The Project Gutenberg eBook of Der Aether gegen den Schmerz

This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org . If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.

Title : Der Aether gegen den Schmerz

Author : Johann Friedrich Dieffenbach

Release date : June 16, 2014 [eBook #45996]

Language : German

Credits : Produced by The Online Distributed Proofreading Team at
http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned
images of public domain material from the Google Print
project.)

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER AETHER GEGEN DEN SCHMERZ ***

  

Der
Aether
gegen den
Schmerz

von
Johann Friedrich Dieffenbach.

Mit einer lithographischen Tafel.

(Der Ertrag ist für die Armen bestimmt.)

Berlin, 1847.

In Commission bei A. Hirschwald.

Den
künftigen Besitzern dieser Schrift
in grösster Verehrung
gewidmet
von

Dieffenbach.

Inhalt.

Seite
Vorrede .
Einleitung 1
Der Aether 9
Wirkung des flüssigen Aethers 13
Historischer Ueberblick der Anwendung der Aetherdämpfe durch Einathmen 16
Prioritäts-Ansprüche auf die Entdeckung der Wirkung der Aetherdünste 21
Apparate zum Einathmen der Aetherdämpfe 23
Anwendung der Aetherdämpfe 32
Stellung des Kranken beim Einathmen der Aetherdämpfe 36
Wirkung des Einathmens der Aetherdämpfe 37
Verschiedene Arten des Aetherrausches 53
Wirkung der Aetherdämpfe in Bezug auf den Schmerz bei chirurgischen Operationen 59
Chirurgische Wahrnehmungen bei Aetherisirten 63
Verhalten nach der Operation 65
Von der Anwendbarkeit der Aetherdämpfe bei den einzelnen chirurgischen Operationen 70
Ueberblick der chirurgischen Operationen unter günstiger Anwendung der Aetherdämpfe 96
Einwürfe gegen die Anwendung der Aetherdämpfe bei chirurgischen Operationen 98
Anwendung der Aetherdämpfe in der Geburtshülfe 120
Anwendung der Aetherdämpfe in der inneren Heilkunde 126
Anwendung der Aetherdämpfe in der gerichtlichen Medizin 128
Von der Anziehungskraft des Aetherrausches 131
Von der wahrscheinlichen Aehnlichkeit des Aetherrausches mit dem Sterben 133
Chirurgische Operationen, welche ich unter Anwendung der Aetherdämpfe vorgenommen habe 134
Ausziehen einer Messerklinge aus der Hand 136
Operationen an der Brust 138
Operation der Nerven-, Balg- und Fett-Geschwülste 149
Operation des Blutschwamms 153
Operation einer Pulsadergeschwulst 159
Operationen des Kropfes 160
Exstirpation der Mandeln 163
Operationen von Nasenpolypen 165
Nasenbildungen 172
Operation einer großen Brandnarbe am Halse 179
Operationen der Hasenscharte 180
Operation des Lippenkrebses 182
Operation einer Speichelfistel 184
Operation eines Sarcoms aus der Rachenhöhle 184
Operation einer Gaumenspalte 186
Operationen von Drüsengeschwülsten 186
Theilweise Resectionen der Kiefer 188
Operation des Schielens 193
Operation von Wasserbrüchen 194
Zerstückelungen von Blasensteinen 198
Bruchoperationen 199
Operation der angebornen Phimose 210
Operation eines Mastdarmpolypen 211
Operation eines Mastdarmvorfalls 211
Operation eines Panaritiums 212
Amputation größerer Glieder 213
Sehnen- und Muskel-Durchschneidungen 215
Operation des falschen Gelenkes 223
Einrenkung des Oberarms 224
Ansetzen von Moxen 225
Schlussfolgerungen 227

Vorrede.

Bei der Herausgabe dieser Schrift beabsichtigte ich zweierlei. Zuerst wollte ich die neue, vielverheißende Entdeckung der Stillung des Schmerzes, in ihrem wahren Werthe darstellen. Zweitens durch sie zur Stillung der Schmerzen des Hungers der Armen mit beitragen. Könnte ich Beides erreichen, so würden die Abendstunden welche ich auf meine Arbeit verwendete, angenehm vollbracht sein.

Daß ich bei der Bearbeitung des Gegenstandes ohne Vorurtheile für oder wider gewesen bin, kann ein Jeder sehen, welcher diese Schrift durchblättern will. Wenn er vielleicht auf der einen Seite mich als Freund des Aethers ansieht, wird er auf der anderen mich für einen Gegner desselben halten; das kommt, weil ich das Für und das Wider erwogen, Andere gehört, und selbst gesehen habe.

Daß ich aber vorsichtig in meinem Urtheil gewesen bin, mitten im allgemeinen Aetherrausch, wird man mir nicht übel nehmen. Die sich im tiefsten Frieden gewaltig bewegende Zeit hat binnen Kurzem so viele Erfindungen und Entdeckungen geschaffen, welche, mit Enthusiasmus aufgenommen, zum Theil nur eine kurze Lebensdauer hatten, da sie nicht das leisteten, was man sich von ihnen versprach. Daraus entsprang die Furcht, es mögte mit dem Aether auch so sein.

Ich will einmal versuchen, einen Soldaten, welcher der wichtigsten neueren Erfindungen theilhaftig geworden wäre, ins Feld zu stellen. Er verläßt das älterliche Haus mit dem Daguerreotyp-Medaillon von Vater und Mutter auf der kindlichen Brust. Seine Waffe ist ein Percussions-Gewehr. Er ist bekleidet mit einem Waffenrock von Filztuch, darüber hängt ein Paletot von Macintosh; er trägt ungenähte, mit Holzstiften zusammengefügte Maschinen-Stiefeln. Seinen Leib umgiebt ein Gürtel mit einer Tasche von künstlichem Leder. Sie beherbergt Schießbaumwolle und conische Kugeln. Im Tornister befinden sich außer den Bekleidungsstücken zwei Flaschen, die eine mit Binellischem Wasser, die andere mit Schwefeläther gefüllt; jenes zur schnellen Blutstillung bei Verwundungen, dieser als Betäubungsmittel beim Ausschneiden von Kugeln, bei der Abnahme eines Beins u. s. w. Die zweihalsige Feldflasche aus welcher er nur Wasser trinkt, denn er gehört zum Mäßigkeitsverein, bildet den Athmungsapparat. Sein Eßsack enthält das neue Oelkuchenbrot. Das Magazin seines Helmes beherbergt ein Büchschen von Neusilber mit Streichzunder und Streichkerzchen, und statt der nicht mehr üblichen Pfeife eine Patent-Cigarrentasche mit Cigarren, darunter auch einige Brustcigarren beim Husten. So armirt und equipirt besteigt der junge Krieger den Eisenbahnwagen. Die Locomotive stößt ihren gellenden, herzzerreißenden Schrei aus, und mit sausender Windesschnelle führt ihn der Dampf zum Heere, und in zwei Tag- und zwei Nachtfahrten, er hat sein Oelkuchenbrot noch nicht verzehrt, sind die zweihundert Meilen durchflogen, und er blickt dem Feinde ins Angesicht! Er ist Artillerist. Sein Auge sieht mit Wonne die neuen, blanken galvano-plastisch plattirten sicheren Geschütze, aber statt dem Feinde Verderben zu bringen, zerspringen sie beim ersten Schuß und zerreißen die Glieder der Männer welche sich ihrem Dienste geweihet.

Von den hier bei einem einzigen Menschen in Anwendung gebrachten neuen Erfindungen, sind mehrere, welche so großes Aufsehen erregten, schnell wieder vergessen worden. Das Binellische Wasser, welches vor 15 bis 20 Jahren als untrügliches Blutstillungsmittel beinah so großes Aufsehen wie jetzt der Aether erregte, leistete nicht mehr wie kaltes Wasser. Das Filztuch hörte als Bekleidungsstoff bald wieder auf, weil es nicht hielt; der Macintosh ebenfalls, weil man dabei zwar von außen trocken blieb, aber von innen naß wurde; die conischen Kugeln sind noch nicht ins praktische Leben getreten; aber die schöne, weiße Schießbaumwolle hat wieder dem schwarzen Pulver weichen müssen, und statt den Tod zu geben, den bescheidenen Dienst einer heilenden Helferin bei Geschwüren übernehmen müssen.

Dem Aether aber wünschen wir, daß er sich halten möge, obgleich es schon anfängt stiller von ihm zu werden. Leistet er nur die Hälfte von dem, was man bis jetzt noch von ihm glaubt, so hat Jackson einen Theil der Schuld, mit welcher Amerika Europa verpflichtet ist, abgetragen, seinem Namen aber die Unsterblichkeit gesichert.

Allen den Aerzten welche mich mit Beiträgen und Notizen aus fremden Zeitschriften, so wohlwollend bei meiner Arbeit unterstützten, statte ich hiermit meinen ergebenen Dank ab, es sind die mir sehr werthen Herren Ender, Fürstenberg, v. Graefe, Henoch, La Pierre, Meyer, Reiche, Schuft, Straßmann und Völker.

Endlich kann ich nicht unerwähnt lassen, daß die Herren Buchhändler Hirschwald und Aber die mühevolle Verbreitung dieser Schrift, ohne irgend ein anderes Interesse, als das einen wohlthätigen Zweck zu fördern, übernommen haben, wofür ich denselben hiermit meine öffentliche Anerkennung ausdrücke.


Der schöne Traum, daß der Schmerz von uns genommen, ist zur Wirklichkeit geworden. Der Schmerz, dies höchste Bewußtwerden unserer irdischen Existenz, diese deutlichste Empfindung der Unvollkommenheit unseres Körpers, hat sich beugen müssen vor der Macht des menschlichen Geistes, vor der Macht des Aetherdunstes. Wohin wird, oder wohin kann diese große Entdeckung noch führen? Durch sie ist die halbe Todesbahn zurückgelegt, der Tod hat nur noch sein halbes Grauen. Fürchtet der Mensch nicht eben so sehr die Schmerzen des Todes als den Tod selbst, und erscheint unserer Phantasie die Pein einer großen chirurgischen Operation nicht fast eben so furchtbar als der Tod, und treibt uns nicht die höchste Noth dazu, um diesen abzuwehren?

Wie hoffnungs- und vertrauensvoll werden von nun an die Kranken auf die zu bestehende blutige Operation hinblicken, deren Schrecknisse vor allen ihren Sinnen verborgen bleiben, und statt deren wohl ein schönes Traumbild vor ihre Seele tritt, und das Erwachen schon ein Erwachen zur Genesung ist.

Wie vielen Unglücklichen, an großen chirurgischen Uebeln leidenden, verzehrt nicht die Furcht vor den Schmerzen der bevorstehenden Operation die letzten Lebenskräfte, der sie sich endlich erschöpft hingeben. Jetzt ist es ein fröhliches Hinblicken auf den tragischen Moment, dessen Handlung ihnen entrückt bleibt. War der zu Operirende sonst die erste, wichtigste Person, so ist er jetzt eigentlich gar nicht dabei zugegen.

Wenn es also nicht zweifelhaft ist, daß die Furcht vor einer großen chirurgischen Operation einen nachtheiligen Einfluß auf den Kranken haben kann, so hoffen wir auch, daß der Schmerz kein nothwendiges Attribut ihrer Ausführung sei, und daß seine Aufhebung nicht eine bloß augenblickliche Wohlthat, sondern auch ein Beförderungsmittel der Genesung sei. Dies kann aber erst die Zukunft lehren.

Was wir aus früheren Beobachtungen über schwere Verwundungen bei berauschten Personen wissen, zeigt uns, daß durch diesen Zustand eine bedenkliche Vergrößerung der Gefahr herbeigeführt wird, so daß man den Arzt, welcher einen Berauschten operirt hätte, für unwissend oder gewissenlos angesehen hätte. Sehr ungünstig zeigte sich aber die absichtliche Anwendung betäubender Mittel, wie des Opiums, des Bilsenkrauts, der Belladonna und anderer ähnlicher Narcotica zur Stillung des Schmerzes bei chirurgischen Operationen. Ohne ihn gänzlich zu unterdrücken, führten sie eine gefährliche Abspannung des ganzen Nervensystems herbei, wodurch der natürliche Krankheitsverlauf gestört, die Heilung verzögert, wenn nicht gar eine wirkliche Lebensgefahr dadurch herbeigeführt wurde. Selbst der künstlich bewirkte magnetische Schlaf zeigte sich als Schmerzstillungsmittel nicht vortheilhaft, und die danach zurückbleibende Abspannung des ganzen Körpers verschaffte auch dieser Methode keinen weiteren Eingang.

Daß indessen der durch Einathmen der Aetherdämpfe herbeigeführte Rausch ein leichter, ätherischer, gewöhnlich nur Minuten anhaltender bald wieder verschwindender, und wesentlich verschieden von dem durch den Genuß geistiger Getränke herbeigeführten sei, haben indessen die neueren, zahlreichen Beobachtungen hinlänglich bewiesen. Nur in einigen seiner Mit- und Nachwirkungen verläugnet er nicht ganz die Natur des Rausches von geistigen Getränken überhaupt, so wie er auch in besonderen Fällen gefährliche Störungen herbeiführen kann.

Wenn wir nun die neue Entdeckung als den größten Gewinn für das leidende Menschengeschlecht erkennen, sein Todesbangen zu heben, seine Klagen verstummen zu machen, seine Schmerzen zu stillen, so muß dieselbe dem Arzte eine ganz veränderte Stellung dem Kranken und der blutigen Kunst gegenüber geben. In dieser Beziehung stellt sich die Sache von ganz verschiedenen Seiten dar.

Dem Arzte kann die schwierige chirurgische Operation durch die Ruhe, Stille und Empfindungslosigkeit des Kranken sehr erleichtert werden. Derjenige, welcher nicht gewohnt ist, chirurgische Operationen auszuüben, und der sich dazu durch dringende Umstände genöthigt sieht, wird mit größerem Selbstvertrauen an das Werk gehen und es mit mehr Leichtigkeit vollenden, wenn er nicht durch die Unruhe und die Klagelaute des Kranken gestört wird. Auch selbst der Geübte kann von diesen günstigen Umständen einen Gewinn ziehen, da er durch Nichts von seinem Handeln abgezogen wird. In jeder Beziehung scheint sich also durch dieses Mittel der Kreis der Ausübung der Chirurgie erweitert zu haben, wenn wir das Bild nur von der einen Seite betrachten. Minder hell erscheint es uns aber von der anderen angesehen.

An die Stelle des unerschütterlichen Vertrauens von Seiten des Kranken zu der Kunst des Arztes ist das Vertrauen zu der Aetherbetäubung getreten. Der Kranke fragt jetzt weniger danach, wer ihn operirt, ob gut oder minder gut, er ist gleichsam abwesend oder die dritte Person dabei. Der bisherige Standpunkt des Arztes ist dadurch verrückt. Hatte er sonst einen Kranken vor sich, so hat er jetzt zwei. Einen, welchen er operiren soll, und einen zweiten, welcher innerlich so krank zu sein scheint, daß er ihm mit allerlei Arzeneimitteln zu Hülfe kommen mögte. Er muß sich Gewalt anthun, um sich zu überzeugen, daß er ihn selbst in diesen Zustand versetzt habe, und zwar zu des Kranken und seiner eigenen Erleichterung. Dies Alles kann er nicht so schnell fassen. Er steht allein in trauriger Isolirung da. Der Betäubte weiß bei der Operation nichts von seinem Arzte, und der Arzt nichts von seinem Kranken. Das Band der wechselseitigen Mittheilung ist zerrissen, der ihn selbst hebende, milde Zuspruch wird nicht vernommen, die Frage nicht beantwortet, es herrscht eine grausige Einsamkeit. Es bangt ihm beim Anblick des bewußtlos Blutenden, ob er des Aethers auch zu viel genossen. Er mögte fragen, indem er hierhin und dorthin sein Messer in eines lebenden Menschen Fleisch einsenkt, wie? wo? was? um danach den Stahl zu richten und zu wenden, einem Nerven auszuweichen, ihn nicht mit der Zange zu fassen, – aber keine Antwort, als ein dumpfes Stöhnen, ein Zucken, eine dämonische Bewegung der Hand nach dem leidenden Orte.

Er fühlt sich unheimlich mächtig über den, der sich im Leben dem Aether, im Scheintode ihm ergeben hat, nicht wie früher aus freier Wahl, sondern aus banger Furcht vor dem Schmerz. Laut- und empfindungslos liegt der freiwillig aus dem Kreise der Lebenden, Empfindenden, Denkenden Herausgetretene mit geschlossenen Augen wie ein sanft Schlummernder da, und in beängstigender Einsamkeit vollendet der Arzt sein Werk. Aber nicht jeder Kranke schlummert sanft und ruhig unter der Schärfe des Messers. Ein Anderer geräth in excentrische Aufregung, glühende Phantasien bemeistern sich seiner, und im Gefühle der unnennbaren Seeligkeit treten glänzende Traumbilder vor seine Seele, Sphärenmusik und himmlische Melodien streifen sanft an sein Ohr, und in einem unermeßlichen Raum von azurblauem und gelblichem Goldschein verliert sich das innre Auge, im grellen Contrast zu dem Messer in seinem Fleische, zu der Säge in seinem Beine, zu der Hand in seinen Gedärmen, zu dem Haken in seinem Auge und zu dem sich ergießenden warmen Blute, – und dabei entströmen Worte des Entzückens seinem Munde. – Noch ein Anderer, sonst im Leben fein, sanft und mild, wird plötzlich zum Wütherich; im Zustande einer wilden, rohen Aufregung, wähnt er sich unter Räubern und Mördern, seinem Munde entströmen die bittersten Verwünschungen. Durch Wort und That sucht er der vermeinten Gewalt zu begegnen, er schmettert mit Faustschlägen Alles zu Boden, stürzt wie ein Besessener auf Alles los, und wären es blanke Waffen, oder ein jäher Abgrund, oder die Gluth eines Schmelzofens, er stürzte sich hinein.

Ein Vierter wird zum vollkommenen Narren. Derselbe Mensch, welchen wir mit tief ergebenem Ausdruck seinem ernsten Geschick entgegengehen sahen, wird in einigen Minuten zum Possenreißer umgeschaffen, grinzt, lacht, geberdet sich ganz wie ein alberner Thor, und ist nicht minder schwer zu regieren als jener, welcher uns für seine Mörder ansah.

Alle diese Umstände sind nun wenig geeignet, dem Arzte die Operation zu erleichtern, vielmehr stößt er dadurch auf Hindernisse, welche ihm früher ganz unbekannt waren. Als Neuling tritt er jetzt an den neuen Kranken. In dem Augenblicke, wo dieser das verhängnißvolle Rohr an seinen Mund bringt, um den benebelnden Aetherdunst in seine Lungen einzuziehen, sagt ihm der angstvolle Blick des sanft berauschten Leidenden noch ein Lebewohl – und bald umnebeln sich seine Sinne – und allein steht der Arzt mit seinen Gehülfen da, und schnell beginnt die Kunst den Kampf mit der Krankheit oder auch zugleich mit dem Aufgeregten.

Ein freundlicheres Bild zeigt sich uns jetzt wieder. Es ist vollbracht. Man sieht kein Blut mehr. Die Wunde ist verbunden. Wo bin ich? sagt der die Augen öffnende und tief athmende Kranke. Ich habe wohl geträumt? Fängt die Operation bald an? Er glaubt es anfangs nicht, wenn man ihm sagt, daß sie geschehen sei. Die Frau will nicht glauben, daß man ihr die Brust abgenommen, ein Anderer, daß man ihm eine Nase angesetzt habe, jene führt die Hand nach der Stelle, wo die Brust gesessen, und fühlt, daß sie leer ist; dieser bringt die Finger ins Gesicht, verwundert, daß ihm über Nacht eine neue Nase gewachsen sei, und er fragt wohl seinen Arzt, wo kommen Sie denn her? Staunen und Verwunderung ergreift diesen. Nicht über sein Werk, sondern über jene dämonische, großartige Erscheinung von Seyn und Nichtseyn. Er steht ihr gegenüber wie ein kleines Kind ohne Begriff, das zusammenfährt, wenn es ernst angesehen wird. Auch er bedarf der Fassung, der Sammlung, auch er erwacht aus einem Rausche, und reibt sich die Augen, und beginnt dann erst wieder frei zu athmen.

Wünschte er sich besonders bei der wilden, stürmischen Aufregung des Kranken während der Operation auf den alten Standpunkt zurück, so fühlt er sich doch zu sehr von dieser neuen, großen Erscheinung überwältigt und zu dieser großartigen Entdeckung hingerissen, daß er es gern etwas schwerer haben will, wenn nur der Kranke weniger leidet. Er gelobt sich, ihre Wohlthat näher zu ergründen, und sie in allen ihren Beziehungen näher zu erforschen. Dies möge denn auch die Aufgabe und das Streben aller Aerzte sein, damit dieselbe von allen Unannehmlichkeiten und Gefahren bei ihrer Anwendung immer mehr befreit, und das Vollkommenste werde, was je der menschliche Geist ersonnen hat. Möge denn Jacksons Patent die Anerkennung der Welt sein.

Der Aether.

Der Schwefeläther wurde zuerst im Jahre 1544 von einem Arzte, Valerius Cordus, unter dem Namen »süßes Vitriolöl« beschrieben. Er hat das Verfahren zur Bereitung und die Eigenschaften des Aethers angegeben, der Ruhm der Erfindung gebührt ihm indessen nicht, da schon in früheren Jahrhunderten weingeistige Mischungen des Aethers zu medizinischen Zwecken angewendet wurden. Die Mittheilungen des Cordus und sein neues Oel scheinen sich aber keiner besonderen Theilnahme erfreut zu haben, denn schon im folgenden Jahrhundert war der Aether wiederum gänzlich unbekannt, bis im Jahre 1792 ein deutscher Chemiker, Frobenius, von Neuem das Interesse der Aerzte und Scheidekünstler auf ihn lenkte, und ihn mit dem vielversprechenden, poetischen Namen »Aether« belegte. Diesen schönen Namen verdankt er theils der Neigung der Alchymisten, pomphafte Bezeichnungen für ihre Arcana zu wählen, theils seinen physicalischen Eigenschaften, seiner Flüchtigkeit, seiner Farblosigkeit, seiner stark lichtbrechenden Kraft und seiner leichten Brennbarkeit. Froben war glücklicher, als der Medicus Cordus. Der Aether wurde von nun an vielfach untersucht, und von den berühmten Aerzten des 18ten Jahrhunderts in die Heilmittellehre eingeführt, unter denen namentlich Friederich Hoffmann durch seinen liquor anodynus, die bekannten Hoffmannstropfen, – Aether mit 3 Theilen Weingeist versetzt – viel zur Verbreitung desselben beigetragen hat.

Die Aetherarten werden durch Einwirkung stärkerer Säuren auf Alkohol erzeugt. Der Schwefeläther, Aether schlechtweg, wird gewonnen, indem man ein Gemisch von 9 Theilen concentrirter Schwefelsäure und 5 Theilen Alkohol von 85% in einer Retorte bis zum Sieden erhitzt. Durch eine Vorrichtung an der Retorte lässt man fortwährend so viel Alkohol in das Gemisch hineinfliessen, als aus demselben Flüssigkeit überdestillirt. Die sich entwickelnden Dämpfe werden in einer durch auftröpfelndes Wasser, Schnee u. s. w. sorgfältig abgekühlten Vorlage zu einer Flüssigkeit condensirt, welche den sogenannten rohen Aether darstellt. Dieser rohe Aether, welcher noch Wasser, kleine Mengen Alkohol und gewöhnlich auch etwas schweflige Säure enthält, wird durch kalihaltiges Wasser gereinigt, dann über Kohlenpulver und gebrannter Magnesia rectificirt. Reiner Aether darf Lackmuspapier nicht röthen, nicht nach schwefliger Säure riechen, auch sonst keinen Nebengeruch haben. Soll der Aether ganz wasserfrei dargestellt werden, so muss man ihn nach der Rectification durch einen Zusatz von gebranntem Kalk einer nochmaligen Reinigung unterwerfen. – Wegen seiner Eigenschaft, mit Säuren eine chemische Verbindung einzugehen, Salze mit ihnen zu bilden, haben die Chemiker der neueren Zeit den Aether als das Oxyd eines hypothetischen Kohlen-Wasserstoff-Radicals, des Aethyls, (4 Kohlenst., 10 Wasserstoff. Ae.) angesehen, und damit das Gesetz der binären Verbindung auch auf die organische Chemie ausgedehnt. Sie bezeichnen demzufolge den Aether, welcher aus 4 Atomen Kohlenstoff, 10 Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff besteht, als Aethyloxyd, Ae+O, den Alkohol, welcher aus 4 Kohlenst., 12 Wasserst. und 2 Sauerst. zusammengesetzt ist, und sich nur durch ein Plus von einem Atom Wasser (1 Sauerst., 2 Wasserst.) vom Aether unterscheidet, als Aethyloxydhydrat, und so fort.

Es würde zu weit führen, die verschiedenen Theorien über die Aetherbildung ausführlicher anzugeben. Wir begnügen uns mit einigen kurzen Andeutungen. Da nämlich die Schwefelsäure durch den Proceß der Umwandlung des Alkohols in Aether nicht zersetzt wird, und da der Weingeist, wie bereits erwähnt, nur durch das Wasseratom in seiner Zusammensetzung vom Aether differirt, so lag die Vermuthung sehr nahe, als bedinge die concentrirte Schwefelsäure nur durch ihre starke Verwandschaft zum Wasser die Umänderung des Alkohols in Aether. Diese von Fourcroy und Vauquelin aufgestellte Theorie ist durch weitere Experimente und Forschungen über diesen Gegenstand sehr erschüttert worden, und gegenwärtig fast gänzlich verlassen. Die electro-chemische Theorie erklärt die Aetherbildung aus der electrischen Spannung, welche in dem in Rücksicht der chemischen Affinität indifferenten Alkohol durch die starke Säure hervorgerufen wird, und welche ihn zwingt, sich in eine Basis umzubilden. Auch die Lehre von der Contact-Wirkung hat die Deutung des Vorganges auf sich nehmen wollen.

Von den Eigenschaften des Aethers sind einige schon oben erwähnt worden, andere mögen hier noch folgen. Der Aether hat einen eigenthümlichen, höchst durchdringenden Geruch und Geschmack; sein specifisches Gewicht (Gay-Lussac) ist bei +20° = 0,713, das specif. Gewicht seines Gases = 2,586. Er kocht bei gewöhnlichem Luftdruck in einer Temperatur von 28° R. Bei -24,8° R. fängt er an in weissen, glänzenden Nadeln zu erstarren, und bei -36° R. bildet er eine weiße, feste, krystallisirte Masse. Er brennt mit einer hellen, weißgelben, Ruß absetzenden Flamme, ist mit Weingeist in allen Verhältnissen, mit Wasser, welches ⅟ 10 seines Gewichts Aether auflöst, nicht mischbar. Campher, Phosphor, Kautschuk, fette, aetherische Oele, Chlormetalle u. s. w. werden von demselben aufgelöst. – Einer Eigenthümlichkeit des Aethers, nämlich der leichten Brennbarkeit, muß hier nochmals gedacht werden. Wegen seiner Flüchtigkeit werden die Dünste schnell durch größere Räume verbreitet, und es läßt sich nicht bestimmen, in welche Entfernung ein brennendes Licht von einem offenen, mit Aether gefüllten Gefäße gesetzt werden mag. Schon mehrmals sind Unglücksfälle dadurch vorgekommen, daß man in der Nähe eines Lichtes Aether aus einem Gefässe in das andere goß. Kürzlich hat Runge auf diesen Uebelstand aufmerksam gemacht, und an die Möglichkeit gefährlicher Explosionen in Folge von Entzündung des mit der Luft gemengten Aethergases erinnert. Es bildet dieses Gemenge eine Art von Knallgas, und seine Wirkungen sind denen des in atmosphärischer Luft verbrennenden Waßerstoff- oder Sumpfgases ähnlich. Es könnte sich daher z. B., wenn keine Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, bei der Anwendung des Glüheisens oder der Moxen sehr leicht ereignen, dass sich die durch den Aether erzielte Betäubung über eine zu große Zahl von Individuen ausdehnte.

Wirkung des flüssigen Aethers.

Die Wirkung des flüssigen Aethers auf unseren Organismus ist von der des Alkohols wenig verschieden, und besteht vornehmlich in einer flüchtigen Erregung, d. h. in einer Steigerung der Thätigkeiten der Organe, welche eine schnelle Rückkehr zum Gleichmaß gesunder Wechselwirkung gestattet. Die Reizung des Gefäßsystems ist geringer, als bei anderen flüchtigen Stoffen, dagegen werden die Centralorgane des Nervensystems entschiedener und auf eigenthümliche Weise in Anspruch genommen.

Die örtliche Wirkung des Aethers äußert sich auf der Haut dadurch, daß er dieselbe durch seine schnelle Verflüchtigung in bedeutendem Grade erkalten macht. Die Gefäße ziehen sich zusammen, die Haut wird blaß, blutleer. Je dünner nun aber die Oberhaut ist, um so leichter gelangt die Aetherflüßigkeit zu den Nervenausbreitungen unter derselben, und die Empfindung der Kälte weicht einem Gefühle von Hitze, Brennen, Schmerz. Die Gefäße erweitern sich, die Haut wird roth, blutreich. Auf den Schleimhäuten tritt die letztere Reihe von Erscheinungen fast momentan ein, da ihr sehr dünnes, feuchtes Oberhäutchen für Flüssigkeiten durchgängiger ist. Es entsteht, wenn wir eine geringe Menge Aether zu uns nehmen, zunächst eine heftige Reizung der Geruchs- und Geschmacksnerven, so wie der Schleimhaut des Schlundes, später ein Gefühl vermehrter Wärme im Magen, welches sich über den ganzen Unterleib verbreitet. Vom Magen aus gelangt der Aether mit großer Schnelligkeit in die Blutmaße und mit dieser zum Gehirn und Rückenmark, von denen aus er seine Wirkungen gegen die verschiedensten peripherischen Nervenprovinzen entfaltet. Wie er auf die Nervenmassen und Fasern des Gehirns und Rückenmarks einwirkt, welche Art von Stoffumsetzungen oder Stoffänderungen er in ihnen zu Stande bringt, wissen wir nicht. Ich gestehe, daß ich mich bei der von neueren Chemikern aufgestellten Theorie von der Zersetzung des Aethers und von der Verbrennung seiner Elemente im Blute, wie palpabel sie auch scheinen mag, nicht beruhigen kann, vielmehr scheinen die Wirkungen des Aethers vorzugsweise davon abzuhängen, daß ein Theil der aufgenommenen Masse unverändert zum Gehirn und Rückenmark geführt wird, und in diesen gewiße materielle Veränderungen hervorruft. Wie dem auch sein mag, mit der Aufnahme des Aethers in das Blut wird der Cyclus seiner allgemeinen Wirkungen eröffnet. Die Förderung der wurmförmigen Bewegung des Darmkanals, die vermehrte Absonderung der Magensaftdrüsen, die leichtere, vielleicht auch vermehrte Ausscheidung der Galle bilden gewissermaßen eine Zwischen- und Uebergangsstufe von den lokalen zu den allgemeinen Wirkungsphänomenen. Aber nicht allein die Absonderung der im Darmkanal befindlichen oder ihm anhängenden Drüsen, auch die der übrigen secernirenden Apparate wird gehoben, z. B. der Nieren, der Schweißdrüsen in der Haut, der Schleimbälge auf fast allen Schleimhäuten. Das höher gestimmte Gehirnleben, insoweit es die Quelle unseres Seelenlebens ist, spiegelt sich in den mannigfaltigsten Nüancen in Gedanke und Wort, Wille und Bewegung, Phantasie und Erfindung. – Wir merken noch an, daß der Aether (es ist hier immer von flüssigem Aether die Rede) nicht so leicht berauschen soll, als Alkohol. In größeren Dosen kann er leicht Erbrechen erregen, sehr große haben den Tod zur Folge. Würgen, Erbrechen, Schwindel, Lähmung der Sinnesnerven, der Muskeln, der Lungen, des Herzens bezeichnen die eingetretene Vergiftung.

Reiner Aether kommt in der Medizin wenig in Gebrauch. Außer in Verbindung mit zahlreichen anderen Mitteln wird er hauptsächlich als schmerzstillender Hoffmannsgeist, Hoffmannstropfen, Spiritus sulphurico-aethereus bei hypochondrischen, hysterischen Nervenleiden u. s. w. angewendet, um die an einzelnen Stellen krankhaft vermehrte oder veränderte Nerventhätigkeit herabzustimmen und umzuändern. Dieser Zweck mag dadurch erreicht werden, daß durch Erregung des Nervensystems im Großen und Ganzen eine Art von Ableitung für den leidenden Theil eintritt, aus dem schnellen, fast augenblicklichen Zustandekommen der Wirkung scheint jedoch hervorzugehen, daß die örtliche Action auf die Magen- und Darmnerven die Hauptsache sei.

Historischer Ueberblick
der Anwendung der Aetherdämpfe durch Einathmen .

Es war dem Chemiker und Arzte Jackson, einem gelehrten Manne in Boston in den Nordamerikanischen Freistaaten, vorbehalten, in dem Schwefeläther das große Mittel gegen den Schmerz zu entdecken. Als Arzneimittel in anderer Beziehung längst gekannt, nahm Jackson zuerst bestimmter als Andere wahr, daß das Einathmen der Aetherdämpfe in kurzer Zeit einen Zustand von Bewußtlosigkeit und eine plötzliche Aufhebung jeder schmerzhaften Empfindung herbeiführe. Um diese interessante Erscheinung in Bezug auf schmerzhafte Operationen näher zu erforschen und in allen ihren Beziehungen genauer zu prüfen, stellte er vorläufig eine Reihe von Versuchen an, welche seinen Hoffnungen und Vermuthungen später die völlige Gewißheit gaben.

