber sobald diese Leute sehen, wie fremdes Geld in unser armes Land fliessen wird, sobald sie sehen, dass dessen Schulden bezahlt werden, mit den Mitteln, die uns jetzt zufliessen, so werden sie und die ganze Welt entzückt sein und anerkennen, dass die Truppen, deren Pflicht es ist, die Feinde des Landes zu bekämpfen, den schlimmsten Feind besiegt haben, nämlich — unsere Schulden. Selbst der niedrigste Soldat, der nach Amerika geht, gut bezahlt und wohl versorgt, wird mit seinen Ersparnissen zurückkehren und stolz darauf sein, für sein Vaterland und seinen eigenen Vorteil gearbeitet zu haben ... Ich bin im Allgemeinen ein erklärter Feind von solchem Handel mit Menschen; aber es giebt Fälle, in denen Schlechtes sich in eine Wohlthat verwandelt, und so verhält es sich, wenn ich mich nicht irre, in diesem Falle.«
Friedrich der Grosse drückte in einem Brief an Voltaire (vom 18. Juni 1776) seine Verachtung über die mit Menschen handelnden Fürsten aus und fand etwas [S. 22] später Gelegenheit, ihnen Hindernisse in den Weg zu legen. »Wäre der Landgraf aus meiner Schule hervorgegangen,« schrieb er, »so würde er nicht seine Unterthanen an die Engländer verkauft haben, wie man Vieh verkauft, um es zur Schlachtbank zu führen. Dies ist kein schöner Zug in dem Charakter eines Fürsten, der sich rühmt, der Lehrmeister von Regenten zu sein. Ein solches Handeln ist durch nichts Anderes als durch schmutzigen Eigennutz hervorgerufen. Ich bedauere die armen Hessen, die ihr Leben unglücklich und nutzlos in Amerika enden.« Napoleon, der dreissig Jahre später den damaligen Landgrafen von Hessen-Cassel (den »Grafen von Hanau« der Verträge) vertrieb, äusserte sich folgendermassen: »Das Fürstenhaus von Hessen-Cassel hat viele Jahre lang seine Unterthanen an England verkauft. Auf diese Weise haben die Kurfürsten solche Schätze gesammelt. Diese Habsucht ist die Ursache des Sturzes ihrer Dynastie.«
Der angreifende oder sich rechtfertigende Ton der Minister der deutschen Despoten hatte wenig Einfluss, wenn ihre Herren sich einmal für eine Sache entschieden hatten. Der leidenschaftliche Protest eines jungen deutschen Poeten oder eines französischen Pamphletisten konnte schwerlich auf die Politik einen Einfluss ausüben. Der König von Preussen, dessen Wort in betreff des Verdingens von Soldaten für fremde Kriegsdienste Gesetz gewesen sein mag, zog es vor, mit Verachtung zu strafen, anstatt zu befehlen. Aber im Parlament von Gross-Britannien wurden die Verträge zwischen dem König von England und den deutschen Fürsten verhandelt durch verantwortliche Minister auf der einen Seite, und auf der andern [S. 23] Seite durch Staatsmänner, von denen einige eines Tages zur Macht gelangen konnten. Es ist richtig, dass die Majorität, welche die Regierung unterstützte, so erdrückend war, dass die Opposition keine Aussicht hatte, sie zu stürzen. Aber es lässt sich kaum bezweifeln, dass, obwohl die grössere Stimmenzahl auf Seiten der Tories im Parlament von 1776 war, das geistige Übergewicht auf Seiten der Whigs sich befand.
Am 29. Februar 1776 beantragte Lord North, die Verträge zwischen Seiner Majestät und dem Landgrafen von Hessen-Cassel, dem Herzog von Braunschweig und dem Erbprinz von Hessen-Cassel dem »Committee of Supply« zu überweisen. Er sagte, dass Truppen das beste und radikalste Mittel wären, um Amerika zum verfassungsmässigen Gehorsam zu zwingen, da man Soldaten auf diese Weise schneller und zu günstigeren Bedingungen bekommen könnte, als durch Aushebungen in der Heimat; dass die gemieteten Truppen weniger kosten würden, als man erwartet hätte und schliesslich, dass die Truppenmacht, die sie im Stande sein würden, nach Amerika zu senden, genügen würde, nach menschlicher Berechnung, das Land zu zwingen sich zu unterwerfen, vielleicht ohne ferneres Blutvergiessen.
Lord North wurde unterstützt von Mr. Cornwall, der das hohe Haus versicherte, dass er besser wie irgend Jemand in demselben Gelegenheit gehabt hätte, Mittel und Wege kennen zu lernen mit den deutschen Prinzen zu verhandeln und Truppen zu besorgen; dass seine jahrelange Stellung (als Sekretär in dem Zahlamt während des deutschen Krieges) ihm diese Gelegenheit gegeben hätte; und er wäre erstaunt zu hören, dass Leute, die mit den deutschen Verhältnissen bekannt wären, die gegenwärtigen Bedingungen ungünstig fänden. Er bestritt, dass die dem Herzog von Braunschweig im Voraus bezahlten zwei Monate Sold nichts weiter als ein Douceur wären, und blieb dabei, dass die [S. 24] Truppen unter besseren Bedingungen wie je zuvor zu bekommen wären, besonders wenn das Geschäft noch im Laufe des Jahres effektuiert werden könnte, woran er keinen Grund hätte zu zweifeln.
Lord George Germaine verteidigte die Vorlage auf Grund der Notwendigkeit. Er zählte eine Reihe von Präzedenzfällen auf, um zu zeigen, dass in jedem Krieg oder Aufstand, England zu fremden Truppen seine Zuflucht hätte nehmen müssen um die Schlachten zu schlagen und das Land zu verteidigen. Lord Barrington, der im Innersten seines Herzens das allgemeine Verhalten der Regierung nicht gebilligt und der vergeblich den König gedrängt hatte, seine Entlassung anzunehmen, hatte die Vorlage in ähnlichem Sinne unterstützt. Er gab zu, dass der Handel kein günstiger sei, aber immerhin der beste, den man abschliessen könnte.
Auf der anderen Seite verwarf Lord John Cavendish die Vorlage in allen ihren Teilen. Britannien würde sich in den Augen von ganz Europa bloss stellen. Er machte Einwendungen gegen jeden einzelnen Paragraphen des Vertrags und hob hervor, dass eine Truppenmacht von 12,000 Fremden in das Gebiet der britischen Krone befördert werden sollte ohne unter Kontrolle weder des Parlaments noch des Königs zu stehen; denn der Vertrag sagte ausdrücklich, »dass dieser Truppenkörper unter dem Befehl der Generale bleiben sollte, denen er von Seiner Hoheit (dem Landgrafen) anvertraut würde.«
Lord Irnham zweifelte an der Kompetenz der Fürsten, solche Verträge abzuschliessen. Er hielt es für nicht vereinbar mit ihren Pflichten gegenüber dem Reiche, sie machten sich dadurch in den Augen von ganz Europa ehrlos und verächtlich: zur Unterstützung despotischer Gewalt eine Pflanzschule von Soldaten zur Verfügung zu stellen, denen, die mehr Geld, aber nicht mehr Recht und Wert hätten als die, die sie durch Geld unterwerfen wollten. Er verglich die Fürsten mit Sancho Pansa, der [S. 25] wünschte, dass wenn er ein Fürst wäre, alle seine Unterthanen Sclaven werden würden, die er durch Verkauf zu Geld machte.
Mr. Seymour antwortete Mr. Cornwall und forderte ihn auf, einen einzigen Fall anzuführen, in dem dieselbe Anzahl Truppen während derselben Zeit der Nation so viel Geld gekostet hätte.
Der Hon. James Lutrell wies darauf hin, dass bereits 150,000 Deutsche in Amerika wären und dass daher unter den angeworbenen Truppen leicht Desertionen vorkommen könnten. Edmund Brake stellte fest, dass für 1000 Fremde ebenso viel bezahlt würde wie für 1500 Eingeborene. Sir George Saville behauptete, dass dies der unvorteilhafteste Handel in dieser Art sei, der je abgeschlossen sei, seitdem es üblich wäre, Truppen anzuwerben; und Alderman Bull schloss die Debatte, indem er ausrief:
»Man lasse den Geschichtsschreiber nicht gezwungen sein zu sagen, dass die russischen und deutschen Sklaven die Söhne Englands und der Freiheit unterjocht haben, und dass unter der Regierung eines Fürsten aus dem Hause Braunschweig jeglicher schmähliche Versuch gemacht wurde, den Geist auszulöschen, den seine Vorfahren bezeugten und der sich trotz Verrat und Verfassungsbruch auf dem Throne festzusetzen wusste.« Des Alderman's Gesinnung war besser als seine Rhetoric, aber beides war gleich nutzlos. Die Vorlage wurde mit 242 Stimmen gegen 88 angenommen. Am 5. März 1776 beantragte der Duke of Richmond im Hause der Lords, man möge Seiner Majestät dem König eine Adresse unterbreiten, um ihn zu bitten, den Abmarsch der fremden Truppen zu inhibieren und Massregeln zu treffen, um die Feindseligkeiten in Amerika sofort zu sistieren. Der Protest drückte die Ansicht des Hauses aus über die Gefahr und die Schande der Verträge durch die Gross-Britannien vor ganz Europa bekennen müsste, dass es nicht im Stande sei, einerseits wegen Mangel an Soldaten, andrer [S. 26] seits wegen Abneigung der eigenen Leute gegen diesen Krieg, eine genügende Anzahl Leute für die erste Kampagne auf die Beine zu bringen. Es wäre traurig zu sehen, wie durch das Abziehen der nationalen Truppen (die ohnehin zu schwach wären für den unglücklichen Zweck, dem sie dienen sollten) Gross-Britannien entblösst und den Angriffen und dem Eindringen mächtiger Nachbarn und fremder Nachbarn ausgesetzt sein würde.
Das Dokument wies sodann darauf hin, dass eine Aussöhnung mit den Kolonien der Verwendung von Fremden vorzuziehen sei, die, wenn sie so weit von ihrer Heimat entfernt wären und unter dem Elend des Krieges, an dem sie kein Interesse hätten, leiden und so oft in Versuchung kommen würden, die Abhängigkeit mit der Freiheit zu vertauschen, viel eher meutern oder desertieren, als treu bleiben und mit Seiner Majestät eigenen Unterthanen gemeinsam operieren würden.
Indem auf die Gefahr hingedeutet, fremde Truppen in das Reich hineinzulassen und Klage erhoben wird, dass bereits zwei der stärksten Festungen von ihnen besetzt seien, [1] fährt der Protest fort: »Wir haben obendrein Grund zu befürchten, dass, wenn die Kolonien sehen, wie Gross-Britannien Bündnisse schliesst und Truppen zu ihrer Unterwerfung anwirbt, sie durch das gegebene Beispiel sich für berechtigt halten werden, Anstrengungen zu machen, um ebenfalls Beistand zu erlangen; und dass Frankreich, Spanien, Preussen oder andere Europäische Mächte denken werden, dass sie ein ebensolches Recht haben wie Hessen, Braunschweig und Hanau, sich in unsere inneren Angelegenheiten zu mischen.«
[1] Hannoversche Truppen waren nach Gibraltar und Port Mahon gesandt worden.
Darauf wurde auf die Gefahr hingewiesen, dass man verpflichtet sein würde, den Landgrafen von Hessen bei seinen Streitigkeiten in Europa zu unterstützen, und es wurde der Meinung Ausdruck gegeben, dass Gross- [S. 27] Britannien noch nie einen Vertrag eingegangen sei, der so teuer, so ungleich, so entehrend und in seinen Folgen so gefährlich sei.
Indem der Duke of Richmond den Protest einbrachte, gab er einen kurzen Überblick über die Verträge, die seit 1702 mit den Landgrafen von Hessen abgeschlossen worden seien, und zeigte, dass die aufeinanderfolgenden Landgrafen mit der Zeit ihre Forderungen gesteigert hätten, und dass, wenn sie versuchten, günstigere Bedingungen herauszudrücken, sie niemals unterliessen, ihre vorhergegangene Erpressung als Grundlage für den neuen Vertrag dienen zu lassen und immer eine neue Forderung an Gross-Britannien zu stellen. Dieser Vertrag sei »offenbar ein gewinnsüchtiger Handel, indem man eine Anzahl Söldner in Sold nehme, die man kaufe und verkaufe wie das Vieh, das zur Schlachtbank geführt würde ... Legt man aber den Verträgen eine Alliance zu Grunde, was würde die Folge sein? Dass, wenn eine dieser Mächte angegriffen oder ohne Grund einen Angriff provozieren würde, wir sie mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln unterstützen müssten. Folglich haben wir wegen des Beistandes von wenigen Tausend Söldnern nicht nur doppelt zu bezahlen, sondern wir gehen auch eine feierliche Verpflichtung ein, unsere Streitkräfte zu opfern und Hülfe zu leisten, wenn der Landgraf oder Herzog angegriffen oder ihm sein Besitztum streitig gemacht wird.«
Der Duke of Richmond bezeichnete es ferner als eine Gefahr, einen Truppenkörper von 12,000 fremden Söldnern zu haben unter dem Kommando eines von dessen eigenen Generalen, bei dem die Möglichkeit nicht ausgeschlossen sei, dass er zum Höchst-Kommandierenden befördert werden könne; es könne eine grosse Verwirrung entstehen durch Streitigkeiten zwischen dem fremden und eigenen kommandierenden General.
Der Earl of Suffolk antwortete für die Regierung: [S. 28] »Der Tenor der Verträge,« sagte er, »ist kein anderer als er es bei früheren Gelegenheiten gewesen ist. Der gegenwärtige, das ist wahr, ist voll von schwülstigen hochtönenden Phrasen von einem Bündnis, und ich bin so offenherzig, dem edlen Herzog zu bemerken, dass ich sie nur als solche ansehe; und ich gehe soweit, zu sagen, dass die wahre Absicht der Verträge die ist, weniger ein Bündnis zu schliessen als einen Truppenkörper anzuwerben, den der gegenwärtige Aufstand in Amerika notwendig erscheinen lässt.«
Indem Lord Suffolk somit die Bedingungen des Vertrages, für den er persönlich verantwortlich war, in das richtige Licht gesetzt hatte, fuhr er fort nachzuweisen, dass die Bedingungen vorteilhaft sein würden, wenn man die Truppen nur ein Jahr gebrauchen würde, dass man aber unter allen Umständen, wenn die Soldaten gebraucht würden, sich den gestellten Bedingungen fügen müsste.
Der Earl of Carlisle war überzeugt, dass die Arbeitskräfte, die durch die Industrie in Anspruch genommen würden, der geringe Nutzen einer neuen Aushebung, wenigstens für die erste Kampagne und der Wunsch jedes Vaterlandsfreundes, den unglücklichen Verhältnissen ein schnelles Ende bereitet zu sehen, dass dies Alles die Notwendigkeit der Verwendung fremder Truppen genügend rechtfertigen würde. Man sollte bedenken den schwerfälligen Koloss, den das Reich bildete und die Operationen, die selbst im Falle eines Defensivkrieges nötig sein würden, und stellte anheim, ob es einem so unbedeutenden Stück Land, wie die Insel Gross-Britannien möglich sei, eine Zahl aufzubringen, die genügten, um Operationen zu führen, die derartige Anforderungen stellen würden.
Die Debatte zog sich sehr in die Länge und wurde mit grosser Erbitterung geführt. Auf Seiten der Whigs klagte der Duke of Cumberland — »Braunschweiger zu sehen, die einst — was ihnen zu grosser Ehre gereichte — zur Verteidigung der Freiheiten der Unterthanen Ver [S. 29] wendung fanden, und jetzt nach einem andern Teil des grossen Reiches gesandt werden, um sie der konstitutionellen Freiheiten zu berauben.« Der Duke of Manchester führte aus, dass der Mensch für einen Söldling gehalten werden müsste, der für Geld um einer Sache willen kämpft, an der er keinen Anteil hat. Der Earl of Helburne gab die Notwendigkeit der Verwendung fremder Truppen nicht zu und wurde hierin von Lord Carnden unterstützt, der das hohe Haus fragte, ob nicht der ganze Vertrag eine Zusammensetzung von Schande, Niederträchtigkeit und Betrügerei wäre, wie sie noch nie dem Parlament zugemutet worden wäre. »Ist einer unter Ihnen my lords,« fragte er, »der nicht vollkommen einsieht, dass das Ganze ein rein gewinnsüchtiger Handel ist, bei dem von der einen Seite Truppen gedungen, von der andern menschliches Blut verkauft wird; und dass die geduldigen Opfer, zum Abschlachten verkauft, die grössten Söldlinge in des Wortes schlimmster Bedeutung sind?«
Die Tory-Lords scheinen sich weniger an der Debatte beteiligt zu haben, wahrscheinlich, weil sie es für unnötig hielten zu sprechen, da sie in der Majorität waren. Die Vorlage wurde mit 100 gegen 32 Stimmen abgelehnt.
Es scheint mir, als ob die Lords nicht ganz gerecht in ihrem Urteil über die deutschen Soldaten gewesen wären. Die meisten dieser armen Teufel fochten nicht um Geld, sondern weil sie es nicht ändern konnten. Die Leute, die wirklich »Söldlinge in des Wortes schlimmster Bedeutung« waren, waren der Landgraf, der Herzog und die Fürsten; aber man konnte von den edlen Lords kaum erwarten, dass sie dies aussprechen würden.
Was die Haltung der britischen Regierung beim Anwerben der Truppen anbetrifft, so ist klar, dass ihr kein anderer Weg übrig blieb, wenn der Krieg energisch durchgeführt werden sollte. Infolge des Misskredits, in dem reguläre Soldaten bei den Engländern standen, war die britische Armee zu Friedenszeiten nicht so stark wie [S. 30] die Zahl, die jetzt im Ausland aufgebracht werden sollten. Werbungen waren mit Schwierigkeiten verbunden, man erhielt durch sie nur rohe Rekruten. Die Konscription ist ein Ding der Unmöglichkeit in England. Wenn man Leute haben wollte, musste Lord North sie in Deutschland suchen.
Die Regierung und das Reich aber bezahlten einen enormen Preis für die Hilfstruppen. Die Antwort auf den Vertrag mit dem Landgrafen war die Unabhängigkeits-Erklärung. Die Verwendung von fremden Soldtruppen durch die britische Regierung wirkte zum grossen Teil mit, die Amerikaner zu dem Entschluss kommen zu lassen, ihre Lehnspflicht gegen die englische Krone abzuschütteln und Bündnisse mit deren früheren Feinden zu suchen. Die Gefahr, auf die in dem Protest der Lords hingewiesen worden war, wurde zur Wirklichkeit, und Männer von englischem Blut behaupteten, dass Frankreich ein ebensolches Recht wie Hessen hätte, sich in ihre inneren Streitigkeiten zu mischen.
Die Soldaten, welche die deutschen Fürsten an England vermieteten zur Unterdrückung der amerikanischen Revolution wurden auf verschiedene Weise zusammengebracht. In Hessen-Cassel war das Land in Distrikte eingeteilt gewesen, von welchen jeder eine bestimmte Anzahl Rekruten für ein bestimmtes Regiment zu stellen hatte. Die Offiziere waren indessen angehalten worden, soviel Fremde wie möglich der Armee zuzuführen, um die eigenen Distrikte zu schonen, deren Einwohner immer bei der Hand sein würden, wenn man ihrer im Notfall bedürfte. Es stand in den Armee-Vorschriften, dass diejenigen Regiments-Kommandeure oder Hauptleute [S. 31] sich am besten empfehlen würden, wenn sie versuchten, fremde Rekruten einzureihen. Die zwangsweise Rekruten-Aushebung war verboten, doch diese Bestimmung sollte wahrscheinlich nur auf die Eingeborenen Anwendung finden. Jedenfalls scheint es nicht die Thätigkeit der Werbeoffiziere vermindert zu haben, und in den kleineren Staaten hat wahrscheinlich ein solches Gesetz überhaupt nicht existiert. In Anspach durfte Niemand ohne Erlaubnis das Land verlassen oder heiraten. Es muss dabei erwähnt werden, dass in diesem Fall mit Land nicht Deutschland, sondern die Territorien des Markgrafen gemeint waren, und dass die Fremden, die der Landgraf angeworben haben wollte, die Unterthanen der benachbarten kleinen Fürsten waren. Werbeoffiziere waren über ganz Deutschland hin thätig. Lüderliche Kerle, Trunkenbolde, Vagabunden und Leute, die politische Umtriebe machten, wurden, wenn sie nicht über 60 Jahre alt, gesund und gut gewachsen waren, zwangsweise eingestellt. Mit dem Geschenk eines grossen, robusten Mannes empfahl sich ein Fürst dem andern in der angenehmsten Weise; in jedem Regiment waren viele Deserteure von anderen Staaten. Zusammen mit dieser gemischten Gesellschaft diente der ehrliche deutsche Bauernbursche. Es muss noch erwähnt werden, dass die Regimenter, die nach Amerika geschickt wurden, aus einem bessern Material bestanden, wie die Regimenter zu gewöhnlicher Zeit. —
Johann Gottfried Seume, welcher später einige Bedeutung als Schriftsteller erlangte, war ein Opfer des Werbesystems und hat eine Beschreibung seiner Erlebnisse hinterlassen. Seume war Student der Theologie in Leipzig, doch nachdem ihm religiöse Zweifel gekommen waren, welche seine Freunde — wie er wusste — verletzen würden, machte er sich zu Fuss auf den Weg nach Paris, mit einem Säbel an der Seite, mit einigen Hemden und Bänden der Klassiker in der Reisetasche und ungefähr 9 Thalern. [S. 32] Seine Reise sollte indessen eine andere Richtung nehmen. »Den dritten Abend übernachtete ich in Vach,« schreibt er, »und hier übernahm trotz allen Protest der Landgraf von Kassel, der damalige grosse Menschenmakler, durch seine Werber die Besorgung meiner ferneren Nachtquartiere nach Ziegenhain-Kassel und weiter nach der neuen Welt. Man brachte mich als Halbarrestanten nach der Festung Ziegenhain, wo der Jammergefährten aus allen Gegenden schon viele lagen, um mit dem nächsten Frühjahr nach Faucitts Besichtigung nach Amerika zu gehen. Ich ergab mich in mein Schicksal und suchte das Beste daraus zu machen, so schlecht es auch war. Wir lagen lange in Ziegenhain, ehe die gehörige Anzahl der Rekruten vom Pfluge und dem Heerwege und aus den Werbestädten zusammengebracht wurde. Die Geschichte dieser Periode ist bekannt genug: niemand war damals vor den Handlangern des Seelenverkäufers sicher; Überredung, List, Betrug, Gewalt, alles galt. Man fragte nicht nach den Mitteln zu dem verdammlichen Zwecke. Fremde aller Art wurden angehalten, eingesteckt, fortgeschickt. Mir zerriss man meine akademische Inskription, als das einzige Instrument meiner Legitimierung. Am Ende ärgerte ich mich weiter nicht; leben muss man überall: wo so viele durchkommen, wirst du es auch: über den Ozean zu schwimmen war für einen jungen Kerl einladend genug und zu sehen gab es jenseits auch etwas. So dachte ich. Während unseres Aufenthalts in Ziegenhain brauchte mich der alte General Gore zum Schreiben und behandelte mich mit vieler Freundlichkeit. Hier war denn ein wahres Quodlibet von Menschenseelen zusammengeschichtet, gute und schlechte, und andere, die abwechselnd beides waren. Meine Kameraden waren noch ein verlaufener Musensohn aus Jena, ein bankerotter Kaufmann aus Wien, ein Posamentierer aus Hannover, ein abgesetzter Postschreiber aus Gotha, ein Mönch aus Würzburg, ein Oberamtmann aus Meiningen, [S. 33] ein preussischer Husarenwachtmeister, ein kassierter hessischer Major von der Festung und andere von ähnlichem Stempel. Man kann denken, dass es an Unterhaltung nicht fehlen konnte; und eine blosse Skizze von dem Leben der Herren müsste eine unterhaltende, lehrreiche Lektüre sein. Da es den meisten gegangen war wie mir, oder noch schlimmer, entspann sich bald ein grosses Komplott zu unser aller Befreiung.«
Es wurde Seume angeboten, Rädelsführer der Verschwörer zu sein, doch auf den Rat eines alten Feldwebels hin schlug er dies ehrenvolle Amt aus. »Man wollte um Mitternacht auf ein Zeichen ausziehen, der Wache stürmend die Gewehre wegnehmen, was sich widersetzte niederstechen, das Zeughaus erbrechen, die Kanonen vernageln, das Gouvernementshaus verriegeln und 1500 Mann stark zum Thore hinaus marschieren. In drei Stunden wären wir über der Grenze gewesen.« Jedoch das Komplott wurde verraten, die Rädelsführer wurden verhaftet, unter ihnen Seume. Er wurde aber bald wieder freigelassen, da niemand etwas gegen ihn aussagen konnte und besonders weil es zu viele geworden wären, die hätten bestraft werden müssen. »Der Prozess begann,« sagt er, »zwei wurden zum Galgen verurteilt, worunter ich unfehlbar gewesen sein würde, hätte mich nicht der alte preussische Feldwebel gerettet. Die Übrigen mussten in grosser Anzahl Gassen laufen, von sechsunddreissig Malen herab bis zu zwölfen. Es war eine grässliche Schlächterei. Die Galgenkandidaten erhielten zwar nach der Todesangst unter dem Galgen Gnade, mussten aber sechsunddreissig Mal Gassen laufen und kamen auf Gnade des Fürsten nach Cassel in die Eisen. Auf unbestimmte Zeit und auf Gnade in die Eisen waren damals gleichbedeutende Ausdrücke und hiessen so viel als »ewig ohne Erlösung.« Wenigstens war die Gnade des Fürsten ein Fall, von dem niemand etwas wissen wollte. Mehr als dreissig wurden auf diese [S. 34] Weise grausam gezüchtigt, und Viele, unter denen auch ich war, kamen bloss deswegen durch, weil eine zu grosse Menge von Mitwissern hätte bestraft werden müssen. Einige kamen beim Abmarsch wieder los, aus Gründen, die sich leicht erraten lassen: denn ein Kerl, der in Cassel in den Eisen geht, wird von den Engländern nicht bezahlt.«
Bei Truppen, wie diese es waren, waren Desertionen natürlicherweise etwas gewöhnliches. Der Militärdienst war gefürchtet, und in kleineren Staaten hätte eine gelungene Flucht den Deserteur nach wenigen Meilen über die Grenze gebracht. Das Volk sympathisierte mit ihm und würde ihm geholfen haben, wenn hierauf nicht schwere Bestrafung gestanden hätte. Dies war indess nicht nötig. Wenn in Württemberg Allarm geschlagen wurde, musste sofort die ganze Gemeinde ausrücken und 24 Stunden lang die Strassen, Fusspfade und Brücken besetzen, bis der Flüchtling gefangen war. Wenn er entschlüpfte, so musste der Ort einen Ersatzmann stellen, der ebenso gross war wie der Deserteur, und die Söhne der ersten Männer des Ortes wurden in erster Linie genommen. Dieser Befehl musste jeden Monat einmal von der Kanzel verlesen werden. Wer einem Deserteur behülflich war, verlor die Bürgerrechte, wurde zu Zwangsarbeit verurteilt und im Gefängnis gepeitscht. Die Gesetze in Hessen-Cassel scheinen etwas weniger grausam gewesen zu sein. Bauern, die einen Deserteur festnahmen, bekamen einen Dukaten; aber wenn ein Deserteur ein Dorf passierte, ohne festgenommen zu werden, so musste das Dorf für ihn bezahlen. Jeder Soldat, der sich über eine Meile von seiner Garnison entfernte, musste mit einem Pass versehen sein, und alle Personen, welche ihm auf eine grössere Entfernung von zu Hause begegneten, sollten ihn danach fragen. Ein charakteristischer Fall ereignete sich 1738. Ein preussischer Werbeoffizier und die Frau eines preussischen Soldaten [S. 35] verleiteten einen Anspacher Soldaten zu desertieren um sich in die preussische Armee einreihen zu lassen. Sie wurden durch die Anspacher Behörde aufgefangen. Die Frau wurde gehängt; der Offizier musste bei der Exekution zugegen sein und wurde dann in die Festung eingesperrt. Der Deserteur scheint mit dem Leben davongekommen zu sein, da er ein wertvolles Verkaufsobject war.
Wenn der Rekrut in die Liste eingeschrieben war, musste der Offizier oder Unteroffizier ihn in die Garnison bringen. Dies gab natürlich Gelegenheit zum Entfliehen; Kapp führt aus einem Buch, das 1805 in Berlin gedruckt ist, die Vorsichtsmassregeln an, welche gegen diese Gefahr anzuwenden waren. Der Unteroffizier, der den Rekruten begleitet, muss Säbel und Pistolen tragen. Er muss den Rekruten vor sich her marschieren, ihn aber niemals zu nahe an sich herankommen lassen und ihm ankündigen, dass jeder verdächtige Schritt ihm das Leben kosten kann. Grosse Städte muss er vermeiden, ebenso Orte, wo der Rekrut vorher gedient hat. Es ist auch wünschenswert, den Ort zu vermeiden, wo der Rekrut geboren ist. Sie müssen die Nacht in einem Wirtshaus zubringen, dessen Besitzer Werbeoffizieren gut gesinnt ist. Der Rekrut und Offizier müssen sich beide auskleiden, und ihre Kleider sind vom Wirt aufzuheben. Wirtshäuser, wo Rekruten einquartiert werden, müssen besondere Räume dafür haben, möglichst eine Treppe hoch und mit vergitterten Fenstern. Die ganze Nacht muss ein Licht brennen, und der Unteroffizier muss seine Waffen dem Wirt abgeben, damit sie der Rekrut nicht wegnehmen und gegen ihn gebrauchen kann in der Nacht. Des Morgens bekommt er sie zurück, sieht nach der Ladung und dem Pulver auf der Pfanne, zieht sich an und ist reisefertig, bevor der Rekrut seine Kleider bekommt. Der Rekrut betritt ein Haus oder eine Stube zuerst; er verlässt es zuletzt. Bei den Mahlzeiten sitzt [S. 36] er mit dem Rücken an der Wand. Erscheint er verdächtig, fliehen zu wollen, so müssen ihm die Hosenträger und -knöpfe abgeschnitten werden, so dass er die Hosen mit der Hand halten muss.
Ein guter Hund, der für dies Geschäft dressiert ist, wird für den Unteroffizier sehr zweckmässig sein. Wenn ein Unteroffizier unglücklicherweise gezwungen ist, einen Rekruten zu töten oder zu verwunden, so muss er eine Bescheinigung von der Ortsbehörde beibringen. Aber kein Dokument kann die Flucht eines Rekruten entschuldigen, ein Vorfall, der in Preussen als ganz unmöglich gar nicht der Erwähnung wert gehalten wird.
Die Leute, die zusammengebracht waren für den Dienst in Amerika, waren vom militärischen Standpunkt aus von sehr verschiedenem Wert. Sie wurden alle von einer englischen Kommission in den Seehäfen in Empfang genommen und vor der Einschiffung gemustert, gewöhnlich durch Oberst Faucitt, welcher die Verträge abgeschlossen hatte; während einige der Regimenter als vorzüglich befunden wurden, zeigte es sich, dass andere zum Teil aus alten Leuten und aus Knaben bestanden, die den Strapazen nicht gewachsen waren. Einige von den Soldaten wurden infolge dessen verworfen, besonders in den letzten Jahren des Krieges, als es in vielen Städten schwieriger wurde, gute Leute zu bekommen.
Es ist nach dem Quellenmaterial schwer zu beurteilen, welche Chancen ein gemeiner Soldat hatte zu avancieren. Seume schreibt, dass er Aussicht auf Avancement hatte, die aber durch die Beendigung des Krieges zerstört wurde, da in Friedenszeiten einer, der nicht adelig war, es nicht weiter als bis zum Feldwebel bringen konnte. Kapp behauptet, die Offiziere gehörten meistens dem niederen Adel an. Die Rangliste der hessischen Offiziere von 1779 weist dies nicht aus. Es zeigt sich, dass zu dieser Zeit mehr als die Hälfte der Offiziere nicht adelig war. [S. 37]
Wir kommen zum Schluss zur Charakterisierung der Offiziere. Ihre Bildung beschränkte sich im Allgemeinen auf ein gewisses Mass von Fertigkeit im Schreiben und auf ein wenig barbarisches Französisch. Sie verstanden weder die Ursache, aus welcher die Amerikaner kämpften, noch vor allen Dingen die Sprache, in welcher die verschiedenen Staatsmänner ihre Ansprüche geltend machten. Doch, wenn sie viel mehr verstanden hätten, als es der Fall war, sie wären auf der Seite königlicher Vorrechte den Rechten des Volkes gegenüber gewesen. Ich weiss mich keines Falles zu erinnern, in dem nur ein an diesem Krieg beteiligter Offizier einen Ausdruck gebraucht hätte, der eine Übereinstimmung mit der geistigen freiheitlichen Bewegung des 18. Jahrhunderts gezeigt hätte. Einmal finden wir sie von dem Despotismus des Kongresses sprechend. Diese absurde Idee war ihnen wahrscheinlich durch die Engländer eingeflösst worden und war von der anti-amerikanischen Presse in Deutschland aufgenommen worden. Es lässt sich schwerlich bezweifeln, dass viele der Offiziere sowohl als Soldaten mit Vergnügen ihrer Thätigkeit in Amerika entgegensahen, schon um die Eintönigkeit des Garnisondienstes zu unterbrechen.
Es bleibt noch zu erwähnen, dass viele der Soldaten, meist solche, die in Gefangenschaft geraten waren, Bürger der Republik wurden, welche sie helfen sollten zu unterdrücken.
Die ersten deutschen Truppen, welche nach Amerika gingen, waren die Braunschweiger. Diese marschierten am 22. Februar 1776, 2282 Mann stark, von Braunschweig ab und wurden in Stade, in der Nähe der Elbmündung, eingeschifft. Die zweite Braunschweiger Divi [S. 38] sion, ungefähr 2000 Mann, schiffte sich Ende Mai ein. Die erste hessische Division brach Anfang März von Cassel auf und wurde in Bremerlehe, in der Nähe der Wesermündung, eingeschifft, die zweite Division folgte im Juni; sie zählten zusammen zwischen 12 und 13000 Mann. Sie waren zum grössten Teil ausgezeichnete und wohlausgerüstete Truppen, denn die kleine Armee des Landgrafen galt als eine der besten in Deutschland.
Der Marsch von Braunschweig und Cassel zu den Häfen war eine verhältnismässig einfache Sache. Die Truppen kamen aus den Gebieten der eigenen Fürsten in die hannöverschen Landesteile des Königs von England und diese reichten bis an die See. Der Fürst von Waldeck schickte sein Regiment durch Cassel ohne Störung. Der Graf von Hessen-Hanau, der Markgraf von Anspach-Bayreuth und der Fürst von Anhalt-Zerbst hatten einen längeren Weg zu machen und grössere Schwierigkeiten zu überwinden.
Die Truppen der letzteren sollten auf Booten den Rhein hinuntergeschickt werden. Abgesehen von mehreren kleinen deutschen, am Rhein gelegenen Staaten, welche ihnen den Durchgang verwehren konnten, war Preussen, dessen Territorien sie passieren mussten, im Stande, ihnen grosse Schwierigkeiten zu bereiten. Friedrich der Grosse versagte selbst seinem Neffen, dem Markgrafen von Anspach, seine Einwilligung, sein Land zu passieren. In einem Brief an ihn drückte er ihm sein Befremden aus, dass deutsche Fürsten das Blut ihrer Landeskinder für fremde Interessen opferten. Nebenbei war es ein kleiner Akt der Rache an England wegen dessen schlechten Verhaltens inbetreff des Hafens von Danzig.
Seume hat von seinen Erlebnissen auf der Seereise folgende Beschreibung hinterlassen:
»In den englischen Transportschiffen wurden wir gedrückt, geschichtet und gepöckelt wie die Heringe. Um Platz zu sparen hatte man keine Hängematten sondern [S. 39] Verschläge in der Tabulatur des Verdecks, das schon niedrig genug war, und nun lagen noch zwei Schichten übereinander. Im Verdecke konnte ein ausgewachsener Mann nicht gerade stehen und im Bettverschlage nicht gerade sitzen. Die Bettkasten waren für je sechs Mann. Wenn vier darin lagen, waren sie voll und die beiden letzten mussten hineingezwängt werden. Das war bei warmem Wetter nicht kalt: es war für den Einzelnen gänzlich unmöglich sich umzuwenden und ebenso unmöglich auf dem Rücken zu liegen. Die geradeste Richtung mit der schärfsten Kante war nötig. Wenn wir so auf einer Seite gehörig geschwitzt und gebraten hatten, rief der rechte Flügelmann: Umgewendet! und es wurde umgeschichtet: hatten wir nun auf der andern Seite quantum satis ausgehalten, rief das nämliche der linke Flügelmann. Die Verpflegung hielt gleichen Schritt mit der Unterbringung. Heute Speck und Erbsen und morgen Erbsen und Speck; zuweilen Grütze und Graupen und zum Schmause Pudding, den wir aus muffigem Mehl halb mit Seewasser, halb mit süssem Wasser und altem Schöpsenfett machen mussten. Der Speck mochte wohl vier oder fünf Jahre alt sein, war von beiden Seiten am Rande schwarzstriefig, weiter hinein gelb und hatte nur in der Mitte noch einen kleinen weissen Gang. Ebenso war es mit dem gesalzenen Rindfleisch. In dem Schiffsbrot waren oft viele Würmer, die wir als Schmalz mitessen mussten, wenn wir nicht die schon kleine Portion noch mehr reduzieren wollten: dabei war es so hart, dass wir nicht selten Kanonenkugeln brauchten es nur aus dem gröbsten zu zerbrechen; und doch erlaubte uns der Hunger selten, es einzuweichen; auch fehlte es oft an Wasser. Man sagte uns, und nicht ganz unwahrscheinlich, der Zwieback sei französisch; die Engländer hätten ihn noch im siebenjährigen Kriege den Franzosen abgenommen, seit der Zeit habe er in Portsmouth im Magazin gelegen, und nun füttere man die Deutschen damit, um [S. 40] wieder in Amerika die Franzosen unter Rochambeau und Lafayette, so Gott wolle, tot zu schlagen. Gott muss aber doch nicht recht gewollt haben. Das schwergeschwefelte Wasser lag in tiefer Verderbnis. Wenn ein Fass heraufgeschroten und aufgeschlagen wurde, roch es auf dem Verdeck nach einer Mischung von allen möglichen übeln Gerüchen. Es war angefüllt mit fingerlangen Würmern, und es musste durch Tücher gefüllt werden, bevor man es trinken konnte: und dann musste man immer noch die Nase zuhalten. Rum und manchmal ein wenig starkes Bier verbesserten das Getränk.«
Auf diese Weise zusammengepfercht, in dicker Luft, mit schlechter Nahrung und faulem Wasser, viele von ihnen ungenügend bekleidet, wurden diese Jünglinge, alten Leute, Studenten, Kaufleute und Bauern Monate lang auf dem Atlantischen Ozean herumgeworfen. Viele von den Leiden der Reise waren zweifellos unvermeidlich, und viele von den Rekruten waren schon an ein hartes Leben gewöhnt. Aber Vieles, was sie zu erdulden hatten, war das Resultat von einem absichtlichen Mangel an Fürsorge und grosser Habsucht. Was soll man sagen über das britische Quartiermeister-Departement, das diese Leute auf die See schickte ohne richtiges Essen und Trinken? Was vom Herzog von Braunschweig, welcher seine Unterthanen nach Canada ohne haltbare Schuhe und Strümpfe schickte und ohne Mäntel? Oft haben Menschen ein hartes Leben freudig ertragen, weil sie den Grund verstanden. Aber diese armen Kerle litten für einen Streit, der nicht ihr eigener war, nur um für die Mittel zu sorgen zur Bezahlung der Schulden oder der Vergnügungen ihrer Herren.
Die erste hessische Division, einige 8000 Mann stark, segelte an Sandy Hook am 15. August 1776 vorüber und landete auf Staten Island, empfangen von Artillerie- und Musketen-Salven. Die Division war unter dem Befehl von Generallieutenant Philipp von Heister, einem alten Soldaten des siebenjährigen Kriegs. Es wird erzählt, dass, als Landgraf Friedrich II. ihn zur Führung des hessischen Expeditionkorps berief, er ihn mit den Worten anredete: »Heister, Ihr müsst nach Amerika gehen.« — »Sehr gern, Hochfürstliche Durchlaucht, aber ich nehme mir die Freiheit einige Bitten auszusprechen.« — »Und die wären?« — »Erstens, müssten meine Schulden bezahlt werden, dann müsste für meine Frau und Kinder gesorgt werden, bis ich wiederkomme, und wenn ich fallen sollte, müsste meine Frau eine Pension bekommen.« Als der Landgraf dies lächelnd genehmigte, rief Heister aus: »Nun sollen Ew. Hochfürstliche Durchlaucht sehen, was dieser alte Kopf und diese alten Knochen noch leisten können.«
Die Armee, welche sich auf Staten Island unter dem Oberbefehl Sir William Howes sammelte, zählte nach Ankunft der Hessen zwischen 25 und 30,000 Mann. Sie wurde unterstützt durch eine Flotte unter Sir Williams Bruder, Lord Howe. Die gegnerische Armee unter Washington war etwa aus 13,000-14,000 Mann zusammengesetzt, von denen nicht mehr wie 6000 Mann einige militärische Ausbildung genossen hatten und deren Offiziere im bürgerlichen Leben gross geworden waren.
Die Hessen waren sehr erstaunt über den Reichtum und die Fruchtbarkeit, welche sie auf Staten Island vorfanden. Die Kolonisten lebten in bequemen Wohnhäusern, [S. 42] von Gemüse- und Obstgärten umgeben. Ihre hellroten, von zwei kleinen Pferden gezogenen Wagen erregten die Bewunderung der Deutschen. Ein Kolonist auf Staten Island lebte so angenehm wie ein deutscher Landedelmann, und es erschien den Hessen aussergewöhnlich, dass dies Volk sich gegen eine Regierung auflehnte, unter welcher es sich so vieler Segnungen erfreute. Viele Amerikaner waren bei der Annäherung der Hessen aus ihren Besitztümern geflohen und die, welche blieben, machten zuerst Miene, sich widerspenstig zu zeigen; aber als sie sahen, dass auf strenge Disziplin gehalten und regelrechte Requisitionen unternommen wurden, kehrten die Flüchtlinge zurück und es kam bald untereinander zu erträglichen, wenn nicht herzlichen Beziehungen. Die britische Regierung hoffte noch die Kolonisten zu versöhnen mit dem Mutterland, und strenge Befehle waren zur Vermeidung von Exzessen gegeben worden.
Sir William Howe begann mit der Vereinigung seiner Truppen die Vorbereitungen zum Angriff auf die Amerikaner. Die britische Avantgarde unter Sir Henry Clinton, vereinigt mit den hessischen Jägern und Grenadieren, die vom Oberst von Donop befehligt wurden, überschritten die Narrows of Long Island am 22. August 1776. Ein Tagebuch, welches im folgenden Jahr in einem »Magazin« in Frankfurt veröffentlicht wurde, giebt einen genauen Bericht über diese Operation und von denen, die noch folgten:
»22. August. Wir lichteten die Anker und segelten direkt gegen Long Island. Die Kriegsschiffe kamen bis auf Schussweite an das Ufer heran und richteten ihre Kanonen auf das Gestade. Um 8 Uhr morgens wimmelte es an der ganzen Küste von Booten. Um 1/2 9 Uhr hisste der Admiral die rote Flagge auf, und in einem Moment erreichten sämtliche Boote die Küste. Die Engländer und Schotten mit der Artillerie wurden zuerst ausgeschifft, und dann die Brigade Donop (die einzigen Hessen [S. 43] hier). Nicht eine Seele machte Widerstand gegen unser Landen. Dies war der zweite Fehler der Rebellen seitdem ich in Amerika bin. Der erste Fehler, den sie machten, war auf Staten Island, denn sie hätten dort einen grossen Teil der Unsrigen mit 2 6 Pfündern vernichten können, und jetzt hätten sie uns auch in eine schlimme Lage bringen können. Wir marschierten ebenfalls ungehindert durch Gravesend und kamen gegen Abend in Flatbush an. 300 Riflemen waren kurze Zeit vor uns dort gewesen. Wir schickten ihnen einige Kanonenschüsse nach, stellten unsere Pickets und schliefen ruhig die ganze Nacht. Ich machte eine Beute von 2 Pferden, von denen ich eines dem Oberst schickte, das andere meinem Diener als Packpferd gab.
»23. August. — Heute Morgen früh wurde der rechte Flügel unserer Avantgarde angegriffen. Wir brachten 2 Geschütze in Stellung und warfen sie zurück. Es regnete Kugeln. Hauptmann Congreve und ein Konstabler wurden an meiner Seite verwundet, ein Engländer bekam einen Schuss durch und durch. Am Nachmittag griffen sie auf der linken Seite des Dorfes an und zündeten mehrere Häuser an, worauf wir uns in das Dorf zurückzogen. Lieutenant von Donop wurde an der Brust verwundet; die Kugel streifte eine Rippe. Ich avancierte auf dem rechten Flügel und besetzte einen grossen Garten mit 150 Mann Jägern und leichter Infanterie. Als der Feind von hier gewichen war, unterstützte ich Lieutenant von Donop. Die Rebellen besetzten die Strasse mit 2 Kanonen und unsere schottischen Hochländer bauten eine Batterie über den Weg mit Schiessscharten für 2 Kanonen. Ich hatte diese Arbeit zu decken und hatte den äussersten Posten, wurde indessen wenig belästigt.
»24. August. — Ein heisser Tag. Die Rebellen näherten sich zweimal und schossen mit Haubitzen, so dass unsere gesamte Artillerie in Stellung gebracht werden musste. Um Mittag schlief ich ein wenig, wurde [S. 44] aber durch zwei Kanonenkugeln geweckt, die mich mit Erde bedeckten. Die Rebellen haben einige sehr gute Schützen, doch manche darunter haben sehr schlechte Gewehre. Aber sie sind listig wie die Jäger. Sie erklimmen Bäume, kriechen auf dem Bauch wohl 150 Schritte vorwärts, schiessen und gehen ebenso schnell wieder zurück. Sie machen sich Deckungen von Ästen etc. Aber heute hatten sie grosse Verluste durch unsere »Grünjacken«, denn wir lassen unsere Leute nicht eher schiessen, als bis sie einen Mann gut auf's Korn nehmen können, so dass sie nicht mehr wagen, irgend etwas gegen uns zu unternehmen.
»25. August. — Wir verbarrikadierten uns in dem Dorf; des nachts sollten sich unsere Jäger gehörig ausruhen. Gegen 2 Uhr weckten uns die Rebellen aus unserem Schlummer; wir beruhigten sie schnell mit zwei Kanonen und einigen Flintenschüssen. Heute wurden wir wieder angegriffen, aber nachdem mehrere von ihnen ins Gras gebissen hatten, zogen sie sich zurück. Long Island ist eine wunderschöne Insel, ein Arkadien. Die entzückendste Gegend, voll von Wiesen, Kornfeldern, allen Arten von Obstbäumen und gut gebauten Häusern. Es war noch eine grosse Menge Vieh da, obwohl die Rebellen eine Menge mitgenommen hatten. Die meisten der Einwohner waren aus ihren Behausungen geflohen. Die Rebellen avancierten mit Macht. General Cornwallis wollte Oberst Donop zurückziehen, aber er blieb wo er war und verschanzte sich.
»26. August. — An diesem Tag wurden wir sehr beunruhigt und während der Nacht fortwährend geweckt durch die Allarmierung der Vorposten. Dies war nicht durch Angriffe der Rebellen verursacht, sondern meistens durch Deserteure, die zu uns übergehen wollten; und wenn die Engländer und die hessischen Grenadiere sie herankommen hörten, gaben sie sofort Pelotonfeuer, falls [S. 45] sie nicht sofort eine Antwort bekamen. Heute traf General von Heister mit 6 Bataillonen bei uns ein.«
»27. August. — Unserm Oberst war versprochen worden, den ersten Angriff zu machen, doch er hörte, dass die Engländer heute angreifen würden, und er hatte weder gestern Abend noch heute Morgen einen Befehl bekommen. Gegen 10 Uhr standen wir unter den Waffen (der Oberst hatte mit General von Heister gesprochen) und gegen 11 waren wir alle in Schlachtordnung. Auf unserer rechten und linken Seite gingen die Engländer vor und vernichteten die, die wir zurückwarfen. Auf dem linken Flügel, wo ich die Avantgarde (50 Jäger und 20 Grenadiere) kommandierte, stand Oberst Block mit seinem Bataillon. Hinter mir hatte ich Kapitän Mallet mit einer Kompagnie als Reserve. Im Zentrum griff Hauptmann von Wrede an und hatte das Bataillon von Minnigerode hinter sich. Auf dem rechten Flügel stürmte Kapitän Lory vor, unterstützt durch die 3 übrig gebliebenen Kompagnien des Bataillons Linsingen.«
Der Verfasser, der diese Formation der Truppen beschreibt, berichtet nur von der Brigade, in welcher er diente. Die Hessen, welche das Zentrum der britischen Streitkräfte bildeten, waren an der Strasse von Flatbush aufgestellt. Der rechte Flügel unter Clinton und Lord Percy, mit Sir William Howe, war früh am Morgen aufgebrochen und es gelang ihm, den linken Flügel der amerikanischen Stellung bei Bedford zu umfassen und ihnen in den Rücken zu kommen. Nachdem Heister zur Rechten Kanonendonner gehört hatte, befahl er den Angriff der Hessen. Die Schlacht war im Wesentlichen gewonnen und verloren, bevor der erste Schuss gefallen war, indem die Amerikaner überflügelt wurden. Die Letzteren sahen sich in Gefahr, von ihren befestigten Werken abgeschnitten zu werden und flohen. Einige ertranken im Gowanus Creek auf der Flucht. Zwei ganze Regimenter wären wahrscheinlich gefangen genommen, [S. 46] wenn sich nicht General Stirling mit fünf Kompagnien Marylanders, mit denen er den Rückzug deckte, geopfert hätte. Von diesen fünf Kompagnien entrannen nur acht Mann dem Tod oder der Gefangenschaft.
Kehren wir zu dem Tagebuch unseres hessischen Offiziers zurück.
»Meine Jäger waren so hitzig, dass ich, kaum im Wald angelangt, mich mit meiner Truppe allein befand. Ich kam in die Mitte des Lagers der Rebellen, wo sie noch waren; sah zu meiner Linken ihr grosses Lager, zur Rechten ein befestigtes Werk; vor mir formierten sich 50-60 Mann zu einer Kolonne. Aber wir liessen ihnen keine Zeit und schlugen sie vollständig zurück. Viele wurden getroffen und noch mehr gefangen genommen. Ich verlor nicht einen einzigen Mann, so sehr fürchteten sich die Rebellen vor unsern Jägern. Auf dem linken Flügel ging es ebenso gut. Wir verloren einige Leute; abgesehen von einem Jäger, der im Dorf gefallen war, hatten wir keinen Toten. Am ersten Tag machten wir mehr als 500 Gefangene, unter denen General Stirling und ein anderer General waren; Oberst Johnson war gefallen. General Stirling ist einer der bedeutendsten unter den Rebellen, der, das Schwert in der Hand, die Leute zwang, gegen ihren König zu kämpfen. So lange wir keine Pferde hatten, wurden die Gefangenen an die Geschütze gespannt, später wurden sie an Bord der Kriegsschiffe gebracht. In zwei Tagen hatten wir 1100 Mann gefangen genommen. Die Rebellen sahen sehr zerlumpt aus und hatten keine Hemden an. Unsere Hessen marschierten wie Hessen; sie marschierten tadellos, und die Engländer wie die tapfersten und besten Soldaten, sie verloren daher mehr wie wir. Dies war ein glücklicher Tag für uns. Die Rebellen hatten eine sehr günstige Stellung im Wald und wir eine sehr schlechte am Dorfe Flatbush. Anfangs machten sie einen guten Gebrauch von ihrer Stellung, sie brannten ein Haus ab [S. 47] und legten Feuer an eine Scheune bei unseren Vorposten. Aber als wir sie angriffen in ihren Schlupfwinkeln, liefen sie, wie es der Pöbel immer macht.« [2]
[2] Nach »Die Neuesten Staatsbegebenheiten« 1777, Frankfurt a/M. Seite 110-116. Der Brief, von welchem das oben Angegebene der grösste Teil ist, scheint von einem Jägeroffizier geschrieben zu sein, wahrscheinlich entweder von Major von Prüschenk oder Lieutenant von Grothausen.
Der Herausgeber des Frankfurter Magazins, welcher das Obige veröffentlicht, bemerkt, dass viele Briefe von hessischen Offizieren in den Zeitungen erschienen sind; dass diese Offiziere sich selbst einen grossen Teil des Verdienstes am Siege zuschreiben, und dass, hinsichtlich des wohlbekannten Wertes der hessischen Soldaten sie diesen zweifellos haben, aber dass einige von ihnen zu wenig die Widerstandsfähigkeit und die militärische Ausbildung der Amerikaner in Betracht ziehen, »so dass der Ruhm, einen Sieg über einen ein Drittel so starken Feind erfochten zu haben, kein so grosser ist.« Diese Bemerkung ist jedenfalls am Platz, und die Überlegenheit scheint nicht zu hoch angegeben zu sein. Washingtons Armee hatte vor der Schlacht die Linie von Kingsbridge bis Flatbush besetzt. Auf Long Island sind wahrscheinlich nicht mehr wie 8000 Amerikaner gewesen, während die, welche in vorderster Linie engagiert waren, nur 4 oder 5000 zählten, gegen 20,000 Engländer und Deutsche.
Sir William Howe giebt in seinem offiziellen Rapport den Verlust der Amerikaner an Toten, Verwundeten Gefangenen und Ertrunkenen auf 3300 Mann an. Bankroft glaubt aber, dass dies eine grosse Übertreibung ist, denn, wenn man dem Rapport von Washington Vertrauen schenkt und eine genaue Untersuchung anstellt, so erreicht der Gesamtverlust der Amerikaner nicht ganz die Zahl von 1000, von denen 3/4 gefangen genommen wurden. Der englische Verlust war, nach Howe, 17 Offiziere und 301 Unteroffiziere und Gemeine. [S. 48] Die Hessen hatten 2 Tote sowie 2 Offiziere und 23 Mann Verwundete.
»Der Feind,« schreibt Oberst von Heeringen, der Kommandeur eines hessischen Regimentes, »hatte vor seiner Front beinahe undurchdringliches Dickicht, befestigte Linien und Redouten. Die Schützen wurden meistens mit den Bajonetten an den Bäumen aufgespiesst. Dies furchtsame Volk flösst eher Mitleid wie Furcht ein. Sie gebrauchen 1/4 Stunde zum Laden, während dessen lassen wir sie unsere Kugeln und Bajonette fühlen.«
Unter den Gefangenen, die die Hessen machten, waren zwei Generale — Sullivan und Stirling. Nichts legt ein so charakteristisches Zeugnis ab von dem Hass und der Verachtung seitens der hessischen Offiziere gegenüber den undisziplinierten rebellischen Truppen ihrer Gegner, als der Bericht von Heeringens über diese Generale und die anderen Offiziere der amerikanischen Armee. »John Sullivan war ein Rechtsgelehrter und vorher Diener, aber ein Mann von Geist, dessen Verlust die Rebellen sehr beklagen werden. Unter den Gefangenen sind viele sogenannte Obersten, Oberstlieutenants, Majors und andere Offiziere, die indess nichts anderes als Mechaniker, Schneider, Schuster, Perückenmacher, Schneider etc. sind. Einige von ihnen wurden gründlich gehauen von unseren Leuten, die solche Menschen keineswegs für Offiziere gelten lassen wollten. Sullivan wurde zu mir gebracht, ich untersuchte ihn und fand die Originalbefehle Washingtons bei ihm vor, aus denen hervorgeht, dass er die besten Truppen unter seinem Befehl hatte, dass Alles davon abhinge, den Wald zu halten, und dass er 8000 Mann stark war. Die Engländer haben 150 Tote und Verwundete »(318 sagt Sir William Howe)«. Dies verdanken sie mehr ihrem ungeordnetem Angriff, als dem Wert des Feindes. Es sah schrecklich in dem Wald aus, da wenigstens 2000 Tote und Verwundete dalagen. Kolonel John von den Rebellen ist tot. Ein Grenadier [S. 49] nahm ihn gefangen und schenkte ihm grossmütig das Leben, sagte ihm aber, er sollte sich hinter das Bataillon begeben, welches folgte, da der Grenadier Schütze war. Jedoch der Oberst wollte ihn ermorden, von hinten schlauerweise; heimlich zog er eine Pistole heraus, streifte ihn aber nur am Arm, worauf der Letztere ihn mit 3 oder 4 Bajonettstichen niedermachte.«
»Unter den gefangen genommenen Offizieren fand ich nicht einen einzigen, der in fremden Diensten gewesen wäre. Sie sind nichts als Rebellen und hiesige Bürger. Schneider Graul würde eine bedeutende Rolle hier spielen.« Oberst von Heeringen findet es weit ehrenwerter, für anderer Völker Streitigkeiten zu kämpfen, als für die eigenen. Einem Mann, der einst Söldner war, konnte schon eher vergeben werden, wenn er zu den Rebellen gehörte. »Mylord Stirling ist ein échappé de famille und gilt nicht als Lord in England.« Er sieht dem Lord Granby ähnlich wie ein Ei dem andern. General Putnam ist Metzger von Profession. Er kommt mir wie Metzger Fischer in Rinteln vor. Die Rebellen desertieren in grosser Zahl; es ist gar nichts, Obersten, Oberstlieutenants und Majors mit ganzen Trupps von Leuten zu uns übergehen zu sehen. Die genommene Fahne, die von rotem Damast gemacht ist mit dem Motto »Liberty«, erschien mit 60 Mann vor Ralls Regiment. Sie hatten alle ihre Gewehre umgekehrt und die Hüte unter dem Arm, fielen auf die Knie und baten flehentlich um ihr Leben. Kein Regiment ist richtig uniformiert oder bewaffnet. Jeder Mann hat eine schlechte Flinte, solche, mit denen die hessischen Bürger am Himmelfahrtstag ausrücken. Stirlings Regiment jedoch hatte blau und rote Uniform, war drei Bataillone stark und bestand meistens aus Deutschen, die sich aus Pennsylvaniern rekrutierten. Es waren grosse, schöne Leute, die vorzügliche englische Gewehre mit Bajonett hatten. Diesem Regiment standen die Engländer gegenüber und [S. 50] da diese sie für Hessen hielten, so feuerten sie nicht. Doch dieser Irrtum kostete sie Oberst Grant, mehrere andere Offiziere und 80 Mann. Sie bekamen eine Salve. Die Engländer sammelten sich, griffen mit dem Bajonett an, schlugen alles zu Boden, und was nicht massakriert war, wurde gefangen genommen. In kurzer Zeit war das ganze Regiment vernichtet. Die Artillerie der Rebellen ist sehr schlecht, die Kanonen meist von Eisen und auf Schiffskarren gesetzt.