Er nahm ein zusammengelegtes, mit Aether getränktes Stück Leinewand, welches die Luft frei durchstrich, vor den Mund, und setzte das Einathmen so lange fort, bis er ohnmächtig wurde, und in einem eigenthümlichen schlaf- oder traumähnlichen Zustande in den Stuhl zurücksank. Dabei empfand er eine gewisse Frische und Heiterkeit, auf welche ein Wärmegefühl folgte. Endlich trat vollkommene Bewußtlosigkeit ein. Erst bei einem späteren Versuche entdeckte er, daß dieser Zustand mit einer vollkommenen Unempfindlichkeit für den Schmerz verbunden sei: auf diese Bemerkung wurde er dadurch geführt, daß ein heftiger Reizzustand in der Luftröhre, welchen er sich durch das Einathmen von Chlordämpfen zugezogen hatte, beim Einathmen der Aetherdämpfe mit dem Eintritt der Bewußtlosigkeit sogleich aufhörte, nachher aber wiederkehrte.

Wenn der Aether schwach ist, so hat er nach Jackson nicht den eigenthümlichen Effect, der Kranke wird dann nur berauscht, und empfindet später einen dumpfen Kopfschmerz.

Immer aber war der Aether als Mittel noch nicht ins Leben getreten, und es fehlte Jackson an Gelegenheit, seine schmerzstillende Wirkung bei chirurgischen Operationen zu versuchen. Er forderte daher den Zahnarzt Morton auf, die Aetherdämpfe beim Zahnausziehen zu prüfen, und gab ihm eine mit denselben angefüllte grosse Flasche, in welche eine Glasröhre mündete, als provisorischen Athmungsapparat. Schon bei den ersten Operationen bestätigte sich das vollkommen was Jackson erwartet hatte, denn das Ausziehen der Zähne gelang ohne alle Schmerzempfindung.

Jackson und Morton, beglückt, sich zu Herren des Schmerzes gemacht zu haben, wollten auch ihrerseits durch Geheimhalten dieser grossen Entdeckung vorläufig in dem alleinigen Besitz derselben bleiben, und ein Patent darauf nehmen. Bei uns mag das auffallen, in Amerika aber weniger. Doch war dies die Veranlassung, daß sämmtliche Chirurgen in Boston sich weigerten, größere chirurgische Operationen ohne vorherige Mittheilung des Betäubungsgeheimnißes vorzunehmen. Darüber waren Jahre seit der ersten Jackson'schen Entdeckung verstrichen, bis endlich der leicht erkennbare Aetherdunst zum Verräther des großen Geheimnißes wurde, und die bei Mortons Zahnoperationen zugegen gewesenen Aerzte bald der verborgenen Spur folgten. Nachdem sie dieselbe entdeckt, berauschten sie Kranke nicht bloß beim Zahnausziehen, sondern auch bei größeren Operationen mit demselben Erfolge wie Morton.

Da nun der Schleier des Geheimnisses gelüftet war, traten Jackson und Morton frei mit ihrer Entdeckung hervor, suchten ihr jetzt die möglichste Ausbreitung zu verschaffen und sich die wohlerworbene Priorität gegen die allenthalben nun aufstehenden Freibeuter zu sichern. Morton, welcher mittlerweile eine große Menge von Zahnoperationen in Boston und Massachusets vorgenommen hatte, meldete nun mit möglichster Eile die Jackson'sche Entdeckung an Dr. Boot in London. Warren in Boston, welcher mittlerweile einige größere, glückliche Operationen bei ätherisirten Kranken vorgenommen hatte, theilte in einem ausführlichen Schreiben an Dr. Forbes in London, dem Herausgeber der Englischen und fremden mediz. Zeitung (Review), seine erlangten Resultate und das ganze Verfahren dieser neuen Operationsart mit, und sagt nur in einer Nachschrift: »die Entdecker des Mittels sind die Doctoren Jackson und Morton.« Jackson aber hatte schon im November v. J. bei der Pariser Akademie zwei versiegelte Briefe niedergelegt, von denen der erste bekundete daß er schon vor 5-6 Jahren an sich selbst die betäubende Wirkung der eingeathmeten Aetherdämpfe beobachtet habe, zuerst bei einem zufälligen Versuch, dann bei einem starken Catarrh, welchen er sich durch Einathmen von Chlorgas zugezogen hatte. Der zweite Brief enthielt Mittheilungen über das schmerzlose Ausziehen der Zähne bei ätherisirten Kranken.

So war also die neue Entdeckung nach Europa und zwar zuerst nach England gelangt.

Die ersten Versuche in London wurden von Boot und Robinson beim Zahnausziehen gemacht, sie fielen eben so günstig aus wie die von Amerika aus berichteten, wo seitdem auch von anderen Chirurgen größere Operationen mit Erfolg vorgenommen worden waren. Nach diesen ersten Versuchen Londoner Zahnärzte begannen auch einige der berühmtesten Londoner Chirurgen, in ihren Krankenhäusern dies vielversprechende neue Mittel zu prüfen; der treffliche, behutsame Key, und der kühne Liston begannen nach neuer Weise zu operiren, und betraten als Neulinge die so oft betretene blutige Bahn.

Hatte die amerikanische Entdeckung den anglikanischen Boden erreicht, so verbreitete sie sich mit der Theilbarkeit des Aetherdunstes oder wie eine große politische Neuigkeit über Frankreich und Deutschland. Ein reger Wetteifer ergriff die Aerzte aller Länder, in denen die Wissenschaft sich regt, und heute, wo ich dies schreibe, wenige Monate nach der Entdeckung des Aetherdunstes als Schmerzstillungsmittel, sehen wir die Erfahrungen über diesen Gegenstand so massenhaft aufgehäuft, daß nur ein großer Foliant dieselben in ihrem ganzen Umfange darstellen könnte.

Prioritäts-Ansprüche
auf die Entdeckung der Wirkung der Aetherdünste .

Es war wohl zu erwarten, daß bei einem so wichtigen, so großes Aufsehen erregenden Mittel von mehreren Seiten her Ansprüche auf die Priorität gemacht werden würden, eine Erscheinung, welche wir niemals bei unbedeutenden, sondern immer bei wichtigen Entdeckungen sich ereignen sehen. Die Macht der Wahrheit aber ist so groß, daß dem wirklichen Entdecker wohl nur selten sein Eigenthum entrissen wird. So wird auch Jackson Niemand die Ehre rauben.

Granier de Cassagnac behauptet, schon vor siebzehn Jahren der Entdecker des großen neuen Mittels gewesen zu sein, und über 200 Versuche damit an sich selbst angestellt zu haben. Der Zufall führte ihn beim Einathmen der Dünste aus einer großen Aetherflasche darauf, und nach dem Eintritt der ersten, gewöhnlichen Erscheinungen an sich, wiederholte er seine immer längeren Experimente, bis er in den uns bekannten seeligen Zustand gerieth. Dann experimentirte er an seinem Bruder, bei dem die nämliche Erscheinung eintrat, und endlich kam er auf den Gedanken, eine Migraine, durch welche er seit Jahren geplagt war, öfter dadurch zu beschwichtigen.

Man weiß nicht recht, ob man Cassagnac, welcher wirklich schon vor 17 Jahren dies Alles in dem politischen und litterarischen Journal von Toulouse bekannt machte, bedauern soll, daß ihm dies schöne Anrecht, der Entdecker des Aethergeheimnißes zu sein, durch Jackson entrissen worden ist, oder ob man ihm Vorwürfe machen soll, daß er dieselbe nicht allgemeiner, als bei seiner eigenen Migraine benutzt, nicht mit seinem Mittel vorgeschritten, und das Anrecht auf seine Entdeckung früher geltend gemacht habe. Cassagnac scheint auf halbem Wege stehen geblieben zu sein. Er kam wohl nur etwas weiter als wir Alle, wenn wir bei heftigen Zahnschmerzen an eine Flasche mit Köllnischem Wasser oder an ein Fläschchen mit Vitriolnaphta oder Campher oder an irgend eine andere geistige Substanz riechen, um uns zu betäuben. Das Punctum saliens, die Aufhebung der Empfindung überhaupt, besonders des Wundschmerzes, blieb ihm, wie auch Anderen, aber gänzlich verborgen. Hätte er diese auch gekannt und für sich behalten, so wäre er für die vielen Schmerzen, welche das arme Menschengeschlecht seit 17 Jahren durch chirurgische Operationen hat erdulden müssen, verantwortlich.

Eben so ist Ducros zu bedauern, daß ihm das Recht der Entdeckung nicht zuerkannt werden kann, welches er für sich begehrt und dieserhalb das Institut von Frankreich in Anspruch nimmt. Er beruft sich dabei auf eine i. J. 1842 von ihm herausgegebene Abhandlung: »Effets physiologiques de l'éther sulphurique etc.«, in welcher er uns mittheilt, daß die äußerliche Anwendung des Aethers bei den zum Hühnergeschlecht gehörigen Vögeln, einen schlafähnlichen Betäubungs-Zustand herbeiführe. Aus dieser Beobachtung folgert er, daß dies Mittel auch bei Menschen in gewißen Krankheiten nützlich sei. Dies scheint aber nicht viel mehr zu sein, als was man schon vor ihm über die Wirkung des Aethers wußte.

Endlich will Wells sogar im Jahre 1844 Jackson die Anwendung der Aetherdämpfe gelehrt haben. Warum, fragen wir, hat er denn diese wichtige Sache nicht bekannt gemacht und ins Leben eingeführt?

Was indessen die örtliche Anwendung der Aetherdämpfe bei nervöser Taubheit betrifft, so sind dieselben von Itard und Wolf wirklich früher angewendet worden.

Apparate zum Einathmen der Aetherdämpfe.

Der erste zusammengesetzte Apparat, welcher zum Einathmen der Aetherdämpfe angegeben wurde, da die ursprünglichen Mittel, ein mit Aether angefeuchtetes Tuch oder ein Schwamm, nicht immer genügten, ist der von Morton. Er besteht aus einer gläsernen Kugel mit zwei Hälsen; in ihr befinden sich mit Aether angefüllte Schwämme. Mit dem einen Halse der Kugel ist ein mit einem Mundstück versehener Schlauch in Verbindung gebracht, durch welchen der Kranke die Aetherdämpfe einathmet. Durch die andere Oeffnung tritt die Luft von außen in die Flasche ein, wodurch das Verdunsten des Aethers befördert wird. Der Rücktritt der wieder ausgeathmeten Luft in die Flasche wird durch ein hinter dem Mundstück angebrachtes Ventil verwehrt. Das Einathmen der äußeren Luft durch die Nase kann durch das Zusammendrücken derselben entweder mit einer Klemme oder mit dem Finger verhindert werden.

Dieser Apparat erfuhr seit der Zeit seines Bekanntwerdens schon mancherlei Abänderungen, da er seiner Einfachheit wegen Vielen nicht genügte, und weil sie glaubten, daß durch größere Complication größere Vortheile zu erreichen wären. So gaben Boot und Robinson in London eine Vorrichtung an, deren Haupttheil aus zwei übereinander befindlichen Glasbehältern, von denen der obere nach unten sich verschmälernd, mit diesem Theil in den weiten Hals der unteren Flasche hineingesteckt wird. Der obere Hals der oberen Flasche kann durch einen Glasstöpsel beliebig geschlossen werden. In beiden Behältern befinden sich mit Aether getränkte Schwammstücke. Nahe dem Boden der unteren Flasche ist der Schlauch angebracht, welcher als Hals und Mundstück endigt, und mit einem Wulst zur genauen Umlagerung der Lippen versehen ist. Zwei Ventile, ein horizontales mit perpendiculärer Bewegung, und ein perpendiculäres, haben verschiedene Bestimmungen. Jenes öffnet sich beim Ausathmen, und läßt die ausgeathmete Luft heraus, dieses gestattet den Dämpfen den Austritt aus der Glasglocke, verwehrt aber ihren Rücktritt. Um die Menge der einzuathmenden Aetherdämpfe vermehren, vermindern oder ganz unterbrechen zu können, dient ein Hahn in der Nähe des Mundstücks.

Von diesem wenig verschieden ist ein später von Robinson angegebener Apparat, welchen die Londoner Aerzte vorzüglich anwenden.

Der von Charrière, einem berühmten Instrumentenmacher in Paris, angegebene Mechanismus kommt dem Morton'schen wieder nahe, da er nur aus einer von oben nach unten stark zusammengedrückten Flasche besteht. Ein durch den Hals bis auf die Tiefe der Flasche hin reichender Trichter, dient zum Nachgießen des Aethers auf die in der Flasche befindlichen Schwammstücke. Der Athmungsschlauch steigt neben dem Trichter aus dem oberen Rohr wieder heraus. Auch dieser Apparat ist mit Ventilen versehen. Auf eine sinnreiche Weise hat Charrière alle die Stellen, aus denen der Aetherdunst entweichen kann, durch ein feines Drahtnetz wie bei der Davy'schen Lampe für Bergleute geschützt, um einer Entzündung des Aetherdunstes bei Annäherung des Lichtes, z. B. beim Abbrennen von Brenncylindern vorzubeugen. Dieses Apparats bedienen sich die meisten französischen Wundärzte. Bonnet veränderte denselben dahin, daß er den Aether aus einem besonderen Behälter in die Glocke hineinträufeln läßt, daß die Röhre bedeutend weiter ist, daß Mund und Nase zugleich bedeckt werden, und daß ein besonderes Ventil anzeigt, wenn der Kranke nebenbei atmosphärische Luft einathmet.

Ein anderer Apparat wurde von Luer in Paris an gegeben. Derselbe besteht aus zwei zinnernen oder blechernen Kasten. Ein größerer viereckiger, schmaler Kasten ruht auf einem kleinen, flachen, aber breiten wie auf einem Postament: der obere, welcher den Aether enthält, ist durch unvollkommene Scheidewände wie bei den Zügen eines Sparofens sechsfach eingetheilt. Während die eine Scheidewand nicht ganz nach oben hinaufreicht, geht die andere nicht bis nach unten hinab. Das Athmungsrohr befindet sich an dem obern Seitenrande des großen Kastens. Der untere Kasten muss durch eine Halsöffnung mit warmem Wasser angefüllt werden. Drei in dem Dache des Kastens angebrachte Oeffnungen können mit Stöpseln beliebig geöffnet und geschlossen, und dadurch die Kammern der Maschine abgesperrt oder mit einander in Communication gesetzt werden. Dies hat zum Zweck, die Aetherdämpfe in geringerer oder größerer Menge durch den Schlauch dem Kranken zuzuführen.

Dieser Apparat ist ganz unzweckmäßig; theils durch seine beträchtliche Größe, theils durch seine Complication wird seine Anwendung erschwert. Auch ist, wovon bald beim Smee'schen Apparat die Rede sein wird, die durch das heiße Wasser zu bewirkende reichlichere Entwickelung der Aetherdämpfe höchst gefährlich.

Smee verwirft alle Glasflaschen und empfiehlt ein gerades zinnernes Rohr von 8 Zoll Länge und 3 Zoll Weite wie eine Klystirspritze. Das hintere Drittheil der Höhle ist durch eine Wand von dem vorderen Raume getrennt. Jede dieser Höhlen ist nach außen mit einer gehalseten Oeffnung versehen. In die vordere, weitere Höhle wird der Aether hineingegossen, die hintere, engere mit heißem Wasser, durch dessen Hitze der Uebergang des Aethers in Dunstgestalt beschleunigt wird, angefüllt. Die Oeffnung des Wasserbehälters muß bei der Anwendung des Apparats mit einem Stöpsel geschlossen werden. Die Oeffnung des Aetherbehälters dient, außer daß der Aether durch sie eingegossen wird, auch zum Eintritt atmosphärischer Luft. In der Aetherabtheilung befindet sich eine Röhre mit einem Ventil in der Nähe des Mundstücks. Dies Ventil öffnet sich beim jedesmaligen Ausathmen, so daß die ausgeathmete Luft entweichen kann. Das Mundstück ist mit einem ovalen Reifen von Gummi elasticum zum bequemen Anlegen an die Lippen umgeben.

Dieser Apparat gewährt keine besonderen Vorzüge, was aber die schnellere Entwickelung der Aetherdämpfe durch das in ihm angebrachte, mit heißem Wasser angefüllte Behältniß betrifft, so ist dieselbe wegen des in zu großer Menge übertretenden Dunstes für den Kranken äußerst gefährlich. Heftige Reizung der Lunge und unerwartet schnell eintretende Betäubung werden hier leicht eintreten.

Reisig in Wien gab einen einfachen Apparat an. Er besteht aus einer hölzernen, flaschenförmigen Büchse und würde etwa ¼ Maas Flüssigkeit fassen können. Der untere breitere Theil kann abgeschraubt werden, In sie werden mit Aether getränkte Schwammstücke oder Baumwolle gelegt, und dann dieser Theil an den siebförmigen Boden der oberen Büchse wieder angeschraubt. Wird nun das breite Mundstück des Apparats über den Mund gedeckt, so steigen die Dämpfe durch das Sieb in den oberen Raum, aus dem sie eingeathmet werden.

Die Vorrichtung von Heller in Wien besteht aus einer fußlangen Blase von Goldschlägerhäutchen, mit welcher eine Röhre und ein Mundstück von Buchsbaum im Zusammenhange stehen. Das Mundstück ist 2 Zoll breit und 3 Zoll lang; das Rohr hat eine Länge von 4-6 Zoll und eine Weite von 4-6 Linien. Die Einfachheit dieser Vorrichtung geben demselben den Vorzug vor mehreren complicirten Apparaten, nur ist die Röhre zu eng.

Schauer fand, daß beim Einathmen der Aetherdämpfe die schon eingeathmete Luft immer wieder in das Gefäß zurückgetrieben, und dadurch der Sauerstoff zuletzt aufgezehrt wird. Diesem Uebelstande hilft er durch eine eigene Vorrichtung ab. Dieselbe besteht in zwei luftdicht ineinander geschraubten Cylindern von Holz, welche dem Munde möglichst nahe an dem Athmungsschlauch angebracht werden. Der innere Cylinder ist in der Mitte schräg durchgeschnitten und mit einer Klappe von dünnem Leder und Holz bedeckt. Durch sie wird die Oeffnung vollkommen geschlossen, so daß dem Luftzug aus dem Gefäße der Austritt, aber nicht der Rücktritt gestattet ist. In dem äußeren Cylinder befindet sich ein Ausschnitt mit einer Klappe, welche die ausgestoßene Luft herausläßt, sich aber beim Einathmen wieder schließt, während die innere Klappe sich öffnet, und die Dämpfe aus dem Gefäß eingezogen werden können.

Bonnet und Ferrand gaben eine gefütterte Maske mit Nasen- und Mundöffnung an, welche in ein Rohr endet und in ein Gefäß mit Aether geleitet wird.

Mayor empfiehlt eine lang herabhängende Kappe von Wachstuch vorn mit zwei Glasscheiben zum Hinein- und Heraussehen; unter diesem Kopfzelt soll der Patient den Aetherdunst aus einem offenen Gefäß einathmen!

Außer den hier angegebenen Athmungs-Apparaten sind noch eine Menge anderer, mehr oder minder von dem ursprünglich Jackson'schen abweichende, angegeben worden. Möge Jeder den wählen, welcher ihm der vorzüglichste zu sein scheint, der einfachste ist aber der beste.

zu Seite 29.

Der Apparat, dessen ich mich bediene, unterscheidet sich von manchen anderen durch größere Einfachheit. Er besteht aus einer kugelförmigen, mit einem sehr weiten und einem engeren Halse versehenen Flasche von weißem Glase. Mit dem weiten Halse wird der elastische Schlauch, dessen Länge ⅓ Elle und dessen Weite anderthalb Zoll beträgt, in Verbindung gebracht. Dies geschieht durch eine am Schlauche befindliche, 1 Zoll weite Röhre von Horn, welche in den durchbohrten Korkstöpsel des weiten Halses der Kugel hineingesteckt wird. Am anderen Ende des Schlauches befindet sich ein muschelförmiges, tief ausgehöhltes Mundstück von Gummi elasticum, oder noch besser von Horn. Die Flasche ist zur Hälfte mit größeren und kleineren, stark porösen Schwammstücken angefüllt. Der Aether wird vor dem Gebrauch des Apparats durch den weiten Hals in die Flasche gegossen, und die beiden Oeffnungen durch Stöpsel geschlossen, die Schwämme umgeschüttelt, der Stöpsel aus dem großen Halse entfernt, und das Rohr darin gesteckt. Dann erst bringt man das Mundstück an den Mund. Der enge Hals dient zum Verkehr mit der äußeren Luft, so wie zum Nachgießen des Aethers, wenn es nöthig sein sollte; er kann durch den Stöpsel beliebig geschlossen werden.

Gläserne Apparate mit beweglichem Rohr sind ihrer Durchsichtigkeit und Sauberkeit wegen den metallenen oder hölzernen oder den Blasen vorzuziehen. Alle complicirten haben den Nachtheil, daß sie die Anwendung erschweren. Das, was auf den ersten Anblick an ihnen sinnreich zu sein scheint oder auch wirklich ist, verspricht einige Vortheile, gewährt aber diese nicht allein nicht, sondern ist ein Hinderniss beim Athmen. Dahin gehört das in dem muschelförmigen Lippentheile befindliche, eigentlich das Ende des Schlauches bildende Mundstück, welches der Kranke wie eine Cigarrenspitze zwischen die Zähne nehmen soll. Theils ist dies höchst lästig, theils erlaubt die Enge der Spitze nur einer dünnen Säule der Aetherdämpfe den Durchgang. Der ganze Schlauch bis zum Mundstück muß überall gleich weit sein. Alle Ventile oder Luftklappen sind unzweckmäßig. Bei doppelten öffnet sich das eine beim Einathmen der Aetherdämpfe, und verschließt sich beim Ausathmen; dann thut sich das andere auf und läßt die exspirirte Luft hinaus. Die Ventile vermehren die Anstrengung beim Athmen und machen ein klapperndes, unangenehmes Geräusch, bisweilen gerathen sie in Unordnung, da sie durch öftere Anwendung schwerfällig werden. Es tritt dann eine zu vermeidende Störung in der Operation ein. Die Vereinigung des Schlauches mit der Flasche durch eine Schraube führt beim Ansetzen und Abnehmen ebenfalls zu manchen Unterbrechungen, weshalb die angegebene Verbindung Vorzug verdient. Die Nasenklammern oder das Zusammendrücken der Nase ist zu verwerfen, da dadurch die größte Unbequemlichkeit entsteht; der Kranke soll durch den Mund ein- und durch die Nase ausathmen.

Die meisten Apparate sind, wie man aus der Breite ihrer Basis ersieht, zum Aufstellen neben dem Kranken bestimmt, doch ist es wegen möglicher Unruhe des Patienten weit vorzuziehen, denselben bei der Anwendung von einem Gehülfen am Halse halten zu lassen; das Umschütteln einer unten kugelförmigen Flasche rüttelt die Schwämme zur stärkern Entwickelung der Dämpfe auch besser durcheinander, als dies bei einer Flasche von flach glockenförmiger Gestalt geschieht.

Unter Umständen, wo eine schnelle Anwendung der Aetherdämpfe nöthig, und kein Apparat bei der Hand ist, kann man auf das einfache und kunstlose Verfahren Jacksons zurückkommen, und ein in Aether getauchtes Tuch oder einen Schwamm, nachdem beides gehörig ausgedrückt ist, locker über Mund und Nase decken, und der Kranke wird dadurch oft eben so schnell betäubt wie mittelst der kunstvollsten Vorrichtung. In mehreren Fällen habe ich dies bereits erfahren, auch Bühring wendet den Schwamm mit Nutzen an. Derselbe muß aber groß und hohl sein und mit der hohlen Seite aufgelegt werden. Man darf ihn nicht fest andrücken, weil der Kranke dann schwer athmet, auch bei reizbarer Haut durch die Befeuchtung mit Aether leicht eine Röthung derselben entsteht. Bei Kindern ist der Schwamm immer vorzuziehen.

Anwendung der Aetherdämpfe.

Man kannte die flüchtig erregende Eigenschaft des Aethers schon lange, und wußte auch schon, daß kurzes Einathmen einen leichten Rausch erzeuge, doch wußte man vor Jackson nicht, daß dadurch die Schmerzen aufgehoben, und angenehme Träume erzeugt würden. Weit entfernt, sagt Jackson, die Inhalation zu empfehlen, haben alle medizinischen Autoritäten davor gewarnt und dieselbe für höchst gefährlich erklärt. Dies gilt aber nur von dem gewöhnlichen, unreinen Aether, welcher außer dem schweflicht-sauren Gase, noch Essig-, Ameisen- und Aldehyd-Säure enthält. Der beträchtliche Gehalt dieses gewöhnlichen Aethers an Alkohol ist nach Jacksons Erfahrung Schuld daran, daß dem dadurch erzeugten Rausche heftiger Kopfschmerz und Abspannung der Nerven folgt.

Der reine Aetherdampf ist nach Jackson irrespirabel. Wenn er die atmosphärische Luft ganz aus der Lunge verdrängt, so muß er vollständige Asphyxie durch Betäubung herbeiführen. Hieraus folgt, daß man die Aetherdämpfe mit einer gehörigen Menge Luft vermischen müsse, damit die Function der Lunge nicht gestört werde. Beim Eintritt von Erscheinungen der Erstickungsgefahr, theils als Folge einer schlechten Anwendung, eines unreinen Aethers, einer großen Reizbarkeit, oder einer besonderen Neigung zu Congestionen nach der Lunge oder dem Kopfe räth Jackson, sogleich Sauerstoffgas, welches dem Blute seine rothe, arterielle Beschaffenheit zurückgiebt, einathmen zu lassen. Man soll daher das Gas immer bereit halten, es in einem Gasometer aufbewahren und zum augenblicklichen Gebrauch in eine große Gummi-elasticum-Blase füllen. Ducros empfiehlt den Galvanismus, Andere das Ammoniak.

Das Einathmen der Aetherdämpfe geschieht mit Hülfe irgend eines Apparates entweder durch den Mund oder durch die Nase. Die erstere Art, wobei die Nase weder mit den Fingern noch mit einer Klammer andauernd geschlossen wird, ist für den Kranken am bequemsten, und es wird der Dunst auf dem breitesten und kürzesten Wege durch die Luftröhre in die Lungen gebracht. Jackson so wie die meisten englischen Aerzte wenden vorzugsweise diese Methode an. Das Einathmen durch die Nase, welches besonders die Franzosen empfehlen, ist wegen der Enge der Nasenlöcher und der größeren Empfindlichkeit der Schleimhaut der Nase bisweilen mit großem Reiz verbunden, und kann nur dann mit Erleichterung für den Kranken geschehen, wenn das eine Nasenloch an die Oeffnung einer Flasche, worin sich der Aether befindet, gehalten, das andere zugedrückt wird. Athmungsröhren aber tiefer in das Innere der Nase hineinzuführen, würde einen heftigen Reiz der Theile verursachen. Bei Personen mit sehr engen Nasenlöchern und besonders mit engen Nasengängen, welche schon im gewöhnlichen Zustande schwer durch die Nase athmen, ist aber das Einathmen auf diesem Wege gar nicht anzuwenden. Bergson glaubt, daß man bei schwierigen Operationen besser durch den Mund, bei kleineren durch die Nase athmen lasse; ferner, daß bei jenem Verfahren der Aetherrausch leichter und vollständiger eintrete, Beklemmung und Angst aber größer seien, und alle störenden Nebenerscheinungen auf Rechnung dieser Methode kommen: dagegen erzeuge das Einathmen durch die Nase nur den ersten und niedrigsten Grad des Aetherrausches, nämlich den Verlust des Gefühls und der Empfindung für den Schmerz und fast niemals jene erwähnten Nebenerscheinungen. Hierbei möchte aber wohl nicht zu übersehen sein, daß die größere Intensität des Mittels nicht von dem Mund- oder Nasenwege abhängt, sondern ob der Kranke überhaupt den Aetherdunst in größerer oder geringerer Menge einathme. Wenn er also auf dem breiten Wege durch den Mund nur eine kurze Zeit einathmet, so würden auch nur die Zufälle des ersten Grades eintreten. Es führt gewiß zur Vervollkommnung der Methoden überhaupt, wenn diese vielseitig geprüft, und alle Erfahrungen nach der einen oder anderen Methode bekannt gemacht werden. Bergson empfiehlt zum Athmen durch die Nase eine flache Flasche mit breitem Halse, in welcher sich mit Aether getränkte Schwammstücke befinden. Sie ist durch einen Korkstöpsel geschlossen; durch diesen läuft eine hölzerne Röhre, deren äußeres Ende nach der Nasenöffnung geformt ist.

Was aber die dritte Anwendungsart der Aetherdämpfe durch Nase und Mund zugleich betrifft, so ist sie nicht minder unbequem als das Athmen durch den Mund mit verschloßener Nase. Gerade durch das Offenbleiben der Nase, welches höchstens für einige Augenblicke durch das Zusammendrücken derselben aufgehoben werden darf, wird das Athemholen erleichtert, und es kann nicht als Vorwurf dieses Verfahrens gelten, daß die Wirkung des Aethers dadurch verzögert werde.

Stellung des Kranken beim Einathmen der Aetherdämpfe.

Die meisten chirurgischen Operationen werden in sitzender oder liegender Stellung, einige in halb sitzender, halb liegender vorgenommen, und der Körper je nach dem Operationsorte gewendet. Mit dieser Aufgabe ist nun das bequeme Einathmen der Dünste in Einklang zu bringen. Bei Operationen, welche nur im Sitzen vorgenommen werden können, läßt man den Kranken, da er auch am leichtesten in dieser Stellung athmet, sich in einem Lehnstuhl bequem niedersetzen, darauf einen Gehülfen mit dem Athmungsapparat an die linke Seite des Patienten treten, den Mundtheil auf den Mund des Kranken legen, und überträgt die Sorge für das gleichmäßige Anschliessen an die Lippen einem zweiten Assistenten, welcher hinter dem Kranken steht und den Kopf zu unterstützen hat. Ist die Operation nur in liegender Stellung vorzunehmen, so darf der Kranke beim Einathmen des Aethers sich nicht legen, am wenigsten auf den Bauch, weil dadurch Beklemmung herbeigeführt wird, sondern er wird auf den unteren Rand eines durch ein Polster und Kopfkissen als Lagerstätte vorgerichteten schmalen, länglichen Tisches gesetzt, der Rücken durch einen Gehülfen, und die Füße durch einen Stuhl ohne Lehne unterstützt. Jetzt beginnt er das Einathmen der Dämpfe. Tritt dann der Zustand der nöthigen Betäubung ein, so entfernt man den Apparat schnell vom Munde, legt den Kranken sanft nieder und beginnt die Operation. Die meisten Kranken wünschen lieber, auf dem Stuhl sitzend ätherisirt und dann bewußtlos auf das Operationslager getragen zu werden, doch verfliegt ein Theil des Rausches während des zeitraubenden, mühsamen Transportes des Bewußtlosen, und die Besinnung kehrt wohl zurück, ohne daß die Operation begonnen ist, so daß ein Nachathmen der Dämpfe nöthig wird. Dies muß aber immer dann Statt finden, wenn die Operation von der Art ist, daß sie nicht in einigen Augenblicken vollendet werden kann. Kehrt unter derselben das volle Bewußtsein und die Empfindung zurück, so muß der Kranke einige neue Athemzüge thun, und wird er im Liegen operirt, so kann man ihn auch von Neuem in liegender Stellung nachathmen lassen, bis der Aether seine abermalige Wirkung zeigt, wozu gewöhnlich nur einige Augenblicke gehören.

Wirkungen des Einathmens der Aetherdämpfe.

Die Wirkung der eingeathmeten Dämpfe besteht in einer Reihe der wunderbarsten Erscheinungen, deren schon im Allgemeinen gedacht worden ist. Hier will ich dieselben noch näher angeben. Unmittelbar nach den ersten Athemzügen stellt sich bei Vielen und besonders dann, wenn der Kranke, welcher schon vorher aufgeregt war, mit Hast das Athmungsgeschäft beginnt, ein kurzer Husten ein, wodurch die Patienten veranlaßt werden, den Apparat vom Munde wegzureißen. Dieser Husten ist die Folge der directen Einwirkung der Aetherdämpfe auf die Luftorgane und wird sogleich dadurch beseitigt, daß man etwas atmosphärische Luft wieder einathmen läßt. Ist die Willenskraft aber stark genug, so hört der Husten beim fortgesetzten Einathmen der Dämpfe von selbst auf.

Die Wirkung der eingeathmeten Aetherdämpfe tritt nun bei den verschiedenen Individuen, je nach Jugend oder Alter, großer Reizbarkeit oder Unempfindlichkeit entweder schon nach den ersten Athemzügen oder nach Verlauf einer geraumen Zeit, und am spätesten bei Trinkern ein. Schon nach ⅓ Minute sah ich sie bei einem Individuum erfolgen, während bei einem anderen, an geistige Getränke gewöhnten nach ¼ Stunde nicht die mindesten Veränderungen eintraten.

Die Erscheinungen, welche wir nun der Reihe nach beobachten, sind von sehr heterogener Art, und in den meisten Fällen die folgenden. Der Ausdruck der Müdigkeit und bald darauf der eines betäubungähnlichen Zustandes verbreitet sich über das Gesicht. Der Kranke athmet langsam und kaum merklich, der Mund entgleitet dem Apparat oder schließt sich gegen den Aether. Die Augenlider bedecken das Auge, welches nach oben rollt. Sämmtliche äußere Muskeln erschlaffen, der Kopf senkt sich auf die Seite, die Arme fallen herab, die Beine gleiten vorwärts, der Rücken wölbt sich, die Brust sinkt ein, die Bewegung der Gedärme fühlt sich durch die Bauchdecken langsamer. Das Athmen ist tief und ruhig, der Herzschlag oft kaum fühlbar, mitunter ist der Athem schnarchend. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Sinnesthätigkeiten, so bemerken wir, daß mit der Zunahme der Betäubung ein Sinn nach dem anderen verschwindet. Zuerst hört das Gefühl auf. Der Kranke nimmt nicht wahr, daß er gekniffen oder mit einer Nadel gestochen wird. Alle übrigen Sinne sind noch thätig. Dann erlischt der Geschmack, der Aetherisirte empfindet und unterscheidet die Geschmackseindrücke nicht mehr; dann das Gesicht, und darauf der Geruch, während das Gehör noch thätig ist. Endlich hört auch dieser Sinn, welcher oft bis dahin in größter Feinheit fortbestand, auf, und völlige Betäubung tritt ein. Dieser Zustand ist der gewöhnliche und allgemeine.