Es ist behauptet worden, dass in dieser Schlacht die Engländer und Hessen keinen Pardon gaben, wenn er verlangt wurde. Oberst von Heeringen sagt: »Die Engländer gaben selten Pardon und forderten beständig die Unsrigen auf, dasselbe zu thun.« Man sagt auch von den Amerikanern, dass sie geglaubt haben, die Hessen gäben keinen Pardon und dass sie infolge dessen mit einer eigentümlichen Verzweiflung gefochten haben sollen, nachdem sie alle Hoffnungen aufgegeben hatten. Die Thatsache, dass sie beiderseitig sich nicht verstanden, mag dahin geführt haben, die Möglichkeit der Übergabe zu verringern; auch mag zur Erhöhung der Wut beigetragen haben, dass einige Amerikaner die, welche sie gefangen genommen, verräterisch angegriffen hatten. »Sie waren,« sagt Lieutenant Rüffer in seinem Tagebuch, »so furchtsam, dass sie es vorzogen zu fallen, als Pardon anzunehmen, da ihre Generale und Offiziere ihnen gesagt hatten, sie würden gehängt.« Sicherlich der komischste Beweis von Feigheit, der jemals gegen Soldaten erbracht worden ist.
Nach dem Verlust einer so wichtigen Stellung und von so vielen Leuten im Verhältnis zur Zahl seiner kleinen Armee, fand es Washington nicht ratsam, die Befestigungen von Brooklyn länger zu halten zu suchen; nachdem er gesehen hatte, dass die englische Flotte sich anschickte den East River in Besitz zu nehmen und seine Rückzugslinie abzuschneiden, verliess er Long Island in der Nacht [S. 51] vom 29. zum 30. August und ging nach New-York über, wohin alle Vorräte und Kanonen, ausgenommen einige schwere Geschütze, die im Schmutz stecken blieben, gebracht wurden. Eine Mythe durchlief die Reihen der Hessen, wonach ein Befehl Washingtons in dem eroberten Lager gefunden worden sei, welcher sagte, da es doch unmöglich sei, solchen grausamen und schrecklichen Feinden, wie den Hessen, Widerstand zu leisten, so möchte jeder sehen, wie er am besten entkommen könnte. Dies war also die erste Schlacht der deutschen Truppen in der neuen Welt. Die Verachtung, die sie vor einem solchen rebellischen und undisziplinierten Feinde hatten, war nur vermehrt worden, eine Verachtung, welche völlig auszurotten, nur eine lange Reihe von Kriegs- und Unglücksjahren im Stande war.
Es existiert nicht mehr Vieles, was den jetzigen Einwohner von New-York an die kleine Stadt erinnern könnte, die vor 100 Jahren an der Südspitze von Manhattan Island lag. Es war ein hübscher Ort, mit grossen bequemen Häusern, die meist von gelben Ziegelsteinen gebaut waren. Die Räume darin waren kärglich eingerichtet, der Fussboden mit Sand bestreut, und die Wände mit hohem, gemalten Täfelwerk versehen. Die Büffets, die in den besseren Häusern von solidem Mahagoni waren, waren mit glänzendem zinnernen Gerät besetzt, oft auch mit solidem Silber für besondere Gelegenheiten. Die Strassen waren krumm und hatten Rinnen in der Mitte, waren aber vollständig rein und mit Bäumen besetzt. Vor dem Kriege hatte der Ort über [S. 52] 20000 Einwohner gehabt, viele aber waren bei der Annäherung der streitenden Armeen geflohen. Es gab dort viele Tories, besonders unter den Reichen.
Zur Zeit, als Washington sich von Brooklyn zurückzog, wurde New-York verteidigt durch ein permanentes Fort, mit Namen Fort George, im Westen von einer Batterie, und durch provisorische Werke, die am Ufer entlang an verschieden Stellen aufgeworfen waren. Im Norden, landeinwärts, wurde der Broadway in der Nähe des Bowling Green durch eine Schanze gesperrt, und eine zweite befand sich in der Gegend des heutigen Centre-Market. Jenseits der Befestigungen lag eine Gegend, »die schönste, die ich je gesehen habe,« sagt ein hessischer Offizier. [3] Kornfelder, Wiesen und Obstgärten bedeckten das reizende Gelände, und von den Gipfeln der Berge und Hügel schauten die alten Kolonialhäuser, jedes mit einer Piazza und mit einer Ballustrade umgeben, herab in die lächelnde Landschaft. Der hessische Lieutenant bezeichnet sie in seinem Enthusiasmus mit Schlössern. Doch in der That, es war eine Vornehmheit in der Bauart der besten Wohnhäuser der damaligen Zeit, welche diese Bezeichnung nicht ganz unberechtigt erscheinen lässt.
[3] Lieutenant Hinrichs.
Trotz aller Anstrengungen Washingtons und des Kongresses, im Besitz von New-York zu bleiben, war die Stadt doch völlig widerstandsunfähig. Die Engländer hatten völlige Herrschaft über den Hafen, und eine bedeutende Übermacht zu Lande. Als infolgedessen am 15. September 1776 die königlichen Truppen auf der Insel landeten, war die einzige Sorge Washingtons, der mehrere Tage lang Waffen und Vorräte wegschaffen liess, die Nachhut seiner Armee in Marsch zu setzen, bevor ihm der Rückzug von den Engländern abgeschnitten werden konnte. Die Landung war unter dem Schutz von [S. 53] englischen Kriegsschiffen an einer Stelle, Kips Bay genannt, (in der Nähe der östl. 34. Strasse) ausgeführt worden. Unser hessischer Lieutenant nennt es 4 Meilen von New-York, er überschätzt aber die Entfernung. Die Hessen waren in der Avantgarde, und wie gewöhnlich bildeten sie die Jäger und die Grenadiere unter von Donop. Diese marschierte unmittelbar auf New-York, während die englische leichte Infanterie und die Highlanders sich beeilten, den Inselberg, oder jetzt Murrayhill, zu besetzen. Unterdessen zogen die Amerikaner unter dem alten Israel Putmann in Eile auf den Strassen ab, die dem North River am nächsten lagen, in der Richtung auf Bloomingdale.
Der Landung der Briten war kein Widerstand geleistet worden. Die neuenglische Miliz, die dieselbe hätte etwas aufhalten können, benahm sich sehr schlecht, und zog sich die heftigste Missbilligung seitens Washingtons zu. Es wird erzählt, dass ein Teil der amerikanischen Armee zweifellos abgeschnitten worden wäre infolge dieser Panik, wenn nicht Mrs. Murray Sir William Howe durch ihre gastliche Aufnahme und die Anziehungskraft ihres alten Madeira aufgehalten hätte. Diese schätzenswerte Dame hielt den britischen General 2 Stunden lang bei guter Laune, während ihre zerlumpten und hungrigen Landsleute seinen Krallen entwischten. Niemals hat wohl die Gastfreundschaft von Murray-Hill einer bessern Sache gedient.
Am 16. September fand ein heftiges Gefecht in der Nähe von Manhattanville statt. Ein Teil der britischen Infanterie und zwei Bataillone Highlanders wurden zurückgeschlagen und waren in einer etwas prekären Lage, als die allgegenwärtigen Jäger und Grenadiere zu ihrer Unterstützung heranrückten; ebenso waren einige andere deutsche Regimenter in Bewegung gesetzt worden. Washington, der fürchtete, dass der Feind eine grössere Truppenmacht, als es in Wirklichkeit der Fall war, vor [S. 54] schieben würde, ordnete den Rückzug an. Die Engländer verloren 280 an Toten und Verwundeten, die Amerikaner ungefähr 60. Dies Gefecht, in dem die letzteren sich sehr gut benahmen und den Engländern einen verhältnismässig schweren Verlust beibrachten, trug wesentlich dazu bei, ihren Mut neu zu beleben nach den Rückzügen und Misserfolgen der vergangenen Tage.
Der britische General hatte strengen Befehl gegeben, das persönliche Eigentum zu respektieren, worauf sofort die reichen Besitzer der Landhäuser, die bei Annäherung der königlichen Streitkräfte geflohen waren und ihre Besitzung dem Schutz der Dienerschaft anvertraut hatten, zurückzukehren anfingen. Lieutenant Hinrichs von den hessischen Jägern, welcher am 15. Sept. Befehl erhalten hatte, Plünderungen zu verhüten, hatte sich hierbei die Dankbarkeit der Einwohner erworben. Er war in dem Gefecht am 16. verwundet und gezwungen worden sich nach ruhiger und guter Pflege umzusehen. Er suchte Schutz bei einer Witwe, namens Ogylby (Ogilvie?) in der Nähe von Hornhook am East River, und sah zu seiner Befriedigung die ganze Familie sich wieder vereinigen nach der durch die Kriegsgefahren verursachten Trennung. Grossvater, -mutter, Enkelkinder, zusammen mit ihren schwarzen Sklaven und deren Kindern sahen sich wieder und umarmten sich mit so viel Herzlichkeit, dass unser gutherziger Lieutenant sehr gerührt wurde und eine fieberhafte Nacht verbrachte. Es ist unnötig zu erwähnen, dass seine Wirte ihn mit der grössten Güte behandelten. Er wurde von dieser wie von andern Wunden, die er im Verlauf der Revolution erhielt, geheilt und starb als preussischer Generallieutenant im Jahr 1834.
Die Stadt New-York war nur fünf Tage in den Händen der Briten gewesen, als in der Nacht vom 20. zum 21. Septbr. in einer kleinen Schenke in der Nähe von Whitehall Slip Feuer ausbrach. Das Wetter war trocken und heiss gewesen. Starker Wind blies von [S. 55] Süd-West. Das Feuer breitete sich mit fürchterlicher Heftigkeit aus. Die Ostseite von Broadway war bis Exchange Place abgebrannt. Als der Wind sich nach Südosten gedreht hatte, sprang das Feuer von Broadway nach Morris Street über und dehnte sich bis Barclay Street aus, wobei die alte Trinity Church abbrannte, St. Pauls aber verschont blieb. Schliesslich wurde man Herr des Feuers, besonders durch die Anstrengungen von Soldaten und Seeleuten. Bankroft behauptet bestimmt, dass dies Feuer nicht durch Brandstiftung verursacht wurde; die Briten und Hessen aber waren damals anderer Ansicht und einige moderne Geschichtsschreiber schenken ihren Berichten Glauben. Sir William Howe stellte in seinem Bericht fest, dass an verschiedenen Stellen Feuer angelegt worden sei. Eelking sagt, dass Donop in seinem Tagebuch verzeichnet habe, dass der Brand von einem amerikanischen Oberst Namens Scott, der früher Advokat gewesen war, in Szene gesetzt worden sei.
Dieser hätte dazu 40 verwegene Leute verwendet, die, mit allerhand Brennstoffen versehen, an verschiedene, im Besitz von Tories befindliche Häuser Feuer gelegt hätten. Dieser Geschichte zufolge wurde Scott verhaftet und der ganze Plan geschrieben bei ihm vorgefunden. Die Meinung derer, welche glauben, dass das Feuer von den Whigs angelegt worden sei, wird durch die zweifellose Thatsache bekräftigt, dass mehrere einflussreiche Amerikaner zur Verbrennung New-Yorks geraten hatten, und dass der Plan von Washington dem Kongress vorgelegt, aber verworfen wurde. Andrerseits lässt sich sagen, dass Panik und Leidenschaft, Geschichten von Brandlegung und Gewaltthätigkeiten, die beständigen Begleiterscheinungen einer grossen Feuersbrunst sind.
Berichte, die aus damaliger Zeit stammen, sollte man immer mit der grössten Vorsicht aufnehmen. Die Geschichte, welche Scott betrifft, ist, soviel ich weiss, durchaus unbe [S. 56] gründet. Nur soviel ist sicher, dass verschiedene Personen während des Umsichgreifens des Feuers von englischen Soldaten getötet worden sind, und Bankroft sagt, dass ein armer Mensch, der zu den Tories gehörte, an den Beinen aufgehängt wurde, bis er starb.
Am 10. Oktober 1776 schiffte General Howe den grössten Teil seiner Truppen aus in der Absicht, noch einmal zu versuchen Washingtons Rückzugslinie abzuschneiden und ihn in Manhatten Island einzuschliessen. Vier Tage lang waren die Briten durch widrige Winde im East River festgehalten worden und waren nur soweit gekommen, Hellgate am Nachmittag des 14. zu passieren. Die Flotte lag die nächste Nacht vor Anker und brach am andern Morgen um 6 Uhr auf, wurde aber durch Winde und Sturmfluten aufgehalten, und erreichte Frogs Neck (oder Frogs Point, wie es Washington nennt), nicht vor Einbruch der Dunkelheit. Hier hatte Howe einstweilen seine Avantgarde gelandet, Washington aber war ihm zuvorgekommen und hatte die Übergänge, die zum Festland führen, besetzt. Howe beschloss infolge dessen vorzustossen und die Landung bei East Chester zu bewerkstelligen. Dies gelang ihm am 18. Oktober nach einem heftigen Gefecht. Die britische Armee stand jene Nacht unter Waffen mit dem linken Flügel an eine kleine Bucht bei East Chester angelehnt, mit dem rechten bei New-Rochelle. Unterdessen marschierten die Amerikaner eiligst auf White Plains, wo sie eine starke Stellung einnahmen und befestigten. Gerade in diesem kritischen Zeitpunkt vereinigte sich die zweite hessische Division mit dem Rest der Armee. Sie bestand aus 3997 Mann unter dem Kommando von Generallieutenant Wilhelm von Knyphausen, und hatte Cassel Anfang Mai verlassen. Das Waldeck'sche Regiment, 670 Mann stark, und die zweite Waldeck'sche Jäger-Kompagnie unter Hauptmann Ewald waren mit dieser Division gekommen. Auf diese Weise waren die deutschen Korps unter dem [S. 57] Kommando von General von Heister auf ungefähr 13,400 Mann gebracht worden. Die neue Division war zurückgelassen worden um New-Rochelle zu halten, während die Briten auf White Plains vorgingen.
Hauptmann Ewald und seine zweite Jäger-Kompagnie brauchten nicht lange zu warten bevor sie in Aktion kamen. Am 23. Oktober stiessen sie bei einer Rekognoszierung auf eine überlegene Zahl feindlicher Schützen und würden zurückgetrieben sein, wenn ihnen nicht die Hochländer zu Hilfe gekommen wären. Ein Lieutenant und sechs Mann wurden verwundet; von diesen starben vier nachher. Dies ist der deutsche Bericht in Eelkings Buch. Ich will auch den Bericht wiedergeben, welchen General Washingtons Stabschef in seinem Rapport an den Präsident des Kongresses giebt: »Am Mittwoch war ebenfalls ein scharfes Scharmützel zwischen einem Teil von General Hands Schützen, ungefähr 240, und beinahe derselben Anzahl hessischer Jäger, in welchem die letzteren geschlagen wurden. Unsere Leute beerdigten 10 derselben auf dem Gefechtsfelde, machten zwei Gefangene, von denen einer schwer verwundet war. Wir hatten keinen andern Verlust als einen, wie anzunehmen, tödlich Verwundeten.«
Am 28. Oktober fand Sir William Howe die Armee Washingtons vorteilhaft hinter dem Dorf White Plains postiert. Sie zählte etwas mehr als 13000 Mann, von denen etwa 1500 Chatterton Hill auf dem äussersten rechten Flügel der amerikanischen Stellung besetzt hielten, die von der Hauptmacht durch den Bronx-Fluss getrennt wurden. Sir William beschloss, diesen rechten Flügel anzugreifen. Ein englisches und zwei hessische Regimenter, unterstützt durch die hessischen Grenadiere, durchwateten die Bronx und erkletterten die steilen und felsigen Hänge des Berges. Das Regiment von Lossberg musste durch einen brennenden Wald angreifen und dem heftigsten Feuer der Amerikaner die Stirn bieten. Sein [S. 58] Verlust an Toten und Verwundeten betrug nahezu 50 Mann. Das Resultat des Kampfes würde zweifelhaft geworden sein, wenn nicht Oberst Rall, der sein eigenes Regiment und das nach Knyphausen benannte kommandierte, auch die Bronx durchwatet, die Amerikaner in der Flanke gefasst und die in der Front angreifenden Truppen unterstützt hätte. Der Fluss war tief und die hessischen Soldaten zögerten hineinzugehen. Aber die Lieutenants Wiederhold und Briede sprangen zuerst hinein, um sie durch ihr Beispiel anzufeuern. Von dem erstem dieser Offiziere werden wir noch mehr hören. Der zweite fiel wenige Tage später bei der Einnahme von Fort Washington.
Ein Teil der Amerikaner focht ganz gut bei dieser Gelegenheit, gegen eine weit überlegene Zahl. Sie hatten einen zweifellosen Vorteil durch ihre Stellung und machten einen guten Gebrauch davon, indem sie dem Feinde einen Verlust von ungefähr 280 Toten und Verwundeten beibrachten. Howe erwähnt in seinen Berichten den guten Dienst, den die englische und hessische Artillerie leistete. Heisters General-Adjutant sagt, dass die hessischen Feld-Geschütze einen solchen »Donner« machten, dass man weder hören noch sehen konnte. Die Amerikaner hatten nur drei kleine Kanonen auf dem Berge.
Die amerikanische Armee war zu dieser Zeit hauptsächlich aus Milizen, die von den verschiedenen Staaten nach kurzen Dienstperioden gesandt worden waren, zusammengesetzt. Diese Milizen waren in hohem Masse schlecht bewaffnet und in Lumpen, undiszipliniert und befehligt von Offizieren, die erst vor wenigen Monaten den Schreibpult oder Pflug verlassen hatten. Während einige von diesen improvisierten Offizieren Leute von Charakter und Talent waren, hatten andere nur das Verdienst, Geschicklichkeit im Ausheben von Leuten zu besitzen. Die ausgehobenen Leute aber wollten einen solchen Offizier nicht als ihresgleichen betrachten und behandeln [S. 59] »und in seiner Eigenschaft als Offizier nicht höher achten als einen Besenstiel,« sagt Washington. Einige der Amerikaner hatten sich durch tapfere Thaten hervorgethan, aber, wie alle rohen Rekruten, veranlassten sie Paniken, oft in ganz unvernünftiger Weise. Diese Thatsachen müssen fortwährend bedacht werden, wenn nicht die Geschichte der Revolution unverständlich werden soll. Sir William Howe andererseits kommandierte eine reguläre, disziplinierte Armee, welche kaum in Europa übertroffen wurde und mit Allem zur Führung eines Krieges Wünschenswerten versehen war.
Nach dem Gefecht von Chatterton Hill standen sich die Armeen drei Tage lang gegenüber und verstärkten ihre Verschanzungen. In der Nacht des 31. Oktober zog sich Washington in eine starke Stellung oberhalb White Plains zurück und Howe lenkte, nachdem er am folgenden Morgen die amerikanische Arriergarde belästigt hatte, seine Aufmerksamkeit einer neuen Idee zu.
Auf dem höchsten Punkt von New-York Island, wo sich ein Berg 238 Fuss über das Niveau des Hudson erhebt, hatten die Amerikaner ein fünfseitiges Erdwerk gebaut, welches sie Fort Washington nannten. Das Fort war mit 34 Kanonen armiert, hatte aber keine Kasematten. Das Vorfeld eignete sich gut zur Verteidigung und war besetzt von kleineren Werken von geringer Stärke. Das Ganze bildete eine Barriere über das obere Ende von Manhattan Island, um die Engländer zu verhindern, eine Expedition zu Lande zu machen und sich weder sichere noch bequeme Winterquartiere in New-York zu verschaffen. Auf der Jersey-Seite des Hudson, gegenüber Fort Washington, lag Fort Lee. Zwischen diesen hatte General Putnam es unternommen, eine unpassierbare Barriere, die den Fluss gegen die Briten verschliessen sollte, zu bauen. Die Werke waren unter dem unmittelbaren Kommando von General Greene. Am Morgen des 9. Oktober indessen waren die [S. 60] Hindernisse durchbrochen worden, und an den Forts vorbei fuhren zwei britische Schiffe von 44 Geschützen jedes, eine Fregatte von 20 Geschützen und 3 oder 4 Tender, welche 2 amerikanische Ruder-Galeeren auf dem Flusse genommen oder zerstört hatten. Angesichts dieser Thatsachen wollte Washington das nach ihm benannte Fort verlassen, welches in Gefahr war, umzingelt zu werden. Greene war entgegengesetzter Ansicht und der Kongress teilte dessen verblendete Idee. Die Autorität des Höchstkommandierenden war so beschränkt, dass es ihm nicht gelang, seinen eigenen Ansichten Geltung zu verschaffen. Anstatt die Besatzung von Fort Washington zurückzuziehen, wurde sie verstärkt, bis Oberstlieutenant Magaw, der es befehligte, beinahe 3000 Mann unter seinem Kommando hatte. Die Stellung, die besetzt werden sollte, war 2-1/2 Meile lang und schloss eine Redoute auf Laurel Hill mit ein.
Es war am 16. November 1776, als dieses Fort durch die Armee von Sir William Howe gestürmt wurde. Der Angriff wurde gleichzeitig von 4 Kolonnen gemacht, die gegen 4 verschiedene Punkte vorgingen, diejenige, welche den Hauptstoss führte und welcher der Ruhm des Tages gehörte, war aus Hessen unter Knyphausen zusammengesetzt. Diese Truppe setzte nach New-York Island über bei Kings-Bridge früh um 1/2-5 Uhr und war in zwei Kolonnen geteilt, die rechte unter Oberst Rall, die linke unter Generalmajor Schmidt. In letzterer war Wiederhold mit der Avantgarde. Während längerer Zeit mussten die Deutschen ruhig halten bleiben, bis die englischen Kolonnen zum Angriff angesetzt waren und denselben einleiteten. Unterdessen hatte Cornwallis die amerikanische Batterie auf Laurel Hill genommen. Earl Percy mit zwei englischen und einer hessischen Brigade hatte die amerikanischen Werke im Süden bedroht, und Oberst Sterling mit den Hochländern war hinter der Truppenabteilung, die Percy gegenüberstand, über den [S. 61] Harlem River gegangen und drohte dessen Rückzugslinie abzuschneiden. Hierbei mussten die Hochländer ein steiles Ufer hinauf angreifen und verloren dabei 90 Mann. Oberst Cadwalader, der in dieser Gegend die Amerikaner kommandierte, war gezwungen sich zurückzuziehen, und seine Leute, anstatt sich ausserhalb des Forts Washington zu sammeln, hatten sich in das Fort hinein gedrängt und behinderten dadurch die Vertheidigungs-Massregeln der eigenen Besatzung.
Es war zwischen zehn und elf Uhr. Der Moment für die Hessen zu attaquieren, war schliesslich gekommen. Sie wateten durch einen Sumpf und erklommen den steilen, felsigen Berg, auf den das Fort gebaut war. Vergebens feuerten die Scharfschützen auf sie, vergebens überschüttete sie die Artillerie mit einem Hagel von Granaten und Kartätschen. Knyphausen selbst war fortwährend im stärksten Feuer, »so dass es ein Wunder war,« schreibt Wiederhold, »dass er davon kam ohne totgeschossen oder verwundet zu werden.« Der Boden war so steil dort, dass die Leute sich am Gesträuch hinaufziehen mussten. Schliesslich erreichten sie die Höhe, wo eine ebene Stelle war. »Vorwärts, Grenadiere!« rief Rall. Die Tamboure schlugen, die Hornisten bliesen, die Leute schrieen Hurrah! Hessen und Amerikaner mengten sich massenweise untereinander und alle stürzten sich wild durch einander auf das Fort los.
Die Aussenwerke waren genommen und ihre Verteidiger zurückgetrieben, die die Verwirrung in dem Hauptfort noch vermehrten. Oberst Rall rief einen von seinen Kapitäns zu sich. »Hohenstein,« sagte er, »Sie sprechen englisch und französisch; nehmen Sie einen Tambour, befestigen Sie ein weisses Tuch an einem Kurzgewehr, gehen Sie in das Fort und fordern Sie die Übergabe.« »Ich that dies sofort,« schreibt der Kapitän, »allein sie feuerten beständig auf mich und den Tambour, bis wir auf die Glacies kamen, wo die Rebellen uns mit [S. 62] geschlossenen Augen hinauf geleiteten. Ich verlangte den Kommandanten zu sprechen. Sie schickten mir einen Oberst (Cadwalader) zu, welcher Unterkommandant war, dem ich folgende Bedingung stellte: Er sollte sofort mit der Besatzung aus dem Fort herausmarschieren, und sie sollten vor General von Knyphausen die Waffen strecken. Die ganze Munition, der Proviant und alles was dem Kongress gehörte, sollte getreulich angegeben werden; dagegen ich ihm meine Parole gäbe, dass alle vom Kommandanten an, einem jeden seine Equipage sollte belassen werden, und endlich sollte eine weisse Fahne sofort aufgehisst werden, um alle Feindseligkeiten abzubrechen. Der Kommandant forderte vier Stunden Bedenkzeit, die ich ihm indessen verweigerte, und gestattete ich ihm nur eine halbe Stunde, um sich mit seinen Offizieren zu besprechen. Als die halbe Stunde verflossen war, kam der Kommandant selbst, sein Schicksal schien ihm ungünstig. Deswegen sagte er: »Die Hessen machen Unmöglichkeiten möglich.« Darauf sagte ich ihm: »General von Knyphausen steht 100 Schritt von hier. Kommen Sie auf meine Parole mit und sehen Sie zu, ob er Ihnen bessere Bedingungen stellen wird.« Er war damit zufrieden und ging mit mir.«
Magaw ergab sich Knyphausen, trotz der Nachricht von Washington, der ihn zu entsetzen versprach, wenn er bis zur Nacht aushalten könnte. Der Platz war indessen unhaltbar. Die Deutschen verloren 56 Offiziere und Leute tot und 276 Verwundete bei dem Angriff, die Engländer mehr als 120. Die Amerikaner verloren weniger als 150 Tote und Verwundete, aber ungefähr 2800 Gefangene, unter denen einige der besten Soldaten waren. Sie verloren auch einen grossen Teil ihrer Artillerie, viele Waffen und Ausrüstungsstücke.
Der Quartiermeister von dem Grenadier-Bataillon von Minnigerode sagt, indem er von dieser Schlacht spricht, dass, wenn nicht die Gefangenen gewesen wären, der [S. 63] Verlust der Deutschen weit grösser gewesen sein würde, als der von den Rebellen, und dass dies von der Art komme, wie die letzteren fechten. »Sie liegen einzeln hinter Bäumen, Büschen, Steinmauern und Felssteinen, schiessen auf grosse Distancen und mit Sicherheit und laufen ganz schnell weg, sobald sie gefeuert haben. Die Deutschen können nicht ein Drittel so weit schiessen und können viel weniger laufend sie erreichen, und das Terrain hier ist so, dass man die Feld-Artillerie bei einer Attaque selten heraufbekommen kann.«
Die Hessen sollen während des Angriffs kein Pardon gegeben haben den Scharfschützen, die sie in den Aussenwerken und in den Gehölzen fanden. Die Amerikaner, von denen viele dies gesehen haben müssen, waren natürlich mutlos zur Zeit der Übergabe. Der Volksmund hatte böse Feinde aus den Hessen gemacht. Kapitän von Malsburg erzählt, dass, als er in das Fort hineinkam, er sich umgeben fand von Offizieren, denen Furcht und Besorgnis auf den Gesichtern geschrieben stand. Sie luden ihn ein in ihre Kaserne, drangen ihm Punsch, Wein und Kuchen auf, machten ihm Komplimente wegen seiner Freundlichkeit, welche sie zu erstaunen schien, und sagten, sie hätten so etwas nicht von einem hessischen Offizier erwartet. Sie baten um seinen Schutz, und er dagegen hielt ihnen eine Strafpredigt über die Sünde der Empörung gegen ihren guten König.
Die Besatzung marschierte aus zwischen den Regimentern Rall und Lossberg hindurch, legte die Waffen nieder und übergab ihre Fahnen, die gelb, weiss und hellblau waren. Knyphausen soll auf diese »mit Verachtung« geblickt haben. Diese Haltung ist bezeichnend für das hessische Bewusstsein ihrer Stärke, doch der amerikanische Leser muss Trost finden in der Thatsache, dass innerhalb sechs Wochen die Fahnen der Regimenter Rall und von Lossberg wieder in den Händen von Washingtons Armee waren. [S. 64]
Die Hessen erwarben sich grossen Ruhm bei dieser Aktion. Schmidt, Stirn und Rall, und die Truppen unter deren Befehl wurden in den Tagesbefehlen ehrenvoll erwähnt, und das genommene Fort wurde Fort Knyphausen genannt.
Nach der Einnahme von Fort Washington zeigte Sir William Howe eine ungewohnte Thätigkeit. Das Fort war am 16. November 1776 gefallen und am 20. ging die britische Armee über den Hudson nach New-Jersey hinein. Fort Lee war hiermit nutzlos und unfähig zur Verteidigung geworden. Es wurde schleunigst geräumt und die Geschütze, Zelte und der Proviant darin im Stich gelassen. Mehr als 2000 Leute unter General Greene, die seine Besatzung gebildet hatten, entkamen notdürftig über den Hackensack, indem sie 73 Kranke zurückliessen. Der Zustand von Washingtons Armee war ein verzweifelter. Die Dienstzeit von vielen Milizen lief am 30. November ab. Diese waren nicht im mindesten zu bewegen sich wieder einreihen zu lassen, selbst für eine kurze Zeit, ebenso wie die Miliz von New-Jersey nicht ausrücken wollte, um ihren eigenen Staat zu beschützen; eine Brigade derselben löste sich auf an dem Tag, an dem die Briten in New-Brunswick einrückten. Washington hatte ein Detachement unter Lee östlich des Hudson gelassen, doch Lee missachtete nun Washingtons wiederholten Befehl sich mit ihm zu vereinigen und murrte, anstatt zu handeln. Ungefähr 2400 Mann unter Lord Stirling waren detachiert zum Schutz von Nord-New-Jersey und nach 4 Tagen beordert, den oberen Lauf des Delaware zu verteidigen; und der Oberbefehlshaber hatte auf einmal 3500 Mann weniger unter sich. Der [S. 65] Marsch der Briten durch New-Jersey wurde kaum gestört, obwohl sich Washington langsam vor ihnen zurückzog und die Brücken zerstörte. Am 8. Dezember zog er sich über den Delaware zurück und liess auf 70 Meilen alle Boote an dasjenige Ufer des Flusses bringen, an dem er sich befand. Es entstand eine Panik in Philadelphia, und der Kongress siedelte nach Baltimore über. Washington fühlte sich nicht im Stande, mit seiner Truppenmacht den Übergang der Briten über den Fluss zu verhindern. Howe war indessen nicht der Mann, einen Winterfeldzug mit Energie zu betreiben. Er kehrte nach New-York zurück indem er Cornwallis und nachher Grant den Oberbefehl in New-Jersey überliess. Bankroft erzählt uns, dass der Staat der Plünderung und der Gewaltthätigkeit preisgegeben war, und dass alle Versuche, die Hessen davon abzuhalten, aufgegeben wurden unter der Entschuldigung, dass die Gewohnheit des Plünderns das Desertieren verhindern würde. »Man machte sie glauben,« führt er nach dem offiziellen Bericht eines britischen Offiziers an, »bevor sie Hessen-Cassel verliessen, sie sollten nach Amerika kommen, um sich ihr Privat-Vermögen zu gründen, und bisher haben sie in der That nach diesem Prinzip gehandelt.« Washington, auf der andern Seite, schreibt am 5. Februar 1777: »Eine Thatsache muss ich zu Gunsten der Hessen anführen, und die ist, dass unsere Leute, die gefangen genommen worden waren, im Allgemeinen darin übereinstimmen, dass sie von diesen eine viel bessere Behandlung erfuhren, als von den britischen Offizieren und Soldaten.«
Washington war in dem Glauben, dass die Operationen schnell wieder aufgenommen werden, und die Briten auf Philadelphia marschieren würden, so bald der Delaware zugefroren sein würde. Ein Brief, der einen oder zwei Tage vor Weihnachten aufgefangen wurde, bestärkte ihn in seiner Meinung. Es wurde von [S. 66] der grössten Wichtigkeit, einen Streich zu führen, bevor der Feind sich anschicken würde, wieder vorzugehen und noch vor dem letzten Dezembertag, an dem die Dienstzeit von vielen seiner Leute ablaufen würde.
Die Art und Weise, in welcher General Grant, der britische Befehlshaber in New-Jersey, über die Truppen verfügte, war folgende: »Princetown und New-Brunswick wurden durch die englische Detachements gehalten.« Von Donop, der die hessischen Grenadiere und die 42. Hochländer kommandierte, stand in Bordentown. Rall, mit der Brigade, die für einige Zeit unter seinem Befehl gestanden hatte, 50 hessischen Jägern, 20 englischen leichten Dragonern und 6 Geschützen hatte Quartier in Trenton bezogen. Ralls Brigade war aus 3 hessischen Regimentern zusammengesetzt, welche die Namen Rall, von Knyphausen und von Lossberg trugen. Sie war von Qualität nicht wesentlich verschieden von anderen hessischen Brigaden. Das Regiment von Lossberg hatte sich besonders ausgezeichnet bei Chatterton Hill. Das Regiment Rall war aus schlechtem Material gebildet, es war eins von denen, welche in der Eile formiert wurden, um die Zahl der Soldaten voll zu machen, die der Landgraf zu stellen hatte, aber Cornwallis berichtete lange nachher einem Komitee des Hauses der Gemeinen, dass sich Ralls Brigade bei Fort Washington die Bewunderung der ganzen Armee errang.
Die Regimenter Rall und von Lossberg waren in dem nördlichen Teil von Trenton einquartiert, das Regiment von Knyphausen im südlichen, auf beiden Seiten der Brücke über den Assanpink. Auf dieser Brücke war eine Wache von 12 Mann aufgestellt. Die Soldaten lagen in den verschiedenen Häusern zerstreut, und bei gutem Wetter standen die Geschütze im Freien, von 2 oder 3 Leuten bewacht. Pickets waren auf den Strassen westlich des Nebenflusses vorgeschoben. Die Hauptwache bestand aus einem Offizier und 70 Mann. [S. 67]
Oberst Rall war ein tollkühner Offizier von der alten Schule. Man sagte, er habe darum gebeten, nach Trenton gelegt zu werden, weil er es für einen gefährlichen Posten hielt. Bei Chatterton Hill hatte er seine Sache sehr gut gemacht; er hatte mit seiner Brigade den amerikanischen rechten Flügel geworfen und das Schicksal des Tages entschieden. Er hatte einen Hauptanteil an der Erstürmung von Fort Washington genommen. Derselbe verwegene Geist, welcher in früheren Jahren ihn veranlasste mit den Russen unter Orloff als Volontär gegen die Türken zu kämpfen, leitete ihn bei jenen Gelegenheiten. Die Leichtigkeit, mit welcher er Siege erfochten hatte, seitdem er in Amerika war, hatte ihn mit einem übermütigen Vertrauen erfüllt. Die lumpigen Gesellen, welche durch New-Jersey hindurchgetrieben waren, möchten wohl eine Patrouille gefangen nehmen oder ein Picket zurückwerfen, aber sie wären, wie er dachte, ganz unfähig zu einem ernstlichen Angriff auf eine hessische Brigade. »Erdwerke!« sagte er mit einem Fluch zu Major von Dechow, der ihm riet, die Stadt zu befestigen; »lasst sie nur kommen! Wir werden sie mit dem Bajonnet empfangen;« und als derselbe Offizier ihn bat, einige Schuhe von New-York kommen zu lassen, erwiderte er, dass das Alles Unsinn sei. Er und seine Brigade wollten barfuss über das Eis nach Philadelphia laufen, und wenn der Herr Major keinen Teil an dieser Ehre haben wollte, möchte er nur wegbleiben. General Grant, der englische Oberbefehlshaber in New-Jersey, teilte Ralls Verachtung der Rebellen. Als derselbe ihm vorschlug, ein Detachement nach Maidenhead zu schicken, um die Verbindung zwischen Princetown und Trenton offen zu halten, antwortete er spöttisch, dass er die Jerseys mit einer Korporalschaft im Zaume halten wollte. Von Donop, der in Bordentown kommandierte, schickte einen Ingenieur-Hauptmann nach Trenton, um Rall zu bewegen, anzuordnen, dass der Ort verteidigungsfähig [S. 68] eingerichtet werde, aber letzterer ging nicht darauf ein. Erdwerke wären unnötig, sagte er. Die Rebellen wären Taugenichtse. Sie wären schon mehrmals unterhalb der Brücke gelandet und hätten unbelästigt davon kommen können, aber jetzt hätte er (Rall) Massregeln ergriffen. Wenn sie wiederkämen, wollte er sie nach guter Art zurückjagen. Er hoffte, Washington würde auch mit herüberkommen, dann könnte er ihn gefangen nehmen. Ralls Sorglosigkeit schien seinen Untergebenen so gefährlich, dass die Offiziere von dem Regiment Lossberg in einem Brief dem General von Heister Vorstellungen machten, aber zu spät.
Ralls Verachtung vor seinem Feind verführte ihn, die einfachsten Massregeln zu vernachlässigen. Er revidierte selten einen Posten, selten zog er einen Offizier zu Rate. Er verweigerte es, einen Platz für die Sicherheit der Baggage im Fall eines Angriffes zu bezeichnen. »Unsinn,« sagte er, als er aufgefordert wurde, dies zu thun, »die Rebellen werden uns nicht schlagen.« Doch die Leute wurden fortwährend angestrengt durch unnötigen Wachtdienst und Hinundhermarschieren. Am 22. Dezember bekamen zwei Dragoner, die mit einem Brief nach Princetown geschickt worden waren, Feuer aus einem Walde heraus. Einer von ihnen fiel, der andere ritt zurück nach Trenton und meldete den Vorfall. Darauf schickte Rall 3 Offiziere mit 800 Mann und 1 Kanone, um diesen Brief zu befördern, zur grossen Heiterkeit der Engländer. Das Detachement hatte bei schlechtem Wetter biwakieren und am nächsten Morgen zurückmarschieren müssen. Ein Sergeant und 15 Mann würden für diesen Dienst vollkommen genügt haben.
Am 24. Dezember 1776 war eine Rekognoszierungs-Abteilung in der Richtung auf Pennington vorgeschickt worden, wurde aber nach einem Marsche von einigen Meilen zurückberufen. In der Morgendämmerung des [S. 69] 25. wurde auf die Pickets nördlich der Stadt von einer kleinen Rekognoszierungs-Abteilung der Amerikaner ein Angriff gemacht. Der Feind wurde zurückgeschlagen mit einem Verlust von 6 Verwundeten auf Seite der Deutschen. Eine Patrouille von 30 Mann unter einem Fähnrich wurde eine oder zwei Meilen zur Verfolgung der zurückgehenden Amerikaner vorgeschickt, konnte sie aber nicht mehr einholen. Das Picket an dem Schnittpunkt der obern Strasse am Fluss mit der nach Pennington wurde daraufhin durch 10 Mann verstärkt unter Lieutenant Wiederhold, so dass es nunmehr aus 25 Mann im Ganzen bestand. Rall war nun der Ansicht, dass alle Gefahr vorüber war. Er war kürzlich gewarnt worden, dass ein Angriff bevorstände, und nahm als ganz bestimmt an, dass das Geplänkel, in welches die Pickets engagiert worden waren, der Angriff war, vor dem er gewarnt wurde. Leslie, der in Princetown kommandierte, hatte melden lassen, dass Washington sich vorbereitete, den Delaware zu überschreiten, aber Rall gab nicht ernstlich Acht darauf. Er befahl nur seinem eigenen Regiment, welches du jour hatte, in den Quartieren zu bleiben. Er hatte allerdings Grund sich sicher zu fühlen. Es war ihm bekannt, dass keine grosse Truppenmacht in seinem Teil von New-Jersey belassen war. Washingtons Armee lag jenseits des Delaware, eine zerlumpte, halbbewaffnete Bande von armen Teufeln, die bis vor kurzem von Staat zu Staat und von Fluss zu Fluss getrieben worden waren. Grosse Eisschollen schwammen, durch den Strom getrieben, im Delaware hin und her und machten jegliches Übergehen gefährlich. Die Nacht war stürmisch, selbst für Dezember, und bevor es Morgen wurde, fegten Schlossen und Schnee durch die Strassen. Aber drinnen war Alles fröhlich und lustig. Es war Weihnachtsabend. Die Deutschen, die in Trenton gemütlich hausten, konnten über den Sturm lachen und ruhig schlafen. [S. 70]
Weit anders wurde die Nacht von der amerikanischen Armee verbracht! Die Truppen, unter dem unmittelbaren Befehl von Washington in ihrem Lager auf der Pennsylvanischen Seite des Delaware oberhalb Trenton, zählten nur 2400 Mann, die im Stande waren, eine anstrengende Unternehmung zu machen. Diese brachen um 3 Uhr nachmittags am Weihnachtstag auf, jeder Mann hatte Verpflegung für 3 Tage und 40 Patronen. Sie führten 18 Feldgeschütze mit sich. Diese Truppenmacht erreichte die Fähre von Mac Konkey in der Abenddämmerung. Hier wurden die Boote durch Glovers Seeleute von Marblehead bemannt, und zwischen den schwimmenden Eisschollen hindurch wurde die kleine Armee über den Fluss gerudert. Ihr Zustand war so erbärmlich, dass ein Bote, der ihr gefolgt war, leicht ihre Spur verfolgen konnte »an dem Blut im Schnee von den Füssen der Leute, die zerrissene Schuhe trugen.«
Inzwischen hatte Cadwalader den Fluss bei Dunks Fähre, unterhalb Trenton, überschritten, aber das Eis hatte sich gegen des Jersey-Ufer hin gepackt, und wenngleich die Fussmannschaften hinüber konnten, so war doch für die Artillerie keine Hoffnung dafür vorhanden. Die 1800 Mann, die diesen Teil der Unternehmung ausmachten, warteten vergeblich während der Dezembernacht. Um 4 Uhr morgens beorderte Cadwalader, der sicher glaubte, dass Washington, gleichwie er selbst, wegen der Schwierigkeiten, mit der die Expedition zu kämpfen hatte, umgekehrt wäre, seine halberfrorenen Leute nach ihrem kalten Lager zurück. »Die Nacht,« schreibt Thomas Rodney »war eine so bitterkalte, wie ich sie niemals erlebt habe.« Der Fluss war so schwierig zu überschreiten und so voll von Eis, dass es 4 Uhr wurde am Morgen des 26. Dezember bis die Truppen mit der Artillerie alle hinüber und marschbereit waren. Sie hatten noch 9 Meilen zu marschieren, um Trenton zu erreichen, und der Sturm hatte sich mit furchtbarer Heftigkeit erhoben. [S. 71] Die zitternden Soldaten erklommen einen steilen Berg und stiegen auf die Strasse hinab, wo die Bäume ihnen ein wenig Schutz gegen den Nordost-Sturm geben sollten. In Birmingham wurde die Armee in zwei Kolonnen geteilt. Die rechte unter Sullivan marschierte längs des Flusses, die linke unter Washington auf der obern Strasse. Nach einer Weile meldete Sullivan durch einen seiner Adjutanten an Washington, dass das Pulver nass geworden wäre.
»Dann sagen Sie dem General,« antwortete Washington, »er solle mit dem Bajonnet angreifen und in die Stadt eindringen, denn die Stadt müsste genommen werden, und ich wäre fest entschlossen sie zu nehmen.« —
Es war ungefähr 1 Stunde nach Tagesanbruch als Lieutenant Wiederhold seine Aussenposten eingezogen hatte. Es war eine kalte Nacht gewesen mit Schnee und Schlossen. Die kleine Abteilung verbarg sich in einer Hütte, die als Wachthaus diente. Wiederhold trat zufällig an die Thüre und sah hinaus. Plötzlich waren die Amerikaner vor ihm. Er rief: »An die Gewehre!«, und es wurden Schüsse gewechselt.
»Die Aussenwachen leisteten nur geringen Widerstand,« sagt Washington, »obschon sie ihrer Zahl nach sich sehr tapfer hielten, indem sie zurückgehend fortwährend, hinter Häusern gedeckt, feuerten. Zugleich sahen wir, wie sich ihre Hauptabteilung formierte; — aber nach ihren Bewegungen zu urteilen, schien sie unentschlossen, was zu thun.«
Trommeln und Hörner erschallten in den Strassen von Trenton. Rall war noch im Bett und völlig schlaftrunken. Lieutenant Biel, der als Brigadeadjutant fungierte, scheute sich zuerst, ihn aufzuwecken, und eilte zu der Hauptwache, um einen Lieutenant und 40 Mann den Pickets als Unterstützung zu senden. Als er zum Hauptquartier zurückkehrte, lag Rall in seinem Nachthemd zum Fenster hinaus und schrie: »Was ist denn los?« Der Adjutant erwiderte ihm, ob er nicht das Feuern gehört [S. 72] habe. Rall sagte, er würde sofort unten sein, und in einem Moment war er angezogen und vor der Thüre. Eine Kompagnie von dem Regiment von Lossberg, welche Quartiere an der Strasse nach Pennington hatte, und als Avantgarde fungierte, hatte diese Strasse besetzt und empfing die fliehenden Pickets, musste sich aber sogleich in die Stadt zurückziehen. Washington drang bei King- und Queenstreet (jetzt Warren- und Greenstreet) ein, und Sullivan von der Strasse am Fluss in die Secondstreet. Einem Teil von Ralls Regiment gelang es, sofort sich zu formieren, und nach einer Weile erschien Rall selbst zu Pferde. Lieutenant Wiederhold meldete ihm, dass der Feind im Vordringen sei, und zwar nicht nur oberhalb der Stadt, sondern auch zur Rechten und Linken. Rall fragte, wie stark der Feind wäre. Wiederhold antwortete, dass er es nicht angeben könnte, aber er hätte 4 oder 5 Bataillone aus dem Walde kommen sehen und dass drei davon auf ihn gefeuert hätten, bevor er sich zurückzog. Rall rief, es sollte avanciert werden aber er schien verwirrt und nicht imstande, einen richtigen Entschluss zu fassen. Seine Truppen waren noch in Unordnung. Rall wandte sich zur Rechten in einen Garten mit Äpfelbäumen östlich der Stadt, und versuchte die Strasse nach Princeton in seine Gewalt zu bekommen. Aber er wurde durch Hands Regiment Pennsylvania zurückgeschlagen. Er beschloss darauf, sich einen Weg in die Stadt wieder zu erzwingen mit seinem und dem Regiment von Lossberg, wenigstens mit so vielen Leuten als zusammengebracht werden konnten. Dies soll er versucht haben, um seine Baggage und die Beute der vorhergehenden Wochen wegzuschaffen. Indessen wurde er durch einen Hagel von Blei aus Fenstern und Thorwegen, von hinter Bäumen und Mauern her empfangen. Die Munition der Hessen war nass von dem Schneesturm. Die Amerikaner erneuten den Angriff und die Hessen wurden weiter zurückgeworfen, als sie gekommen waren. — Rall wurde durch [S. 73] eine Kugel tötlich verwundet, und die beiden deutschen Regimenter, in die grösste Verwirrung gebracht, streckten die Waffen.
Dem Regiment Knyphausen ging es wenig besser. Als Rall den Obstgarten verliess und sich wieder gegen Trenton wendete, beschloss Major von Dechow, sich einen Weg rückwärts über die Assanpink-Brücke zu bahnen und sich nach Bordentown durchzuschlagen, wo Donops Truppenabtheilung lag. Aber es war unmöglich dies auszuführen, da Sullivan schon die Brücke besetzt hatte. Zwei Geschütze steckten tief in einer morastigen Stelle und es wurde viel Zeit verloren bei dem Versuche sie herauszuziehen. Dechow wurde verwundet. Einigen Soldaten gelang es, den Strom zu durchwaten, aber die bei weitem grössere Zahl wurde umringt und an Lord Stirling übergeben, mit Ausnahme der Privatbaggage und der Säbel der Offiziere. Die, welche entkamen, nahmen ihren Weg nach Princeton. Auch die Jäger und englischen Dragoner entkamen und erreichten Bordentown. Lieutenant Grothausen von den Jägern wurde angeschuldigt, zu früh zurückgegangen zu sein. Er war mit 50 Mann an der untern Flussstrasse postirt gewesen und zog sich bei der Annäherung von Sullivan vor diesem über die Assanpink-Brücke zurück. Nach Bankroft betrug die Gesamtzahl derer, die auf diese Weise durchkamen, 162. Washington giebt in seinem ersten Bericht an den Kongress die Zahl derer, welche sich ergaben, auf 23 Offiziere und 886 Mann an. Einige, die nachher in Trenton gefunden wurden, erhöhten die Zahl auf 1000.
Die Nachricht von dem Siege der Amerikaner wurde in New-York mit Kummer und Entrüstung aufgenommen.
Der alte Heister, der bei Sir William Howe nicht mehr in Gunst stand, mag darin ein Vorzeichen seiner Abberufung gesehen haben. Er berichtete am 5. Januar an Schlieffen, den Minister des Landgrafen, das Vorgefallene. Seinem Märchen zufolge, das er berichtete, war Ralls [S. 74] Brigade von 10 000 Mann überrascht worden und das Desaster durch die Tollkühnheit des Obersten verursacht worden, indem er gegen die Übermacht vorgegangen wäre, anstatt sich sofort über den Assanpink zurückzuziehen. Heister giebt den Verlust von 15 Fahnen zu.
Der Landgraf von Hessen-Kassel war sehr ergrimmt. Er war der Ansicht, dass solch ein Vorfall unmöglich gewesen wäre, wenn nicht alle Disziplin gelockert wäre. Er befahl, dass eine Untersuchung eingeleitet werden sollte, sobald die Offiziere, die als Gefangene in amerikanische Hände gefallen seien, ausgewechselt sein würden, und drohte, dass die, welche wegen schlechten Verhaltens für schuldig erachtet würden, zur strengsten Verantwortung gezogen werden sollten. Auch erklärte er, den Regimentern, welche ihre Fahnen verloren hätten, solche nicht eher wieder zu verleihen, als bis sie eine gleiche Anzahl vom Feinde genommen hätten. Er schrieb an Knyphausen, er hoffe, dass Alle, ebenso wie er, mit grossem Kummer und mit Scham erfüllt seien, dass es notwendig wäre, diese Scharte wieder auszuwetzen und dass Knyphausen nicht ruhen dürfte, bis seine Truppen die Erinnerung an diese unglückliche Affaire durch eine grosse Zahl von ausserordentlichen Thaten verwischt hätten. Der Landgraf kannte sich nicht in seinem Zorne. Der eigentliche Sünder gegen die militärischen Regeln starb in Oberst Rall. Es war die Ansicht von Soldaten jener Zeit und ist die Meinung von denen die die Angelegenheit seitdem studiert haben, dass die Niederlage und Gefangennahme der hessischen Brigade in Trenton durch einfache militärische Vorsichtsmassregeln von Seiten ihres Führers hätte verhindert werden können. Cornwallis sagte später einem Komitee des Hauses der Gemeinen, dass nach Donops Meinung Rall hätte aushalten können bis Donop zu seiner Unterstützung von Bordentown herangekommen wäre, wenn er die Befehle Sir William Howes befolgt und Redouten gebaut hätte. Rall war mehr [S. 75] fach von seinen untergebenen Offizieren gedrängt worden dies zu thun. Dass die unter seinem Kommando Befindlichen zur Lockerung der Disziplin beitrugen, wozu sie durch das Beispiel ihres Führers notwendigerweise verführt wurden, war natürlich. Alle fochten tapfer, viele wurden verwundet, doch war der Verlust an Gemeinen nur gering. Dass ein früherer Rückzug den Hessen ermöglicht hätte zu entkommen, ist richtig. Aber man sollte Soldaten nicht ernstlich dafür tadeln, dass sie ihr Terrain festhalten, wenn sie überfallen werden, auch ist Ralls Fehler, wenn es einer war, zu versuchen, sich seinen Weg eher in der Richtung auf Princeton als auf Bordentown zu bahnen, nicht auf die Rechnung seiner Untergebenen zu schreiben.
A. | Trenton. |
B. | Picket von 1 Offizier und 24 Mann (Wiederhold). |
C. | Hauptmann Altenbocums Kompagnie vom Regiment von Lossberg, welches in der Nachbarschaft einquartiert war und sich vor dem Quartier des Hauptmanns formierte, während das Picket den Feind beschäftigte. |
D. | Picket von 1 Hauptmann, 1 Offizier und 75 Mann. |
E. | 1 Offizier und 50 Jäger, die sich sofort über die Brücke zurückzogen (Grothausen). |
F. | Detachement von 1 Offizier und 30 Mann, die sich mit Donops Korps vereinigten. |
G. | Platz, wo die Regimenter nach Verlassen der Stadt Halt machten, und wo Oberst Rall den Versuch machte mit seinem und dem Regiment von Lossberg einen Angriff auf die Stadt zu unternehmen, der abgeschlagen wurde. |
I. | Platz, wo er mit den Regimentern gefangen genommen wurde. |
K. | Platz, wo das Regiment von Knyphausen, das die Flanke hatte decken sollen, sich ebenfalls übergeben musste, nachdem es versucht die Brücke zu erreichen. Die Geschütze vom Regiment von Lossberg waren bei dem Regiment von Knyphausen und unglücklicherweise im Sumpf stecken geblieben, und bei dem Versuch sie herauszuziehen war der Moment, die Brücke zu gewinnen, verpasst worden, infolge dessen der Feind sie stark besetzte. |
L. | Geschütze vom Regiment Lossberg. |
M. | Geschütze vom Regiment Knyphausen, die während der Affaire nicht beim Regiment waren. |
N. | Geschütze vom Regiment Rall, gleich zu Anfang demontiert. |
O. | Angriff des Feindes vom Wald aus. |
P. | Vorgehen und Umzingeln der Stadt durch den Feind. |
Q. | 2 Bataillone des Feindes verfolgen das Regiment Knyphausen. |
R. | Letzte Bewegung und Angriff auf das Regiment Knyphausen. |
S. | Geschütze der Rebellen. |
T. | Platz, wo General Washington sich postiert hatte und von dem aus er seine Befehle gab. |
Die Wichtigkeit von Trenton für die Amerikaner darf nicht nur nach dem numerischen Ausweis an Toten, Verwundeten und Gefangenen berechnet werden. Es war ein neuer Beweis für die unerfahrenen und hülflosen Kolonisten, dass sie sich einigermassen zu Soldaten eigneten und dass ihre Sache nicht hoffnungslos war. Nach einer langen Reihe von Missgeschick und fortwährendem Zurückweichen feuerte sie dies mit neuem Mute an. Bunker Hill hatte die Amerikaner belehrt, dass sie den britischen Regulären widerstehen könnten. Trenton bewies ihnen in einer Stunde der Verzweiflung, dass die gefürchteten Hessen überwunden werden könnten.
Die hessischen Offiziere und Soldaten, welche in Trenton gefangen genommen waren, mussten am 26. Dezember 1776 denselben kalten und mit Schnee bedeckten Weg, auf welchem die Amerikaner zum Angriff vorgegangen waren, zurücklegen. Wir können sie uns in ihren [S. 76] Uniformen zitternd vor Frost vorstellen, während ihre zerlumpten und barfüssigen Bezwinger fröhlich neben ihnen her marschierten und in der Siegesglut den eisigen Wind vergassen. Wieder wurde der Delaware durch die schwimmenden Eisstücke hindurch überschritten, und man kann überzeugt sein, dass es nicht die zerlumpten Amerikaner waren, deren Zähne klapperten; aber eine Reaktion trat ein nach so viel Mühsal und Aufregung; am nächsten Morgen war die Hälfte der siegreichen Armee erschöpft und dienstuntauglich. 40 Stunden waren die Amerikaner ununterbrochen unter den Waffen gewesen und hatten marschiert und gefochten in Schnee und Eis eines Dezembersturmes, so dass nun die Natur Ruhe und Unterkunft für einige Tage forderte. Nur Washington war unermüdlich, und obschon die Dienstzeit eines grossen Teiles seiner Armee im Ablaufen begriffen war, schickte sich der grosse Feldherr an, aus dem errungenen Erfolg Vorteil zu ziehen.
Die hessischen Offiziere wurden mit grosser Höflichkeit von den Führern der Amerikaner behandelt. Washington drückte sein Mitgefühl mit ihnen unmittelbar nach ihrer Übergabe aus. Stirling, der erst vor kurzem nach seiner Gefangennahme auf Long-Island ausgewechselt war, erzählte den Offizieren, die ihn besuchten, dass Heister ihn wie einen Bruder behandelt habe, und dass er sie ebenso behandeln wollte. Er begleitete sie bei ihrem Besuch bei General Washington und lud einige von ihnen zum Diner ein. Washington erwies dieselbe Höflichkeit einigen von den anderen. Einer von seinen Gästen hat in seinem Tagebuch einen Vermerk über den Eindruck hinterlassen, den der berühmteste unter den Amerikanern auf ihn gemacht hat: »Diesem General sieht man in seinem Gesicht nicht die Grösse an, welche ihm im allgemeinen beigemessen wird. Seine Augen haben kein Feuer, aber die freundliche Art seines Ausdrucks, wenn er spricht, flösst Zuneigung und Hochachtung ein.« [S. 77]
Wiederhold schreibt: »Am 28. dinierte ich, wie gesagt, ebenso wie mehrere andere Offiziere, mit General Washington. Er that mir die Ehre an, sich viel mit mir über die unglückliche Affaire zu unterhalten, und da ich ihm frei heraus die Ansicht äusserte, dass unsere Massregeln schlecht gewesen wären, andernfalls wir nicht in seine Hände gefallen wären, fragte er mich, ob ich bessere Massregeln getroffen hätte und in welcher Weise. Darauf sagte ich Ja; erwähnte alle Fehler, welche begangen worden waren, und zeigte, was ich gethan haben und wie ich mit Ehren aus der Verlegenheit gekommen sein würde. Er billigte dies nicht nur, sondern sagte mir auch einiges Schmeichelhafte darüber, sowie auch über meine Wachsamkeit und den Widerstand, den ich mit meinen wenigen Leuten in der Postenlinie am Morgen des Angriffes gemacht hätte. General Washington ist ein zuvorkommender und eleganter Mann, aber scheint sehr polite und reserviert zu sein, spricht wenig und hat eine schlaue Physiognomie. Er ist nicht sehr gross, aber auch nicht klein, sondern von Mittelgrösse, und hat eine gute Figur.« Es ist interessant, sich diese Szene vorzustellen — das Wohnzimmer im Farmhaus, das Feuer aus dickem Scheitholz, die triefenden Lichter, die Bowle mit rauchendem Punsch und General Washington die Kriegskunst erörternd mit seinem Gefangenen, der, obwohl nur ein Lieutenant, ausländischen Kriegsdienst kennen gelernt hat und wohl wert ist, angehört zu werden.
Die Gefangenen wurden binnen Kurzem nach Pennsylvanien und Virginien befördert. Überall strömte das Volk zusammen, um sie zu sehen, und wenn den fremden Eindringlingen in ihrem Unglück manchmal mit Flüchen und Verwünschungen begegnet wurde, so dürfen wir diejenigen nicht zu scharf beurteilen, deren Söhne und Brüder von den Hülfstruppen umgebracht werden sollten.