Mit dem Nachlassen der Aetherwirkung nach Verlauf mehrerer Minuten oder in einer unverhältnißmäßig langen Zeit, kehren die Sinne in umgekehrter Reihe einer nach dem anderen zurück. Zuerst fängt der Betäubte wieder an zu hören, dann zu riechen, dann zu sehen, dann zu schmecken und endlich auch zu fühlen, und zwar sind bei der Rückkehr der einzelnen Sinne die Folgen noch genauer, regelmäßiger, deutlicher und schärfer von einander getrennt.

Schon vor dem Beginn der Einathmung der Aetherdämpfe ist das Athmen schwer, in Folge der geistigen Aufregung. Beginnt die Inhalation, so ist dasselbe gewöhnlich in Folge der Anlegung des Apparats ganz unregelmäßig. Manche Kranke benehmen sich dabei sehr ungeschickt und ungelehrig, athmen bald zu schnell, bald zu tief ein und vermehren dadurch die schon durch den Aether bewirkte Reizung, so daß ein Hüsteln eintritt. Erst beim Beginn der Empfindungslosigkeit und noch mehr bei dem Schwinden der übrigen Sinne wird der Athem tief und langsam, bisweilen schnarchend.

Das Auge drückt schon vor dem Anfange der Einathmungen eine etwas besorgliche Aufregung aus, der Blick ist lebendiger, das Auge glänzend. Schon nach einigen Athemzügen bemerkt man eine stärkere Blutanfüllung der oberflächlichen Gefäße und bei jungen, vollblütigen Personen oft eine leichte Röthung. Die Pupillen verengern sich gewöhnlich etwas im Anfange der Einathmung, erweitern sich dann wohl auf einige Minuten, um sich von Neuem zusammen zu ziehen, mit dem Eintritt einer tiefen Betäubung sind sie oft sehr erweitert. Da die Kranken gewöhnlich die Augen schließen, so sind die Veränderungen an der Pupille ohne Aufheben des oberen Lides selten genau zu beobachten.

Der Puls erleidet eine merkliche Veränderung. Mit dem Beginn des Einathmens fängt er an schneller zu werden, so daß er wohl 20 bis 30 Schläge in der Minute mehr hat. Hat der Aether hieran auch wohl einigen Antheil, so wird diese Beschleunigung doch größtentheils durch das Anfangs beschwerliche Athmen herbeigeführt. Allmälig, bei eintretender Ruhe, verliert er an Schnelligkeit und sinkt auf die normale Zahl der Pulsschläge herab, und nur selten und bei großer Betäubung wird er noch langsamer als im natürlichen Zustande. Also vermehrte Frequenz des Pulses im Anfange der Einathmung und späteres Langsamwerden ist das Gewöhnliche.

In anderen Fällen beobachten wir Folgendes: der Puls nimmt wenig oder gar nicht an Frequenz zu, oder er ist bald schnell, bald langsam, bald klein, bald groß, und selbst mitunter aussetzend. Eben so wechselt er in Bezug auf Härte und Weiche, Vollsein und Leere ab. Doch sind dies Alles Verschiedenheiten, welche sich nur bei einzelnen Individuen zeigen, und als Ausdruck der Eigenthümlichkeit ihrer Constitution und der Reizbarkeit oder Unempfindlichkeit ihres Nerven- und Gefäßsystems zu betrachten sind.

Mit der Verflüchtigung des Rausches, der Wiederkehr der schlummernden Sinne und des vollen Bewußtseins, nimmt der Puls an Fülle und Frequenz wieder zu, so daß er noch um 5 bis 10 Schläge mehr hat als vor dem Einathmen der Aetherdämpfe.

Das Herz verhält sich meistens ruhig, und seine Schläge sind selten stärker als im natürlichen Zustande. Oft erbebt es nur leise und die einzelnen Schläge sind kaum von einander zu unterscheiden. Nur selten trat wirkliches Klopfen ein, und dies entweder beim Anfange der Inhalation oder bei der Wiederkehr des Bewußtseins, wo es sich dann plötzlich hob.

Um die Wirkungen der eingeathmeten Aetherdämpfe in Bezug auf die Anwendung in der Heilkunde genauer zu prüfen und zu würdigen, sind von Aerzten eine große Menge von Versuchen an gesunden Personen und auch an sich selber angestellt worden. Als die ersten sind die von der Gesellschaft deutscher Aerzte in Paris, so wie die hier in Berlin von dem talentvollen jungen von Gräfe, dem Sohne des berühmten, seeligen v. Gräfe, angestellten zu erwähnen. Die an Aetherberauschten gemachten Beobachtungen, sowie die Selbstbeobachtungen fanden während der niederen Grade der Aethereinwirkung Statt.

Folgende Resultate ergaben die Versuche der Aerzte der deutschen Gesellschaft in Paris, welche an sich selbst experimentirten.

In Bezug auf die Frequenz des Pulses zeigte sich bei Allen eine deutliche Zunahme in den ersten 3 Minuten, hierauf ein Nachlassen der Frequenz, die jedoch immer noch stärker als im normalen Zustande war. Gegen das Ende des Versuches, gegen die 6te oder 8te Minute hin, begann eine merkliche Reaction des Herzens, dessen Contractionen an Intensität verloren hatten, indem es wieder stärker und schneller schlug. Dieselben Erscheinungen zeigten sich selbst bei weiter fortgesetzten Versuchen. Durchschnittlich ergab sich die mittlere Zahl der Pulsschläge auf 106.

Das Athmen war meist beschleunigter als im normalen Zustand, wobei jedoch zu bemerken ist, daß selbst vor dem Versuche der Puls und die Respiration meist schon schneller waren, als im normalen Zustande, was durch die geistige Spannung und Aufregung derer, die sich dem Experiment unterwarfen, wohl zu erklären ist. Die Respiration verhielt sich in Bezug auf Frequenz und Ausdehnung vollkommen wie der Puls.

Die Wirkung der Einathmung auf das Nerven-System war in den allermeisten Fällen eine vollkommene Aufhebung des Gefühls des Schmerzes, wovon man sich durch Stechen der Ohren, der Nase und Hände mit Nadeln, durch Einschnitte in den Arm, durch Abbrennen von Feuerschwamm und Betröpfeln mit heißem Siegellack überzeugte. Hierbei ist zu bemerken, daß oft erst nach längerem Einathmen diese Unempfindlichkeit gegen den Schmerz sich zeigte, während kürzere Zeit dauernde Versuche bei denselben Individuen ohne Resultat waren.

Die Dauer und Intensität der Wirkung hing zum größten Theil von der Dauer und Genauigkeit der Einathmung ab. Die Unempfindlichkeit dauerte 1 Minute 3 Sekunden bei dem Einen, 1 Minute 30 Sekunden bei einem Anderen, bei einem Dritten 1 Minute 14 Sekunden, bei Einem Vierten über 10 Minuten. Mehrere hatten Traumerscheinungen. Einer hatte leichte Lichterscheinungen in den Augen, und es zeigten sich einige Symptome von Schwindel. Zwei erwachten mit Lachen aus ihren heiteren Träumen. Der Tastsinn war vollkommen ungestört, so lange die Individuen bei Bewußtsein waren, und sie entdeckten ohne Hülfe der Augen die kleinsten Unebenheiten eines Körpers. Die Wirkung des Aethers scheint bei den Versuchen drei Stadien durchgemacht zu haben. Im Anfang ist das Empfindungsvermögen, wie der Puls und die Respiration, gesteigert, darauf verminderte sich die Wahrnehmung des Schmerzes mit der Bewegung des Kreislaufes, und Verletzungen wurden nur schwach empfunden. Im dritten Stadium hörte alles Gefühl auf, und das Individuum war so unempfindlich wie ein Cadaver. Die Wirkung des Aethers verschwand bald, und es blieb hernach nur ein Gefühl von Schwäche und Schwere des Kopfes, was indeß nach höchstens einer Viertelstunde auch vorüberging. Alle stimmten darin miteinander überein, daß die Wirkung des Aethers ihnen eine angenehme Empfindung, ähnlich der eines leichten Rausches, verursacht habe.

Professor Gerdy in Paris beschreibt folgendermaßen die Wirkung der Aetherdämpfe auf sich selbst. »Ich bediente mich des Charrière'schen Apparats und überwand bald den Reiz zum Husten, den die Aetherdämpfe in der Luftröhre erzeugten, der Kitzel und der Husten schienen dann durch die beruhigende Wirkung des Aethers nachzulassen. Von diesem Augenblicke an fühlte ich schon eine Betäubung im Kopfe mit dem Gefühle von Hitze verbunden, wie bei beginnendem Rausch. Diese Betäubung verbreitete sich allmälig über den ganzen Körper und gewährte einen dumpfen, aber sehr angenehmen Eindruck, ähnlich der Trunkenheit nach dem Genuß von Bier oder jungem Wein. Die Wirkung des Aethers gleicht auch der des Morphiums, unterscheidet sich aber, wenigstens für mich, von der Opium-Berauschung durch den Mangel der wenig angenehmen Wirkung der letzteren.

Der Gesichtssinn war nicht merklich durch die Betäubung abgestumpft, denn ich las bei schwachem Lichte, als ich schon benommen war. Das Gehör war mehr verändert. Mit der Zunahme der Betäubung nahm die Stärke des Schalls ab, und erst mit dem Schwinden des Rausches wurden die Klänge wieder deutlicher.

Der Geruchs-, Geschmacks- und Gefühls-Sinn waren durch die allgemeine Betäubung nicht gelähmt; aber die Augenlider waren mir schwer, und ich fühlte das Bedürfniß zu schlafen, um mich meinen Gefühlen zu überlassen. Ich bekämpfte indeß die Müdigkeit und setzte meine Beobachtungen fort, wobei ich bemerkte, daß, mit Ausnahme des Gefühls von Schwanken und Betäubung, wodurch das Allgemeingefühl abgestumpft war, und des Summens vor den Ohren, wodurch ich verhindert wurde, klar zu hören, meine Auffassung so wie mein Verstand vollkommen frei seien. Ich versuchte auch zu gehen, was mit schwankendem Schritte, wie bei Betrunkenen, geschah. Das Sprechen fiel mir schwer und war langsam, sonst schienen mir alle übrigen Functionen des Körpers leicht. Mein Bruder beobachtete während dieser Zeit meinen Puls, und fand weder die Zahl noch die Stärke der Schläge verändert.«

Dieselben Versuche wurden von Gerdy bei zehn Personen, Männern und Frauen wiederholt und gaben ähnliche Resultate. Einige verloren ihr Selbstbewußtsein, Andere wurden sehr heiter gestimmt, bei Anderen stellte sich Verdunkelung des Gesichts ein.

Dem von Herrn Gerdy an sich selbst vorgenommenen Experimente füge ich die von v. Graefe an sich selbst und zahlreichen Anderen gemachten Versuche sowie seine eigene Mittheilung, welche zugleich die Kritik des Gerdy'schen Experiments enthält, hinzu.

Was zuerst die Betäubung anbetrifft, von der Gerdy als dem ersten Zeichen der Aetherwirkung redet, so ist ihm dieselbe allenfalls zuzugeben. Sie hat aber mit der wirklichen Betäubung bei beginnendem Rausch nicht die mindeste Aehnlichkeit; denn während diese sichtbarlich auf der Hervorhebung der Subjektivität gegründet ist, finden wir hier nichts Anderes als eine plötzlich herabgesetzte und cessirte Anspannung der Nerventhätigkeit, und zwar in beiden Sphären derselben, in der sensiblen und in der motorischen. Man kann die Aetherwirkung passend mit dem das Einschlafen begleitenden Zustand vergleichen. Man könnte zwar behaupten, daß beim Einschlafen das Gefühl des ohnmächtigen Dahinsinkens ganz fehle, welches sich hier vorfindet; doch ist auch bei der Aetherisation dies Gefühl nicht konstant, vielmehr beruht es auf einer gewissen Aengstlichkeit, die bei öfterer Wiederholung des Versuchs verschwindet. »So hatte ich, sagt von Graefe, bei den letzteren an mir selbst angestellten Versuchen statt der von Gerdy erwähnten rauschähnlichen Betäubung am Anfang ganz das Gefühl einer hohen, körperlichen und geistigen Trägheit, weshalb willkührliche Bewegungen und logische Schlüsse, wie sie sonst mechanisch verrichtet werden, zu ihrer Ausführung die ganze Willenskraft in Anspruch nahmen, und bald darauf die Empfindung eines durch Abspannung herbeigeführten Einschlummerns.

Das Gefühl von Hitze im Kopfe und von Kälte der Extremitäten ist allerdings nicht selten, das Arterienklopfen sogar so häufig, daß ich darauf die von Gerdy meinen Versuchen zufolge überaus frühzeitig beobachtete Alteration des Gehörsinns zu schieben geneigt bin.«

Diese Alteration sah ich, allerdings bei Leuten, die zu subjektiven Gehörerscheinungen irgendwie geneigt sind, sich durch das Gefühl eines eigenthümlichen, klingenden, doch immer noch rhythmischen Geräusches manifestiren, das ihnen beim ersten Versuch oft große Angst einflößte, indessen die Wahrnehmung des Schalls nicht sehr behinderte.

»Das Gefühl von Uebelkeit kann sich in dem ersten Zeitraume der Aetherwirkung kaum einstellen, wenn es nicht etwa Folge des Schluckens des Aethers ist. Es muß als eine sympathische Erscheinung der Cerebralaffektion angesehen werden, die sich erst viel später einstellt. Was Herr Gerdy über die verschwindende Sinnesthätigkeit sagt, so ist es gewiß, daß er seinen Versuch nicht lange genug oder bei einer zu geringen Imprägnation der Luft mit Aethergas fortgesetzt hat.«

Wenn wegen der oben erwähnten Inertie eine mangelhafte Reaktion auf Sinneseindrücke stattfindet, so ist eine mangelhafte Aktion der Sinne selbst, und zwar aller Sinne unverkennbar. Mit Unrecht glaubt Gerdy den Geruchs-, Geschmacks-, Gefühlssinn ausnehmen zu dürfen, die eben so deutlich und im Allgemeinen noch eher als der Gehörsinn betroffen werden. Alle Sinne werden dumpf, verlieren allmälig ihren eigenthümlichen Charakter, lösen sich in eine allgemeine, mechanische Perception auf und verschwinden endlich ganz. Wie es überhaupt der Willenskraft gelingt, die Aetherwirkung sehr zu verzögern, so geschieht dies besonders in dem Zeitraume, wo die Sinneswahrnehmung anfängt sich zu verwischen; eine angespannte, intense Bethätigung der sensoriellen Funktionen hält deren Verfall bedeutend auf. So sind denn scharf riechende, schmeckende Substanzen, Anspritzungen mit kaltem Wasser die besten und schnellsten Antidota für die Aetherwirkung in diesem Grade. Vortrefflich ist das, was von Graefe über das Verschwinden der Sinne beobachtete. Die Reihenfolge, in der die Sinne verschwinden, variirt also nach der ihnen willkührlich verliehenen Bethätigung. Schließen der Augen bewirkt frühzeitiges Verschwinden der Sehkraft, Fixiren einzelner Gegenstände mit den Augen erhält dieselbe, genaues Aufmerken auf Alles, was gesprochen wird, erhält das Gehör, Unachtsamkeit macht es bald stumpf.

Abgesehen von dieser willkührlichen Erhaltung der einzelnen Sinne, beobachtete man gewöhnlich diese Folgereihe. Das Gefühl wird dumpf, fast gleichzeitig mit dem Geschmack, dann das Gesicht, dann der Geruch und endlich das Gehör. Das gänzliche Stillestehen der Sinnesthätigkeit findet gewöhnlich in derselben Succession Statt. Sehr oft geht aber die Beobachtung einer deutlichen Folge verloren, nämlich wenn in einem tiefen Athemzuge der Uebergang von der gedämpften Reizempfänglichkeit zur vollkommenen Reizlosigkeit und Bewußtlosigkeit vermittelt wird. In solchen Fällen beobachtet man beim Erwachen gewöhnlich die Rückkehr der Sinne in der oben beschriebenen umgekehrten Folge.

Unerwähnt ist in dem Bericht von Gerdy der dritte Zeitraum, der auf die aufgehobene Wahrnehmung mit physiologischer Nothwendigkeit folgen muß, nämlich die vollständige Bewußtlosigkeit, wo Verstand und Auffassung nicht mehr frei bleiben. Jede bewußte Communication mit der Wirklichkeit ist abgeschnitten, der Wille, etwas auszuführen, ist nicht mehr vorhanden, da dem Geiste alle Anhaltspunkte zur Aufrechthaltung oder Wiedererlangung des Selbstbewußtseins entzogen sind; dieser Zeitraum ist es, der allerdings mit dem Rausche zusammengestellt werden kann, da sich hier die, vorher bloß scheinbare, Gehirnaffektion wie im Schlaf durch Sinnesbetäubungen, nur auf eine andere Art wirklich ausbildet, wovon uns die Symptome Rechenschaft geben. War vorher eine Trübung des Bewußtseins, so findet jetzt ein wirkliches Aufhören desselben Statt.

Die Träume der Aetherisirten, wie von Graefe bemerkt, sind äußerst verschiedener Art, gewöhnlich nur die traumhaften Vorstellungen aus dem zweiten Zeitraume, da im dritten ebenfalls hierfür der Rückerinnerung alle Stützpunkte genommen sind. »Mir selbst blieb,« sagt er, »wie den meisten Anderen aus diesem Stadium nur das Gefühl einer unendlich langen, durchlebten Zeit zurück. Vergebens haschte ich in Gedanken nach der vergangenen Traumwelt, die mir wie vielen Anderen gleichsam einen reicheren Quell des Lebens zu umfassen schien. Eben so wenig verräth sich die Natur der Träume durch den Gesichtsausdruck. So hörte ich Jemanden bei der Aetherisation furchtbar stöhnen und sogar in förmliche Weinkrämpfe verfallen; er erwachte mit dem Gefühl des größten Wohlbehagens. Einen Anderen sah ich mit dem entschiedenen Ausdruck eines himmlischen Verzückens unbeweglich verharren; beim Erwachen glaubte er sich in der Mitte eines Haufens Gassenbuben, die seiner spotteten etc.

Uebrigens gilt für diese Träume, was für alle Träume gilt, daß sie im Allgemeinen die wichtigsten Hebel des inneren Lebens wählen. Träume von Verstorbenen beziehen sich meistens auf dahingeschiedene Verwandte und Freunde, welche die Seele sehr beschäftigen, bei Schwärmern sind Visionen religiöser Personen etc. sehr häufig. Beim Erwachen aus dem Zeitraume vollkommener Bewußtlosigkeit findet der Uebergang zum Normalzustande durch den zweiten Zeitraum bei successiver Sinnesrückkehr Statt. Ist die Aetherwirkung thatsächlich bis in den dritten Zeitraum gediehen und hat darin einige Zeit bestanden, so tritt sehr häufig Erbrechen ein, wie ich es an mir selbst zweimal wahrnahm. Was den Puls anlangt, so ist ebenfalls die Erfahrung des Herrn Gerdy nicht allgemein gültig.

In den meisten Fällen findet während der ersten Stadien eine bedeutende Acceleration Statt, die freilich zum großen Theil auf die psychische Aufregung zu schieben ist, doch erreichte selbst bei den letzten Versuchen an mir selbst, wo ich sehr ruhig war, der Puls eine Frequenz von 170 bis beinahe 180 Schlägen. Mehrere Male mußte ich Versuche wegen großer Pulsfrequenz unterbrechen. Eine Erscheinung, die aber nie fehlte, war die veränderte Qualität. Der Puls wird stets weich, was auf die herabgesetzte Contractilität der Arterienhäute zu beziehen ist. In den meisten Fällen sah ich auch eine kleinere Blutwelle.

Das Athmen ist im Anfange auch bei zweckmäßigen Apparaten stets beschleunigt, was theils auf die geistige Aufregung, theils auf die durch veränderte Luftmischung herbeigeführte Beschwerde zu beziehen ist; es stellen sich aber nach und nach längere Intervalle zwischen den Athemzügen ein, so daß die Frequenz bald unter das Normale geht und bei vollendeter Betäubung oft auf 8-10 Schläge sinkt.

Die mit elektrischen Schlägen vielfach angestellten Versuche bewiesen mir, daß die Empfänglichkeit für dieselben mit dem gänzlichen Erlöschen des peripherischen Gefühls ebenfalls aufhört. Später wurden auch sehr starke Schläge von äußerst empfindlichen Individuen gar nicht mehr percipirt. Sie zuckten zusammen, fühlten aber gar Nichts.

Bei allen zu Krämpfen geneigten Individuen treten dieselben gewöhnlich bei der Aetherisation ein, weshalb die ersten Stadien des Aetherschlafes bei Epileptischen und auch vielen Hysterischen verwerflicher sind, als bei vollsaftigen, die nur das letzte, wirkliche Congestions-Stadium zu vermeiden haben. – An 2 Individuen sah ich während der Betäubung eine ausgeprägte Catalepsie, Arme und Beine verharrten in der ihnen gegebenen Lage.

Erschwerte Sprache, die mehrere Tage andauerte, sah ich in einem Versuche unmittelbar nach der Aetherisation.

Im dritten Stadium fand ich gewöhnlich eine relative Retardation und eine steigende Größe und Fülle des Pulses, Erscheinungen, die auf die sich entwickelnde Congestion des Blutes in den Centralorganen hindeuten. Das Verhalten der Pupille variirt auch nach den Zeiträumen, doch bin ich, wiewohl ich in den letzten 100 Versuchen genau darauf achtete, noch keineswegs im Stande, eine gültige Regel dafür aufzustellen. Im dritten Stadium sah ich aber in ⅓ Fällen eine entschiedene Dilatation.

Es ist bei der Beobachtung eines schon an sich so schwierigen Zustandes, als der Aetherschlaf ist, durch die genauere Analyse der graduellen Entwickelung wenigstens gehörige Klarheit zu wünschen. Denn Ausdrücke wie: »der Geruchsinn ist nicht gelähmt« etc. geben ihrer Unbestimmtheit wegen zu großen Irrthümern Anlaß. Eine solche Analyse nun ist freilich nicht das Produkt einiger Versuche, sondern kann erst durch tausendfältige Wiederholung zu erzielen sein. Das Streben nach einer solchen analytischen Untersuchung möchte aber wenigstens den heut zu Tage so vielfach angestellten Experimenten eine wissenschaftliche Methode und ein wohl begründetes Ziel verleihen.«

Verschiedene Arten des Aetherrausches.

Die Aetherdämpfe erzeugen einen eigenthümlichen Zustand, welcher am meisten Aehnlichkeit mit dem durch den Genuß geistiger Getränke herbeigeführten Zustand, welchen wir Rausch nennen, hat, er unterscheidet sich von diesem besonders dadurch, daß er von subtilerer und mehr geistiger Natur ist. Indessen wiederholen sich in ihm auf gesteigerte Weise alle die im Zustande der Trunkenheit gewöhnlichen Erscheinungen. So wie ein Mensch schon von einer geringen Menge eines geistigen Getränks berauscht werden kann, so reichen oft wenige Athemzüge des Aetherdampfes hin, Trunkenheit zu bewirken, und so wie ein Anderer keine Wirkung von großen Quantitäten geistiger Getränke bei sich verspürt, so zeigt sich das Nämliche auch nach langem Einathmen der Aetherdämpfe. Man hat mehrere Menschen über eine Stunde lang inspiriren lassen, ohne daß sich die geringste Veränderung bei ihnen einstellte. Die Dauer des Rausches richtet sich besonders nach der Dauer der Einathmung. Wer augenblicklich betäubt wird, kommt augenblicklich wieder zu sich, und wer lange Zeit, etwa eine halbe Stunde, gebraucht, um narkotisirt zu werden, ist nur langsam und schwer aus seiner Betäubung wieder zu erwecken. Die mindere oder größere Empfänglichkeit für den Aether hängt wie bei geistigen Getränken vom Alter, vom Geschlecht, vom Grade der Reizbarkeit des Nervensystems, oder dem größeren oder geringeren Abgestumpftsein gegen Spirituosa ab.

Wenn wir nun also den durch den Aether bewirkten eigenthümlichen Zustand Rausch nennen müssen, so zeigt sich in ihm wieder eine mehrfache Verschiedenheit, welche uns eine abermalige Aehnlichkeit mit dem Trinkrausche zeigt. Wir nehmen deutlich vier verschiedene Arten des Rausches wahr. 1, einen ohnmächtigen Rausch, 2, einen heiteren Rausch, 3, einen albernen Rausch, 4, einen tobsüchtigen Rausch. So wie beim Trinken in Vino veritas, so gilt hier beim Athmen in aethere veritas.

Im ohnmächtigen Rausche erscheint das Individuum als ein schlaffer, empfindungsloser, welker, warmer Leib, mit gänzlich schlummerndem Seelenleben. Das Auge ist ganz oder halb geschlossen, das Gesicht bleich, die Züge ausdrucksloser als im gewöhnlichen Zustande oder in der Ohnmacht. Den welken Gesichtsmuskeln fehlt alle Mimik. Selten hört man einen leisen Seufzer oder ein Schnarchen, die Regel ist Stummsein. Wird dieser Rausch laut, so giebt er sich durch trübe, schwermüthige Stimmung und dumpfe Klage kund, ohne jemals heiter oder tändelnd oder zornig zu werden. Dem Erwachen gehen gewöhnlich einige tiefe Einathmungen und bisweilen Seufzen vorher.

Der heitere Rausch , welchen wir häufig bei jugendlichen Personen, besonders beim weiblichen Geschlecht beobachten, drückt sich oft schon nach wenigen Athemzügen, wenn der erste Widerwille gegen den Zwang des Apparats und die neue Luft verschwunden ist, durch milde, freundliche Erheiterung der Gesichtszüge aus. Eine unbeschreibliche Zufriedenheit und Fröhlichkeit verbreitet sich über das Gesicht, die Wangen röthen sich bisweilen, das Auge wird glänzend und schließt sich dann sanft, um sich von der Außenwelt abzukehren. Es wankt der Boden unter den Füßen, der Geist streift ab, was Körper ist, die niederen Sinne und Begehrungen werden mit dem Körper abgelegt. Das Reich der Träume bekommt die Oberhand, und es verkünden unzusammenhängende, einzelne Worte die unnennbare Seeligkeit. Die niederen Sinne, das Gefühl, der Geschmack und der Geruch schlummern und zeigen keine angenehme Täuschung irgend einer Art. Das innere Auge erblickt nun die glänzendste Farbenpracht und beim äußeren Schlafe des Ohrs schwelgt der Sinn des Gehörs in den entzückendsten Tönen. Kein verworrenes Bild stört die Glücklichen, im Gefühl des gänzlichen Entkörpertseins, eines bis dahin nie gekannten Zustandes, fehlt ihnen alles Zeitmaaß. Es erscheint ihnen dieser ganze überirdische Genuß bald als ein einziger seeliger Augenblick, bald als eine himmlische Ewigkeit. Eben so wenig ist es deutlich, ob diese Phantasiebilder ausgeschmückte und verwandelte Recitationen von Erlebtem, oder neu geschaffene Wonnen sind. Zärtlichen Kindern erscheinen die liebenden Eltern als verklärte Gestalten, und liebende Mütter sehen das Gewand ihrer Kinder in unbeschreiblich blendender Weiße prangen. Wer nie in der Musik gelebt, wird im wonnigen Selbstgefühl zum Meyerbeer, das Mädchen ohne Stimme zur Jenny Lind, der trockenste Prosaiker zum Dante, der Furchtsame zum Helden, der die Schlacht gewonnen und im glänzenden Heereszuge unter Pauken- und Trompetenklang im Triumph in die schöngeschmückte Vaterstadt heimkehrt, der Diener zum großen Herrn. Unter die Stellung, welche Jeder im Leben hat, träumt sich Keiner hinab. Alle steigen auf Adlers Schwingen hinauf in eine glänzende, azurne Bläue oder zu einem gelben, schimmernden Goldmeer. Keiner tritt die harte Erde, die Füße und die Schwere des Leibes sind abgelegt, Alle schweben gewichtlos und in einem weiten Raume. Sind es niedere, irdische Erinnerungsbilder, welche vor die Seele treten, so nehmen Theater und Concerte meistens die erste Stelle ein. Siegmund beobachtete, daß ein junger Mann seine ganze orientalische Reise nochmals durchträumte. Kronser meint, schlechte Poeten könnten durch Aetherdämpfe gehoben und verbessert werden. Wenn das möglich wäre, so wäre es ein Glück, und vielleicht könnte auch die Prosa dadurch veredelt werden.

Dem heiteren Rausche würden auch die sinnlichen Träume, welche bisweilen beobachtet sein sollen, und aus denen man ein bedenkliches Argument gegen den Aether entnommen hat, angehören. Wir haben dergleichen in keinem einzigen Falle weder beim männlichen noch beim weiblichen Geschlecht gesehen. Dagegen kam mehrere Male bei Aetherisirten unwillkührlicher Urinabgang vor.

Der alberne Rausch kommt zum Glück selten vor. Schon bei dem ersten Eintritt der Wirkung des Aethers bekommt das Gesicht einen anderen Ausdruck, und der Mensch wird sich ganz unähnlich. Die Gesichtsmuskeln beginnen ein vibrirendes Spiel, die Augen werden weit aufgerissen und krampfhaft wieder geschlossen. Unruhe verbreitet sich über den ganzen Körper und es treten abwechselnd willkührliche und unwillkührliche Bewegungen der Glieder ein. Der Athmungsapparat wird entfernt, der Mensch fängt an ohne deutlichen Zusammenhang zu sprechen, bald Albernes zu improvisiren, Scherze mit den Umstehenden zu treiben und diesen wohl ein Lachen abzunöthigen. Alles mit unheimlichen Geberden und Gestikulationen begleitet. Dazu gesellen sich wohl convulsivische Bewegungen, und die ganze Scene endet mit einer Betäubung, aus welcher er dann erwacht. Die Kranken wissen von ihrem Zustande kein deutliches Bild anzugeben, sie versichern nur, daß ihnen sehr verworren zu Muthe gewesen sei und hegen die Besorgniß, daß sie durch ihr Betragen wohl Anstoß gegeben hätten, und bitten tausendmal um Verzeihung.

Der tobende Rausch zeigt uns ein weit schrecklicheres Bild als der stärkste vom Trunke herrührende. Zum Glück ist er in seiner Heftigkeit nicht viel häufiger als der alberne Rausch. Mit dem Einathmen nimmt das Gesicht sogleich einen tiefen Ernst und dann den Ausdruck einer unerbittlichen Strenge an. Die Augen werden weit geöffnet und rollen und blitzen jähzornig. Jetzt schließen sie sich. Nun liegt der Kranke regungslos da und erhebt seine Stimme zu den furchtbarsten Drohungen. Ein undeutliches Schmerzgefühl entflammt ihn noch mehr, er ist sich einer äußeren Gewaltthätigkeit unklar bewußt, er verwünscht seine Henker. Ihr Verfluchten! rief Einer aus, Ihr Henker, Ihr Mörder! Und so ergoß er sich in eine Fluth von Schmähungen, gegen welche sich Papier und Feder sträuben. Endlich tritt Ermattung ein, und nach einigen tiefen, schnarchenden Athemzügen kehrt das Bewußtsein wieder, meistens ohne Erinnerung dessen, was in der Seele vorgegangen, oder was der Mund gesprochen. – Bei Anderen äußert sich der tobende Rausch nur durch heftige Muskelactionen; ohne viel zu reden, schlägt der Mann um sich, stößt mit den Füßen und entwickelt eine Kraft, welche kaum zu bändigen ist. Endlich erschöpft sich die wilde Gewalt, der Körper bedeckt sich mit Schweiß, und mit schnarchenden Athemzügen tritt der Zustand der Ruhe und der allgemeinen Erschlaffung ein. Entweder hat er gar keine Erinnerung von diesem Zustande, oder er erzählt nur, er habe einen höchst verworrenen Traum gehabt, über welchen er nichts Näheres angeben könne.

Diese vier verschiedenen Arten des Aetherrausches sind gewöhnlich von einander verschieden, doch bemerkt man auch bisweilen Uebergänge von der einen Form zur anderen. Der heitere Rausch verwandelt sich wohl in den albernen und der alberne in den tobenden. Fanden Uebergänge Statt, so folgten sie in derselben Ordnung, wie sie hier angegeben worden; eine rückgängige Umwandlung sah ich nie. Bei Frauen habe ich nur den ohnmächtigen und heiteren Rausch gesehen, den albernen und wüthenden nur einige Mal bei Männern.

Wirkung der Aetherdämpfe in Bezug auf den Schmerz bei chirurgischen Operationen.

Ich habe vorhin die geistigen und körperlichen Zustände der Aetherisirten, wie wir sie sowohl bei Gesunden als bei Kranken beobachteten, angegeben. Hier folgt nun das Nähere, was die Beobachtung in Bezug auf das Schmerzgefühl bei chirurgischen Operationen lehrt. Dies ist eigentlich die Hauptsache in der ganzen Angelegenheit des Aethers. Wir nehmen in dieser Beziehung bei ätherisirten Personen, an welchen chirurgische Operationen gemacht werden, folgende verschiedene Zustände wahr. 1, der Kranke ist völlig empfindungslos, er fühlt weder den Schmerz noch die Operation, 2, er fühlt den Schmerz und die Operation undeutlich, aber ganz anders wie im natürlichen Zustande, 3, er fühlt keinen Schmerz, aber die Operation, 4, er fühlt Beides, doch anders wie gewöhnlich, 5, er empfindet größeren Schmerz als im nicht ätherisirten Zustande. Der Schmerz wird durch den Aetherrausch gesteigert, aber umgeändert.

Wiewohl diese verschiedenen Zustände oft ineinander übergehen, so lassen sie sich doch in der Regel, wenn man eine größere Zahl eigener Beobachtungen vor sich hat, ziemlich genau nachweisen.

1. Der Aetherisirte ist völlig betäubt und hat bei der größten und peinlichsten Operation gar keinen Schmerz. Er zuckt nicht, er klagt nicht und verräth selbst beim nothwendigen Durchschneiden von Nerven nicht die mindeste Empfindung. Die ganze Operation wird also bei vollkommener Betäubung und Unempfindlichkeit vollendet, und beim Erwachen weiß er durchaus nichts von dem, was mit ihm geschehen ist. – Oder der Aetherisirte ist nicht betäubt, er hat nur das Aussehen eines Müden mit gläsernen Augen. Man glaubt, er sehe und wisse Alles. Es wird an ihm die kleine oder große schmerzhafte Operation vollzogen, nach deren Beendigung er eben so wenig wie Jener weiß, daß er operirt worden ist, obgleich wir glaubten, seine Empfindung sei nur vermindert. Auffallend ist es besonders hierbei, daß er sich mancher anderen, geringfügigen Umstände erinnert, was dieser oder jener gethan oder gesagt.

2. Das Gefühl ist verkehrt. Der Kranke fühlt statt des Wundschmerzes etwas ganz Anderes, bald an dem Orte, wo er operirt wird, bald an einer entfernten Stelle. Ihm ist es, als würde er gekratzt oder gedrückt, wenn er gebrannt oder geschnitten wurde. Auch percipirt er wohl eine geringe Unbequemlichkeit anderer Art, eine unangenehme Lage, die unbequeme Stellung eines Gliedes, oder den Druck der Hand eines Gehülfen mehr als die Operation selbst.

3. Er fühlt keinen Schmerz, wohl aber die Operation. Dies ist in der Reihe der Erscheinungen die wunderbarste! Der Kranke ist betäubt oder wachend. Im letzteren Fall kann er ziemlich genau Alles wissen, sehen und hören: er wird operirt und hat nicht das mindeste Schmerzgefühl. Im Scheinschlaf oder im Scheinwachen folgt er genau den Bewegungen des Messers bis in die Tiefe seines Leibes, er unterscheidet auf das Genaueste alle seine Bewegungen und begleitet es auf allen seinen Hin- und Herzügen ohne alle Combination. Es ist nicht das Erkennen durch das gewöhnliche, Allgemeingefühl, sondern gleichsam eine Steigerung der örtlichen inneren Wahrnehmung, eine Potenzirung körperlicher Selbstbeschauung. Und bei dem Allen keine Spur von Schmerz, Unbehagen, Furcht oder Reflexion, keine Art einer sensoriellen Einmischung! Seele und Leib scheinen von einander gelöst zu sein, und jene diesen nur aus der Ferne von oben herab ohne Urtheil oder Conjectur zu beschauen. Es erinnert uns dieser Zustand lebhaft an die Wunder des Magnetismus, an welche wir nicht glaubten, und welche wir hier fast mit Händen greifen können.

4. Schmerz und Operation werden empfunden – in der That aber wird fast nur der Schmerz natürlich empfunden. Denn bei einem empfindlichen chirurgischen Eingriff fühlt man eigentlich nur den Schmerz, in dem das Gefühl des Operirtwerdens ganz aufgeht. Der Kranke äußert sich unter der Operation ganz so wie es sonst geschieht, mit demselben Stöhnen und verhaltenem Klagen, obgleich er sich im Zustande anscheinender Betäubung befindet. Auch nach der Operation beschreibt er die erlittenen Schmerzen, ähnlich den gewöhnlichen.

5. Es findet eine Steigerung des Schmerzgefühls Statt. Der halb oder ganz Berauschte bricht in die lautesten Klagen aus, Worte, Stimme und Geberden drücken ein unbeschreibliches Wehe aus, sein Zustand ist wohl die wildeste Verzweiflung. Es ist nicht der furibunde Aetherrausch, wie ich ihn auch ohne Operation bei Aetherisirten gesehen habe, allein, sondern derselbe ist durch letztere noch gesteigert. Aber auch ohne vorangegangene furiose Delirien kann ein sanfter, schlafähnlicher oder heiterer Rausch durch das Schmerzgefühl zum furibunden gemacht werden. Dieser Zustand zeigt aber große Verschiedenheit. Nach überstandener Operation erkennen wir aus den Mittheilungen der Kranken, daß sie wirklich gelitten haben, während in anderen Fällen der ganze schmerzliche Hergang nur noch dunkel in ihrer Erinnerung lebt. Die Ursache dieser Erscheinungen ist, wie ich glaube, ganz besonders eine der Operation vorhergehende, ungewöhnliche Furcht, ein ungemein starres Festhalten des grausigen Bildes derselben und ein Mithinübernehmen desselben in den unfreien Aetherrausch. Diejenigen Erscheinungen, wo der Kranke bei der Operation den Schmerz ausdrückte, ohne daß derselbe sich nach Beendigung desselben bewußt war, kann man dadurch erklären, daß man annimmt, er habe nur die Erinnerung an denselben verloren.

Chirurgische Wahrnehmungen bei Aetherisirten.

Die Blutung ist bei chirurgischen Operationen, welche unter der Anwendung des Aethers vorgenommen werden, immer stärker als sonst. Dies stärkere Ausfließen des Blutes, die Wunde mag groß oder klein sein, ist besonders Folge der größeren Verflüssigung desselben durch den Aether. Modificationen treten indessen bald durch größere Betäubung des Kranken und Aufregung des Gefäßsystems ein. Amussat sah, daß die dunklere Färbung des Blutes immer der Betäubung voranging, doch fand ich das Blut ebenfalls dunkel, auch wenn keine Betäubung eintrat. Die Verflüssigung des Blutes scheint schon sehr bald nach dem Einathmen einzutreten, indem der Aetherdunst seiner großen Theilbarkeit wegen sehr schnell die festen und flüssigen Theile des Körpers durchdringt. Eine zweite Erscheinung, welche man sogleich wahrnimmt, ist, daß eine größere Anzahl von Arterien spritzen als sonst, und kleine, welche man sonst nicht bemerkt, in feinem, scharfen Strahl das Blut fortschießen. Amussat meint, daß diese stärkere Blutung aus kleinen Arterienästen in Folge der Aetherisation ein neuer Vortheil für die Chirurgie sei, indem man dieselben entdecken und durch Unterbindung Nachblutungen vorbeugen könne; aber dies ist gerade ein Nachtheil. Es wird dadurch die Reizung, man mag die Gefäße torquiren oder unterbinden, noch vergrößert, und leichter zu gefährlichen Folgen Veranlassung gegeben. Ich glaube sogar, daß eine der häufigsten Todesursachen die Unterbindung vieler kleinen Gefäße ist.

Das Blut ist aber nicht bloß flüssiger und dunkler, sondern es hat einen wirklichen Aethergeruch. Den Aethergeruch möchte man wohl schwerlich während der Operation, wo Alles im Zimmer nach Aether duftet, an dem ausfließenden Blute wahrnehmen, aber wenn es aufgefangen und an einem anderen Orte untersucht wird, verleugnet es den Aethergeruch nicht.

Dieselben Resultate wie der Aether geben auch die Einathmungen von Kohlengas, Stickgas, Wasserstoffgas u. s. w., nämlich vorhergehende Empfindungslosigkeit während des Athmens und allmälige Wiederkehr der Empfindung bei neuer Einathmung der atmosphärischen Luft. Hieraus folgt, daß die Empfindungslosigkeit das Resultat der Einwirkung des Blutes auf die Centralpunkte der Nerven ist, welches nicht in den Lungen umgewandelt ward.

Eine dritte Erscheinung ist, daß das Blut überhaupt dunkeler aussieht. Dies fällt weniger bei dem Venenblut auf, als beim arteriellen, welches oft ein vollkommen venöses Ansehen hat, niemals aber ganz so roth ist wie sonst. Dies habe ich nicht allein gesehen, sondern fast alle anderen Aerzte.

Nach Amussat wird während des Einathmens das arterielle Blut dunkel. Diese Färbung geht dem Eintritt der Unempfindlichkeit vorher. Wird dann wieder atmosphärische Luft eingeathmet, so wird das Blut schon vor der Rückkehr der Empfindlichkeit wieder roth.

Verhalten nach der Operation.

Der Zustand der Aetherisirten nach größeren chirurgischen Operationen zeigt manche Eigenthümlichkeiten, welche allein oder doch größtentheils dem Aether zukommen. Bei Mehreren stellt sich unmittelbar nach der Operation starkes Aufstoßen und Erbrechen wie nach einem gewöhnlichen Rausch ein, bei Anderen ein kurzer Reizhusten und Niesen, welches beides bald verschwindet. Dagegen haben andere Aerzte bisweilen heftige Brustbeschwerden und selbst Blutspeien, wahrscheinlich nach der übertriebenen Aetherisation, beobachtet. Bei mehreren Kranken trat bald nach dem Einathmen der Dünste Erbrechen ein, bei anderen erst später nach überstandener Operation. Eine größere Anzahl klagte nur über Uebelkeit. Viele Kranke leiden hinterher an einem dumpfen Kopfschmerz und großer Abgeschlagenheit des ganzen Körpers. Manche werden von großer Schwermuth befallen, und gerade diejenigen am meisten, welche in einem Meere von Wonne schwebten, und nun beim Erwachen keine andere Seeligkeit als die einer überstandenen chirurgischen Operation wahrnehmen. Ein sanfter Schlaf hob indessen gewöhnlich alle diese unangenehmen Nachwirkungen des Aethers, und am nächsten Morgen waren diese Erscheinungen gewöhnlich wieder verschwunden.

Unverkennbar ist aber die durch die Aetherisation herbeigeführte Neigung der Operationswunden zu Nachblutungen. Sie wird hinlänglich durch die oben bemerkte größere Verflüssigung des Blutes durch den in den Kreislauf aufgenommenen Aether erklärt. Stärkere Compression, Tamponnade, kalte Umschläge in Verbindung mit einem kühlenden Regimen heben indessen die Nachblutungen alsbald.

Gegen ungewöhnlich lange Betäubung sind die vorzüglichsten Mittel frische Luft und kaltes Wasser, kalte Umschläge auf die Stirn gelegt. Bei zwei nicht einmal stark von mir Aetherisirten stellten sich bedeutende Congestionen nach dem Kopfe ein, welche durch Aderlässe aber sogleich gehoben wurden. Das abgelassene Blut, welches nach Aether roch, war flüssiger, der Blutkuchen kleiner, das Blutwasser röthlich. Andere leiden noch längere Zeit an nervösem Kopfweh. Bei Gerdy selbst dauerte dieses 10 Tage lang.

Das Riechen an Salmiakspiritus, welches man als Antidotum gegen Aetherbetäubung empfohlen hat, möchte wohl nur beim eingetretenen Scheintode zu empfehlen sein. Jackson räth, wie schon erwähnt worden, bei tiefer Betäubung den Kranken Sauerstoff einathmen zu lassen und bei jeder unter Einwirkung des Aethers vorzunehmenden Operation eine Flasche mit Sauerstoffgas in Reserve zu haben, doch wird diese Vorsicht überflüssig, wenn man den Kranken nicht überstark ätherisirt.

Gefährlich scheint es zu sein, dem Kranken nach überstandener Operation starke Getränke zu geben. (Fairbrother reichte dieselben bei einer Amputation und ätherisirte abwechselnd den Patienten.) Es kann nämlich dadurch eine gefährliche Steigerung des Rausches herbeigeführt werden. Lehrreich ist in dieser Beziehung das Beispiel von Siegmund, welcher bei einem Manne, auf welchen der Aether nicht zu wirken schien, von einem Glase Wein einen starken Nachrausch entstehen sah.

Mehrere Aerzte beobachteten starke Schweiße nach der Operation als üble Folge der Aetherisation. Ich habe diese späten Schweiße nur zwei Mal gesehen, sie waren für den Kranken keinesweges erschöpfend, sondern schienen vielmehr einen ganz wohltuenden Einfluß zu üben.

In Folge der großen Theilbarkeit der Aetherdämpfe nehmen wir bei ätherisirten Personen noch längere Zeit einen durchdringenden Aethergeruch wahr. Nicht bloß die ausgeathmete Luft, sondern auch der Schweiß und die Oberfläche des Körpers riechen noch nach mehreren Stunden, selbst noch mehrere Tage lang nach Aether. In einem Falle nahm ich noch am dritten Tage nach der Operation den Aethergeruch wahr.

Die ausgeathmete Luft ätherisirter Kranken enthält nach Despretz nur halb so viel Sauerstoff als die gewöhnliche Luft, denn bei einer Temperatur von 20 Grad ist die elastische Kraft des Aethers ungefähr der Hälfte des mittleren Druckes der Atmosphäre gleich.

Die unter Aether Operirten scheinen nach überstandener Operation, abgesehen von dem Gefühle der Abgeschlagenheit, weniger glücklich darüber, was sie nicht wahrgenommen, als die es sind, welche unter Schmerzen operirt worden, daß der gefürchtete Augenblick vorüber ist. Es stellt sich bei ihnen eine eigenthümliche Furcht vor dem Verbande ein, bei dem sie sich weit sensibler zeigen, als die nicht Aetherisirten, denen das Unbehagliche des Verbandes höchst unbedeutend im Vergleich zu dem Schmerze bei der Operation erscheint.

Spätere nachtheilige Einflüsse von großer Bedeutung auf das allgemeine Befinden der Kranken oder auf die Operationswunden habe ich nicht bemerkt. Diejenigen Wunden, welche durch Heftpflaster oder Nähte zur unmittelbaren Verwachsung geführt werden sollten, waren oft in wenigen Tagen, wie sonst, vollkommen geschlossen.

Bei Wunden mit Substanzverlust beobachtete ich keine stärkere Entzündung, als gewöhnlich, (vielleicht eine geringere). Der Eiterungs- und Granulationsproceß war bald natürlich, bald die Plasticität vermindert, die Heilung erfolgte in der gewöhnlichen Zeit auch wohl etwas später.

Auch die festen Theile scheinen einige Veränderungen durch den Aether zu erleiden. Die Haut ist welker und zeigt einen geringeren Grad von Elasticität beim Durchschneiden, weshalb sie sich weniger stark zurückzieht. Das Zellgewebe ist dunkler und blutreicher, die willkührlichen Muskeln bei starker Betäubung schlaffer und unverkennbar von einer leicht braunen Färbung. Auch die unwillkührlichen Muskeln, wie die des Darmkanals, erschlaffen; daher mitunter größere Leichtigkeit, incarcerirte Brüche zurückzubringen. Eben so die Blase deren willkührlicher Schließungsmuskel bisweilen sich öffnet und den Urin ausfließen läßt. Bei einer Frau (siehe unten), welcher ich einen eingeklemmten Bruch operirte, fand sich auf der anderen Seite ein großer beweglicher Bruch, nur von papierdicken Hüllen bedeckt. Die durch sie hindurch deutlich wahrnehmbare aufgeblähte Darmschlinge war in großer Aufregung, und die peristaltische Bewegung sichtbar. Nach der Einwirkung der Aetherdämpfe erlahmte diese Bewegung allmälig, und die Darmschlinge kroch langsam in die Bauchhöhle zurück.

Der Zustand der Empfindungslosigkeit selbst bei der größten chirurgischen Operation, zeigt gerade das Umgekehrte von dem, was wir an einem an der asphyctischen Cholera Leidenden sehen. Während bei jenem die Operationswunde stärker blutet, ist die Empfindlichkeit vollständig aufgehoben. Bei blauen Cholerakranken giebt die Wunde keinen Tropfen Blut, sie ist fast trocken, und selbst die großen Arterien an den Gliedern sind leer, und dennoch ist der natürliche Grad des Empfindungsvermögens in allen Theilen der Wunde vorhanden. Eine grausenvolle Erscheinung! Also Lebensausdruck in dem Todtscheinenden und Todeserscheinungen in dem Lebendigen.

Von der Anwendbarkeit der Aetherdämpfe bei den einzelnen chirurgischen Operationen.

Die Chirurgen und chirurgischen Schriftsteller haben in neuester Zeit häufig den Aether über die Operation gestellt. Sie reden von glücklichen und unglücklichen Versuchen, von glücklichen und unglücklichen Operationen, und damit meinen sie nur den Aether, nicht die eigentliche chirurgische Operation. Abgesehen, daß der Ausdruck Versuch beim Menschen in einer ernsten Sache nicht recht passend ist, da man nur höchstens an Thieren experimentirt, am wenigsten an einer 6 Monate schwangeren Frau, wie Herr Cardan mit dem Aether that! (s. u.) Glückliche Operationen werden jetzt also diejenigen genannt, bei denen der Kranke den Aether gut geathmet und einen guten, sanften Rausch gehabt hat; ungünstige dagegen die, wo er widerspenstig beim Athmen gewesen ist, einen wilden Rausch gezeigt, dabei geschrieen und getobt und die Operation schmerzlich empfunden hat. Der chirurgische Theil der Operation ist also gegen den Aether ganz in den Hintergrund gestellt, daß bei Vielen es so aussieht, als wäre die Operation und ihre künstlerische Ausführung ganz Nebensache, als wäre es ganz Nebensache, ob der Kranke sich hinterher gut oder schlecht befunden habe, gefährlich krank geworden oder gar gestorben sei, wenn er nur nicht unmittelbar darauf und der Aetherbetäubung unterlegen hat.

Diese Einseitigkeit in der Auffassung einer der größten Entdeckungen kann derselben aber nur schaden, zu Irrungen verleiten und den Gegnern gefährliche Waffen in die Hand geben. Vieles kann und darf mit Aether operirt werden, Manches darf durchaus nicht mit Aether operirt werden, und bei noch Anderem ist der Aether Luxus, d. h. die Aetherisirung steht nicht im Verhältniß zur Operation, sie ist zu klein, und das Mittel zu groß; es ist, als wolle man mit einer Kanone nach einem Sperling schießen, oder eine Fliege statt mit einer Klappe mit einer Holzaxt todtschlagen. – Das wird man vielleicht übel nehmen und sagen, ich sei ein Gegner des Aethers.

Die Aetherisation ist unter allen Umständen bei allen Operationen aber zu vermeiden, wenn der Mensch an Krankheiten der Luftwege, an Congestionen nach der Brust und dem Kopfe, an Neigungen zu Blutflüssen und großer Reizbarkeit des Nervensystems leidet. Blutungen, Schlagfluß, gefährliche Nervenzufälle können das Leben dann auf das Spiel setzen, und die Eröffnung eines Geschwürs oder das Loswerden eines kranken Zahnes viel zu theuer erkauft werden. Eben so wenig giebt auf der anderen Seite die bedeutende Größe einer Operation die alleinige Bestimmung zur Anwendung des Aethers, da dieser durch manche wichtige Umstände verboten sein kann. Der einsichtsvolle Arzt wird dies Alles zu berücksichtigen wissen.

Von den vielen Hunderten von chirurgischen Operationen, welche an eines kranken Menschen Leib, um ihn wieder gesund zu machen und sein Leben zu erhalten, ausgeführt werden können, will ich einige in Bezug auf die Anwendbarkeit des Aethers durchgehen.

Man möge es mir verzeihen, wenn ich nicht die Namen aller der Männer, welche diese oder jene Operation mit Erfolg unter der Anwendung des Aethers vorgenommen haben, anführe, da das Material bereits zu massenhaft angehäuft ist.

Das Brennen. Das Feuer ist gefürchteter als das Messer. Die Schrecken des glühenden Eisens und der Brenncylinder geben der Aetherbetäubung hier eine ihrer ersten Stellen. Die Anwendung des Glüheisens ist zwar in neuerer Zeit bei Gelenkkrankheiten sehr beschränkt worden, indeß müssen wir die Betäubung des Kranken bei der häufig anzuwendenden Moxa als ein herrliches Mittel, ihre unerträglichen, nachhaltigen Schmerzen aufzuheben, betrachten. Die meisten Wundärzte haben sich bereits mit glücklichem Erfolge hier des Aethers bedient und vielen Kranken die Schmerzen erspart, da sie nach überstandener Operation durchaus keine Erinnerung davon hatten. – Bei der Operation kann man indessen in Bezug auf Feuer und Licht nicht vorsichtig genug sein. So wie der Kranke betäubt ist, muß der Apparat und das Licht aus dem Zimmer entfernt, und wenn dieses klein ist, ein Fenster geöffnet werden, damit keine gefährliche Entzündung entstehe. Charrière hat deshalb, wie schon oben bemerkt, auch seinen Apparat, wie die Davy'sche Sicherheitslampe der Bergleute, mit einem feinen Drahtnetz umgeben.

Verrenkung der Glieder. Bei der Verrenkung der Glieder ist die Aetherbetäubung zum Wiedereinrichten derselben ein wunderbares Mittel. Durch sie wird das verwirklicht, wonach man Jahrhunderte vergebens gesucht hat, und wovon man nur den kleinsten Theil auffand. Bei frischen Verrenkungen ist die Schwierigkeit der Wiedereinrichtung zwar nicht groß, doch bedarf es dazu einiger Geschicklichkeit und Uebung. Bei der Verrenkung eines großen Gliedes, besonders wenn schon einige Zeit danach verstrichen ist, kommt es, um dasselbe wieder einzurenken, oft nicht bloß auf Geschicklichkeit und richtige Leitung der helfenden Kräfte an, sondern vornehmlich auf Erschlaffung der krampfhaft zusammengezogenen Muskeln. Diesen Zustand allgemeiner Abspannung suchte man in schwierigen Fällen durch Blutentziehungen bis zur Ohnmacht, betäubende Arzeneimittel, durch Abführungen, Brechmittel, Ekelkuren, Hungern, laue Bäder, ölige Einreibungen u. s. w. herbeizuführen; Dupuytren bediente sich sogar des Schreckens, indem er plötzlich mit einem großen Messer auf den Kranken losging, als wolle er ihn amputiren, wo er dann dem vor banger Furcht Zusammenbrechenden schnell das Glied einrenkte. Die widerstrebende Macht der zusammengezogenen Muskeln großer Glieder, wie bei der Verrenkung des Oberschenkels, ist bei starken Männern bisweilen so groß, daß selbst Flaschenzüge den Widerstand nicht zu überwinden vermögen, und die Muskeln leichter zerreißen als nachgeben. Nur die Durchschneidung der am meisten zusammengezogenen Muskeln half bisweilen die Schwierigkeiten der Einrichtung überwinden. Den wünschenswerthen Zustand der gänzlichen Erschlaffung der Muskeln führt nun die Aetherbetäubung in einer Weise und in einem Grade herbei, daß dieser schwierige Theil der Chirurgie dadurch an Sicherheit und glänzendem Erfolg für immer gewonnen hat. Sollte der Aether auch bei allen blutigen Operationen wieder in Verfall kommen, so wird er bei Luxationen sich immer erhalten. Als Regel muß hier aber gelten, daß der erste Grad der Aetherisirung, die Aufhebung der Empfindung, nicht ausreicht, sondern daß der Zustand der vollen Betäubung zur Erschlaffung aller Muskeln herbeigeführt werden muß. So renkte Velpeau mit Leichtigkeit den Oberschenkel wieder ein. Eben so leicht gelang anderen Wundärzten die Wiedereinrichtung des verrenkten Oberarmes so wie anderer Glieder.

Von complicirten Knochenbrüchen größerer Gliedmaßen, besonders des Unterschenkels, wo die Bruchenden übereinander geschoben sind, und wo Alles darauf ankommt, die Bruchflächen wieder gegeneinander zu stellen, gilt dasselbe wie von den Luxationen. Die Erschlaffung der durch die Verletzung gereizten und zusammengezogenen Muskeln, welche durch die Betäubung des Kranken herbeigeführt wird, macht die Einrichtung mit weit geringerem Kraftaufwande als sonst möglich, so daß zwei Menschen jetzt dasselbe leicht erreichen können, was sonst vier nur mit aller Kraftanstrengung und unter den größten Schmerzen zu Stande zu bringen vermochten.

Bei Resectionen der Gelenkenden , so wie beim Ausziehen großer Sequester, ist die Aetherbetäubung ebenfalls mit größter Erleichterung für die Kranken bereits mehrere Male gemacht worden. So resecirte Heyfelder den Kopf des Oberarms unter Aether.

Die Operation der Pulsadergeschwulst. Bei der Unterbindung großer Gefäßstämme zur Heilung des Aneurysma's ist der Vortheil der Betäubung nicht groß. Die Operation ist selten sehr schmerzhaft, und die Kranken pflegen sich aus Furcht ruhig zu verhalten. Ein unruhiger oder gar wilder Rausch könnte hier sehr gefährlich werden und eine Verletzung der bloßzulegenden und zu unterbindenden Arterie veranlassen. Zwei wichtige Umstände scheinen mir hier der Betrachtung werth zu sein. Der eine ist für die Operation vielleicht nützlich, der andere steht ihr entgegen. Die durch den Aether bewirkte Verflüssigung des Blutes muß nach Unterbindung des Hauptstammes der Arterien die Herstellung des Collateralkreislaufs befördern und die Gefahr des Absterbens der Glieder vermindern. Auf der anderen Seite tritt uns ein neues Bedenken entgegen. Die Aetherisirung vermindert die Plasticität des Blutes, es bildet sich nicht immer ein gehöriger Thrombus und nach der Durchschneidung des Gefäßes durch den Unterbindungsfaden entsteht eine Blutung.

Noch weniger ist aber die Aetherisirung angezeigt, um eine zufällig verwundete größere Arterie zu unterbinden, da, außer den oben angegebenen Bedenklichkeiten, die Blutung durch das Einathtmen des Aethers noch vergrößert werden würde. Die Torsion erscheint bei Aetherisirten gewiß sehr bedenklich und läßt wohl noch leichter Nachblutungen zu als die Unterbindung.

Orthopädische Operationen. Bei den größeren orthopädischen Operationen findet die Anwendung des Aethers als Schmerzstillungsmittel ein sehr geeignetes Feld, da sie besonders dann empfindlich sind, wenn ein großes, viele Jahre lang gekrümmt gewesenes Glied, nach der Durchschneidung der verkürzten Sehnen oder Muskeln, schon vor der Anwendung der Maschine einigermaßen gestreckt werden muß. Dies gilt besonders von Contracturen des Hüft- und Kniegelenkes. Von unendlichem Nutzen ist hier die Aetherisation, wie ich bei meinen Operationen bisweilen gesehen habe, Dasselbe wird auch von Anderen angegeben. Wo aber nur die Achillessehne, wie beim Pferdefuß oder dem niederen Grade des seitlichen Klumpfußes, zu trennen ist, oder bei der Contractur im Ellenbogengelenk oder dem schiefen Halse, wenn nur eine Sehne zu durchschneiden, ist der Aetherrausch weniger am Orte, da diese Operationen weniger schmerzhaft sind und nur einen Augenblick erfordern. Hätte der Kranke aber gar einen üblen Rausch, so würde man ihm und sich die Operation sehr erschweren. Anders verhält es sich mit den höheren Graden des Klumpfußes, wo theils die Verdrehung des Fußes, theils seine Formveränderung die Durchschneidung mehrerer Sehnen erfordert, besonders aber wenn wegen großer Zusammenziehung und Mißstaltung des Fußes, Durchschneidungen in der Fußsohle nöthig wären, um dem Gliede durch zweckmäßige Nachbehandlung die natürliche Stellung, Form und Brauchbarkeit zu verschaffen. Bei diesen Operationen ist die Aetherisirung dringend zu empfehlen. Dasselbe gilt auch von der Einrichtung veralteter Luxationen mit Hülfe der Sehnen- und Muskeldurchschneidung, z. B. des Schulter-, Arm-, Hand-, Knie- und Fußgelenkes. Der starre Widerstand der durch die lange Dauer des Uebels verkürzten Theile wird durch die Betäubung etwas gemindert und dadurch ihre Durchschneidung noch mehr erleichtert. Eine große Wohlthat ist es, bei diesen schmerzhaften Unternehmungen dem Kranken die Empfindung zu rauben, und gewiß wird die Einrichtung hier jetzt auch in den Fällen bisweilen gelingen, wo sie früher nicht immer möglich war.

Die Exstirpation von Geschwülsten begehrt den Aether, wenn sie groß sind, und die Operation schmerzhaft ist. Dies gilt sowohl von Geschwülsten an der Oberfläche des Körpers als von den in zugänglichen Höhlen. Von den letzteren ist an einem anderen Orte noch besonders die Rede. Die Operation großer, festsitzender fibröser, skirrhöser und steatomatöser Tumoren, der Fett- und Balggeschwülste, wird dem Kranken und dem Arzte durch den Aether sehr erleichtert, so daß er dieselbe bei größerer Ruhe, welche die Kranken gerade bei diesen Operationen nicht zu haben pflegen, in viel kürzerer Zeit ausführen kann. Dagegen ist die Aetherbetäubung ein zu großes Mittel, um sie beim Ausschneiden jeder kleinen Balggeschwulst, wie z. B. bei einem Grützbeutel auf dem Kopfe oder an einem anderen Körpertheile anzuwenden. Nur die Individualität des Kranken wird hier eine Ausnahme machen, so daß man auch bei kleinen Operationen dieser Art sehr furchtsamen und sensiblen Kranken, besonders wenn sie sich sehr nach dem Aether sehnen, eine leichte Empfindungslosigkeit vor der Operation zu Gute thun kann.

Beim falschen Gelenke , welches nach einem nicht wiedergeheilten Knochenbruche entstanden ist. Die Durchbohrung der Knochenenden und die Einführung von Zapfen in dieselben, zur Hervorrufung einer entzündlichen Anschwellung mit neuer Callusbildung machen bei dieser intricaten Operation eine Erschlaffung der Muskeln und völlige Regungslosigkeit des Kranken höchst wünschenswerth.

Amputation der Glieder. Die Amputation nicht bloß kleiner Gliedmaßen, als der Finger und Zehen sondern auch ganzer Arme und Beine ist schon so häufig in der Aetherbetäubung und zwar mit so entschiedenem Vortheil vorgenommen worden, daß der Werth des Mittels in dieser Beziehung wohl als günstig festgestellt ist. Bei Amputationen größerer Glieder ist das Gemüth der Kranken schon vorher durch die traurige Perspective als Krüppel unter Gesunden einherzuwandeln, so gebrochen, daß nur die schmerzhafte Zerschmetterung eines gesunden Gliedes, oder die durch langwierige Knochenkrankheit herbeigeführte Erschöpfung, in tiefster Resignation in dem Leidenden den Wunsch aufkommen lassen, das dürftige Leben für einen Arm oder ein Bein zu erkaufen. Aber schon ein günstiges Ohr dem Arzte leihend, erbeben sie bei dem Gedanken an die Größe und an die Schmerzen der Operation, die von dem Geübtesten in wenigen Augenblicken ausgeführt, immer dieselbe bleibt, indem sie, sie mag im Gelenke oder ausser demselben vorgenommen werden, schon wegen ihrer Grösse das innerste Leben berührt. Ein herrlicher Gewinn ist hier die Aetherbetäubung, da die Erfahrung gezeigt hat, daß selbst der Oberschenkel, ohne daß der Kranke es nur im mindesten fühle, amputirt werden könne. Ganz unbedingt ist aber so großer Vortheile ungeachtet, die Aetherbetäubung meiner Meinung nach hier doch nicht zu empfehlen. Die Amputationen sind überhaupt angezeigt bei Zerschmetterungen der Glieder, welche eine Erhaltung derselben unmöglich machen, und bei denen der Versuch die Extremität zu retten, bisweilen mit dem Leben bezahlt wird, ferner bei solchen Krankheiten der Gelenke, der Knochen oder der Weichgebilde, welche den Tod herbeiführen, wenn der Kranke nicht, wie er im Kleinen den schmerzhaften Zahn ausreißen läßt, hier sein krankes Glied, die Quelle unsäglicher Leiden, Preis giebt. Unter diesen Umständen ist aber die Aetherisation nicht unbedingt bei dem Amputiren zu empfehlen. Nur den Kranken, welchem noch ein Theil seiner Körperkraft geblieben, welcher nicht ganz heruntergekommen ist und einen gewissen Grad von körperlicher und moralischer Stärke sich hat erhalten können, mögte ich unbedingt ätherisiren. Dagegen würde ich großes Bedenken tragen, einen durch langwierige cariöse Zerstörung in oder ausser dem Gelenke aufs äußerste Erschöpften, durch hektisches Fieber fast Aufgeriebenen, zu betäuben, damit er von der Operation nichts fühle. Bei einem so bejammernswerthen Zustande würde man Gefahr laufen, durch den künstlichen Rausch, bei dem perturbirten Zustande des Gefäßsystems, augenblicklich tödtliche Congestionen nach Brust und Kopf hervorzurufen. Ferner wird durch die ätherische Verflüssigung des Blutes, bei dem schon ohnehin fluiderem Blute des Kranken, zu größerem Säfteverluste, den man bei der Amputation hier so schon zu vermeiden hat, so wie zu größeren Nachblutungen Veranlassung gegeben. Höchstens mögte ich dem Kranken nur die ersten Andeutungen der Aetherberuhigung durch einen wenige Augenblicke vor Nase und Mund gehaltenen Schwamm genießen lassen und dann schnell die Operation vornehmen. Daß aber auch noch dem am stärksten hektischen Fieber Leidenden, dessen Lebenszeit bis auf einige Tage abgelaufen ist, noch durch die Amputation des kranken Gliedes das Leben gerettet werden könne, lehren unzählige Erfahrungen.

Die Trepanation des Schädels. Von allen großen chirurgischen Eingriffen verbietet keiner so sehr die Aetherisirung als die Trepanation des Schädels, eine Operation, welche bei Kopfverletzungen in neuerer Zeit wegen ihrer Undankbarkeit schon an und für sich bei den besten Chirurgen so sehr in Mißkredit gekommen ist, daß man sie nur noch in wenigen Fällen anwendet. Die Aetherisirung von Personen mit schweren Kopfverletzungen vor der Trepanation würde vielleicht noch das Gute haben, den Kredit derselben noch mehr herabzusetzen (da der Tod danach noch häufiger eintreten würde) und späteren Kranken das Leben zu retten, indem man noch weniger als jetzt trepanirte.