Wir werden beinahe finden, dass die Wage sich zu Gunsten der Amerikaner neigt, welche bei vielen Gelegen [S. 78] heiten ihren Feinden mit Vergebung und Freundlichkeit begegneten. Die Begleitmannschaft der Gefangenen that beständig ihre Pflicht und gelang es ihr, diese vor allem Schlimmeren als Beschimpfungen zu bewahren. Die hessischen Offiziere und Leute wurden von einander getrennt, und es ist nicht uninteressant, ihren Wanderungen bis ins Einzelne zu folgen. Die Offiziere waren in Philadelphia und statteten General Israel Putnam am Neujahrstag einen Besuch ab. »Er schüttelte jedem von uns die Hand,« sagt einer in seinem Tagebuch, »und wir mussten Alle ein Glas Madeira mit ihm trinken. Dieser alte Graubart mag ein guter, ehrlicher Mann sein, aber niemand anders als die Rebellen würden ihn zum General gemacht haben.«
Die Offiziere wurden, nachdem sie in Dumfries und im Thal von Virginia einquartiert waren und viele kleine Beschwerden zu ertragen gehabt hatten, im Dezember 1777 nach Fredericksburg gebracht, wo sie mit grosser Gastfreundschaft und Güte behandelt wurden. Wiederhold wird förmlich pathetisch bei dem Gedanken, von seinen dortigen Freunden Abschied zu nehmen. Die Gefangenen hatten in grosser Gunst bei den Damen der Nachbarschaft gestanden, welche, wie der Lieutenant sagt, »schön, zuvorkommend, gütig, bescheiden und vor Allem sehr natürlich und ungezwungen waren.«
16 Damen »ersten Ranges« verabredeten sich nebst einigen Herren, den Kapitän in seinem Quartier zu überraschen, wovon er vorher heimlich unterrichtet worden war. Er erzählt uns, dass sie kamen und nur eine Stunde zu bleiben beabsichtigen, doch schliesslich von 1/2-4 bis 10 Uhr abends blieben. General Washingtons Bruder, Schwester und Nichte waren darunter. Die deutschen Offiziere regalierten ihre Gäste mit Thee, Kaffee, Chokolade, Claret-Wein und Kuchen, und unterhielten sie mit Instrumental- und Vokal-Musik, an welcher sich die Damen manchmal beteiligten. »In Europa würden [S. 79] wir keinen grossen Beifall geerntet haben, aber hier galten wir für Meister. Sobbe spielte die Flöte, Doktor Oliva die Violine und ich die Guitarre. Wir wurden so mit Beifall überschüttet, dass wir ganz beschämt waren. Ihre Freundschaft für uns war zu gross. Einige von den amerikanischen jungen Herren wurden eifersüchtig.«
Alle diese Freundlichkeit machte Eindruck auf die Gefangenen. In Dumfries 9 Monate vorher, hatte Wiederhold in sein Tagebuch niedergeschrieben, dass er lieber ein kleines Gut in Hessen besitzen wolle, als die grösste Besitzung in Virginia und dass Amerika für solche Leute gut wäre, welche zu Hause dem Galgen entronnen wären. Nun ist er aber beim Verlassen von Fredericksburg ganz traurig, obschon es galt, zur Armee nach Philadelphia zurückzukehren. Indessen hatte er persönliche Gründe hierfür. »Es war sicherlich eine grosse Sache, sich so grosser Freundschaft, ja, ich möchte sagen, Liebe zu erfreuen von Leuten, deren Feinde wir waren und gegen die wir bald wieder als Feinde auftreten mussten.
Sagte doch eine Schöne zu mir, welche mir so innig zugethan war: »Wollte Gott, Sie könnten hier bleiben und dass ich niemals so unglücklich sein müsste von ihnen zu scheiden, so wie ich es morgen thun muss und vielleicht für immer. Aber gehen Sie, wo Ehre und Pflicht Sie hinruft und bleiben Sie glücklich!« Dies war Seelengrösse, wie sie nicht allen Rebellen innewohnt, denn sie war eine gute Amerikanerin in ihren Gesinnungen, schön und reich.« Kein Wunder, dass der Lieutenant die Meilen zählte, als er von Fredericksburg abmarschierte.
Die Soldaten erreichten Philadelphia einige Tage später als die Offiziere. Über ihren Empfang durch die Volksmenge schreibt ein Korporal in seinem Tagebuch: »Gross und Klein, Alt und Jung, standen da um zu sehen, was für eine Sorte Sterblicher wir wären. Als wir gerade vor sie kamen, sahen sie uns scharf an. Die alten Weiber schrien schrecklich und wollten uns [S. 80] erwürgen, weil wir nach Amerika gekommen wären, um ihnen die Freiheit zu rauben. Einige Andere brachten uns trotz allen Schimpfens Schnaps und Brod, um es uns zu geben, aber die alten Weiber wollten es nicht erlauben, und uns obendrein noch erwürgen. Unsere amerikanische Begleitmannschaft hatte von Washington Befehl erhalten uns in der Stadt überall herumzuführen, damit Jedermann uns sehen sollte; aber das Volk drängte sich in uns hinein mit grosser Wut und überwältigte beinahe die Begleitmannschaft, so dass, als wir uns den Baracken näherten, unser kommandierender Offizier sagte: »Liebe Hessen, wir wollen in diese Baracken marschieren.« Wir thaten es, und das ganze amerikanische Detachement musste dem wütenden Volke Einhalt thun. Warum der amerikanische Offizier seine Gefangenen in so liebevoller Weise anredete, scheint nicht klar, aber ein grosser Grad von Vertraulichkeit scheint sich zwischen ihnen ausgebildet zu haben. Eelking erzählt eine Geschichte, die aber, cum grano salis, aufgenommen werden muss, dass, als der Transport im Herbst 1777 von Lancaster nach Winchester geführt wurde, und an die Grenze von Virginia kam, die pennsylvanische Eskorte sich weigerte, weiter zu marschieren und nicht den Fuss auf den geheiligten Boden setzen wollte. In der That zerstreuten sie sich, und alle gingen nach Hause. Die Eskorte, die von Winchester hatte kommen sollen, um sie zu treffen, war nicht angekommen. Der Kapitän, der das Kommando über die Pennsylvanier gehabt hatte, war ein Mann von grosser Geistesgegenwart und Menschenkenntniss. Er sagte zu den Hessen, deren Zuneigung er durch seine Menschlichkeit gewonnen hatte, dass sie ohne Eskorte weiter marschieren müssten, da er selbst nach Winchester vorauseilen müsste. Er vertraute den Gefangenen und versprach ihnen gute Behandlung bei ihrer Ankunft. Darauf verliess er sie. Die Gefangenen, wenn man sie überhaupt so nennen kann, denen Niemand wehrte, marschierten weiter in guter Ordnung. [S. 81] Am dritten Tage kam der alte Kapitän mit einer virginischen Eskorte zurück und fand alle Hessen durch Namensaufruf zur Stelle, nur einige gewissenlose Engländer waren verschwunden. Die Deutschen wurden darauf alle mit Branntwein traktiert, während die englischen Gefangenen ihren Marsch ohne diese Erfrischung wieder aufnehmen mussten. Die Hessen erhielten fortan viele Vergünstigungen.
Washington soll die Stimmung im Volke dadurch beruhigt haben, dass er bekannt gab, die Hessen seien gegen ihren Willen nach Amerika gekommen. Das Loos der Gefangenen scheint nicht übermässig hart gewesen zu sein. Viele der gemeinen Soldaten vermieteten sich als Knechte auf die Farmen und erhielten Verpflegung und Lohn.
So viele als von Washingtons kleiner Armee dienstfähig blieben, überschritten in den letzten drei Tagen des Dezember den Delaware wieder und wurden schleunigst unter Cadwaladers und Mifflins Kommando vereinigt. Dadurch wurde ihre Zahl auf ungefähr 5000 gebracht, von denen 3/5 des Militärdienstes unkundig waren. Gegen diese kleine Truppenmacht ging Cornwallis mit einer grösseren Zahl von britischen und hessischen Veteranen vor. Er kam mit seiner ganzen Streitmacht von Princeton über Maidenhead, trotz Donops Rat, in zwei Kolonnen auf beiden Seiten des Assanpink zu marschieren. Am 2. Januar 1777 fand ein Geplänkel statt, bei dem Lieutenant von Grothausen von den Jägern, welcher von Trenton 7 Tage vorher entkommen war, ohne seine volle Schuldigkeit gethan zu haben, wie behauptet wurde, fiel. Eelking erzählt, dass er von einigen Scharfschützen erschossen wurde, welche ihn unter dem Vorwande sich zu ergeben, anlockten.
Am Nachmittag des 2. Januar standen sich die englische und amerikanische Armee auf beiden Seiten des [S. 82] Assanpink-Flusses gegenüber. Vergeblich drängten unsere Offiziere Cornwallis, sofort anzugreifen. Die Sonne war im Untergehen, die Brücke war erfolgreich verteidigt worden, die englische Armee musste den Strom durchwaten, um an den Feind heranzukommen, und der Ausgang schien zweifelhaft. Der britische General entschloss sich, den Angriff auf den folgenden Tag zu verschieben. Washington wagte nicht, das Schicksal Amerikas auf die Widerstandsfähigkeit seiner undisziplinierten Milizen hin zu riskieren. Die Nacht war kalt und die Strassen in gutem Zustand für das Passieren der Artillerie. Es wurde Holz auf die amerikanischen Wachtfeuer gelegt und eine Wache zurückgelassen, um es zu unterhalten. Inzwischen marschierte die amerikanische Armee durch die helle Januarnacht ab, umging Lord Cornwallis linke Flanke und griff um 9 Uhr morgens 3 englische Regimenter zu Fuss und 3 Kompagnien zu Pferde bei Princeton an. Die Amerikaner warfen sie, töteten und verwundeten ungefähr 200 Mann und machten 230 Gefangene, unter denen 14 britische Offiziere waren. Der amerikanische Verlust an Leuten war gering, aber schwer an Offizieren infolge eines Unfalles bei Beginn der Affaire. Dieser Sieg bei Princeton war das letzte Ereignis des Feldzugs, welches den Namen einer Schlacht verdient. Die Briten verliessen den grössten Theil von New-Jersey und blieben nur in New-Brunswick, Amboy und Paulus Hook. Aber die Vorposten der beiden Armeen unterhielten ein Geplänkel den ganzen Winter hindurch. So wurde am 5. Januar 1777 eine Abteilung von 50 Waldeckern von einer an Zahl nicht stärkern Abteilung Milizen angegriffen, welche 8 oder 10 töteten und die Übrigen, einschliesslich 2 Offizieren, zu Gefangenen machten.
In dieser scharmützelnden Art der Kriegführung nahmen, so weit es die Hessen betraf, die Jäger oder Chasseurs, wie sie die Engländer und Amerikaner nannten, den Hauptanteil. Sie waren gelernte Schützen und re [S. 83] krutierten sich aus den Jägern und Forstleuten von Deutschland. Eine Kompagnie derselben war mit von Heister im August 1776 nach Amerika gekommen, eine zweite unter Kapitän Ewald mit von Knyphausen im Oktober. Sie hatten sich als so nützlich erwiesen, dass ihre Zahl durch einen speziellen Vertrag mit dem Landgraf während des Winters 1777 auf 1067 Mann erhöht wurde, in 5 Kompagnien formiert, von denen eine zu Pferde war. Andere Kompagnien wurden von Hanau und Anspach besorgt. Nach dem Sommer 1777 war das Korps unter dem Befehl von Oberstlieutenant von Wurmb, aber die Kompagnien oder detachierten Teile fochten im Allgemeinen getrennt. Es gab wenige Operationen von einiger Wichtigkeit, an welchen die Jäger nicht Teil nahmen. Wir glauben gern, dass sie manche kühne und glückliche Streiche ausführten, müssen aber die Achseln zucken, wenn wir belehrt werden, dass die amerikanischen Milizen breitgeränderte Hüte trugen, welche sie über die Augen herunter gezogen haben sollen, um sie gegen Wind und Schnee zu schützen, so dass die Jäger imstande waren, sich bei hellem Tage an sie heranzuschleichen und sie niederzumachen oder zu entwaffnen, bevor sie eine Ahnung davon hatten. Diese Yankees sind gewöhnlich so sehr schläfrige Kerls (Eelkings »Hülfstruppen« I. S. 182).
Ewald erzählt uns, dass zu Anfang des Jahres 1777 Lord Cornwallis sich entschloss Boundbrook in New-Jersey, welches von 1000 Amerikanern unter Oberst Butler gehalten wurde, zu überraschen. Der Angriff sollte in 3 Kolonnen ausgeführt werden. Die erste unter General Mattheus sollte einen Scheinangriff auf die Front der amerikanischen Werke machen. Die zweite unter Cornwallis sollte über Somerset nach links Butlers Stellung umgehen und sie im Rücken fassen. Die dritte sollte rechts über Greenbrook marschierend, dem Feinde den Rückzug nach Morristown abschneiden. Ewald kommandierte die Avantgarde der 1. Division. Die Strasse von [S. 84] Raritan Landing nach Boundbrook, welche in einer Länge von 2-1/2 Meilen an der linken Seite des Raritan River entlang führt, endigt in einen Damm über einen Morast. Durch diesen floss ein Bach, über welchen eine steinerne Brücke führte. Um die Brücke und den Damm zu beherrschen, hatten die Amerikaner eine Brücke gebaut.
Die Division brach ungefähr um 2 Uhr morgens auf. Halbwegs Boundbrook glaubte Ewald, der wie gewöhnlich an der Spitze war, er sähe etwas sich bewegen. In der Hoffnung, eine feindliche Patrouille zu überraschen, schickte er einen Mann mit dem Befehl zurück, dass der Rest seiner Leute leise nachkommen sollte. Er wurde indessen entdeckt und angerufen. Indem er seine Leute mit leiser Stimme heranrief, avancierte er bis dicht an den Feind heran, der sich als ungefähr 30 Mann stark herausstellte. Diese gaben eine Salve ab und verschwanden, Ewald hinter ihnen her. Entgegen den Befehlen gaben die Jäger auch einige Schüsse ab. Es würde besser gewesen sein, sagt Ewald, ihnen langsam zu folgen, da sie die Jäger für eine gewöhnliche Patrouille gehalten haben mochten, eine ebensolche, wie man auf dieser Strasse beinahe jede Nacht begegnete. Ewald hoffte indessen, über den Damm und in die Redoute gleichzeitig mit den Amerikanern zu gelangen, aber die Entfernung war zu gross und der Tag brach an. Er war seiner Nase nachgegangen und hatte vergessen, hinter sich zu sehen, bis er ungefähr 100 Schritt von der Redoute entfernt, sich einem heftigen Feuer ausgesetzt sah, durch welches einige seiner Freiwilligen verwundet wurden. Dann sah er sich um und bemerkte, dass seine ganze Truppe aus 1 Lieutenant und 7 Mann bestand. Mit diesen warf er sich auf die Brücke, die kaum 40 Schritt von der Redoute entfernt war und deckte sich hinter die steinerne Brustwehr. Er hoffte, dass mehr von seiner Abteilung zur Unterstützung kommen würden, aber es stellte sich heraus, dass General Mattheus der Kolonne befohlen hatte zu halten, da er [S. 85] nicht unnötig Menschenleben opfern wollte. Ewalds 7 Schützen unterhielten das Feuer auf die Schiessscharten der Redoute und ihr Feuer wurde lebhaft beantwortet, aber es wurde Niemand auf beiden Seiten getroffen. Nach kaum 1/4 Stunde hatten sie das Vergnügen, heftiges Feuer jenseits der Redoute zu hören, welche von Cornwallis im Rücken angegriffen war. Die Besatzung verliess das Werk, und Ewald mit seinem Lieutenant und 7 Mann ging vor um Besitz davon zu ergreifen, und nahm obendrein 12 Mann gefangen. »Aber«, sagt Ewald, »es war mein Fehler, dass Lord Cornwallis nur 150 Gefangene und 2 Kanonen machte anstatt 1000 Mann. Denn der Feind war durch das Feuer der Redoute geweckt und bekam Zeit, mit General Lincoln zusammen zu entkommen.«
Hier möge noch eine andere Anekdote von Ewald folgen, die diese Campagne betrifft: »Als wir zu Anfang des Jahres 1777 während des amerikanischen Krieges in New-Brunswick in Jersey lagen, hatte ich den Befehl über das äusserste Ende der Piquetlinie bei Raritan Landing an der Strasse nach Boundbrook. Dieser Posten konnte nur durch grosse Wachsamkeit und den guten Willen und die Liebe der Jäger zu mir gehalten werden. Wir schlugen uns täglich mit den Amerikanern herum, denn wir waren nur eine Meile von einander entfernt. Eines Morgens um das Frühjahr herum, krochen die Amerikaner unter dem Schutze eines dicken Nebels so nahe an einen meiner Posten heran, dass sie eins meiner Piquets in demselben Moment erreichte, wie eine Patrouille, die ich vorgeschickt hatte, und die geworfen wurde. Sie stürzten auf mich los so schnell sie innerhalb 200 Schritt von mir konnten. Glücklicherweise war ein tiefeingeschnittener Weg zwischen uns, in welchen ich mich mit 16 Jägern hineinwarf, indem ich Lieutenant Hinrichs zurief, meine rechte Flanke mit dem Rest der Leute zu decken, bis Kapitän von Wreden mit seiner Kompagnie heraufkäme. Gerade als ich den einge [S. 86] schnittenen Weg erreichte, erhielt ich heftiges Feuer von einem Regiment leichter Infanterie unter Oberst Buttler, woraufhin meine Leute, welche sonst brave Burschen waren, den Kopf verloren und wegliefen. Erstaunt, wie man wohl glauben mag, rief ich hinter ihnen her: »Ihr mögt zum Teufel rennen, aber ich bleibe hier allein stehen.« In diesem Moment bemerkte ich, dass ein Mann, Jäger Bauer, bei mir stehen geblieben war. Er antwortete: »Nein, Sie sollen nicht allein bleiben,« und er rief den Jägern, welche sich fort machten, nach: »Jungens, halt, ein Schuft, der wegläuft!« Nachdem er diese Worte einigemal nachgerufen hatte, kamen sie alle zurück und kämpften als brave Burschen. Die Amerikaner, welche fortwährend ein ununterbrochenes Feuer unterhalten hatten, waren die schreckliche Verlegenheit, in der ich gewesen war, nicht gewahr geworden. Kapitän Wreden und die leichte Infanterie von der englischen Garde unter Oberst Osborne kam zu unserer Unterstützung, und die Amerikaner wurden mit grossem Verlust zurückgeworfen und beinahe bis nach Boundbrook getrieben.« Jäger Bauer, der bei dieser Gelegenheit bei Ewald stand, war ein unbedeutend aussehender Bursche aus dem Anspacher Distrikt. Ewald hatte sich erst geweigert, ihn in seine Kompagnie einzustellen wegen seines Äussern, doch hatte er sich durch die Vorzüglichkeit seines Schiessens bewegen lassen ihn einzureihen. Kurz nach der oben erwähnten Affaire gab Bauer einen andern Beweis seiner Verwegenheit. Am Morgen des 25. Mai fiel Ewald mit einer Abteilung von 11 Jägern und 30 Dragonern in einen Hinterhalt in der Nähe von Boundbrook. Sie wurden umzingelt und waren in Gefahr gefangen genommen zu werden, und gerade in diesem Moment stürzte Ewalds Pferd und der Kapitän lag auf dem Wege. Als die Jäger, die eine kleine Strecke entfernt waren, das Pferd ihres Kapitäns reiterlos auf sie loskommen sahen, erschien Bauer mit zwei Andern plötzlich, um den ver [S. 87] letzten Offizier in Sicherheit zu bringen. Sie trugen ihn mitten im Kugelregen zurück, und als sie ihn an einen sicheren Ort gebracht hatten, bemerkte Bauer, dass Ewalds Hut fehlte. »Wir müssen ihn wiederkriegen, sagte er, »oder sie werden morgen den Hut unseres Hauptmanns im Triumph nach Boundbrook hineintragen.« Sie liefen wieder zurück und brachten wirklich den Hut trotz aller Kugeln zurück.
Ewald versichert, dass Oberst Reed vor dem Überfall von Trenton Donop zweimal besuchte, unter dem Vorwand, Gefangene auszuwechseln, aber in Wirklichkeit um zu rekognoszieren. Er erzählt darüber die folgende Geschichte:
»In derselben Weise kamen die beiden Obersten Hamilton und Schmidt mit einem Trompeter an den Posten, welchen ich bei New-Brunswick in Jersey im Anfang der Campagne von 1777 festhielt, nachdem General Howe von New-Brunswick nach Milztown vorgegangen und wieder zurückmarschiert war. Sie hatten unwichtige Briefe an General Grant von zwei englischen Offizieren seiner Brigade, welche am Tage vorher durch ihre eigene Schuld gefangen genommen worden waren, indem sie zum Vergnügen umhergeritten waren. Ich gab diesen beiden Herren, welche sehr elegante und höfliche Leute waren, zu verstehen, dass ich ihre Absicht wohl gemerkt hätte, und gab ihnen den wohlgemeinten Rat, sich so schnell als möglich fortzumachen und mich so bald nicht wieder zu besuchen. Hierüber schienen sie sehr erstaunt zu sein, befolgten aber meinen Rat mit grosser Eile. Ich würde sie sicherlich zur Verhaftung nach dem Hauptquartier mit verbundenen Augen geschickt haben, wenn ich nicht gewusst hätte, dass das Volk über eine so weise Massregel gegen Amerikaner gelacht haben würde. Das Beste wäre, wenn solche Herren zu unpassender Zeit mit Botschaften kommen, sie wenigstens für einen halben Feldzug mit sich zu nehmen.« [S. 88]
Ich glaube nicht im mindesten, dass Hamilton zu den britischen Vorposten mit der Absicht gegangen war, die ihm hier unterstellt wird, und ich glaube sicher, es geschah, wenn er es that, ohne Mitwissen von Washington. Indessen hat man keinen Grund zu bezweifeln, dass ihm Ewald argwöhnte und ihn in der beschriebenen Weise entliess.
Es wurden nun im Winter von 1776 auf 77 Unterhandlungen eingeleitet, infolge deren Generallieutenant von Heister abberufen wurde von dem Kommando über die hessischen Truppen und Generallieutenant von Knyphausen ihm folgte. Lord Suffolk hatte auf die Rückberufung gedrungen aus dem Grunde, weil Sir William Howe nicht zufrieden war mit Heister. Inwieweit Sir Williams Abneigung gegen ihn an rein persönlichen Gründen gelegen hat, oder in wieweit der Argwohn gerechtfertigt sein mag, dass Heister zu sehr »auf die Erhaltung der unter seinem Befehl stehenden Truppen« bedacht war, ist jetzt vielleicht nicht mehr möglich zu entscheiden. Aber wir wissen, dass Howe bereits vor der Affaire von Trenton mit Heister unzufrieden war, zu einer Zeit, als die englischen Verluste entschieden schwerer gewesen waren als die hessischen. Heister hatte durch den Vertrag zwischen dem König von England und dem Landgraf das Recht des unmittelbaren Befehls über ungefähr die Hälfte von Sir William Howes Armee. Die Abmachungen in dem Vertrage waren unbestimmt genug, um zu vielen Streitfragen Anlass zu geben. Heister soll widerspenstig gewesen sein. Jedenfalls kam er mit seinem Oberbefehlshaber nicht gut aus. Dies dürfte ein genügender Grund gewesen sein, um ihn abzuberufen.
Die englische Regierung zog es vor, nicht offen mit dieser Sache hervorzutreten, sondern die Rückberufung wurde durch den Landgraf veranlasst auf Grund von Heisters Gesundheit und Alter und nur »für eine gewisse Zeit«. Es war aber wohl begreiflich, dass der alte General in Ungnade von dannen ging. Der Landgraf schreibt an [S. 89] Knyphausen: »Nichts als die vollkommene Vernachlässigung aller Ordnung und Disziplin kann diese Schande (von Trenton) über uns gebracht haben. Ich halte es für sehr nötig, über die Sache mit Generallieutenant von Heister zu sprechen, und seine Gesundheit ist obendrein für das Klima dort drüben nicht stark genug. Ich schreibe ihm deshalb, hierher zu kommen für eine gewisse Zeit und übertrage das Kommando ad interim über meine Truppen in Amerika auf Sie.« Heister verstand vollkommen, dass er in Ungnade gefallen war und starb zwei Monate, nachdem er Cassel erreicht hatte, aus Kummer und Sorge.
Im Anfang des Frühjahrs 1777 beliefen sich die wirklichen Besitzungen des Königs von England auf amerikanischem Boden auf folgende: Im Staate New-York: die Insel im Hafen und etwa ein kleines Stück von West Chester County bei Kings Bridge. In New-Jersey: Amboy, New-Brunswick und Paulus Hook. In Rhode Island die eigentliche Insel. Aber die Wichtigkeit dieser Posten war ausser allem Verhältnis zu ihrer Ausdehnung. Sir William Howe kommandierte eine nach modernen Begriffen allerdings kleine Armee, die aber gross genug war um die von Washington an Zahl zu übertreffen, und die aus disziplinierten Truppen, darunter viele Veteranen, gebildet war, während die amerikanische Armee eine veränderliche, hauptsächlich aus Milizen bestehende Masse war. Der Kongress hatte an einem der letzten Tage des Jahres 1776 bestimmt, dass Washington bevollmächtigt sei, auszuheben, zu organisieren und mit Offizieren zu versehen: 16 Bataillone Infanterie, 3000 Mann leichte Kavallerie, 3 Regimenter Artillerie und ein Korps von Ingenieuren. Aber diese Truppen, die erste Armee der vereinigten Staaten, als solche, zusammen mit den 88 Bataillonen, welche gleichzeitig von den einzelnen Staaten aufgestellt werden sollten, existierten bis jetzt hauptsächlich auf dem Papier. Am 14. März 1777 [S. 90] schreibt Washington an den Kongress: »Nach der genauesten Schätzung, welche ich machen kann, erreicht unsere Gesamtstärke in Jersey, welche augenblicklich dienstfähig ist, nicht die Zahl 3000. Diese, ausgenommen 981 Mann, sind Milizen und bleiben nur bis zum letzten dieses Monats zum Dienst verpflichtet. Die Truppen, die in der Ausbildung begriffen sind, belaufen sich, einschliesslich des Personals, auf ungefähr 1000.« Sir William Howes Armee kann zu dieser Zeit schwerlich weniger als 25 000 Mann betragen haben.
Die Handvoll Leute, welche die Sache der Freiheit Amerikas aufrecht erhielt, war ohne Geld, ohne Kredit, oft ohne Kleidung. Gegen diese wurde die Kriegsmacht eines grossen Reiches gesetzt, die Loyalität, angefeuert durch eine alte Monarchie, einen unbegrenzten Kredit, unberechenbare Hülfsquellen. Eine zweite britische Armee bereitete sich vor, von Kanada aus mit der von Sir William Howe zusammen zu operieren und, indem sie die Hudson-Linie besetzte, das Land in zwei Teile zu teilen. Die Amerikaner konnten nicht auf fremde Hilfe rechnen, bis sie nicht die Fähigkeit, sich selbst zu helfen, gezeigt hätten. Ihre Hoffnung konnte sich nur gründen auf die eigene Standhaftigkeit, und auf den Genius und die patriotische Tapferkeit ihres grossen Führers.
Das Braunschweigische Kontingent der deutschen Truppen, welches von England zur Unterdrückung der Revolte in ihren Nord-Amerikanischen Kolonien gedungen war, wurde von Baron Friedrich Adolph von Riedesel befehligt. Er stammte aus einer adeligen hessischen Familie und war im Jahre 1738 geboren. Im Alter von 15 Jahren war er nach Marburg geschickt worden, um [S. 91] Rechtswissenschaft zu studieren, obschon er kaum schreiben konnte und nur einige wenige lateinische Brocken gelernt hatte. Ein Bataillon hessischer Infanterie stand damals in Marburg, und Riedesel sah lieber den Soldaten zu, als dass er den Professoren der Universität zuhörte. Der Major, der die Bekanntschaft des Jungen gemacht hatte, hoffte ihn als Rekruten zu bekommen. Er gab Riedesel den Rat, in seine Kompagnie mit der Aussicht auf Avancement einzutreten und sagte ihm obendrein, dass er mit seinem Vater gut bekannt sei und an ihn schreiben würde, um seine Einwilligung zu diesem Plane zu erbitten. Kurz darauf sagte der Major zu Riedesel, dass er von seinem Vater gehört, er habe in seine Einstellung eingewilligt. Der Junge war über diese Nachricht entzückt und wurde sofort für den Dienst gemustert. Indessen, als er seinem Vater schrieb, um sich zu bedanken, erhielt er eine sehr enttäuschende Antwort. Baron von Riedesel hatte nie etwas von dem Major gehört und hätte nie seinem Sohn die Erlaubnis gegeben, den für ihn gewählten Beruf zu verlassen. Nun aber, da der junge Mann in den Dienst eingetreten sei, erforderte es die Ehre, seinen Farben treu zu bleiben, aber er brauchte auf keine weitere Unterstützung von Seiten seines Vaters zu rechnen. Es blieb dem jungen Riedesel nichts übrig, als sich in sein Schicksal zu fügen. Die ganze Angelegenheit ist nur ein Beispiel von dem deutschen Rekrutierungs-System der damaligen Zeit.
Der Landgraf von Hessen-Cassel, hatte einige seiner Regimenter an England geliehen. Riedesel ging mit seinem Bataillon dorthin mit dem Rang als Fähnrich. Er war indessen nicht so lange dageblieben, um die Sprache vollkommen zu erlernen, denn sein Regiment war nach Deutschland zurückbeordert worden, um am siebenjährigen Kriege Teil zu nehmen, in welchem England mit Preussen und einige kleinere deutsche Staaten [S. 92] Frankreich, Österreich, Russland und Schweden gegenüberstand. Von dieser Zeit an war Riedesels Avancement rapide. Er wurde ein Günstling von Prinz Ferdinand und vertauschte den hessischen Dienst mit dem braunschweigischen. Beim Ausbruch der amerikanischen Revolution war er bis zum Range eines Obersten aufgestiegen und wurde General an dem Tage, an dem er an der Spitze des Kontingents aus Braunschweig nach Amerika ausmarschierte.
Riedesel sah nichts Entehrendes in der Thätigkeit, zu der er berufen war. Er war Soldat von dem Typus, der dem 18. Jahrhundert eigen ist, und in militärischen Dingen kannte er nichts anderes als seine Befehle. Er war überdies ein zärtlicher Gatte und Vater, und seine Frau und Kinder sollten ihm nach der Neuen Welt nachfolgen, sobald es die Gesundheit der ersteren erlauben würde. »Liebste Frau,« schrieb er von seinem ersten Halt, »nie habe ich mehr gelitten, als heute früh bei meiner Abreise. Mein Herz brach mir, und hätte ich zurückgekonnt, wer weiss was ich gethan hätte! Aber, meine Liebe, Gott hat mir diesen Beruf gegeben, ich muss ihm folgen; Pflicht und Ehre verbinden mich dazu; man muss sich also trösten und nicht murren.«
General Riedesel brach von Braunschweig am 22. Februar 1776 nach Stade an der Elbe auf, an der Spitze von 2282 Mann. Die Truppen wurden zwischen dem 12. und 17. März eingeschifft und gingen am 22. März in See. Es waren 77 Soldatenfrauen mit dieser Division. Der Rest des braunschweigischen Kontingents marschierte im Monat Mai nach Stade. Die einzelnen Teile zusammen beliefen sich auf die Gesamtsumme von 4300 Mann. Das Regiment von Hessen-Hanau, 668 Mann stark, schloss sich der Expedition in Portsmouth an. Die Braunschweiger wurden besichtigt und für den englischen Dienst gemustert durch den Oberst Faucitt, welcher von dem Aussehen der Soldaten nicht befriedigt [S. 93] war. Viele waren zu alt, viele nur halbwüchsige Jungen. Die Uniformen der ersten Division waren so schlecht, dass die englische Regierung gezwungen war, Riedesel 5000 £ vorzuschiessen, um die Leute in Portsmouth neu auszurüsten. Er wurde von den englischen Lieferanten betrogen, denn als man die Kisten mit Schuhen auf der See öffnete fand man Damenschuhe darin enthalten. Für einen Feldzug in Canada waren keine Mäntel vorgesehen. Neue Uniformen für die erste Division wurden im Laufe des Sommers nachgeschickt.
Der General war von dem Geiste seiner Truppen sehr befriedigt. »Ich weiss die Zufriedenheit unserer Soldaten nicht genugsam zu beschreiben, — — alles ist munter und guter Dinge,« schreibt er von Bord des Schiffes aus an seinen alten Chef, Prinz Ferdinand von Braunschweig. Bald indessen gesellte sich die Seekrankheit zu der Unbequemlichkeit auf den vollgepfropften Schiffen. »Die Soldaten sind meistens alle seekrank gewesen. Die meisten sind es noch, wie auch meine Leute«, schreibt Riedesel an seine Frau von Dover aus. »Der arme Koch ist es so sehr, dass er gar nicht arbeiten, ja nicht einmal den Kopf aufheben kann. Das ist eine grosse Unbequemlichkeit für uns, denn Kapitän Foy und ich müssen unsere Küche selbst besorgen, welches Dich belustigen würde, wenn Du es sähest.« Vor Beendigung der Reise war das Wasser verdorben.
Die Flotte von 30 Schiffen lichtete die Anker in Portsmouth am 4. April und kam vor Cap Gaspé am 16. Mai an, vor Quebec am 1. Juni. Riedesel erhielt hier das Kommando über ein besonderes Korps, welches aus 1 englischen und 2 deutschen Bataillonen mit 150 Canadiern und 300 Indianern bestand und den St. Lawrence-Strom entlang zwischen Quebec und Montreal postiert war. »Das hiesige Land wird Dir sehr gefallen; es ist so schön, wie es nur sein kann,« schreibt Riedesel am 8. Juni an seine Frau; und weiter sagt er am 28.: [S. 94] »Du wirst die Gegenden hier herrlich finden, nur schade, dass die Kolonien noch in ihrer Kindheit sind, und man also Gemüse, Obst und andere dergleichen zu einem guten Tisch gehörige Sachen sehr selten findet; Fleisch, Geflügel und Milch aber hat man im Ueberfluss. Die Häuser sind alle nur von einem Stockwerk, haben aber inwendig viele Zimmer und sind sehr reinlich. Die Einwohner sind überaus höflich und dienstfertig, und ich glaube nicht, dass unsere Bauern bei einer ähnlichen Gelegenheit sich so artig bezeigen würden.«
Nachrichten bekam man zu jener Zeit so spät, dass die Niederlage von Montgomery und Arnold vor Quebec am 31. Dezember 1775 in England noch nicht bekannt war, als die Flotte von dort absegelte. Riedesel und seine Begleiter hörten erst davon auf ihrem Wege den St. Lawrence-Strom hinauf. Kurz nach ihrer Ankunft wurde Canada von den »rebellischen« Truppen bis zum Nordende von Lake Champlain gesäubert, auf welchem See die Amerikaner eine Flotte improvisirt hatten, bestehend aus 4 Schaluppen, 8 »Gondolas« und 3 Ruder-Galleeren. Den Sommer brachten die Briten damit zu, Kriegs- und Transportschiffe zu bauen, um den See hinauf vorzudringen. Die Truppen wurden einquartiert oder in Lager untergebracht den St. Lawrence- und Richelieu-Fluss entlang, und nur ein bedeutendes Scharmützel vermochte die gewohnte Thätigkeit des Drillens und Schanzenbaues und des gleichzeitig fortschreitenden Bootsbaues durch Rückwärtsmarschieren zu unterbrechen.
Am 23. Juni wohnte General Riedesel einer feierlichen Versammlung bei in der früheren Jesuitenkirche in Montreal von General Carleton, dem Gouverneur von Canada und den Häuptlingen der fünf Nationen. Alle höheren Offiziere der Armee waren dazu eingeladen worden und ungefähr 300 Indianer waren anwesend. Die europäischen Offiziere waren mit Stühlen auf dem Chor der Kirche versehen, der Gouverneur in der Mitte, den Hut auf [S. 95] dem Kopfe. Die Indianer sassen auf Bänken im Mittelschiff der Kirche und rauchten ihre Pfeifen. — Nachdem Reden gehalten und verdolmetscht waren, wurden die Dienste der Indianer durch den englischen General angenommen, und es wurden ihnen Stellungen angewiesen. Die Indianer reichten den europäischen Offizieren die Hände, und den Generalen Carleton, Burgoyne und Phillips wurden Skalpe von Rebellen geschenkt. Was die englischen Herren mit diesen reizenden Geschenken ihrer menschenfreundlichen Bundesgenossen thaten, ist nicht ersichtlich. Bei einer späteren Zusammenkunft, die General Carleton mit Indianern mehr von Westen her abhielt, erschien einer von diesen in der Uniform des General Braddock, welchen er getötet zu haben behauptete.
Von Montreal sagt Riedesel: »Diese Stadt ist in der That etwas feiner als Quebec und hat ungefähr 1600 Häuser. Sie ist von nichts anderem umgeben als einer Mauer mit Schiessscharten für Kanonen und Musketen, und was man Citadelle nennt ist ein Blockhaus in sehr schlechter Verfassung. Diese Werke waren im Jahre 1736 angefangen worden. Die ganze Insel Montreal, gleichwie auch die Stadt gehören dem Seminar.... In der Nähe dieses Seminars ist der beste Garten von ganz Canada, aber er ist nicht besser angelegt, als der von einer Privatperson bei uns zu Hause. Sie haben die meisten Arten der europäischen Pflanzen hier.« —
Schliesslich war am 9. September der Transport fertig, um auf dem Lake Champlain vorzudringen. Es war indessen notwendig, wegen der Kriegsfahrzeuge noch einen Monat länger zu warten. Sobald diese vollzählig waren, übertrafen sie die der Amerikaner um mehr als das doppelte, sowohl an Zahl als an Gewicht. Sie waren mit aufgegriffenen englischen Seeleuten bemannt, während die Schaluppen und Gondolas unter Benedict Arnold meistens von Nicht-Seeleuten bemannt und befehligt waren. Das Resultat war vorauszusehen. Arnold wählte [S. 96] am 10. Oktober 1776 eine unvorteilhafte Stellung zwischen Valcour Island und dem westlichen Ufer des Sees. Hier bestand er einen ungleichen Kampf am 11. und von da entwischte er in der folgenden Nacht, verwegen durch die Linie der britischen Flotte hindurchschlüpfend. Am 13. wurde er in der Nähe der Insel der vier Winde von Carleton eingeholt. Einige der Boote zertrümmerten, andere wurden auf den Strand gesetzt und verbrannt; nur fünf entkamen. Arnold und sein Haufe bewiesen die grösste Tapferkeit bis zu Ende; aber Tapferkeit allein konnte den Mangel an Seetüchtigkeit und die Minderzahl nicht ausgleichen. Einige von den Deutschen nahmen an dem Seegefecht vom 11. teil, und eins der Schiffe, auf dem die Hanauer Artillerie war, wurde durch das amerikanische Feuer zum Sinken gebracht. Die Soldaten und Seeleute, welche es bemannten, wurden indessen durch ein anderes Boot gerettet. —
Unmittelbar nach diesem Seekampf besetzte Carleton Crown Point ohne Gegenwehr. Streifparteien wurden bis in die Nähe von Ticonderoga vorgetrieben. Riedesel war am 22. oder 23. Oktober dieser Festung so nahe, dass er sie von einem Hügel aus vollkommen sehen konnte. Er dachte, sie könnte wohl leicht von der britischen Armee in Canada genommen werden, wenn die ganze Armee in Bewegung gesetzt werden würde, doch er rechnete die Stärke der eigentlichen Besatzung entschieden zu hoch. Sir Guy Carleton hielt es für zu spät, in diesem Herbst weitere Eroberungen zu unternehmen. Selbst Crown Point verliess er und zog sich nach der Nordspitze des Sees zurück.
Die Truppen wurden in Winterquartiere gelegt, die Deutschen den Riechelieu-Fluss entlang und in die Umgebung des Sees St. Pierre. Riedesels Hauptquartier war in Trois-Rivières. Man bemühte sich, die Anwesenheit der Soldaten nicht zu schwer auf den Einwohnern lasten zu lassen, abgesehen von denen, die Sympathien mit den [S. 97] Rebellen gezeigt hatten. Eine strenge Disziplin wurde aufrecht erhalten. Die Soldaten empfingen ihre Verpflegung und fällten sich ihr Holz zum Feuern in den Wäldern. Die Arbeit des Tragens des Holzes, sobald es gefällt worden war und des Kochens scheint den Einwohnern obgelegen zu haben. Die Soldaten waren versehen mit langen Hosen von dickem Tuch, die bis hoch zum Leibe hinauf reichten, und mit warmen Fausthandschuhen und Kapuzen.
Die zweite Braunschweigische Division war im September nach einer langen und stürmischen Ueberfahrt in Canada angelangt. Offiziere und Leute waren schliesslich auf halbe Ration von verdorbenen Lebensmitteln gesetzt worden. Als die Division von ungefähr 2000 Mann in Quebec ankam, waren 19 Mann gestorben und 131 krank an Scorbut.
Der lange Canadische Winter brach unmittelbar darauf herein. Er wurde von Riedesel zur Ausbildung der Truppen verwendet wenn das Wetter es erlaubte, besonders zur Ausbildung im Schiessen. Er hatte bemerkt, dass die Amerikaner bessere Schützen als die Deutschen waren, und er bemühte sich eifrig, diesem Mangel bei seinen Soldaten abzuhelfen. Im Laufe des Winters reiste er über 1800 Meilen im Schlitten, um die zerstreut liegenden Detachements zu besichtigen, und um General Carleton in Quebec und Montreal seine Aufwartung zu machen. An ersterem Orte war er am 31. Dezember 1776, als ein feierlicher Gottesdienst in der Kathedrale gehalten wurde zum Andenken an die Befreiung der Stadt von Arnold und Montgomery an diesem Tag des vergangenen Jahres. Die Feierlichkeit wurde geleitet von dem Bischof, und 8 unglückliche Canadier mussten öffentlich Busse thun, mit Stricken um den Hals, und Gott, die Kirche und König Georg um Verzeihung bitten dafür, dass sie den Amerikanern beigestanden hatten.
Während des zweiten Teils des Winters gab Riedesel [S. 98] in Trois-Rivières jede Woche einen Ball, teils um sich die Zuneigung der Einwohner zu erwerben, teils um seine Offiziere von Thorheiten abzuhalten. Der 20. Januar, der Geburtstag der Königin von England, wurde mit grossem Pomp gefeiert. 40 Gäste waren zum Diner geladen. Gesundheiten wurden in Champagner ausgebracht, und eine kleine Kanone wurde nach jedem Toast abgefeuert wie im ersten Akte von »Hamlet«. Am Nachmittag und Abend war ein Ball, zu welchem nicht weniger als 37 Damen erschienen. Diesen wurde des Abends ein Souper serviert, wobei ihnen die Herrn aufwarteten. »Demoiselle de Tonnencour«, schreibt ein Augenzeuge, »erhöhte ihre Reize durch ihre Juwelen, aber die arme Demoiselle R—e, in ihrem schäbigen baumwollenen Kleid, wurde vor vielen von uns vorgezogen wegen ihrer natürlichen und angenehmen Art und ihrer schönen Stimme. Sie müssen wissen, lieber Herr, dass die kanadischen Schönen französische und italienische Lieder an der Tafel singen, und dass bereits mehrere Lieder zu Ehren von General Riedesel geschrieben und komponiert worden sind, und dass diese oft in Trois-Rivières gesungen werden«. Auf diese Weise, mit Dienst und Vergnügen, gingen die Monate dahin bis zu Anfang Juni 1777, wo sich eine ereignisreiche Campagne für die Braunschweiger eröffnete.
Die Baronin von Riedesel war aufgebrochen, um sich mit ihrem Gemahl zu vereinigen und hatte ihre drei kleinen Töchter mit sich genommen, von denen die Älteste erst 4 Jahre und 9 Monate alt war und die Jüngste ein Säugling von 10 Wochen. Die Reise von Deutschland nach Kanada war in jenen Tagen keine leichte Sache, [S. 99] sie war weder frei von unberechenbaren wie wirklichen Gefahren. »Man stellte mir nicht allein die Gefahren zur See vor, sondern sagte mir auch, dass wir besorgen müssten von den Wilden gefressen zu werden; dass man sich in Amerika mit Pferdefleisch und Katzen ernährte; und doch schreckte mich alles dieses noch weniger als der Gedanke, in ein Land zu kommen, wo ich die Sprache nicht verstand. Inzwischen war ich auf alles gefasst, und der Gedanke, meinem Manne zu folgen und meine Pflichten zu erfüllen, hat mich im ganzen Lauf meiner Reise aufrecht erhalten.«
Die Baronin verliess Wolfenbüttel in der Nähe von Braunschweig am 14. Mai 1776 und reiste über Calais nach England. »In Mastricht warnte man mich, auf meiner Hut zu sein, weil die Wege durch Strassenräuber sehr unsicher gemacht wurden, deren in vierzehn Tagen 130 teils gehängt, teils auf andere Art hingerichtet worden, welches aber noch nicht der vierte Teil von denen wäre, die sich noch da befänden; und dass man sie gleich ohne weiteren Prozess auf den Landstrassen und an den Orten aufhinge, wo sie ihr Wesen trieben. Diese Nachrichten setzten mich sehr in Furcht, und ich nahm mir vor, nicht bei Nachtzeit zu reisen; da ich aber sehr schlechte Pferde bekam, so musste ich doch in der Dämmerung durch einen Wald, wo etwas hängendes mir durch das offene Fenster in den Wagen hineinschlug. Ich fasste darnach, und als ich etwas rauhes fühlte, fragte ich was es sei? — Es war ein Gehängter mit wollenen Strümpfen. Noch ganz erschrocken darüber, wurde mir noch weit mehr angst, als man vor einem ganz einsam stehenden Hause in diesem nämlichen Walde stille hielt, wo die Postillons nicht weiter fahren wollten. Der Ort hiess Hune, ich werde es nie vergessen! Ein Mann von ziemlich verdächtigem Aussehen empfing uns und führte uns in eine sehr abgelegene Stube, wo ich nur ein Bett fand.
Es war kalt, ich liess also Feuer in einem grossen [S. 100] Kamin machen; unser ganzes Abendbrod bestand in Thee und in sehr grobem Brode. Mein treuer Rockel (ihr alter Diener) kam zu mir mit einem sehr ängstlichen Gesicht und sagte mir: »Hier ist's nicht richtig! es ist da eine Kammer voller Gewehre, ich glaube die andern Leute sind aus; gewiss sind es Spitzbuben! Ich werde aber die Nacht vor ihrer Kammer mit meinem Gewehr sitzen und werde mein Leben teuer verkaufen. Der andere Bediente soll in der Kutsche sitzen auch mit seinem Gewehr.« Alles dieses machte natürlich meinen Schlaf nicht ruhig, ich hatte mich auf einen Stuhl gesetzt und den Kopf auf das Bett gelegt. Doch schlief ich endlich ein, und wie gross war mein Entzücken beim Erwachen, als man mir um 4 Uhr des Morgens zu sagen kam, dass alles zur Abreise fertig sei, und ich darauf den Kopf zum Fenster herausstreckte, und in dem Walde, worin wir uns befanden, eine Menge Nachtigallen um uns her bemerkte, welche durch ihren angenehmen Gesang mir alle meine überstandene Angst vergessen machten.«
Solcher Art waren die Unbequemlichkeiten einer Reise auf dem Kontinent vor 100 Jahren. Wir werden gleich sehen, was für unangenehme Abenteuer Fremde in England zu gewärtigen hatten. Die Baronin gelangte glücklich von Calais hinüber nach Dover und erreichte London mit der Post. Der Hotelbesitzer in Calais hatte ihr gesagt, dass es nicht sicher für sie sei, allein zu reisen und, nachdem er so gethan hatte, als wenn er eifrig gesucht hätte, stellte er ihr einen Mann vor, von dem er vorgab, dass er ein Gentleman sei, der eingewilligt hätte, die Begleitung zu übernehmen. Dieser begleitete sie bis London, wo sie in dem 4. Stock eines Hotels einlogiert wurde, obwohl sie gute Räume verlangt hatte. In ihrem Tagebuch sagt sie: »Den Tag darauf kam mein Hauswirt mit einer ganz verschämten Miene zu mir und fragte mich sehr ehrerbietig, ob ich den Menschen kenne, mit welchem ich gekommen wäre, und den ich ihm empfohlen so gut zu bewirten [S. 101] (denn ich hatte es für unschicklich gehalten, ihn in London mit mir essen zu lassen). Ich sagte ihm, dass es ein Edelmann wäre, der auf die Bitte des Herrn Guilhaudin, meines Wirts in Calais, mir die Gefälligkeit erzeigt hätte, mich auf der Reise zu begleiten. Ha! erwiederte er, dies ist einer von seinen Streichen! Es ist ein Lohnbedienter, ein Erzgauner, den er dazu gebraucht, seine Geschäfte zu machen; und wie ich Sie mit diesem Menschen im Wagen sitzen sah, als Sie ankamen, so muss ich Ihnen bekennen, dass ich nicht glaubte, dass Sie das wären, wofür Sie sich ausgäben, und also dafür hielt, dass diese Stuben gut genug für Sie sein würden; da ich jetzt, nach den Leuten, die zu Ihnen kommen, urteilen kann, dass ich mich geirrt habe: so bitte ich Sie sehr um Verzeihung, und ersuche Sie andere anzunehmen, für welche Sie mir nicht mehr bezahlen sollen, als für diese hier; so sehr wünsche ich mein Versehen wieder gut zu machen. Ich dankte ihm und bat, dass er mich doch sobald als möglich von dem Menschen befreien sollte, der mir aber doch noch 4 oder 6 Guineen (ich erinnere mir nicht mehr genau wie viel es war) für seine Begleitung abforderte.«
Baronin Riedesel hatte Bekannte in London getroffen unter anderen Schlieffen, den Gesandten des Landgrafen von Hessen-Cassel, den Mann, der das grösste Geschäft bei dem Verkauf von deutschen Truppen an England gemacht hatte. Sie verkehrte etwas in der Gesellschaft, war aber wegen ihrer kleinsten Tochter viel an das Haus gefesselt. »Eines Tages«, schreibt sie, »hatte ich eine unangenehme Geschichte in London. Man hatte mir gerathen, dass ich mir ein kleines Mäntelchen und Hut kaufen sollte, ohne welche ich nicht ausgehen könnte. Ich war zum Essen beim Herrn von Hinüber, dem hannöverischen Minister. Seine Frau schlug mir einen Spaziergang nach St. James vor, versäumte aber, mir vorher zu sagen, was in unserer Kleidung wider das englische Kostüm war. Gustchen war nach französischer Art ge [S. 102] kleidet, trug einen kleinen Panier (Reifrock) und einen hübschen, kleinen, runden Hut. Ich bemerkte, dass man fast mit Fingern auf uns wies und fragte nach der Ursache. Sie sagte mir, ich hätte einen Fächer, welchen man mit einem Hut nicht tragen dürfe, und meine Kleine wäre zu geputzt, daher man uns für Franzosen hielte, die hier schlecht angeschrieben wären.«
»Den Tag darauf ging ich wieder dahin, und wir waren alle ganz auf englische Art gekleidet, also glaubte ich, dass man uns nicht bemerken würde; ich irrte mich aber, denn ich hörte wieder rufen: French women! pretty girl! (Französinnen! hübsche Mädchen!) Ich fragte den Lohnbedienten, warum man uns für Französinnen hielt, und erfuhr, dass es deshalb wäre, weil ich meinen Kindern Bänder angesteckt hatte. Ich riss sie ab und steckte sie in die Tasche, aber man begaffte mich immer noch, und ich hörte, dass es wegen der Hüte war, welche die Kinder in England von einer anderen Form trugen. Ich sah daraus, wie nötig es war, sich nach der Sitte des Landes zu richten, um mit Annehmlichkeit dort zu sein, denn der Mob (Pöbel) läuft gleich zusammen, und wenn man sich mit ihm in Wortwechsel einlassen wollte, so setzte man sich Beschimpfungen aus.«
Einige Tage später reiste die Baronin nach Bristol. Sie schreibt: »Gleich den Tag nach meiner Ankunft rief mich meine Wirtin zu einem (wie sie es nannte) allerliebsten Schauspiel. Wie ich ans Fenster trat, erblickte ich zwei nackte Menschen, die sich mit der grössten Erbitterung boxten. Ich sah wie ihr Blut floss und wie die Wuth in ihren Augen gemalt war. Zu wenig an einen solchen hässlichen Anblick gewöhnt, zog ich mich geschwind in den innersten Winkel des Hauses zurück, um nicht das Freudengeschrei zu hören, das die Zuschauer dabei machen, wenn einer einen Stoss bekommt. Während meines Aufenthalts in Bristol hatte ich einen unangenehmen Auftritt. Ich trug ein zitzenes Kleid mit einem Besatz [S. 103] von grünem Taft. Dieses mochte den Bristolern als etwas zu Fremdes aufgefallen sein, denn wie ich eines Tages mit Madame Foy spazieren ging, versammelten sich über 100 Matrosen um uns, wiesen auf mich mit Fingern und riefen: French whore! (französische Hure!) Ich floh so geschwind als möglich in das Haus eines Kaufmanns, und nahm den Vorwand dort etwas zu kaufen; mittlerweile verlief sich das Volk wieder. Das verleidete mir aber mein Kleid, und wie ich wieder nach Hause kam, so schenkte ich es meiner Köchin, ob es gleich noch ganz neu war.«
Frau von Riedesel blieb 10 Monate in England. Ihr Gemahl hatte ihr gesagt, dass sie nicht ohne Begleitung einer andern Dame reisen sollte, und hatte ihr die oben erwähnte Mrs. Foy empfohlen, die sich auch in Canada mit ihrem Mann vereinigen wollte. Diese Dame liess die Baronin den ganzen Sommer 1776 hindurch warten und weigerte sich schliesslich mit ihr zu gehen. Es war spät im Herbst und der Baronin Riedesel war angerathen, die Überfahrt nicht zu wagen, da sie den St. Lawrence-Strom mit Eis gesperrt finden möchte. Sie kehrte infolgedessen nach London zurück, wo sie bei liebevollen Menschen gute Wohnung fand und den folgenden Winter zubrachte. Die Sorge für ihre Kinder zwang sie, ein ruhiges Leben zu führen. Indessen wurde sie bei Hof vorgestellt, von welcher Ceremonie sie folgenden Bericht macht: »Man riet mir, an Hof zu gehen, da die Königin geäussert hätte, dass sie mich gern sehen wollte. Ich liess mir also eine Hofrobe machen, und Lady George Germaine präsentierte mich. — Es war am Neujahrstage 1777. Ich fand das Schloss sehr hässlich und altfränkisch möbliert. Die Damen und Herren stellten sich alle in das Audienzzimmer; hierauf kam der König, welcher 3 Kavaliere vor sich gehen hatte, in das Zimmer. Ihm folgte die Königin links herum. Beide gehen keinen vorbei ohne ihm was zu sagen. Am Ende des Saals begegnen sie sich, machen [S. 104] sich eine grosse Reverenz, und gehen dann ein jeder von ihnen dahin, wo der Andere hergekommen ist. Ich frug Lady Germaine, was ich zu thun hätte, und ob der König, wie ich gehört hätte, alle Damen küsste? Nein, antwortete sie mir, bloss die Engländerinnen und Marquisen, und man hat nichts weiter zu thun, als stille auf seinem Platz stehen zu bleiben. Wie nun der König an mich heran kam, war ich sehr verwundert, dass er mich küsste, und wurde darüber feuerrot, weil es mir ganz unerwartet kam. Er fragte mich sogleich, ob ich Briefe von meinem Mann hätte? Ich sagte: Ja, am 22. November. Er ist wohl, erwiederte er, ich habe mich express nach ihm erkundigt, jedermann ist mit ihm zufrieden, und ich hoffe, dass ihm die Kälte nichts schaden wird. Ich antwortete, ich glaubte und hoffte, dass, da er in einem kalten Klima geboren wäre, ihm die Kälte nicht so beschwerlich fallen würde. Ich hoffe es auch, sagte er; allein dieses versichere ich Ihnen, dass die Luft daselbst sehr gesund und klar ist. Hierauf machte er mir noch einen sehr freundlichen Gruss und ging weiter. Als er weg war, sagte ich der Lady Germaine, dass ich durch den Kuss des Königs nun naturalisiert wäre. Hernach kam die Königin, die auch sehr freundlich gegen mich war und mich fragte, ob ich schon lange in London wäre? Ich sagte »2 Monat«. »Ich glaubte schon länger«, erwiederte sie. Ich antwortete, »in London nur so lange, aber in England bereits 7 Monat.« Sie fragte, ob es mir hier gefiele? Ich sagte »ja; dass ich aber doch sehr wünschte, erst in Canada zu sein«. »Fürchten Sie sich denn nicht«, frug sie weiter, »vor der See? Ich liebe sie garnicht.« »Ich auch nicht«, erwiederte ich, »allein es ist kein ander Mittel, meinen Mann wiederzusehen, und ich werde mit Freunden reisen.« »Ich bewundere ihren Muth«, sagte sie, »denn es ist eine starke Unternehmung und sehr beschwerlich, zumal mit 3 Kindern.«
»Aus dieser Unterredung sah ich, dass sie schon [S. 105] mehr von mir gehört hatte, und es war mir daher lieb, dass ich an den Hof gegangen war. Nach der Cour sah ich alle königlichen Kinder, bis auf eins, das krank war. Es waren ihrer 10, die ich alle bildschön fand.«
»Ich ging nachher, da ich so gut aufgenommen worden, noch mehreremale hin. Als ich vor meiner Abreise nach Portsmouth, im Frühjahr, zu meiner Einschiffung von der Königin Abschied nahm, fragte sie mich nochmals, ob ich mich nicht vor einer solchen schrecklichen Reise fürchtete; und als ich ihr antwortete, dass, da mein Mann wünschte, dass ich ihm folge, ich es mit Mut und Vergnügen thäte, weil ich glaubte, meine Pflicht zu erfüllen und versichert wäre, dass sie an meinem Platz das nämliche thun würde; so sagte sie mir: »Ja, wie man mir aber schreibt, so thun Sie die Reise ohne Vorwissen ihres Mannes.« Ich erwiederte: »Da sie eine deutsche Prinzessin wäre, so würde sie wohl wissen, dass ich ohne den Willen meines Mannes dieses nicht hätte unternehmen können, weil mir das Geld dazu gefehlt haben würde.« »Sie haben Recht«, sagte sie, »ich billige Ihren Entschluss und wünsche Ihnen alles nur ersinnliche Glück. Wie ist der Name ihres Schiffes? Ich werde mich oft nach Ihnen erkundigen, und bei Ihrer Zurückkunft, hoffe ich, werden Sie mich besuchen.« — Sie hat Wort gehalten und sich oft nach mir erkundigt und mich oft grüssen lassen.« —
Baronin Riedesel schiffte sich am 15. April 1777 an Bord eines Kauffarteischiffes ein, welches in Gemeinschaft mit einer Flotte von 30 Transportschiffen durch zwei Kriegsschiffe begleitet wurde. Sie kam nach einer ereignislosen Reise am 11. Juni in Quebec an. Nach einem Aufenthalt von nur einem halben Tage in Quebec reiste die unermüdliche Frau mit ihren drei kleinen Kindern auf schlechten Wegen und stürmischen Flüssen nach Chambly, wo sie schliesslich am 14. Juni ihren Gemahl fand. Sie konnten nur zwei glückliche Tage mit einander zubringen, [S. 106] weil die Armee im Vormarsch war, und die Baronin war genötigt nach Trois-Rivières zurückzukehren. Am 14. August traf sie indessen wieder bei der Armee ein, deren darauffolgendes Schicksal sie teilte. Ich will nur noch eins von ihren Abenteuern anführen, bevor ich zur Betrachtung der militärischen Operationen des braunschweigischen Kontingents zurückkehre:
Die Baronin war von Trois-Rivières aufgebrochen, um sich mit ihrem Manne in Fort Edward am Hudson zu vereinigen. Die Gesellschaft reiste in 2 Booten, von denen das eine mit dem Gepäck beladen war. Sie schreibt: »Die Nacht überfiel uns, und wir sahen uns genötigt, auf einer Insel zu landen. Das andere Fahrzeug, da es mehr beladen und nicht so gut bemannt war, hatte uns nicht folgen können; wir hatten daher weder Betten noch Licht, und was das Schlimmste war, nichts mehr zu essen; denn wir hatten weiter nichts auf unser Schiff mitgenommen, als was wir den Tag über zu gebrauchen dachten; wir fanden auf dieser Insel weiter nichts als die vier kahlen Wände eines verlassenen und nicht einmal ausgebauten Hauses, welches voller Gesträuche lag, das uns zum Nachtlager diente. Ich bedeckte es mit unsern Mänteln und nahm die Kissen von der Barke zu Hilfe, so dass wir recht gut schliefen.
Den Kapitän Willoe konnte ich nicht bewegen, in die Hütte mit hereinzukommen und sah ihn sehr unruhig, welches ich mir gar nicht erklären konnte. Mittlerweile bemerkte ich einen Soldaten, der einen Topf ans Feuer setzte. Ich fragte ihn, was er darinnen hätte? »Kartoffeln, die ich mir mitgenommen habe.« Ich blickte lüstern nach ihnen hin; er hatte nur so wenig, dass ich es grausam fand, ihn derselben zu berauben, besonders da er so glücklich dabei aussah. Endlich aber siegte doch die Begierde, meinen Kindern davon zu geben über meine Bescheidenheit; ich bat also und erhielt die Hälfte, welches höchstens ein Dutzend sein mochten; dazu holte [S. 107] er aus seiner Tasche zwei oder drei kleine Enden Licht, die mich sehr glücklich machten, weil die Kinder sich fürchteten im Finstern zu bleiben. Ich gab ihm für das Alles einen grossen Thaler, da war er ebenso glücklich als ich. Inzwischen hörte ich Kapitän Willoe Befehl geben, dass man um das Gebäude Feuer anzünden, und dass seine Leute die ganze Nacht um dasselbe die Runde gehen sollten. Auch hörte ich während der ganzen Nacht Lärm machen, welches mich ein wenig am Schlaf hinderte. Als ich am andern Morgen beim Frühstück, welches ich auf einem breiten Stein, der uns zum Tisch diente, einnahm, den Kapitän, der in der Barke geschlafen hatte, nach der Ursache des Lärmes fragte, so bekannte er mir, dass wir in grosser Gefahr gewesen, indem diese Insel l'Isle aux Sonnettes (die Klapperschlangeninsel) wäre, welche von den vielen darauf befindlichen Klapperschlangen den Namen hätte, dass er es nicht gewusst und sehr erschrocken sei, als er es erfahren, und wegen der Strömung es doch nicht habe wagen dürfen, in der Nacht weiter zu fahren. Es wäre ihm daher nichts anderes übrig geblieben, als grosse Feuer und viel Lärm zu machen, um die Schlangen zu erschrecken und dadurch abzuhalten. Er habe aber die ganze Nacht aus Besorgnis für uns kein Auge zuthun können. Ich war über diese Erzählung sehr erschrocken und liess ihm bemerken, dass wir unsere Gefahr dadurch noch vergrössert hätten, dass wir uns auf das Gesträuch gelegt, in welchem sich die Schlangen gern verbergen. Er gab mir Recht und sagte mir, dass, wenn er es eher gewusst, wo wir wären, er alles Gesträuch vorher würde haben wegnehmen lassen oder uns gebeten haben würde, lieber auch in der Barke zu bleiben. Er habe es aber erst von einem der Leute von unserm andern Fahrzeuge erfahren, das uns später nachgekommen war. Wir fanden am Morgen noch allenthalben Häute und Schleim von diesen garstigen Tieren und eilten daher, mit unserm Frühstück fertig zu werden.«
Die Operationen in Canada und auf dem Lake Champlain während des Sommers und Herbst 1776 waren von Sir Guy Carleton, dem britischen Gouverneur der Provinz, geleitet worden. Die Generale Burgoyne und Phillips und General Riedesel hatten unter seinem Befehl gestanden. Für den Feldzug von 1777 wurde indessen vom englischen Ministerium ein neues Arrangement getroffen. Carleton behielt die Statthalterschaft und das Kommando über die Truppen in Canada bei, aber die Expedition, welche über die Grenzen der Provinz hinaus gegen die Rebellen in New-York und Neu-England vorgehen sollte, wurde Burgoyne anvertraut.
Generalleutnant John Burgoyne war damals 55 Jahre alt. Lord Macaulay beschreibt ihn als »einen Mann von Verstand, feiner Sitte und Ehre, einen angenehmen dramatischen Schriftsteller, einen Offizier, dessen Mut nie in Frage kam und dessen Brauchbarkeit zu jener Zeit einen grossen Ruf hatte.«
Burgoyne war ein Liebling des britischen Ministeriums. Er stand sich nicht gut mit General Riedesel noch mit seiner Frau. Riedesel wurde sehr gut mit Carleton fertig, hatte aber kein Vertrauen zu Burgoyne, der wahrscheinlich zu sehr ein Mann des Vergnügens und Witzes war, um das Vertrauen des ernst angelegten deutschen Offiziers zu gewinnen. Riedesel beklagt sich, dass er niemals gefragt wurde, und dass Burgoynes Pläne ihm nicht anvertraut würden. Es ist klar, dass auf diese Weise Eifersucht zwischen den englischen und deutschen Truppen entstand, und dass Riedesel fühlte, dass ihm und seiner Truppe Ungerechtigkeit widerfuhr.
Der Operationsplan, dessen Grundzüge von Burgoyne [S. 109] selbst aufgestellt wurden, war sehr einfach. Das Gros der Armee sollte von Canada am Lake Champlain hinauf nach Ticonderoga vorrücken. Wenn dies Fort genommen sein würde, sollte die Armee noch weiter südlich vorgeschoben werden, um sich mit der Armee von Sir William Howe oder einem Teil derselben, von Newyork kommend, zu vereinigen. Ein Korps von leichten Truppen unter Oberst St. Leger sollte in gleicher Höhe mit Burgoyne operieren indem es über Oswego nach dem Mohawk River, und an diesem entlang bis zu seiner Einmündung in den Hudson oberhalb Albany marschieren sollte, dort sollte sich diese Expedition mit der Hauptarmee vereinigen.
Die Braunschweiger unter General Riedesels Befehl zählten am 1. Juni 1777 4301 Offiziere und Mannschaften nach den Rapporten, an Effektivstärke 3958. Das Hessen-Hanauische Regiment war im vorhergehenden Jahre in der Stärke von 668 Mann herübergefahren und war wahrscheinlich nicht unter die Zahl von 600 dienstfähigen Leuten herabgesunken. Somit würde sich die Gesamtstärke der Deutschen in Canada zu Beginn des Feldzuges auf 4558 Mann belaufen, von denen 667 unter dem Befehl von Sir Guy Carleton belassen wurden und 3891 sich der Expedition unter Burgoyne anschlossen. Diese Schätzung schliesst nicht die Hanauischen Jäger ein, da dieselben der St. Leger'schen Expedition zugeteilt wurden. Die Gesamtstärke von Weissen unter Burgoyne war grösser als 8000; von diesen waren ungefähr 250 Provinziale.
Einige 500 Indianer begleiteten die Armee und thaten in erster Zeit gute Dienste als Kundschafter; sie stellten ihren menschlichen Brotherren die Skalpe der amerikanischen Soldaten vor Augen. Der Anblick fand Gefallen in den Augen des fashionablen Herrn, welcher die Armee ihrer Majestät kommandierte. Er erliess einen Befehl, dass Deserteure von seiner eigenen Armee gefangen und ebenfalls skalpiert werden sollten. Man hielt aber [S. 110] dafür, dass die Wilden ihre liebenswürdigen Gebräuche zu weit getrieben hätten, als sie Jane Mc Crea töteten, ein junges Weib, das mit einem Tory von der britischen Armee verlobt war und den geheimen Auftrag gehabt hatte, zwei Deserteure bei sich aufzunehmen und zu beschützen. Burgoyne wagte es indessen nicht, die Mörder hinrichten zu lassen aus Angst »vor dem vollkommenen Abfall der Indianer«.
Bevor die Einrichtung der Eisenbahnen die Reiseroute verändert hatte, war die Hauptstrasse zwischen Canada einerseits und Neu-England und den mehr südlichen Kolonien andererseits die grosse Wasserstrasse, welche, indem man den St. Lawrence-Strom bei Lake St. Pierre verlässt, den Richelieu-Fluss hinaufführt, bei Fort St. John vorbei nach dem Lake Champlain, diesen See hinauf, Crown Point passierend, nach Ticonderoga. Bei Ticonderoga hatte der Reisende oder Eindringling zwischen zwei Wegen zu wählen. Entweder konnte er über die kurze Strecke bis zum Lake George, dann diesen schönen See hinauf bis zu seinem äussersten Ende und von hier nach einem Weg von 12 Meilen nach Fort Edward am Hudson gelangen. Dies war der gewöhnliche und leichtere Weg. Oder man konnte das schmale obere Ende von Lake Champlain hinauf fahren bis in die Gegend des heutigen Whitehall, in dem damaligen Distrikt Skenesborough genannt, hatte dann aber einen längern Landweg nach Fort Edward, bei Fort Anne vorbei, vor sich. Von Fort Edward führte der Weg den Hudson hinunter nach Albany und New-York. Die Hauptrichtung dieser Route geht von Norden nach Süden, und merkwürdig gerade, entsprechend dem natürlichen Charakter der Landschaft. Die ganze Entfernung von Lake St. Pierre bis New-York beträgt ein wenig mehr als 350 Meilen. Whitehall liegt ungefähr in der Mitte und Ticonderoga einige 20 Meilen nördlich von Whitehall.
Kein Punkt zwischen dem St. Lawrence und New [S. 111] -York wurde für militärisch wichtiger erachtet als Fort Ticonderoga. Dies war derartig angelegt, dass es die schmale Strecke zwischen Lake Champlain und Lake George deckte und die Passage nach der Südspitze des ersteren Sees beherrschte. Das Fort war im Jahr 1755 von den Franzosen gebaut worden und Fort Carillon von ihnen genannt worden. Es wurde im folgenden Jahre von Montcalm verstärkt und im Jahre 1758 widerstand es dem Angriff einer englischen Armee von 15000 Mann, der grössten europäischen Armee, die in Amerika unter Waffen gewesen war. General Abercrombie, welcher die englische Armee kommandierte, machte einen derartig fehlerhaften Angriff, dass sein Korps mit grossen Verlusten zurückgeschlagen wurde.
Im Jahre 1759 gaben die Franzosen bei Annäherung von General Amherst das Fort Carillon auf, dessen Werke von diesem erneuert wurden. Nun wurde es während beinahe 16 Jahren von den Briten gehalten, unbelästigt, bis am 16. Mai 1776 die kleine Besatzung überrascht und das Fort genommen wurde, und zwar von einer Abteilung Amerikaner unter Ethan Allan »im Namen des Grossen Jehovah und des kontinentalen Kongresses«. Während den zwei Jahren, welche das Fort in amerikanischen Händen gewesen war, wurden grosse Anstrengungen gemacht, um es zu verstärken, und es wurde sehr reichlich mit Waffen, Munition und Proviant versehen. Auch ein neues Fort wurde auf der Ostseite des Sees auf dem Mount Independence gebaut. Es möchte scheinen, als ob die Amerikaner in der Grösse ihrer Vorbereitungen über das Ziel hinausgeschossen wären. Die Werke, welche eine Länge von 2-1/2 Meilen hatten, waren viel zu gross für die Besatzung. Obendrein konnte das Fort vollkommen von Artillerie auf dem Mount Defiance beherrscht werden; dieser Berg war nicht in die Linien mit eingeschlossen.
Das Ergebnis dieser Fehler war ein sehr trauriges. [S. 112] Am 1. Juli 1777 erschien Burgoynes Heer vor der Festung. Riedesel war mit den Deutschen auf dem östlichen Ufer des Sees und operierte gegen Mount Independence. Ein nur kleines Gefecht fand statt. Der amerikanische Befehlshaber St. Clair trat, als er sich in Gefahr sah, umzingelt zu werden, mit der Besatzung von ungefähr 3300 Mann den Rückzug an und liess die Forts mit mehr als 70 Kanonen, 200 Stück Vieh und einem grossen Magazin von Munition und Proviant in den Händen der britischen Armee. Die Überbleibsel der amerikanischen Flotte, welche in der Richtung auf Whitehall floh, wurde sofort von den Briten verfolgt, die nur etwas aufgehalten wurden durch die Notwendigkeit, eine Brücke zu durchbrechen, welche über den See gebaut worden war. Zwei von den fünf Schiffen wurden genommen, die andern drei von den zurückgehenden Amerikanern verbrannt, die auf diese Weise alles Material verloren, welches sie zu retten sich bemüht hatten.
Das Gros von St. Clairs Korps ging auf der Strasse nach Hubbardton zurück. General Fraser blieb mit zwanzig englischen Kompagnien dicht auf den Fersen, unterstützt von Riedesel mit drei braunschweigischen Bataillonen. Fraser holte die Nachhut der Amerikaner unter Oberst Warner bei Hubbardton am 7. Juli ein, wurde schneidig angegriffen und in der Flanke gefasst. Er wäre geworfen worden, wenn ihm nicht Riedesel zu Hilfe gekommen wäre. Die Amerikaner wurden nun zurückgeworfen. Ihr Verlust ist nicht genau bekannt geworden, aber ungefähr 200 Nachzügler und Verwundete wurden an diesem Tage gefangen genommen. Die Braunschweiger hatten 22 Mann tot oder verwundet, die Briten 155. Dies war das erste Gefecht, welches Riedesel in Amerika mitmachte.
Am 8. Juli wurde ein britisches Regiment aus Fort Anne vertrieben, aber die Amerikaner liessen es wieder im Stich, nachdem sie es zerstört hatten. [S. 113]
Am 22. Juli erliess General von Riedesel einen Befehl gegen das Marodieren und drohte allen Soldaten, die dessen schuldig befunden wurden, in dem ersten Falle mit Prügeln, im zweiten mit vier mal Spiessrutenlaufen. Die Offiziere hätten zu entscheiden, was gesetzliche Beute wäre. Riedesel gab diesen Befehl auf Verlangen Burgoynes, welcher die Tory-Kolonisten der Umgegend ermutigen wollte. Die Gelegenheit, in Amerika zu plündern, war somit für die Braunschweiger beinahe vorüber.
Das Terrain zwischen Lake Champlain und dem Hudson war so rauh, dass Burgoyne einen Monat gebrauchte, um seine Armee die 25 Meilen vorwärts zu bringen, welche zwischen Whitehall und Fort Edward lagen. »Die Schwierigkeit zu marschieren war gross, wurde aber in der besten Stimmung überwunden,« schreibt Burgoyne am 30. Juli 77 an Lord George Germaine. »Das Land ist vollständige Wildnis und beinahe überall hatte der Feind mit grossen Baumstämmen die Wege gesperrt, so dass sie quer und längs mit den Zweigen ineinander herübergefallen waren. Die Truppen mussten nicht nur an vielen Stellen, die man unmöglich umgehen konnte, dieselben hinwegräumen, sondern auch über 40 Brücken bauen und andere wieder herstellen, die eine davon, aus Bauholz bestehend, über einen Morast von 2 Meilen Ausdehnung.« Wir finden einen Brief von Burgoyne an Riedesel vom 18. Juli, in welchem er diesem zuredet, seine Offiziere die Bagage verringern zu lassen. Viele englische Offiziere, sagt Burgoyne, sind auf ein kleines Zelt und einen Reisesack reduziert worden.
Die Armee begegnete nur geringem Widerstand auf ihrem Wege, obschon kein Tag verging, ohne dass geschossen wurde. Die Amerikaner hatten sich auf Saratoga zurückgezogen. Jedoch nicht vor dem 9. August konnte Brigade-General Fraser die Avantgarde bis Fort Miller, 7 Meilen jenseits Fort Edward vorschieben. Oberstlieutenant Baum folgte ihm mit den braunschweigischen [S. 114] Dragonern zu Fuss und leichter Infanterie, einigen canadischen Freiwilligen und 2 kleinen Kanonen. Zuerst hatte Riedesel vorgeschlagen, und Burgoyne hatte es gebilligt, dass Baums Korps eine Expedition in das Connecticut-Thal machen sollte, um Pferde und Zugvieh aufzutreiben. Das herzoglich braunschweigische Dragoner-Regiment wurde auf diese Weise auf Kosten der Amerikaner beritten gemacht, und die britische Armee sollte mit Packpferden versehen werden. Um die drängende Notwendigkeit von Lasttieren zu verstehen, müssen wir bedenken, dass die Armee mit Brot aus englischem Mehl und Fleisch verpflegt wurde, welches in England gesalzen war, und dass diese Vorräte von Lake Champlain oder Lake George nach dem Hudson auf den Rücken von Menschen transportiert werden musste. Indes, der Plan wurde geändert bevor die Kolonne Fort Miller passiert hatte, und anstatt nach Manchester zu marschieren, wurde die Expedition nach Bennington dirigiert, wo man annahm, dass die Amerikaner ein grosses Lager von Vorräten hätten. Riedesel nahm sich die Freiheit, gegen diese Befehlsänderung Einsprache zu erheben, aber Burgoyne hielt aus folgenden Gründen daran fest: Erstens würde es von grösstem Vorteil für die Armee sein, 10 oder 12 Tage lang von den Vorräten zu leben, welche man in Bennington finden würde. Zweitens wollte er (Burgoyne) mit der Haupt-Armee nach Stillwater vorgehen, so dass Arnold nicht im Stande sein würde, ein starkes Detachement abzuschicken, um Baum aufzuhalten. Drittens hatte er erfahren, dass St. Leger Fort Stanwix am oberen Lauf des Mohawk-River belagerte, und dass es wichtig sei, Arnold zu verhindern, ein starkes Korps zu dessen Entsatz zu entsenden. Infolgedessen brach Oberstlieutenant Baum am 11. August 1777 nach Bennington auf mit ungefähr 550 Weissen, von denen 374 Deutsche waren. Ungefähr 150 Indianer schlossen sich der Expedition an. Dies gefiel dem Tory nicht, welcher als Führer diente. [S. 115] Er sagte Burgoyne, dass wenigstens 3000 Mann nötig wären, um des Erfolges gewiss zu sein, aber Burgoyne wollte und konnte auch in der That nicht so viele erübrigen.
Am 12. erbeutete Baum einige Vorräte und Vieh in Cambridge.
Am Morgen des 14. fand er einige Vorräte in Sancoik und machte 5 Gefangene. Er meldete Burgoyne, dass Bennington von 15 oder 1800 Mann besetzt sei, aber dass diese wohl bei seiner Annäherung abziehen würden. Er wollte soweit vorgehen, dass er am andern Morgen in der Frühe den Feind überfallen könnte und wollte nach den eingegangenen Nachrichten die notwendigen Dispositionen treffen. Leute strömten in Menge herbei und verlangten bewaffnet zu werden. Die Indianer konnten nicht mehr im Zaum gehalten werden und zerstörten und nahmen alles was ihnen beliebte. Baum, der nicht englisch sprechen konnte, war offenbar auf die Versicherungen des Tory-Gouverneurs Skene angewiesen, der als eine sehr glaubwürdige Persönlichkeit geschienen haben mochte. Burgoyne scheint nicht ganz die irrigen Ansichten seines Untergebenen geteilt zu haben, denn er antwortete mit dem Befehl, Baum sollte nicht weiter vordringen, wenn er den Feind in zu grosser Stärke vorfinden würde, und sollte den Plan aufgeben, einen riskierten Handstreich zu unternehmen. Später an demselben Tage meldete Baum noch, dass er von einer 700 Mann starken Abteilung Rebellen angegriffen worden sei, die er mit ein paar Kanonenschüssen vertrieben hätte, dass aber 1800 Mann in einem günstig gelegenen, befestigten Lager bei Bennington ständen, und dass er auf Verstärkung warten wollte. Diese Meldung bekam Burgoyne während der Nacht, und um 8 Uhr morgens des 15. marschierte Oberstlieutenant Breymann auf seinen Befehl mit 642 Deutschen zu Baums Unterstützung ab. Breymann brach ohne Zelte, Bagage oder genügende Munition und nur mit 2 kleinen Feld [S. 116] geschützen auf. Er hatte nur 24 Meilen zu marschieren, doch legte er nur etwas mehr als die Hälfte der Entfernung zurück, bevor ihn die Nacht zum Biwakieren zwang. Es war ein regnerischer Tag und der Weg war schlecht, trotzdem scheint eine solche Langsamkeit einer Abteilung Soldaten in leichter Marschordnung, die zur Unterstützung ihrer Waffenbrüder vorgehen, unglaublich. Ich habe keine vollkommene Beschreibung der Uniform der braunschweigischen Infanterie gefunden. Riedesel hatte einige Änderungen eingeführt, welche der Dienst und das Klima erfordert hatten, aber sie war doch noch viel zu schwer. Ein grosser Teil von Baums Leuten waren Dragoner zu Fuss. Sie waren mit kurzen, dicken Flinten und schweren Säbeln bewaffnet. Man erzählte sich in der Armee, dass ihr Helm und Säbel allein mehr wog als die ganze Ausrüstung eines englischen Soldaten. Ein so ausgerüsteter Mann möchte zu Pferde auf einem ebenen Grunde furchteinflössend sein, aber zu Fuss, im August, auf einem Marsche durch den dichten Wald war er kaum einem amerikanischen Farmer oder Jäger in Hemdsärmeln gewachsen.
Es ist klar, dass sich niemand, auch Baum selbst nicht, des Ernstes der Situation bewusst war. Am Vormittag des 15. schrieb Burgoyne, dass, wenn ein Rückzug nöthig werden sollte, er so angeordnet werden müsse, dass dem Feind keine Gelegenheit zu einem Erfolg gegeben werde, damit die Indianer nicht entmutigt würden. Deshalb musste alles erbeutete Vieh und die erbeuteten Wagen weggeschafft werden, und alles Mehl und Korn, welches man nicht mitnehmen konnte, sollte unbrauchbar gemacht werden. Erst später kam Burgoyne auf den Gedanken, dass man wohl besser Breymann ohne Artillerie vorgeschoben hätte.
Oberstlieutenant Baum brachte den 15. August 1777 damit zu, sich auf einem Berge 4 Meilen nördlich Bennington einzugraben. Ungefähr um 9 Uhr morgens am 16. be [S. 117] merkte er kleine Abteilungen von Leuten, zum grossen Teil in Hemdsärmeln und mit Vogelflinten auf der Schulter, schnell und geräuschlos hinter seinem verschanzten Lager vorbeipassieren. Der gute Offizier hielt diese Leute in Hemdsärmeln für Tories, welche seinen Schutz suchen wollten. Man sagt, dass viele Leute in jenem Teile des Landes dem Könige den Eid geleistet hätten. Im Laufe des Morgens wurde ein Angriff gemacht, aber mit Leichtigkeit abgeschlagen. Schliesslich um 3 Uhr nachmittags wurden die Deutschen vollständig umzingelt, und der Kampf begann mit ziemlichem Ernst. Die meisten Indianer, Canadier und Tories machten sich aus dem Staube. Die Braunschweiger hielten 1 oder 2 Stunden aus, bis ihre Munition anfing auszugehen. Die Amerikaner fochten mit Verzweiflung. Sie näherten sich bis auf 8 Schritt den Kanonen, die mit Kartätschen geladen waren und feuerten ihre Gewehre auf die Kanoniere ab. Stark, der sie kommandierte, hatte sie durch seinen Mut angefeuert. »Kommt nur, meine Jungens,« soll er vor dem Gefecht gesagt haben, wie berichtet wird, »entweder schlagen wir die Briten oder Molly Stark wird diese Nacht Witwe sein.« Schliesslich schlief das Feuer der Deutschen ein. Die Yankees stürmten noch einmal die Schanzgräben. Es ging Gewehrkolben gegen Säbel. Baum wurde tötlich verwundet und die Braunschweiger gefangen genommen.
Das Gefecht mit Baums Truppen-Abteilung war vorüber, als Breymann in der Nähe des Gefechtsfeldes anlangte. Er giebt an, dass er die Amerikaner vor sich her getrieben und nur die Verfolgung abgebrochen hätte aus Mangel an Pulver und Blei; aber sicher ist, dass er sofort zurückging und in der Nacht sich ohne seine Kanonen auf und davon machte, mit einem Verlust von mehr als einem Drittel seiner Leute. General Burgoyne, der in der Frühe des 17. Nachricht von dieser unglücklichen Affaire erhielt, brach um 6 Uhr mit der ganzen Armee auf, um Breymann zu retten. Das Gros ging in [S. 118] dessen nicht weiter als Battenkill vor, während Burgoyne selbst an der Spitze eines englischen Regiments soweit vordrang, bis er die auf dem Rückzug befindlichen Deutschen traf.
Beinahe 780 Gefangene, von denen ungefähr 400 Deutsche waren, fielen in die Hände der Amerikaner. Von Baums Korps kehrten 365 Deutsche nicht wieder zurück: Breymanns Korps hatte 231 Tote, Verwundete und Vermisste.
Dies Gefecht war der Anfang von Burgoynes Ende. Es bewies ihm die Unmöglichkeit auf Kosten des Landes zu leben und verwies ihn wieder auf sein englisches Ochsenfleisch und Mehl und auf seine Abhängigkeit von den Vorräten, die er mitzuführen im Stande war.
Das Fehlschlagen der Expedition St. Legers am Mohawk ereignete sich ungefähr zu derselben Zeit. Oberst St. Leger hatte Montreal Anfang Juli mit ungefähr 750 Weissen und 1000 Indianern verlassen. Unter den ersteren befand sich eine Jäger-Kompagnie von Hessen-Hanau. Dieses Korps nahm seinen Weg am St. Lawrence und Lake Ontario entlang nach Oswego und von da am Oneida Lake nach Fort Stanwix am Oberlauf des Mohawk-River. Dies Fort war ein gut konstruiertes Erdwerk mit einer Besatzung von einigen 6 oder 700 Milizen unter Oberst Gansevoort. St. Leger sollte dies Fort nehmen und dann dem Lauf des Mohawk bis zu seiner Vereinigung mit dem Hudson folgen und auf diese Weise die Flanke von Gates Armee bedrohen. Aber das Fort wollte nicht genommen sein. Ungefähr 800 Bewohner des Mohawk-Thales, meist von deutscher Abstammung, unter General Herkimer, waren im Begriff, zu seinem Entsatz vorzugehen. Diese wurden am 6. August 1777 im Walde von einer Übermacht von Provinzialen und Indianern überfallen. Nach der ersten Panik fand ein verzweifelter Kampf statt. Die Milizen wussten wohl, dass sie von ihren wilden Gegnern keinen Pardon erwarten durften. [S. 119] Es schien ihnen besser unter ihren Pfeilen oder dem Tomohawk zu fallen als dem qualvollen Messer ausgeliefert zu werden. Herkimer, der am Bein verwundet worden war, war gegen einen Baumstumpf gelehnt und leitete die Verteidigung, während er ruhig seine Pfeife weiter rauchte. Die Leute hatten paarweise sich hinter Bäumen postiert, sodass immer einer schoss, während der andere lud. Diese Anordnung wirkte günstig, und die Miliz begann die Oberhand zu gewinnen. Darauf kam noch ein Haufe von Tories aus dem Thale den Indianern zu Hilfe. Dies steigerte noch mehr die Wut der Amerikaner, denn diese neuen Feinde waren ihre Nachbarn und waren ihre Freunde gewesen. Der verzweifelte Kampf wurde fortgesetzt. Er hatte schon länger als ein und eine halbe Stunde gedauert, und 160 Milizen waren bereits tot, verwundet oder gefangen, als plötzlich in der Richtung von Fort Stanwix her Feuer gehört wurde. Oberst Gansevoort, der von Herkimers Annäherung unterrichtet war, hatte 250 Mann von dem Fort entsendet, um eine Diversion auszuführen. Diese fielen in das englische Lager ein und plünderten einen Teil davon. 5 Flaggen und viele Bagage fiel in die Hände der Abteilung von dem Fort. Durch den Kanonendonner in ihrem Rücken fürchteten die Tories und Indianer zwischen zwei Feuer genommen zu werden. Sie zogen sich zurück unter Mitnahme von einigen Gefangenen, die den Schrecknissen der indianischen Folterqualen entgegengingen, doch liessen sie viele Tote auf dem Gefechtsfelde. Was von den Milizen übrig blieb, zog sich nach Fort Schuyler zurück, da wo jetzt die Stadt Utica steht. Diese blutige Affaire ist das Gefecht von Oriskany genannt worden. Sie besiegelte das Schicksal von St. Legers Expedition und trug in Gemeinschaft mit Bennington dazu bei, das Schicksal von Burgoyne und der Braunschweiger zu entscheiden. Diese zwei kleinen Begebenheiten bilden einen Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte. [S. 120]
Der tapfere Herkimer erlag seinen Wunden zehn Tage nach dem Gefecht. Aber nach kaum einer Woche hob Benedict Arnold mit einer kleinen Truppenabteilung und den wieder gesammelten Milizen des Thales die Belagerung von Fort Stanwix auf, und St. Leger, den viele von den Indianern verliessen, zog sich mit den Überbleibseln seines Korps nach Oswego zurück, indem er seine Zelte und eine beträchtliche Bagage im Stich liess.
Burgoyne war durch die Niederlage von Baum und St. Leger etwas niedergeschlagen, aber er setzte seine Hoffnung auf Hilfe von Süden her und fühlte sich durch die Befehle, die er von England bekommen hatte, gebunden.
Nach der Niederlage von Bennington blieb Burgoyne noch beinahe einen Monat in der Umgegend von Fort Edward und hinter der Linie des Battenkill. Diese Zeit wurde benutzt, um Vorräte anzuhäufen und Boote vom Lake Champlain nach dem Lake George zu schaffen. Am 13. September 1777 ging die Armee bei Schuylerville über den Hudson und verliess die rückwärtigen Verbindungslinien um einen kühnen Stoss auf Albany zur Vereinigung mit Sir William Howe zu machen. 180 Boote begleiteten die Armee, deren linke Flanke sich an den Hudson anlehnte. Diese Boote führten für einen Monat Lebensmittel mit sich. »Jetzt fingen wir wieder an in unserem lieben gesalzenen Pökelfleisch und Brot zu arbeiten,« schreibt ein deutscher Offizier. »Liebe Freunde, verachtet diese königlichen Gerichte nicht, die wirklich einen königlichen Preis kosten, denn der Transport von England ist gewiss nicht billig gewesen. Pökelfleisch Mittags und Abends. Pökelfleisch warm und kalt. Freunde! ungeachtet Eurer grünen Erbsen und Krebsschwänze würdet Ihr unser Pökelfleisch mit Ekel angesehen [S. 121] haben, und doch war es für uns ein herrliches Gericht, ohne welches wir umgekommen sein würden; und wenn wir später genug Pökelfleisch gehabt hätten, hätte uns unser Unglück nicht nach Boston geführt.« Während dessen strömten die Amerikaner, ermutigt durch ihren Sieg bei Bennington und ihren Erfolg im Mohawk-Thale, in das Lager von Gates bei Stillwater. Sie hatten keine Uniformen, waren aber zum grössten Teil gut bewaffnet mit Büchsen und Jagdgewehren, welche sie von Jugendzeit an fortwährend geführt hatten. Es wurde Burgoyne am 7. September gemeldet, dass ihrer 14 oder 15000 wären. Da gab es keine andere Wahl als anzugreifen oder den Feldzug aufzugeben.
Die Armee trat ihren Marsch nach Süden in drei Kolonnen an. Die rechte war unter Brigade-General Fraser, dem stürmischen Befehlshaber der leichten Truppen. Das Zentrum wurde von Burgoyne selbst kommandiert, und die linke, am Hudson, von Riedesel. Die britische Armee konnte nur langsam vorgehen wegen der wiederherzustellenden Wege und Brücken. Die Marschleistung betrug durchschnittlich 2 Meilen den Tag. Am Nachmittag des 19. September wurde Burgoynes mittlere Kolonne bei Freeman's Farm, nördlich Stillwater energisch angegriffen. Die Engländer besetzten mit einigen Kanonen ein ausgerodetes Stück Land. Die Amerikaner hatten keine Artillerie. Das Gefecht dauerte den ganzen Nachmittag, und wurde auf beiden Seiten mit grosser Tapferkeit geführt. Gegen Einbruch der Nacht kam Riedesel mit 7 Kompagnien deutscher Infanterie und 2 Kanonen Burgoyne zu Hilfe, griff die rechte Flanke der Amerikaner an und überschüttete sie mit Kartätschen. Die Engländer schlossen sich wieder zusammen und feuerten, und die Amerikaner wurden geworfen, nahmen aber ihre Verwundeten mit und ungefähr 100 Gefangene. Sie hatten ungefähr 320 Mann verloren, die Briten annähernd zweimal soviel. Die Letzteren behaupteten zwar das Feld und mögen daher [S. 122] den Sieg beanspruchen, aber es war ein nutzloser Sieg, den sie nicht im Stande waren auszubeuten. Am 20. fing Burgoyne an seine Stellung zu befestigen. Die Aussicht auf Erfolg war von nun ab nur durch das Zusammenwirken mit der Armee von Süden her bedingt — eine Hilfe, die niemals kam.
Die Deutschen leisteten Burgoyne im Laufe dieses Tages die wichtigsten Dienste. Breymann mit den Grenadieren und der leichten Infanterie zeichnete sich früh am Nachmittag aus, indem er einem englischen Regiment, das im Weichen begriffen war, zu Hilfe kam. Kapitän Pausch von der Hanauschen Artillerie mit seinen zwei Sechspfündern entschieden die Schlacht. Breymann und Pausch wurden beide von Burgoyne öffentlich belobt.
Inzwischen war die Armee ernstlich im Rücken bedroht worden. Oberst Brown, der unter dem Befehl von General Lincoln operierte, hatte einige der Aussenwerke von Ticonderoga mit ungefähr 300 Gefangenen genommen, war aber von dem Haupt-Fort zurückgeworfen worden.
Baronin Riedesel hatte die Armee auf ihrem Marsche begleitet. Sie war ermutigt worden, sagt sie, als sie General Burgoyne hat sagen hören, dass Engländer niemals zurückgingen. Jedoch wurde sie misstrauisch, als sie merkte, dass alle Offiziers-Frauen, die bei der Armee waren, alle Operations-Pläne kannten, und sie erinnerte sich, dass in der Armee des Prinzen Ferdinand im 7jährigen Krieg alles sehr geheim gehalten wurde. Nun aber waren den Amerikanern alle feindlichen Absichten bekannt und sie erwarteten die Engländer, wohin sie sich auch immer wandten.
Frau von Riedesel war Augenzeugin der Schlacht am 19. September und zitterte bei jedem Schuss für das Leben ihres Gemahls. Drei verwundete Offiziere wurden in das Haus gebracht in dem sie wohnte, und einer von ihnen, der Neffe von Leuten, die in England sehr gütig gegen sie gewesen waren, starb wenige Tage darauf an [S. 123] den Folgen einer Operation. Die Baronin konnte seine letzten Seufzer durch die dünne Wand hören.
Der Zustand der Armee wurde bald ein sehr bedenklicher. Die Lebensmittel wurden knapp, Wein und Kaffee schrecklich teuer. Uniformen und Kleider zerrissen in den Büschen und durchweichten bei dem Kampieren auf dem feuchten Boden, und neue konnten um keinen Preis geschafft werden. Das amerikanische Lager, welches man von 12 000 Mann besetzt glaubte, war so nahe, dass man die Trommeln und die Rufe der Soldaten deutlich hören konnte. Der Wald war aber so dicht, dass man es nicht sehen konnte. Die Engländer hatten eine Schiffbrücke über den Hudson gebaut, und es wurden Kundschafter hinübergeschickt, die versuchen sollten, das Lager vom andern Ufer aus einzusehen; dies war aber nicht möglich gewesen.
Ein von Sir Henry Clinton in Geheimschrift geschriebener Brief, der vom 10. September datiert war, langte am 21. an. Clinton kündigte seine Absicht an, in 10 Tagen Fort Montgomery am Hudson anzugreifen. Burgoyne sandte den Boten sofort zurück mit einem Briefe, der in eine silberne Kugel eingeschlossen war, welche Sir Henry direkt eingehändigt werden sollte. Dieser Brief sollte Clinton zur Eile antreiben und ihn veranlassen, eine Diversion zu Gunsten Burgoynes herbeizuführen. Der Bote nahm seinen Weg durch das feindliche Land nach Fort Montgomery, aber hier scheint ihn seine Geistesgegenwart verlassen zu haben. Er soll nämlich amerikanische Truppen für englische gehalten, nach General Clinton gefragt und nicht eher seinen Irrtum gemerkt haben, als bis er — nicht vor Sir Henry, sondern vor den amerikanischen General geführt wurde. Darauf schluckte der Unglückliche die Kugel hinunter, doch wurde ihm ein Brechmittel verordnet, die Depesche wurde gefunden und der Bote als Spion gehängt.
Am 6. Oktober wurden die Forts Clinton und Montgomery von Sir Henry Clinton gestürmt. Ein [S. 124] Anspachisches Regiment, ein Hessisches und 2 Kompagnien hessischer Jäger, welche letztere erst vor kurzem von Europa angekommen waren, hatten an dieser Waffenthat teil genommen. Der Hudson stand nun den Briten vollkommen offen. Dies würde der richtige Moment gewesen sein, um zu Burgoynes Unterstützung einen Vorstoss zu machen, aber Sir William Howe hatte den grösseren Teil seiner Armee nach Philadelphia dirigiert und nur ein kleines Korps unter General Vaughan kam sengend und plündernd den Hudson hinauf.
Burgoynes Situation wurde mit jedem Tage kritischer. Am 4. Oktober wurde die Ration der Soldaten um 1/3 heruntergesetzt. Desertionen waren häufiger vorgekommen trotz strenger Strafe; selbst die Todesstrafe verhinderte sie nicht. Kleinere Scharmützel kamen häufiger vor. Das Wetter war furchtbar heiss und die Armee verging vor Unthätigkeit.
An dem Tage, an welchem die Leute auf kleinere Ration gesetzt worden waren, berief General Burgoyne einen Kriegsrat. Die Generale Phillips, Riedesel und Fraser waren zugegen. Burgoyne schlug ihnen vor, die Gegend am Fluss zu verlassen und zu versuchen, die amerikanische linke Flanke zu umgehen. 800 Mann sollten zum Schutz der Boote und Vorräte zurückgelassen werden. Der Rest der Armee sollte sich an der Unternehmung beteiligen. Man entgegnete aber, dass die Strassen und Stellungen der Amerikaner nicht bekannt wären, dass drei oder vier Tage nötig sein würden, um die amerikanische Flanke zu umgehen, und dass während dieser ganzen Zeit die Vorräte unter einer schwachen Bedeckung zurückgelassen werden müssten. Man kam zu keinem bestimmten Entschluss am 4., es wurde daher für den Abend des 5. ein zweiter Kriegsrat befohlen. In diesem erklärte Riedesel, dass die Lage der Armee von einer Beschaffenheit wäre, dass, wenn sie nicht in einem Tage den Feind erreichen, ihn angreifen und die Sache zur [S. 125] Entscheidung bringen könnte, es dienlicher wäre, sich wieder über den Hudson hinter den Battenkill zurückzuziehen, um dort die Annäherung Clintons zu erwarten. Dort könnte die Armee nicht von Fort George abgeschnitten werden. Fraser stimmte Riedesel bei. Phillips wollte keine bestimmte Meinung aussprechen, und Burgoyne dem es zu hart ankam, eine rückwärtige Bewegung zu machen, erklärte, er wollte am 7. eine Rekognoszierung vornehmen, und, wenn sich bei dieser zeigte, dass der Feind nicht mit Erfolg angegriffen werden könnte, den Rückzug antreten.
Am 6. Oktober 1777 wurde für 4 Tage Verpflegung ausgegeben, und am 7. um 10 Uhr morgens rückten 1500 Mann, unter denen 500 Deutsche waren, mit 8 Bronze-Kanonen und 2 Haubitzen zur Rekognoszierung aus dem Lager. Die vier Generale beteiligten sich daran, die Expedition war aus allen Teilen der Armee zusammengesetzt. Sie gingen bis auf eine Anhöhe ungefähr 3/4 Meilen von dem amerikanischen linken Flügel entfernt vor — nach Riedesel eine sehr schlechte Stellung, wo man nichts vom Feinde sehen konnte. Brigade-General Fraser kommandierte den rechten Flügel, die deutschen Detachements waren im Zentrum, Major Ackland mit den englischen Grenadieren auf dem linken Flügel. Es wurde beschlossen, den Angriff abzuwarten, und Brigade-General Fraser unternahm es, die Fourage von zwei Scheunen wegtransportieren zu lassen. Kleine feindliche Detachements erschienen von Zeit zu Zeit, und man ergötzte sich daran, Kanonen auf sie abzufeuern, bis plötzlich ein heftiges Musketenfeuer auf dem linken Flügel gehört wurde, und unmittelbar darauf Acklands Grenadiere zurückgelaufen kamen, indem sie ihren Führer verwundet zurückliessen.
Der deutsche linke Flügel wurde auf diese Weise entblöst und in Unordnung zurückgeworfen, die hessischen Kanonen in Gefahr gebracht. Diese blieben noch einige Zeit in Thätigkeit, wurden aber schliesslich genommen. [S. 126] Der britische rechte Flügel scheint länger als der linke und der übrige Teil der Linie ausgehalten zu haben, aber nach einiger Zeit wurde General Fraser tötlich verwundet und seine Leute zurückgedrängt, hielt sich jedoch in besserer Ordnung als der linke Flügel. Auch die Deutschen gingen in ziemlicher Auflösung zurück unter Zurücklassung aller zur Rekognoszierung mitgenommenen Kanonen.
Die zurückgehenden Abteilungen warfen sich in eine Redoute und behaupteten ihre Stellungen bis zum Ende des Nachmittags trotz der wiederholten und verzweifelten Angriffe der Amerikaner.
Oberstlieutenant Breymann hielt sich in einer kleinen Redoute auf dem äussersten rechten Flügel der diesseitigen Stellung. Sein Korps war durch die bei Bennington und am 19. September erlittenen Verluste auf ungefähr 500 Mann zusammengeschmolzen; 300 von diesen hatten an der Rekognoszierung teilgenommen und waren nun mit den übrigen in die grosse Redoute auf dem rechten Flügel zurückgeworfen. Der Teil der britischen Linie, welcher Breymanns Redoute mit der Hauptstellung verband, war frei von Besatzung. Die Amerikaner nahmen ihren Weg durch diese Lücke in der Linie, Breymann und seine 200 Mann wurden in Rücken und Flanke angegriffen, der Oberstlieutenant totgeschossen und die Leute entweder durch die Flucht gerettet oder gefangen genommen.
Als die Nachricht hiervon zum Hauptkorps drang, murrten einige Engländer über die Haltung ihrer deutschen Bundesgenossen. Aufgebracht hierüber, sammelte Oberstlieutenant von Specht 4 Offiziere und ungefähr 50 Mann um sich, brach mit diesen auf durch den dunkeln Wald, um Breymanns Redoute wiederzunehmen. Er verlor den Weg und wurde durch einen verräterischen Führer in die Hände der Amerikaner geliefert.
Die Amerikaner fochten an diesem Tage mit grosser Tapferkeit und hatten den Vorteil der Überlegenheit an [S. 127] Zahl, aber waren ohne einen hinlänglichen Führer. Weder Gates noch Lincoln erschienen auf dem Felde. Benedict Arnold, welcher kein besonderes Kommando hatte, focht mit seinem gewöhnlichen, keine Gefahr achtenden Mut, aber er hatte nicht das Talent eines Strategen. Er wurde bei der Einnahme von Breymanns Redoute schwer verwundet; es wäre ein Glück für ihn gewesen, wenn seine Wunde tötlich gewesen wäre.
Es blieb Burgoynes Armee nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen. Einige Eile würde vielleicht ihr Entkommen gesichert haben, aber überall war Unordnung und Langsamkeit. Früh am Morgen des 8. Oktober 1777 wurden die Briten und Deutschen auf den Höhen, von denen man den Hudson übersieht, gesammelt. Hier wurde am Abend desselben Tages General Fraser beerdigt, an einer Stelle, welche er sich selbst als Ruheort ausgewählt hatte. Er war schwer verwundet in das Haus, welches Baronin Riedesel inne hatte, gebracht; er hatte mit ihrem Gemahl zusammen am siebenjährigen Kriege teilgenommen. Die Baronin hatte die Absicht, am 7. ein kleines Diner zu geben. »Der General Fraser,« sagt sie, »und ich glaube, auch die Generale Burgoyne und Phillips sollten denselben Tag bei mir zu Mittag essen. Ich sah viel Bewegung unter den Truppen. Mein Mann sagte mir, es sollte eine Rekognoszierung gemacht werden, welches mir nicht auffiel, weil dieses öfters geschehen. Auf meinem Rückweg nach Hause begegneten mir viele Wilde in ihrer Kriegskleidung und mit Flinten. Auf meine Frage, wo sie hingingen, riefen sie mir zu: »War! War!« das hiess, dass sie zur Schlacht gingen, welches mich ganz zu Boden schlug, und kaum war ich zurückgekommen, so hörte ich auch plänkeln, und nach und nach immer stärker feuern, bis endlich das Lärmen gar arg wurde. Es war eine erschreckliche Kanonade, und ich war mehr tot als lebendig. Gegen 3 Uhr nachmittags, anstatt dass meine Gäste hätten sollen zu mir zum Essen kommen, brachte [S. 128] man mir auf einer Trage den armen General Fraser, einen der erwarteten Mittagsgäste, tötlich verwundet. Unser Esstisch, der schon gedeckt war, wurde weggenommen, und man setzte an dessen Stelle ein Bett für den General. Ich sass in einer Ecke der Stube, zitternd und bebend. Der Lärm wurde immer stärker. Der Gedanke, dass man mir meinen Mann so bringen könnte, war mir entsetzlich und quälte mich unaufhörlich. Der General sagte dem Wundarzt: »Verschweigen Sie mir nichts! Muss ich sterben?...« Ich hörte ihn oft seufzend ausrufen: »Oh bad ambition! poor General Burgoyne! poor Mistress Fraser!««
Der General kämpfte die Nacht hindurch mit dem Tode und starb am folgenden Morgen. Das Haus war derartig überfüllt, dass die Baronin ihre Kinder auf den Hausflur bringen musste, damit sie durch ihr etwaiges Schreien dem sterbenden Manne nicht beschwerlich fallen möchten. Sein Leichnam lag den ganzen Tag in ihrem Zimmer. Als sein Stab und die Generäle sich um sein Grab versammelt hatten, schossen die Amerikaner, die hiervon nichts ahnten, auf die Trauer-Versammlung. So wurde, unter dem Feuer der feindlichen Kanonen als Trauersalut, der tapfere Führer der leichten Truppen zur letzten Ruhe gebettet.
Um 10 Uhr abends des 8. brach die Armee nach Norden auf. Riedesel kommandierte die Tête der Kolonne. Das Lazareth mit seinen 800 Insassen wurde zurückgelassen. Die Boote mit dem, was an Vorräten noch übrig war, nahmen ihren Weg langsam stromaufwärts. Die Wachtfeuer liess man brennen, um die amerikanischen Feldwachen zu täuschen.
General Burgoynes Armee legte nur eine kurze Strecke in jener Nacht zurück und hielt dann bis zum folgenden Nachmittag. Am Abend des 9. besetzten die Briten das Dorf Saratoga. Während der Nacht durchwateten sie den Fishkill und lagerten auf der Höhe in [S. 129] dem Winkel zwischen diesem Fluss und dem Hudson. So hatte vom Abend des 7. bis zum Morgen des 10. Burgoyne, für welchen Zeitgewinn von allergrösster Wichtigkeit war, nur etwas mehr als 8 Meilen sich zurückgezogen.
In dem Lager nördlich des Fishkill machte Burgoyne Halt und nahm seinen Marsch von hier aus nicht wieder auf. Oberstleutnant Southerland war vorgeschickt worden, um eine Brücke über den Hudson bei Fort Edward zu bauen, wurde aber sofort wieder zurückberufen. Bei Tagesanbruch am 11. machte eine amerikanische Brigade einen Vorstoss über den Fishkill, nahm sämtliche Boote und viele Vorräte, machte einige Gefangene und zog sich vor einem heftigen Kartätschfeuer zurück. Den ganzen Tag lang wurde die englische Armee in Front und Rücken mit Kanonen beschossen.
Am Abend beschied General Burgoyne die Generäle Riedesel und Phillips zu sich, um sich mit ihnen über das Wohl und Wehe der Armee zu beratschlagen. Burgoyne selbst hielt es für unmöglich, den Feind anzugreifen oder die eigene Stellung zu halten, wenn er im Zentrum und auf dem rechten Flügel angegriffen werden würde. General Riedesel machte deshalb den Vorschlag, in der Nacht unter Zurücklassung der Bagage abzuziehen, den Hudson 4 Meilen unterhalb Fort Edward zu durchwaten und durch die Wälder nach Fort George zu gelangen zu suchen. Es wurde aber keine Entscheidung getroffen.
Ein anderer Kriegsrat wurde unter Hinzuziehung von zwei Brigade-Generälen am folgenden Nachmittag gehalten. General Riedesel bestand auf seinem Plan vom Tage vorher »sehr emphatisch und mit eindringlichen [S. 130] Worten«, und man stimmte dem Plan bei. Aber es war vergessen worden, Verpflegung an die Truppen auszugeben, und so wurde der Abmarsch auf abends spät verschoben. Um 10 Uhr liess Riedesel Burgoyne sagen, dass alles zum Abmarsch bereit sei, aber er erhielt zur Antwort, dass es bereits zu spät sei, um noch irgend etwas zu unternehmen. So wurde die letzte Chance preisgegeben, denn am andern Morgen war die Armee vollkommen umzingelt.
Am 13. Oktober wurde ein dritter Kriegsrat, dem auch die Regiments-Kommandeure beiwohnten, zusammenberufen. General Burgoyne setzte die Hoffnungslosigkeit der Situation auseinander. Nur noch für fünf Tage wären Vorräte vorhanden. Das ganze britische Lager könnte von den feindlichen Kartätschen und Flintenkugeln erreicht werden. Gates Armee hätte hinter einem morastigen Hohlweg Stellung genommen, und zwar so, dass, wenn Burgoyne angreifen wollte, er sich so weit vom Hudson entfernen müsste, dass die Amerikaner den Fluss überschreiten und ihn im Rücken angreifen würden. Selbst wenn man den Feind erfolgreich angegriffen und durchbrochen haben würde, so wären doch nicht Lebensmittel genug vorhanden, um nach Fort George zu gelangen. Die Stellung, welche die Armee nunmehr einnähme, wäre im Zentrum und auf dem rechten Flügel unhaltbar. (Dies war die Terrainstrecke, welche hauptsächlich von den Deutschen besetzt war.)
Burgoyne erklärte, dass niemand anders als er selbst für die Lage, in der sich die Armee gegenwärtig befände, verantwortlich gemacht werden könnte, da er niemand um Rat gefragt, sondern nur Befolgung seiner Befehle gefordert habe. Riedesel dankte Burgoyne für diese Erklärung, da hierdurch jedermann überführt würde, dass er keinen Anteil an der Leitung der von der Armee ausgeführten Bewegungen gehabt hätte, und bat daher alle [S. 131] englischen Offiziere, ihm dieses zu bezeugen, wenn er jemals zur Verantwortung gezogen werden sollte.
Hierauf legte Burgoyne dem Kriegsrat folgende Fragen vor:
1. Ob in der Kriegsgeschichte Beispiele wären, dass eine Armee in dieser Lage kapituliert hätte.
2. Ob in einer solchen Lage eine Kapitulation entehrend sei.
3. Ob die Armee wirklich in der Lage sei, kapitulieren zu müssen.
Auf die erste Frage antworteten alle, dass die Lage der sächsischen Armee bei Pirna, des Generals Fink bei Maxen und des Prinzen Moritz von Sachsen nicht so schlimm und hülflos gewesen wäre, als die, worin sich gegenwärtig die Armee befände; und dass niemand die Generäle hätte tadeln können, die, um ihre Armeen zu retten, in solcher Lage kapituliert hätten; ausser, dass der König von Preussen den General v. Fink, jedoch hauptsächlich aus persönlicher Ungnade, kassiert hätte.
Auf die zweite Frage antworteten alle, dass aus den eben angeführten Gründen die Kapitulation nicht entehrend sein könne. Und auf die dritte Frage stimmten alle darin überein, dass, wenn der General Burgoyne die Möglichkeit sähe, den Feind anzugreifen, sie bereit wären, ihr Blut und Leben aufzuopfern; wenn dies aber nicht thunlich sei, so hielten sie es für besser, durch eine ehrenvolle Kapitulation dem Könige die Truppen zu retten, als durch ein noch längeres »Anstehen« Gefahr zu laufen, wenn alle Lebensmittel aufgezehrt wären, sich auf Diskretion ergeben zu müssen; oder aber, bei einem Angriff in dieser fehlerhaften Position gesprengt und dann einzeln aufgerieben zu werden.
Nach dieser Erklärung setzte General Burgoyne den Entwurf zu einer Kapitulation auf, welcher vorteilhaft schien und daher einmütig gebilligt wurde. Hierauf wurde ein Tambour ins feindliche Lager geschickt um anzu [S. 132] zeigen, dass man am andern Tag einen Stabsoffizier hinüberschicken wolle, um mit General Gates Sachen von Wichtigkeit zu verhandeln, und während dieser Zeit um Waffenstillstand zu bitten. Dies wurde von General Gates bewilligt.
Am 14. vormittags 10 Uhr wurde der Major Kingston in das amerikanische Lager hinübergeschickt, um die Vorschläge Burgoynes zu überbringen, welche in der Hauptsache darin bestanden, dass seine Armee sich zu Kriegsgefangenen, jedoch nur unter der Bedingung ergeben wolle, dass sie nach Boston geführt und von da nach England eingeschifft werden sollte, nachdem sie sich verpflichtet haben würde, in diesem Kriege, oder bis zu ihrer Auswechselung, nicht gegen die Amerikaner zu dienen.
General Gates nahm aber diese Vorschläge nicht an, sondern setzte einen andern Kapitulations-Entwurf in 6 Artikeln auf, welcher besagte, dass, »da General Burgoynes Armee durch wiederholte Niederlagen, Desertion, Krankheit etc. zusammengeschmolzen sei, die Vorräte erschöpft, die Dienstpferde, Bagage, Zelte genommen oder zerstört seien, ihre Rückzugslinien verlegt und ihr Lager umgezingelt sei, sie sich kriegsgefangen ergeben sollte.«
Der sechste Artikel besagte, dass »sobald dieser Vertrag gebilligt und unterzeichnet sei, die Truppen unter dem Befehl Seiner Exzellenz des Generals von Burgoyne in den Retranchements, in denen sie jetzt stünden, das Gewehr strecken und sodann nach dem Orte ihrer weiteren Bestimmung marschieren sollten.«
General Burgoyne liess den Kriegsrat zusammenrufen und las diese Propositionen des General Gates vor. Die Offiziere erklärten alle einmütig, dass sie lieber Hungers sterben, als solche entehrenden Artikel eingehen wollten. Major Kingston wurde wieder zu General Gates zurückgeschickt, um ihm sagen zu lassen, dass, wenn er nicht [S. 133] von dem 6. Artikel ablassen würde, die Verhandlungen sofort abgebrochen würden; die Armee würde eher wie ein Mann einen Verzweiflungs-Coup ausführen, als sich diesem Artikel unterwerfen. Der Waffenstillstand wurde hierauf aufgehoben.
Zu aller Erstaunen langten am folgenden Morgen (15. Oktober 1777) neue Vorschläge von General Gates an, worin er alle von Burgoyne vorgeschlagenen Artikel der Hauptsache nach billigte; es wurde nur noch ausgemacht, dass die Armee schon an demselben Tage nachmittags um 2 Uhr aus ihrer Position abmarschieren sollte.
Diese plötzliche Veränderung erregte bei den englischen und deutschen Offizieren Misstrauen. Der Kriegsrat beschloss, Gates Vorschläge anzunehmen, wollte aber versuchen Zeit zu gewinnen. Eine Kommission, bestehend aus zwei Stabsoffizieren von jeder Seite, wurde ernannt, und diese verhandelte über verschiedene Kleinigkeiten, die den Artikeln noch hinzuzufügen waren, bis 11 Uhr nachts. Die Amerikaner bewilligten alles, was man von ihnen verlangte. Die Engländer ihrerseits versprachen, dass am andern Morgen die Kapitulation von General Burgoyne unterzeichnet und General Gates übersandt werden würde. Der Waffenstillstand sollte fortdauern.
Dieselbe Nacht kam ein Überläufer und sagte aus, dass er durch dritte Hand erfahren habe, der englische General Clinton habe nicht allein die Verschanzung von den Highlands erobert, sondern sei auch schon vor 8 Tagen bis nach Esopus vorgerückt und müsse aller Wahrscheinlichkeit nach schon in Albany angekommen sein. Burgoyne sowohl, wie verschiedene andere Offiziere wurden durch diese Nachricht so begeistert, dass sie grosse Lust bekamen, die Kapitulation zu brechen. Es wurde noch einmal ein Kriegsrat zusammenberufen, welcher folgende Fragen beantworten sollte:
»1. Ob ein Traktat, der von bevollmächtigten [S. 134] Kommissarien finaliter arrangieret sei, noch nach dem Versprechen des Generals, solchen, sobald die Kommissarien alles applanieret, zu unterzeichnen, mit Ehren gebrochen werden könne?
2. Ob die eingegangenen Nachrichten so hinlänglich sicher wären, dass sie ein Bewegungsgrund sein könnten, einen in unserer Lage so vorteilhaften Akkord zu brechen?
3. Ob die Armee wohl noch munteren Geist genug hätte, ihre jetzige Stellung bis auf den letzten Mann zu verteidigen?«
Auf die erste Frage erklärten 14 Offiziere gegen 8, dass ein solcher Traktat ohne Verletzung der Ehre nicht gebrochen werden könne. Über die zweite waren die Stimmen geteilt. Die Verneinenden stützten sich darauf, dass der Überbringer der Nachricht alles nur vom Hörensagen hätte, und dass, selbst wenn General Clinton wirklich in Esopus wäre, die Entfernung von da doch noch so gross sein würde, dass er ihnen in ihrer gegenwärtigen Lage doch nicht mehr helfen könnte. Auf die dritte Frage war die Antwort aller Offiziere vom linken Flügel bejahend; die Offiziere vom Zentrum und rechten Flügel antworteten aber, dass zwar alle Soldaten den grössten Mut bezeigen würden, wenn es zum Angriff des Feindes gehen sollte, dass aber, da ihnen allen das Fehlerhafte ihrer Position zu gut bekannt wäre, zu befürchten stände, sie würden einen feindlichen Angriff nicht ebenso aushalten. Da die braunschweigischen Truppen hauptsächlich das Zentrum und den rechten Flügel einnahmen, so bezieht sich auf diese Erklärung ihrer Offiziere wahrscheinlich eine Bemerkung Burgoynes in einem Privatbrief »die Deutschen entmutigt und bereit, bei dem ersten Feuer die Waffen zu strecken.«
Um doch noch Zeit zu gewinnen, wurde ein letztes Mittel versucht. Burgoyne schrieb nämlich am 16. früh an General Gates einen Brief, worin er ihm erklärte, dass er in der vergangenen Nacht von Deserteuren die [S. 135] Nachricht erhalten habe, dass er, General Gates, einen ansehnlichen Teil seiner Armee nach Albany detachiert hätte und zwar im Laufe der Unterhandlungen; dies wäre ganz gegen Treue und Glauben und er, Burgoyne, würde die Kapitulation nicht eher unterzeichnen, bis sich nicht ein Offizier seines Stabes davon überzeugt haben würde, dass die amerikanische Armee drei bis viermal der englischen überlegen sei. Gates scheint schliesslich dieses Herumführen an der Nase müde geworden zu sein. Er liess als Antwort sagen, dass seine Armee noch dieselbe Stärke wie vorher und sogar noch Verstärkung bekommen hätte; dass er es ebenso wenig für politisch wie vielmehr seiner Ehre nachteilig halten würde, die Stärke seiner Armee einem von General Burgoynes Offizieren zu zeigen, und dass der General wohl bedenken möchte, was er thäte, wenn er sein Ehrenwort bräche; er würde für die Folgen verantwortlich sein. Gates fügte hinzu, dass, sobald die Kapitulation unterzeichnet sein würde, er bereit sei, dem General Burgoyne seine ganze Armee zu zeigen, und er stände mit seiner Ehre dafür, dass er sie viermal so stark als die Britische finden würde, ungerechnet die Truppen, die jenseits des Hudson postiert wären. Er könne aber jetzt nicht mehr länger als eine Stunde Zeit zur Antwort gestatten, und würde nach Verlauf derselben sich genötigt sehen, die strengsten Massregeln zu ergreifen.