Der Zustand eines Kopfverletzten ist oft schon dem eines stark Aetherisirten ähnlich, todtähnlicher Schlaf, gänzliche Bewußtlosigkeit, oder wilde Delirien, Convulsionen u. s. w. geben das schreckliche Bild der Störung der intellectuellen Functionen. Die Trepanation wird wohl bisweilen vorgenommen, ohne daß der Kranke etwas davon fühlt oder weiß. Selbst in minder schweren Fällen ist er sich des blutigen Eingriffs nur undeutlich bewußt und drückt seine unklaren Empfindungen nur durch ein dumpfes Stöhnen aus. Wer also unter solchen Umständen dem Kranken zur natürlichen Betäubung noch eine künstliche durch Aether hinzufügen wollte, um ihm und sich die Sache zu erleichtern, würde dadurch seine traurige Beschränktheit verrathen. Aber auch bei Kopfverletzungen mit vollkommenem Bewußtsein, wo die Trepanation nothwendig erscheint, ist die Aetherisirung gefährlich, indem durch sie der Blutandrang nach dem verletzten oder gereizten Hirn bedeutend gesteigert, und der Ausgang der Krankheit um Vieles zweifelhafter gemacht wird. Zum Glück ist diese Operation aber noch nicht unter der Einwirkung des Aethers unternommen worden.

Bei Augenoperationen läßt sich eben so viel für als wider den Aether sagen. Die Zartheit des Organs, und die Feinheit der Operation begehren die absoluteste Ergebung und Stille des Kranken, wenn dieselbe nicht von der geübtesten Hand ausgeführt wird. Dahin gehören die Staaroperation, die Pupillenbildung und die Schieloperation. Kann der Kranke durch Aether dabei noch passiver gemacht werden, so ist dies eine Erleichterung für den Arzt, welcher noch geschwinder sein Werk vollenden kann, und für den Kranken, weil er nichts dabei fühlt. Die bisherigen Beobachtungen sprechen noch zu Gunsten der Aetherisation bei Augenoperationen. Es läßt sich aber dagegen einwenden, daß die geringe Schmerzhaftigkeit mancher Augenoperationen und die Schnelligkeit, mit welcher sie ausgeführt werden können, die Aetherisation überflüssig macht. Von grösserem Bedenken ist aber der Umstand, wenn der Rausch unter der Operation plötzlich ein ungestümer wird, wo das Instrument, welches sich gerade im Auge befindet, dasselbe verletzen oder z. B. eine Staarnadel darin abbrechen, so daß es schon als ein Glück zu betrachten wäre, wenn es schnell aus dem Auge vor vollendeter Operation gezogen werden könnte. Bei Augenoperationen würde ich, da bei ihnen Alles von der Art des Rausches abhängt, rathen, einige Tage vor der Operation versuchsweise den Kranken zu ätherisiren, obgleich auch dies noch nicht immer eine zuverlässige Bestimmung über die Art des späteren Rausches giebt, bei der Operation aber selbst möglichst stark zu ätherisiren, eine Weile noch die Operation anstehen zu lassen, und wenn er ruhig bleibt, sogleich zu operiren: wenn er wild wird, bis zum gänzlichen Ablauf des aufgeregten Zustandes zu warten.

Von entschiedenem Werthe ist die Aetherisation bei anderen gröberen und größeren Augenoperationen, wo eine zufällige Nebenverletzung auch bei unruhigen Kranken nicht zu besorgen ist. Dahin gehört die partielle oder totale Exstirpation des Augapfels. Wenn schon die schmerzlose Wegnahme des großen dunklen Staphyloms der Hornhaut, welches den baldigen Aufbruch des Auges und den Uebergang in Augenkrebs fürchten läßt, eine große Erleichterung für den Kranken sein muß, so sind wir der Aetherbetäubung die höchste Anerkennung schuldig, wenn wir eine der grausenvollsten und schmerzhaftesten Operationen, das Ausschneiden des durch Krebs, Blut- oder Markschwamm zerstörten Auges, die Durchtrennung der Sehnerven und wohl gar mit dem Augapfel zugleich die Entfernung der vom Krebse ergriffenen Augenlider vornehmen können, und der Unglückliche der vernichtenden Schmerzen dabei überhoben wird. Unter den Augenoperationen steht in Bezug auf Aetherisirung die Ausschneidung des Augapfels also oben an, und es ist kein einziger Grund gegen sie vorhanden.

Bei Operationen an den Augenlidern , besonders wenn sie von größerem Umfange sind, und bei der künstlerischen, plastischen Operation, wo ein Augenlid zu ersetzen ist, ist die Aetherisation von Nutzen, unpassend aber bei allen kleineren Operationen, z. B. dem Ausschneiden von kleinen Balggeschwülsten u. s. w.

Bei der Nasenbildung und anderen größeren Gesichtsoperationen , ist die Aetherbetäubung mit großem Vortheil anzuwenden. Das Künstlerische dieser Operation, wobei ein neuer, edler Theil geschaffen werden soll, begehrt von Seiten des Kranken die größte Ruhe und Ergebenheit, um die mißgestaltete oder den Ort der fehlenden Nase durch Incisionen und Exstirpationen zur Aufnahme eines aus der Stirn- oder Armhaut einzusetzenden Lappens vorzubereiten. Ein noch stilleres Verhalten des Kranken erfordert die künstliche Ausschneidung des Stirn- oder Armlappens, damit diese rein und schön nach dem aufgezeichneten Maaß oder der dem Künstler vorschwebenden Idee gelinge. Unendlich erleichtert werden aber dem Arzte diese Akte, wenn der Kranke durch Aether betäubt ist, da diese Operation durch das Schreien, Jammern und Widerstreben sehr in die Länge gezogen werden kann. Weit größeren Vortheil, als der Arzt, hat der Kranke bei der Rhinoplastik von seinem Aetherrausch. Sonst von den gräßlichsten Schmerzen gefoltert, empfindet er bisweilen gar nichts von dieser Operation, die im Zustande der Berauschung, in dem dritten Theil der Zeit gemacht werden kann. Nach den von mir gemachten Erfahrungen glaube ich also, daß bei der Nasenbildung die Aetherbetäubung einen der ersten Plätze einnimmt, und ihre Vortheile eben so groß für den Patienten als für den Arzt sind. Nur in dem einen von mir erzählten Falle (s. unten) traten unter der Operation sehr stürmische Erscheinungen ein, wodurch dieselbe eher erschwert als erleichtert wurde.

Zu empfehlen ist ferner der Aether bei dem so schmerzhaften Ausziehen größerer Nasenpolypen , noch mehr aber bei der großen, complicirten Operation dieser Art, wo in Folge sehr bedeutender polypöser oder fibröser Geschwülste die Nasen- und Gesichtsknochen vor- und auseinander getrieben sind. Hier, wo die Weichtheile der Nase erst abgelöst werden müssen, ehe die Geschwülste herausgeschnitten werden können, wird der Betäubungszustand dem Kranken und dem Arzte die Operation sehr erleichtern.

Bei anderen größeren Gesichtsoperationen, bei der Augenlid- , Mund- und Lippenbildung , bei der Hasenscharte , besonders der mit Wolfsrachen complicirten, wenn das Kind nicht etwa sehr jung und schwächlich ist, beim Ausschneiden krebsiger Entartungen mit gleichzeitigem Wiederersatz, ist die Anwendung des Aethers eben so erleichternd für den Kranken als für die Operation. Die Hasenschartoperation kann unruhigen Kindern durch Vorhalten von einem kleinen, in Aether getauchten Schwamm erleichtert werden.

Das Ausziehen der Zähne während des Aetherrausches, welches bereits eine ausgebreitete Anwendung gefunden hat, ist für empfindliche Personen eine unendliche Wohlthat; aber auch insofern als sich Furchtsame jetzt leichter zum Ausziehen von Zähnen entschließen, deren Entfernung durch Krankheiten der Kiefer nothwendig gemacht werden. Bisweilen wird die Operation aber dadurch erschwert, daß der Betäubte die Zähne fest zusammenbeißt, so daß die Instrumente nicht dazwischen gebracht werden können. Bei dieser Operation ist indessen Zweierlei zu besorgen, nämlich zuerst, daß bei mehreren schadhaften Zähnen der unrechte ausgezogen werden könnte, und zweitens daß Mißbrauch mit der Anwendung des Aethers von unbefugten Personen getrieben würde, wenn nicht ein Arzt zugegen wäre.

Bei der Operation des Zungenkrebses ist die Aetherisirung ein herrliches Mittel, auch wenn der Arzt es dabei anfänglich mit dem Zusammenbeißen der Zähne zu thun hätte. Die Schnelligkeit, mit welcher dieselbe nach vorheriger Anwendung der Fadenschnüre bei meiner Methode gemacht werden kann, wird noch durch den bewußtlosen Zustand des Patienten vermehrt, und derselbe schnell über die Schrecken dieser widerwärtigen Operation hinweggeführt. Die hier nach anderen Methoden zu fürchtende Nachblutung, welche durch die Anwendung des Aethers vermehrt werden könnte, wird durch die angelegte Fadennaht gänzlich beseitigt.

Die Aussägung des Ober- und Unterkiefers. Zu den größten und erschütterndsten Operationen gehören die Resectionen des Ober- und Unterkiefers, wozu sich die Chirurgie bei gewissen Krankheiten dieser Theile, besonders beim Knochenschwamm, welcher mit ungeheurer Vergrößerung verbunden ist, genöthigt sieht. Der Umfang der Operation, die starke Blutung, die Nähe des Gehirns, die Insultatation größerer Nervenäste, machen dieselben zu den gefährlichsten, so daß der Kranke wohl unmittelbar nach der Operation seinen Geist aufgeben kann. Wenn nun hier von der einen Seite die Betäubung, um den Kranken über den schrecklichen Akt hinwegzuführen, äusserst wünschenswerth erscheint, so tritt dagegen wohl ein Bedenken gegen dieselbe ein, daß bei dem gewaltigen Eingriff und der gleichzeitigen Betäubung alle Reaction aufgehoben werden, und der Kranke nicht wieder erwachen könnte. Sprechen einige günstig abgelaufene Operationen auch hier für den Aether, so halte ich es wenigstens für gerathen, den Kranken in solchen Fällen nur auf der Stufe der Empfindungslosigkeit zu erhalten, ihn aber nicht zur vollkommenen Betäubung hinüberzuführen. Operationen dieser Art sind bereits unter Anwendung des Aethers mehrmals vorgenommen worden (s. u.).

Operationen in der Rachenhöhle. Bei Operationen in dem hinteren Theile der Mundhöhle, der Rachenhöhle und Rachen-Nasenhöhle, ist die Aetherisation, wenn auch nicht unbedingt zu verwerfen, doch nur ausnahmsweise anzuwenden.

Die Gaumennaht , eine der schwierigsten Operationen, wird durch die Aetherisation nur erschwert. Sie ist eine Operation des vollen Bewußtseins, der moralischen Kraft und des Willens. Schneiden, Nähen in der Tiefe des Mundes, eine starke Blutung stillen und dabei einen Betäubten vor sich zu haben, dessen Rausch nicht bei der langwierigen, aus vielen kleinen Akten zusammengesetzten Operation ausreicht, dann nachäthern zu müssen bei einem halb Leblosen, welcher den Blutstrom und das eingespritzte Wasser nicht ausspeien kann, vermehren die Schwierigkeit dieser Operation, wie ich gefunden habe. Einige Athemzüge Aether vorher könnten die Empfindlichkeit indessen ein wenig abstumpfen.

Die Ausschneidung großer Polypen oder fibröser Geschwülste hinter dem Gaumensegel, welche bis in die Rachenhöhle und selbst in den oberen Theil des Schlundes hinabreichen, wird durch die Betäubung bedeutend erschwert, und ich habe dieselbe deshalb in zwei mir kürzlich vorgekommenen Fällen von großen Rachenpolypen mit Aether nicht gewagt. Erstickungszufälle, bei der schon durch die Beengung des Raumes vorhandenen Athmungsnoth, Eindringen des Blutes in die Luftröhre und Herabfließen desselben in den Schlund können leicht zum Tode des Kranken unter der Operation Veranlassung geben. Gänzlich zu verwerfen ist das Aetherisiren aber bei Unterbindung größerer Polypen der Rachenhöhle, da hier schon durch die Zusammenschnürung der Basis und die Anschwellung des Polypen, erschwertes Athmen bis zum Abfalle desselben herbeigeführt wird.

Die Ausschneidung der Mandeln haben mehrere Wundärzte bei Aetherisirten mit Erfolg vorgenommen, wiewohl man danach bisweilen üble Zufälle gesehen hat. In den von mir beobachteten Fällen fanden diese nicht Statt. Indessen war mir die Operation nicht gerade erleichtert, aber auch nicht erschwert, sondern sie verhielt sich an Nüchternen oder Berauschten gleich. Bisweilen ist sie etwas erschwert, wenn z. B. der Mund nicht geöffnet werden kann, oder der Patient unruhig ist, wie ich dies erfahren habe.

Operationen am Halse. Bei allen größeren Operationen am Halse ist die Aetherisation angezeigt, ausgenommen bei solchen, bei denen die Luftröhre eröffnet ist, oder geöffnet werden muß, wie z. B. beim Luftröhrenschnitt wegen eingedrungener fremder Körper. Es wäre gewiß ein Wahnsinn, einem Erstickenden durch Aetherdampf Erleichterung verschaffen zu wollen, wenigstens wäre diese so groß, daß derselbe unter dem Aether oder unter dem Messer erstickte. Bei der Operation des Kropfes oder dem Ausschneiden anderer großen Geschwülste am Halse wird man sich indessen mit Nutzen des Aethers bedienen.

Abnahme der Brust. Die Abnahme der durch Krebs oder eine andere bösartige Krankheit entarteten Brustdrüse, so wie das Ausschneiden nicht zertheilbarer Knoten, können mit großem Vortheil unter der Einwirkung der Aetherdämpfe geschehen. Manche Umstände machen dies Verfahren hier wünschenswerth. Operationen dieser Art sind bei aller ihrer Größe so einfach, daß selbst ein stürmisches Verhalten der Kranken bei denselben, keinen wesentlichen Einfluß haben und keine nachtheilige Störung herbeiführen kann. Die oft erschreckende Größe der Operation, das durch die Phantasie der Kranken tief erschütterte Gemüth, die Vorstellung, durch die grausenvollste Krankheit gezwungen zu sein, sich diesem Eingriff hinzugeben, der namenlose Schmerz bei demselben, die schreckenerregende Blutung, sind Umstände, welche die Betäubung der Kranken durch Aether nicht bloß wünschenswerth machen, sondern diesem großen Mittel hier einen der ersten Plätze anweisen. Mit lebhaftem Dankgefühle gegen dasselbe habe ich Operationen der Art gemacht; die Kranken wußten nach der Operation nichts von dem, was mit ihnen vorgegangen war.

Die Operation des Empyem's oder der Eiterbrust verbietet aus leicht zu erklärenden Gründen den Aether. Der ohnedies an Athmungsbeschwerden leidende Kranke kann durch das Einathmen des Aetherdampfes in die größte Gefahr gerathen.

Der Speiseröhrenschnitt gestattet sehr wohl die Aetherisation.

Der Kaiserschnitt wurde in London im St. Bartholomäus Hospital von Skey bei einer Frau von 25 Jahren wegen einer bedeutenden Verkrümmung des Beckens vorgenommen. Nachdem die Frau 5 Minuten ätherisirt worden, wurde sie empfindungslos, und man vollzog die Operation, ohne daß sie Schmerzen äußerte. Das Kind blieb leben, die Mutter starb in der folgenden Nacht.

Reposition des eingeklemmten Bruches. Die Betäubung des Kranken durch Aether beim eingeklemmten Darmbruche ist oft ein großes Unterstützungsmittel, denselben ohne Operation zurückzubringen, wenn er seiner Natur nach überhaupt zurückgebracht werden kann, wie z. B. der Leistenbruch. Die Erschlaffung der Bauchmuskeln und die verminderte Thätigkeit der Gedärme führen diese Erleichterung herbei. Dagegen kann auch die Gefahr gesteigert werden. Wenn nämlich der Kranke beim Zurückdrücken und Kneten des Darmes keine Schmerzen hat, kann durch die Abwesenheit dieses leitenden Symptoms der Arzt leicht verleitet werden, seine Manipulationen zu lange fortzusetzen und den Darm entweder zerdrücken oder brandig kneten. Geht der Bruch doch nicht zurück, und muß die Operation vorgenommen werden, so wird ihr Ausgang um so zweifelhafter sein, je mehr der Darm durch die angewandte Gewalt gelitten hat.

Die Bruchoperation. Bei der Brucheinklemmung, welche, wie es meistens der Fall ist, nur durch die Operation gehoben werden kann, wie z. B. beim Schenkelbruch, ist das Aetherisiren zwar ein Mittel gegen den Schmerz, doch treten hier einige Bedenklichkeiten von größerer Wichtigkeit ein. Zuerst ist die Dauer einer von einer geübten Hand ausgeführten Operation außerordentlich kurz, oft nur von wenigen Minuten. Bei ihr ist wie bei Augenoperationen die größte Ruhe nöthig. Der Kranke muß regungslos da liegen, da die kleinste Bewegung bei der Eröffnung des Bruchsackes, beim Bloßlegen des Darmes und der Erweiterung der Bruchöffnung, eine Verletzung des vorgefallenen Darmstücks und den Tod zur Folge haben kann. Dies erkennen die Kranken gewöhnlich sehr wohl und regen sich deshalb nicht im Geringsten. Welche Gefahren drohen aber nicht bei der Operation, wenn der Aetherisirte in einen ungestümen Rausch verfällt, schnell die Schenkel anzieht, sich hin- und herwälzt, wobei kaum verhindert werden kann, daß er sich vom Tisch herabstürzt. Schon diese Umstände könnten dem eingeklemmten Darme höchst gefährlich werden und selbst eine Zerreißung desselben herbeiführen, noch ehe die Operation selbst begonnen hätte. Bei einem so wilden Rausche müßte die Operation auch jedenfalls bis zum Eintritt der vollkommenen Erschlaffung aufgeschoben werden. Bei den von mir bis jetzt unter Einwirkung des Aethers operirten Bruchkranken kam nur der stille Rausch vor, die Operation war mir aber durch die Betäubung nicht erleichtert, doch auch nicht erschwert, vielleicht etwas erschwert, weil ich jeden Augenblick eine willenlose, stürmische Bewegung fürchtete. Die Därme gingen auch nicht leichter zurück als bei nicht ätherisirten Kranken.

Exstirpation des Gebärmutterhalses. Bei der schaudervollen Ausschneidung des krebsigen Gebärmutterhalses ist die Aetherbetäubung ein unvergleichliches Mittel. Wenn dies auch nur ihr alleiniges Feld wäre, so müßten wir uns doch schon über diese Bereicherung freuen. Dasselbe gilt von der Operation der Blasenscheidenfistel, der Gebärmutterpolypen, der Naht des zerrissenen Darmes und vom Steinschnitt. Fast alle diese Operationen sind so groß, so schmerzhaft, zum Theil von mancherlei erschwerenden Umständen begleitet und sich in die Länge ziehend, dabei die Lage der Kranken so peinlich und ermüdend, daß durch gehörige Betäubung derselben eine Erleichterung um die Hälfte verschafft wird. Bei ihnen steht der Anwendung des Aethers daher in chirurgischer Beziehung nichts entgegen, und nur ein stürmischer Rausch könnte sie erschweren.

Bei der Operation der Blasenscheidenfistel , wo man auf große Unruhe und heftigen Widerstand der Kranken gefaßt sein muß, ist der Vortheil auf Seite des Aethers sehr groß. Bei der Naht eines veralteten Dammrisses ist die Aetherisation ebenfalls angezeigt, zu verwerfen dagegen beim frischen Dammriß.

Beim Steinschnitt haben mehrere Beobachtungen bereits den Werth der Aetherisation außer Zweifel gesetzt. Bei der Zerstückelung des Steins in der Blase ist ebenfalls schon die Aetherberauschung mit Erfolg vorgenommen worden, und einer glücklichen Erfahrung ist nicht viel zu widersprechen. Dennoch muß ich hier mein Bedenken gegen den Aether aussprechen. Eine Steinzerstückelung soll fast ganz ohne Schmerz verlaufen und höchstens etwas Unbequemes sein. Wenn der Kranke sehr dabei leidet, weil der Stein groß, oder die Blase krank, oder der Operateur ungeschickt ist, so wäre der Steinschnitt besser gewesen. Schreit der Kranke unter der Operation, so findet eine starke Insultation der Blase Statt, welcher eine gefährliche Entzündung folgt. Der Eintritt einer Schmerzempfindung, welche das Zerstückelungsinstrument in der Hand des Geschickten erregt, ist ein Zeichen, daß der Operateur die Blase selbst beeinträchtige; der Schmerz dirigirt hier seine Hand und das Instrument, er ist der sicherste Moderator seines Handelns. Wenn der Kranke aber betäubt ist und gar nicht fühlt, so kann er wohl eine kleine Falte der Blasenwand mit einem Steinfragment fassen und letzteres zwar zerbrechen, aber auch zugleich die Blasenfalte mit zerquetschen, ohne es zu merken. So mögte er dann, wenn er das Instrument herausgezogen hat, wohl glauben, durch seine vortreffliche Operation dem Kranken das Leben gerettet zu haben, während er die Ursache seines Todes ist. Der Wiedererwachende wird sogleich die heftigsten Schmerzen empfinden, und ein starker Blutabgang lehren, was in der Blase vorgegangen ist.

Bei der Radicalcur des Wasserbruchs durch Injection oder durch Incision, bei der Phimose und Paraphimose, bei der Castration, der Amputatio penis und vielen anderen kleinen Operationen an den männlichen Genitalien ist die Aetherbetäubung wegen der Schnelligkeit, mit welcher dieselben zu machen sind, von geringerem Werthe, doch nicht zu verwerfen, da man auch den schnell vorübergehenden Schmerz dem Kranken gern ersparen will. Dasselbe gilt auch von manchen kleinen Operationen an den weiblichen Genitalien.

Bei der Operation des Mastdarmkrebses , wie schon oben bemerkt, und der des Vorfalls des Mastdarms ist, wegen der großen Schmerzhaftigkeit dieser Operationen, die Aetherisation passend. Weniger dagegen bei der leicht und schnell ausführbaren Operation der Mastdarmfistel und der Hämorrhoidalknoten.

Ueberblick der chirurgischen Operationen unter günstiger Anwendung der Aetherdämpfe.

Die Anzahl der Fälle von glücklicher Anwendung der Aetherdämpfe bei chirurgischen Operationen ist bereits zu einem solchen Umfange angewachsen, daß ich von meinem ursprünglichen Plan, die sämmtlichen Beobachtungen, welche von meinen Freunden und mir aus den zahlreichen Journalen des Aus- und Inlandes mit vieler Mühe zusammengetragen waren, hier ausführlicher mitzutheilen, abstehen muß. Ich begnüge mich daher, nur eine summarische Uebersicht derselben zu geben, bekenne aber gern, daß wahrscheinlich noch mancher verdienstvolle Name ausgelassen, manche interessante Operation nicht angegeben worden ist. Möge man mir das verzeihen, vielleicht finde ich später ein Mal Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen.

Glücklicher Erfolg begleitete die Aetherisation bei Amputationen

des Oberschenkels , Landsdown, Liston, Chiari, Hayward, Warren, Velpeau, Laugier, Schuh, Jüngken u. A.

des Unterschenkels , Laugier, Knowles, Adams, Malgaigne, Jüngken, Jobert, Velpeau, Roux, Leblanc, Schäfer, Berend u. A.

des Armes , Guyot, Velpeau, Duval, Baudens, Siegmund, Schuh u. A.

der Finger , Liston, Murdough, Blandin, Malgaigne, Petrequin, Heyfelder u. A.

Bei der Abnahme der Brust , Jobert, Leblanc, Blandin, Goyrand, Schlegel, Brookes,

bei der Castration , Bonnet, Baudens, Lacroix u. A.,

beim Wasserbruch , Bruns, Jobert, Ricord, Baudens, Vidal, Bierkowsky, Langenbeck, Jüngken u. A.,

beim Steinschnitt , Arnott, Guersant, Guthrie,

bei der Steinzertrümmerung , Serre, le Roy d'Etiolles, Lacroix, Cutler,

bei der Phimose , Thomson, Ricord, Fergusson u. A.,

beim Bruchschnitt , Key, Patridge, Morgan, Heyfelder,

beim Kaiserschnitt , Key u. A.,

bei Neubildung von Augenlidern , Nasen , Liston, Heyfelder, Rothmund u. A.,

bei Sehnen- und Muskeldurchschneidungen , Brett, Baudens, Lorinser, Jüngken, Heyfelder, Berend u. A.,

bei der Ausschneidung von gut- und bösartigen Geschwülsten , Clement, Ricord, Baudens, Malgaigne, Jobert, Hall, Velpeau, Maisonneuve, Petrequin, Wright, Lederle, Meyer, Hammer, Schuh, Siegmund, Heyfelder u. A.,

beim Ausreißen der Nasenpolypen , Amussat, Gerdy, Serre, Schuh u. A.,

bei der Anwendung des Glüheisens , Blandin, Mickschick, Heyfelder, Reisinger, Schuh u. A.,

bei der Anwendung der Brenncylinder , Baudens, Jüngken u. A.,

bei der Exstirpation des Augapfels , Lawrence, Jüngken.

Einwürfe gegen die Anwendung der Aetherdämpfe bei chirurgischen Operationen.

Mitten unter dem lauten Jubel der Welt: der Schmerz ist bezwungen! das Menschengeschlecht ist von seinem größten Feinde befreit! ertönt von einer anderen Seite die Stimme der Warnung. Wehe dem, der es wagt, das Verdammungsurtheil über die Aetherdämpfe auszusprechen. Ohnmächtig steht er gegen die Uebermacht da, Einer gegen Tausend. Nur bei Einzelnen ist die Ueberzeugung von der Schädlichkeit des Aethers so mächtig, das Durchdrungensein von der Richtigkeit ihrer Behauptungen so innig, daß sie als Märtyrer der Wahrheit auftreten und kühn behaupten, ein Schwindel habe die Aerzte ergriffen, der künstliche Aetherrausch sei ein vermessener, verdammungswürdiger Eingriff in die Rechte der Natur, der Schmerz eine absolute Nothwendigkeit, dessen sich der Mensch nicht entäußern dürfe.

So sehr wir uns aber zur Dankbarkeit gegen den Entdecker der Aufhebung des Schmerzes, Jackson, so wie gegen alle wissenschaftlichen Förderer derselben verpflichtet fühlen, so fordert die Gerechtigkeit, auch die Stimme der Gegner zu hören, da durch ihren Gegenkampf die Schattenseiten der Entdeckung aufgehellt, die Uebertreibung zurückgehalten, der Mißbrauch verringert, und die Wahrheit immer wahrer wird.

Leider haben die bis jetzt über den Werth der Aetherberauschung zur Stillung des Schmerzes bei chirurgischen Operationen und bei Geburten angestellten Beobachtungen einen fast persönlichen Charakter angenommen, weshalb sie auch zu keinem genügenden Resultat geführt haben. Die Gegner kämpfen theils mit wissenschaftlichen Gründen, theils berufen sie sich auf unglückliche Fälle, welche vorgekommen sein sollen. Diese Thatsachen, welche uns zu ernsten Betrachtungen auffordern, sind nicht ganz abzuleugnen, – denn was ist in der Welt vollkommen! Aber das Mittel ist ein großes, und mit Recht sagt der berühmte Flourens von ihm: »Was den Schmerz nimmt, nimmt auch das Leben, und das neue Mittel ist wunderbar, aber auch zugleich furchtbar.«

Der größte Widersacher der neuen Entdeckung ist Magendie. Wir müssen aber die Stimme des tiefen Forschers des Lebens hören, auch wenn er sich zu befangen zeigt. Ohne die überraschenden, schmerzstillenden Erscheinungen des Aetherrausches abzuleugnen, sagt Magendie, daß durch denselben unter Umständen die heftigsten und unerträglichsten Schmerzen und peinlichsten Träume herbeigeführt werden können. Eine Frau glaubte bei den ersten Athemzügen, sie müsse sterben. In anderen Fällen entsteht danach Klagegeschrei und Schluchzen. Diese Art der Trunkenheit erzeugt fast im ersten Augenblick des Einathmens eigenthümliche Träume, und schlafend sieht, hört und antwortet der Kranke. Die Augen schließen sich und rollen nach oben, die Pupillen sind verengert. In diesem Augenblick tritt völlige Gefühllosigkeit ein. Wird dann die Operation unternommen, so verwandeln sich oft die angenehmen Träume in peinliche; einigen kommt es nur so vor, als würden sie operirt, da man sie doch wirklich operirt, andere glauben geschlagen und gemißhandelt zu werden und leiden noch besonders dadurch, daß sie ihre Qualen nicht ausdrücken können. Mitten in diesen Träumereien wird der Mensch bisweilen wie von Tobsucht ergriffen, und wie ein Wahnsinniger stürzt er auf Alles los, was ihn umgiebt.

Es ist nicht zu bezweifeln, daß wenn die Aetherberauschung zu weit getrieben wird, der Tod auf der Stelle eintreten kann. Bei Thieren beobachtete man dies wenigstens. Bei der Untersuchung der durch Aetherdunst getödteten Thiere findet man das Lungengewebe mit schwärzlichem Blut angefüllt, wie man dies oft nach der Durchschneidung des zehnten Nervenpaares beobachtet hat. Dasselbe findet man auch bei Menschen.

Der Aetherrausch bringt eben so wie der vom Wein und Alkohol Störungen in den Verrichtungen der Organe hervor. Hartnäckige Kopfschmerzen, eine Art von Säuferwahnsinn, Schwäche des Gehörs und Gesichts, schwacher und unsicherer Gang sind die Folgen. Im Hospital zu Versailles litten drei wegen des Zahnausziehens ätherisirte Frauen noch mehrere Tage lang an fürchterlichen Convulsionen, so daß eine energische ärztliche Behandlung nöthig wurde.

Herr Magendie drückte ferner seinen Widerwillen gegen den Aether als ein die Sinnlichkeit gefährlich steigerndes Mittel aus, wovon er selbst traurigen Scenen mit beigewohnt habe, und vergleicht seine Wirkungen in dieser Beziehung mit dem des animalischen Magnetismus. Er findet im Aetherrausch einen neuen Weg und ein neues Mittel zu Verbrechen, das wegen seiner Neuheit um so gefährlicher sei.

Der Schmerz, sagt Magendie, ist bei Operationen oft ein wichtiger Leiter, um die Verletzung edler Theile zu vermeiden. So kann es denn leicht geschehen, daß ein Nerv gefaßt und mit unterbunden wird. Bei Operationen im hinteren Theile der Mundhöhle, wie bei dem Ausschneiden der Polypen, kann dem Betäubten das Blut in die Luftröhre fließen und dadurch Erstickung herbeigeführt werden, wogegen dasselbe sonst durch den Reiz, welchen es erregt, ausgestoßen wird.

Lallemand erinnert, daß die Aetherbetäubung bei Amputationen den Nachtheil habe, daß die Muskeln sich während der Operation gar nicht zurückziehen, wodurch später ein conischer Stumpf sich bilden müsse. Wenn es schon bei gewöhnlichen Amputationen oft vorkommt, daß der Knochen nach einiger Zeit des schützenden Fleischpolsters beraubt wird, indem sich die Muskeln, besonders die oberflächlichen, nachträglich zu stark zurückziehen, um wie viel eher wird dies bei Aetherisirten der Fall sein, bei denen im Augenblicke der Operation gar keine Zurückziehung der Muskeln eintritt, und die nachfolgende daher viel bedeutender sein muß. Auch sei das Mitfassen und Unterbinden eines Nerven zu besorgen.

Als ein gefährlicher Mißbrauch ist schon das lang fortgesetzte Einathmen der Dämpfe zu betrachten, da danach plötzlicher Scheintod und Tod eintreten können.

In welchem Verhältnisse steht wohl der augenblickliche Schmerz beim Ausziehen eines Zahnes mit dem 45 Minuten langen Einathmen der Aetherdämpfe, wie es bei Landouzy ein Kranker aushalten mußte. Ueble Nachwirkungen sehen wir auch schon bisweilen, wo die Kranken gar nicht lange eingeathmet haben, wie z. B. in dem folgenden Falle. Hancock ließ einem Manne in mittleren Jahren vor dem Ausreißen eines Zahnes den Aether 2 Mal einathmen, beide Male trat vollkommene Empfindungslosigkeit ein, beim ersten Male blieb der Puls normal, beim zweiten Male fiel er bis auf 60 und wurde klein. Die Pupillen waren normal, auch reagirte die Iris auf Einwirkung von Licht. Nach der Operation klagte Pat. sehr über Frost und blieb noch zwei Stunden lang ganz verwirrt.

Eine offenbar zu allgemeine Anwendung hat man vom Aether beim Ausziehen der Zähne gemacht, ohne dabei die Individualitäten zu berücksichtigen. Nach dem Urtheile von 12 Chirurgen und Zahnärzten in Boston, erzeugt der Aetherdunst bei den meisten Patienten einen so hohen Grad von Betäubung, daß dem passiv widerstrebenden Körper große Gewalt bei der Operation angethan werden muß. Es entsteht Schmerz, ohne daß die Erinnerung daran bleibt. Der Aether hat gefährliche Nebenwirkungen, welche man nicht berechnen und nicht beherrschen kann. Man hat die günstigen Fälle verbreitet, aber es giebt auch ungünstige. Die Symptome sind überraschend, doch bisweilen bedenklich. Aufregung, heftiger Husten, Blutandrang nach dem Gehirn und den Augen, Erweiterung der Pupille, Verzerrung des Gesichts, Prostration, Stertor, Angst, Seufzen, Stöhnen, Schrecken, Delirien. Das Mittel ist bei Neigung zum Schlagfluß, Gefäß-, Gehirn-, Herz- und Lungenstörungen gefährlich und darf nur wirklichen Aerzten anvertraut werden. Aus Mortons Praxis werden mehrere unglückliche Fälle erzählt, wie mehrtägiges Irresein und mehrmaliges starkes Blutspeien.