Hierauf wurde der Kriegsrat noch einmal zusammenberufen, und Niemand fand sich mehr, der dem General zum Brechen seines Wortes geraten hätte. Burgoyne zog die Generale Phillips und Riedesel allein auf die Seite und bat um ihren freundschaftlichen Rat. Beide schwiegen anfänglich stille, bis endlich der General Riedesel erklärte, dass wenn der General Burgoyne in England zur Verantwortung gezogen werden sollte, er nur für die Bewegungen, die die Armee in eine solche Lage gebracht hätten, verantwortlich sein könnte, und vielleicht wegen der ersten Eröffnung einer Kapitulation und deswegen, weil er nicht [S. 136] frühzeitig genug den Rückzug so weit gemacht, dass man Herr der Kommunikation mit dem Fort George geblieben wäre. Nun aber nach allen gethanen Schritten hielt es Riedesel noch viel gefährlicher, den Tractat auf eine ungewisse und unzuverlässige Nachricht hin zu brechen.
Gleicher Meinung war der Brigadier Hamilton, der hinzu kam und auch darüber befragt wurde. General Phillips sagte nur, dass die Lage der Dinge eine derartige sei, dass er weder Rat noch Hilfe ausfindig machen könne. Nach vielem Überlegen hin und her entschloss sich Burgoyne schliesslich zu unterzeichnen, und hierauf wurde die unterzeichnete Kapitulation an General Gates gesandt.
Es übergaben sich im Ganzen 5791 Mann. Riedesel hat festgestellt, dass nicht mehr als 4000 von diesen dienstfähig waren. Die Zahl der Deutschen, die sich ergaben ist von Eelking auf 2431 festgestellt worden, von denen die getötet, verwundet und vermisst wurden vom 6. Oktober an auf 1122. Der Gesamt-Verlust der Briten und ihrer Hilfstruppen an Toten, Verwundeten, Gefangenen und Deserteuren während dieser Kampagne, einschliesslich der Verluste von St. Legers Expedition, betrug annähernd 9000 Köpfe.
Die Tage, welche der Uebergabe vorausgegangen waren, waren Tage der Verwirrung gewesen. Baronin Riedesel sagt, dass sie am Abend des 9. Oktober in Saratoga, nachdem sie während des ganzen Tages nur eine halbe Stunde zurückgelegt hatten, den General Phillips gefragt habe, warum sie denn den Rückzug nicht fortsetzten, da es doch noch Zeit wäre. Der General bewunderte ihre Entschlossenheit und wünschte, sie hätte den Befehl über die Armee. Dieselbe Dame erwähnt, dass Burgoyne die Hälfte jener verhängnisvollen Nacht singend und trinkend zugebracht und sich mit seiner Maitresse amüsiert habe.
Die Armee war dem Elend und der Unordnung anheim gefallen. Am 10. verpflegte die Baronin mehr als [S. 137] 30 Offiziere aus ihren Privat-Vorräten, »denn wir hatten einen Koch, der, ob er gleich ein Erzschelm war, doch zu allem Rat wusste, und oft des Nachts kleine Flüsse passierte, um den Landleuten Hämmel, Hühner und Schweine zu stehlen, die er sich nachher gut bezahlen liess von uns, wie wir erst in der Folge erfahren haben.« Diese Vorräte waren nun erschöpft, und die Dame in ihrer Verzweiflung rief den General-Adjutanten, der ihr gerade in den Wurf kam, zu sich heran, er möchte Burgoyne über den grossen Mangel, an dem die in Dienst verwundeten Offiziere litten, in Kenntnis setzen. Der kommandierende General nahm dies gut auf, kam selbst zu ihr und dankte ihr, dass sie ihn an seine Pflicht erinnert hätte, und gab Befehl, dass Lebensmittel verteilt werden sollten. Die Baronin glaubte, dass Burgoyne ihr nie diese Einmischung verziehen habe. Es scheint mir, nach den Aufzeichnungen Beider, dass eher sie und ihr Gemahl als Burgoyne einen heimlichen Groll hegten. Die Denkschrift, welche General Riedesel verfasste und von seinen Offizieren gleich nach der Übergabe unterzeichnet wurde, ist eine lange Anklage gegen Burgoyne und legt die üblen Folgen dar, dass man den Schreiber nicht um Rat gefragt oder seine Pläne nicht pünktlich zur Ausführung gebracht habe. Es ist klar, dass Riedesel Burgoyne für das Unglück der Armee verantwortlich machte, das Unglück, welches ihm so zu Herzen ging, dass sein Körper und seine Gemütsstimmung längere Zeit ernstlich darunter litten. Burgoyne schrieb im Frühjahr 1778, bevor er Amerika verliess an den Herzog von Braunschweig und pries Riedesels grosse Fähigkeiten und die Art, wie er die Befehle seines vorgesetzten Offiziers ausgeführt hätte. — Hieraufhin schrieb Riedesel einen sehr freundlichen Brief an Burgoyne, in welchem er ihm in seinem und seiner Offiziere Namen für die ihnen bewiesene Güte dankte. »Wenn auch unsere Bemühungen nicht vom Glück gekrönt worden sind«, fährt er fort, [S. 138] »so wissen wir doch wohl, dass es nicht Ihr Fehler war, sondern dass die Armee ein Opfer der Wechselfälle des Krieges geworden ist.« Dieser einzige Ausdruck des Vertrauens ist mit dem, was Riedesel zu andern Zeiten und an anderer Stelle sagt, nicht in Einklang zu bringen. Die oben erwähnte militärische Denkschrift, die in dem Buch der Baronin veröffentlicht ist, ist ein genügender Beweis dafür. In demselben Sinne sind Riedesels Bemerkungen über Burgoynes Feldzugs-Bericht aufgefasst. Diese Bemerkungen, welche an den Herzog von Braunschweig und an seine Landsleute gerichtet waren, sind datiert Cambridge, 8. April 1778, etwas mehr als einen Monat später als der oben erwähnte Brief. Sie beklagen ausdrücklich, dass General Burgoyne, während er von Riedesel selbst mit Anerkennung spräche, über die Leistungen der Truppen leicht hinwegginge. Die Klagen des deutschen Generals in dieser Beziehung sind aber, Burgoynes Bericht nach, nur wenig gerechtfertigt.
Doch wir müssen zur Baronin zurückkehren. Am Nachmittag des 10. Oktober nahmen die Amerikaner das Feuer auf die Engländer wieder auf. »Mein Mann liess mir sagen, dass ich mich unverzüglich nach einem Hause begeben sollte, welches nicht weit von da war. Ich setzte mich in die Kalesche mit meinen Kindern, und kaum sind wir im Begriff bei dem Hause anzukommen, so sehe ich an dem jenseitigen Ufer des Hudson-Flusses sechs bis sieben Menschen mit Flinten, die auf uns zielen. Fast unwillkürlich werfe ich die Kinder in den Fond der Kalesche und mich über sie; in demselben Augenblick schiessen die Kerle und zerschmettern hinter mir einem armen englischen Soldaten, der schon blessiert war und sich auch nach dem Hause retten wollte, einen Arm. Gleich nach unserer Ankunft begann eine fürchterliche Kanonade, welche grösstenteils nach dem Hause, worin wir Schutz gesucht, gerichtet war, vermutlich weil die Feinde glaubten, da sie viel Leute dorthin strömen sahen, [S. 139] dass die Generalität sich dort befände. Ach, es waren nichts als Verwundete oder Frauen! Wir wurden endlich genötigt, in einem Keller unsere Zuflucht zu nehmen, wo ich mich in eine Ecke unweit der Thür lagerte. Meine Kinder lagen auf der Erde, mit ihren Köpfen auf meinem Schooss. So blieben wir die ganze Nacht. Ein entsetzlicher Geruch, das Geschrei der Kinder, und noch mehr als alles dieses, meine Angst, verhinderten mich ein Auge zuzuthun.
Den andern Morgen ging die Kanonade wieder an, aber von einer andern Seite. Ich riet, dass alle aus dem Keller ein wenig herausgehen möchten, während dessen ich ihn wollte reinigen lassen, weil wir sonst alle krank werden würden. Man folgte meinem Rat und liess von Vielen Hand anlegen, was bei der weitläufigen Arbeit höchst nötig war. Wie alles heraus war, besah ich mir unsern Zufluchtsort; es waren drei schöne Keller, die recht gut gewölbt waren. Ich that den Vorschlag, dass in den einen die am gefährlichsten blessierten Offiziere gebracht werden sollten; die Frauen sollten in dem andern sein, und alle Übrigen in dem dritten, der dem Ausgang am nächsten war.
Ich hatte gut auskehren und mit Essig räuchern lassen, und man fing bereits an, jeder seinen Platz einzunehmen, als neue entsetzliche Kanonenschüsse alles wieder in Alarm brachten. Mehrere, die kein Recht hatten hineinzugehen, stürzten nach der Thüre. Meine Kinder waren schon die Kellertreppe hinunter, und wir hätten Alle können erdrückt werden, wenn Gott mir nicht Kräfte geschenkt hätte, mich vor die Thür zu stellen und mit ausgebreiten Armen allen den Eingang zu verwehren; sonst wäre gewiss jemand von uns zu Schaden gekommen. Elf Kanonenkugeln gingen durchs Haus und wir konnten sie deutlich über unsere Köpfe hinwegrollen hören. Einem armen Soldaten, dem man ein Bein abnehmen wollte und dieserhalb auf den Tisch gelegt hatte, nahm eine Kanonen [S. 140] kugel mittlerweile das andere Bein fort. Seine Kameraden waren alle davon gelaufen, und wie sie wieder zu ihm kamen, fanden sie ihn in einer Ecke der Stube, wo er sich vor Angst hingerollt hatte, und kaum noch athmend. Ich war mehr tot als lebendig, doch nicht so viel über unsere eigene Gefahr, als über die, in welcher mein Mann schwebte, der jedoch oft fragen liess, wie es uns ginge, und mir sagen liess, dass er wohl wäre.
Der Major Harnich und seine Frau, eine Madame Rennels, die schon ihren Mann verloren hatte, die Frau des guten Lieutenants, der den Tag vorher seine Bouillon so gutherzig mit mir geteilt hatte, die Frau des Kommissars und ich, wir waren die einzigen Damen, die bei der Armee waren. Wir sassen eben zusammen und beklagten unser Schicksal, als jemand hereinkam und man sich in die Ohren flüsterte und sich einander traurig ansah. Ich bemerkte dieses und dass auf mich Blicke geworfen wurden, ohne dass mir weiter etwas gesagt ward. Dieses erweckte in mir den schrecklichen Gedanken, dass mein Mann geblieben sei. Ich schrie laut auf; man versicherte mich aber, dass dieses nicht sei, sondern winkte mir zu, dass den Mann der armen Lieutenantin dieses Unglück betroffen habe. Diese wurde auch einen Augenblick nachher herausgerufen. Der Mann war noch nicht tot, aber eine Kanonenkugel hatte ihm den Arm oben an der Schulter weggenommen. Wir hörten die ganze Nacht sein Winseln, welches doppelt und desto grausender in diesen Kellergewölben wiederhallte; und der Arme starb erst gegen Morgen. Wir brachten übrigens diese Nacht wie die vorige zu. Indessen kam mein Mann, mich zu besuchen, welches meinen Kummer linderte und mir wieder Mut gab.
Den Morgen darauf fingen wir an, uns ein wenig besser einzurichten. Der Major Harnich und seine Frau und Madame Rennels machten sich in einer Ecke eine kleine Stube und Gardinen davor. Man wollte mir eine [S. 141] andere Ecke ebenso zurecht machen, ich zog aber vor, nahe an der Thür zu bleiben, da ich auf den Fall von Feuersgefahr daselbst eher herauskonnte. Ich liess eine Streu machen und legte meine Betten darauf, wo ich mit meinen Kindern schlief, nicht weit von uns schliefen meine Frauen. Gegenüber waren drei englische Offiziere einquartiert, die, zwar blessiert, jedoch entschlossen waren, im Fall des Rückzuges nicht zurückzubleiben. Einer derselben war ein Kapitain Green, Adjutant des Generals Phillips, ein sehr schätzbarer und artiger Mann. Alle drei versicherten mich mit einem Eide, dass sie im Fall eines schleunigen Rückzuges mich nicht verlassen und ein jeder von ihnen eines meiner Kinder mit auf sein Pferd nehmen wollte. Für mich stand eines von meines Mannes Pferden immer gesattelt bereit. Öfters war mein Mann Willens, mich, um mich der Gefahr zu entziehen, zu den Amerikanern zu schicken; ich stellte ihm aber vor, dass es noch ärger als alles, was ich jetzt ausstehen müsste, sein würde, mit Leuten zu sein, denen ich mit Schonung würde begegnen müssen, während dass mein Mann sich mit ihnen herumschlüge; er versprach mir also, dass ich ferner der Armee folgen sollte. Manchmal bekam ich jedoch in der Nacht die Angst, dass er fortmarschiert wäre, und kroch aus meinem Keller, um zuzusehen; wenn ich dann die Truppen in den schon kalten Nächten um die Feuer herumliegen sah, so konnte ich wieder ruhiger schlafen.
Auch die mir anvertrauten Sachen verursachten mir viel Unruhe. Ich hatte sie alle vorne in meinem Corset stecken, weil mir immer so sehr angst war, etwas davon zu verlieren, und ich nahm mir fest vor, in Zukunft mich nicht mehr mit dergleichen zu befassen. Den dritten Tag fand ich erst Gelegenheit und einen Augenblick, um die Wäsche zu wechseln, da man die Gefälligkeit hatte, mir einen kleinen Winkel hierzu einzuräumen; während der Zeit standen meine drei vorerwähnten Offiziere nicht weit [S. 142] davon Schildwache. Einer dieser Herrn konnte sehr natürlich das Brüllen einer Kuh und Blöken eines Kalbes nachahmen: und wenn meine kleine Tochter Fritzchen des Nachts weinte, so machte er es ihr vor, sie ward wieder stille und wir mussten lachen.
Unser Koch verschaffte uns Essen, aber es fehlte uns an Wasser; und ich war öfters genötigt, um nur den Durst zu löschen, Wein zu trinken und auch den Kindern welchen zu geben. Es war auch fast das einzige, was mein Mann zu sich nahm; welches endlich unsern treuen Jäger Rockel ängstigte, so dass er mir eines Tages sagte: »Ich befürchte, dass der General aus Besorgnis, in Gefangenschaft zu geraten, des Lebens überdrüssig ist, weil er so viel Wein trinkt.« Die beständige Gefahr, in welcher mein Mann schwebte, setzte mich in ewige Angst. Ich war die einzige unter allen den Frauen, deren Mann nicht geblieben war oder sonst ein Unglück gehabt hatte, und sagte mir daher oft: »Sollte ich die einzige Glückliche sein?« besonders, da mein Mann Tag und Nacht so sehr der Gefahr ausgesetzt war. Er kam keine Nacht in das Zelt und lag alle Nächte draussen beim Wachtfeuer. Das alles konnte schon sein Tod sein, da die Nächte so nasskalt waren.
Da so grosser Mangel an Wasser bei uns war, so fanden wir endlich eine Soldatenfrau, die den Mut hatte, Wasser vom Flusse zu holen, was keiner mehr unternehmen wollte, weil der Feind alle Männer, die nach dem Flusse gingen, auf den Kopf schoss. Dieser Frau thaten sie nichts aus Achtung vor ihrem Geschlecht, wie sie uns selbst hernachmals sagten.
Ich suchte mich dadurch zu zerstreuen, dass ich mich viel mit unsern Blessierten beschäftigte. Ich machte ihnen Thee und Kaffee und bekam dagegen tausend Segenswünsche. Oft teilte ich auch mein Mittagsessen mit ihnen. Eines Tages kam ein canadischer Offizier in unsern Keller, der sich kaum noch aufrecht erhalten [S. 143] konnte. Wir kriegten endlich von ihm heraus, dass er fast Hungers stürbe. Ich fand mich sehr glücklich, ihm mein Essen anbieten zu können, welches ihn wieder zu Kräften brachte und mir seine Freundschaft erwarb. Bei unserer nachmaligen Zurückkunft nach Canada lernte ich seine Familie kennen. Eine unserer grössten Beschwerden war der Geruch der Wunden, wenn sie anfingen zu eitern.
Einst unternahm ich die Kur eines Majors Plumfield, Adjutanten des Generals Phillips, dem eine kleine Flintenkugel durch die beiden Backen gegangen war und ihm die Zähne zerschmettert und die Zunge gestreift hatte. Er konnte gar nichts im Munde behalten; die Materie erstickte ihn fast, und er war nicht im Stande, andere Nahrung zu sich zu nehmen als ein wenig Bouillon oder sonst etwas Flüssiges. Wir hatten Rheinwein. Ich gab ihm eine Bouteille, in der Hoffnung, dass die Säure des Weines seine Wunde reinigen würde. Er nahm immer etwas davon in den Mund, und das allein that so glückliche Wirkung, dass er geheilt wurde, wodurch ich wieder einen Freund mehr bekam. Und so hatte ich mitten in meinen Leiden- und Kummerstunden Augenblicke freudigen Genusses, die mich sehr glücklich machten.
An einem dieser Tage wünschte General Phillips mich zu besuchen und begleitete meinen Mann, der täglich ein- oder zweimal mit Gefahr seines Lebens zu mir kam. Er sah unsere Lage und hörte mich meinen Mann flehentlich bitten, mich im Fall eines schleunigen Rückzuges nicht zurückzulassen, er redete mir selbst das Wort dabei, wie er meinen grossen Widerwillen sah, in den Händen der Amerikaner zu sein. Beim Weggehen sagte er zu meinem Manne: »Nein, um zehntausend Guineen komme ich nicht wieder hierher, denn mein Herz ist ganz zerrissen.«
Indessen verdienten nicht alle, die bei uns waren, Mitleid. Es waren auch Feige darunter, die um nichts in dem Keller blieben und nachmals, als wir in die Ge [S. 144] fangenschaft gerieten, sich recht gut in Reihe und Glied stellen und paradieren konnten. Wir blieben sechs Tage in dieser schrecklichen Lage. Endlich sprach man von Kapitulieren, da man zu lange gezaudert hatte und der Rückzug nun abgeschnitten war. Es wurde ein Waffenstillstand gemacht, und mein Mann, der ganz erschöpft war, konnte in dem Hause zum erstenmal seit geraumer Zeit sich wieder einmal zu Bett legen. Damit seine Ruhe gar nicht gestört wurde, hatte ich ihm in einer kleinen Stube ein gutes Bett machen lassen und legte mich mit meinen Kindern und meinen beiden Frauen in einem Saal daneben schlafen. Aber ungefähr um 1 Uhr in der Nacht kam jemand und verlangte ihn zu sprechen. Mit dem grössten Widerwillen sah ich mich genötigt, ihn aufzuwecken. Ich bemerkte, dass ihm die Botschaft nicht angenehm war, dass er den Mann sogleich nach dem Hauptquartier abfertigte und sich dann verdriesslich wieder niederlegte. Bald darauf liess der General Burgoyne alle andern Generale und Stabsoffiziere zu einem Kriegsrate, der gleich am frühen Morgen abgehalten werden sollte, zusammenberufen, in welchem er auf einen erhaltenen falschen Bericht vorschlug, die Kapitulation zu brechen, die bereits mit dem Feinde gemacht worden. Es wurde aber endlich entschieden, dass dieses weder thunlich noch ratsam sei; und dieses war ein Glück für uns, denn die Amerikaner sagten uns nachher, dass, wenn wir die Kapitulation gebrochen, wir alle massakriert worden wären, welches sie desto leichter thun konnten, da wir nicht über 4 bis 5000 Mann stark waren und wir ihnen Zeit gelassen hatten, über 20 000 zusammen zu bringen.
Am 16. Oktober des Morgens musste mein Mann wieder auf seinen Posten und ich nochmals in meinen Keller.
An diesem Tage wurde unter die Offiziere, welche bis dahin nur gesalzen Fleisch bekommen, das die Wunden der Blessierten sehr verschlimmerte, viel frisches Fleisch [S. 145] verteilet. Die gute Frau, welche uns immer Wasser geholt, machte eine treffliche Suppe davon. Ich hatte allen Appetit verloren und die ganze Zeit nichts zu mir genommen als eine in Wein getunkte Brotrinde. Die blessierten Offiziere, meine Unglücksgefährten, schnitten das beste Stück Rindfleisch ab und präsentierten es mir mit einem Teller Suppe. Ich sagte ihnen, ich wäre nicht vermögend etwas zu essen; da sie aber sahen, wie nötig es für mich war, etwas Nahrung zu mir zu nehmen, so erklärten sie, dass sie selbst nicht einen Bissen anrühren würden, bis ich ihnen das Vergnügen gemacht hätte, davon zu nehmen. Ich konnte ihren freundschaftlichen Bitten nicht länger widerstehen, worauf sie mir versicherten, dass es sie sehr glücklich mache, mir das erste Gute, was sie gehabt, anbieten zu können.
Den 17. Oktober wurde die Kapitulation vollzogen, Die Generale verfügten sich zum amerikanischen General en chef Gates, und die Truppen streckten das Gewehr und ergaben sich zu Kriegsgefangenen. Nun bekam die gute Frau, welche uns mit Gefahr ihres Lebens Wasser geholt, den Lohn ihrer Dienste. Jeder warf ihr ganze Hände voll Geld in ihre Schürze, und sie bekam zusammen über 20 Guineen. In solchen Augenblicken scheint das Herz für Gefühle der Dankbarkeit empfänglich zu sein.«
Die Bedingungen, unter welchen sich Burgoynes Armee bei Saratoga ergab, wurden niemals erfüllt. Die Soldaten wurden im Wesentlichen als Kriegsgefangene behandelt. Dieses führte zu heftigen Klagen ihrerseits sowohl zu jener Zeit, wie von Seiten deutscher und englischer Geschichtsschreiber bis auf den heutigen Tag. Es [S. 146] wird von Bankroft berichtet, dass bei der Übergabe die Konvention von den Briten dadurch gebrochen worden sei, dass die Kriegskasse und anderes Staatseigentum verheimlicht worden sei, um welches die Vereinigten Staaten auf diese Weise betrogen wurden. Im November 1777 schrieb Burgoyne eine unüberlegte und grundlose Klage gegen die Verletzungen durch die Amerikaner und folgerte daraus, dass er den angeblichen Bruch benutzen könnte, sich und seine Regierung von allen Verpflichtungen zu entbinden. Burgoyne verweigerte auch, die notwendigen Listen aller in die Übergabe einbegriffenen Personen herauszugeben. Der Kongress weigerte sich daraufhin, seine Armee eher einzuschiffen als bis die Kapitulation durch die Regierung von Grossbritannien bestätigt wäre.
Es scheint mir, dass in der Behandlung dieser Angelegenheit der Kongress seine Ehre und die des Landes nicht richtig wahrte. Es war richtig, dass Gates einen schlechten Handel gemacht hatte. Aber dieser Handel war mit Bewusstsein gemacht worden und Burgoynes Soldaten hatten dadurch, dass sie die Waffen streckten, die wichtigsten der ihnen auferlegten Bedingungen erfüllt. Es lag nunmehr den Amerikanern ob, auch ihrerseits dem Vertrage nachzukommen, und schlimmstenfalls eine offenbare Verletzung der untergeordneten Artikel der Kapitulation oder der sehr deutliche Beweis der Absicht auf englischer Seite, das Wort zu brechen, hätte den siegreichen Teil veranlasst haben sollen, die Erfüllung seiner Versprechungen zurückziehen.
Während der Kongress gesonnen war, die deutschen Gefangenen in Amerika zu behalten, beeilte sich ihr eigener Fürst keineswegs, sie wieder nach Europa zurückzuerlangen. Auf die Nachricht der Kapitulation von Saratoga schrieb der Minister des Herzogs von Braunschweig an den englischen Kommissionär, dass man den Leuten, die sich ergeben hätten, die Rückkehr [S. 147] nach Deutschland verwehren sollte, damit sie nicht noch andere von der Einreihung in die Armee abschreckten. »Schickt die Übriggebliebenen auf eine Eurer Inseln in Amerika, steckt sie in Europa auf einer von Euren Inseln, wie z. B. auf der Insel Wight fest.« Auf keinen Fall durften die armen Teufel nach Hause kommen.
Am 17. Oktober 1777 streckten General Burgoynes Soldaten die Waffen in Saratoga. Dies durften sie ohne Beisein irgend einer amerikanischen Truppenabteilung thun. General Riedesel hatte Befehl gegeben, dass die Fahnen der braunschweigischen Regimenter nicht überliefert werden sollten. Er liess die Fahnenstangen verbrennen und verbarg die Fahnentücher, indem er den Amerikanern gegenüber vorgab, dass die letzteren auch verbrannt wären. Er verbarg sie, bis die Gefangenen einige Zeit in Cambridge verweilt hatten und er die Baronin in das Geheimnis eingeweiht hatte. Frau von Riedesel nähte sie mit Hilfe eines »recht ehrlichen Schneiders« in eine Matratze ein, und es wurde unter irgend einem Vorwand ein Offizier durch die Linie nach New-York gesandt, der die Matratze als Teil seines Bettes mitnahm. So wurden die braunschweigischen Fahnen gerettet. Burgoyne hatte sein Ehrenwort gegeben, dass die Offiziere nichts von dem königlichen Eigentum in ihrem Privat-Gepäck mitnehmen würden. Vielleicht meinte man, dass die Fahnen dem Herzog von Braunschweig gehörten und nicht dem König, der sie nur gemietet hatte in Gemeinschaft mit den Verteidigern derselben.
Nachdem die Waffen niedergelegt waren, marschierten die Braunschweiger durch das amerikanische Lager, wo die siegreiche Armee aufgestellt war, um sie zu empfangen. Nicht ein Regiment war richtig uniformiert, sondern jeder Mann war in den Kleidern, die er auf dem Feld, in der Kirche oder im Bierhaus trug. Aber sie standen da wie Soldaten, in guter Ordnung und sehr [S. 148] militärisch, zur grossen Verwunderung der deutschen Offiziere. »Die Leute standen so still, dass wir mit Erstaunen erfüllt wurden,« schreibt einer, »nicht ein Mann machte Miene auch nur mit seinem Nebenmanne zu sprechen. Ausserdem standen die Leute alle so aufgerichtet im Gliede, sahen so schön und kräftig aus, dass es ein Vergnügen war sie anzusehen, und wir alle waren verwundert über diesen schönen Menschenschlag..... In der That, Englisch-Amerika übertrifft den grössten Teil von Europa, was die Grösse und Schönheit seiner Männer anlangt.«
Nur wenige Offiziere in Gates Armee trugen Uniformen, und diese wenigen trugen sie nach ihrer eigenen Fantasie, von irgend welchem Tuch, das ihnen in die Hände kam. Grosse und kleine Perrücken, schwarze, weisse und graue zierten oder verunzierten ihre Köpfe. Einige von ihnen sahen aus, als trügen sie ein ganzes Schaf auf ihren Schultern. Diese grossen Perrücken flössten, unserem Braunschweiger zufolge, dem gewöhnlichen Volk grosse Ehrfurcht ein. Unter den Trägern dieser Perrücken waren viele 50 bis 60 Jahre alt, und nunmehr zum ersten Mal in Reihe und Glied, zwar etwas schwerfällig ihrer Erscheinung nach, aber durchaus eifrig, ohne sich zu vernachlässigen, besonders in den Wäldern. »In vollkommenem Ernst,« sagt der deutsche Offizier, »diese ganze Nation hat viel natürliche Beanlagung zum Krieg und Soldatenleben.«
Als die Truppen, die sich ergeben hatten, durch die Reihen der Amerikaner schritten, zeigte ihnen nicht ein Mann von der siegreichen Armee seine Missachtung oder verhöhnte sie wegen ihres Missgeschickes. Die Deutschen bezeugen insgesamt, dass Offiziere sowohl wie Soldaten sie mit Güte und Wohlwollen behandelten. General Gates lud alle höheren Offiziere in sein Zelt ein und behielt die Generäle zum Mittagessen zurück. Schuyler erwies Frau von Riedesel besondere Artigkeit. Er kam ihr entgegen, [S. 149] als sie in das Lager kam, hob ihre Kinder aus dem Wagen, küsste sie und half ihr aus dem Wagen aussteigen. Nach wenigen ermutigenden Worten führte er sie zu General Gates, mit dem sie Burgoyne zusammen stehen sah, der anscheinend auf ganz freundschaftlichem Fuss mit ihm stand. Er sagte zu ihr, dass sie keine Angst haben sollte, denn ihre Leiden hätten nun ein Ende. »Ich antwortete,« schreibt die Baronin, »ich würde freilich Unrecht haben, noch Besorgnisse zu haben, wenn unser Chef keine mehr hätte und ich ihn auf einem so guten Fuss mit General Gates sähe.«
Schuyler hatte Frau von Riedesel und ihren Kindern in seinem eigenen Zelt ein Mittagessen auftragen lassen (»geräucherte Zunge, Beefsteak, Kartoffeln, gute Butter und Brod«), und sie verbrachte drei Tage mit seiner Familie in Albany, wo sie mit der grössten Freundlichkeit behandelt wurde. Burgoyne war auch Schuylers Gast in Albany. Er machte Entschuldigungen dem letzteren gegenüber, dass er ihm sein Haus und seine Scheunen in Saratoga verbrannt hätte. »Das ist das Schicksal des Krieges«, erwiderte der brave Mann, »lassen Sie uns davon nicht weiter reden.«
Die Gefangenen oder »Konventionisten«, wie sie sich nannten, traten nun ihren Marsch durch Massachusetts hindurch an. Das Wetter war kalt und die Wege schlecht. Der Marsch dauerte vom 17. Oktober bis zum 7. November. An einigen Orten weigerten sich die Einwohner, die Gefangenen in ihre Häuser aufzunehmen, und an andern Orten, wo es nötig war Halt zu machen, waren nicht Häuser genug, um sie zu beherbergen. Die Einwohner ihrerseits beklagten sich, dass die durchmarschierenden Gefangenen ihre Gelände verbrannten, ihr Viehfutter unbrauchbar machten und Kleider und Möbel aus ihren Häusern stahlen. Von allen Seiten strömte das Landvolk zusammen, um die Gefangenen zu sehen und man drängte sich in die Häuser, wo sie ein [S. 150] quartiert waren, bis die Offiziere anfingen zu argwöhnen, dass die Hauswirte Geld für dieses Schauspiel nähmen.
Auf diese Weise sahen die Deutschen viel von der weiblichen Landbevölkerung, und derselbe Offizier, der die obenerwähnte Beschreibung der amerikanischen Soldaten verfasst hat, hat uns die ersten Eindrücke von Neu-Englands Frauen auf ihn hinterlassen.
»Die Frauen in allen Gegenden von Boston bis New-York sind schlank und gerade gewachsen, wohlgenährt ohne plump zu sein. Sie haben hübsche, kleine Füsse, gute, kräftige Hände und Arme, eine sehr weisse Haut und eine sehr gesunde Gesichtsfarbe, sodass sie sich nicht zu malen brauchen. Kaum eine von denen, die ich gesehen habe, hatte Pockennarben auf dem Gesicht; denn das Impfen ist hier schon seit vielen Jahren gebräuchlich. Ihre Zähne sind sehr weiss, ihre Lippen schön und ihre Augen lebhaft und lachend. Obendrein haben sie natürliche und ungezwungene Manieren, eine freie und fröhliche Miene, eine natürliche Sicherheit im Auftreten. Sie geben viel auf Reinlichkeit und gutes Schuhwerk. Sie ziehen sich sehr hübsch an, aber ihre Kleider müssen sehr eng anliegen..... Sie locken ihr Haar jeden Tag, machen es von hinten zu einem Chignon zurecht und vorn über ein Kissen von mässiger Höhe. Gewöhnlich gehen sie barhäuptig aus, oder setzen höchstens ein kleines herzförmiges Ding oder irgend eine derartige Kleinigkeit auf ihren Kopf. Hier und da lässt eine Land-Nymphe ihr Haar fliegen und schmückt es mit einem Band. Obschon die Hütte, in der sie leben, ärmlich sein mag, so tragen sie doch einen seidenen Mantel und Handschuh, wenn sie ausgehen. Sie wissen sich sehr hübsch in den Mantel zu hüllen, so dass ein kleiner, weisser Ellbogen daraus hervorguckt. Dann tragen sie eine Art gut gearbeiteten Krempenhut, unter welchem sie mit ihren schelmischen Augen kokett hervorsehen. In den englischen Kolonien haben die Schönen eine Vorliebe für [S. 151] Mäntel von roter Seide oder Wolle. In dieser Art gekleidet, läuft, springt und tanzt das junge Mädchen umher, wünscht Ihnen einen »Guten Morgen« oder giebt, der Frage entsprechend, eine schnippische Antwort. So standen sie zu Dutzenden den ganzen Weg entlang, liessen uns Revue passieren, lachten mokant über uns oder liessen von Zeit zu Zeit eine boshafte Bemerkung fallen und händigten uns einen Apfel ein. Wir dachten erst, dass es Mädchen aus der Stadt wären oder wenigstens von der zweiten Klasse, aber keineswegs! Sie waren die Töchter von armen Bauern, die man an ihrer Kleidung als arme Bauern erkennen konnte.«
Der Offizier fährt mit seinen sozialen Beobachtungen fort. Es scheint, dass in ganz Amerika die Männer den Frauen völlig unterthan sind. Die letzteren gebrauchen ihre Gewalt in Kanada zum Besten der Männer, in New-England aber zu ihrem Ruin. Die Frauen sind extravagant. Wie sie es fertig bekommen, den Männern so schwer zur Last zu fallen, ist unserm guten Deutschen ein Rätsel, da er sieht, dass sie weder kratzen, noch beissen, noch Ohnmachtsanfälle bekommen. Bei all diesem setzten sie ihre Hoffnung auf die britische Krone. Die Frauen tragen jetzt ihren Sonntagsstaat an den Wochentagen. Wenn es abgetragen ist, wird Friede mit Grossbritannien gemacht sein, um dann neu mit allem versorgt zu werden.
Wir kommen nun zu den Negern. Diese findet man auf den meisten Farmen westlich von Springfield. Die schwarze Familie lebt in einem kleinen Hinterhaus. »Die Neger sind sehr fruchtbar hier, wie das übrige Vieh. Die Jüngeren werden sehr gut gefüttert, besonders während sie noch Kälber sind. Überdies ist die Sklaverei sehr erträglich. Der Neger wird als der Knecht des Bauern angesehen; die Negerin thut die ganze grobe Hausarbeit; und die schwarzen Kinder warten die weissen Kinder. Der Neger kann für seinen Herrn zu Felde [S. 152] ziehen, und so sieht man nicht ein Regiment, in welchem sich nicht eine grosse Anzahl Schwarzer befindet; und es giebt gutgewachsene, starke und stämmige Burschen unter ihnen. Es sind auch viele Familien freier Schwarzer hier, die gute Häuser inne haben, Mittel besitzen und ganz nach Art der andern Bewohner leben. Es sieht komisch genug aus, wenn Miss Negerin ihr wolliges Haar über ein Kissen zurechtfrisiert, einen kleinen Hut mit Krempe auf den Kopf setzt, sich in ihren Mantel hüllt und in diesem Putz die Strasse entlanggrätschelt mit einer Negersklavin, die hinter ihr herwatschelt.«
Baronin Riedesel machte ihre ersten Beobachtungen über die Amerikaner. Sie erzählt, dass eines Nachts ihr Mann krank war, und dass die Wache vor seiner Thür trank und Lärm machte. Er schickte hinaus und liess sie bitten ruhig zu sein, worauf sie ihren Lärm noch verdoppelten. Frau von Riedesel ging darauf hinaus, sagte ihnen, dass ihr Mann krank sei und bat sie, sie möchten weniger Geräusch machen. Darauf waren sie sofort ruhig, »ein Beweis«, sagt die Baronin, »das diese Nation auch Achtung vor unserm Geschlecht hat.« Die Bürger-Offiziere waren den Deutschen ein fortwährendes Rätsel. Keine Geschichte war ihnen zu aussergewöhnlich, um sie zu glauben. »Ihre Generale, die uns begleiteten, waren zum Teil vom Schuster-Handwerk und machten an den Rasttagen Stiefel für unsere Offiziere, besserten auch wohl die Schuhe unserer Soldaten aus. Sie setzten einen grossen Wert auf das gemünzte Geld, welches bei ihnen selten war. Einem unserer Offiziere waren seine Stiefel ganz zerrissen. Er sah, dass ein amerikanischer General ein gutes Paar anhatte und sagte ihm zum Spass: »Ich gäbe ihm gern eine Guinee dafür.« Gleich stieg der General vom Pferde, nahm die Guinee, gab seine Stiefeln, und setzte sich mit des Offiziers zerrissenen Stiefeln wieder auf.« General von Riedesels Gemütsstimmung zu jener Zeit war durch mangelhafte Gesundheit und sein Miss [S. 153] geschick verbittert. Wir müssen dies berücksichtigen, wenn wir sein Urteil hören, welches er über die Amerikaner fällt. Allerdings es wird erwähnt, er habe gesagt, dass er nur einen amerikanischen Offizier in Cambridge getroffen, vor dem er Respekt gehabt habe. Von den Mitgliedern des General Court of Massachusetts macht er eine merkwürdige Schilderung. »Man sieht in diesen Männern genau den National-Charakter der Eingeborenen von Neu-England; vornehmlich zeichnen sie sich vor andern durch die Art sich zu kleiden aus. So behaupten sie alle unter einer überaus dicken, runden, gelblichen Stutzperrücke eine recht ehrenhafte Magistratsmiene. Ihre Kleider sind nach der ganz alten englischen Mode, darüber sie im Winter und Sommer einen blauen Roquelaure mit Ärmeln tragen, den sie mit einem ledernen Riemen fest um den Leib schnallen. Selten sieht man einen ohne Peitsche. Meistens sind sie alle untersetzter Natur und mittelmässig gross, sodass es schwer fällt, einen vom andern zu unterscheiden, wenn sie als Delegaten ihrer Townships zu dem Konsul von Boston gefordert werden, oder in Miliz-Angelegenheiten erscheinen müssen. Nicht der zehnte Teil von ihnen kann geschriebene Schrift lesen und noch weniger können sie schreiben. Diese Kunst ist ausser bei Leuten von der Feder nur allein bei dem weiblichen Geschlecht anzutreffen, welches überhaupt gut erzogen wird und daher die Herrschaft über die Männer mehr als eine andere Nation in der Welt zu behaupten weiss. Die Neu-Engländer wollen alle Politici sein, lieben daher die Tavernen und Grog-bowl, bei welchen sie ihre Geschäfte abthun, und vom Morgen bis in die Nacht trinken. Sie sind im allerhöchsten Grad neugierig, leichtgläubig und bis zur Raserei für die Freiheit eingenommen, dabei aber auch zugleich so blind, dass ihnen das schwere Joch der Sklaverei unter ihrem Kongress, worunter sie eigentlich schon jetzt zu sinken anfangen, bisher noch ganz unsichtbar geblieben ist.« [S. 154]
Auf der andern Seite konnten die Amerikaner, wenn wir dem oben erwähnten braunschweigischen Offizier glauben wollen, nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse ihrer Gefangenen verstehen. »Es war den Bewohnern schwer begreiflich zu machen,« sagt er, »dass unsere Offiziere kein Gewerbe trieben.« Sie hatten geglaubt, dass es Eigensinn von ihnen wäre, keine andere Beschäftigung zu haben.
Die deutschen »Konventionisten« wurden in Baracken auf dem Winter Hill bei Cambridge, Massachusetts, untergebracht, die Engländer auf dem benachbarten Prospekt Hill. Diese Baracken waren von den Amerikanern zu ihrem eigenen Gebrauch während der Belagerung von Boston errichtet worden und waren von der leichtesten Bauart. Der Wind blies durch die Wände, der Regen sickerte durch das Dach, der Schnee lag in Haufen auf dem Fussboden. Holz und Stroh war nur sehr knapp vorhanden, und die Uniformen, die einen schweren Feldzug in der Wildnis hatten aushalten müssen, hingen in Fetzen an den frierenden Soldaten herunter. Sie schnitten die Schösse von ihren Röcken ab, um sich Flicken für die übrigen Kleidungsstücke davon zu machen. Selbst im Hospital war es bitter kalt. Hoffnung und Enttäuschungen erfüllten abwechselnd die Brust der Gefangenen, je nachdem die Verhandlungen wegen ihrer Rückkehr nach England wieder aufgenommen oder abgebrochen worden waren. Einmal während ihres dortigen Aufenthaltes kam die Hoffnung auf Befreiung, und es wurden von den Deutschen Vorbereitungen getroffen, die freundliche Flotte zu begrüssen, von den Amerikanern aber, ihre Gefangenen nach Quartieren mehr im Innern des Landes zu transportieren. Die grössten Leiden die vielleicht die Gefangenen auszustehen gehabt hatten, bestanden in der Eintönigkeit ihres Gefangenenlebens. Es gab nichts zu thun, denn ein wenig Exerzieren ohne Gewehre kann schwerlich eine Beschäftigung genannt werden. [S. 155] Wir erfahren aus den Journalen und Briefen der Offiziere die Folgen dieser Unthätigkeit. Es gab Streitigkeiten mit der amerikanischen Wacht-Besatzung. In dieser Hinsicht verhielten sich indessen die Deutschen etwas besser als die Engländer. Riedesels Sorgfalt, die Disziplin unter seinen Leuten aufrecht zu erhalten, hatte man bemerkt, und die Amerikaner machten es sich zur Gewohnheit jeden deutschen Delinquenten seinen eigenen Offizieren zur Bestrafung zu überantworten.
Die Lage der Soldaten, welche nicht in Burgoynes Uebergabe mit eingeschlossen waren, die Gefangenen von Bennington und der Gefechte nördlich Stillwater, war in mancher Hinsicht eine glücklichere. Diese begaben sich zum grösseren Teil in den Dienst Neu-Englischer Farmer. Vielen wurde auch erlaubt, das Lager auf dem Winter Hill zu besuchen, um die »Konventionisten« zum desertieren zu verleiten, wie die Deutschen sagen. Im Frühjahr als die Versuchung, hinaus aufs Land zu kommen, stark wurde, hielt es Riedesel für weise, die Pforte etwas zu öffnen und gab einigen Soldaten Erlaubnis auf den Farmen zu arbeiten, unter der Bedingung einmal in der Woche ins Lager zurückzukommen. Die deutschen Offiziere waren meist in den ungemütlichen Häusern in der Nähe des Hills oder in den Baracken selbst einquartiert. Die Generale hatten indessen gute Häuser in Cambridge. Niemand, ohne Ansehen des Ranges, durfte nach Boston kommen, Baronin Riedesel ging gelegentlich dorthin. Sie sagt, dass die Stadt sehr hübsch wäre, aber bewohnt von heissblütigen Patrioten und voll von gemeinem Volk. Frauen wollten sogar vor ihr ausspucken auf der Strasse. Grosses Verlangen trug die Baronin, Mrs. Carter, die Tochter von General Schuyler, zu besuchen. Diese Dame war sanft und gut wie ihre Eltern, aber ihr Mann, wie Frau von Riedesel meint, böse und falsch. »Sie kamen uns oft zu besuchen und assen auch bei uns mit den andern Generalen. Wir suchten ihnen auf alle Weise unsere Erkenntlichkeit [S. 156] zu bezeigen. Sie schienen auch viel Freundschaft für uns zu haben, und doch war es zur nämlichen Zeit, dass dieser garstige Carter, als General Howe viele Dörfer und kleine Städte angesteckt hatte, den Amerikanern den abscheulichen Vorschlag machte, unseren Generalen die Köpfe abzuhauen, diese in kleine Fässer einzusalzen und den Engländern für jedes angesteckte Dorf oder Städtchen ein solches Fässchen zu überschicken, welcher unmenschliche Vorschlag glücklicherweise nicht angenommen ward.«
»Am 3. Juni 1778 gab ich einen Ball nebst Souper zur Feier des Geburtstages meines Mannes. Ich hatte alle Generale und Offiziere dazu eingeladen. Auch die Carters waren mit dabei. General Burgoyne liess absagen, nachdem er uns bis 8 Uhr abends hatte warten lassen. Er entschuldigte sich immer unter verschiedenem Vorwande zu uns zu kommen, bis zu seiner Abreise nach England, wo er kam und mir grosse Entschuldigungen deshalb machte, worauf ich aber nichts weiter antwortete als, dass es mir würde leid gethan haben, wenn er sich unseretwegen geniert hätte.
»Man tanzte viel, und unser Koch hatte uns ein prächtiges Souper von mehr als 80 Kouverts zubereitet. Überdem war auch noch unser Hof und Garten erleuchtet. Da der Geburtstag des Königs von England Tages darauf als den 4. war, so wurde beschlossen, dass man sich nicht eher trennen wollte, bis man seine Gesundheit getrunken; welches auch mit der herzlichsten Anhänglichkeit an seine Person und sein Interesse ausgeführt wurde.«
»Nie, glaube ich, ist das 'God save the King' mit mehr Enthusiasmus und mit aufrichtigeren Gesinnungen gesungen worden. Sogar meine ältesten beiden kleinen Töchter waren mit dabei, die man heruntergeholt hatte, um die Illumination zu sehen. Alle Augen waren voll Thränen, und es schien, als wenn jeder darauf stolz war, den Mut zu haben, dieses so mitten unter den Feinden zu wagen. Sogar die Carters hatten nicht das Herz sich [S. 157] auszuschliessen. Als die Gesellschaft auseinanderging, sah man das ganze Haus umringt von Amerikanern, die, als sie so viel Leute hineingehen und die Illumination gesehen, den Verdacht geschöpft hatten, dass wir eine Empörung im Sinne hätten; und wenn der mindeste Lärm entstanden wäre, hätte uns dieses können teuer zu stehen kommen.«
»Die Amerikaner, wenn sie ihre Truppen versammeln wollen, setzen brennende Pechfackeln auf die Anhöhen, auf welches Signal Jeder herzueilet. Wir waren einmal Zeugen davon, als der General Howe eine Landung zu Boston versuchen wollte, um die gefangenen Truppen zu befreien. Man erfuhr dieses wie gewöhnlich längst voraus und steckte die Pechtonnen an, worauf man drei oder vier Tage nacheinander eine Menge Leute ohne Schuhe und Strümpfe und die Flinte auf dem Rücken eiligst herzulaufen sah, wodurch bald so viele Leute zusammenkamen, dass eine Landung zu schwer gefallen sein würde.«
Im November 1778 mussten die Braunschweiger die Umgegend von Boston verlassen, wo sie anfingen sich etwas heimisch zu fühlen, und zu dem langen Marsche nach Virginien aufbrechen. Frau von Riedesel begleitete auch hierhin ihren Gemahl; sie hatte eine bequeme englische Kutsche gefunden, in welcher sie die Reise unternehmen konnte. An einem der Orte, an welchem ein Rasttag gehalten wurde, traf sie mit General Lafayette zusammen, den ihr Mann zum Essen lud. Lafayette erzählte ihr viel von der Gnade, die der König von England für ihn gehabt, ihm alles zu zeigen. Die Baronin fragte ihn, wie er es hätte über das Herz bringen können, soviel Gnadenbezeugungen von dem Könige anzunehmen, da er doch im Begriff gewesen wäre abzureisen, um gegen ihn zu fechten. Der Marquis schien etwas beschämt zu sein und antwortete: »Es ist wahr, der Gedanke ging mir durch die Seele, sodass, als mir eines Tages der König anbot, mir seine Flotte zeigen zu lassen, ich erwiderte, [S. 158] dass ich hoffte, sie eines Tages zu sehen, und dann heimlich wegging, um aus der Verlegenheit zu kommen, es noch einmal ablehnen zu müssen.«
Frau von Riedesel hatte auf der Reise Gelegenheit, die Gesinnungen der Bewohner gegen die Gefangenen etwas zu beobachten. In einem Hause, wo sie übernachtete, bemerkte sie eine Menge Fleisch und bat die Wirtin, ihr etwas davon zu überlassen. »Ich habe vielerlei«, antwortete sie, »da ist Rindfleisch, Kalbfleisch und Hammelfleisch.« Der Mund wurde ihr schon wässrig. »Geben sie her«, sagte sie, »ich werde Sie gut bezahlen.« Die Wirtin schlug ihr hierauf ein Schnippchen fast unter der Nase. »Nichts sollt Ihr haben,« schrie sie, »warum seid Ihr aus Euerm Land gekommen, um uns tot zu machen und unser Hab' und Gut aufzuzehren? Nun seid Ihr unsere Gefangenen, so ist nun die Reihe an uns, Euch zu quälen.« »Seht diese armen Kinder,« antwortete die Baronin, »sie kommen fast um vor Hunger.« Die Frau blieb unerbittlich, bis Frau von Riedesels kleines, erst zweieinhalb Jahre altes Töchterchen ihre Hand ergriff und sagte: »Gute Frau, ich bin sehr hungrig.« Darauf nahm sie das Kind mit in die Stube und gab ihm ein Ei. »Nein,« sagte das Kind, »ich habe noch zwei Schwestern.« Das rührte die Frau, sie gab ihr drei Eier und bot der Mutter Brot und Milch an. Frau von Riedesel benutzte diese Gelegenheit, holte ihren Thee herbei, der damals etwas sehr Seltenes war und bot der Frau davon an. Die Baronin ging darauf in die Küche, wo sie deren Mann fand, der einen Schweineschwanz kaute. Diesen reichte er dann seiner Frau, die auch etwas daran kaute und ihn dann zurückgab. Da die Baronin diesem Schauspiel eifrig zusah (»mit Verwunderung und Ekel«), so reichte er ihr auch das beinahe ganz abgenagte Stück hin, und sie konnte nicht anders als es anzunehmen, that so, als ob sie davon ässe und praktizierte es dann sachte in das Feuer. Nun war völliger Friede geschlossen, und [S. 159] die Baronin Riedesel erhielt ihre Kartoffeln und machte eine gute Suppe davon.
Dies war nicht der einzige Fall, dass der Baronin und ihren Kindern die Verpflegung vorenthalten oder ihnen wegen der Unterkunft Schwierigkeiten gemacht wurden. Die Leute, bei denen sie wohnte, waren gewöhnlich heissblütige Revolutionäre. Ein anderes Mal hatte sie ihr Nachtquartier in dem Haus eines Oberst Howe, dem sie ein Kompliment zu sagen glaubte, indem sie ihn fragte, ob er ein Verwandter des englischen Generals jenes Namens wäre. »Gott behüte«, antwortete er, »der ist meiner nicht wert.« »Dieser selbige Oberst hatte eine hübsche Tochter, 14 Jahre alt, aber von böser Gemütsart,« sagt Frau von Riedesel. »Ich sass mit ihr vor einem guten Kaminfeuer, sie sah die glühenden Kohlen an und rief aus: »Ha, wenn ich den König von England hier hätte! Mit welchem Vergnügen schnitt ich ihm den Leib auf, riss sein Herz heraus, zerlegte es, briete es auf den Kohlen und verzehrte es dann.« Ich blickte sie mit Abscheu an und sagte ihr: »Ich schäme mich fast, von einem Geschlecht zu sein, das fähig ist, eine solche Lust zu bekommen.«
Mitte Januar 1779 erreichten die Deutschen Charlottesville in Virginia. Hier fanden sie keine Baracken vor und waren genötigt, sie sich selbst zu bauen. Bald war ein Dorf entstanden, und hier und in anderen Teilen von Virginia brachten sie den Rest ihrer Gefangenschaft zu. Für viele dauerte sie noch bis zum Ende des Krieges. Die Soldaten legten sich Gärten und Hühnerhöfe an. Die Offiziere kauften sich gute Reitpferde. In einer der Niederlassungen war von den englischen Soldaten ein kleines Theater gebaut worden, und es wurden Spottstücke aufgeführt, in welchem die Gefangenen über ihre Gewalthaber herzogen, bis man es für nötig hielt, der amerikanischen Miliz das Zusehen zu verbieten. General Riedesel kehrte im Herbst 1779 auf Ehrenwort [S. 160] nach New-York zurück und wurde bald darauf ausgewechselt. Seine Gesundheit hatte durch Überanstrengung, Niedergeschlagenheit und einen leichten Sonnenstich, der ihn in Virginia traf, stark gelitten. Nachdem er ausgewechselt worden war, kehrte er nach Kanada zurück und blieb im Dienst des Königs von England bis zum Ende des Krieges, aber er zog nicht wieder gegen die Amerikaner zu Felde.
Im Sommer 1777 wandte Sir William Howe, anstatt mit Burgoyne gemeinschaftlich zu operieren, seine ganze Aufmerksamkeit auf die Wegnahme von Philadelphia. Er ging einige Meilen von New-Brunswick aus vor, aber es misslang ihm, Washington zu einem entscheidenden Schlag zu verleiten, und so zog er sich nach Amboy zurück. Sodann wiederholte Howe seine Angriffsbewegung, indem er hoffte, dass Washington seine günstige Stellung verlassen haben würde. Er war insofern vom Glücke begünstigt, als die rechte Kolonne ein kleines Gefecht mit einer vorgeschobenen Abteilung Amerikaner unter Stirling hatte, diese vertrieb und ihr 3 Kanonen und 80 Gefangene abnahm. Hierauf kehrte die britische Armee nach Amboy zurück und ging nach Staten-Island über. Hier wurde sie eingeschifft, und am 23. Juli war Sandy Hook geräumt. Diese Truppenmacht bestand aus ungefähr 18000 Mann, von denen weniger als ein viertel Deutsche waren. Die aus 234 Segelschiffen bestehende Flotte langte am 30. Juli bei Cap May an, aber die Fregatten, die zum rekognoszieren vorgeschickt worden waren, meldeten, dass der Delaware stark verteidigt würde, Sir William beschloss, sich Philadelphia durch die Chesa- [S. 161] peake Bay zu nähern. Am 22. August erreichte die Flotte die Mündung des Elk-Flusses, und am 25. und 26. wurden die Truppen in guter Ordnung und ohne feindliche Gegenwehr gelandet.
Am 3. September hatten die Jäger, welche die Avantgarde bildeten, ein heisses Gefecht mit der amerikanischen Arrieregarde, wobei erstere ungefähr 20 Tote und Verwundete verloren. Zwischen 30 und 40 Amerikaner wurden auf dem Gefechtsfelde beerdigt. Von dieser Zeit an waren die Jäger beständig vorn, sie schliefen gewissermassen auf ihren Waffen.
Am 11. September hatte Washingtons Armee auf dem linken Ufer des Brandywine-Flusses Stellung genommen. Das Gros stand bei Chads Furt, während General Sullivan auf dem rechten Flügel die Übergänge weiter oberhalb besetzen sollte. Bei Tagesanbruch traten die Briten von Kennets square, 7 Meilen von Chads Furt, ihren Vormarsch an. Die rechte Kolonne unter General Knyphausen, marschierte gerade auf die amerikanische Front los, in deren Nähe sie ungefähr 10 Uhr morgens anlangte. Hier blieb Knyphausen den grössten Teil des Tages über stehen und unterhielt eine Kanonade, ohne einen ernstlichen Angriff auf den Feind zu machen.
Die zweite Kolonne unter Howe und Cornwallis machte eine weite Umgehung nach links und fand nur geringen Widerstand, bis sie die Gabelung des Brandywine erreicht und glücklich passiert hatte, was eine kleine Abteilung hätte verhindern können. Die Amerikaner hatten aber diese Stelle übersehen. Washington, der durch widersprechende Befehle getäuscht worden war, hatte es nicht gewagt, den Fluss zu überschreiten und Knyphausens Division anzugreifen.
Auf die Nachricht, dass Howe den Brandywine überschritten hätte, ging Sullivan ihm eilig entgegen. Er hatte aber keine Zeit, seine Division ganz zu formieren. Es scheint auch, dass er bei den Anordnungen Fehler ge [S. 162] macht hat. Ungefähr um 1/2 4 Uhr stiessen die hessischen Jäger, die den äussersten linken Flügel bildeten, auf die amerikanische Avantgarde, welche sie auf das Gros zurückdrängten. Ungefähr um diese Zeit wurde der Kampf ein allgemeiner. Sullivans Division wurde zurückgetrieben. Lafayette, der als Freiwilliger diente, erhielt eine Wunde ins Bein. Washington zog Greenes Division und noch zwei andere Brigaden vor, um Sullivans Rückzug zu decken.
Sobald Knyphausen die Kanonen von Cornwallis donnern hörte, überschritt er den Brandywine bei Chads Furt und griff die amerikanischen Verschanzungen an. Diese wurden eine Zeit lang von Wayne verteidigt, aber die Briten waren ihm schon im Rücken, so dass er spät am Nachmittag seine Stellung verlassen und nach Chester hin abziehen musste.
An diesem Tage waren hessische Truppen in beiden Kolonnen der britischen Armee. Die Jäger waren bei der Avantgarde der Division Cornwallis und hatten 40 Mann tot und verwundet. Die Kapitäns Ewald und Wreden erhielten den hessischen Orden »pour la vertu militaire« für ihr Verhalten bei dieser Gelegenheit. Dies war eine grosse Auszeichnung für sie, weil sie die ersten Offiziere vom Rang eines Hauptmanns waren, die mit diesem Orden dekoriert wurden. Der Gesamtverlust der britischen Armee in der Schlacht am Brandywine betrug 622 und der der Amerikaner ungefähr 1000 Mann. Unter den 10 oder 15 Kanonen, die den Amerikanern weggenommen wurden, waren zwei, welche in Trenton mit Ralls Brigade zusammen genommen worden waren.
Man nahm an, dass die Amerikaner sich eiligst zurückzogen; der Herbsttag neigte sich zu Ende. Zwei Bataillone britischer Grenadiere wurden vorgeschickt, um ein kleines Dorf auf einem Berge jenseits Dilworth zu besetzen. Die Bataillone gingen, ermüdet durch die Anstrengungen des Tages und übermütig gemacht durch [S. 163] ihren Sieg, etwas unvorsichtig vor. Die Offiziere hatten nicht den Säbel gezogen. Kapitän Ewald, der die Tête der Kolonne von Cornwallis den ganzen Tag über kommandiert hatte, hatte seine Leute ruhen lassen und war, da er selbst nichts besonderes zu thun gehabt hatte, mit den Grenadieren zusammen vorgeritten, um das Terrain zu rekognoszieren. Plötzlich, 50 Schritt von dem Dorfe entfernt, wurden sie von heftigem Musketenfeuer empfangen. General Macwell hatte sich mit der amerikanischen Arriere-Garde in das Dorf hineingeworfen, um Washingtons Rückzug zu decken. Zu gleicher Zeit beobachtete man, dass eine amerikanische Abteilung um den Berg herumkam, um die Engländer in der linken Flanke zu fassen. Ewald galoppierte zurück, um Unterstützungen heranzuziehen, und brachte zwei englische Regimenter unter General Agnew heran, welche sofort die Amerikaner angriffen und die Grenadiere retteten, die schon beinahe umringt waren. Die Nacht machte dem Gefecht ein Ende. Der englische Verlust in dieser kleinen Affaire war schwer; beinahe die Hälfte der beiden Bataillone und der grösste Teil ihrer Offiziere fielen, laut Bericht von Ewald.