Manche hieher gehörige Fälle sind auch in anderen Ländern beobachtet worden. Die Schauspielerin Peche vom Hoftheater in Wien, welche sich einen Zahn ausziehen lassen wollte, gerieth durch die Einathmung der Aetherdämpfe in einen höchst bedenklichen Grad nervöser Aufregung, dem ein heftiges Nervenfieber folgte.

Andere unglückliche Zufälle nach dem Zahnausziehen werden in der Medical Gaz. erzählt. Bei einem Frauenzimmer, welches sich dieser Operation unterwarf, hatte der Puls vor dem Einathmen 130 Schläge, fiel nach demselben auf 70. Die Augen rötheten sich, die Respiration wurde stertorös, Schaum stand vor dem Munde, als sollte ein epileptischer Anfall ausbrechen.

Bei einem jungen Manne stieg der Puls auf 150 Schläge, die Schläfenarterien klopften heftig, die Augen waren mit Blut unterlaufen, die Respiration mühsam.

Ein 20jähriges Mädchen litt nach der Rückkehr des Bewußtseins an heftigem Kopfschmerz, an Schwindel und Zittern des ganzen Körpers. Ihre Freundin von gleichem Alter mußte sogar im Delirium nach Hause gebracht werden, welches mit kurzen Pausen 3 Tage anhielt.

Eine andere Dame verfiel ebenfalls in Delirium, welches eine ganze Nacht anhielt. Am nächsten Morgen trat starkes Blutspeien ein.

Eine vollblütige Frau von 21 Jahren wurde, nachdem sie nur 1½ Minute den Aether eingeathmet, ganz unbändig, 2 Männer mußten sie halten, ihr Gesicht glühte, erst nach einigen Minuten Ruhe konnte ihr der Zahn ausgezogen werden.

v. Dall-Armi erzählt, daß bei einem Frauenzimmer, welches vor dem Ausziehen eines Zahnes ätherisirt wurde, nach 5 Minuten Schlingbeschwerden und krampfhaftes Zittern der Glieder eintraten, welches 28 Minuten lang bei vollem Bewußtsein anhielt. Bald darauf stellten sich heftige hysterische Beschwerden mit Betäubung ein. Während der Remission der Krämpfe zeigten sich die Erscheinungen von Betäubung, die Muskeln waren, statt erschlafft zu sein, gespannt. Dieser Zustand dauerte mit ziemlich gleichmäßigem, fast von 5 zu 5 Minuten wiederkehrendem Wechsel 1¼ Stunde. Nach dieser Zeit verschwanden alle Zufälle, die Patientin erwachte wie aus einem tiefen Schlaf und erinnerte sich auch von der Zeit an, wo das Instrument an den Zahn angesetzt wurde, bis zu ihrem Erwachen, nur eines schweren Traumes. v. Dall-Armi bemerkt, daß dergleichen Zufälle, wenn sie eine bedeutende Höhe erreichten, die Anwendung der Aetherdämpfe bei Gebärenden sehr bedenklich machen mögte.

Fairbrother, enthusiastisch für den Aether eingenommen, gesteht dennoch, daß beim Zahnausziehen die meisten Patienten einen leidenden Zustand ausdrückten. Ein Patient, dem bei einer Operation der Nervus ischiadicus durchschnitten wurde, schrie heftig auf. Ein anderer blieb nach einer Operation eine Stunde lang völlig bewußtlos.

Dix sah nach einer Operation in der Nähe des Auges heftige Zufälle. Der Kranke athmete lange und unvollkommen. Nach 35 Minuten sank der Puls von 120 auf 96 Schläge. Der Athem wurde träge, die Glieder kalt. Man machte kalte Begießungen, ließ an Ammoniak riechen und erst nach einer peinvollen Stunde kam der Patient, vorzüglich in Folge der starken Blutung aus der Wunde, wieder zu sich.

Wutzer warnt vor der unbedingten Anwendung des Aethers bei Operationen. Obgleich die Erfolge im Allgemeinen günstig waren, so beobachtete er doch auch bei ätherisirten Personen Hitze, Betäubung, fieberhafte Aufregung und ungewöhnlich stärkere Blutung aus der Operationswunde.

Fischer sah bei der Operation der Einwärtskehrung der Augenlider bei einem 7jährigen Mädchen keine Betäubung eintreten, und dasselbe schrie bei jedem Schnitt. Ein 15jähriger, etwas scrophulöser Knabe, an welchem die Operation beider Klumpfüße gemacht, der aber vorher in Bezug auf den Aether geprüft werden sollte, war schon nach einer Minute betäubt und gegen alle Reize unempfindlich. Nachdem er wieder erwacht war, überfiel ihn ein Schwindel. Dann stellten sich heftige allgemeine Krämpfe ein, die Hals- und Nackenmuskeln waren so hart wie Holz. Der Kopf wurde oft auf die linke Seite gezogen, blieb einige Zeit in dieser Stellung und nahm dann wieder die natürliche an. Das Bewußtsein fehlte und doch konnte man den Kranken durch Anrufen erwecken. Diese starrkrampfähnlichen Zufälle waren gegen Abend und in der Nacht am stärksten. Kalte Uebergießungen über den Kopf, kalte Waschungen des ganzen Körpers und Citronenwasser zum Getränk milderten am zweiten Tage die Zufälle. Nach 48 Stunden roch der Athem des Kranken noch nach Aether. Am vierten Tage war er vollkommen wieder hergestellt. Horst räth, den Aether nur mit größter Umsicht und Vorsicht anzuwenden, besonders aber bei großen eingreifenden Operationen. »Wozu«, sagt er, »kann ein schmerzstillendes Mittel dienen, wenn entweder in dem Augenblick des Versuches oder später üble Folgen entstehen, oder der Grund zu anderen chronischen Krankheiten gelegt wird u. s. w.«

Gerdy beobachtete eine nachtheilige Wirkung auch bei einem Kranken mit grauem Staar, bei dem er das Ausziehen der Linse vornehmen wollte. Nachdem derselbe betäubt und fast eingeschlafen war, wurde die Hornhaut durchstochen, aber das Auge des Kranken floh so vor dem Instrument, als die Operation fortgesetzt werden sollte, daß Gerdy, um dieselbe nicht zu compromittiren, das Auge fahren ließ. Er wollte hierauf die Linse niederdrücken, aber das Auge war noch so unruhig, daß er für dieses Mal die Operation ganz aufgeben mußte. Gerdy stach hierauf den Kranken in die Nase und in die Lippe, man kniff demselben die Hand, und als er zu sich kam, erinnerte er sich sehr gut, gekniffen zu sein, aber sprach nicht von den Stichen an der Nase und der Lippe.

Im Middelsex-Hospital sollte einer Frau, welche geistigen Getränken sehr ergeben war, eine Einwärtskehrung der Augenlider operirt werden, sie athmete mit großer Energie während 10 Minuten Aetherdämpfe ein. Da ihr Gesicht sich sehr stark röthete, und man einen Schlaganfall befürchten mußte, unterließ man die Fortsetzung der Einathmung, obwohl Patientin noch nicht bewußtlos geworden. Die Operation des Entropiums wurde an ihr vollzogen, und die Schmerzen schienen ganz dieselben zu sein, wie sie gewöhnlich bei dieser Operation empfunden werden.

So glücklich auch die von Pomly vorgenommene Schieloperation ablief, so hatten doch die vorhergehenden Umstände etwas sehr Widerwärtiges.

Fairbrother machte die Amputation des Unterschenkels bei einem Mädchen von 15 Jahren von zarter Constitution. Sie wurde einige Minuten ätherisirt. Der Puls blieb zwar normal, aber die Pupille dilatirte sich, wurde unthätig, und es trat Empfindungslosigkeit ein. Die Amputation des Unterschenkels wurde jetzt begonnen, sie schrie aber gleich bei dem ersten Schnitte und machte starke Bewegungen. Darauf setzte man die Einathmung während der ganzen Dauer der Operation fort.

Meermann sah, daß ein 17jähriges Mädchen, an dem ein anderer Arzt die Schieloperation machte, welches nur 1½ Minuten lang Aetherdämpfe eingeathmet hatte, 3 Minuten lang völlig empfindungs- und bewegungslos war. Die Pupillen blieben bei dem stärksten Lichtreiz erweitert und unempfindlich, und der Puls sehr beschleunigt. Drei Minuten später kehrte die Empfindung wieder zurück, bei jedem Schnitt drückte die Kranke Schmerzempfindungen aus, während sie sich nicht bewegte. Nach Beendigung der Operation gab sie an, daß sie den Anfang zwar nicht, aber das Ende derselben gefühlt habe. Sie verfiel hierauf in einen schlafsüchtigen Zustand mit Zuckungen des ganzen Körpers, welcher trotz der Anwendung des Salmiakgeistes noch über drei Stunden dauerte. Den folgenden Tag erinnerte sie sich noch recht wohl der empfundenen Schmerzen. Sehr wahr schließt Meermann mit den Worten: »gerade die denkenden Aerzte, die es ehrlich mit der Natur und Wissenschaft meinen, sind es darum, welche erst nach vielfachen Beobachtungen und Versuchen bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen am lebenden Organismus mit der größten Behutsamkeit Gesetze zu abstrahiren wagen, und es sich zur Hauptaufgabe machen, die naturgemäße Begränzung der Heilmittelwirkungen zu ergründen.«

Bei einer Castration, welche Baudens vornahm, schrie der ätherisirte Kranke wild und versicherte dennoch nach Beendigung derselben, daß er keine Schmerzen empfunden, aber die Operation recht gut gesehen, und Nichts vergessen habe.

Arnott machte bei einem 63jährigen Manne den Steinschnitt. Der Kranke wurde nach 2 Minuten der Einathmung in hohem Grade betäubt, das Gesicht livid, die Glieder welk. Die Operation wurde er nicht gewahr, obgleich er früher wegen heftiger Schmerzen kaum untersucht werden konnte. Aber noch am Abend befand er sich fortwährend in einem seeligen Rausche, dabei waren die Glieder kalt, und der Puls klein und schwach. Erst am dritten Tage hatte sich die Sorge um den Kranken verringert.

Lawrence schnitt ein von Melanose ergriffenes Auge eines Mannes welcher an starke Getränke und Opiate gewöhnt war, aus. Der Aether brachte einen heftigen Kehlreiz hervor. Arme und Beine wurden stark contrahirt, dann trat Erschlaffung und vollkommene Bewußtlosigkeit ein. Das Gesicht war blau, und es fand ein heftiger Blutandrang nach dem Gehirn Statt. Der Kranke lag wie eine Leiche da. Eine Minute nach der Operation kehrte einiges Bewußtsein zurück. Die Blutung war stark. Hinterher sagte der Kranke, er habe zu ertrinken geglaubt, offenbar das Gefühl der Erstickung durch den Aetherdunst.

Serre operirte einen Mann von 60 Jahren am Nasenkrebs. Nach acht Minuten wird er schwach, und die Augen schließen sich. Das Schneiden fühlt er nicht, aber beim Brennen tritt deutliches Schmerzgefühl ein. – Eine Frau athmet die Aetherdämpfe ein, will aber lieber sterben als durch Aether ersticken.

Le Roy hatte einem wegen Steinzerstückelung Aetherisirten das Instrument so eben herausgezogen, als derselbe plötzlich sich aufraffte und Drohungen gegen die Zuschauer ausstieß. Wäre dieser Zustand früher plötzlich eingetreten, so hätte die Blase schwer verletzt werden können.

Charles erfüllt uns mit Erstaunen und Schrecken, daß er einer Frau, welche an einer heftigen Luftröhrenentzündung und einer krebsigen Entartung an der Brust litt, Aetherdämpfe einathmen ließ. Es stellte sich danach sehr heftiger Husten ein, das Gesicht wurde geröthet, die Züge sehr verändert, der Puls klein und schnell, man mußte deswegen mit den Einathmungen einhalten. Obwohl in diesem Falle die Aetherwirkung nicht vollkommen erzielt werden konnte, und Patientin während der Amputation der Brust laut wimmerte, erklärte sie doch nach der Operation, daß sie gar keine Schmerzen empfunden und sehr heiter und wohl sei.

Key machte eine Bruchoperation, wobei er ein Stück Netz abschnitt und die Gefäße unterband. Die Operation dauerte 18 Minuten. Schon beim ersten Schnitt wurden die Schenkel gewaltsam angezogen, bei dem Einschneiden des Randes der Bruchpforte stöhnte der Patient, und das Herz schlug schwach, so daß der Zustand bedenklich erschien.

Culler wollte einen Finger abnehmen. Der Kranke athmete unvollkommen und litt dabei sehr, denn er wurde im Gesicht roth und blau. Bei der Operation widersetzte er sich und empfand Schmerzen.

Ein Bauer kam mit einer Verwundung des Fingers, welche eine Amputation desselben nöthig machte, in voller Trunkenheit ins Hospital. Nach den ersten Einathmungen der Aetherdämpfe stellte sich Erbrechen ein. Nachdem er sich etwas erholt, ließ man ihn von Neuem die Dämpfe einathmen, sein Auge wurde stier, die Pupille erweitert, aber auch die Finger contrahirt, erst nach längerer Fortsetzung der Einathmung erschlafften die Muskeln, aber dennoch schlug Patient, als man die Operation begann, mit Händen und Füßen um sich; dieser Anfall ging bald vorüber, und es folgte ihm Stupor, aus dem der Kranke bald erwachte; er begehrte jetzt, daß man die Operation vollzöge und wollte kaum glauben, daß sie schon vollendet sei. Die doppelte Trunkenheit hatte keinen üblen Einfluß auf die Heilung der Wunde.

Johnson amputirte in der Betäubung den Unterschenkel, aber der Kranke erwachte schon beim Sägen.

Adams nahm einem Manne den Fuß in der Fußwurzel ab, dabei stellte sich ein närrisches Delirium ein, und der Patient rief: »gieb mir noch einen Schluck.«

Ein Mädchen von 17 Jahren athmete 12 Minuten Aetherdämpfe ein, bis sie in eine Lethargie verfiel. Bei der Amputation des Unterschenkels, welche Rayner vornahm, rief sie in der Mitte der Operation aus: »sie schneiden mir mein Bein ab«, doch nicht, als ob sie Schmerzen dabei empfände, und da man die Einathmungen fortsetzte, wurde die Operation ohne irgend eine Schmerzensäußerung von Seiten der Patientin vollendet; beim Nähen schien die Wirkung des Aethers schon verschwunden zu sein, denn bei jedem Stich klagte sie über heftigen Schmerz. Die Heilung des Stumpfes ging gut von Statten.

Den Tod beobachtete in Folge der Einathmung des Aethers Jobert bei zwei Frauen; der einen war eine krebshaft entartete Brust, der andern der Oberschenkel abgenommen worden. Die erste hatte 13 Minuten lang Aetherdampf eingeathmet, worauf sie noch nicht völlig empfindungslos wurde und noch etwas Schmerz bei der Operation empfand. Nach derselben stellten sich heftige Kopfschmerzen, heftige Schmerzen im Halse und in der Luftröhre ein. Später gesellte sich zu diesen Erscheinungen eine wandernde Rose. Der Tod erfolgte durch Erschütterung des Nervensystems und eine heftige Luftröhrenentzündung. Bei der Leichenöffnung fand man das Herz welk, die Lungen knisternd, die Schleimhaut der Luftröhre blutroth. Ungeachtet dieser Erscheinungen hielt Jobert die Aethereinathmung nicht für die alleinige Ursache des Todes. Die andere Kranke, welcher er den Oberschenkel einer weißen Kniegeschwulst wegen amputirte, hatte nur vier Minuten durch den Apparat geathmet, als sie schon vollkommen unempfindlich wurde, so daß sie von der Operation nichts fühlte. Erst nach zwei Stunden kehrte das Bewußtsein zurück. Am folgenden Tage war sie sehr aufgeregt, ihre Ideen verwirrt, ihre Rede unzusammenhängend. Dieser gereizte Zustand der Luftröhrenäste mit Schlaflosigkeit verbunden, dauerte bis zum siebenten Tage fort. Dazu gesellte sich nun ein nervöser Gesichtsschmerz, darauf Kinnbackenkrampf mit den bei diesem Zustande gewöhnlichen Erscheinungen, und der Tod trat am 15ten Tage nach der Operation ein. Bei der Leichenöffnung fanden sich die Häute des Gehirns und Rückenmarks, so wie die Substanz dieser Organe stark mit Blut überfüllt und letzteres erweicht. In den Gehirnhöhlen war blutiges Wasser enthalten. Kehlkopf, Schlund, Luftröhre und Luftröhrenäste waren geröthet und mit einer eiterähnlichen Substanz bedeckt. Auch die innere Oberfläche der Lungenarterie erschien geröthet. Sowohl aus dem Krankheitsverlauf als aus dem Leichenbefunde schließt Jobert, daß der Aether diesen Congestivzustand in den besonders afficirten Theilen hervorgerufen habe, und zieht aus diesen traurigen Folgen den Schluß, daß man nur mit großer Umsicht seine Zuflucht zu einem Mittel nehmen dürfe, welches unter gewissen Umständen einen so mächtigen Einfluß auf das Blut- und Nervensystem äußere.

Den Tod sah man in dem folgenden Falle bald nach der Operation eintreten. Anna Perkinson, die 21jährige Frau eines in Spittlegat in der Grafschaft Lincoln lebenden Friseurs, litt seit langer Zeit an einem Gewächs an der inneren Seite des linken Oberschenkels wahrscheinlich einer Fettgeschwulst, welches allmählig an Größe zunahm und allerlei Beschwerden verursachte. Da auch sie von der schmerzstillenden Wirkung des Aethers gehört hatte, wollte sie sich der Operation nur unter der Bedingung unterziehen, daß man das Mittel bei ihr anwende. Ihr Arzt, der Dr. Robbs, ein geschickter und erfahrener Mann, berieth sich nun mit mehreren Männern seines Faches, und so wurde denn die Operation am 9ten März, mit Unterstützung von drei anderen Aerzten, mit Geschicklichkeit und Umsicht vorgenommen. Robbs hatte alle mögliche Vorsicht angewendet, und einige Tage vor der Operation die Kranke zu verschiedenen Zeiten Aether einathmen lassen, um ihre Empfänglichkeit für das Mittel zu prüfen. Diese Versuche waren sehr glücklich abgelaufen, die Frau lachte dabei und erklärte hinterher, daß sie sich recht wohl gefühlt, ihr volles Bewußtsein behalten, aber die Empfindung verloren habe. Dennoch trat eine auffallende Veränderung in ihrem ganzen Wesen ein, sie wurde traurig und niedergeschlagen. Zu bemerken ist, daß sie volle 10 Minuten die Dämpfe eingeathmet hatte, eine ungewöhnlich lange Zeit. Bei dem zweiten Versuch setzte man die Zeit auf 5 Minuten herab, wo schon der nämliche Zustand eintrat. Erst nach einer Viertelstunde war sie wieder völlig klar und versicherte dann, sie hätte alles gewußt was im Zimmer vorgegangen sei, aber nicht sehen können. Bei der dritten verhängnißvollen Einathmung der Aetherdämpfe, womit man 10 Minuten lang fortfuhr, wurde die Operation gemacht. Obgleich die Kranke vollkommen betäubt zu sein schien, stieß sie beim ersten Schnitt einen tiefen Seufzer aus, wodurch man sich veranlaßt sah, noch mehr einathmen zu lassen. Die Kranke seufzte bei jedem Schnitt, und verrieth durch heftige Anstrengung des Körpers, daß sie volles Gefühl habe. Von der Unterbindung der Blutgefäße schien sie nichts zu fühlen. Der Blutverlust bei der Operation war höchst unbedeutend. Dann wurde sie zu Bette gebracht. Zu dem Gefühl einer großen Mattigkeit gesellte sich dann noch am nächsten Tage eine Empfindung von Taubheit im Rücken und den Schenkeln, jede Bewegung war ihr unmöglich. Dieser Zustand dauerte bis zum Tode, welcher vierzig Stunden nach der Operation eintrat.

Die Wundärzte, welche mit der Untersuchung der Leiche beauftragt waren, bezeugten Folgendes: daß die vorgefundene 7 Zoll lange Wunde nichts zeige, welches den schnellen Tod der Kranken erkläre. Die Operation sei mit der größten Vorsicht und Geschicklichkeit ausgeführt und kein größeres Nerv- oder Blutgefäß durchschnitten worden. Dagegen fand man eine starke Blutüberfüllung der Gefäße der Hirnhaut über den vorderen Hirnlappen, und eine ungewöhnliche dünnflüssige Beschaffenheit der gesammten Blutmasse. Diese beiden Erscheinungen wurden dem Aether zugeschrieben. Die exstirpirte Geschwulst war von fester Beschaffenheit und wurde als ein Osteosorkom erkannt. Die Jury fällte nach Anhörung des Berichtes der speciell mit der Untersuchung des Leichnams beauftragten Aerzte, so wie der Zeugenaussagen folgendes Verdikt: »Daß die dahingeschiedene Anna Perkinson an den Wirkungen des Aethers, welchen sie Behufs der Linderung des Schmerzes während der Operation eingeathmet habe, und nicht in Folge der Operation selbst gestorben sei.«

So sehr dieser traurige Ausgang einer an sich gefahrlosen Operation auch zu bedauern ist, so möge derselbe allen Aerzten zur Warnung dienen, bei der Anwendung des Aethers mit größter Behutsamkeit zu verfahren, und den Kranken lieber zu wenig als zu viel einathmen zu lassen. Daß hier aber letzteres geschehen und der Tod allein auf Rechnung dieses Mittels zu schreiben sei, ist nicht im Geringsten zu bezweifeln.

Ein anderer, eben so trauriger Fall von tödtlicher Wirkung der Aetherdämpfe, kam ebenfalls in England vor. Roger Nunn, Wundarzt an den Hospitälern in Colchester und Essex, machte dem 50jährigen Thomas Herbert den Steinschnitt. Der Kranke athmete die Aetherdämpfe nur 7 bis 8 Minuten lang ein, worauf die Operation ohne alle Hindernisse vollendet wurde. Dabei fand eine etwas stärkere Blutung, selbst aus den kleineren Gefäßen der Wunde statt. Während der Operation, welche nur 10 Minuten lang dauerte, wurde der Aether noch nachträglich in Pausen wieder angewendet. Hierauf wurde das Athmen mühsam und endlich röchelnd. Bald darauf besserte sich der Kranke etwas und es stellte sich einige Ruhe ein, jedoch blieb 24 Stunden lang jede Reaction aus. Man gab Branntwein in kleinen Quantitäten und Arrow-root, und legte Wärmflaschen ins Bette. Mit dieser Behandlung fuhr man bis zum folgenden Tage fort, wo man noch Ammoniak gab. Der Kranke redete von 8 Uhr Abends bis 9 Uhr Morgens irre, es hatte sich dabei etwas mehr Leben eingestellt, indeß starb er 5 Uhr Abends. – Die Leichenöffnung zeigte Congestionen nach den Häuten des Gehirns, jedoch keinen Blutaustritt; die Lungen waren permeabel, vorn blutleer, hinten angefüllt. Das Herz welk, von natürlicher Größe und fast leer, die linke Niere blaß, die rechte etwas mit Blut überfüllt. Die Wunde und die benachbarten Theile hatten die nach einem Steinschnitt gewöhnliche Beschaffenheit. Die ganze Blutmasse zeigte einen hohen Grad von Verflüssigung.

Die Londoner medizinische Zeitung stellt über diesen Fall folgende wahre und zu beherzigende Betrachtungen an: »die Aerzte sind bis jetzt in den Irrthum verfallen, die Sache nur von der einen Seite anzusehen. Bis jetzt giebt es nur eine Fluth von glücklichen Fällen, es ist aber Zeit, daß unsere Berichterstatter mit ihren glücklichen Beobachtungen inne halten und Rechenschaft von den Gefahren, welche diese neue Methode begleiten, ablegen.«

Gegen Magendie, welcher im Institute zu Frankreich sagte: »welches Interesse kann es für die Akademie der Wissenschaften haben, ob der Mensch mehr oder weniger leidet?« bemerkt Roser: »Wir vermögen uns nicht zur Höhe dieses akademischen Standpunktes zu erheben, und wissen die kitzliche Moral dieses Physiologen nicht zu theilen, der es für eine Erniedrigung erklärt, wenn sich der Mensch betäube, berausche. – Ueber die triviale Wohlweisheit, welche gleich wußte daß die neue Sache etwas Altes sei, dieweil ja sämmtliche Lehrbücher der Materia medica dem Aether berauschende Effekte zuschreiben, hat der gesunde Sinn der Aerzte und Laien selbst gerichtet. Die Befürchtung, daß der Aether gewisse noch unbekannte Schädlichkeiten für den späteren Erfolg der Operationen haben könnte, dürfte oder möchte, ist bis jetzt durch nichts begründet, und es sind andererseits die ernsten Folgen jener großen physischen Erschütterung und Erschöpfung wohl zu bedenken, welche der Schmerz selbst bei Operirten nicht selten zur Folge hat.«

Im ganz entgegengesetzten Sinne spricht sich Nathan in Oppenheims Journal aus, indem er sagt: »habent fata sua remedia; heute wird der Aether allerdings noch angestaunt; denn wer hätte gedacht, daß so Viele einem so entsetzlichen Coma glücklich entrinnen könnten; heute giebt gerade dieses Staunen der Schmerzlosigkeit noch einen unwiderstehlichen Reiz und den Werth eines summum bonum der Operation, heute, wir wissen es genau, erscheint unsere Prophezeiung, daß die Ueberraschung sich legen wird, und daß dann, aber dann erst, die vielen halben und die üblen Folgen des Aetherisirens eine umgekehrte Schätzung der Sachlage herbeiführen, und der Indicatio vitalis, oder der sicheren Operation, ihr altes, wohl verdientes Uebergewicht über die Indicatio symptomatica, oder die schmerzlosere Operation, wiedergeben werden, – allerdings noch lächerlich; – aber bis heute hat sich kein Aberglaube allgemein erhalten, und wir können nicht umhin, das blinde, rückhaltslose Vertrauen zu der Gutmüthigkeit des Aethers und seinen Wirkungen als pharmacodynamischen, oder wie Schultz sagen würde, als Qualitäten-Aberglauben zu betrachten, da uns die Gefahren und Weiterwirkungen eines tiefen, von keinem Senkblei erreichbaren Comas, stets dieselben, unausbleiblichen, gleich unberechnenbaren, scheinen, durch welches Mittel und auf wie kurze Zeit auch ein so bedeutsamer Hirnzustand erzeugt wird. Jeder weiß es übrigens, daß neue Mittel, sowohl im Grossen wie bei einzelnen Kranken, stets Wunder thun auf einige Tage oder Jahre.«

Anwendung der Aetherdämpfe in der Geburtshülfe.

Der Gedanke, die Aetherdämpfe in der Geburtshülfe anzuwenden, hat im ersten Augenblicke etwas Erschreckendes. Es scheint vermessen, den natürlichen Akt der Niederkunft durch eine künstlich herbeigeführte Empfindungslosigkeit und Betäubung zu stören. Nicht ohne Besorgniß durfte man sein, daß besonders durch die erschlaffende Wirkung des Aethers, die Thätigkeit der Gebärmutter vermindert, oder wohl ganz aufgehoben, und durch die Verzögerung des Geburtsaktes das Leben der Mutter und des Kindes auf das Spiel gesetzt werde. Dagegen besteht der mögliche Gewinn nur in Aufhebung der Schmerzen bei der Geburt. Wenn das Mittel also bei gewöhnlichen Geburten als ein überflüssiges, zu großes und zu gefährliches erscheinen mußte, so konnte seine Anwendung bei schweren, regelwidrigen Geburten, bei Wendungen und Zangengeburten, wenn es sich bewähren sollte, für die leidende Wöchnerin als ein sehr heilbringendes erscheinen.

Diese bei der Geburt so recht erwählt und erwünscht vortheilhafte Erscheinung, nämlich Erschlaffung des gesammten Muskelsystems und Fortdauer der Thätigkeit der Gebärmutter, beruhen allein darauf, daß der Aether vorzugsweise herabstimmend auf die willkührlichen Muskeln wirkt; nicht aber deprimirend auf den Uterus, welcher unter dem Einflüsse des Oberbauch-, Nieren- und Aorten-Geflechtes steht, nur höchst unbedeutende Fäden vom Rückenmark erhält, und also gewissermaßen ein isolirtes, selbstständiges Gangliensystem besitzt. Darüber aber hat uns die Geburtshülfe noch nicht gehörig aufgeklärt, ob die durch den Aether aufgehobene Mitwirkung der Bauchmuskeln bei der Geburt des Kindes zu entbehren sei, da doch sonst nichts von dem ohne Schaden entbehrt werden kann, was die Natur zur Erreichung höherer Zwecke weise angelegt hat.

Die Erfahrung hat bis jetzt in diesen Beziehungen gelehrt, daß ein Theil jener Besorgnisse unbegründet ist, denn die Anwendung des Aethers bei Schwangeren während der Niederkunft bis zur Gefühllosigkeit, Erschlaffung und Bewußtlosigkeit, äußert keinen hemmenden und störenden Einfluß auf die Niederkunft, welche leicht und schmerzlos von Statten gehen soll. Weder die Zusammenziehung der Gebärmutter, noch die mitwirkende Thätigkeit der Bauchmuskeln, wurde dadurch im geringsten gestört.

Die Berichte der Aerzte, welche dies Mittel in die Geburtshülfe einführten, sind Simpson, Hammer, Dubois, Velpeau und Bouvier und Fournier-Deschamps.

Doch nicht bloß als Erleichterungsmittel bei schweren Geburten, ist der Aether bis jetzt angewendet worden, sondern selbst in der Schwangerschaft als bloßes Experiment! Mögte es das letzte dieser Art sein. Amussat stellte in diesen Beziehungen allerdings lehrreiche Versuche an trächtigen Hunden an, aber Cardan ein verwerfliches Experiment bei einer Frau. Dieselbe war 6-7 Monate schwanger, die Frau und die Frucht schienen gesund. Es dauerte sehr lange, bis die Wirkung mit einer zügellosen Fröhlichkeit eintrat. Der Puls war dabei nur wenig beschleunigt. Nach 10-12 Einathmungen gerieth das Kind in für die Mutter sehr schmerzhafte stürmische Bewegungen und diese wurden bei fortgesetzter Inspiration immer schneller. Nachdem die Mutter wieder zu sich gekommen, verglich sie die Empfindungen, welche sie im Leibe gehabt hatte, mit starken Stößen. Das Herz des Kindes klopfte heftig, die Schnelligkeit der Pulsschläge schien im Zusammenhange mit den Bewegungen und den krampfhaften Zuckungen zu stehen. Das Geräusch der Placenta hatte seinen gewöhnlichen Charakter verloren und bestand nur in einem leisen Zittern. Hinterher war die arme Frau sehr erschöpft, und fühlte sich sehr unwohl.

Man muß dies Experiment, wenn es auch für die Wissenschaft einiges Interesse haben könnte, sehr tadeln, denn es war für Mutter und Kind gleich gefährlich, und ein Abortus mit dem Tode des letzteren wahrscheinlich. Die Gefahr gesteht Cardan selbst ein und meint, sie mögte wohl in der letzten Zeit der Schwangerschaft am größten sein.

Simpson entband drei ätherisirte Frauen, von denen die eine eine Mißstaltung des Beckens hatte, mit Leichtigkeit, und ohne daß die Geburt im mindesten gestört wurde.

Hammer wandte bei einer 18jährigen Kreißenden die Einathmung an. Schon nach 2 Minuten hörten Schmerz und Klage auf und es trat ein schlafähnlicher Zustand ein. Die Wehen setzten 6-7 Minuten aus, stellten sich dann aber wieder kräftig ein, und nach 20 Minuten war die Geburt beendigt, worauf das Bewußtsein wieder eintrat. Die Frau war sich alles dessen was geschehen war gänzlich unbewußt, und fragte als sie das Kind sah, ob es das ihrige sei. – Auch bei weiterer Anwendung des Aethers bei Niederkunften, beobachtete Hammer keine üble Folgen.

Bei einem 26jährigen Frauenzimmer in Paris wandte Bouvier im Augenblick der heftigsten Geburtswehen 8 Minuten lang Aetherdämpfe an, worauf kurz vor der Unempfindlichkeit eine heftige Aufregung eintrat. Dann wurde es mit einem Male ruhig und regungslos und zugleich hörte die Contraction der Gebärmutter auf; erst nach einer halben Stunde traten wieder Wehen ein, worauf die Geburt glücklich von Statten ging. Die Gebärmutter verhielt sich jetzt ganz unthätig, doch folgte ein starker Blutabgang.

Dubois wandte die Aetherbetäubung bei einer jungen Erstgebärenden an, bei welcher man nach langer, schmerzhafter und erfolgloser Geburtsarbeit die Zange anlegen mußte. Nach einigen Minuten des Einathmens wurde sie gefühllos, und das Kind leichter und schneller als in ähnlichen Fällen geboren. Die ersten Töne des Kindes erweckten die Mutter wieder, welche versicherte, bei der Geburt nichts gelitten zu haben. Bei einer anderen Frau, welche schon öfter geboren hatte, geschah die Aethereinathmung während der Anlegung der Zange. Der Aether wirkte hier gerade umgekehrt, während die geistigen Fähigkeiten aufgehoben waren schien die Schmerzempfindung nicht verringert zu sein, denn die Kranke schrie während der künstlichen Entbindung, erinnerte sich aber nach Beendigung der Geburt nicht mehr der Schmerzen. Dubois anderweitige Betäubungen während der Entbindung, trugen sämmtlich zur wesentlichen Erleichterung bei. Zwei von diesen Frauen starben indessen einige Tage nach der Niederkunft am Kindbettfieber. Die Schuld hiervon wird der in der Maternité von Paris herrschenden Epidemie zugeschrieben, denn die genaueste Untersuchung der Leichen zeigte keine anderen Erscheinungen als solche, welche man bei den an dieser Krankheit Verstorbenen antrifft. Weder im Gehirn, noch im Rückenmark, noch in den Athmungsorganen wurde etwas entdeckt, was dem Aether hätte zur Last gelegt werden können.