Nachdem die britische Armee bei Head of Elk ausgeschifft war, hatte die englische Flotte die Chesapeake Bay verlassen. Inzwischen waren 7 englische Fregatten und 14 Transportschiffe mit Proviant von New-York im Delaware angelangt und nach Wilmington hinaufgegangen. Zwei Tage nach der Schlacht am Brandywine besetzte Cornwallis diesen Ort, welcher die Basis für die Verpflegung der Armee von nun ab bildete.
Die Engländer gingen weiter vor, ohne auf ernstlichen Widerstand zu stossen, obschon beständig Plänkeleien stattfanden und eine Abteilung unter General Wayne überrascht und geschlagen wurde. Am Morgen des 26. September 1777 rückte Lord Cornwallis an der Spitze von 2 englischen und 2 hessischen Grenadier-Bataillonen in Philadelphia ein und schickte sich an, die Stadt zur [S. 164] Verteidigung einzurichten. Die Haupt-Armee lagerte bei Germantown. Die Hessen bildeten hier den linken Flügel, mit den Jägern vorn an der Strasse nach Lancaster.
Am 3. Oktober 1777 um Mittag erhielt Kapitain Ewald den Besuch eines Mannes (»der keineswegs ein Tory war,« sagt er), dessen Besitztum er bei einer früheren Gelegenheit vor der Plünderung bewahrt hatte. Beim Weggehen sagte der Amerikaner zu ihm: »Mein Freund, seien Sie auf Ihrer Hut diese Nacht und morgen.« Ewald verstand den Wink und berichtete diese Bemerkung seinem Oberst, der es an das Hauptquartier weitermeldete. Die Generale nahmen keine Notiz davon, doch wir werden aus dem folgenden Bericht sehen, dass die Jäger auf einen Angriff vorbereitet waren.
Auszug aus dem »Journal«, geführt bei dem Hochlöblichen Hessischen Feld-Jäger-Korps: »Oktober 4. Die vielen Detachements, welche der General Howe nach Philadelphia und Jersey geschickt, um Mud Island zu belagern und die Stadt zu besetzen, mochten den General Washington bewogen haben, besonders da er eine Verstärkung aus Virginien erhalten, die Königliche Armee zu attaquieren. In dieser Absicht war er aus seinem Lager an der Skibback-Creek aufgebrochen, und gegen 2 Uhr diesen Morgen erhielten wir die Nachricht von dessen Anmarsch. Der Oberstlieutenant von Wurmb rückte mit dem Jäger-Korps sogleich aus, liess den Vorfall an den General Knyphausen melden und besetzte die Brücke bei Van Doerens Haus, so über den Visihigging (Wissahickon) führet. Wir hörten bald darauf das Feuern am rechten Flügel und gegen 1/2-4 Uhr wurde das Jäger-Korps von einem Korps von 4000 Mann mit 4 Sechspfündern attaquiert. Das Korps musste auch wirklich die Brücke verlassen, setzte sich aber auf die gegenüberliegende Höhe und defendierte solche mit dem Büchsenfeuer gegen die wiederholten Versuche des Feindes sie zu forcieren. Die 4 feindlichen Kanonen spielten be [S. 165] ständig auf die Jägers, ohne dass unsere Dreipfünder den Feind erreichen konnten. Das Feuer wurde inzwischen allgemein und sehr heftig auf dem rechten Flügel, bis gegen 9 Uhr der General-Lieutenant von Knyphausen sagen liess, dass der feindliche linke Flügel geschlagen sei. Hierauf attaquierte der Oberstlieutenant von Wurmb die Brücke aufs Neue und vertrieb den Feind sowohl von da, als auch der gegenüberliegenden Höhe unter einem heftigen Feuer. Da die Attaque durch ein langes Defilee geschehen musste, so hatte man feindlicherseits Zeit, sich zu retirieren; wir fanden daher auch nur 20 Tote — und da die Jägers auch ohnehin schon sehr fatiguiert und nicht unterstützt wurden, auch nur in 300 Mann bestanden, so geschah keine weitere Verfolgung.
»Im Centro der Armee war der Feind auf die leichte Infanterie gefallen und hatte solche zurückgeschlagen. Der Oberstlieutenant Musgrave warf sich aber mit dem 40. Regiment in ein steinern Haus, welches vom Feind angegriffen wurde, und wo er sich bei aufhielt, sonst hätte er vielleicht geschwinder und noch ehe einmal die Armee alle im Gewehr gewesen, solche attaquieren können. So aber attaquierte die Armee ihn, schlug ihn aus der Stadt heraus und in die Flucht. Er retirierte sich darauf in sein voriges Lager an der Skibback-Creek mit Zurücklassung von 300 Toten, 600 blessierten und 400 Gefangenen. Der unsrige Verlust ist gleichwohlen 400 Tote und Blessierte, unter ersteren befand sich der General Agnew. Lord Cornwallis, welcher das Feuer zu Philadelphia gehört hatte, setzte sogleich von da 3 Grenadier-Bataillons in Marsch. Er für seine Person kam noch zeitig genug, um am letzten Teil der Aktion Anteil zu nehmen, die Bataillons kamen aber zu spät.«
Es war nunmehr für Sir William Howe von der grössten Wichtigkeit seinen Kriegs- und Transportschiffen Eingang auf dem Delaware zwischen Wilmington und Philadelphia zu verschaffen. Auf diese war er in grossem [S. 166] Maasse angewiesen wegen seiner Lebensmittel und zu seiner Verbindung. Der Fluss war etwa 10 Meilen unterhalb Philadelphia durch spanische Reiter gesperrt, welche gedeckt wurden von Fort Mercer bei Redbank auf dem New-Jersey-Ufer und von Fort Mifflin auf einer Insel in der Nähe des gegenüberliegenden Ufers von Pennsylvanien. Zwischen den Forts waren Hindernisse in den Kanal versenkt und diese wurden wieder von Galeeren beschützt. Einige Boote mit Lebensmitteln waren glücklich durch alle diese Hindernisse hindurchgeschlüpft; die freie Schiffahrt auf dem Flusse war für die Briten sehr wesentlich.
Oberst Karl Emil Kurt von Donop war einer der vorzüglichsten hessischen Obersten und war persönlicher Adjutant des Landgrafen gewesen, dessen Günstling er war. Er hatte im vorhergehenden Jahre ein selbständiges Kommando von einiger Wichtigkeit in Bordentown gehabt und hatte nun den Wunsch ausgedrückt wieder detachiert zu werden. Sir William Howe willfahrte ihm. Er wurde abgesandt um Fort Mercer zu nehmen. Donop brach auf am 21. Oktober 1777 mit drei Bataillone Grenadieren, 1 Regiment Infanterie, 4 Kompanien Jägern und 12 berittenen Jägern, alles Hessen, 8 Feldgeschützen, die zu den Regimentern gehörten und 2 englischen Haubitzen. Er soll noch mehr Artillerie verlangt und daraufhin zur Antwort erhalten haben, wenn er sich nicht getraute das Fort anzugreifen, so würden es die Engländer nehmen. »Sagen Sie Ihrem General,« erwiderte er dem Offizier, der diese Botschaft überbrachte, »dass Deutsche sich nicht scheuen, dem Tod ins Auge zu schauen.« Darauf erklärte der Oberst denen, die um ihn waren: »Entweder wird das Fort bald Fort Donop heissen oder ich werde gefallen sein.« Er brach mit seinem Detachement auf und brachte die Nacht in Haddonfield zu. Ungefähr um Mittag des 22. Oktober langte er in Redbank an und ritt vor um das Terrain zu rekognoszieren. Das Fort war ein fünf [S. 167] seitiges Erdwerk mit Graben und Verhau. Es war zuerst von den Amerikanern in zu grossem Massstabe angelegt worden, aber ein Monsieur du Plessis de Mauduit, ein junger französischer Offizier, der von Washington dem General Christoph Greene zur Verteidigung des Forts beigegeben war, hatte die Ausdehnung des Werkes vermindert, sodass es in seiner veränderten Form ein etwas unregelmässiges Fünfeck bildete. Auf drei Seiten des Forts fand der Angreifer gedeckte Annäherung durch die Waldungen bis auf 400 Yards. Auf der Südseite war der Delaware. Die Besatzung bestand aus 300 Mann mit 14 Kanonen.
Nach Ankunft vor dem Fort sandte Donop einen Adjutanten, um die Besatzung zur Uebergabe aufzufordern. »Der König von England gebietet seinen aufrührerischen Unterthanen die Waffen niederzulegen«, lautete die Aufforderung »und sie werden gewarnt, dass, wenn sie solange zögern bis es zum Kampf kommen wird, kein Pardon gegeben werden wird.« Der Adjutant berichtete, dass er nur wenig Leute in dem Fort gesehen habe.
Oberst von Donop stellte sein kleines Korps in Schlachtordnung auf. Seine rechte Flanke nahm Anlehnung an den Fluss, an welchem er seine 8 Dreipfünder und 2 Haubitzen plaziert hatte. Diese wurden von einem Bataillon Grenadieren und von Jägern gedeckt, welche Flanke und Rücken gegen Truppen decken sollten, welche etwa von den Schiffen im Delaware ausgeschifft werden möchten. Die hessische Angriffslinie nahm den grösseren Teil des ganzen Weges um das Fort herum auf der Landseite ein; der Angriff wurde gleichzeitig von Norden und Süden gemacht. An der Tête eines jeden Bataillons befand sich ein Offizier, der die Sappeure kommandierte und 100 Mann mit Faschinen, die eilig in den Wäldern gemacht worden waren.
Ungefähr um 4 Uhr war alles bereit. Donop forderte darauf seine Offiziere mit einigen Worten auf, sich tapfer zu verhalten. Sie stiegen alle ab und zogen ihre Säbel, [S. 168] nahmen ihre Plätze in der Front ihrer Bataillone ein, und der Angriff begann. Die Hessen gingen im Laufschritt vor, überstiegen die alten nicht mehr gebrauchten Linien mit ihrem Schlachtruf, erreichen den Verhau, wurden aber durch Wolfsgruben und einen Graben überrascht, zu dessen Füllung sie nicht genug Faschinen hatten. Drei amerikanische Galeeren, die im Flusse lagen, unterhielten ein lebhaftes Feuer auf die hessische rechte Flanke. Einige der Hessen erklommen den Wall des Hauptforts. Sie wurden sofort zurückgeworfen. Donop wurde, von einer Musketenkugel in die Hüfte getroffen, tötlich verwundet. 22 Offiziere waren tot oder verwundet, darunter die Kommandeure sämtlicher Bataillone. Die Hessen machten Kehrt und zogen sich zurück, indem sie viele Verwundete liegen liessen. Oberstlieutenant von Linsingen sammelte die Trümmer der Brigade und brachte sie am nächsten Tage unbelästigt nach Philadelphia. Zwei englische Schiffe, welche versucht hatten, sich an dem Kampfe zu beteiligen, waren auf den Grund gelaufen. Eins davon flog am nächsten Tag durch das Feuer der amerikanischen Galeren und schwimmenden Batterien in die Luft; das andere war in Brand gesteckt und verlassen worden.
Die Hessen waren zurückgegangen, die Nacht war hereingebrochen, und ein Teil der Besatzung kam aus dem Fort heraus, um den Verhau wiederherzustellen und für die Verwundeten zu sorgen. Mehrere hessische Grenadiere wurden dicht hinter der Brustwehr vorgefunden, wohin sie sich verkrochen hatten und wo die Kugeln über ihre Köpfe hinweggingen. Die armen Kerls konnten ohne Unterstützung nichts machen und fürchteten sich, wegzulaufen. Sie wurden in das Fort aufgenommen. Unter denen, die heraus kamen, um den Verhau wieder in Stand zu setzen, war auch Kapitain du Plessis. Diesen rief Donop mit den Worten an: »Wer Du auch sein magst, trage mich von hier weg.« Du Plessis liess den [S. 169] Oberst in das Fort tragen. Als er hineingebracht wurde, riefen einige Soldaten laut, die entweder nicht wussten, dass seine Wunde tötlich war, oder noch aufgeregt von der Schlacht und eingedenk der Drohungen, mit denen sie noch vor wenigen Stunden begrüsst worden waren: »Wohlan, ist es ausgemacht, dass kein Quartier gegeben werden soll?« »Ich bin in Eurer Hand,« antwortete der Oberst, »Ihr könnt Euch rächen.« Du Plessis hatte keine Schwierigkeit, die Soldaten zu beschwichtigen, und schenkte dann seine ganze Aufmerksamkeit dem verwundeten Manne. »Mein Herr,« sagte der Letztere, »Sie scheinen ein Fremder zu sein; wer sind Sie?« »Ein französischer Offizier,« antwortete du Plessis. »Dann bin ich zufrieden,« sagte Donop auf Französisch, »ich sterbe in den Armen der Ehre.«
Der hessische Oberst lebte noch drei Tage nach dem Angriff und unterhielt sich viel mit du Plessis. Er bat den Letzteren, ihm zu sagen, wenn der Tod nahe sein würde. Du Plessis willfahrte seiner Bitte. »Das ist ein frühes Ende für eine schöne Laufbahn,« sagte Donop, »aber ich sterbe als das Opfer meines Ehrgeizes und der Habsucht meines Monarchen.« [4]
[4] Eelking bestreitet die Richtigkeit des letzten Teils der Worte des sterbenden Donop.
Die Zahl der bei Redbank gefallenen, verwundeten und gefangen genommenen Hessen betrug 379, einschliesslich 22 Offiziere. Die Amerikaner hatten 37 Tote und Verwundete.
Diese brillante Verteidigung gewährte jedoch nicht andauernd dem Sieger die Gewalt über den Fluss. Am 9. November eröffneten die britischen Batterien das Feuer auf Fort Mifflin. Das Bombardement dauerte 6 Tage und Nächte. Mehr als 12000 Schüsse sollen dabei gefallen sein. Am 15. kam auch noch die englische Flotte, um sich an dem Kampf zu beteiligen. Ein Kriegsschiff mit 16 Vierundzwanzig-Pfündern und ein grosser Indiaman mit 3 Kanonen von demselben Kaliber wurden so nahe [S. 170] an das Fort herangebracht, dass man von ihrem Takelwerk Handgranaten hineinschleudern konnte. 5 grosse Schiffe hatten auf der andern Seite Aufstellung genommen. Die Landbatterien hatten 30 Geschütze. Die Blockhäuser des Forts, die gute Dienste geleistet hatten, waren in Stücke zerschossen worden. Eine Menge Kanonen waren zum Schweigen gebracht. In der Nacht vom 15. zog sich die Besatzung nach Fort Mercer zurück. Cornwallis wurde abgesandt, um es einzuschliessen, so dass Washington nicht im Stande war, es zu verstärken. Das Fort wurde am 20. November verlassen, die Baracken angezündet und die Magazine in die Luft gesprengt. Die amerikanischen Schiffe auf dem Flusse wurden ebenfalls verbrannt. Cornwallis vervollständigte die Zerstörung des Forts, dessen Wälle rasiert wurden.
Philadelphia scheint den Hessen nicht recht gefallen zu haben. Wiederhold nennt, nachdem er aus der Gefangenschaft zurückgekehrt ist und nach seinem gefühlvollen Abschied in Fredericksburg, die Quäker-Stadt »einen Sammelplatz aller Religionen und Nationen, folglich ein Mischmasch aller Sekten und Glaubensgenossen, nicht weniger ein confluens canaillorum«, und glaubt, »dass es den Städten Sodom und Gomorrah in Ansehung aller Laster nichts nachgiebt«.
Ein anderer Offizier beklagt sich über das Klima und sagt, dass die Wälder und Moräste das Land ungesund machen. Diesem Beobachter zufolge erreichen die Pflanzen und Tiere in Pennsylvanien nicht ihre eigentliche Grösse, und die Menschen sind krank und neigen zu Geisteskrankheiten, »eine Verrückung der Sinne, die [S. 171] vom gepressten, nicht vom kochenden Blut herrührt ... Von 100 Leuten hat nicht einer eine gesunde Gesichtsfarbe.« Es ist wahrscheinlich, dass die Schwierigkeit, in der halbblockierten Stadt frische Lebensmittel zu bekommen, nicht ohne Einfluss auf dieses Urteil gewesen ist.
Philadelphia hat seit 1778 sein Aussehen wahrscheinlich weniger verändert als irgend eine andere grosse Stadt der Nord-Staaten. Der hessische Offizier lobt die geraden Strassen, die Seitenwege mit breiten Steinen, die Dachrinnen und Dächer. Er lacht über die Einfalt der Kaufleute, die anzeigen »Tabak, so gut als der bestimportierte«, und stellt die Künste und Industrie als noch sehr in der Kindheit begriffen hin. Keinerlei Arbeit in Elfenbein, Stahl, Stuck, Knochen, Stickerei oder Seide wird gefertigt. »Die Engländer schicken ihnen alles dies, und alles, was sie schicken, ist willkommen. Und obendrein ist der Amerikaner und besonders der Philadelphier so eingebildet, zu glauben, kein Land auf der Erde wäre schöner, glücklicher, reicher oder blühender als ihr kaum knospender Staat.« Dies ist jedoch nicht die Ansicht des Briefschreibers. »Wollte mir der achtbare Graf Pen das ganze Land gegen mein Patent abtreten,« sagt er, »mit der Bedingung, dass ich zeitlebens hier wohnen sollte: kaum thäte ich es.«
Anfang Dezember rückte Sir William Howe von Philadelphia ab, um einen Entscheidungskampf herbeizuführen. Die Armeen standen sich drei Tage lang in der Nähe von Chestnut-Hill, ungefähr 11 Meilen von der Stadt, gegenüber. Ihre Märsche, Contremärsche und Plänkeleien deuteten auf Vorbereitungen zur Schlacht hin; als aber der englische General merkte, dass Washingtons Stellung zu stark war, um sie anzugreifen, zog er sich stille wieder nach Philadelphia zurück.
Zwei Fouragierungen wurden im Laufe dieses Monats unternommen, zu dessen Ende die britische Armee Winterquartiere bezog. 11 Redouten wurden zwischen dem [S. 172] Delaware und Schuylkill gebaut; deren Linie lief die Morris-Höhen entlang; jede war von einem Kapitän und 50 Mann besetzt, die alle 24 Stunden abgelöst wurden. Die Picketlinie wurde am Schuylkill den Provinzialen, am Delaware den hessischen Jägern anvertraut; letztere waren bei Holland Ferry und Greenwich Point postiert.
Während Washingtons Armee bei Valley Forge beinahe an allem, was zum Leben notwendig ist, Mangel litt, hatten die Briten in Philadelphia alles, was sie wollten, und verbrachten den Winter in Ruhe, Gesundheit und Fröhlichkeit. Sie lagen dort nicht sehr eng; viele Häuser der abwesenden Rebellen wurden zu Barracken benutzt. Ein Teil der Soldaten fand bei den Einwohnern, die in der Stadt verblieben waren, Quartier. Der Dienst war leicht. Sir William Howe, der bereits um seine Abberufung gebeten hatte, war froh und wohlgemut. Die Stadt schien nicht sehr voll von Soldaten zu sein. Den Amerikanern gelang es nur insoweit, ihnen die Zufuhr abzuschneiden, als durch sie dieselbe sehr verteuert wurde.
Am 18. Mai 1778 wurde für Sir William Howe eine Abschiedsfeier veranstaltet, und am 19. und 20. machte dieser General einen vergeblichen Versuch, ein Korps von 2500 Mann unter General Lafayette, der sich in die Nähe von Philadelphia gewagt hatte, gefangen zu nehmen. Am 24. übergab Howe das Kommando an Sir Henry Clinton. Bevor er Amerika verliess, sandte er schmeichelhafte Schreiben an die Kapitäns Ewald und Wreden von den Jägern.
Inzwischen war in Philadelphia das Gerücht laut geworden, dass der König von Frankreich einen Vertrag mit den rebellischen Kolonien abgeschlossen hätte, und dass bald eine französische Flotte den Eingang zur Delaware Bay bedrohen und die Verbindung zu Wasser mit New-York abschneiden könnte. Mit andern Worten, wie die guten Deutschen es sich auslegten: »eine starke französische Flotte mit vielen Tausend Landtruppen und [S. 173] Kavallerie war von Brest ausgelaufen und nach Amerika unterwegs, unter dem Vorwand, Bundesgenossen des Kongress zu sein, in Wirklichkeit aber mit der Absicht, auf diesem Kontinent festen Fuss zu fassen.«
Es war das Nahen der französischen Flotte, und gleichzeitig waren es die aus England erhaltenen Befehle, welche Sir Henry Clinton veranlassten, Philadelphia aufzugeben und sich nach New-York zurückzuziehen. Ein Teil der Baggage der Armee wurde an Bord der englischen Schiffe gebracht, und ungefähr 3000 Tory-Einwohner bereiteten sich vor, ihren Beschützern zu folgen und ihr Heimatland zu verlassen. Die Strassen, welche wie die einer deutschen Stadt in glücklicher Zeit ausgesehen hatten, waren nun verlassen. Vor vielen Häusern standen Haufen von Möbeln, um versteigert zu werden. Die Einwohner gingen mit traurigen Gesichtern einher, manche aber frohlockten im Stillen.
Im Laufe des November waren die anspachischen Regimenter von New-York nach Philadelphia gebracht worden. Sie wurden nun wieder zu Schiff nach New-York befördert, anstatt an dem Marsch durch New-Jersey teilzunehmen. Unter den Amerikanern ging das Gerücht, dass der britische Befehlshaber sich auf diese beiden Regimenter nicht hätte verlassen können. Die Deutschen meinten, dass sie ihre Unfähigkeit im Marschieren bewiesen hätten. Es waren die Regimenter, die bei Ochsenfurt gemeutert hatten.
Vom 14. bis 18. Juni 1778 dauerte die Räumung Philadelphias seitens der Engländer und Hessen. Trotzdem, dass viel Baggage zur See befördert worden war, zählte der Train doch noch 1500 Wagen. Die Schiffe auf den Werften und Stapeln wurden verbrannt. Die Amerikaner störten weder diese Vorbereitungen, noch bedrängten sie die abziehenden Truppen ernstlich. Am 18. Juni begann der Abmarsch der Armee. Der Weg führte über Haddonfield, Mount Holly, Monmouth Court [S. 174] House und die Neversink Hills nach Sandy Hook. Amerikanische Streifparteien zerstörten die Brücken vor der Front der Briten und belästigten Flanken und Rücken der Armee. Die Hitze war schrecklich; viele Leute starben am Sonnenstich. Die New-Jersey-Moskitos thaten ihre Arbeit derartig, dass die Gesichter der Soldaten bis zur Unkenntlichkeit angeschwollen waren. Bis zum 25. Juni war beinahe ein Drittel der Hessen infolge der Hitze marschunfähig an den Strassenrändern liegen geblieben. Es kamen auch viele Desertionen vor.
Es ist merkwürdig, dass es angesichts dieser Schwierigkeiten den Amerikanern nicht gelang, den Rückzug erheblich mehr zu erschweren. Viele von Washingtons Unterführern hielten es für unangebracht, den zurückgehenden Feind anzugreifen. Diese Ansicht war hauptsächlich durch Charles Lee vertreten, der als ältester General-Major wohl im Stande war, die Ausführung von Washingtons Plänen beträchtlich zu verhindern. Das Gefecht von Monmouth Court House war für keinen der beiden Teile ein wirklicher Sieg. Die Amerikaner wurden durch Clintons Arrieregarde zurückgedrängt und infolge Lees Unfähigkeit und Unthätigkeit beinahe in die Flucht geschlagen. Es ist Thatsache, dass Washington seine Leute zum Stehen brachte und einen Angriff abschlug, aber der eigentliche Zweck dieses Tages wurde nicht erreicht. Clinton setzte seinen Marsch mit dem Verlust von kaum einem Wagen fort. In der ersten Woche des Juli erreichte die britische Armee Sandy Hook, von wo sie zu Wasser nach New-York übergeführt wurde.
Im November 1776, als die Unterwerfung des Landes in vollem Gange war, detachierte Sir William Howe [S. 175] ungefähr 7000 Mann, von denen etwa die Hälfte Hessen waren, zur Besetzung von Newport. Dieses Korps landete ohne Gegenwehr und verbrachte drei Jahre in Rhode Island, davon den grössten Teil in Unthätigkeit. Nur die letzten Jahre machte sich der Mangel an Mehl und Holz fühlbar. Unzweifelhaft konnten die Leute irgendwo anders besser verwendet werden. Mit 6000 oder selbst mit 4000 Mann mehr unter seinem Kommando hätte Clinton wohl erfolgreicher und wirksamer auftreten können, als er zum Beistand Burgoynes vorging. Es lässt sich aber annehmen, dass, nachdem Sir William Howe Newport in Besitz genommen und keinen bessern Gebrauch mit diesen Truppen zu machen wusste, er wohl fürchtete, an Prestige zu verlieren, wenn er die Stadt wieder aufgeben würde. Im Sommer 1777, vor Eröffnung der Campagne, nahm er einige Regimenter aus der Besatzung heraus.
Im Ganzen glaube ich nicht, dass der Dienst in Rhode Island für die Soldaten sehr beschwerlich gewesen ist. Wenn auch das Mehl knapp war, so war doch Fleisch in Menge vorhanden. Die Bewohner waren zuerst sehr scheu und schlossen ihre Familien ganz ab. Auf Shelter Island lief das Landvolk bei Annäherung der fremden Eindringlinge weg. Sie glaubten, sagt einer, dass die Hessen kleine Kinder aufässen. »Aber mit der Zeit,« schreibt ein Offizier, »wurden sie vertrauter mit uns, lernten unser gebrochenes Englisch verstehen, zeigten uns ihre Familien und liessen ihre Furcht vor uns verschwinden.«
Nachdem man auf guten Fuss mit einander gekommen war, genoss man die grösste Behaglichkeit in den gastfreien Häusern von Newport. Die Einwohner bewirteten ganz nach englischer Sitte. Alle Gerichte wurden auf einmal auf dem Tische aufgetragen. Jeder Gast ass und trank nach Belieben, ohne dass er genötigt wurde. Suppe gab es selten, aber es standen immer vier oder fünf Sorten Gemüse auf dem Tisch, und Kartoffeln [S. 176] gab es zu jedem Gericht. Die Liste der Getränke, welche das vor mir liegende Journal enthält, führt auf: Punsch, Cider, starkes Bier, Porter, Grog, Madeira, Portwein, Claret, Sherry, Toddy, Sangaree und Syllabub. Man trank sich während des Mahles einander zu, und richtige Toaste wurden ausgebracht, nachdem das Tischtuch weggenommen war. Die Toaste gingen rechts herum, die Flasche zur Linken.
Sir Henry Clinton war der erste Befehlshaber dieses Korps, Lord Percy war sein Nachfolger. Letzterer legte das Kommando im Mai 1777 nieder, um nach England zurückzukehren. Die Hoffnungen, die ihn nach Amerika geführt hatten, waren getäuscht worden, denn man erzählte sich, dass er beim Verlassen der Heimat geschworen hätte, nicht ohne den Olivenzweig des Friedens zurückkehren zu wollen. Er war beliebt in Newport, und die Einwohner sandten ihm eine Ergebenheits-Adresse bei seiner Abreise, indem sie ihm eine glückliche und angenehme Reise und eine lang andauernde gute Gesundheit wünschten. »Euer Excellenz erhabener Rang und Charakter,« fügten sie hinzu, »lassen es unnötig erscheinen, Ihnen irgend eine andere Segnung des Lebens zu wünschen.« Als Antwort versicherte ihnen seine Lordschaft, dass es die Pflicht und der Wille eines jeden britischen und hessischen Soldaten gewesen wäre, alle unschuldigen und friedlichen Einwohner zu beschützen.
Die Bewohner von Newport waren mit General-Major Prescott, Lord Percys Nachfolger, weniger zufrieden. Sie hatten aber nicht lange unter ihm zu leiden. Der General hatte sich als Hauptquartier ein einsames Haus ungefähr 4 Meilen von Newport und eine Meile von der nächst gelegenen Truppe ausersehen. Betreffs seiner Sicherheit war er nur auf eine kleine Wache und ein Schiff angewiesen, welches nicht weit von dem Hause vor Anker lag. In der Nacht des 10. Juli 1777, ungefähr um Mitternacht, landete eine Abteilung Amerikaner [S. 177] unter Oberst Barton auf zwei Walfischbooten beim Redwood Creek, schlich sich über die Felder an Prescotts Hauptquartier heran, überwältigte die Wache, brach in das Haus ein, zog den General und seinen Adjutanten aus ihren Betten heraus und schleppte sie mit sich, ohne ihnen selbst Zeit zu lassen sich anzuziehen. Die Boote liefen glücklich Spiessruthen zwischen den britischen Schiffen und beförderten die Gefangenen nach Providence.
Das Kommando ging nun an Majorgeneral Pigot über, und die Dinge nahmen ihren alten Lauf. Beständig wurden Streifzüge nach den benachbarten Inseln und auch auf dem Festland unternommen, um Lebensmittel oder Holz zu holen. Ende Juli wurde wegen Mangel an Nahrung in Newport ein Transport Frauen und Kinder nach Providence gesandt. Es ist aber nicht anzunehmen, dass die Soldaten ernstlich Not gelitten haben. Im Ganzen verlief das Jahr 1777 und die erste Hälfte von 1778 ruhig, obwohl die Amerikaner manchmal thaten, als ob sie die Insel angreifen wollten. Inzwischen hatte Burgoyne Ticonderoga genommen, war auf Albany vorgegangen und hatte sich bei Saratoga übergeben. Howe hatte Philadelphia eingenommen, Clinton es wieder verlassen; der König von Frankreich hatte den Krieg erklärt, und Stunden der Angst waren für die kleine Armee in Newport im Anzug.
Am 15. Juli 1778 kam General Prescott, der ausgewechselt worden war, von New-York mit Verstärkungen. Unter diesen waren die beiden anspachischen Regimenter. Er verkündigte, dass die französische Flotte auf dem Wege nach Amerika wäre, und am 29. erschien auch diese Flotte vor Newport. Sie wurde von Graf d'Estaing befehligt und bestand aus 5 Schiffen mit 74 Geschützen, 6 mit 64 und 3 mit 26 Geschützen. Um 11 Uhr morgens lagen diese Schiffe vor dem Hafen vor Anker. Die Insel Connanicut wurde alsbald von den Deutschen geräumt und von den Franzosen besetzt, die dort einige Vorräte, [S. 178] welche man nicht Zeit genug hatte mitzunehmen, in Besitz nahmen. Die englischen und hessischen Soldaten erwarteten eine sofortige Landung des Feindes auf Rhode Island. Die Stadt war in der grössten Verwirrung und die Tories in Verzweiflung.
Der französische Admiral indessen nutzte seinen Vorteil nicht alsogleich aus. Es dauerte bis zum 8. August, bis er sich den Eintritt in den Hafen erzwang, wozu er die Batterien von Brentons Neck, Kings Fort, Goat Island und North Point zu passieren hatte. Die Kanonade dauerte 1-1/2 Stunden, und das Ende davon war, dass die Flotte bei Connanicut vor Anker ging. Nicht ein Mann in der Stadt war verwundet worden, aber die Schiffe hatten starken Schaden gelitten.
Die Regimenter, welche ausserhalb Newport gestanden hatten, wurden nunmehr herangeholt. General Sullivan war mit einer Rebellen-Armee auf Rhode Island gelandet. Die britischen und deutschen Soldaten standen wie die Schafe in dichtem Gedränge in der Stadt. Sie waren ganz erschöpft von den unausgesetzten Strapazen, denn seit dem Erscheinen der französischen Flotte war jeder brauchbare Mann bei den Verschanzungs-Arbeiten thätig gewesen. 4 Fregatten und 2 kleinere Schiffe waren verbrannt und 1 Fregatte, sowie ein anderes Schiff im Meere versenkt worden, um sie nicht in die Hände des Feindes fallen zu lassen. In Newport herrschte grosse Besorgnis, aber am 9. August kam Hilfe. Eine englische Flotte von 36 Segeln unter Lord Howe erschien vor Point Judith. Graf d'Estaing lichtete am nächsten Morgen die Anker, um ihm entgegenzugehen, wobei er sich einer scharfen Kanonade von Seiten der Strand-Batterien aussetzte. Die englische Flotte wich zurück, gefolgt von der französischen. Der 10. war ein Tag der Ungewissheit. Am 11. erhob sich ein heftiger Sturm, welcher beide Flotten zerstreute.
Die französische war es, welche am ersten wieder in Sicht kam. »Nun war alle unsere Hoffnung vergebens,« [S. 179] schreibt der hessische Quartiermeister, »wir sahen uns schon in Gedanken, weil unsere Macht gegen ein so starkes Korps von der Land- und Seeseite zu schwach war, in den Händen unserer Feinde.« Plötzlich, zur Freude und Überraschung der Besatzung, segelte die Flotte fort.
Noch eine Woche länger blieb Sullivan vor den Verschanzungen von Newport, während seine Miliz-Armee immer mehr zusammenschmolz. Am Abend des 28. zog er sich nach dem Nordende der Insel zurück; die Engländer folgten ihm am 29. morgens. Die Amerikaner machten jedoch Kehrt, versetzten ihren Verfolgern noch einen Schlag und verliessen, ohne weiter belästigt zu werden, die Insel. Diese Unternehmung war sehr fehlerhaft geleitet worden. Die Verluste in der Affaire vom 29. betrugen auf jeder Seite zwischen 200 und 300 Mann; hierunter waren 128 Deutsche. Es war gut für die Amerikaner, dass sie sich davon machten, denn am 1. September langte Sir Henry Clinton mit einer Flotte und Verstärkungen im Hafen von Newport an.
Noch länger als ein Jahr verblieben die Briten und Deutschen zwecklos und unthätig auf Rhode Island. Schliesslich im Oktober 1779 wurde wieder eine Flotte auf hoher See sichtbar, aber als sie den Sund entlang segelte, wurde sie als freundlich erkannt. Es ergab sich, dass sie aus Transportschiffen bestand, welche die Besatzung mitnehmen sollte. Sofort wurde die Baggage an Bord der Schiffe gebracht, der Vorrat an Brennmaterialien aber im Stich gelassen. Das traurige Schauspiel, Tory-Familien aus ihrer Heimat fliehen zu sehen, wiederholte sich hier. Es waren mehr da, welche mitgenommen werden wollten, als man in die Schiffe aufnehmen konnte; manche wurden daher gezwungen da zu bleiben und sich der Rache ihrer Nachbarn auszusetzen.
Herzliche Beziehungen waren im Laufe der drei Jahre zwischen den Hessen und Bewohnern von Newport [S. 180] entstanden. General Prescott fürchtete, dass einzelne Soldaten Lust hätten, da zu bleiben, und gab den Befehl, dass an dem Tage, an welchem die Truppen eingeschifft würden, alle Häuser geschlossen werden, und sich niemand, besonders keine Frauen, an den Fenstern zeigen sollten. Mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen marschierten die Regimenter durch die entleerten Strassen und besetzten dann die Boote, welche sie nach den Schiffen befördern sollten. Die feindliche Besetzung von Rhode Island war beendet.
Die Geschichte des Revolutionskrieges ist hauptsächlich die Geschichte einer Reihe von wichtigen Unternehmungen, welche mit wechselndem Erfolg gegen verschiedene Teile von Nordamerika geführt wurden. Die kämpfenden Armeen erschienen, fochten und verschwanden wieder. Nur die Stadt New-York blieb vom Sommer 1776 bis zum Herbst 1783 von britischen Truppen besetzt. Auf dem Land, bis auf einen kleinen Tagemarsch von Manhattan Island aus, kehrten die Feindseligkeiten immer wieder. Zu keiner Zeit während der ersten fünf Jahre konnten sich die Bewohner der Dörfer von Central-New-Jersey oder Südwest-Connecticut sicher fühlen. Die Forts am Hudson wurden genommen und wiedergenommen.
Es mag nicht uninteressant sein, an dieser Stelle eine Beschreibung von New-York einzuflechten, wie es mit hessischen Augen während der britischen Besetzung angesehen wurde. Der folgende Auszug ist einem Briefe entnommen, welchen ein Offizier schrieb, der im Sommer 1777 mit Verstärkungen herüber gekommen war und dessen erste Eindrücke folgende sind:
»Nur um Dir einen Begriff von Amerika, oder viel [S. 181] mehr dem kleinen Teilchen von Amerika, so wir jetzo noch inne haben, zu machen: so kann ich nicht unterlassen zu rühmen, dass es ein recht schönes, angenehmes und ebenes Land, und New-York, obgleich der Teil nach der See zu abgebrannt ist, eine der schönsten und pläsantesten Seestädte ist, so ich noch gesehen habe. Denn die Häuser sind nicht nur alle englischer Façon, regulär und schön gebaut, mithin den wahrsten Palästen ähnlich; sondern sie sind auch alle tapeziert und aufs kostbarste ausmöbliert. Es ist deswegen Schade, dass dieses Land, welches auch sehr fruchtbar ist, von solchen b—schen Menschen bewohnt wird, die vor Wollust und Üppigkeit nicht gewusst, was sie haben anfangen wollen, und daher auch nichts anderem als ihrem Hochmut ihren Fall zu danken haben. Jeder, der bei uns ihre Partei nimmt und glaubt, sie hätten eine begründete Ursache zur Rebellion, sollte nur einmal zur Strafe eine zeitlang unter ihnen sein und dabei die hiesige Verfassung kennen (denn der schlechteste Mann hier kann, wenn er nur etwas thun will, leben wie der reichste bei uns) der würde gewiss bald aus einem andern Tone sprechen und mit mir einsehen, dass nicht die Not, wohl aber Frevel und Wollust die Ursache der ganzen Rebellion sei. Denn obgleich die meisten von verlaufenem Lumpengesindel, das von anderen Orten vertrieben worden, abstammen, so sind sie doch so hoffärtig hier und treiben aller Orten, zumalen aber in New-York einen solchen Staat, als wohl nirgend in der Welt getrieben wird. Z. B. so gehen die Weibsleute hier, so fast alle sehr schön sind, es seien, Schusters-, Schneiders- oder Tagelöhners-Frauen (deren letztere jedoch sehr wenig hier sind, weil fast jeder Mensch einige Neger als Sklaven zu seiner Bedienung hat) täglich in zitzenen, nesseltuchenen und seidenen Schlendern. Welcher Staat denn, da sie das viele Geld von den Truppen lösen, indem sie nicht ein Salzkorn umsonst zu geben brauchen, täglich zunimmt. Wobei dann nichts ärgerlicher ist, als dass [S. 182] diesem Volke, welches im Grunde noch lauter Rebellen sind, von den Soldaten auf expressen Befehl des Königs nicht nur auf das Artigste muss begegnet werden, sondern auch, wie schon gedacht worden, nicht ein Salzkorn umsonst abgefordert werden darf. Es müssten daher auch die armen Soldaten Hungers sterben, wenn ihnen nicht täglich für 3 Pences die Schiffskost geliefert würde, welche täglich aus 1 Pfund Zwieback, eingesalzenem aber fast ungeniessbarem Schweinefleisch, einigen muffigen Erbsen, etwas Hafermehl und etwas Rum besteht, welches sie dann, obgleich sehr viele davon ungesund werden, erhalten muss.«
Bei den Scharmützeln und kleineren Unternehmungen um New-York herum waren die Hessen im Allgemeinen beteiligt und es mag der Mühe wert sein, einen Blick auf einige dieser Ereignisse zu werfen, bevor wir uns zu den wichtigeren Operationen in den Süd-Staaten wenden, durch welche das Schicksal des Landes schliesslich entschieden wurde.
Im zweiten Teil des August 1778 wurde das Jäger-Korps auf den Spyt den Duyvels Hills, bei Courtland's Plantation postirt. In der Frühe des 31. August wurde ein Kapitän mit 150 Jägern, von denen 15 beritten waren, zu einer Rekognoszierung gegen Phillips House vorgeschickt. Sie hatten kaum eine halbe Stunde Weg zurückgelegt, als sie von einer Abteilung Amerikaner und Indianer unter dem Chevalier Armand, welcher sich in einer Schlucht rechts von der Strasse in Hinterhalt gelegt hatte, überrascht wurden. 16 Jäger wurden getötet, verwundet oder gefangen, die Übrigen entkamen. Oberst von Wurmb, welcher das Jäger-Korps kommandierte, eilte zur Unterstützung des Detachements, sobald er das Feuern hörte, herbei, aber Chevalier Armand zog sich mit seinen Gefangenen zurück und überschritt den Phillips Manor bei East Chester, wo die Oberstlieutenants Cathcart, Simcoe und Emmerich mit ihren leichten Truppen standen.
Die Oberstlieutenants erfuhren, dass Armand im An [S. 183] rücken sei und bereiteten sofort einen Hinterhalt vor. Simcoe und Cathcart auf dem rechten und linken Flügel, zogen ihre Infanterie in die Wälder zurück und stellten sich so auf, dass sie das Defilee beherrschten, welches die Amerikaner und Indianer passieren mussten. Emmerichs Infanterie hatte Aufstellung genommen, um den Angriff zu erwarten, mit dem Befehl, sich vor dem Feinde zurückzuziehen. Emmerich hatte sich mit der Kavallerie hinter einem Hügel aufgestellt, um sich auf den angreifenden Feind zu werfen, sobald er in die Falle gegangen wäre. Kapitän Ewald war mit zwei Kompagnien Jäger von Oberstlieutenant von Wurmb zur Unterstützung von Emmerichs Infanterie vorgeschickt worden.
Der Plan der Oberstlieutenants war mit Erfolg gekrönt worden. Ungefähr um 4 Uhr nachmittags erschienen die Amerikaner und Indianer auf dem Gefechtsfeld. Emmerichs Plänkler zogen sich vor ihnen zurück und lockten sie in ein Feld von indianischem Korn, wo sie plötzlich in Front, Rücken und beiden Flanken angegriffen wurden. Alle Indianer mit Ausnahme von einem, welcher den Hergang erzählen sollte, wurden getötet. Sie gehörten dem Stockbridge-Stamme an und wurden von Sachem Neham geführt. Ungefähr 50 Amerikaner wurden gefangen genommen, Armand aber entkam mit einigen anderen durch die Büsche.
Eelking bemerkt bei dieser Gelegenheit, dass dies ein Beweis ist, dass die Amerikaner die Verwendung von indianischen Bundesgenossen in diesem Kriege ebensowenig verschmähten als die Briten. Man muss aber wohl einen Unterschied machen zwischen der Verwendung von Indianern gegen britische und deutsche Soldaten, wie sie von Seiten der Amerikaner geschah, und der Entsendung derselben gegen die Bewohner von einsamen Farmhäusern und unbeschützten Gehöften, wie es beständig von den Dienern des Königs gehandhabt wurde. Der Stockbridge-Stamm soll durch diese Expedition, wie gesagt wurde, so [S. 184] sehr gelitten haben und so völlig entmutigt worden sein, dass er keinen weiteren Anteil an dem Kriege nahm.
Ewald beschränkte sich nicht nur auf Erzählungen, welche den Ruhm der eigenen Partei verherrlichen. Neben Berichten über Trenton, Redbank und andern wichtigen Begebenheiten, bei welchen Hessen oder Engländer geschlagen wurden, behandelt er in einem besondern Kapitel die kühnen und glücklichen Streiche, die von kleinen Abteilungen Amerikaner geführt wurden. So erzählt er uns, wie im Frühjahr 1777 die Briten eine grosse Menge Fourage in Sag Harbor auf Long-Island angesammelt hatten und wie in Beziehung hierauf Colonel Meigs von Guilford in Connecticut mit weniger als 200 Mann in Walfisch-Booten aufbrach. In einer stürmischen Nacht gingen sie über den Sund, zogen ihre Boote über das Land, setzten sie von neuem aus, landeten bei Sag Harbor, überfielen die Wache, zerstörten die Vorräte, verbrannten mehrere Schiffe, nahmen eine Anzahl Engländer gefangen, bestiegen ihre Boote wieder und erreichten glücklich Guilford. Eine ähnliche Landung wurde in der Cow Bay im November 1780 bei hellem Tage ausgeführt. Im Jahr 1781 wurde ein braunschweigischer Major von seinem Quartier auf der Nordseite von Long-Island weggeschleppt. Es war in der That zur Gewohnheit geworden, dass kleine Häuflein Amerikaner auf der Insel landeten, die englischen und deutschen Soldaten ärgerten und die Tories plünderten. Diese Streifzüge wurden mit grosser Kühnheit ausgeführt und bilden, Ewald zufolge, eine vollkommene Widerlegung der Anschuldigungen wegen Mangels an Mut in diesem Kriege, die einigemal gegen die Amerikaner erhoben worden sind. »Der, welcher gegen diese Nation gekämpft hat,« sagt er, »wird von dem Gegenteil überzeugt sein und wird nicht mit Verachtung von ihr reden.«
Ewald erzählt mit grosser Bewunderung die schneidige Wegnahme von Stony-Point durch die Amerikaner unter [S. 185] Anthony Wayne am 16. Juli 1779. »Verdienen diese Menschen nicht bewundert zu werden, welche noch vor etlichen Jahren Rechtsgelehrte, Ärzte, Geistliche oder Landwirte waren, die in so kurzer Zeit sich zu vortrefflichen Offizieren bildeten, die so viele von unserm Stande beschämen, welche unter den Waffen grau geworden, und denen himmelangst werden würde, wenn sie zur Ausführung eines solchen Plans den Auftrag erhielten? Man wird mir vielleicht antworten, dass diese Menschen von Natur mit grossen Talenten zum Krieg begabt worden sind. Dieses kann wohl der Fall bei einem oder dem andern sein, aber im Ganzen ist die Natur mit ihren Ritterschlägen nicht so verschwenderisch. Man erlaube mir, diese Leute erwählten nicht den Kriegsdienst als einen Zufluchtsort, so wie ihn gewöhnlich der Adel wählt, nicht als ein Zuchthaus für einen ungeratenen Sohn, der auf Akademien nichts hat lernen wollen, wie oft der Fall bei denen von bürgerlichem Stande ist; sondern sie wählten diesen Stand mit dem festen Vornehmen, sich auf alle Art zu beeifern, ihrem Vaterlande mit Nutzen zu dienen und sich durch Verdienste hervorzuthun. In Erstaunen bin ich manchmal geraten, wenn während dem damaligen Kriege etwas Gepäck von den Amerikanern uns in die Hände fiel, wie jeder elende Schnapsack, in welchem oft nur einige Hemden und ein Paar zerrissene Beinkleider steckten, mit militärischen Büchern angefüllt war, z. B. die Instruktion des Königs von Preussen an seine Generale, Thielkes Feld-Ingenieur, die Parteigänger Jenny, Grandmaison und dergleichen mehr, die alle in die englische Sprache übersetzt waren, sind mir hundert mal durch unsere Leute in die Hände geraten. Dieses war eine wahre Anzeige, dass der Offizier in dieser Armee im Lager den Krieg studiert, welches nicht der Fall bei den Gegnern der Amerikaner war, wo man wohl eher die Mantelsäcke mit Puderbeuteln, wohlriechenden Pomadenbüchsen, Karten (keine Land-, sondern Spielkarten), und [S. 186] dann wohl obendrein manchmal mit einigen Romanen oder Schauspielen angefüllt fand.«
Die Briten behielten zwei oder drei Plätze auf der Westseite des Hudson in fortwährendem Besitz. Einer dieser Plätze war Paulus Hook, jetzt Jersey City. Der Hook war eine aus steinigen, felsigen Bergen bestehende Halbinsel und teils vom Hudson, teils von einem Sumpf, der von Bächen und Gräben durchschnitten war, umgeben. Die Stellung, die durch sich selbst stark war, war mit Palisaden, Blockhäusern und Redouten befestigt. Sie war von einem Bataillon New-Jersey-Tories unter Oberstlieutenant Bushkirk besetzt.
Am 18. August 1779 wurde eine Abteilung von 40 Hessen mit 2 Offizieren übergesetzt, um die Besatzung von Paulus Hook zu verstärken, und um 9 Uhr abends an jenem Tag brach Bushkirk zu einer Unternehmung gegen die ungefähr 14 Meilen entfernte neue Brücke über den Hackensack auf. Inzwischen näherte sich Major Henry Lee von Virginia mit ungefähr 300 Mann, unterstützt von Lord Stirling mit weiteren 500 Mann, der neuen Brücke von der entgegengesetzten Richtung her, unter dem Vorwande zu fouragieren. Stirling machte hier Halt, Lee aber kam während der Nacht bis an Paulus Hook heran, indem er an Bushkirk unbemerkt vorbeigegangen war. Lee entsandte einen Offizier mit einer kleinen Abteilung gegen das Fort, um zu rekognoszieren. Der Offizier meldete, dass die Besatzung unbewacht zu sein scheine. Lee ging darauf mit seinem Detachement vor. Sie durchwateten die Gräben, drangen in das Fort ein und überfielen eine Anzahl Provinziale, die in einem Blockhaus schliefen. Darauf näherten sie sich dem zweiten Blockhaus, das von einer kleinen Abteilung Hessen besetzt war. »Wer da!« rief der Posten. »Stony Point!« antworteten die Amerikaner. Der Posten feuerte und machte dadurch Alarm, aber der das Blockhaus befehligende Unteroffizier musste sich mit 10 oder [S. 187] 15 Mann ergeben. Lee überfiel und besetzte darauf die Haupt-Redoute, und der ganze Paulus Hook schien ihm schon zu gehören. Da hatten indessen zu ihrem Glück ungefähr 25 Hessen ihren Verstand und ihre Geistesgegenwart beisammen. Sie warfen sich in eine kleine Redoute, wo sie sich mit ihrem Kapitän und Major Sutherland, dem Kommandeur des Postens, vereinigten, und weigerten sich zu ergeben. Lee, der nicht gewusst hatte, dass sich Hessen in dem Fort befanden und der wahrscheinlich ihre Zahl überschätzt hatte, machte sich, noch ehe es Tag wurde, davon, ohne selbst die Kanonen zu vernageln oder das Kriegs-Material zu zerstören. Er nahm ungefähr 150 Gefangene mit. Lee hatte den Befehl erhalten, nicht zu versuchen, den Platz zu behaupten, und ein beschleunigter Rückzug war nötig, um nicht abgeschnitten zu werden; die 25 Hessen hatten aber jedenfalls durch ihr tapferes Verhalten die Wegnahme oder die Zerstörung der Vorräte und Werke in dem Fort verhindert und ihre Partei vor der Schmach einer vollkommenen Niederlage gerettet.
A. | Annäherung und Stellung der Rebellen auf den Höhen von Bergen zur Deckung des Rückzuges. |
B. | Angriff auf die Brücke und Blockhaus 1, 2 und 3 und auf das Fort C das mit 7 Sechspfündern armiert war, die aber nicht zu Schuss kamen. |
D. | Barracken, in denen die 110 Mann starke englische Besatzung gefangen genommen wurde. |
E. | Schanze, welche ein hessischer Hauptmann, 1 Offizier mit 25 Mann besetzt hielt, woraufhin die Rebellen bei Tagesanbruch mit ihren Gefangenen den Rückzug antraten. |
Am 4. September 1779 erhielten die Regimenter von Knyphausen und von Lossberg Befehl, sich mit all' ihrer Baggage und allen transportfähigen Kranken zur Einschiffung bereit zu halten. Ihr Bestimmungsort war Quebec, wovon die Truppe aber damals nichts wusste. Die Regimenter Knyphausen und Lossberg waren zwei von denen, die bei Trenton in Gefangenschaft geraten waren. Alle, die bei dieser Gelegenheit gefangen genommen waren, wurden wieder ausgewechselt, und die beiden Regimenter, deren Überreste zu einem kombinierten [S. 188] Bataillon formiert worden waren, traten nun wieder selbstständig auf.
Wiederhold hatte eine Stelle als Kapitän im Regiment von Knyphausen erhalten. Die beiden Regimenter waren am 8. September auf 6 Schiffen untergebracht worden. Wiederholds Quartier war auf dem Triton, einer Brig, die mit 6 kleinen Kanonen und 2 swivels (ganz kleine Kanonen, die auf Gabeln ruhen) armiert. Die Brig war überfüllt und sehr unbequem eingerichtet, und hatte zuerst eine Bemannung von 7 Mann, einschliesslich des Kapitäns, Kochs und Stuarts. An Hessen befanden sich an Bord ein Oberstlieutenant, der krank war, 2 Kapitäns, 1 Lieutenant, 1 Fähnrich und 1 Arzt, und beinahe 2 Kompagnien Infanterie.
Die Brig ging am Abend des 9. September in See, kam aber sofort in einen starken Wind (gale) hinein und wurde von der Flotte getrennt. Der Kapitän, der keine Befehle wegen seines Reiseziels bekommen hatte, war genötigt, am Morgen des 10. wieder nach Sandy Hook zurückzusteuern. An jenem Tag kam ein Schiff in Sicht, und es wurden Vorbereitungen zum Angriff getroffen, für den Fall, dass es ein amerikanischer Privateer sein sollte. Die Kanonen wurden gereinigt und geladen, und 1 Unteroffizier mit 6 Mann mit ihrer Bedienung betraut. Das Schiff erwies sich jedoch als ein freundliches, ein Transportschiff mit Teilen des 44. englischen Regiments an Bord. Der Triton segelte in Gemeinschaft mit diesem Schiff weiter und vereinigte sich am Morgen des 11. mit der Transport-Flotte, die aus 23 Transportschiffen und Handels-Schaluppen bestand und von 2 kleinen Schiffen mit 20 und 14 Kanonen bedeckt wurde. Von einem dieser Schiffe erhielt der Triton noch 2 Matrosen — junge, unerfahrene Burschen.
Die Flotte stach sofort nach Ankunft des Triton in See, und am 11. und 12. verlief alles gut. Am 13. aber trat stürmisches Wetter ein, welches den 14. über an [S. 189] dauerte. Am 15. nahm der Wind noch mehr zu und wurde des Abends zu einem wahren Orkan. Die Flotte wurde vollkommen zerstreut, die Nacht war stockfinster. Ungefähr um 9 Uhr abends brach der Hauptmast unter der untersten Querstange ab, und bevor dieser mit seinem Tauwerk gänzlich weggeräumt war, brach der Vordermast kurz über dem Verdeck ab und stürzte über Bord. Die Brig wurde nun, den Wellen preisgegeben, hin und hergeworfen und lag oft ganz auf der Seite. Während der Kapitän im Begriff war, ein Kajütenfenster mit einem darklight (Totenfenster) zu vernageln und Wiederhold mit einem Licht zu seiner Hilfe bei ihm stand, stürzte eine Welle mit solcher Gewalt hinein, dass beide kopfüber in die Kajüte geworfen wurden.
Darauf entstand eine neue Gefahr. Auf dem Deck hatte sich eine Kanone nach der andern losgerissen, rollte hin und her und stürzte schliesslich über das Geländer in die See. Vier davon gingen nacheinander auf diese Weise verloren, nahmen sogar den grossen eisernen Kessel noch mit, der gross genug war, um für die ganze Schiffsbesatzung darin zu kochen. Die fünfte Kanone öffnete sich selbst durch Hin- und Herrollen die hatch (eine Öffnung im Verdeck), hob sich von ihrer Lafette ab und stürzte durch diese Öffnung in den untern Schiffsraum, wo sie auf eine dem Kapitän Wiederhold gehörende grosse Kiste fiel, die Wein, Spiritus, Essig, Senf und dergleichen enthielt. Die Kiste und ihr Inhalt wurde in tausend Stücke zerschmettert, aber sie hatte dem fallenden Geschützrohr Einhalt gethan und den Boden der Brig vor einer schweren Beschädigung bewahrt.
Die sechste Kanone aber, gerade über der Kajüte auf dem Hinterdecke, rollte noch immer hin und her und hatte bereits das Steuerrad und alles was ihr in den Weg kam, zertrümmert. Vier von den Matrosen konnten oder wollten nicht mehr arbeiten und hatten sich in ihre Betten gelegt. Niemand anders wollte sich, aus Furcht [S. 190] zerquetscht zu werden, der Kanone nähern. Die Soldaten lagen unter Seufzen, Weinen oder Beten umher und erwarteten ihr letztes Stündlein. Der Oberstlieutenant war zu krank, um irgend etwas zu thun. Wiederhold versuchte nun seine Leute zu ermutigen und sagte ihnen, dass Gott, der sie in dieser grossen Gefahr schweben liesse, sie auch wieder daraus erlösen könnte, wenn jeder nur thun wollte was er könnte, zuerst versuchen zu helfen, die Kanone über Bord zu werfen und dann an den Pumpen zu arbeiten, um das Schiff wenigstens bis zum andern Morgen über Wasser zu halten; dann würde ihnen der Himmel wohl Hülfe senden und entweder besseres Wetter oder ein Schiff zu ihrer Erlösung schicken.
Wiederholds eindringliches Zureden war zuerst erfolglos. Einige der Soldaten »waren ganz wie verstockt, andere antworteten sie seien krank.« Wiederhold stellte ihnen vor, dass er selbst schon seit vier Wochen am kalten Fieber litte, trotzdem hätte er, da niemand zur Rettung etwas beitragen wollte, sich herausgemacht, um etwas für die Erhaltung aller zu thun. Er zweifelte auch nicht, sagte er, dass Leute unter ihnen wären, die mehr Kräfte als er und so viel Liebe für ihn hätten, dass sie ihm folgen würden und thun, was er ihnen sagte. Er versprach, bei ihnen auf dem Verdeck zu bleiben, selbst Hand anzulegen und ihr Schicksal zu teilen, in der Hoffnung das Schiff und alles an Bord zu retten. Noch wollte niemand folgen, bis Wiederhold schliesslich rief: »Ist denn gar kein Unteroffizier da, der gesund ist, der Ambition und ein hessisches Herz hat, dass der mir folgen und helfen will?« Hierauf kamen ein Sergeant und zwei Korporals, denen etwa 15 bis 20 Mann folgten. »Nun wohlan,« sagt Wiederhold, »kommt, lasst uns erst die Kanone in die See zu schmeissen suchen.« Nach mehreren Versuchen, bei welchen sie in beständiger Gefahr waren zerquetscht zu werden oder mit der Kanone über Bord zu gehen, gelang es ihnen, ihrer Herr zu werden [S. 191] und sie über Bord zu werfen. Hierbei wurde einem Soldaten der Arm zweimal gebrochen und Wiederholds kleiner Finger zerquetscht.
Nun fing die Arbeit an den Pumpe an, in Ablösungen von 4 Mann. Jede Ablösung konnte es aber nur jedesmal 6 oder 8 Minuten aushalten und mussten sich entweder anbinden oder an dem Stumpf des grossen Mastes festhalten, um nicht von den Wellen weggespült zu werden. Gegen 3 oder 4 morgens aber brach die Pumpe und konnte in der Dunkelheit nicht ausgebessert werden, so dass sie sich mit Ausschöpfen vermittelst eines Eimers behelfen mussten, bis es Tag wurde und sie die Pumpe wieder in Stand setzen konnten.
Während die Leute in der Dunkelheit arbeiteten, fiel ein Mann über Bord, erfasste aber im Fallen ein Tau und rief und schrie um Hilfe. Niemand konnte ihn sehen oder wusste, wo er war. »Wo bist du denn,« fragte Wiederhold. »Hier hänge ich an dem Schiff und wenn ihr mir nicht bald helft, so kann ich mich nicht länger halten, muss in die See fallen und ersaufen.« Seine Kameraden suchten an ihn heran zu kommen, aber bevor sie ihn erreichen konnten, war eine Welle geschwinder als sie und spülte ihn wieder an Bord; und Wiederhold sagt in seinem Tagebuch »er lebt noch und ist gesund.«
Während aller dieser Arbeit bemerkte Wiederhold, dass der Schiffs-Kapitän und einige Bootsleute mit einer Laterne um die auf dem Schiffe befestigten Boote herumgingen und versuchten, wie er glaubte, eins davon los zu machen. Wiederhold fragte den Kapitän, was er denn da mache. »O, nichts,« antwortete dieser, »ich sehe nur, ob sie fest genug sind.« Unter irgend einem Vorwand bat ihn Wiederhold darauf, ihm die Laterne für einen Augenblick zu leihen, und nachdem er sie hergegeben und dieselbe einem Soldaten eingehändigt hatte, nahm Wiederhold den Kapitain am Arm, führte ihn in die Kajüte hinunter und setzte ihn dort in Arrest unter Be [S. 192] wachung von zwei Offizieren. Dies geschah aus Besorgnis, dass der Kapitän mit seinen Matrosen sich von der Brig heimlich entfernen und die Soldaten ihrem Schicksal überlassen könnten. Bei Tagesanbruch fand man die Boote von den Wellen völlig zerstört. Sie wurden über Bord geworfen und der Schiffs-Kapitän wurde wieder in Freiheit gesetzt.
Am 16. September lies der Wind etwas nach und am 17. klärte sich der Himmel auf. Die Beobachtungen, die man um Mittag anstellte, ergaben 37° 19' nördlicher Breite, so dass die Brig bis auf die Höhe der Kaps von Virginien nach Süden hin getrieben war. Von der Länge hatten sie keine Ahnung.
Die losgerissenen Segelstangen, Taue und das zerbrochene Geländer wurden nun weggeräumt und der Schiffsboden untersucht, aber kein Leck darin gefunden. Die Soldaten kamen an Deck und trockneten ihre Kleider, denn sie hatten keinen trockenen Faden an sich, selbst nicht in ihren Tornistern, alles war mit Salzwasser und Schlamm durchnässt. Die Matrosen befestigten an dem Stumpf des Hauptmastes einen Hilfsmast, und Tags darauf noch einen am Vordermast.
Am 19. wurde von den Mannschaften eine Betstunde abgehalten, um Gott für ihre Errettung aus Sturm und Not zu danken. Es wurde ein Lied gesungen und der 107. Psalm vorgelesen. Selbst die Matrosen, die kein Wort von dem, was die Deutschen redeten, verstanden, waren sehr andächtig und beteten für sich.
Der Triton nahm langsam seinen Weg in nördlicher Richtung und hatte leidliches Wetter. Einige Schiffe kamen in Sicht, keins aber kam ihnen zu Hilfe. Wiederhold ersann einen Plan, wie er mit seinem kaum lenkbaren Wrack einem Privateer, der ihn angreifen würde, Widerstand leisten könnte. Er nahm sich vor, seine Leute unter Deck verborgen zu halten, eine Bootladung Amerikaner an Bord des Triton zu locken und sie dann [S. 193] gefangen zu nehmen. Der Privateer würde dann aus Besorgnis, seine eigenen Leute zu treffen, nicht feuern und das Schiff auch nicht ersteigen können wegen der überlegenen Zahl an Hessen. Es war vielleicht ein Glück für Wiederhold und die Seinigen, dass die Umstände es verhinderten, diesen ingenieusen Plan zur Ausführung bringen zu suchen.
Am Morgen des 25. September kamen die Kaps des Delaware in Sicht. Da sie nun genau wussten, wo sie waren, so gingen sie wieder weiter in See, um den Privateers aus dem Wege zu gehen. Der Wind war gut und die Hessen hofften Sandy Hook in achtundvierzig Stunden zu erreichen. Der Morgen des 26. war sehr schön. Bei Tagesanbruch wurden zwei Schiffe in einiger Entfernung gesehen. Wiederhold sprang voller Freude in die Kajüte und berichtete dem Oberstlieutenant und den anderen Offizieren das Gesehene. Alle zogen sich an und eilten an Deck, in der Hoffnung, dass es Schiffe seien, die von New-York ausgeschickt wären, um vor dem Hafen zu kreuzen und den Schiffen Hilfe zu leisten, die bei dem letzten Sturme Schaden gelitten hätten. Die fremden Schiffe segelten auf den Triton los und stellten sich als einen Schooner und eine Schaluppe heraus. »Aber o! wie sahen wir uns in unserer Hoffnung betrogen,« ruft Wiederhold aus, »denn, nachdem sie so nahe kamen und sie ihre aus 13 Streifen bestehende Flagge wehen liessen, so war unsere Freude in Leid verwandelt.«
Der Schooner hatte 14 Geschütze und hiess »Mars«. Die Schaluppe, Comet genannt, hatte 10 Geschütze und wurde von Kapitän Decatur kommandiert. Um 8 Uhr morgens lagen beide mit den Breitseiten am Triton. Sie erteilten dem Kapitän des letzteren Befehl, ein Segel herabzulassen und das Steuerruder am Steuerbord anzubinden. Sodann schickte jeder Privateer 1 Offizier und 5 Mann an Bord; der Mars nahm den Triton ins Schlepptau [S. 194] und brachte ihn in die Barnegat Bucht, wo er vor Anker ging. Der Mars, welcher den Kapitän und mehrere Seeleute des Triton an Bord genommen hatte, geriet zwischen Klippen und kenterte. Nur zwei von der Bemannung ertranken; alle hatten schwimmen müssen, um sich zu retten. Dies ereignete sich auf zwei Kanonenschussweiten von dem Fleck, wo der Triton vor Anker lag. Der Kapitän des Mars hatte vorher befohlen, dass der hessische Oberstlieutenant auch an Bord kommen sollte, glücklicherweise aber war er durch sein Kranksein daran gehindert.
Am 29. September wurde der Triton nach dem Little Egg-Hafen gebracht. Hier wurden die Gefangenen ausgeschifft. Sie kamen durch Philadelphia und wurden schliesslich in Reading einquartiert. Die Offiziere wurden ausgewechselt und kehrten im Dezember 1780 nach New-York zurück.
Von den 6 Schiffen, in welchen die Regimenter von Knyphausen und Lossberg untergebracht waren, kehrte eins mit seiner Besatzung glücklich nach New-York zurück; über das Schicksal von einem habe ich nichts Bestimmtes ausfindig machen können; eins wurde mit Mann und Maus vom Meere verschlungen; zwei wurden durch den Sturm seeuntüchtig gemacht und nachher von amerikanischen Privateers genommen.
Das noch übrige (sechste) Schiff, der »Badger«, mit einer Abteilung des Regiments Lossberg, verlor seinen Vorder-und Hauptmast im Sturm. Es wurde dann von zwei kleinen Privateers angegriffen, die sie zwei Tage lang verfolgten und beschossen, dann aber wegen der entschlossenen Haltung der Hessen wieder abziehen mussten. Am 9. Oktober jedoch griff ein Privateer mit 12 Geschützen den Badger an, und letzterer, der keine Kanonen hatte, war gezwungen sich zu ergeben. Ein Lieutenant, drei Fähnriche und 20 Mann, sowie die gesamte Ausrüstung der übrigen Hessen wurden an Bord des Privateer gebracht. [S. 195] Letzterer scheint zunächst den Badger, auf dem ein hessischer Kapitän, der krank war, mit einem Arzt und den meisten Gemeinen verblieben, noch in seiner Gewalt behalten zu haben. Den Journalen nach steht fest, dass die Fregatte Solebay am folgenden Tag den Badger von dem Privateer befreite und glücklich nach New-York brachte.
Das Bündnis zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten erhöhte die Möglichkeit der schliesslichen Unabhängigkeit der letzteren. Es war deshalb wichtig, den Amerikanern so viel Gebiet als möglich streitig zu machen, wenn auch nicht ihre Haupt-Armee vernichtet werden könnte. Lord George Germaine hoffte, dass die dünn bevölkerten südlichen Provinzen schnell zum Gehorsam zurückzubringen wären und dass die königliche Autorität vom Golf von Mexico bis zum Susquehanna-Fluss hergestellt werden würde.
Ein weiterer Vorteil sollte dadurch gewonnen werden, dass man die Nord- und Südstaaten gleichzeitig besetzte. Der Sommer und Herbst waren die Zeit der Thätigkeit in den ersteren, Winter und Frühjahr in den letzteren. Der britische General, der seine Truppen zur See befördern konnte, brauchte nur, wenn das Wetter die Operationen behinderte, in den betreffenden Landesteilen soviel Truppen zurückzulassen, als zur Verteidigung nötig waren, und behielt so überall das Übergewicht, welches sehr wichtig war.
Am 6. November 1778 wurden ungefähr 3500 Mann unter Oberstlieutenant Campbell in New-York eingeschifft. Zwei hessische Regimenter nahmen an dieser Expedition teil. Die Transportschiffe wurden durch schlechtes Wetter [S. 196] am Auslaufen verhindert und konnten nicht vor dem 27. Sandy Hook verlassen. Sie erreichten Savannah erst am 24. Dezember nach stürmischer Überfahrt. Die Truppe landete am 29. und schlug einige 800 Amerikaner, die den Versuch machten, Widerstand zu leisten, töteten und verwundeten ungefähr 80 und machten 400 Gefangene. Beinahe 50 Kanonen, beträchtliche Vorräte und mehrere Schiffe fielen in die Hände der Briten, deren Verlust, eingerechnet Hessen und Tories, 20 Mann tot und verwundet betrug.
Die Stadt Savannah bestand aus ungefähr 600 leicht gebauten Häusern. Die meisten Einwohner waren mit den Rebellen weggelaufen und hatten soviel Sachen mitgenommen, als sie nur tragen konnten. Mahagonie-Möbel lagen zerbrochen in den Strassen — ein trauriger Anblick. Die Hessen, erzählt man, hätten nicht geplündert, wie die andern Truppen. Sie waren in den neuen Baracken der Stadt einquartiert.
Im Januar langte General Prevost von St. Augustin an, um den Befehl über die Armee zu übernehmen. Darauf begann die zahllose Reihe von Märschen, welche diese südliche Kampagne auszeichnete. Augusta wurde besetzt, dann wieder aufgegeben. General Lincoln ging mit einer amerikanischen Armee gegen Augusta vor, General Prevost entschlüpfte ihm aber heimlich und bedrohte Charleston. Lincoln kehrte von Georgia zurück und Prevost zog sich nach Johns Island an der Küste von Süd-Karolina zurück. Schliesslich wurde Beaufort eingenommen und Johns Island von den Briten verlassen, deren Haupt-Armee nach Savannah zurückkehrte.
Während dieses Feldzuges ereigneten sich eine oder zwei Begebenheiten, die besonders die Hessen betrafen. An einem Fleck, Stono Ferry genannt, war ein kleines Befestigungswerk errichtet worden, ursprünglich ein Brückenkopf. Es war von Johns Island durch eine Wasserstrasse getrennt, und die Brücke, welche es einst [S. 197] deckte, war abgebrochen worden. Das Befestigungswerk war von dem Regiment von Trümbach, einem Bataillon Hochländern, im Ganzen 500 Mann, besetzt. Dieser Posten wurde am 19. Juni 1779 von Lincolns Armee angegriffen. Die Hessen wichen zuerst zurück, wurden aber von den Hochländern unterstützt. Sie sammelten sich und gingen wieder vor. Die Amerikaner zogen sich dann bei dem Herannahen von deutschen und schottischen Verstärkungen zurück.
Ungefähr zu dieser Zeit kam es in den Gewässern um Johns Island zu zwei verschiedenen Gefechten zwischen hessischer Artillerie und kleinen Schiffen, beziehungsweise Galeeren des Feindes. Bei beiden Gelegenheiten waren die Hessen siegreich, zwangen den Feind zum Rückzug und machten die beteiligten Schiffe kampfunfähig. Es wird erzählt, dass auf einem derselben, der Rattlesnake, mehrere Kanonen und Fahnen, welche von Ralls Brigade erbeutet waren, wieder genommen wurden. Auf welche Weise diese Trophäen nach Süd-Karolina kamen, wird nicht erwähnt.
Am 4. September 1779 erschien die französische Flotte unter Graf d'Estaing plötzlich vor der Mündung des Savannah-Flusses. Sofort wurden alle ausserhalb liegenden Detachements der britischen Armee nach Savannah berufen. Am 23. vereinigten sich Lincoln und seine Leute mit den Franzosen, die von Charleston kamen, und Freiwillige von Süd-Karolina strömten in ihr Lager. Während nun d'Estaing regelrechte Laufgräben anlegte, verstärkten die Soldaten der Besatzung mit den Negern der Stadt zusammen eiligst die Befestigungswerke. Für die französische Flotte war es in Betreff der Jahreszeit zu spät geworden, um mit Sicherheit an der Küste zu bleiben. d'Estaing beschloss einen Angriff zu versuchen. Dieser aber hätte vorher gemacht werden sollen, bevor britische Verstärkungen von Beaufort her eingetroffen und bevor ihre Werke verstärkt worden waren, oder er [S. 198] hätte aufgeschoben werden sollen, bis diese lahm gelegt waren. Der Angriff wurde am 9. Oktober unternommen. Franzosen sowohl wie Amerikaner schlugen sich tapfer und pflanzten ihre Banner auf den Wällen von Savannah auf, doch wurden sie mit grossen Verlusten zurückgeschlagen. Oberst von Porbeck vom Regiment von Wissenbach wurde in Prevosts Bericht lobend erwähnt. Eine Woche später segelten die Franzosen ab, während ein Teil der Amerikaner mit Lincoln nach Charleston zurückkehrte und die übrigen sich in ihre Heimat zerstreuten.
Im Sommer 1779 plante Sir Henry Clinton eine Unternehmung gegen Charleston. Die Ausführung wurde wegen der Nähe der französischen Flotte verschoben, doch als diese nach Europa zurückging, wurde ein Korps von ungefähr 8500 Mann in New-York formiert. Dasselbe bestand aus Engländern, Tories und Hessen. Von den Hessen waren die 4 Grenadier-Bataillone, 1 Regiment Infanterie und ungefähr 250 Jäger ausgewählt. Bei den letzteren befanden sich Kapitän Ewald und Lieutenant Hinrichs. Generallieutenant von Knyphausen war als Befehlshaber in New-York belassen worden. Sir Henry Clinton befehligte die Expedition persönlich. Die Soldaten wurden um den 19. Dezember eingeschifft, konnten aber wegen des Wetters nicht vor dem 29. in See gehen. Die Fahrt war eine sehr stürmische, und als in den ersten Tagen des Februar 1780 der Hauptteil der Flotte an der Mündung des Savannah-Flusses ankam, fehlten eine Menge Transportschiffe. Eine Barke, die Anna, mit 30 hessischen und anspachischen Jägern und andern Soldaten, hatte Anfang Januar die Masten verloren und war von einem Kriegsschiff ins Schlepptau genommen. Bei einem darauffolgenden Sturm riss das Tau, und die Anna fiel nun als segelloser Schiffs-Rumpf dem Spiel der Wellen anheim. Während acht Wochen wurde diese Barke mit 250 Seelen an Bord von den westlichen Winden fortgetrieben. Sie [S. 199] war nur für einen Monat und für 100 Mann verproviantiert, so dass sich bald Hungersnot einstellte. Die Hunde wurden geschlachtet; zuletzt wurden die Knochen zu Mehl gerieben und dieses mit der Brühe aus den Fleischfässern und Hobelspänen zu einer Mahlzeit bereitet. Schon machte der Kapitän den schrecklichen Vorschlag, mit Menschenfleisch das elende Leben zu fristen und zuerst die Frauen zu opfern, aber alle wiesen solches mit Abscheu zurück. Endlich zeigte sich Land, es war die irische Küste. Das Schiff strich aber an einer Klippe an und erhielt ein Leck. Die Verzweiflung steigerte sich, als man bemerkte, dass der Kapitän von der Küste abhielt. Auf Befragen gab er an, dass hier keine erlaubte Anfahrt sei und den königlichen Lootsen 30 Guineen bezahlt werden müssten. Daraufhin wurde er in dem unteren Schiffsraum festgesetzt, und der Obersteuermann übernahm das Kommando der Barke. Dieser brachte sie bis vor St. Ives in Cornwallis, von wo, auf Notschüsse hin, zwei Boote mit einem Lootsen und einem Schiffszimmermann zur Hilfe herbeieilten. Der letztere war angesichts der verhungerten Hessen derartig erschrocken, dass er eiligst wieder von dannen ruderte. Dem Lootsen gelang es, die Barke an das Land heran zu bringen, gerade als sie anfing zu sinken, und die Bemannung wurde schliesslich gerettet.
Die englische Flotte wartete bei Tybee Island bis zum 9. Februar 1780, um die zerstreuten Transportschiffe wieder zu sammeln. Darauf ging sie wieder in See, und am 11. drangen alle Schiffe bis auf die grossen Kriegsschiffe in die Mündung des North Edisto River ein; bei Simons Island wurden die Truppen ausgeschifft. Einen ganzen Monat lang brachten die Soldaten emsig Vorräte und Geschütze an Land, um dort festen Fuss zu fassen, sie drangen dabei über die sandigen Inseln südwestlich von Charleston Harbor vor. Nicht vor dem 12. März wurde das Feuer von Wappoo Neck aus auf die Stadt eröffnet, und erst am 29. ging die britische Armee über [S. 200] den Ashley-Fluss. Inzwischen stiegen die Schanzen aus dem Sand bei Charleston wie die Pilze empor.
Weder der Landung, noch dem Vordringen der feindlichen Armee wurde ein ernstlicher Widerstand entgegengesetzt. Die Gelegenheit, um Widerstand zu leisten oder wenigstens um die Briten zu beunruhigen, war jedenfalls genügend vorhanden, doch wäre hierfür ein fähigerer und mehr energischer Befehlshaber als Lincoln nötig gewesen. Die Angreifer waren nach einer langen und beschwerlichen Reise gelandet und hatten keine Pferde, um ihre Kanonen und Vorräte herbeizuschaffen. Das einzig richtige Verhalten für Lincoln wäre wohl gewesen, wenn er Washington nachgeahmt hätte in seinem Feldzug vor den Ereignissen von Philadelphia. Er hätte eine Schlacht wagen und falls er geschlagen worden wäre, Charleston aufgeben und seine Armee zum Schutz der Südstaaten erhalten sollen. Diese waren nun dem Morden und Plündern überliefert. Der Krieg in den Karolinas und in Virginien kennzeichnete sich durch einen gewissen Grad von Barbarei, der in den östlichen und Mittel-Staaten seinesgleichen nicht fand, ausgenommen die kleinen Plündereien in der Umgebung von New-York. Schon im vorhergehenden Jahre hatten Prevosts Soldaten diese barbarische Art der Kriegführung begonnen. Die Spuren ihrer Thätigkeit waren in jedem Hause auf den Inseln, die sie bei Charleston besetzt hatten, sichtbar.
Während Lincoln seine Erdwerke in der Stadt aufwarf, erhielten die Engländer Verstärkungen von Savannah her. Die Kriegsschiffe, mit Ausnahme der schwersten, wurden gehoben, über die Sandbank gebracht und wiederhergestellt. Fort Moultrie verteidigte währenddessen die Stadt, die amerikanischen und französischen Schiffe den Hafen; zwischen diesem und Charleston hatten die Belagerten Schiffe versenkt, um die Einfahrt zu sperren. Kleine Abteilungen Amerikaner beobachteten die Bewegungen der Briten. Am 26. März unternahmen Sir [S. 201] Henry Clinton und mehrere Generale einen Ritt, um Colonel Patterson entgegenzugehen, welcher Verstärkungen von Savannah brachte. Sie kehrten glücklich zurück, obwohl sie ohne Escorte waren; ein Tory-Oberst und ein Hospital-Inspektor aber, die eine kurze Strecke hinter ihnen her ritten, wurden gefangen genommen.
Ewald erzählt mit Befriedigung, wie er einmal auf Johns Island in South Karolina im Frühjahr 1780 eine Stellung rekognosziert hätte, indem er ruhig bis an einen feindlichen Posten herangegangen wäre, seinen Hut abgenommen und eine Unterhaltung mit dem befehligenden Offizier angeknüpft hätte. Dieser Aussenposten war von Pulaskis Legion gestellt worden, deren Offiziere Polen und Franzosen waren, in deren Galanterie der deutsche Kapitän Vertrauen hatte — eine Galanterie, für die die eingeborenen Amerikaner kein Verständnis haben konnten noch wollten.
Am 30. März 1780 lagerte die englische Armee einige 3000 Yards vor den Linien von Charleston. Gegen Abend standen die Pickets der hessischen Jäger etwa eine Meile vor der Stadt. Vor ihnen lag eine flache, sandige Ebene ohne jedes Haus oder einen Baum oder Busch. Die einzig mögliche Deckung gewährten einige Gräben. In der Nacht auf den 31. März wurde die erste Parallele eröffnet. Am folgenden Morgen begannen die Einwohner ihre Familien und Wertgegenstände auf Booten den Cooper River hinauf zu befördern, der einzige Weg, der offen geblieben war. Stromabwärts kamen am 7. April 700 Virginian Continentals zur Verstärkung der Besatzung. Sie wurden mit Glockengeläute und Artillerie-Salven empfangen. Nacht auf Nacht wurde die Arbeit in den Trancheen fortgesetzt. Die Artillerie des Verteidigers bemühte sich vergeblich, diese Arbeit zu stören.
Am Nachmittag des 8. April war der Himmel mit Wolken bedeckt, es war Flut eingetreten und der Wind blies stark von Süden her. Sieben Kriegsschiffe und ein [S. 202] Transportschiff, in einer Linie hintereinander segelnd, näherten sich Fort Moultrie. An der Spitze befand sich Admiral Arbuthnot in einem kleinen Boot, mit dem Blei in der Hand, um die Tiefe zu messen. Das Feuer vom Fort aus war furchtbar. Der »Roebuck«, das Têtenschiff, segelte dicht an die Werke heran, gab eine Breitseite ab und fuhr unverletzt weiter in den Hafen. Das zweite Schiff verlor ein Stück von einem Mast. Ein anderes legte sich dicht vor das Fort und unterhielt ein unaufhörliches Feuer, so dass das ganze Schiff wie ein langer Blitzstrahl erschien. Das ganze Geschwader gelangte in den Hafen mit Ausnahme des Transportschiffes, welches auf den Grund fuhr und in Brand gesteckt wurde. Das schöne Bild wurde von Tausenden von Zuschauern beobachtet. Die Amerikaner versammelten sich auf den Wällen der Stadt, die Engländer und Deutschen stiegen auf ihre Belagerungswerke. Die Operationen in der Bai hatten ihr Interesse so sehr in Anspruch genommen, dass das Gefecht an Land so lange unterbrochen wurde. Sobald das zweite Schiff das Fort passiert hatte, verschwanden die Amerikaner von den Wällen von Charleston und bald darauf sah man eine Menge kleiner Boote auf dem Cooper River, welche die Furchtsamern der Einwohner wegbeförderten.
Die Verbindung zwischen Fort Moultrie und Charleston war nunmehr abgeschnitten. Jedoch fand die britische Flotte ihr weiteres Vordringen durch eine Linie von versenkten Schiffen gehindert und konnte nicht den Cooper River hinaufsegeln, um die amerikanischen Werke im Rücken zu fassen. Da einige Schiffe im Fluss den Operationen des Belagerers hinderlich waren, wurden mehrere grosse Ruderboote über Land geschleppt. Das zu diesem Zweck gebrauchte Transportmittel wurde von hundertundvierunddreissig Negern gezogen. Die Arbeit an den Approchen ging unaufhörlich weiter, jedoch die Belagerung wurde dadurch, dass einige der schweren Geschütze und [S. 203] die meisten Pferde auf See verloren gegangen waren, etwas verlangsamt. Der Belagerungs-Park wurde durch Schiffsgeschütze versorgt, die mit grosser Mühe über Land von James Island her gebracht wurden. Am 13. April wurde von der hessischen Artillerie lebhaft gefeuert, wodurch mehrere Häuser in Brand gerieten. Sir Henry Clinton befahl seinen Batterien, das Feuer zu mässigen, damit der Brand gelöscht werden könnte. In der folgenden Nacht wurde die zweite Parallele eröffnet, bald darauf aber begannen die Amerikaner Gegen-Approchen anzulegen, so dass nicht nur Artillerie-, sondern auch Musketen-Feuer zur Verwendung kam. Jedoch am 20. waren die Belagerungsarbeiten so weit vorgeschritten, dass die Jäger im Stande waren, Leute durch die Schiessscharten der Befestigungswerke zu treffen und das Bedienen der Geschütze sehr gefährlich zu machen. Die dritte Parallele wurde in der darauffolgenden Nacht eröffnet und am 21. bot Lincoln, der am Tage, nachdem die Flotte Fort Moultrie passiert, seine Übergabe verweigert hatte, die Kapitulation an. Die Feindseligkeiten wurden sechs Stunden lang aufgehoben, aber nach Ablauf derselben erneuert, da die Generale sich über die Bedingungen nicht einigen konnten. Am 24. machten die Amerikaner einen Ausfall und drangen an einzelnen Stellen bis zur zweiten Parallele vor, wurden aber sofort wieder in die Stadt zurückgeworfen. Am 26. nahmen die Briten ein Fort in Besitz, welches den Cooper River beherrschte, sodass die Belagerten nunmehr völlig in Charleston eingeschlossen waren.
In der Nacht zum 3. Mai ruderte eine Abteilung aus dem Lager des Angreifers heimlich an einen Dreimaster heran, welcher dicht vor der Stadt lag. Sie erkletterten das Deck, welches sie unverteidigt fanden, lichteten die Anker und nahmen das Schiff mit in die britischen Linien. Am nächsten Morgen, als sie bei der Untersuchung ihrer Beute hinunter stiegen, ergab es [S. 204] sich, dass es ein Lazarethschiff war, gefüllt mit Pockenkranken.
Die Belagerung näherte sich ihrem Ende. In der Nacht zum 7. Mai 1780 wurde Fort Moultrie von Seeleuten genommen. Am 8. wurden die Verhandlungen wegen der Übergabe wieder aufgenommen, jedoch abermals abgebrochen; bis schliesslich am 11. Clintons Bedingungen durchgesetzt wurden, welche darin bestanden, dass die Besatzung mit verhüllten Fahnen und klingendem Spiel (aber nicht mit einem englischen oder hessischen Marsch) ausmarschieren und ausserhalb derselben die Waffen niederlegen sollten. Die Continentals wurden kriegsgefangen, die Miliz sollte auf Ehrenwort in die Heimat zurückkehren. Auf Grund dieser Kapitulation marschierten die Continentals am 12. aus; die Musik spielte einen türkischen Marsch. Die Offiziere durften ihre Säbel behalten, mussten sie aber einige Tage später abliefern, weil sie »Unordnung« in der Stadt hervorrufen würden. Die Besatzung war in einen sehr zerlumpten und bedauerlichen Zustand herabgesunken. Sie war nicht viel mehr als halb so stark als die Belagerer, die amerikanische Miliz mit inbegriffen. Die Continentals waren ungefähr 2500 Mann stark, die englische Armee wenigstens 12000 Mann. Die Stadt war nur durch Erdwerke verteidigt, und eigentlich mehr ein verschanztes Lager als eine Festung. Der Verlust der Belagerer an Toten und Verwundeten ist in einem hessischen Journal auf 265 Mann angegeben.
Die Stadt Charleston hatte ungefähr 15000 Einwohner und war eine der reichsten und schönsten Städte in Nord-Amerika. Die grossen und schönen Häuser waren nicht dicht nebeneinander gebaut, sondern es war der bessern Luft wegen viel freier Raum gelassen. Sie waren sehr gut eingerichtet mit Mahagoni-Möbeln und Silbergerät, und es wurde viel auf Reinlichkeit gehalten. Die Strassen waren ungepflastert und sandig, hatten aber auf den Seiten [S. 205] einen schmalen Fussweg. Selbst im Mai war der Staub unerträglich. Die meisten reichen Familien waren bei der Annäherung der Briten geflohen. Es waren auch viel Deutsche und deutsche Juden in der Stadt, und viele Ärzte wegen des ungesunden Klimas. Die Frauen, wenigstens die meisten von denen, die zurückgeblieben waren, waren bleich und hässlich. Der Ort war natürlich voll von Negern, die die Hälfte der Bevölkerung ausmachten.
Die Neger waren im britischen Lager angesammelt, zwei Transporte von ihnen waren Ende Februar von Savannah aus geholt worden. Die Sklaven der Rebellen waren konfisziert worden. Diese Sklaven in Süd-Karolina waren die am meisten heruntergekommenen auf dem Kontinent und von ihren frühern Besitzern am schlechtesten behandelt worden. Die Feldarbeiter unter ihnen erhielten, einem hessischen Journal zufolge, täglich gewöhnlich ein Quart Reis oder Indian corn, das sie halb gekocht assen, da sie es in dieser Zubereitung nahrhafter fanden als ganz gekocht. Viele hatten kaum einen Lappen, um ihre Blössen zu bedecken. Nur wenige verstanden Englisch. Am 31. Mai bekam jedes Regiment, das nach New-York ging, zehn Sklaven. Die Neger bildeten einen Teil der Kriegsbeute, und Tausende wurden zum Verkauf nach West-Indien verschifft.
Anfang Juni segelte Sir Henry Clinton nach New-York. Mit ihm gingen die hessischen Grenadiere und Jäger, einige hessische Regimenter blieben zurück.
Die Expeditionen nach Savannah und Charleston waren nicht die am weitesten entfernten, an denen die deutschen Hilfstruppen beteiligt waren. Im Herbst 1778 wurden ungefähr 1200 Mann Waldecker und Provinzials unter Generalmajor John Campbell abgesandt, um die Garnisonen von West-Florida zu verstärken. Sie segelten Anfang November, liefen Jamaica an und landeten Ende Januar 1779 in Pensacola. Pensacola war damals eine [S. 206] Stadt von ungefähr 200 hölzernen Häusern, die durch Forts aus Holz und Sand verteidigt wurde. Sie lag in einer Sandwüste, die von dichten, unermesslichen Wäldern umgeben war. Nach Georgia reiste man auf dem alten Handelsweg vier Wochen lang. Die Wälder wurden durch Indianer beunruhigt, die von den Briten für jeden feindlichen Skalp drei Pfund Sterling erhielten. Die Waldecker fanden unter den Indianern einen Landsmann, Namens Brandenstein, der in seiner Jugend aus dem waldeck'schen Dienst desertiert war und nach vielen Abenteuern die Sitten und Gewohnheiten eines indianischen Kriegers angenommen hatte.
Die Besatzung von Pensacola war zuerst damit beschäftigt, die Stadt zur Verteidigung einzurichten. Oberstlieutenant Dickson, ein englischer Offizier, hielt Baton Rouge. Im Lauf des Sommers 1779 wurden ihm drei Kompagnien Waldecker zur Verstärkung zugesandt. Inzwischen war zwischen England und Spanien Krieg ausgebrochen. Don Bernardo de Galvez, der spanische Gouverneur von New-Orleans, war ein junger und energischer Mann. Er erbeutete mehrere kleine Schiffe auf dem Mississippi und in der Nähe seiner Mündung. Im September wurden 53 Waldecker auf dem Lake Pontchartrain zu Gefangenen gemacht. Die Spanier gingen gegen Baton Rouge vor und begannen nach zwei vergeblichen Versuchen, die Werke mit Sturm zu nehmen, eine regelrechte Belagerung. Dickson kapitulierte, und die Besatzung marschierte mit allen Kriegsehren aus dem Fort heraus. Sie zählten über 400, die Belagerer unter Galvez zwischen 1400 und 2000 Mann. Beinahe die Hälfte der kapitulierenden Besatzung waren Waldecker, und mehr als 30 waren von dem Regiment gefallen oder verwundet.
Die Nachricht von Dicksons Übergabe erreichte Pensacola am 20. Oktober, wurde aber zuerst mit Unglauben aufgenommen. »Ist dies nicht ein verwünschtes [S. 207] Land, um Krieg darin zu führen,« schreibt der Waldecker Kaplan, »wo der grössere Teil des Korps seit fünf Wochen gefangen genommen, 1200 Meilen Landes im Besitz des Feindes sind, und der kommandierende General weiss es noch nicht einmal mit Bestimmtheit.«
Im März 1780 rückte ein Teil der Besatzung von Pensacola zum Entsatz von Mobile aus, kam aber zur Rettung dieser Stadt zu spät. Bald nach Rückkehr der Truppen nach Pensacola kam vor dem Hafen eine spanische Flotte von 21 Schiffen in Sicht, verschwand aber drei Tage später wieder. Die Spanier hatten das Land bis zum Pertido River in Besitz, überschritten diesen einmal im April, wurden aber von den Indianern zurückgeworfen. Indes waren letztere sehr unzuverlässige Hilfstruppen. Der Rest des Jahres 1780 verlief ohne jegliches Ereignis von Bedeutung in Florida.
Anfang Januar 1781 machte Oberst von Hanxleden mit 115 Weissen und 300 Choctaws eine Expedition gegen French Village. Sie fanden aber einen hartnäckigen Widerstand und wurden zurückgeschlagen. Die Zahl der Toten und Verwundeten auf englischer Seite war beträchtlich; unter den Gefallenen befand sich auch Oberst von Hanxleden. Am 9. März erschien eine spanische Flotte von 38 Schiffen vor Pensacola, und während der folgenden Nacht wurde ein Truppen-Korps auf der Insel Santa Rosa ausgeschifft, welche am Eingang des Hafens liegt. Von da ab nahm die Belagerung des Ortes ihren regelmässigen Fortgang. Am 19. lief die Flotte, indem sie einen günstigen Wind benutzte, bei den Befestigungswerken vorbei, in die Bai ein. Von Zeit zu Zeit erhielten die Spanier Verstärkungen. Am 15. April brachte ein Deserteur die Nachricht, dass Galvez 10000 Mann stark sei. Der Schreiber des Waldecker Journals erwähnt diese Truppenzahl als fünfzehnmal stärker als die in Pensacola, woraus man entnehmen kann, dass General Campbell zwischen 6 und 700 Weisse befehligte. Die [S. 208] Indianer leisteten, obwohl dem Trunk ergeben, barbarisch und undiszipliniert, den Engländern gute Dienste. Schliesslich, am Morgen des 8. Mai, krepierte eine Bombe in dem Pulver-Magazin einer der Redouten, durch die viele pennsylvanische Tories, die das Werk besetzt hielten, getötet wurden und eine grosse Verwirrung entstand. Hieraufhin verstärkten die Spanier ihr Feuer, und am Nachmittag desselben Tages zog General Campbell die weisse Flagge auf und ergab sich unter der Bedingung, dass die ganze Besatzung nach New-York eingeschifft werden und bis zur Auswechselung nicht mehr gegen Spanien oder dessen Verbündete kämpfen sollte. Da zu jener Zeit die Vereinigten Staaten nicht mit Spanien verbündet waren, so konnten die Waldecker sofort gegen die Amerikaner Verwendung finden.
Als Sir Henry Clinton im Dezember 1779 nach Charleston segelte, legte er das Kommando über die Besatzung von New-York in die Hände des Generallieutenants von Knyphausen. Die regulären Truppen in und ausserhalb der Stadt bestanden aus etwa 6000 Engländern, Hessen und Anspachern. Durch Bewaffnung der Einwohner und Matrosen derjenigen Schiffe, welche im zugefrorenen Hafen lagen, gelang es Knyphausen, seine Truppen nahezu zu verdoppeln; die neuen Rekruten waren immerhin gut genug, um hinter den Befestigungswerken verwendet zu werden. Washington hingegen befehligte eine kleine, schlecht verpflegte und unbezahlte Armee, die im Frühjahr 1780 kaum 7000 Reguläre stark war, und selbst von diesen konnte nur die Hälfte dem Garnisondienst zur Verwendung im Felde entzogen werden. [S. 209]
Der Winter war ungewöhnlich kalt. Sowohl der North- und East-River und Long-Island-Sound, als auch der Kanal zwischen Staten-Island und dem New-Jersey-Ufer waren zugefroren. Dies begünstigte Unternehmungen, die fortwährend auf beiden Seiten gemacht wurden. Im Januar landete Lord Stirling auf Staten-Island, fand aber die dortige Besatzung in Bereitschaft und kehrte nach New-Jersey mit seinen Leuten zurück, von denen viele durch Erfrieren von Gliedern stark gelitten hatten. Knyphausen traf Vorbereitungen, durch das Treibeis im Hafen hindurch Verstärkungen nach der Insel zu senden.
Ende dieses Monats und anfangs Februar fanden Unternehmungen gegen Elisabethtown Newark und Youngs House statt, bei denen die Briten viele Gefangene machten.
Mit dem Jahr 1780 war ein frischer Geist in die Kriegführung hineingekommen. Howe und Burgoyne hatten gehofft, nicht nur zu erobern, sondern auch zu versöhnen. Haus und Eigentum von Nichtkombattanten war bis zu einem gewissen Grade verschont geblieben. Clinton und Cornwallis, die nach den Weisungen von Lord George Germaine verfuhren, gaben diese Politik der Versöhnung auf. Expeditionen wurden nur zum Zwecke der Plünderung und Verwüstung unternommen. Bei diesen wurden auch die Hessen verwendet. Am Abend des 22. März 1780 z. B. wurde eine Abteilung von 400 Mann, Briten und Hessen, über den Hudson gesetzt. Ungefähr um 3 Uhr morgens erreichten sie Haecensack, welches zu damaliger Zeit ein schönes, reiches Dorf war. Es wurde kein Widerstand geleistet. Nicht ein amerikanischer Soldat war im Orte, und niemand konnte die Barbareien verhindern, welche verübt wurden. Die Briten und Hessen brachen in die Häuser ein und beluden sich mit Beute. Alle männlichen Einwohner, deren sie habhaft werden konnten, wurden gefangen genommen, und nachdem das Rauben zu Ende war, steckten sie das Stadthaus und einige der Haupt-Wohngebäude in Brand. [S. 210] Bei Tagesanbruch kamen 5 oder 600 Amerikaner von Pollingtown zu Hilfe, und es hätte den Eindringlingen schlecht ergehen können, wenn nicht ein Detachement von ungefähr 400 Mann unter dem Parteigänger Emmerich zu ihrer Unterstützung herangekommen wäre. Sie wurden nach dem Hudson zurückgeworfen. Aus dem Tagebuch des anspach'schen Musketiers Doehla entnimmt Eelking folgende Stelle: »Wir machten beträchtliche Beute an Geld, silbernen Uhren, silbernen Tellern und Löffeln, Haushalts-Gegenständen, Kleidern, feinem englischen Leinen, seidenen Strümpfen, Handschuhen, Halstüchern und andern wertvollen seidenen Sachen und Stoffen. Meine eigene Beute, die ich glücklich zurückbrachte, bestand in zwei silbernen Uhren, drei Paar silbernen Schnallen, einem Paar Frauen-Strümpfen in Wolle, einem Paar Strümpfen für Männer, zwei Hemden und vier Vorhemden von feinem englischen Leinen, zwei feinen Tischtüchern, einem silbernen Löffel und einem Theelöffel, fünf spanischen Dollars und sechs Yorkschillings an Geld. Das andere, nämlich elf Stücke feines Leinen und über zwei Dutzend seidene Tücher, sechs silberne Teller und ein silberner Trinkbecher, was ich alles in ein Bündel zusammengeschnürt hatte, musste ich wegen des eiligen Marsches wegwerfen und den nacheilenden Feinden überlassen.«
Knyphausen behauptet, den Amerikanern im Laufe des Winters einen Verlust an 65 Toten und 320 Gefangenen zugefügt zu haben. Der beginnende Sommer gab Gelegenheit zu wichtigerer Thätigkeit. Am Abend des 6. Juni 1780 wurde die erste der fünf Divisionen des britischen Expeditions-Korps auf New-Jersey bei Elizabethtown-Point gelandet, die vier andern Divisionen folgten am nächsten Tage. Diese setzten sich aus beinahe sämtlichen regulären Truppen zusammen, die Knyphausen zu seiner Verfügung hatte. Die erste und zweite Division drangen durch Elizabethtown und Connecticut Farms vor, [S. 211] wo sie ziemlichen Widerstand fanden. Bei letzterem Ort machte die Armee Halt, die Jäger wurden gegen Springfield vorgeschoben. Zu jener Zeit waren die Jäger nur 300 Mann stark, da ein Teil des Korps in Charleston war, ein anderer in Kavallerie, oder besser gesagt berittene Jäger umgewandelt worden war. Diese 300 hatten an diesem Tage am meisten auszuhalten. Die Amerikaner fochten mit grosser Ausdauer und griffen wiederholt mit dem Bajonnet an. Ungefähr um 1 Uhr bekamen die Jäger Unterstützung, und der Feind wurde nach Springfield zurückgetrieben. Es begann nun ein heftiges Feuer, ungefähr um 4 Uhr nachmittags aber wurden die Jäger zurückbeordert in ihre erste Stellung, wo die Armee biwakierte. Kaum als die Pickets in einigen Häusern vor der Front postiert waren, wurden sie angegriffen. Die Jäger feuerten und schlugen die Amerikaner eine weite Strecke zurück. Die Häuser wurden verbrannt. Drei Geschütze wurden in Stellung gebracht, der Feind aber erneuerte nicht seinen Angriff. Die Jäger verloren an diesem Tage 55 Mann an Toten und Verwundeten. Während der Dämmerung brachten Deserteure die Nachricht, dass Washington mit seiner Hauptarmee während der Nacht in Springfield erwartet würde. Daraufhin brach Knyphausen um 11 Uhr abends auf und kehrte nach Elizabethtown Point zurück. Am nächsten Tage griff Lord Stirling mit der amerikanischen Avantgarde ein englisches Regiment an, dieses wurde aber von zwei deutschen Regimentern unterstützt, infolgedessen die Amerikaner nach Elizabethtown zurückgeschlagen wurden. Im Lauf der nächsten Tage fanden ununterbrochen Scharmützel statt. Am 13. machten die berittenen Jäger den Versuch, ein amerikanisches Kavallerie-Picket zu überfallen und gefangen zu nehmen, ihr Vorhaben wurde aber verraten, und das Picket entkam. »Es ist beinahe unmöglich, den Feind bei irgend einer Gelegenheit zu überraschen,« sagt das Journal des Jäger-Korps, »weil jedes [S. 212] Haus, in dessen Nähe man kommt, sozusagen ein vorgeschobenes Picket ist; denn der Farmer, oder sein Sohn, oder Knecht, und selbst seine Frau und Tochter schiessen mit einer Flinte oder benutzen Schleichwege, um das Herannahen des Feindes zu melden.«
Am 19. Juni hielt Sir Henry Clinton, der eben von Charleston mit den hessischen Grenadieren und dem Jäger-Detachement, den britischen Grenadieren und der leichten Infanterie und den Provincial Queens Rangers zurückgekehrt war, über Knyphausens Armee Revue ab. Es wurden Vorbereitungen zum Vormarsch getroffen, und am 23. rückten vier deutsche Regimenter, die Jäger, sechs Regimenter Engländer und Tories gegen Springfield vor. Eine Zeit lang hielten die Amerikaner die Stellung bei Connecticut Farms, zogen sich aber bald nach dem Schlachtfeld vom 7. zurück, während die englische Armee sich auf den Höhen diesseits Springfield entwickelte. Der Passaic River lag zwischen den beiden Stellungen, die Amerikaner unter Major Lee hielten die Brücke. Die Hessen durchwateten den Strom angesichts eines heftigen Feuers, während ein englisches Regiment die Brücke angriff, wodurch Lee bis auf die Höhen jenseits der Stadt zurückgeworfen wurde, wo er sich mit einem stärkeren Korps vereinigte. Die Stadt Springfield wurde genommen, und jenseits derselben schlugen sich die Jäger der Avantgarde eine Stunde lang mit dem Feinde herum. Darauf steckten die Briten die Stadt in Brand und zogen sich zurück. Die Jäger bildeten nunmehr die Arrieregarde und konnten kaum zwischen den brennenden Häusern hindurchkommen. Die Amerikaner drängten scharf nach und erschwerten ihnen den Rückzug. Ungefähr zwei Meilen von Elizabethtown wurden die Jäger von einem englischen Regiment aufgenommen, und der Rückzug wurde bis Elizabethtown Point fortgesetzt. Hier nahmen die Truppen ihre alten Stellungen ein, bekamen aber während der Nacht den Befehl, aus dem Lager auf [S. 213] zubrechen und nach Staten Island überzugehen. Dies geschah, und die Schiffbrücke, die am 11. zwischen der Insel und dem Festlande gebaut war, wurde sofort abgebrochen, während ein hessisches Regiment in dem Brückenkopf auf dem Jersey-Ufer verblieb, bis diese Operation vollendet war. Ungefähr um 3 Uhr morgens war die ganze Armee übergegangen. Der Verlust der Jäger am Tage vorher war beträchtlich, vierundzwanzig Tote und Verwundete bei dem Angriff auf die Brücke über den Passaic-River, und wahrscheinlich ebensoviel jenseits des Flusses und auf dem Rückzuge.
Diese Expedition nach Springfield war der letzte Versuch, den Sir Henry Clinton machte, um Washingtons Hauptarmee in New-Jersey anzugreifen. Der übrige Teil des Jahres verlief, abgesehen von dem Verrat Arnolds und der Hinrichtung von André in den Nordstaaten, ohne besonders wichtige Ereignisse; auch ist in der ersten Hälfte des Jahres 1781 kein Zusammenstoss zu verzeichnen, welcher als etwas anderes als ein Scharmützel gelten könnte.
Am Abend des 2. Juli 1781 war der Parteigänger Emmerich mit hundert Mann nach Philipps House marschiert. Während der Nacht hatte Oberstlieutenant von Wurmb die Meldung bekommen, dass die amerikanische Armee auf New-York im Anmarsch wäre, und dass deren Avantgarde bei Sing-Sing beobachtet worden sei. Es wurde deshalb ein Oberstlieutenant mit 200 Jägern und 30 Kavalleristen bei Morgengrauen abgesandt, um Nachrichten zu bringen und den Rückzug Emmerichs zu decken. Der Oberstlieutenant ging über Kingsbridge den Harlem Creek entlang, gleichzeitig einen Unteroffizier und 10 Mann mit dem Auftrag entsendend, die Ruinen des Forts Independence, welches seine Strasse beherrschte, zu rekognoszieren. Beim Erreichen der Höhe, auf welcher das Fort erbaut worden war, bemerkte der die Rekognoszierungs-Patrouille befehligende Sergeant Rübenkönig in nächster [S. 214] Nähe einige Leute. Nicht im Stande, in der Morgendämmerung zu unterscheiden, wer sie wären, ging er ihnen allein entgegen und glaubte die blauen Röcke mit den strohfarbenen Besätzen des Regiments von Donop, von welchem ein Teil unter Emmerichs Kommando war, zu erkennen. Er hätte ihnen beinahe »Guten Morgen« gewünscht, als ein halbes Dutzend Leute auf ihn los sprang, ihn bei den Haaren und dem Bandolier seiner Patronentasche fasste und versuchte, ihn festzuhalten. Rübenkönig aber entwand sich ihren Händen und eilte unter dem Ruf: »Rebellen, Rebellen!« zu seiner Abteilung.
Die Avantgarde der Jäger befand sich unterdessen auf dem Engweg zwischen dem Hügel, auf welchem das Fort war, und Harlem River. Die Leute hatten ihren Rückweg durch einen Morast zu machen. Die Stelle, wo die Hauptabteilung aufmarschiert war, war eng und unvorteilhaft. Der erste Ansturm gegen die Amerikaner wurde abgeschlagen, wobei die Deutschen in Unordnung zurückgingen. Darauf attackierte die Kavallerie ohne Erfolg, die Amerikaner aber zogen sich nach den Ruinen des Forts zurück, wodurch die Jäger Zeit fanden, sich in Ordnung und in einer günstigen Stellung zu sammeln. Schliesslich wurden die Amerikaner aus ihrer Stellung vertrieben, wohl infolge der Annäherung von Verstärkungen auf Seiten der Deutschen, denn Oberstlieutenant von Wurmb traf um diese Zeit ein. Sie zogen sich auf eine Höhe in einer Entfernung von ungefähr 1000 Yards zurück, etwa 6-700 Mann stark. Emmerich hatte sich mit seiner Abteilung inzwischen über den Spyt den Duyvel Creek zurückgezogen, und war, da die Brücke in Händen des Feindes war, von den Jägern abgeschnitten worden. Das ganze Korps mit der Kavallerie ging deshalb vor, um die Brücke zu nehmen; die Amerikaner zogen sich langsam zurück. Wurmb machte hier, nachdem er seinen Auftrag soweit ausgeführt, und in dem Glauben, der Feind [S. 215] wollte ihn in einen Hinterhalt locken, mit seinem Detachement Halt und schickte Meldung an das Hauptquartier. Am Nachmittag ging die amerikanische Armee vor und lagerte auf Valentines Hill in einer Ausdehnung von Courtlands Reach bis Spyt den Duyvel. Der hessische Verlust in diesem Gefecht betrug 30 Mann tot und verwundet.
Am 6. Juli 1781 vereinigte sich die französische Armee unter Rochambeau mit der von Washington vor New-York; länger als einen Monat bestand die Kriegführung in Scharmützeln; Sir Henry Clinton machte sich nämlich darauf gefasst, in New-York belagert zu werden, sobald die französische Flotte von West-Indien ankommen würde.
Am 18. August 1781 wurde das Übergehen des Feindes über den North-River gemeldet. Doch noch immer wurden Clintons Augen nicht geöffnet. Vergebens machte Oberstlieutenant von Wurmb von den Jägern, der die Erlaubnis hatte, auf eigene Faust Spione auszuschicken, den Oberkommandierenden darauf aufmerksam, dass die vereinigte Armee auf dem Marsche nach Virginia begriffen sei. Der Oberstlieutenant nahm dies aus zwei Gründen an. Der erste war, dass Vorbereitungen getroffen wurden, die Amerikaner und Franzosen auf der Strasse durch New-Jersey mit Lebensmitteln und Fourage zu verproviantieren; der zweite, dass der Oberstlieutenant gehört hatte, eine Amerikanerin, die Gattin eines höhern französischen Offiziers, wäre angewiesen worden, nach Trenton zu gehen. General Clinton liess sich nicht überzeugen, bis es zu spät war, dieser Bewegung entgegen zu treten.
Selbst nachdem ihm Washingtons Plan klar geworden war, war er nicht gewillt, seine ganze verfügbare Streitmacht wenigstens zu einer Diversion zu Gunsten von Lord Cornwallis zu verwenden. Es lässt sich jetzt schwer sagen, ob eine Unternehmung gegen Philadelphia oder [S. 216] den Hudson hinauf eine Umkehr der Verbündeten von Ihrem Zug nach dem Süden veranlasst haben würde. Clinton indessen begnügte sich damit, Vorbereitungen zur Einschiffung eines Korps nach Yorktown zu treffen, und ein Detachement unter Benedict Arnold, der kurz vorher von Virginia zurückgekehrt war, nach der Küste von Connecticut zu entsenden. Arnold erreichte an der Spitze von zwei englischen Regimentern und 100 hessischen Jägern am 6. September New-London und stürmte das Fort, dessen kleine Besatzung eine verzweifelte Gegenwehr machte. Arnold steckte einen Teil der Stadt, die Magazine und die Schiffe auf dem Stapel in Brand. Die Schiffe im Hafen entkamen den Fluss hinauf.
Nicht vor dem 19. Oktober kam die britische Flotte dazu, in See zu stechen, um Lord Cornwallis zu Hilfe zu kommen. Die hessischen Grenadiere und die andern Truppen waren an Bord der Kriegsschiffe genommen worden. Am 28. Oktober traf die Flotte am Eingang in die Chesapeake Bay ein, und erhielt vom Ufer aus die Nachricht von der Übergabe Cornwallis. »Diese zweite Burgoynade,« schreibt ein hessischer Offizier, »wird jedenfalls viel dazu beitragen, den Krieg zu einem unglücklichen Ende zu bringen.« Diese Voraussagung hat sich vom Standpunkt des Offiziers aus bewahrheitet. Doch jetzt müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Ereignisse lenken, die zur Katastrophe von Yorktown führten.
Als Sir Henry Clinton im Juni 1780 von Charleston absegelte, befanden sich zwei hessische Regimenter bei der Besatzung, die er zurückliess; und bald nachher kam noch ein drittes Regiment hinzu, welches von Savannah dorthin befördert wurde. Einen Bericht über eine Teil [S. 217] nahme dieser Regimenter an dem Feldzug, den Lord Cornwallis in Süd- und Nord-Carolina führte, kann ich nirgends finden. Am 16. August 1780 war die amerikanische Armee unter General Gates bei Camden vereinigt; am 18. überfiel Tarleton eine Truppen-Abteilung unter Sumter. Sechs Wochen später hatte sich das Blatt durch das glänzende Gefecht bei Kings Mountain gewendet, in welchem ungefähr 1400 Hinterwäldler einen Berg umzingelten und erstürmten, der von einer gleichen Zahl von britischen regulären Truppen und Provincials besetzt war; zwei Fünftel davon wurden getötet oder verwundet, der Rest gefangen genommen.
Im Oktober 1780 begab sich General Leslie mit mehreren englischen Regimentern, dem hessischen Regiment von Bose und einem Detachement von 100 Jägern von New-York nach den Süd-Staaten. Sie landeten in Portsmouth in Virginien, verliessen diesen Ort aber bald wieder, um nach Charleston abzurücken, wo sie gegen Ende des Jahres eintrafen.
Mit diesen Verstärkungen zur Hand, brach Lord Cornwallis von Wynesborough, westlich von Camden, auf und marschierte gegen General Greene, der auf Washingtons Wunsch zum Nachfolger von Gates ernannt worden war. Die britische Armee war ungefähr 3500 Mann stark. Auf die Nachricht, dass Morgan mit einem detachierten Korps auf der Südseite des Broad-River stand, beschloss Cornwallis, ihn von Greenes Hauptarmee abzuschneiden. Zu diesem Zwecke detachierte er Oberstlieutenant Tarleton mit ungefähr 1000 Mann. Tarleton sollte Morgan in der Front angreifen, während Cornwallis sich am linken Ufer des Broad-River entlang ziehen und die zurückgehenden Amerikaner gefangen nehmen wollte. Tarleton stiess am Morgen des 17. Januar 1781 auf Morgan. Ohne die Entwickelung seiner Truppen abzuwarten, warf sich der tapfere Kavallerie-Oberst auf den verachteten Feind. Die amerikanische Miliz, die die erste Linie bildete, wich zurück. [S. 218] Die zweite Linie, hauptsächlich aus Continentals bestehend, blieb stehen. Tarleton gab Befehl, dass seine Reserven vorgehen sollten. Die Amerikaner gingen zurück, machten aber wieder Front und überschütteten den Gegner mit einem heftigen und wohlgezielten Feuer. Dieser unerwartete Widerstand brachte die Briten in Unordnung. Sie schwankten. Zwei Kompagnien Virginia-Miliz machten einen Bajonnet-Angriff. Die Briten wichen auf allen Seiten zurück. Tarleton sammelte ungefähr 50 Reiter und brachte für einen Augenblick die Verfolgung zum Stehen. Der grösste Teil der britischen Infanterie wurde gefangen genommen, nur die Kavallerie entkam; und die Baggage wurde zerstört. Die Amerikaner machten ungefähr 500 Gefangene; ungefähr 100 Engländer fielen. Der amerikanische Verlust belief sich nicht über 75 Mann. Zwei Fahnen, zwei Geschütze, 35 Wagen, 300 Gewehre und 100 Pferde fielen in Morgans Hände. Die Geschütze waren bereits vorher genommen worden, einmal von Gates bei Saratoga und dann von Cornwallis bei Camden. Morgans Gefecht, das beinahe in der Wildnis geführt wurde, ist nach dem Orte Cowpens benannt worden, einem Orte, wo die Einwohner dieses Landstriches ihr Vieh zusammentrieben und einsalzten.
Bald nach diesem Siege wurde General Morgan von Rheumatismus befallen und gezwungen, den Abschied zu nehmen.
Nicht viele, die im Revolutionskriege gedient haben, haben ihrem Lande bessere Dienste geleistet wie er. Es wird eine Geschichte erzählt, dass er sich bei Winchester in dem Thal von Virginia ein Haus baute, und zwar aus Steinen, welche die hessischen Gefangenen meilenweit auf ihren Schultern hergeholt haben sollen. Diese Geschichte ist nicht unmöglich, ich habe sie aber in keiner deutschen Quelle bestätigt gefunden.
Cornwallis war enttäuscht, aber nicht mutlos gemacht durch die Niederlage seines fähigsten Unterführers und [S. 219] beinahe eines Drittels seiner Soldaten. Am Tage nach dem Gefecht bei Cowpens vereinigte sich Leslies Division mit ihm. In wenigen Tagen marschierte er durch Nord-Carolina, indem sich Greene vor ihm zurückzog. Letzterer wurde über die Grenzen des Staates und über den Dan River gedrängt. Cornwallis liess an die Tories eine Aufforderung ergehen, sich zu erheben; diese zeigten sich auch dazu geneigt, eine Abteilung von ihnen wurde aber von einer Übermacht unter Henry Lee und Pickens angegriffen und zerstreut, während die andern entmutigt sich wieder nach Hause begaben.
Schliesslich erhielt General Greene Verstärkungen, ging wieder vor bis nach Guildfield Court House in Nord-Carolina und bereitete sich zur Schlacht vor. Seine Armee bestand aus 1651 Continentals und über 2000 Milizen. Lord Cornwallis befehligte 1875 Veteranen. Am 15. März 1781 entwickelte Greene seine Armee in drei Linien. Die vorderste war aus Nord-Carolina-Milizen zusammengesetzt und in einem Wald hinter einem Gatter aufgestellt. Ein Teil dieser Linie stand an dem Rande eines ausgerodeten Stück Landes. Der linke Flügel derselben hatte als Unterstützung eine Abteilung von Schützen unter Oberstlieutenant Henry Lee und Oberst Campbell. Greenes zweite Linie, 300 Yards hinter der ersten, bestand aus Virginia-Milizen. Sie standen in dichtem Walde. Die dritte Linie war aus allen Continentals der Armee zusammengesetzt. Dieser Streitmacht gegenüber liess Lord Cornwallis nach einem Avantgarden-Geplänkel seine Armee in zwei Divisionen aufmarschieren. Den linken Flügel kommandierte Oberstlieutenant Webster, den rechten Brigade-General Leslie. Der rechte Flügel stiess zuerst auf die Nord-Carolina-Miliz, die bei dessen Annäherung zurückwich. Lee und Campbell mit ihren Schützen hielten tapfer aus. Die Briten gingen gegen die Virginia-Miliz vor. Die Engländer waren nun auf ihrer ganzen Front engagiert, und die Virginier verteidigten sich so tapfer, [S. 220] dass Lord Cornwallis genötigt war, seine Reserven heranzuholen. Die zweite Linie der Amerikaner wurde alsdann zurückgedrängt, und die Briten drangen weiter vor gegen die Continentals. Hierbei kamen die Engländer in dem dichten Wald in ziemliche Unordnung. Oberstlieutenant Webster mit seiner Brigade stiess zuerst auf die Continentals. Da er aber zu übereilt vorgegangen war, so wurde er zurückgeworfen bis hinter einen Ravin. Das zweite Maryland-Regiment jedoch war durch einen Angriff des zweiten Bataillons der englischen Garde durchbrochen worden; zwei 6-Pfünder wurden genommen. Das erste Maryland-Regiment und Oberst Washingtons Kavallerie attackierten die Garden, warfen sie zurück und nahmen die Geschütze wieder. Darauf feuerte Lieutenant Macleod von der britischen Artillerie mit zwei 3-Pfündern auf Freund und Feind. Washingtons Dragoner wurden geworfen. Webster ging wieder vor, unterstützt von einem Teil von Leslies Division, und General Greene trat mit seiner Armee den Rückzug an, indem er seine Geschütze, deren Pferde gefallen waren, im Stich lassen musste.