Aus der Zusammenstellung der wenigen bis jetzt vorhandenen Beobachtungen über den bei der Geburt erzeugten Aetherrausch, ergiebt sich mit Ausnahme der Todesfälle bei Dubois, daß das neue Mittel den natürlichen Verlauf des Wochenbettes nicht stört. Es wurden danach weder starke Blutflüsse noch Nervenzufälle beobachtet. Auch die Gebärmutter kehrte in der gewöhnlichen Zeit zu ihrem natürlichen Zustande zurück. Welchen Einfluß die Aetherisation auf die Milch in den ersten Tagen geäußert habe, findet man nicht erwähnt. Auf die Neugebornen äußerte sich die Aetherisation der Mutter durch Beschleunigungen des Pulsschlages, welcher wohl bis auf 30 Schläge in der Minute vermehrt war, mithin einen Unterschied von 160 gegen 125 in der Minute zeigte. Andere Abweichungen von dem natürlichen Vorfalle wurden bei den Kindern nicht beobachtet.

Ich will nicht entscheiden, ob der Aether in der Geburtshülfe so allgemein werden wird wie in der Chirurgie, doch glaube ich es nicht, weil eine Niederkunft etwas Natürliches, eine chirurgische Operation etwas gegen den ursprünglichen Sinn der Natur ist. So viel scheint aber wahrscheinlich, daß man bisweilen sehr schwere, schmerzhafte Geburten, wo sonst die Zange nöthig ist, entweder ohne oder mit dieser mit Erleichterung machen wird.

Ich kann nicht in die Streitigkeiten eingehen, welche in politischen Blättern zwischen tüchtigen Aerzten über die Anwendbarkeit und Nichtanwendbarkeit des Aethers in der Geburtshülfe geführt worden sind. Verschiedenheit der Ansichten und Meinungen über wissenschaftliche Gegenstände sollten bei Männern, welche einen gleichen edlen Zweck verfolgen, nie zu persönlichen Fehden werden, und dann am wenigsten, wenn sie zur Kurzweil der Nichtärzte dienen.

Anwendung der Aetherdämpfe in der inneren Heilkunde.

Bei inneren Krankheiten hat die Anwendung der Aetherdämpfe bis jetzt nur noch eine sehr beschränkte Anwendung gefunden und meistens nur bei nervösen Leiden eine palliative Hülfe gewährt. Beim Emphysem der Lunge sah Wolf bei einem jungen Manne in seiner Klinik große Erleichterung danach eintreten. Die Einathmung der Aetherdämpfe zeigte sich auch bisweilen bei hysterischen Anfällen äußerst wirksam, indem sie dieselben oft augenblicklich hoben. In anderen dagegen wurden dadurch heftige Zufälle hervorgerufen und das Uebel eher verschlimmert als verbessert. So sah Piorry zuerst zwar Verbesserung der hysterischen Paroxysmen bald aber Rückfälle. In Wien beobachtete man dagegen äußerst günstige Wirkung in der Hysterie, allemal wurden dadurch die Anfälle gemildert. In neuralgischen Leiden wurde dadurch bisweilen große Linderung verschafft. Strempel beobachtete beim tic douloureux und bei Koliken äußerst günstige Wirkungen davon. Beobachtungen der letzten Art machte man auch in Wien. – In der Bleikolik versuchte Bouvier den Aetherdunst in verschiedenen Zwischenräumen, und versicherte, dadurch die Krankheit in wenigen Tagen vollständig gehoben zu haben. Honoré ebenfalls beim Gesichtsschmerz, Nasse bei manchen anderen Schmerzen. Nach Bonnet wurden bei Epileptischen die Anfälle durch die Aetherisation wenigstens gemildert. In Wien zeigte das Mittel bei Epileptischen eine verschiedene Wirkung. Bei einem Kranken wurden die Anfälle danach häufiger, bei einem zweiten seltener, und bei einem dritten traten keine auffallende Veränderungen ein. Auf Wahnsinnige äußerte der Aether anfangs nur die gewöhnlichen, allgemeinen Wirkungen, auf das Leiden selbst aber gar keine, eher indessen eine Verschlimmerung als Verbesserung. (Kronser.) Bei einer tobsüchtigen Selbstmörderin brachte Manec Betäubung unter den bei Gesunden gewöhnlichen Erscheinungen hervor, so daß er ein Haarseil ohne Schmerzen legen konnte. Nachdem die Person wieder zu sich gekommen war, bat sie um Gift.

Bei einer delirirenden Wöchnerin, versichert Bouvier, die Aetherdämpfe zwar ohne Erfolg, aber auch ohne Nachtheil angewendet zu haben. Unter diesen Umständen ist das Mittel gewiß eben so gefährlich als die Krankheit.

Gegen den Starrkrampf versuchte Ranking die Aetherisirung, die Krämpfe wurden dadurch aber auf eine Schrecken erregende Weise heftiger, so daß er von ferneren Versuchen, dies Mittel bei krankhaftem Zustande anzuwenden, abräth. Nicht minder glücklich war Roux mit den Aetherdämpfen beim Starrkrampf, und nach seinem eigenen Geständniß wurde die ohnedies kurze Lebensdauer des Patienten noch um etwas verkürzt.

Was also der Aetherdunst in der inneren Heilkunde noch leisten wird, steht von der Zukunft zu erwarten, bis jetzt hat er dem Aether, in Substanz durch den Mund genommen, nicht um seinen alten Ruhm gebracht.

Anwendung der Aetherdämpfe in der gerichtlichen Medizin.

Baudens, oberer französischer Militärarzt, empfiehlt die Aetherbetäubung bei dem Verdachte von Verstellungskrankheiten, um hinter die Wahrheit zu kommen. Hat Hr. Baudens, welchen ich sonst hochschätze, solche Listen bei den Arabern, unter denen er so viele Jahre mit der französischen Armee lebte, gelernt? Will er uns ein neues, perfides Mittel zur Enthüllung der Wahrheit lehren? Dies Mittel ist aber treuloser als die Unwahrheit. Genug Baudens wandte sein Mittel bei zwei armen jungen Conscribirten an, welche wahrscheinlich nicht große Lust hatten, in Algerien auf den Schakalfang zu gehen und lieber den heimathlichen Boden pflügen wollten. Der erste stellte sich der Untersuchungskommission mit einem großen Buckel vor. Man schöpfte Verdacht, daß er simulire, um vom Militärdienste frei zu kommen. Baudens betäubte ihn jetzt durch Aetherdämpfe vollständig. Danach trat Erschlaffung des ganzen Körpers ein, und mit ihr verschwand der Buckel! Der Mensch wurde also auf diese Weise überführt und gestand die Simulation ein. Bei dem zweiten Conscribirten glaubte Baudens auch, daß er simulire und zwar eine Verwachsung des Hüftgelenkes. Er ätherisirte ihn ebenfalls, worauf der Zustand einer vollkommenen Empfindungs- und Bewußtlosigkeit mit Erschlaffung aller Muskeln eintrat. Aber die Gelenksteifigkeit mit allen ihren charakteristischen Merkmalen blieb vollkommen die nämliche wie vor der Betäubung. Er war also sicher, daß der Kranke nicht simulire.

Ich muß mein lebhaftes Bedauern über diesen Mißbrauch des edlen Aethers ausdrücken. Zu dergleichen Ränken sollte sich der Arzt nie herabwürdigen, um die Wahrheit zu ermitteln. Möge er sich seiner Wissenschaft ohne Aether bedienen. Die Verweigerung dieses Mittels muß meiner Ansicht nach, dem Verbrecher eben so gut zugestanden werden, wie dem Kranken vor einer chirurgischen Operation. Der erste hier erzählte Fall compromittirt den Arzt als Menschen, der zweite aber auch als Arzt, da er nicht durch Hülfe der honnetten Wissenschaft im Stande war, die wirkliche Gelenkverwachsung zu erkennen, und zur gewaltsamen Betäubung eines Unglücklichen seine Zuflucht nehmen mußte, um das Vorhandensein der Krankheit auf diese Weise festzustellen. Wahrscheinlich ist dem letzten Kranken keine Art von Genugthuung geworden.

Herr Baudens hat also den Weg gebahnt, die Aetherbetäubung in die Criminal-Justiz einzuführen. Vielleicht liegt diese Zeit nahe. Amerika, das Land, aus dem der Aetherdunst zu uns als nützliche Entdeckung herüber gekommen ist, hat dadurch die Schmach der Erfindung des Pensylvanischen Schweigsystems noch keinesweges wieder gut gemacht. Welche traurige Verirrung, welchen inneren Haß gegen die Menschheit, welche Bosheit drückt es nicht aus, den Menschen des Wortes zum Menschen zu berauben! Schon die Barbarei des Alterthums streifte an das moderne Schweigsystem, indem es dem Verbrecher die Zunge ausriß oder ihn in eine Nische einmauerte. Das sieben Schritte lange, drei Schritte breite Grab des Lebenden, die zur Steigerung der Strafe gar gerundete Zelle, um selbst dem Gedanken jeden Anhaltspunkt zu rauben, führt ihn noch leichter zum Wahnsinn. Nicht der Anblick des blauen Himmels, der ewig sich verändernden Formen der Wolken und der Himmelsgestirne ist ihm vergönnt, sondern eine höhnische, stachelnde Helle, tausendfach gebrochen durch ein zahllos facettirtes Glas, den Augen der Insekten ähnlich, welche die Natur ihnen, um viel und weit zu sehen, gab, formte der Mensch diesen nach, damit der Unglückliche dadurch geblendet, nicht sehe.

Wir sind auf einen schrecklichen Weg durch die gesteigerte Intelligenz gerathen. Die Wirklichkeit eines peinlichen Justizbildes wäre die folgende. Der eines Ansteckungsstoffs verdächtige Verbrecher wird in der Vorhalle des Pensylvanischen Gefängnisses mit Chlordämpfen ausgeräuchert. Hierauf gelangt er in die Aetherdunsthalle. Hier glätten sich alle Falten seines Seelenlebens, und das, was an Leibes- und Seelentrug in ihm ist thut sich frei vor dem Aether auf, worauf der Unglückliche nach der Größe der Schuld entweder in der langen oder in der runden Zelle büßt, bis ein willkommener Wahnsinn ihn von seinen Qualen befreiet.

Ich habe hier nur meinen Abscheu gegen das Pensylvanische Gefängnißsystem, welches ich in England näher kennen lernte, ausdrücken wollen. Da man dort so eben davon zurückkommen will, wird man es bei uns wohl einführen!

Von der Anziehungskraft des Aetherrausches.

Der höchst verführerische Aetherrausch, welchen bereits viele Gesunde aus Wißbegierde oder Vorwitz gekostet haben, scheint seine mächtige Anziehungskraft immer mehr und allgemeiner zu äußern. Kranke, welche unter Anwendung des Aethers operirt waren, sehnten sich häufig nach der empfundenen Seeligkeit zurück, so daß ich mehrmals die Aeußerung hörte, sie würden sich noch ein Mal einer Operation unterziehen, wenn es mit Aether geschehen könnte. Diese Beobachtung ist auch von anderen Aerzten gemacht worden. So drückt sich Kronser in seiner Schrift höchst naiv über diese Aetherleidenschaft folgendermaßen aus: »Da früher oder später nachtheilige Folgen bei wiederholtem Gebrauche des Aethers begreiflicherweise eintreten müssen, so ist in Rücksicht dessen schon, weil er wegen des Vorzugs, den vom Taback gesuchten Genuß, in noch schnellerem, höherem und angenehmerem Grade zu versetzen, so leicht und billig erlangt werden kann, es also auch ein Nachtheil, denn da mit 6 Kreuzer C.-M. Schwefel-Aether, und dem Apparat 10 Kr. C.-M., die Auslagen gemacht sind, so dürfte derselbe allzuleicht zu schädlichem Mißbrauch verleiten.«

Eine neue Leidenschaft, ähnlich der der Opiumesser in China, steht uns also bevor. Aber noch Traurigeres sehen wir im Hintergrunde, den Selbstmord durch Aether. Er wird wahrscheinlich den grausigen, freiwilligen Eisenbahntod bald verdrängen. Ist doch der Mensch immer so sinnreich und grausam in der Selbstvernichtung. Er trinkt mit Begierde Schwefelsäure, er verschlingt Arsenik, er ißt Glasstücke, er stürzt sich von Höhen herab, um sich zu zerschmettern, er wirft sich ins Wasser, er sprengt sich den Schädel, er erstickt sich mit Kohlendampf – wir sind beim Aetherdampf angelangt. Er wird sein Gesicht mit einem mit Aether getränkten Schwamm bedecken und, in seelige Träume eingewiegt, hinübereilen!

In die Hand des Verbrechers ist ein neuer Dolch in dem Aether gegeben. Der Verbrecher sucht immer neue Bahnen, und im Aether wird er Mittel gegen Eigenthum, Person und Leben Anderer finden. Kronser fürchtet, man könne einen durch Aether Betäubten davon tragen, um sich seiner zu bemächtigen. Eine in ein kleines Gemach ausgeschüttete Flasche mit Aether würde eine ganze sanft schlummernde Familie entweder betäuben oder tödten; die freigelassenen und angezündeten Aetherdämpfe werden den Raubmörder zum Brandmörder machen. Ist doch bereits die Kunde vom Aether in die einsamsten Gefängnisse gedrungen, und hat nicht schon ein in Frankreich zum Tode verurtheilter Verbrecher um die Gnade, vor der Execution ätherisirt zu werden, angehalten?

Diese Besorgnisse mögten jedoch nur Träume sein. Immer aber wäre es zu rathen, den Aether den gefährlichsten Giften gleichzustellen und nicht bloß das Aetherisiren unbefugten Personen zu verbieten, sondern auch den Aether selbst dem großen Haufen zu versagen und denselben nur heilkundigen Männern nach ihrer Vorschrift zu verabfolgen. In mehreren Staaten sind in dieser Beziehung bereits lobenswerthe Verordnungen erlassen.

Von der wahrscheinlichen Aehnlichkeit des Aetherrausches mit dem Sterben.

Das Ende dieses Lebens ist der Tod. Um dahin zu gelangen, müssen wir sterben. Im Sterben sind wir noch halb auf dieser, halb schon in jener Welt. Der Mensch fürchtet den Tod nur des Sterbens wegen als etwas Entsetzliches, als etwas Qualvolles. Die Aetherbetäubung giebt hierüber herrliche Aufschlüsse, sie ist ein Sterben mit Rückkehr zu diesem Leben. Im Aetherrausch spiegeln sich die verschiedensten Formen des Sterbens ab, vom sanften Hinüberschlummern mit seeligem Blick bis zum Ausdruck des wildesten Widerstrebens. Aber selbst dieser so schmerzlich scheinende Zustand ist wie das Sterben oft von den angenehmsten Empfindungen begleitet, und was äußerlich schrecklich erscheint, ist nur ein Spiel der Muskeln und das Röcheln nur ein mechanisches Athmungsgeräusch.

Chirurgische Operationen, welche ich unter Anwendung der Aetherdämpfe vorgenommen habe.

Schon zu Anfang dieses Jahres erfuhr ich von England aus die Jackson'sche Entdeckung, und bald darauf erhielt ich von Frankreich aus die Bestätigung der schmerzstillenden Eigenschaften der eingeathmeten Aetherdämpfe bei chirurgischen Operationen. Die Sache, welche mit allerlei Uebertreibungen ausgeschmückt war, schien mir aber mancherlei Bedenken zu haben und von so ernster Art zu sein, so gegen alle bewährten medizinischen und chirurgischen Grundsätze und Erfahrungen zu sprechen, daß ich mich nicht sobald zur Nachahmung entschließen konnte. Ich wollte lieber der letzte als der erste Nachfolger in einer Lebensfrage der leidenden Menschheit sein. Nachdem indessen Männer wie Liston, Key, Roux, Velpeau u. A. glückliche Erfolge berichteten, nachdem auch aus mehreren Gegenden unseres Vaterlandes immer mehr günstige Nachrichten sich verbreiteten, entschloß ich mich, ich kann wohl sagen, mit einigem Widerstreben, zur näheren Prüfung der Wirkung der Aetherdämpfe und dann zu ihrer Anwendung bei chirurgischen Operationen. Die indessen bald darauf eintretenden Ferien unterbrachen die in der Klinik begonnenen Operationen unter Aether, so daß ich einstweilen nur an Privatkranken beobachten konnte. Bei diesen Operationen standen mir mit größter Aufmerksamkeit die Doctoren Holthoff, Völker, Reiche, Hr. Hildebrandt und Dr. Meyer bei. In der Klinik kann ich nicht genug den Eifer und die Theilnahme rühmen, welche der Herr Sanitätsrath Angelstein, so wie die Doctoren Steinrück, La Pierre und Schuft bezeugten, wie unermüdlich sie in ihren Beobachtungen bei und nach den Operationen waren, um den Kranken jede Erleichterung zu gewähren und durch sorgfältige Beobachtung die Wissenschaft zu bereichern.

Ich bediente mich in der ersten Zeit complicirter französischer Apparate mit Ventilen, fand aber bald einen einfacheren, wie derselbe oben beschrieben worden, bei weitem zweckmäßiger. Bei dem Einathmen der Dämpfe wurde die größte Vorsicht angewendet, und niemals das Einathmen bis zur Asphyxie fortgesetzt, so daß kein Menschenleben gefährdet wurde. Von dem angerathenen Probeathmen kam ich indessen bald zurück, weil es öfter trügerische Resultate gab und die späteren Aethereinathmungen oft ganz andere Zufälle zur Folge hatten als die früheren. Von mehrmonatlichen Kindern bis zum höheren Alter hinauf habe ich chirurgische Operationen mit Aether gemacht; aber niemals bei Personen, deren Constitution das neue Mittel verbot, wie bei Anlage zu Schlagfluß, bei Reizbarkeit der Luftröhre und der Lunge, bei Schwächlichen welche zu Blutflüssen hinneigten und s. w. Ausgeschlossen wurden auch diejenigen Operationen, welche ihrer Kleinheit und schnelleren Ausführung wegen nicht auf Aether Anspruch machen konnten, so wie mehrere so große, daß die zu besorgende große Blutung und Erschöpfung nur durch die Aethereinathmungen vermehrt werden könnten. Auch aus örtlichen Rücksichten operirte ich nicht mit Aether so wie z. B. in einigen Fällen mit großen Rachenpolypen wegen zu befürchtender Erstickungsgefahr.

Die Krankengeschichten sind lebende Bilder zu dieser Schrift; einigen ist eine besondere Zierde durch eigene schöne Schilderung des Zustandes der Kranken ihres Aetherrausches geworden. Vielleicht finden Aerzte darin Einiges, welches Ihnen der Beachtung werth erscheint.

Ausziehen einer Messerklinge aus der Hand.

Louis Schneider, ein 27jähriger, kräftiger Mann, kam mit der angeschwollenen, unbrauchbaren rechten Hand in die Klinik. Er sagte, er sei vor 3 Jahren mit einem spitzigen Tischmesser in der Hand gefallen, das Messer sei nicht weit vom Griff abgebrochen, und auf dem Rücken der Hand, nahe am Zeigefinger, habe sich eine Wunde vorgefunden, welche bald darauf geheilt sei. An dieser Stelle befand sich jetzt eine kleine eiternde Oeffnung, durch welche man mit der Sonde auf einen harten Körper stieß. Ich zweifelte nicht, daß die Klinge noch in der Hand und zwar zum Theil in dem Metacarpalknochen des Zeigefingers stecke und in schräger Richtung bis zur Handwurzel hinreiche. Der Mann wurde nun durch Aetherdämpfe betäubt. Das geschah binnen 4 Minuten vollständig. Anfangs war der Rausch wild, er riß die Augen auf, schrie und zeigte sich unbändig. Auf sanftes Zureden wurde er ruhiger, schloß die Augen wieder, und ich konnte die Operation anfangen. Ein Assistent hielt die Hand gut fest. Hierauf vergrößerte ich die Fistelöffnung bis zu einem Zoll, führte die Schnäbel einer starken, geraden Zange, womit die oberen Schneidezähne ausgezogen werden, ein, faßte den Rand der Klinge am Bruchende und zog dieselbe erst nach großer Anstrengung, da sie durch ihre verrostete Oberfläche im Knochen festgehalten wurde, aus. Sie hatte die Länge eines kleinen Fingers, war schwarzblau und an beiden Seiten corrodirt. Bei dem ganzen gewaltsamen Akt des Herausziehens verhielt sich der Kranke ruhig und nachdem er wieder zu sich gekommen war, konnte er sich nur undeutlich des ganzen Vorganges erinnern. Die Wunde wurde dann mit Pflasterstreifen verbunden.

Operationen an der Brust.

Das 30jährige Fräulein L., von zartem Körperbau, war vor einem Jahre von einer skirrhösen Drüsengeschwulst von der Größe eines Hühnereies, welche ihren Sitz zwischen der linken Brust und der Achselhöhle hatte, befreit worden. Ungeachtet einer sorgfältigen Nachbehandlung hatte sich in der Nähe der Stelle, an welcher früher die Operation gemacht worden war, eine neue, steinharte Geschwulst von derselben Größe gebildet, welche aller angewendeten Mittel, des Zittmann'schen Decocts, des Jods, der äußerlichen Einreibungen und der Blutegel ungeachtet, immer stärker wurde, so daß ich der Kranken zu einer neuen Operation rieth, als an einer Stelle der Aufbruch sich vorbereitete.

Nachdem die Kranke vor der Operation drei Minuten die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, wobei der Puls anfangs schneller, dann wieder langsam, das Athmen tief und kräftig wurde, schien sie betäubt zu sein. Ich umgab die Geschwulst nun mit zwei länglichen, in spitzen Winkeln zusammenlaufenden Schnitten, und trennte sie dann vom äußeren Rande des großen Brustmuskels los. Während der nur einige Augenblicke dauernden Operation gab die Kranke keinen Laut von sich, kniff aber die Hände krampfhaft zusammen; dann rollte sie die halb geschlossenen Augen nach oben, seufzte einigemal tief, zeigte übrigens keine bedenklichen Erscheinungen. Die Wirkungen des Aethers waren schnell vorübergehend, denn nach dem Bedecken der Wunde und dem Zubettebringen war das Bewußtsein wieder klar, nur die Abspannung noch sehr groß. Die Kranke beschrieb das, was sie empfunden, mit eigenen Worten folgendermaßen.

»Als ich mich zum Einathmen des Aethers anschickte, nahm ich mir fest vor, so ruhig wie möglich einzuathmen. Sobald mir der Schlauch an den Mund gebracht wurde, sog ich den Aetherdunst gleich so heftig ein, daß ich nach dem ersten Athemzuge glaubte, es würde mir unmöglich sein, ruhig fortzuathmen. Ich fühlte, wie der Aether in alle Theile der Brust und des Kopfes drang und im Kopfe ein eigenthümliches Sumsen, fast Klingeln, erregte und daß, obgleich mein Bewußtsein noch vollkommen klar war, bald Betäubung erfolgen müsse. Da mir gesagt wurde, nicht mit solcher Heftigkeit einzuathmen, so machte ich es langsamer. Der Athem wurde mir nun immer kürzer, mein Bewußtsein blieb aber noch vollkommen klar, bis plötzlich eine gewisse Umnebelung meiner Sinne eintrat. Dennoch hörte ich jedes Wort, welches die Umstehenden sprachen, ich unterschied auch, wer sprach. Mit der größten Aufmerksamkeit achtete ich auf meinen Zustand und fühlte deutlich, daß ich bald bewußtlos werden würde. Meine Gedanken verwirrten sich aber nicht im Geringsten, auch verursachte mir das Einathmen jetzt keine Unbequemlichkeiten oder Schmerzen. Jetzt fühlte ich, daß man mich langsam auf die Matratze niederlegte und dachte dabei, nun wird das Bewußtsein verschwinden. Meine Angst war aber ganz vorüber. Wie lange es währte, bis ich bewußtlos wurde, konnte ich nicht beurtheilen, noch weniger wie lange die Bewußtlosigkeit anhielt. Ich hatte keine Träume und als ich wieder zu mir kam, hörte ich zuerst die Stimme des Hrn. D. Ich war nun sogleich bei vollkommenem Bewußtsein, aber meine Empfindung kehrte erst etwas später zurück. Alle Schrecken der Operation traten erst jetzt vor meine Seele, denn ich glaubte, sie solle erst geschehen, ich vermogte nicht zu sprechen oder mich zu bewegen, nicht einmal die Augen zu öffnen. In dem Augenblicke fühlte ich einen Ruck im Arm und ich glaubte das wäre die Operation, doch war diese schon vorüber, und ich stieß einen lauten Schrei aus, daß ich selbst darüber erschrak. Jener Schmerz rührte aber nur von einer Bewegung des Armes her. Jetzt hörte ich sagen: »es ist noch eine Ader zu unterbinden«, worauf ich es wagte, die Augen zu öffnen. Ich muß also von der Operation gar nichts gefühlt haben und ich sehe wohl ein, daß der Aether mich gegen die Schmerzen der Operation unempfindlich machte. Nachdem ich wieder aufgerichtet war, fühlte ich weder Schwindel noch Schmerzen und mich frei von jedem Unbehagen.«

L. L.


Mad. S., die Frau eines fremden Kaufmannes, 32 Jahr alt, kam einer bösartigen Krankheit der rechten Brust wegen nach Berlin. Vergebens hatte die Kunst bis dahin alle Mittel erschöpft, die glückliche Mutter blühender Kinder wollte um jeden Preis leben, und der gräßliche Anblick einer kindskopfgroßen, an mehreren Stellen aufgebrochenen Brustdrüse mit champignonartigen, rothen Wucherungen zeigte deutlich die Natur eines bösartigen Schwammes. Ich konnte mich anfangs nicht zu der Operation entschließen und nahm dieselbe, weniger durch das Flehen der Kranken, als durch die nach einer längeren Zittmann'schen Cur herbeigeführte Erschlaffung des kranken Gebildes bewogen, vor.

Nach vier Minuten langem Einathmen der Aetherdämpfe zeigte die Kranke keine Empfindung mehr. Jetzt begann ich die Operation, indem ich in weiten Grenzen die kranke Brust und die stellenweis zerstörte Umgebung umschnitt und dann die enorme Geschwulst von den darunter liegenden Theilen ablöste. Die Blutung dabei war außerordentlich stark, und eine Menge krankhaft erweiterter Pulsadern überschütteten mich und die Gehülfen mit einem blutigen Regen, wobei ich aufs deutlichste bemerkte, daß das arterielle Blut sich kaum in seiner Färbung von dem aus dem Gewebe und den großen durchschnittenen Venen hervorquellenden dunklen Blute unterschied. Unter der Operation stieß die Arme leise, gegen das Ende derselben laute Klagetöne aus, doch beim Erwachen aus dem Aetherschlaf versicherte sie, nichts von der Operation empfunden zu haben. Sie wurde dann verbunden und ins Bette gebracht. Außer mehreren jungen Aerzten war Hr. Reg.-A. Dr. Müller und Hr. Dr. Jäger bei der Operation zugegen.


Einer Dame von mittleren Jahren exstirpirte ich eine bösartige Geschwulst von der Größe einer starken Faust aus der rechten Brust. Die Patientin war sehr ängstlich. Der Puls hatte unmittelbar vor der Operation 100 Schläge. Das Einathmen der Aetherdämpfe geschah ohne alle Beschwerde. Die ersten Züge verursachten leichtes Husten. Die Pulsfrequenz der ersten Minute betrug 110, und stieg in der zweiten bis auf 130 Schläge. Die Kranke fühlte jede irgend empfindbare Berührung ihres Körpers, beantwortete die an sie gerichteten Fragen, und zeigte im Ausdruck und in der Farbe des Gesichts nicht die geringste Veränderung. In der dritten Minute sank der Puls auf 120. Die Augen waren geschlossen, ihr Gesicht jetzt ein wenig mehr geröthet. In der darauf folgenden vierten Minute fiel der Puls bis auf die Zahl von 100 Schlägen, die er vor dem Beginne der Aethereinathmung gehabt hatte; Empfindung und Bewußtsein der Patientin waren erloschen. Während der Operation, welche ich in der Art ausführte, daß ich die Verhärtung mit zwei ovalen Schnitten umgab und dann vom Grunde löste, verrieth die Kranke keine Empfindung des Schmerzes. Ein unbestimmter, weder der Freude noch dem Schmerze angehörender Ton und eine instinktmäßige Bewegung der Hand nach dem leidenden Orte hin waren die einzigen Regungen. Die Bewußtlosigkeit dauerte noch einige Augenblicke nach der Operation fort. Sie richtete mit geschlossenen Augen ihren Oberkörper etwas in die Höhe und bemühte sich, mit der Hand nach der Wunde zu fassen. Das Gesicht zeigte hierbei jene eigenthümliche Mischung von Lust und Schmerz, wie man sie oft in den Zügen der Aetherisirten beobachtet. Erst nachdem die Wunde verbunden war, konnte man ihr die Ueberzeugung verschaffen, daß die Operation bereits geschehen sei. Die Kranke schrieb in Bezug auf die Operation Folgendes. »Nachdem ich den Aether eingeathmet hatte, fühlte ich, daß man mich niederlegte. Ich habe weder die Operation noch einen Schmerz empfunden, doch fühlte ich, daß das Blut warm herabfloß, auch daß man die Adern zuband. Nach der Zeit war ich bei vollem Bewußtsein. In meinem bewußtlosen Zustande habe ich weder Träume gehabt, noch sind mir Bilder vorgekommen.«

J. H.


Eine Dame in den vierziger Jahren, seit längerer Zeit an einer schmerzhaften Vergrößerung der linken Brust leidend, gegen welche die ausgezeichnete Behandlung der Aerzte fruchtlos gewesen war, kam nach Berlin. Die Brust von kugelrunder Gestalt und der Größe eines kleinen Kindskopfes war mit ihrem Grunde nur locker zusammenhängend und zeigte sich bei der Untersuchung elastisch. Auf der Oberfläche sah man einige ausgedehnte Venen bläulich durch die Haut hindurchschimmern. Die Haut selbst war durch den beträchtlichen Umfang der Geschwulst zwar sehr verdünnt, übrigens aber gesund. Die Achseldrüsen waren nicht angeschwollen. Die Kranke von zarter Constitution und einem höchst reizbaren Nervensystem wünschte bei der Operation dringend die Anwendung der Aetherdämpfe. Eine am Tage zuvor angestellte Prüfung mit dem Mittel erzeugte schon binnen einer Minute einen fast bewußtlosen Zustand, welcher nach einigen Minuten wieder verschwand.

Diese erfreuliche Erscheinung belebte den Muth der durch langes Leiden tief erschütterten Kranken und ließ sie hoffnungsvoll auf die vorzunehmende Operation hinblicken. Der verhängnißvolle Tag brach an. Geh. Rath Busch, der Arzt der Kranken, und mehrere junge Aerzte waren bei der Operation zugegen. Diesmal gelang das Aetherisiren nicht so gut wie vorher, und es dauerte zehn volle Minuten, während welcher Zeit sich die Kranke mehrmals erbrach, bis Empfindungslosigkeit eintrat. Der Puls hatte 18 Schläge in ¼ Minute. Anfangs war die Kranke sehr aufgeregt, und mehrere Ausbrüche heftiger Leidenschaftlichkeit mit schnellem, gereiztem Pulse, wildem Blicke, Zurückstoßen der helfenden Hände der Aerzte veranlaßten uns, den Sturm erst vorübergehen zu lassen. Mit dem Eintritt einiger Ruhe, bei 15 Pulsschlägen in ¼ Minute, begann ich die Operation, welche in einigen Augenblicken vollendet war; dabei erfolgte öfteres starkes Aufstoßen und Erbrechen wie in der Trunkenheit, worauf nach Bedecken der Wunde die Kranke in ihr Bett gebracht wurde. Wo bin ich? sagte sie dann mit Heftigkeit, indem sie die Augen wieder öffnete, was soll mit mir geschehen? Wir beruhigten sie, daß Alles vorüber sei. Sie wollte dies aber durchaus nicht glauben und widersprach lebhaft. Erst die Untersuchung mit der eigenen Hand überzeugte sie, daß sie wirklich die Operation überstanden, und ohne das Mindeste davon gefühlt zu haben.


Bei einer Dame von einigen 40 Jahren hatte sich seit geraumer Zeit zwischen der linken Brust und der Achselhöhle eine steinharte, mit dem Rande des Brustmuskels und den Rippen fest verwachsene Drüsengeschwulst von verdächtigem Charakter gebildet, so daß die Exstirpation nöthig wurde. Die Kranke athmete die Aetherdämpfe ¼ Stunde lang, und erst dann trat Empfindungslosigkeit von einem schlafähnlichen Zustande begleitet, ein. Zwei lange Ovalschnitte, welche die mit der Geschwulst verwachsene Haut umfaßten, wurden gemacht, die Geschwulst mit der Muzeux'schen Zange hervorgezogen und dann aus dem Grunde ausgeschält. Dies war das Werk einiger Augenblicke, worauf die spritzenden Arterien unterbunden, und die Wunde mit Pflasterstreifen genau vereinigt wurde.

Bei dieser Kranken ist zu bemerken, daß vom ersten Augenblicke des Einathmens der Dämpfe das Gesicht sich stark röthete, daß die Empfindungs- und Bewußtlosigkeit sehr spät eintrat, daß schon vorher Uebelkeit und Erbrechen sich einstellte und sich auch nach der Operation wiederholte, und daß die Kranke hinterher angab, von der Operation durchaus nichts empfunden und durchaus nicht geträumt, sondern ruhig geschlafen zu haben. Hr. Reg.-Arzt Branco hatte die Güte, mich bei dieser Operation zu unterstützen.