Von den Hessen waren ein Jäger-Detachement und das Regiment von Bose an diesem Kampfe beteiligt. Dies Regiment stand auf dem rechten Flügel. Es stand während des ganzen Gefechts den Schützen unter Lee und Campbell gegenüber, die es mit grossem Ungestüm in Front und Rücken angriffen. Das Regiment hielt sich mit grosser Tapferkeit in seiner Stellung, und diente dem ersten Bataillon der englischen Garde, welches in Unordnung hatte zurückgehen müssen, als Aufnahme und Rückhalt. Eelking und Bancroft sprechen dem hessischen Regiment einen entscheidenden Anteil an dem Siege zu. Ein so bedeutender Anteil kann ihm kaum zugestanden werden, indessen verdienten die Soldaten und ihr Führer Oberstlieutenant du Puy vollkommen die ehrenvolle Erwähnung, die ihnen in dem Tagesbefehl von Lord Cornwallis zu Teil wurde. [S. 221]
Das ganze Gefecht dauerte ungefähr zwei Stunden. Der ganze Verlust der Briten betrug 532 Mann, von denen 80 auf das Regiment von Bose kamen.
Cornwallis Armee war durch diesen Sieg so zusammengeschmolzen, dass er gezwungen war, über die Grenzen Virginiens nach Wilmington zu marschieren, um ihr eine Rast zu verschaffen; die Schwerverwundeten musste er zurücklassen.
Nachdem sich Lord Cornwallis bis zur Küste zurückgezogen hatte, wurde Greene Herr über die Staaten Nord- und Süd-Carolina. Vor Mitte September hatten die Amerikaner drei Schlachten verloren und drei Provinzen gewonnen. Nacheinander bei Camden, Ninety-six und Eutaw-Springs geschlagen, nahm Greene und die Parteigänger, die mit ihm cooperierten, eine Anzahl kleiner Posten durch Belagerung oder Sturm, führte die Kapitulation von Augusta und den Entsatz von Camden und Ninety-six herbei. Im Herbst 1781 hatten die Briten von den drei südlichsten Staaten nichts mehr im Besitz mit Ausnahme von Savannah, Charleston und Wilmington.
Am 10. Dezember 1780 segelte Benedict Arnold, der nunmehr britischer Brigade-General war, an der Spitze von ungefähr 600 Mann, einschliesslich 100 hessische Jäger unter Kapitain Ewald, von New-York ab. Arnold erreichte den James-River Anfang Januar 1781. Dort stand ihm nichts als eine kleine Schaar Milizen unter Baron Steuben entgegen. Arnold steckte die Stadt Richmond mit ihren Vorräten an Tabak in Brand und zog sich wieder nach Portsmouth an der Mündung des James zurück. Nicht lange nachher gaben die Jäger einen neuen Beweis ihrer Tapferkeit. Am 19. März 1781 ging General Lafayette mit einer Abteilung von etwa 500 Mann gegen die englische Stellung vor, zersprengte ein Picket von den Jägern und nahm es zum Teil gefangen und näherte sich der Stellung, die von Kapitain Ewald besetzt war. Diese [S. 222] war zuerst von einem Unteroffizier und 16 Mann gehalten worden. Der Kapitain und 19 Mann nahten eilig zu ihrer Unterstützung heran. Die Amerikaner mussten über einen schmalen Deich avancieren, der einige 30 Schritte lang war, und auf dem sie dicht gedrängt vorgingen. Jeder Schuss musste treffen, sodass neunundzwanzig totgeschossen oder verwundet wurden. Die Jäger verloren nur zwei Mann, und Lafayette musste sich zurückziehen. »Man muss nur bei solchen Gelegenheiten,« sagt Ewald, »die Hacken an den Stiefeln fest in die Erde schrauben und an kein Weichen denken, dann wird man selten Gegner finden, die uns aus solch einer Stellung herauswerfen.« Ewald war in diesem Gefecht am Knie verwundet worden. Eelking berichtet, dass Arnold nach demselben den Kapitain besucht habe. Ewald machte dem General Vorwürfe, dass er die Jäger nicht unterstützt hätte. Arnold erwiderte, er habe die Stellung für verloren gehalten. »So lange noch ein Jäger am Leben ist,« rief der Kapitain wütend aus, »soll kein — Amerikaner über den Deich kommen.« Arnold, der sich noch als Amerikaner betrachtete, nahm dies übel und zeigte es dadurch, dass er es unterliess, das gute Verhalten der Jäger in dem Tagesbefehl zu erwähnen. Ewald beklagte sich hierüber bei Arnolds Adjutanten, worauf der General sich am folgenden Tage bei ihm entschuldigte und die Erwähnung nachträglich erfolgen liess. Inzwischen war Lafayette mit 1200 Continentals nach Virginien beordert worden. Der junge General brach sofort mit einem Teil seiner Streitkräfte auf und liess Wayne mit dem Rest folgen. Zehn französische Kriegsschiffe sollten mit dem Marquis gemeinsam operieren. Diese trafen am 16. März unweit der Kaps von Virginien auf das englische Geschwader. Nach einem Gefecht von zwei Stunden segelte die französische Flotte nach Newport zurück, während die englische sich nach der Chesapeake-Bay begab. Die Verteidigung von Virginien hatte man ausschliesslich den Landtruppen über [S. 223] lassen müssen, diese zeigten sich aber dieser Aufgabe nicht gewachsen.
Am 19. März segelte Generalmajor Phillips, derselbe, welcher bei Saratoga mit Burgoyne zusammen gefangen genommen worden war, von New-York, um das Kommando über die englischen Truppen in Virginien zu übernehmen. Er nahm 2000 Mann Verstärkungen mit, und beinahe dieselbe Zahl folgte sechs Wochen später. General Phillips machte bald nach seiner Ankunft einen Vorstoss von Portsmouth aus den James River hinauf, plünderte und steckte alles in Brand auf beiden Ufern, liess die Neger wegtransportieren und nach West-Indien verschiffen, zerstörte unter den Augen von Lafayette, der auf der Nordseite des Flusses geblieben war, die Magazine und setzte sich am 9. Mai in den Besitz von Petersburg, wo sich seine Armee mit der von Lord Cornwallis, die von Wilmington im Anmarsch war, vereinigen sollte. Vier Tage später starb General Phillips an einem heftigen Fieber und Arnold hatte wieder die Führung über die Armee. Am 20. jedoch traf Lord Cornwallis in Petersburg ein und sandte kurz darauf den Verräter nach New-York zurück.
Cornwallis brach am 24. Mai von Petersburg auf, ging 25 Meilen unterhalb Richmond über den James River und war am 1. Juni bei Cooks Ford am North Anna-River in der Nähe von Hanover Court House. Von da schickte er Tarleton nach Charlottesville, wo der Landtag von Virginien seine Sitzungen abhielt. Tarleton sprengte den Landtag auseinander und nahm einige der Mitglieder gefangen. Inzwischen war Simcoe entsandt worden, um einige Magazine und Vorräte bei Point of Fork, wo der Rivanna-River sich in den James ergiesst, zu zerstören resp. in Besitz zu nehmen. Er nahm wahr, dass die Vorräte, die von General Steuben bewacht wurden, sich auf der Südseite des James River befanden. Es gab dort keine Furt, und Simcoe hatte nur einige kleine Boote. [S. 224] Er nahm deshalb seine Zuflucht zu einer Kriegslist. Indem er seine 400 Mann, die er halb zeigte, halb verborgen hielt, in einer langen Linie entwickelte, machte er Steuben glauben, dass sein Detachement die Avantgarde von Cornwallis Hauptarmee wäre. Und Steuben, der sich nicht überlegte, dass mit so wenig Kähnen zum Übersetzen eine ganze Armee kaum gefährlicher war als ein Detachement, zog sich unter Zurücklassung eines Teils seiner Vorräte zurück. 24 Mann wurden darauf über den Fluss gesetzt, und, während die Hälfte davon die Vorräte zerstörten, hielt der Rest Wache, ohne dass sie im mindesten gestört wurden.
Lafayette ging nach Norden bis zum Rappahannock zurück, wo Wayne ihm Verstärkungen zuführte. Der Marquis wandte sich darauf in Eilmärschen nach Süden und Westen und postierte sich zwischen die britische Armee und die Vorräte des westlichen Teils des Staates. Er war jedoch noch zu schwach, um eine Schlacht wagen zu können. Cornwallis unternahm nichts gegen ihn, sondern wandte sich am 15. Juni der Küste zu. Dies gab Lafayette einen unstreitigen Vorteil. Er folgte Cornwallis in respektvoller Entfernung auf seinem Marsche. Die Armee unter Lafayette zählte zu jener Zeit 4500 Mann, von denen nur 1505 Reguläre waren.
Es fanden auf diesem Rückmarsch nur zwei Gefechte statt; das eine am 26. Juni. Eine Abteilung unter Simcoe und Ewald, die die Arrieregarde der britischen Armee bildete, wurde von einem Detachement der Division Wayne angegriffen und teilweise überrascht. Die Briten und Hessen hatten gegen Mittag nicht weit von Williamsburg eine Rast gemacht, als die Amerikaner eine heftige Attacke auf sie unternahmen. Die Kavallerie jedoch war schnell aufgesessen, die Jäger an den Gewehren, und die Amerikaner wurden zurückgeschlagen mit einem Verlust von 30 oder 40 Mann auf beiden Seiten.
In Williamsburg erhielt Lord Cornwallis den Befehl, [S. 225] 3000 Mann nach New-York zurückzusenden, welches Clinton durch die vereinigte Armee der Franzosen und Vereinigten Staaten bedroht glaubte. Um diesen Befehl zur Ausführung zu bringen, setzte Cornwallis seinen Marsch auf Portsmouth fort. Am 4.Juli verliess er sein Lager bei Williamsburg und marschierte nach Jamestown in der Absicht, den James-River zu überschreiten. Die Rangers unter Simcoe und die Jäger unter Ewald gingen in derselben Nacht über. Ein Teil der Baggage wurde am folgenden Tage übergesetzt. Am 6. Juli blieb Cornwallis mit der Armee in Jamestown, wo der General die Nachricht erhielt, dass Lafayette im Anmarsch sei, um ihn anzugreifen. Dies war, was Cornwallis wollte, denn er hatte eine günstige Stellung und eine viel grössere Zahl von regulären Truppen als Lafayette.
Am Nachmittag des 6. Juli ging Lafayette vor, war aber noch im Unklaren darüber, ob die Hauptarmee von Lord Cornwallis oder nur seine Arriere-Garde auf dem linken Ufer des James wäre. Die Amerikaner gingen vorsichtig vor. Wayne griff mit ungefähr 500 Mann an. Die britischen Pickets hatten Befehl erhalten, hartnäckigen Widerstand zu leisten und sich dann zurückzuziehen. Ermutigt hierdurch, entwickelte Wayne auch den Rest seiner Brigade, sodass er mehr als 1000 Mann in Thätigkeit gesetzt hatte. Die übrigen Continentals der Armee folgten als Reserve. Es schien nunmehr Cornwallis der Augenblick zum Schlagen gekommen zu sein. Seine Armee war in zwei Treffen aufmarschiert. Das erste bestand aus ungefähr 2500 Mann, das zweite, zu dem das Regiment von Bose gehörte, war etwa 1000 Mann stark. Wayne und Lafayette merkten den Fehler, den sie begangen hatten und sahen, dass er am besten durch ein kühnes Wagnis wieder gut gemacht werden könnte. Wayne ging mit seiner Brigade vor. Dies brachte die Briten zum Stehen. Die feindlichen Reihen standen sich nur ungefähr 70 Yards gegenüber, und unterhielten gegenseitig ein [S. 226] fünfzehn Minuten langes heftiges Feuer. Da aber nunmehr die Briten anfingen die Amerikaner in der Flanke zu fassen, gingen letztere zurück. Zwei Geschütze, die den Braunschweigern bei Bennington abgenommen worden waren, mussten sie, da die Pferde totgeschossen waren, im Stich lassen. Der Verlust der Amerikaner wird auf 139 angegeben, der der Briten auf 75 Mann.
Nachdem Cornwallis in Portsmouth angekommen war, erhielt er Gegenbefehl und machte mit seiner ganzen Armee Halt. Er sollte Old Point Comfort besetzen und verteidigungsfähig einrichten, ebenso, wenn er es für ratsam hielte, einen andern Ort auf der Halbinsel, der sich als Marine-Station eignete. Nachdem sich aber die Ingenieure gegen Old Point Comfort ausgesprochen hatten, besetzte Cornwallis in der ersten Woche des August Yorktown und das gegenüber gelegene kleine Dorf Gloucester. Hier sammelte er schnell seine ganze Streitmacht und machte sich eilig daran, seine Stellung zur Verteidigung einzurichten, während Lafayette sich abwartend verhielt und ihn beobachtete.
Gerade zu dieser Zeit war Washington benachrichtigt worden, dass die französische Flotte unter Count de Grasse sich anschickte, an den Operationen bei der Chesapeake Bay Anteil zu nehmen. Schnell und im Geheimen wurden Vorbereitungen getroffen, die amerikanische und französische Armee von New-York nach Virginien zu dirigieren. Wir haben gesehen, dass bereits am 18. August nach der City von New-York die Nachricht gekommen war, dass die Verbündeten im Begriff wären, den North-River zu überschreiten. Aus Mangel an Booten hatte diese Operation eine Woche gedauert. Sir Henry Clinton war aber, obwohl er von Washingtons Plan Kenntnis erhalten hatte, immer noch in der Idee befangen, als ob ein Angriff auf Staten Island beabsichtigt sei. Es dauerte bis zum 29., bis er über seinen Irrtum aufgeklärt wurde. Unter Zurücklassung von 4000 Mann unter General Heath [S. 227] zum Schutz des Hochlands, gingen Washington und Rochambeau in Eilmärschen gegen Cornwallis vor.
Die verbündete Armee, die durch New-Jersey marschierte und von der das Schicksal des Krieges abhing, war sehr schwach. Sie bestand aus 4000 Franzosen und 2000 Amerikanern. Nachdem Philadelphia passiert war, kam sie am 6. und 8. September 1781 in Head of Elk an. Der Count de Grasse war bereits mit 24 Schiffen in der Chesapeake Bay angekommen; er führte 1700 Geschütze und 19 000 Seeleute mit sich. Ihm stellte sich am 5. September Admiral Graves mit einer geringern Streitmacht gegenüber. Die Schlacht dauerte zwei Stunden. Die Engländer gerieten, obwohl nicht vollkommen geschlagen, in einen Zustand, der sie zu jeder weitern Unternehmung gegen die Franzosen unfähig machte. Nach vier Tagen segelten sie unter Überlassung der Chesapeake Bay an de Grasse, nach New-York.
Die Franzosen und Amerikaner, die von New-York gekommen waren, marschierten die Bay hinunter und vereinigten sich mit dem Korps von Lafayette und den französischen Truppen, die de Grasse gebracht hatte. Die vereinigte Armee bei Williamsburg bestand am 27. September 1781 aus ungefähr 7000 Franzosen, 5500 Continentals und 3500 virginischen Milizen. In den Reihen der Continentals waren Kompagnien von allen Staaten nördlich von Karolina. Die englische Armee in Yorktown war etwa 7000 Mann stark. Von diesen gehörten nicht ganz 1100 dem Markgrafen von Anspach-Bayreuth, etwas mehr als 850 dem Landgrafen von Hessen-Cassel und der Rest, etwa 5000 Mann, dem König von Grossbritannien, welchem die ganze Armee Gehorsam gelobt hatte. Ungefähr 800 Seeleute fochten auf jeder Seite während der Belagerung. Die französische Flotte befand sich ausser Thätigkeit, dagegen waren die englischen Schiffe aktiv beteiligt.
Yorktown bot keine starke Stellung; seine Verteidigung [S. 228] bestand nur aus Feldschanzen. Am 30. September 1781 gaben die Briten, vielleicht zu frühzeitig, ihre äussere Verteidigungslinie auf. In der Nacht zum 6. Oktober wurde die erste Parallele eröffnet. Am Nachmittag des 9. begann das Feuer aus der Parallele, und von da ab bis zum Ende der Belagerung dauerte die Kanonade beinahe ununterbrochen fort.
Das erste Zusammentreffen, das stattfand, war ein Scharmützel an der Gloucester-Seite des Flusses, wo Simcoes Rangers, Tarletons Dragoner, Ewalds Jäger und ein englisches Regiment aufgestellt waren. Ihnen gegenüber standen mehr als 1000 Franzosen unter Choisy und de Lauzun und 12 oder 1500 Milizen unter General Weedon. Tarleton und Simcoe hatten den Gebrauch der Karabiner bei ihrer Kavallerie verboten, und dies trug zu ihrer Niederlage bei. Am Morgen des 3. Oktober war Lauzun gemeldet worden, dass ausserhalb der Werke von Gloucester englische Dragoner ständen. Beim Vorgehen zu einer Rekognoszierung sah er eine hübsche Frau an der Thüre eines Hauses stehen, das am Wege lag. Lauzun müsste nicht Lauzun gewesen sein, wenn er vorübergegangen wäre, ohne sie anzureden. Sie teilte ihm mit, dass Tarleton eben bei ihr im Hause gewesen wäre, und den dringenden Wunsch geäussert hätte, »sich die Hand mit dem französischen Führer zu reichen«. »Ich versicherte ihr,« sagt Lauzun, »dass ich zu dem Zweck gekommen wäre, um ihm diese Befriedigung zu gewähren. Sie bedauerte mich sehr, indem sie, wie ich glaube, aus Erfahrung annahm, dass es unmöglich wäre, Tarleton Widerstand zu leisten.«
Alsbald stiessen die französischen und englischen Dragoner aufeinander. Tarleton erhob seine Pistole und ging auf Lauzun los. Ein Zweikampf sollte beginnen, als Tarleton mit dem Pferde stürzte. Englische Dragoner halfen ihrem Obersten sich in Sicherheit zu bringen, aber sein Pferd fiel Lauzun in die Hände. [S. 229]
Der 10. Oktober hatte eine tapfere That aufzuweisen. Major Cochrane hatte New-York in einem Walfischboot mit Depeschen für Lord Cornwallis verlassen. Er langte in der Chesapeake Bay bei hellem Tage an, lief Spiessruthen zwischen der französischen Flotte, die ihn lebhaft beschoss, und erreichte glücklich Yorktown. Dieser tapfere Mann sollte jedoch zum letzten Male solches Glück erlebt haben. Zwei Tage nach seiner Ankunft richtete er ein Geschütz mit eigener Hand. Als er über die Brustwehr sah, um die Wirkung seines Schusses zu beobachten, wurde ihm von einer Kanonenkugel der Kopf weggerissen. Lord Cornwallis stand dicht an seiner Seite und entging mit genauer Not demselben Schicksale.
In der Nacht zum 11. Oktober wurde die zweite Parallele eröffnet. Zwei Redouten, gegenüber dem rechten Flügel der Stellung der Verbündeten, lagen in der Verlängerung dieser Parallele. Sie mussten deshalb notgedrungen genommen werden. Die grössere sollten die Franzosen stürmen; dieselbe war zum Teil mit Deutschen besetzt. Die Franzosen unter Befehl von Baron de Vioménil, wurden entdeckt und auf 120 Schritte mit Feuer empfangen. Es verging einige Zeit, bis ein Zugang zur Schanze hergestellt war, und als dieser passiert werden konnte, wurde der Sturm unternommen. 92 Franzosen fielen oder wurden verwundet bei diesem Angriff, der feindliche Verlust betrug 15 Tote und 50 Gefangene. Die kleinere Redoute wurde durch die Amerikaner genommen; sie wurde durch Herstellung eines Zuganges weniger aufgehalten, daher war ihr Erfolg schneller und mit geringeren Opfern erkämpft. 9 Mann von der Kolonne fielen, 31 wurden verwundet, darunter 5 Offiziere.
In der Frühe des 16. Oktober wurde ein Ausfall gegen die zweite Parallele gemacht. Einige Augenblicke war er von Erfolg, einige Kanonen wurden vernagelt, aber die Briten wurden durch den Angriff der französischen Grenadiere alsbald wieder zurückgetrieben, und die Kanonen [S. 230] in einigen Stunden wieder gebrauchsfähig gemacht. In der folgenden Nacht machte Cornwallis den Versuch, seine Armee über den York River übersetzen zu lassen in der Absicht, zu versuchen, nach Virginien zu marschieren. Heftiger Wind und Regensturm, welcher alle Boote den Fluss hinuntertrieb, verhinderte ihn jedoch, diesen Plan zur Ausführung zu bringen, und die Truppen, welche bereits nach Gloucester übergesetzt waren, wurden am nächsten Morgen zurückgebracht, so dass die dortige Garnison ihre alte Stärke behielt.
Die britische Artillerie war nunmehr vollkommen zum Schweigen gebracht und Cornwallis sah ein, dass er nicht länger aushalten konnte. Am 17. Oktober 1781 wurden die Verhandlungen eröffnet und am 19. die Kapitulation unterzeichnet und zwar unter Bedingungen, wie sie der Hauptsache nach General Lincoln in Charleston im vergangenen Jahr bewilligt waren. Am Nachmittag desselben Tages marschierten die Briten und Deutschen mit verhüllten Fahnen aus ihren Befestigungswerken, ihre Musikkorps den alten englischen Marsch spielend: »The World Turned Upside Down.«
Cornwallis Übergabe von Yorktown entschied das Schicksal des Revolutions-Krieges. Die Armeen ruhten während des Winters, und im Frühjahr 1782 kehrten die Generale Clinton und von Knyphausen nach Europa zurück. Sir Guy Carleton erhielt das Kommando in New-York, General-Lieutenant von Lossberg wurde Führer der hessischen Division. Am 14. Dezember 1782 wurde Charleston geräumt, und am 25. November 1783, zwei Jahre nach dem Falle von Yorktown, segelten die letzten Hessen die Bai von New-York hinunter. »Ungefähr um [S. 231] zwei Uhr nachmittags lichteten wir die Anker,« sagt das Journal des Jäger-Korps, »und als die Flotte hinunter nach Staten Island segelte, sahen wir, wie auf mehreren Häusern die amerikanische Flagge gehisst wurde. Keine war indessen auf Fort George zu sehen. Bei Sonnenuntergang passierten wir Sandy-Hook, und als die Nacht hereinbrach, verschwand das Land vor unsern Augen.«
Die Stärke der deutschen Hilfstruppen, welche England in Amerika von 1776-1783 verwendete, belief sich im Durchschnitt auf nahezu 20 000 Mann. Im Laufe der Zeit waren ungefähr 30 000 Soldaten herübergebracht worden, und 17 313 kehrten nach Deutschland zurück, als der Krieg beendet war.
Für die Dienste dieser Truppen bezahlte England an Subsidien an die Fürsten mehr als 1 770 000 Pfund Sterling. Dies kam hinzu zu der Löhnung der Soldaten und zu allen Ausgaben, ausgenommen der für die Aushebung und Bekleidung und Ausrüstung.
Es kann daher keine Frage sein, dass für eine so bedeutende Geldsumme Gross-Britannien ausgezeichnete Soldaten erhielt. Es ist richtig, dass die Deutschen mehrmals mit Unglück gefochten haben, wenn sie allein und ohne Gemeinschaft mit englischen Truppen dem Feinde gegenüber standen. Breymanns Braunschweigern wurde es bei Bennington nicht möglich, mit einiger Schnelligkeit vorwärts zu kommen, aber die ganze Armee Burgoynes war sehr langsam in ihren Bewegungen. Dieser General spricht in einem Privatbrief über die Deutschen bei Saratoga »als entmutigt und bereit, beim ersten Schuss ihre Waffen wegzuwerfen«. Und doch hatten sie im ersten Teil der Kampagne mit Tapferkeit gefochten und hervorragende Dienste geleistet, sowohl bei Hubbardton als bei Freemans Farm. Bei Saratoga waren die braunschweigischen Regimenter am meisten exponiert auf der ganzen Linie gewesen. Wenden wir uns nun zu dem Kriege in den mittleren Staaten, so sehen wir, wie die [S. 232] Hessen den Hauptanteil haben und mit grosser Tapferkeit bei White Plains und Fort Washington kämpfen. Wir sehen sie, durch den Erfolg zu vertrauensselig gemacht, bei Trenton überrascht und bei Red Bank geschlagen. Bei der erstem Affaire wurden sie in Unordnung zurückgeworfen, ihr Führer getötet, und »die Leute hielten nirgends Stand«. Bei der letzteren Gelegenheit fochten sie mit Verzweiflung und verloren 371 Offiziere und Leute von einer Stärke, die kaum 2500 Mann überstieg. Es würde uns zu weit führen, wenn wir genau die Aktionen betrachten wollten, bei denen die Deutschen nicht den Hauptteil der Streitkräfte des Königs ausmachten, aber ich glaube, man würde finden, dass nur bei wenigen Gelegenheiten während des Feldzuges die hessischen Soldaten Mangel an Mut oder Disziplin zeigten. Eine Schwierigkeit war unvermeidlich bei dem Gebrauch von Truppen verschiedener Nationalitäten. Eifersucht und Feindschaft entstand zwischen Offizieren sowohl wie Soldaten. Wir haben gesehen, dass Heister abberufen wurde, weil er sich nicht mit Sir William Howe auf guten Fuss stellen konnte, und wie Riedesel sich durch Burgoyne verletzt fühlte. Die Briten wurden obendrein beschuldigt, bei Auswechselung der Gefangenen nicht unparteiisch gehandelt zu haben; sie hätten ihre eigenen Offiziere ausgewechselt, während sie die hessischen Offiziere in Gefangenschaft belassen hätten. Riedesel ging so weit, in dieser Angelegenheit an Washington zu schreiben, wurde aber von diesem höflichst darauf aufmerksam gemacht, dass dies eine Sache wäre, auf die er keinen Einfluss hätte.
Wir können mit Bestimmtheit annehmen, dass die Eifersucht zwischen den höhern Offizieren von den Untergebenen geteilt wurde. In einem Brief aus Brookland (Brooklyn), datiert den 7. September 1776, schreibt ein hessischer Kaplan: »Unsere lieben Hessen lernten ihr schweres Dasein ertragen, und ich bemühte mich in meinen Gebeten und Predigten sie in ihrem christlichen [S. 233] Heldenmut zu bestärken. Die Langsamkeit der englischen Generale machte sie unmutig, aber noch mehr die stolzen und beleidigenden Blicke, welche die Engländer auf die Deutschen warfen. Dies führte oft zu blutigen Scenen. Ein Unteroffizier, zu dem ein Engländer bei einem gemeinschaftlichen Trunk sagte: »— — Du Franzose, Du nimmst unsern Sold«, antwortete ruhig: »Ich bin ein Deutscher und Du bist ein —.« Beide zogen blank, und der Engländer wurde so schwer verwundet, dass er starb. Der gute Deutsche wurde nicht nur durch den englischen General begnadigt, sondern es wurden auch Befehle gegeben, dass die Engländer die Deutschen wie Brüder behandeln sollten. Alles dies geschieht, seitdem unsere gelehrigen Deutschen ein wenig Englisch gelernt haben.
Es darf indessen nicht zu viel Gewicht auf solche Geschichten gelegt werden, von denen viele zweifellos in Amerika während des Krieges Verbreitung fanden. »Es ist erstaunlich,« schreibt Ewald viele Jahre später, »was für einen Unsinn Deserteure oft erzählten, nur ihren neuen Freunden zu Gefallen, um dadurch eine gute Aufnahme zu erlangen. Nachdem ich in Yorktown in Gefangenschaft gekommen war und die Bekanntschaft von mehreren französischen Offizieren gemacht hatte, fragte mich ein französischer General, der damals Chef des Regiments de Deux Ponts war, im Vertrauen, ob die Hessen mit dem englischen Dienst nicht sehr unzufrieden wären, da es doch für sie sehr hart gewesen wäre, immer bei den gewagtesten Unternehmungen verwendet worden zu sein; dass sie oft unnötig geopfert wären; dass sie immer die schlechtesten Quartiere und die schlechteste Verpflegung bekommen hätten; dass sie ungenügend bezahlt worden wären und an allen Dingen Mangel gelitten hätten. Über diese Geschichte musste ich lachen und versicherte ihn, dass kein wahres Wort daran sei, gerade das Gegenteil sei der Fall gewesen. Dies setzte den General sehr in [S. 234] Erstaunen, denn jeder Deserteur hätte ihn versichert, dass dies so gewesen wäre.«
Es ist mehrfach behauptet worden, dass die deutschen Soldaten in Amerika in grosser Zahl desertiert seien. Diese Behauptung ist nur zum Teil durch Thatsachen erwiesen worden. In der Zeit, als die ersten Hessen in Staten-Island ankamen, liess der Kongress Flugblätter, die sie zur Desertion aufforderten, unter ihnen verteilen. Washington betrieb einige Tage nach ihrer Landung sehr eifrig die Agitation mit diesen Flugblättern. Die darin gemachten Versprechungen wurden von Zeit zu Zeit erneuert. Eine Proklamation, datiert vom 29. April 1778, verspricht fünfzig Acker Land jedem Soldaten, der übergeht, und jeder Hauptmann, der vierzig Mann mitbringen würde, sollte achthundert Acker Wald, vier Ochsen, einen Bullen, zwei Kühe und vier Schweine bekommen. Die Deserteure sollten nicht gezwungen werden, auf amerikanischer Seite zu fechten, sondern sich sofort an die Bebauung ihrer Güter begeben. Diejenigen Offiziere indessen, die sich in die Armee der Vereinigten Staaten einreihen lassen würden, sollten einen Rang höher bekommen als den, den sie in ihrer frühern Armee bekleidet hatten, und bei Korps Verwendung finden, die nur aus Deutschen gebildet und die ausschliesslich zum Grenz- und Garnison-Dienst gebraucht würden. Diese Versprechungen waren nicht ganz ohne Erfolg. Im August 1778 kamen zwei hessische Lieutenants in das Lager Washingtons; sie sprachen die Möglichkeit aus, dass ihnen andere Offiziere nachfolgen würden. Dies verwirklichte sich jedoch nicht. Ewald behauptet, dass kein anderer geborener hessischer Offizier desertiert sei, ich habe aber Grund anzunehmen, dass einige Offiziere der kleineren deutschen Staaten übergegangen sind.
Selbst unter den Gemeinen war die Desertion geringer, als man erwartet haben mochte. Sie war verhältnismässig gross unter den Kriegsgefangenen. Die [S. 235] Armee, die sich im Oktober 1777 bei Saratoga ergab, war 5791 Mann stark, von denen 2431 Deutsche waren. Von diesen waren bis zum 1. April 1778 655 Engländer und 160 Deutsche desertiert. Es ist kein Zweifel, dass fortgesetzt Anstrengungen gemacht wurden, diese und jene Gefangene zum Desertieren und zur Einreihung in die amerikanische Armee zu bewegen. Aber Washington billigte dies durchaus nicht. Am 27. Oktober 1776 schreibt er an den Präsidenten des Kongresses: »In einem Brief von dem »Board of War« inbetreff der Auswechselung wird erwähnt, dass mehrere Gefangene, die wir gemacht hätten, eingereiht worden wären. Dies ist eine Maassregel, die nicht gutgeheissen werden kann, obwohl auf feindlicher Seite das Beispiel dazu gegeben worden ist; auch halte ich es aus politischen Rücksichten nicht für gut. Doch da es nun mal geschehen ist, so überlasse ich es dem Kongress, ihnen anzuempfehlen, zurückzukehren oder nicht, wie sie es für gut befinden.« Und noch einmal, am 30., spricht er dem Board of War dieselbe Ansicht aus, indem er hinzufügt: »Bevor ich die Ehre hatte, mit Ihnen über diese Angelegenheit zu verhandeln, war ich entschlossen, dem General Howe darüber Vorstellungen zu machen. Wegen der wenigen Leute, die bereits eingereiht sind, möchte ich nicht, dass sie wieder entlassen werden, da ich fürchte, dass sie bestraft werden, aber ich wünschte, dass diese Praxis in Zukunft aufgegeben würde.« In einem Brief vom 8. Oktober desselben Jahres war er noch weiter gegangen, indem er sagte, dass Handwerker und andere Gefangene, die zu bleiben wünschten, sollten veranlasst werden, zurückzukehren. Am 12. März 1778 sagt er, dass, wenn Gefangene von den Amerikanern eingereiht worden wären, dies ohne sein Wissen geschehen wäre. »Wir haben immer gegen General Howe die Anklage erhoben und thun es noch,« schreibt er, »dass er die Einreihung der in seiner Hand befindlichen Gefangenen entweder befohlen oder erlaubt [S. 236] hätte, eine gesetzwidrige Handlung, die ganz und gar dem Geist des Auswechselungsvertrages widerspräche.« Einige Tage später beruft er sich Pulaski gegenüber auf den Kongress. »Ich habe ihn darauf hingewiesen,« schreibt Washington, »dass die Einreihung von Gefangenen oder Deserteuren durch einen kürzlichen Kongressbeschluss verboten ist. Wie weit der Kongress geneigt sein möchte, eine Ausnahme zu machen und die Erlaubnis zur Annahme von Gefangenen in einzelnen detachierten Korps, in denen solche Leute mit weniger Gefahr als in der Linie Verwendung finden könnten, bin ich nicht in der Lage auszusprechen.«
Es ist wahrscheinlich, dass Pulaski Deserteure angenommen hat, und es ist Thatsache, dass der sogenannte Chevalier Armand (in Wirklichkeit Marquis de la Rouerie) es gethan hat. Wiederhold sah, als er in Reading im Anfang des Jahres 1780 in Gefangenschaft war, zwei Schwadronen von Armands Korps durch die Stadt passieren. Er giebt an, dass das Korps 400 Mann stark gewesen wäre und vollkommen aus deutschen Deserteuren bestanden hätte.
Am 22. Mai 1778 fasste der Kongress den Beschluss, die Staaten anzuweisen, alle Deserteure und Gefangenen als vom Milizdienst befreit zu erklären und ihnen zu verbieten, als Stellvertreter in der Miliz zu dienen. Am 29. desselben Monats soll ein eigenartiger Vorfall im Cambridge passiert sein. Einige braunschweigische Offiziere fingen einen Deserteur ab, einen der Gefangenen von Prospect Hill. Er war im Begriff, sich nach Watertown davon zu machen, wo Oberst Armand eine Rekrutierungs-Station hatte. Der arme Teufel wurde zum Lager zurückbefördert, und da er der erste war, den man gefangen hatte, so sollte an ihm ein Exempel statuiert werden. Er wurde an einen Pfahl angebunden und bekam 300 Peitschenhiebe. Dann wurde ihm das Haar abgeschnitten und so stiess man ihn als ehrlos aus der Armee aus. Die [S. 237] Amerikaner sollen diesem Schauspiel ruhig zugesehen haben, sie hätten den Mann freundlich bei sich aufgenommen und im Triumph von dannen geführt. Eelking schenkt dieser Geschichte keinen Glauben, und wir wollen hoffen, dass sie nicht wahr ist. Jedenfalls erwies sich die Bestrafung, wenn sie wirklich stattgefunden hat, als wenig effektvoll, denn im Laufe der nächsten fünf Monate desertierten einige fünfzig Braunschweiger, auch war der Verlust an Menschen infolge von Desertion auf dem Marsche nach Virginia sehr bedeutend.
Einige der Desertionen unter den Gefangenen waren nur scheinbar. Die deutschen Gefangenen verliessen ihre traurigen Hütten, auf die sie angewiesen waren, und wanderten fort, in der Hoffnung, New-York oder eine der britischen Armeen zu erreichen. Am 18. Mai 1779 schreibt Gouverneur Clinton an Washington über »einen Alarm an der Grenze von Ulster County, der durch das Erscheinen von etwa 100 Indianern und Tories veranlasst worden war. Dort vereinigten sie sich mit 27 Tories vom Ostufer des Hudson-River, meistens hessische Deserteure von den Konventions-Truppen. Die plötzliche Versammlung der Miliz schreckte sie vor weiterem Vordringen in das Land ab und verhütete, dass sie materiellen Schaden anrichteten«. Und im Februar 1781 schrieb General Greene, dass 38 von einem 40 Mann starken Detachement von Armands Legion zum Feind übergegangen wären und dass Baron Steuben sich veranlasst sah, einigen von ihnen zu befehlen, sich zu ihren Regimentern zu begeben, die sich in Gefangenschaft in Charlottesville befanden.
Wenn es wahr ist, wie der deutsche Schreiber behauptet, und wie es wirklich der Fall zu sein scheint, dass Desertionen unter den Deutschen nicht so oft vorkamen als unter den Engländern, so ist der Grund dafür nicht weit zu suchen. Die Truppen waren meistenteils in Gegenden verwandt worden, in denen die Einwohner kein Deutsch verstanden. Obendrein waren die »Hessen«, [S. 238] wie die Hilfstruppen ohne Unterschied genannt wurden, Gegenstand eines eigentümlichen Schreckens unter den Eingeborenen. Ihr Name mag vielleicht manchmal bis auf den heutigen Tag als eine Art Schimpfname in einigen Land-Distrikten gehört werden. Der englische Deserteur war von dem Moment an, wo er den roten Rock auszog, nicht zu erkennen. Der Deutsche konnte kein Wort sprechen, ohne sich zu verraten.
Weder unter den Engländern noch unter den Deutschen war die Desertion so vorwiegend als unter den Amerikanern. Aber hierbei muss ein grosser Unterschied konstatiert werden. Der britische oder deutsche Soldat konnte nur zum Feind desertieren. Der amerikanische Milizsoldat kehrte im allgemeinen in seine Heimat zurück. Die revolutionäre Miliz glich in vieler Hinsicht mehr den Stämmen der schottischen Hochländer in den Bürgerkriegen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts als modernen Soldaten. Sie kamen oder gingen, je nachdem der Patriotismus oder der Egoismus, der Enthusiasmus oder Entmutigung bei ihnen die Oberhand gewannen. Oft unerschrocken im Gefecht, waren sie auch oft die Veranlassung zu einer Panik, wie alle undisziplinierten Truppen; auch waren sie solch zügellose Burschen, dass es in gleicher Weise unratsam war für ihre Generale, ihnen zu trauen und für ihre Feinde, sie zu verachten.
Wir haben gesehen, dass 17313 Deutsche, oder 58% von denen, die als Söldner herüber kamen, glücklich nach Europa zurückkehrten. Von den 12554, die zurückblieben, ist nur ein kleiner Teil in der Schlacht gefallen oder an den Wunden gestorben, viele sind Krankheiten erlegen, viele desertiert, einige sind in Amerika zurückgeblieben, nachdem der Friede geschlossen war, mit Einwilligung der Behörden. Hessische Offiziere und Gemeine erhielten Land in Nova Scotia, und der Herzog von Braunschweig befahl mit einer Inhumanität, die bezeichnend für ihn ist, dass nicht nur Soldaten, die sich Verbrechen schuldig [S. 239] gemacht oder sich schlecht geführt hatten, sondern auch die, die körperlich zum Dienste untauglich waren, in Canada zurückgelassen werden sollten.
Dem Landgraf von Hessen hat es nicht an Leuten gefehlt, die ihn in Schutz genommen haben. Diese berufen sich in erster Linie auf die allgemeine Schlechtigkeit der Amerikaner und auf das Verbrechen, gegen ihren König sich zu erheben, unter dessen Herrschaft sie nur zu glücklich gewesen wären; zweitens behaupten sie, dass das Handeln mit Soldaten den Gebräuchen des letzten Jahrhunderts entsprochen hätte, dass das Geld, das der Landgraf bekommen, im Interesse des Landes und Volkes verwandt worden wäre, und dass dieses den Handel gut geheissen hätte. Auf die erste Behauptung werde ich nur insoweit eingehen, als es nötig ist, ihren Mangel an Berechtigung nachzuweisen. Hätte sich der Landgraf an dem Revolutionskrieg nur um seines Zweckes willen beteiligt, so würde das Argument betreffend der Schlechtigkeit der Rebellen und des Verbrechens des Aufruhrs stichhaltig sein. Es verliert aber an Beweiskraft, wenn es auf einen Fürsten angewandt wird, der gemäss einer Politik, die in seiner Dynastie erblich war, seine Truppen dem Meistbietenden ausleiht. In Betreff des zweiten Arguments ist es wahr, dass die öffentliche Meinung in dem Gebrauch von Söldnern nichts Unmoralisches fand. Eine Nation, die in einen grossen Kampf verwickelt ist, wird sich sicherlich Hilfe holen dürfen, wo sie sie findet. Der einzelne Soldat des Glückes (soldier of fortune) ist lange mit zu grosser Nachsicht betrachtet worden. Aber Soldat des Glückes zu sein zur Stellvertretung, um aus seinem Blute Münzen schlagen zu lassen und in Gefahren zu kommen, an denen der, welcher den Vorteil geniesst, keinen Anteil nimmt, ist noch nie als eine würdige Beschäftigung angesehen worden. Und die, welche sagen, dass das hessische Volk den Handel des Landgrafen guthiess, verurteilen seine Unterthanen, ohne ihn selbst zu [S. 240] entschuldigen. Ein besseres Argument wurde von seinem Gesandten Schlieffen in der nahen Verwandtschaft zwischen dem englischen Hof und den Höfen von Hessen und Braunschweig gefunden. Die amerikanischen Provinzen hätten von einem hessischen Fürsten geerbt werden können. Hätten wir deshalb gesehen, dass hessische Soldaten in englischem Sold gegen amerikanische Rebellen ohne Geldentschädigung an den Landgrafen gekämpft hätten, so würde man glauben, dass sie aus politischen Gründen hinübergeschickt worden wären. Dies ist aber nicht möglich angesichts der Subsidien. Der Landgraf liess sich in einen nicht zu rechtfertigenden Handel ein und in dem Lichte dieses Handels muss er beurteilt werden.
Friedrich Kapp. Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika. Berlin 1864.
Derselbe. Dasselbe. Berlin 1874.
Derselbe. Geschichte der Deutschen im Staate New-York. New-York 1869.
Derselbe. Friedrich der Grosse und die Vereinigten Staaten von Amerika. Leipzig 1871.
Derselbe. Aufsatz in Sybels Historische Zeitschrift. II. 6. 42. 1879.
Derselbe. Leben des amerikanischen Generals Friedrich Wilhelm von Steuben. Berlin 1858.
Derselbe. Leben des amerikanischen Generals Johann Kalb. Stuttgart 1862.
Max von Eelking. Die deutschen Hülfstruppen im nordamerikanischen Befreiungskriege, 1776-1783. Hannover 1863. 2 Bände.
Derselbe. Leben und Wirken des Herzoglich Braunschweig'schen Generallieutenants Friedrich Adolf von Riedesel. Leipzig 1856. 3 Bände.
Generalin von Riedesel. Die Berufsreise nach Amerika. Berlin 1801.
Christian Leiste. Beschreibung des britischen Amerika zur Ersparung der englischen Karten. Wolfenbüttel 1778. [S. 242]
F. B. Melsheimer. Tagebuch von der Reise der braunschweig'schen Auxiliar-Truppen von Wolfenbüttel nach Quebec. Minden 1776.
Derselbe. Erste Fortsetzung.
J. von Ewald. Belehrungen über den Krieg, besonders über den kleinen Krieg, durch Beispiele grosser Helden und kluger und tapferer Männer. Schleswig 1798.
Erste Folge derselben. Schleswig 1800.
Zweite und letzte Folge derselben. Schleswig 1803.
Briefe eines Reisenden über den gegenwärtigen Zustand von Kassel mit aller Freiheit geschildert. Frankfurt und Leipzig 1781.
Hochfürstlich Hessen-Casselischer Staats- und Adresskalender auf das Jahr Christi 1779. Kassel.
Karl Biedermann. Deutschland im 18. Jahrhundert. Band I. Deutschlands politische, materielle und soziale Zustände im 18. Jahrhundert. Leipzig 1880.
Ferdinand Pfister. Der nordamerikanische Unabhängigkeits-Krieg. Kassel 1864.
Friedrich II. und die neuere Geschichtsschreibung. — Ein Beitrag zur Widerlegung der Märchen über angeblichen Soldaten-Handel hessischer Fürsten. Zweite, mit einer Beleuchtung Seumes vermehrte Auflage. Melsungen 1879.
J. G. Seume. Sämtliche Werke. Leipzig 1835. (Mein Leben.)
Derselbe. Aufsatz in J. W. von Archenholtz's Neue Litteratur und Völkerkunde. Für das Jahr 1789. Zweiter Band. (Hallifax 1782.) (Schreiben aus Amerika nach Deutschland.)
August Ludwig Schlözers etc. Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts. Göttingen 1780 bis 1782.
Derselbe. Staats-Anzeigen. 18 Bände.
[S. 243] Die neuesten Staatsbegebenheiten mit historischen und politischen Anmerkungen. Frankfurt am Mayn und Mainz 1775. 1776. 1777. 3 Bände.
Karl Heinrich Ritter von Lang. Geschichte des vorletzten Markgrafen von Brandenburg-Anspach. Anspach 1848.
J. B. Fischer. Geschichte von Anspach und Onolzbach. Anspach 1786.
Reglement für die hessische Infanterie. Kassel 1776.
Von den Hessen in Amerika, ihren Fürsten etc. 1782. (Soll von Schlieffen verfasst sein.)
1. | Journal von dem Hochlöbl. Hessischen Grenadier-olim-Bataillon von Minnigerode, modo von Loewenstein vom 20. Januarii 1776 bis 17. Mai 1784. |
2. | Journal Hochfürstlichen Hessischen Grenadier-Bataillon Platte. Vom 16. Februar 1776 bis 24. Mai 1784. Geführt durch den Regiments-Quartiermeister Carl Bauer. |
3. | Journal des Hochlöblichen Füsilier-Regimentes von Alt-Lossberg. Geführt durch den Regiments-Quartier-Meister Heusser vom Ausmarsch aus der Garnison Rinteln an bis zur Rückkunft des gedachten Hochlöblichen Regiments aus Amerika vom 10. Merz 1776 bis den 5. Oktober 1783. |
4. | Geschichte von dem Hochlöblichen Füsilier-Regiment von Lossberg in Form eines Tagebuchs, angefangen 1776-1783 (von Adjutant Piel). |
5. | Journal vom Löblichen Garnisons-Regiment von Huyn, nachher von Benning, de ao. 1776 bis medio November 1783, geführt durch mich, den Regiments-Quartiermeister G. Kleinschmidt. [S. 244] |
6. | Journal, geführt bei dem Hochlöblich Hessischen Feld-Jäger-Corps während denen Campagnen der Königl. Grossbrittanischen Armee in North-Amerika. Angefangen den 23. Juli 1777, von dem Tage wo der Oberstlieutenant Ludwig Johann Adolf von Wurmb das Commando über das Corps übernahm und geendigt den 20. April 1784, bei der erfolgten retour derer sämtlich Hochfürstlich Hessischen Truppen aus Amerika. |
7. | Tagebuch des Hauptmannes Wiederhold von 1776-80. |
8. | Journal von dem Hochfürstl. Hessischen Hlöbl. Infanterie-Regiment von Trümbach, modo General-Lieutenant von Bose, seines in ao. 1776 aus Hessen nach Amerika gethanen Ausmarsches, und in ao. 1783 wieder gehabten Einmarsches zur Garnison Hofgeismar. |
9. | Journal von dem Hochfürstlich Hessischen, des General-Major von Knoblauch Löbl. Garnisons-Regiment, seit dem Amerikanischen Krieg, von anno 1776 bis Ende 1783. |
10. | Briefe des General-Majors von Riedesel. Tagebuch vom Capit. Pausch. |
11. | Fragment eines Tagebuchs des Waldeck'schen Regiments vom 11. April 1780 bis zum Juli 1782. |
12. | Berichte Sr. Excellenz des Herrn General-Lieutenant von Knyphausen an Serenissimum. |
Der Landgraf von Hessen-Kassel schickte fünfzehn seiner Regimenter nach Amerika. Jedes Regiment bestand aus 650 Offizieren und Leuten in fünf Kompagnien. [S. 245] Vierzehn von diesen fünfzehn Regimentern hatten je eine Grenadier-Kompagnie abgeben müssen, und diese vierzehn Kompagnien mit noch zweien von des Landgrafen Leib-Garde waren zu vier Grenadier-Bataillonen zu 524 Köpfen formiert worden. Ein Jäger-Korps, ursprünglich aus zwei Kompagnien bestehend, begleitete die Armee. 1777 wurde es nominell auf 1067 Köpfe vermehrt, aber ich glaube, in Wirklichkeit hat die Effektivstärke nie mehr wie sechs- oder siebenhundert betragen. Drei Kompagnien Artillerie, 588 Köpfe stark, wurden formiert, so dass die hessische Streitmacht aus 15 Infanterie-Regimentern, 4 Bataillonen Grenadieren, 1 Jäger-Korps und 3 Kompagnien Artillerie bestand. Kavallerie war nicht vorhanden, aber von den Jägern waren einige beritten.
Ein hessisches Regiment wurde gewöhnlich nach seinem »Chef« benannt. Dieser »Chef« war manchmal der Oberst des Regiments, aber meistens war es ein Prinz oder höherer Offizier. Da die »Chefs« öfters wechselten oder versetzt wurden, so ist oft schwer, die Regimenter auseinanderzuhalten. Die Grenadier-Bataillone wurden nach ihren Oberstlieutenants benannt. Die folgende Liste der Regimenter und Bataillone, die in Amerika gedient haben, und die Änderung in ihren Namen, ist zum Teil einer Liste entnommen, die dem Wiederhold'schen Tagebuch in der Bibliothek in Kassel beigefügt ist. Ich glaube, dass sie im allgemeinen korrekt ist. Ich habe die Namen der Haupt-Schlachten und Expeditionen, an denen die einzelnen Regimenter und Bataillone teilgenommen haben, hinzugefügt. (Die Regimenter, die mit von Heister herübergekommen sind, sind mit »I. Div.«, die, welche mit von Knyphausen kamen, mit »II. Div.« bezeichnet.)
Gren.-Bat. von Linsingen. (I. Div. — Long-Island, Chatterton Hill, Brandywine, Redbank, Charleston.)
Gren.-Bat. von Block; 1777 von Lengerke. (Wie vorstehend.) [S. 246]
Gren.-Bat. von Minnigerode; 1780 von Loewenstein. (Wie vorstehend.)
Gren.-Bat. von Koehler; 1778 von Graff; 1782 von Platte. (II. Div. — Fort Washington, Charleston.)
Leib-Regiment. (I. Div. — Chatterton Hill, Brandywine, Germantown, Newport, Springfield.)
Regiment Landgraf (ab und zu Wutgenau genannt). (II. Div. — Fort Washington, Newport, Springfield.)
Regiment Erbprinz. (I. Div. — Long-Island, Fort Washington, Yorktown.)
Regiment Prinz Carl. (Newport.)
Regiment von Ditfurth. (I. Div. — Newport, Charleston.)
Regiment von Donop. (I. Div. — Long-Island, Fort Washington, Brandywine, Germantown, Springfield.)
Füsilier-Regiment von Lossberg (auch von Alt-Lossberg). (I. Div. — Long-Island, Chatterton Hill, Fort Washington, Trenton, Brandywine.)
Füsilier-Regiment von Knyphausen. (Wie vorstehend.)
Grenadier-Regiment Rall; 1777 von Woellwarth; 1778 von Trümbach; 1779 d'Angelelli. (I. Div. — Long-Island, Chatterton Hill, Fort Washington, Trenton, Brandywine, Savannah.)
Was von den drei letztgenannten nach Trenton übrig geblieben war, bildete das »Combinierte Bataillon« in der Kampagne von 1777. Im Dezember desselben Jahres wurden zwei Bataillone unter den Obersten von Loos und von Woellwarth formiert. Die drei Regimenter nahmen später ihre alte Formation wieder an; die beiden ersteren aber erlitten durch Sturm und an Gefangenen im September 1779 starke Verluste.
Regiment von Mirbach; 1780 von Jung-Lossberg. (I. Div. — Long-Island, Fort Washington, Brandywine, Redbank.)
Regiment von Trümbach; 1778 von Bose. (I. Div. — Fort Clinton, Springfield, Guildford Court-House, Green-Spring, Yorktown.) [S. 247]
Garnisons-Regiment von Stein; 1778 von Seitz. (II. Div.)
Garnisons-Regiment von Wissenbach; 1780 von Knoblauch. (II. Div. — Savannah.)
Garnisons-Regiment von Huyn; 1780 von Benning. (II. Div. — Fort Washington, Newport, Charleston.)
Garnisons-Regiment von Bünau. (II. Div. — Fort Washington, Newport, Springfield.)
Feld-Jäger-Korps. (Detachements von diesem Korps waren fast bei jeder Operation beteiligt.)
(Die oben erwähnten Regimenter gehörten zu Hessen-Kassel.)
Der von Howe und Clinton kommandierten Armee waren ausserdem noch folgende deutsche Regimenter zugeteilt:
Regiment Waldeck. (Fort Washington, Pensacola.)
Regiment Anspach. (Philadelphia, Newport, Springfield, Yorktown.)
Regiment Bayreuth. (Philadelphia, Newport, Yorktown.)
(Die beiden zuletzt erwähnten wurden im allgemeinen die beiden Anspach'schen Regimenter genannt. Die Anspach'schen Jäger bildeten einen Teil des Hessischen Jäger-Korps.)
Das Braunschweig'sche Kontingent, welches in Canada und im nördlichen New-York diente, war zusammengesetzt aus dem
Regiment Dragoner (zu Fuss). (Bennigton unter Baum.)
Bataillon Grenadiere. (Bennington unter Breymann, 1. Stillwater, 2. Stillwater, Saratoga.)
Regiment Prinz Friedrich. (Verblieb in Ticonderoga während der Saratoga-Kampagne.)
Regiment von Riedesel. (1. Stillwater, Saratoga.)
Regiment von Rhetz. (2. Kompagnie bei 1. Stillwater, Saratoga.)
Regiment von Specht. (Saratoga.) [S. 248]
Jäger-Bataillon oder Bataillon Barner. (1. Stillwater, Saratoga.)
Das Hanauer Regiment und die Hanauer Artillerie befanden sich bei dieser Armee und teilten ihr Schicksal. Sie waren die einzigen Hessen bei Burgoynes Armee. Die Artillerie that gute Dienste in der Kampagne von 1776 am Lake Champlain sowohl wie im Jahr 1777.
Die Hanauer Jäger, wenigstens ein Teil derselben, nahmen an St. Legers Expedition Teil. Das Regiment von Anhalt-Zerbst erreichte Canada, nachdem die Feindseligkeiten in dieser Provinz vorüber waren.
Braunschweig sandte 1776 | 4300 | M. | |
im März 1777 | 224 | " | |
April 1778 | 475 | " | |
April 1779 | 286 | " | |
Mai 1780 | 266 | " | |
April 1782 | 172 | " | |
|
|||
Im Ganzen: | 5723 | M. | |
Es kehrten zurück im Herbst 1783: | 2708 | " | |
|
|||
Es kehrten nicht zurück: | 3015 | M. | |
Hessen-Kassel sandte 1776 | 12 805 | M. | |
Dezember 1777 | 403 | " | |
März 1779 | 993 | " | |
Mai 1780 | 915 | " | |
April 1781 | 915 | " | |
April 1782 | 961 | " | |
|
|||
Im Ganzen: | 16 992 | M. | |
Es kehrten zurück im Herbst 1783 und Frühjahr 1784: | 10 492 | " | |
|
|||
Es kehrten nicht zurück: | 6 500 | M. | |
[S. 249] | |||
Hessen-Hanau sandte | 2038 | M. | |
Rekruten im April 1781 | 50 | " | |
April 1782 | 334 | " | |
|
|||
Im Ganzen: | 2422 | M. | |
Es kehrten zurück im Herbst 1783: | 1441 | " | |
|
|||
Es kehrten nicht zurück: | 981 | M. | |
Anspach-Bayreuth sandte 1777 | 1285 | M. | |
im Herbst desselben Jahres an Rekruten | 318 | " | |
1779 | 157 | " | |
1780 | 152 | " | |
1781 | 205 | " | |
1782 | 236 | " | |
|
|||
Im Ganzen: | 2353 | M. | |
Es kehrten zurück im Herbst 1783: | 1183 | " | |
|
|||
Es kehrten nicht zurück: | 1170 | M. | |
Waldeck sandte 1776 | 670 | M. | |
April 1777 | 89 | " | |
Februar 1778 | 140 | " | |
Mai 1779 | 23 | " | |
April 1781 | 144 | " | |
April 1782 | 159 | " | |
|
|||
Im Ganzen: | 1225 | M. | |
Es kehrten zurück im Herbst 1783: | 505 | " | |
|
|||
Es kehrten nicht zurück: | 720 | M. | |
Anhalt-Zerbst sandte 1778 | 600 | M. | |
im April 1779 | 82 | " | |
im Mai 1780 | 50 | " | |
im April 1781 | 420 | " | |
|
|||
Im Ganzen: | 1152 | M. | |
Es kehrten zurück im Herbst 1783: | 984 | " | |
|
|||
Es kehrten nicht zurück: | 168 | M. | |
Gesamtsumme der Soldtruppen | 29 867 | M. | |
Es kehrten von diesen zurück | 17 313 | " | |
|
|||
Es kehrten nicht zurück | 12 554 | M. | |
[S. 250] | |||
Von den 12 554, die nicht zurückkehrten, sind — nach meiner eigenen Schätzung —: | |||
Gefallen oder an den Wunden gestorben | 1200 | M. | |
Gestorben durch Krankheit oder Unglücksfälle | 6354 | " | |
Desertiert | 5000 | " | |
|
|||
12554 | M. |
Tot. | Verw. | Vermisst. | ||||
Long-Island | 2 | 25 | ||||
15. September 1776 | 2 | 16 | ||||
16. September 1776 | 1 | 1 | ||||
Vom 9. bis 23. Oktober (inkl. Chatterton Hill) | 13 | 63 | 23 | |||
Fort Washington | 56 | 276 | ||||
Trenton | 17 | 78 | ||||
Assanpink (2. Jan. 1777) | 4 | 11 | ||||
Burgoynes Kampagne (6. Okt. 1777) | 25 | (?) | 75 | (?) | ||
Scharmützel 3. Sept. 1777 | 1 | 19 | ||||
Brandywine, Jäger | 7 | 39 | ||||
" übrigen Hessen | 2 | (?) | 16 | (?) | ||
Redbank | 82 | 229 | 60 | |||
Newport | 19 | 96 | 13 | |||
Stono Ferry | 9 | (?) | 34 | (?) | ||
Charleston | 11 | 62 | ||||
Springfield | 25 | (?) | 75 | (?) | ||
Baton Rouge | 25 | 8 | ||||
Pensacola | 15 | (?) | 45 | (?) | ||
Guildford Court House | 15 | 69 | ||||
Yorktown | 53 | 131 | ||||
|
||||||
Im Ganzen: | 548 | 1652 | 127 | M. |
Druck von
Gottfr. Pätz
in Naumburg a. S.