Mad. K., 44 Jahr alt, eine geistvolle, zarte Dame, mit einer großen, fest aufsitzenden skirrhösen Entartung der ganzen linken Brustdrüse, welche soeben aufzubrechen drohte, entschloß sich nach Jahre langem vergeblichem Gebrauch der bewährtesten Mittel, besonders durch die folterähnlichen Schmerzen getrieben, zur Abnahme der Brust. Nach 6-8 Minuten der Einathmung der Aetherdämpfe machte ich die Operation. Zwei elliptische, von der Achselhöhle schräg abwärts nach dem Brustbein zu verlaufende Schnitte umfaßten die kranke Haut und die vergrößerte Drüse. Letztere wurde dann an ihren Rändern und an ihrem Grunde, welcher sehr fest mit dem Brustmuskel zusammenhing, abgetrennt. Während der ganzen Operation gab die Kranke, welche vollkommen bewußtlos war, keinen Laut von sich. Nach Beendigung derselben stellte sich Erbrechen ein, welches sich auch später wiederholte. Nachdem die Patientin wieder zu sich gekommen war, versicherte sie, keine Spur von Schmerz empfunden zu haben und nicht zu wissen, daß sie operirt worden sei.


Zu den gräßlichsten Operationen gehört die Abnahme der Brust, wenn diese durch Markschwamm einen sehr großen Umfang erreicht hat. Frau N., einige 40 Jahre alt, kam mit einer fast menschenkopfgroßen Anschwellung der linken Brustdrüse in die Klinik. Die Unglückliche war schon früher anderweitig an einer faustgroßen Krebsgeschwulst oberhalb der Brustdrüse operirt worden, worauf die Drüse selbst anfing sich zu vergrößern und den erwähnten Umfang zu erreichen. Vergeblich waren die verschiedensten Mittel angewendet worden, doch blieb jetzt nichts anderes übrig, als die Operation zu unternehmen, nach welcher die Arme schon der unerträglichen Schmerzen wegen sich wie nach einer Erquickung sehnte. Der Größe der Operation wegen ließ ich die Kranke zuvor durch Aether tief betäuben, wozu 10 Minuten erforderlich waren. Da die Haut auf der Drüse gesund war, so konnte ich davon so viel sparen, als zur vollständigen Deckung der Wunde nöthig schien. Zwei halbmondförmige Schnitte, in deren Mitte die Warze lag, wurden quer über die Brust durch die Haut geführt, diese abgelöst, die ungeheure Geschwulst von ihrem Boden abgetrennt, und zuletzt noch eine Achseldrüse von der Größe einer mäßigen Pflaume von der nämlichen Wunde aus exstirpirt. Die Blutung aus unzähligen erweiterten Gefäßen war so stark, daß Alles im Blute schwamm, und wenigstens 3 Pfund desselben verloren gingen; doch wurde sie schnell durch Unterbindung, durch Kälte und Druckverband gestillt, und später, als eine Nachblutung weniger zu besorgen war, die Wundränder vereinigt. Von der Operation hatte die Kranke gar nichts empfunden, doch war ich froh, als ich sie erst wieder im Bette sah, da die Betäubung tief, und der Blutverlust so bedeutend war. Wahrscheinlich war aber die Stärke der Blutung bei diesem hohen Grade der Betäubung nützlich. Nach 3 Wochen war die Wunde geheilt.


Wittwe St., 68 Jahr alt, litt an einer faustgrossen Krebsgeschwulst der linken Brust, welche die ganze Drüse einnahm, steinhart war, fest aufsaß und nach vorn gegen das Brustbein zu bereits eine aufgebrochene Stelle zeigte. Unerträgliche Schmerzen nöthigten die arme Frau zu der Operation. Nachdem sie nur zwei Minuten ätherisirt worden war, schien sie vollkommen betäubt zu sein. Ich führte zwei halbovale Schnitte durch die Haut, welche am Brustbein und gegen die Achselhöhle zu in spitzen Winkeln zusammentrafen, und löste dann die Brustdrüse von den Rippen ab. Die Blutung war sehr stark, und die durchschnittenen Arterien spritzten an vielen Orten. Gesunde Haut war bei der Operation zur Deckung der Wunde im Ueberfluß erspart worden. Als die Kranke, welche bei der ganzen Operation weder gezuckt noch einen Laut von sich gegeben hatte, wieder zu sich kam, sah sie die Umstehenden erstaunt an und konnte nicht begreifen, daß sie schon operirt sei, denn sie hatte das ganze blutige Ereigniß angenehm verträumt.

Operation der Nerven-, Balg- und Fettgeschwülste.

Zu den Uebeln, welche im Stande sind, bei anscheinender Unbedeutendheit die fürchterlichsten Erscheinungen zu erregen, gehört die Nervengeschwulst (Neurom). Ein solches Neurom, nur von der Größe einer Erbse, hatte bei einer jungen, blühenden, 30jährigen Frau seinen Sitz dicht über der inneren Seite des rechten Kniees. Es war dies Uebel wegen seiner unerhörten Schmerzhaftigkeit, indem feurige Blitze von dem kleinen, harten Punkt aus nach allen Seiten durch das ganze Glied hinschossen, so recht geeignet, den Aether auf die Probe zu stellen, wenn ich die Geschwulst operirte. Kaum hatte die Kranke drei Minuten lang die Dämpfe eingeathmet, als sie sanft zurücksank und vollkommen empfindungslos wurde. In dem Augenblick machte ich einen kleinen Einschnitt von ⅙ Zoll Länge, fixirte die frei gewordene Geschwulst mit einem Häkchen und trennte sie mittelst eines strohhalmbreiten Messerchens in einem Augenblicke heraus. Als die Frau dann wieder zu sich kam, war sie ganz erstaunt und versicherte, bei der Operation nicht allein keinen Schmerz empfunden zu haben, sondern gar nicht zu wissen, daß sie schon operirt sei. Die Wunde wurde dann mit einem Pflasterstreifen geschlossen.


Frau P. litt seit Jahren an einer bohnengroßen Nervengeschwulst an der inneren Seite des linken Fußes unfern vom Knöchel. Unglaubliche Schmerzen, welche wie Blitze das ganze Glied durchzuckten und sich zuweilen bis in den Unterleib hineinerstreckten, wonach ein heftiger hysterischer Anfall eintrat, hatten die Kranke bereits sehr erschöpft. Vor der Operation wurde dieselbe 1½ Minuten ätherisirt, worauf sie bewußtlos wurde. Ich spaltete die Haut, faßte die Geschwulst mit einem Häkchen und schnitt sie aus. Die Kranke empfand dabei gar nichts und kam bald wieder zu sich.


Ein junger Mann, dem ich eine Balggeschwulst von der Größe eines Taubeneies über dem äußeren Rande des rechten oberen Augenlides exstirpirte, verrieth, ungeachtet er vier bis fünf Minuten lang Aetherdämpfe geathmet hatte, ein deutliches Schmerzgefühl. Auch nachdem seine Sinne wieder vollkommen klar geworden waren, versicherte er, bei der Operation lebhafte Schmerzen gehabt zu haben.


Ein Mann von 40 Jahren trug seit längerer Zeit eine Balggeschwulst von der Größe einer Bohne im rechten oberen Augenlide nahe am Augenwinkel. Nachdem derselbe zuerst mit einem aus einer Blase und einem Mundstücke bestehenden Athmungsapparat drei Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, und noch nicht die geringste Wirkung eintrat, hielt ich ihm einen mit Aether befeuchteten Schwamm vor Mund und Nase. Nach zwei Minuten verlor er die Empfindung, und auch das Bewußtsein wurde getrübt. Unter tiefem Stöhnen vollendete ich mit ein Paar Schnitten die Entfernung der kleinen Balggeschwulst, deren ursprünglich reiner, klarer, wässriger Inhalt sich bereits in eine braune Flüssigkeit verwandelt hatte, welches einen nahen Aufbruch der Geschwulst andeutet. Nach der Operation wußte der Mann nichts von dem, was mit ihm vorgegangen war.


Clara H., 1 Jahr alt, hatte zwischen der Nase und dem unteren rechten Augenlide eine entstellende Balggeschwulst von der Größe einer Haselnuß, deren Inhalt aus zarten Zellgewebshöhlen mit einem kalkigen Niederschlage bestand. Vor der Operation wurde das Kind 2½ Minuten lang ätherisirt, ohne daß das Schreien aufhörte. Ich exstirpirte die Geschwulst mit zwei elliptischen Schnitten und heftete die Wundränder durch 4 feine Knopfnähte, worauf jede Entstellung verschwunden war. Der Schmerz schien nicht empfunden worden zu sein.


Caroline B., 36 Jahr alt, hatte an der hinteren Seite der rechten Schulter eine feste Sackgeschwulst, deren Inhalt ein dicker Brei war. Nach 2½ Minuten der Aetherisation stellte sich ein unruhiger Rausch ein, doch konnte ich die Operation, wobei ich die Haut auf der Geschwulst durch einen langen Schnitt spaltete und dann die Exstirpation vornahm, ohne Störung vollführen. Die Kranke war dabei empfindungslos und hatte die Operation nur dunkel, aber ohne Schmerzen wahrgenommen.


Eine sehr große Fettgeschwulst auf dem Rücken eines jungen Mädchens hatte dasselbe stets mit bangem Gefühl erfüllt, wenn es nur entfernt an die Operation dachte. Immer größer wurde das Gewächs, immer grösser die Angst, an ein Verbergen durch die Kleider war nicht mehr zu denken, da die Geschwulst die Größe eines mittelmäßigen Kürbisses erreichte. Der Aether kam und mit ihm der Muth zur Operation. Die Kranke athmete ihn 6 Minuten lang ein, bis sie empfindungslos wurde, dann führte ich zwei elliptische Schnitte über den Rücken hinab, umfaßte damit den verdünnten Theil der Haut auf der Höhe der Geschwulst und trennte sie von ihrer Verbindung. Dabei gab die Patientin keinen Laut von sich und versicherte, nachdem sie verbunden war, durchaus nichts von der Operation empfunden zu haben, obgleich sie genau die Worte des Assistenten, welcher in ihrer peinlichen Lage ihr zunächst gestanden und sie unterstützt hatte, wiederholte.


Ferdinand K., 30 Jahr alt, athmete 3 Minuten lang den Aetherdunst, worauf ein ziemlich heftiger Rausch mit völliger Empfindungslosigkeit eintrat. Es wurde ihm dann wegen seiner großen Unruhe nicht ohne Schwierigkeit die Balggeschwulst ausgeschnitten. Schmerzen empfand er dabei nicht.

Die Operation des Blutschwamms.

Die Operation des gutartigen Blutschwamms (der Angiectasie und Telangiectasie) kam nur bei Kindern vor. Die Aetherwirkung zeigte sich bei ihnen auf eine auffallende Weise verhältnißmäßig später als bei Erwachsenen, und die Kinder, welche schon vor der Operation schrieen, fuhren damit öfter auch unter der Operation, nur leiser und mit verändertem Ton fort.


August R., 10 Monate alt, athmete 2½ Minuten. Er schrie vorher mit lauter Stimme, mit dem Eintritt der Bewußtlosigkeit verwandelte sich das anhaltende Schreien in einzelne unterbrochene Laute. Ich begann dann die Operation eines 2 Zoll langen, ½ Zoll breiten, sehr erhabenen Blutschwamms an der rechten Seite der Brust, indem ich denselben mit einer Balkenzange seiner Länge nach zusammendrückte, mit zwei langen Concavschnitten umgab und dann in der Tiefe ablöste. Eine Menge ausgedehnter Arterien ergossen in vielen Strahlen das Blut, so daß es 8 umschlungener Insectennadeln zur genauem Vereinigung der Wundränder und zur Stillung der Blutung bedurfte. Das Kind schien keine Schmerzen empfunden zu haben und kam sogleich wieder zu sich.


Marie G., 8 Monate alt, war mit einem kleinen Blutschwamm an der inneren Seite der rechten Schamlefze geboren, welcher allmälig zwei Drittheile ihrer Oberfläche in eine vorragende, dunkelrothe Geschwulst mit sammtartigem Ueberzuge verwandelt hatte. Die Operation durfte nicht länger aufgeschoben werden, da gefährliche Blutungen zu fürchten waren. Das Kind, welches auf dem Schooße der Wärterin gehalten wurde, athmete mittelst eines Schwamms 3 Minuten lang Aetherdämpfe ein, worauf es mit Schreien plötzlich nachließ und aussah, als wolle es einschlafen. Ich faßte nun den Blutschwamm mit einer kleinen Balkenzange, schnitt ihn mittelst eines kleinen, strohhalmbreiten Messers durch zwei elliptische Incisionen aus, und vereinigte dann die Wundränder durch fünf Knopfnähte, wodurch gleichzeitig die starke Blutung gestillt wurde. Die Operation schien ohne allen Schmerz gewesen zu sein. Das Kind kam nach Besprengen des Gesichts mit kaltem Wasser sogleich wieder zu sich.


Marie P., 10 Monate alt, war mit einem kleinen Blutschwamm des Kopfes auf der Mitte des linken Scheitelbeins geboren. Man hatte dagegen vergebens allerlei zusammenziehende Mittel angewendet, doch der Blutschwamm, statt sich zu verkleinern oder gar zu verschwinden, war immer größer geworden und hatte zuletzt den Umfang eines kleinen Thalers und eine Höhe von 2 Linien erreicht. Das Kind, welches stark war, unbändig schrie und kaum gehalten werden konnte, wurde, nachdem es 1 Minute lang Aetherdämpfe geathmet hatte, schlaff und müde. Ich führte zwei convergirende Messerschnitte bis auf die Beinhaut durch die Geschwulst und ließ von ihrem Rande so viel stehen, daß die Vereinigung der Wunde möglich war. Das aus vielen durchschnittenen erweiterten Gefäßen hervorstürzende Blut wurde schnell durch 6 lange, starke, mit Fäden umschlungene Insectennadeln gestillt, deren Druck auf die Ränder die Verdichtung des ausgedehnten Gewebes herbeiführen sollte. Nachdem die Nadeln dicht an den Fäden abgeschnitten waren, wurde eine kalte Compresse aufgelegt. Unter der Operation drückte das Kind nur durch dumpfes Stöhnen einen unbehaglichen Zustand aus; nach derselben kam es auf Besprengen mit kaltem Wasser sogleich wieder zu sich.


Pauline Z., 1 Jahr alt, hatte einen erhabenen Blutschwamm von der Größe und der Gestalt einer kleinen Bohne am oberen Theil der linken Wange. Nachdem das stark schreiende Kind 1 Minute lang ätherisirt worden war, wurde es plötzlich still und matt. Ich schnitt darauf die Geschwulst durch zwei halbelliptische Schnitte aus und vereinigte die Wunde durch drei umschlungene Nähte. Dann erst erwachte das Kind wieder.


M. A., 7 Monat alt, mit einem feuerrothen, stark erhabenen Blutschwamm von der Größe eines Silbersechsers an der linken Seite der Stirne wurde 4 Minuten lang ätherisirt. Das heftige Schreien wurde dann matter, ich schnitt den Schwamm, ohne daß das Kind Schmerzen verrieth, heraus und vereinigte die Wunde durch drei umschlungene Insectennadeln. Gleich darauf war es wieder ganz munter.


Friederike M., 4 Monat alt, war mit einem Blutschwamm der rechten Seite der Oberlippe geboren, welcher sich bis zu dem Umfange einer mäßigen Himbeere vergrößerte, die ganze Dicke der Lippe einnahm und sich bis an das rechte Nasenloch erstreckte. Das stark schreiende und sich wehrende Kind wurde erst nach 3 Minuten der Einathmung vollkommen ruhig und schloss die Augen halb. Mit Leichtigkeit konnte ich einen Keil, welcher den Blutschwamm in sich faßte, ausschneiden und durch vier umschlungene Insectennadeln nicht nur die Wundränder genau vereinigen, sondern auch zugleich die sehr starke Blutung stillen. Das Kind kam nach der Operation sogleich wieder zu sich.


Der 4 Monat alte Schiffersohn, August P., war mit großen Blutschwämmen des Gesichts und einem an der Brust geboren, welcher fast den Umfang einer flachen Hand erreicht hatte. Zuerst wollte ich die Operation eines sehr erhabenen, von der Größe eines Thalerstücks, an der rechten Seite der Stirne vornehmen; das Kind wurde, nachdem es 2 Minuten lang Aetherdämpfe geathmet hatte, vollkommen ruhig, worauf ich zwei Drittheile der Geschwulst durch zwei elliptische Schnitte entfernte und darauf sechs umschlungene Nähte, wodurch sogleich die sehr heftige Blutung gestillt wurde, anlegte. Die Operation schien nicht empfunden zu werden. Besprengung mit kaltem Wasser hob die Betäubung sogleich.


Marie H., 3 Monat alt, war mit einem Blutschwamm an der rechten Seite der Stirne geboren. Derselbe bildete einen feuerrothen, von oben nach unten zu verlaufenden, 1½ Zoll langen und ⅓ Zoll breiten, mäßig erhabenen Bergrücken. Das Kind schrie auf dem Schooße der Wärterin fürchterlich, und selbst nach einer 4 Minuten langen Aetherisation dauerte das Schreien, aber mit verändertem Tone fort, obgleich es unempfindlich war. Ich schnitt dann den Blutschwamm vollständig aus und vereinigte die Wundränder durch sechs feine umschlungene Insectennadeln. Dann war das Kind wieder bei Bewußtsein und hörte auf zu schreien.


Ein bösartiger Zellenblutschwamm hatte sich bei einem jungen, blühenden, 26jährigen Manne seit frühester Kindheit im unteren Drittheil des Rückens an der linken Seite der Wirbelbeine ausgebildet und endlich die Größe eines flachen Hühner-Eies erreicht. Die darüber liegende Haut war von weißbläulicher Farbe, und die Geschwulst prall und fest. Erst bei einem längeren und stärkeren Druck verkleinerte sie sich allmälig und verschwand zuletzt vollkommen; hob man dann die Compression auf, so trat die Anschwellung von neuem wie früher hervor. Ich vermuthete, daß das Uebel der so selten vorkommende Zellenblutschwamm sei und rieth dem Kranken zur Operation. Unmittelbar vor derselben ließ ich ihn Aetherdämpfe einathmen, welche ihn schon binnen zwei Minuten völlig betäubten. Der Kranke wurde auf den Bauch gelagert, und der Rücken durch unter den Leib gelegte Polster herausgewölbt, theils um die Haut zu spannen, theils um die Geschwulst stärker prominirend zu machen. Ich führte nun einen fingerlangen Schnitt über die Geschwulst fort, welche darauf in der Größe und Gestalt eines Hühner-Eies von blaurother Farbe sichtbar wurde. Ich zog sie dann mit einem Doppelhaken hervor und durchschnitt die Muskelmasse des Rückens, aus welcher sie hervorgewuchert war, dicht über und dicht unter ihr, wobei ich eine lebhafte Retraction der Muskelfasern wahrnahm, und trennte zuletzt ihre Verbindungen an der unteren Fläche. Die beträchtliche Blutung wurde dann gestillt, und über den Verband kalte Umschläge gelegt. Während der gegen mehrere Minuten dauernden Operation gab der Kranke auch nicht das leiseste Zeichen von Empfindung und war erst, nachdem er auf sein Lager gebracht war, zu überzeugen, daß er Alles glücklich überstanden habe.

Operation einer Pulsadergeschwulst.

Ein 28jähriger Landmann litt seit einem Jahre an einer Pulsadergeschwulst in der Tiefe der Gesäßmuskeln an der rechten Seite. Die Veranlassung dazu war eben so merkwürdig als die Krankheit selbst. In einem Faustkampfe mit einem anderen Manne seiner Gemeinde warf jener den letzteren zu Boden. Während er über ihm lag und ihn seine Uebermacht fühlen ließ, sprang der 6jährige Knabe des Ueberwundenen herbei und stach den Ueberwinder seines Vaters mit einem Messer tief in das Gesäß. Die Wunde wurde von einem tüchtigen Arzt ganz zweckmäßig behandelt und heilte bald. Einige Zeit darauf bemerkte man indessen in der Tiefe eine umschriebene, pulsirende Geschwulst, welche, als ich den Kranken sah, bis zu dem Umfange eines kleinen Gänse-Eies sich vergrößert hatte. Sie steckte tief zwischen den Muskeln und fühlte sich hart an, pulsirte aber nicht deutlich. Es war keinem Zweifel unterworfen, daß durch jenen Messerstich eine tiefliegende Arterie verletzt, und dadurch eine falsche Pulsadergeschwulst gebildet war, welche bei ihrem Sitze, ihrer Größe und ihrer langen Dauer nur durch die Operation geheilt werden konnte. Vorher ließ ich den Kranken Aetherdämpfe einziehen. Nachdem dies fünf Minuten lang geschehen war, wurde der Puls langsamer, und es trat Empfindungslosigkeit, von einem bewußtlosen Zustande begleitet, ein. Bei den ersten Einschnitten seufzte der Kranke tief, dann stieß er einige unartikulirte Töne aus und bewegte sich, als wolle er sich der fremden Gewalt entziehen. Ich umschnitt den harten Sack der Pulsadergeschwulst bis zu ihrem Grunde, spaltete ihn dann, um das dicke Blutgerinnsel herauszunehmen und mehr Platz zur Aufsuchung der angeschnittenen Arterie zu gewinnen. Nachdem dies geschehen war, umstach ich die einmündende, spritzende Arterie mit einer krummen Nadel, knüpfte die Fadenenden fest zusammen, schnitt darüber den Sack ab und verband die Wunde. Gegen das Ende der Operation kam der Kranke etwas wieder zu sich. Er verhielt sich wie ein Schlaftrunkener und versicherte, daß er bei der Operation keine sehr heftigen Schmerzen ausgestanden habe.

Operationen des Kropfes.

Ein Mädchen in den Dreißiger-Jahren, welches an einer schwammigen Kropfgeschwulst, fast von der Größe eines halben Menschenkopfs litt, sah sich genöthigt, gegen ihr Uebel, welches von öfterer Erstickungsgefahr begleitet war, bei mir Hülfe zu suchen. Alle bekannten, wirksamen Mittel waren früher vergebens angewendet worden, der Kropf wuchs ohne Aufenthalt und machte das Leben zur unerträglichen Last. Wegen der Größe der Geschwulst war ein Ausschneiden derselben, welche überhaupt bei den meisten Kropfarten mit Lebensgefahr verbunden ist, nicht zu unternehmen. Ich beschloß daher, den Kropf durch ein Haarseil in Eiterung zu setzen und dadurch eine Schmelzung desselben herbeizuführen. Nachdem die Kranke drei Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, wurde sie empfindungslos, das Bewußtsein war noch zum Theil vorhanden. Jetzt durchstach ich schnell den Kropf in seiner Mitte und führte das Haarseil hindurch. Unmittelbar nach der Operation war die Kranke wieder bei vollem Bewußtsein und gab an, sich des Operationsaktes dunkel bewußt gewesen zu sein, und nur geringe Schmerzen empfunden zu haben.


Herr K., 28 Jahr alt, von schlankem Körperbau, litt an einer großen Kropfgeschwulst, welche im schnellen Zunehmen begriffen war, und durch Zusammenpressen der Luftröhre und der großen Gefäße des Halses das Athmen erschwerte und die Cirkulation des Blutes im Kopfe bedeutend störte. In seinem Vaterlande, Oesterreich, von den berühmtesten Aerzten mit Jod u. s. w. zweckmäßig behandelt, sah er zu seiner Bekümmerniß die wenigstens kindskopfgroße Geschwulst täglich wachsen und seinen Zustand immer peinlicher machen. Die Geschwulst nahm die linke Seite des Halses ein, erstreckte sich jedoch über diese Seite hinaus. Sie fühlte sich stellenweis hart und weich an und war, da sie mit den unterliegenden Theilen fest zusammenhing, unverschiebbar. Die Unwirksamkeit der Arzeneimittel war erkannt, und nur noch operative Hülfe übrig. Die Exstirpation schien mir aber fast absolut tödtlich, das Durchziehen eines Haarseils, weil der Kropf massiv war und keine Säcke enthielt, eben so gefährlich. Die Unterbindung der oberen Schilddrüsenschlagader zur Verödung der Geschwulst hielt ich hier für die einzige zu rechtfertigende Operation, obgleich der Kropf kein aneurysmatischer war. Was mein Vertrauen auf die Ligatur der gedachten Arterie vergrößerte, war die bedeutende Erweiterung der nach hinten gedrängten Arteria carotis communis. Nachdem der Kranke vorher einige Minuten ätherisirt worden war, stellte sich Betäubung mit fortdauernder Empfindlichkeit ein. Dann erwachte er wieder, gerieth in einen sehr aufgeregten Zustand und rollte dabei die Augen bei weit geöffneten Augenlidern so stark nach oben, daß nur ein Theil der Hornhaut sichtbar blieb. Jetzt legte ich den Kranken nieder, führte einen 3 Zoll langen Schnitt am äußeren Rande der Geschwulst herab und legte das Gefäß sogleich bloß. Der frei gewordene Theil der carotis communis, die carotis cerebralis und facialis, so wie die Arteria thyreoidea waren beträchtlich erweitert – die erstere von der Dicke eines kleinen Fingers, letztere von der eines Gänsefederkiels. Nachdem ich die Schilddrüsenarterie an ihrem Ursprunge ringsum frei gemacht hatte, führte ich mit einem feinen geöhrten Haken einen dünnen Faden um dieselbe herum, unterband sie, schnitt ein Fadenende am Knoten ab und vereinigte die ganze Wunde mittelst Pflasterstreifen.

Jetzt erst kam der Kranke wieder vollkommen zu sich; er gab an, die Operation nur undeutlich gefühlt zu haben, obgleich er bei derselben sprach und sich in einer gewissen Aufregung befand. In der Geschwulst war in Folge der Unterbindung keine wesentliche Veränderung zu bemerken. Am Abend war dieselbe etwas turgescirend und heißer anzufühlen. Der Kranke fühlte sich sehr angegriffen und zeigte eine geringe fieberhafte Aufregung.

Exstirpation der Mandeln.

Hugo E., 11 Jahr alt, ein munterer, liebenswürdiger Knabe, litt seit langer Zeit an einer so beträchtlichen Vergrößerung beider Mandeln, daß diese als zwei eiförmige Geschwülste der Luft und den Nahrungsmitteln Hindernisse in den Weg legten, und auch Schwerhörigkeit durch Zusammendrücken der eustachischen Röhre erzeugten. Vor der Operation wurde der Knabe zwei Minuten lang ätherisirt. Empfindungs- und halbe Bewußtlosigkeit traten hierauf ein. Die müden Augen waren zur Hälfte geschlossen, willig eröffnete das Kind den Mund, ließ die linke Mandel mit dem Haken fassen und mit dem geknöpften Fistelmesser ausschneiden. Beim Ausspülen des Mundes kam er wieder etwas zu sich, that einige neue Athemzüge und wurde dann eben so schnell auch von der zweiten Tonsille befreit. Nach Verlauf von einigen Minuten kehrte der natürliche Zustand wieder zurück. Der Knabe erinnerte sich nicht an das, was mit ihm vorgegangen war.


Ein 14jähriger Knabe mit einer sehr bedeutenden Vergrößerung der Mandeln, wodurch Schwerhörigkeit, erschwertes Athmen und Schlucken und schlechtes Sprechen erzeugt war, wurde vor der Operation drei Minuten lang ätherisirt. Dann verlor er Gefühl und Bewußtsein, stöhnte tief, bewegte die Arme unwillkürlich hin und her und schloß den Mund fest mit zusammengebissenen Zähnen. Ich mußte einige Minuten lang warten, bis diese krampfhaften Erscheinungen vorüber waren, und halbes Bewußtsein, aber mit andauernder Gefühllosigkeit zurückgekehrt war. Dann erst konnte ich, freilich nach einigem Widerstreben die rechte, darauf die linke Mandel mit einem Haken fassen und mit einem Pott'schen Fistelmesser ausschneiden. Die Blutung war hier eigentlich nicht stärker, als sie sonst nach der Exstirpation der Mandeln zu sein pflegt, und wurde bald durch kaltes Wasser gestillt. Das Oeffnen des Fensters und das Besprengen des Gesichts mit kaltem Wasser verscheuchten alle nächsten Nachwirkungen des Aethers.


Der 28jährige Porzellanarbeiter K. war lange Zeit mit einer lästigen Vergrößerung beider Mandeln behaftet, welche das Ausschneiden derselben nöthig machten. Nachdem derselbe 3 Minuten Aetherdämpfe eingeathmet hatte, wurde er bei anscheinend ungestörtem Bewußtsein empfindungslos. Als ich ihn bat, den Mund zu öffnen, geschah dies, worauf ich zuerst die rechte Mandel mit einem Doppelhäkchen fixirte und mit einem geknöpften Pott'schen Fistelmesser mit einem Messerzuge ausschnitt. Dasselbe geschah an der anderen Seite eben so leicht. Dann nahm ich noch eine isolirte, am Gaumen sitzende, harte Geschwulst von der Größe einer Erbse fort. Nachdem die geringe Blutung durch Ausspülen des Mundes mit kaltem Wasser gestillt war, und ich den Kranken wieder verlassen wollte, setzte mich die Frage, wann ich die Operation denn vornehmen wolle, in Erstaunen, da er doch alles Andere, was mit ihm vorgegangen war, außer der Operation selbst, bemerkt hatte. In naiven Worten schrieb er darüber: »ich war zwar bei vollem Verstande, doch glaubte ich, die Operation wäre noch nicht angegangen; ich verspürte auch nicht den mindesten Schmerz und ich muß aufrichtig gestehen, daß die Anwendung des Schwefeläthers sehr praktisch ist.«

Operationen von Nasenpolypen.

Ein Frauenzimmer von einigen 30 Jahren litt seit geraumer Zeit an beträchtlichen Nasenpolypen, welche das Innere der Nase bis zum Anfange des hinteren Theils der Mundhöhle ausstopften. Dumpfer Druck im Kopf und große Athmungsbeschwerden quälten die Arme. Sie unterzog sich freudig der Operation, athmete auf dem Stuhle sitzend ein Paar Minuten lang die Aetherdämpfe, schloß sanft die Augen, ließ die Arme am Leibe herunterhängen und gab keinen Laut von sich. Ich zog ihr dann die Polypen mit einer Zange aus, ohne daß die Kranke die mindeste Bewegung machte, oder auch nur durch ein Zucken des Gesichts irgend eine unangenehme Empfindung ausgedrückt hätte. Dann schlug sie die Augen auf, lächelte, wunderte sich, daß sie die Luft frei durch die Nase einziehen könne, und versicherte, daß sie durchaus nichts von der ganzen Operation wisse.


Etwas verschieden war das Verhalten eines Mädchens von 25 Jahren, dessen ganze Nasenhöhle mit Schleimpolypen ausgefüllt war. Nachdem 3 Minuten lang Aetherdämpfe geathmet waren, trat Empfindungslosigkeit, von einigen Seufzern und Verdrehen der Augen begleitet, ein. Statt des schlaffen Herabhangens der Glieder bei jener Kranken zogen sich hier alle Muskeln krampfhaft zusammen. Erst nachdem ich die Polypen mit einer Zange ausgezogen hatte, wurden die Glieder welk. Dann kam das Mädchen wieder vollkommen zu sich, sah mich staunend an und sagte: »am Ende ist es wohl schon vorbei, ich bin wohl operirt worden, ich habe es nicht gefühlt. Geben Sie mir ein Glas kaltes Wasser, mir ist so wüst im Kopfe.« Nachdem sie getrunken, fühlte sie sich wieder vollkommen wohl.


Ein Mann von 40 Jahren kam mit Nasenpolypen, welche den Luftweg durch die Nase gänzlich verschlossen, in die Klinik. Ich fand das Ausziehen derselben nöthig. Vorher wurde derselbe ätherisirt. Nach vier Minuten trat Empfindungslosigkeit und gänzliches Aufhören des Bewußtseins ein. Ich drang zuerst mit der Zange in das rechte Nasenloch ein und zog gleich beim ersten Zuge einen sehr großen, gelblichen, halbdurchsichtigen Schleimpolypen aus, welcher an Gestalt dem eingemachten Ingwer ähnlich war. Eben so brachte ich aus dem linken Nasenloch einen beträchtlichen Polypen heraus. Unter der einige Secunden währenden Operation stieß der Kranke mehrere tiefe Seufzer aus und machte einige abwehrende Armbewegungen. Nach Beendigung derselben wußte er nicht, was mit ihm vorgegangen war.


Der 22jährige Schuhmacher F. mit Nasenpolypen wurde, nachdem er nur 1 Minute lang ätherisirt worden war, vollkommen passiv und empfindungslos. Ich zog ihm die Polypen aus beiden Seiten der Nasenhöhle aus, ohne daß er etwas davon fühlte.


Julius P., mit großen fibrös-speckigen Nasenpolypen, durch welche das knöcherne Nasengerüste auseinander gedrängt war, wurde nach 4 Minuten der Einathmung betäubt. Ich konnte die Polypen, ohne daß sich eine Schmerzempfindung bei dem Kranken äußerte, aus beiden Nasenhöhlen mit der Zange ausziehen, ungeachtet diese sich bis zur Rachenhöhle erstreckten. Erst nach Beendigung der Operation erwachte er und blickte erstaunt um sich. Er hatte die ganze Operation angenehm verträumt.


Es kam ein 12jähriger Knabe mit einer höchst abschreckenden Physiognomie in die Klinik. Die Mitte des Gesichts war weit herausgewölbt, und Nase und Wangen bildeten zusammen einen gleichmäßigen Hügel; die Augen lagen weit vor. Diese grausenhafte Entstellung war die Folge von fibrösen Geschwülsten, welche in dem hinteren Theil der Nasenhöhlen bis zum Gaumen hin sich gebildet und die Gesichtsknochen von einander gedrängt hatten. Seit Jahren war durch diese Geschwulst der Athmungsweg durch die Nase vollkommen abgesperrt, und das unglückliche Kind daher immer genöthigt, durch den weit geöffneten Mund zu respiriren. Mit jedem Monat nahmen die Gewächse in der Nase an Umfang zu, die Augenhöhlen wurden zusammengedrückt und die Augäpfel immer mehr herausgedrängt. Auch stand ein baldiger Durchbruch durch die breitgezogenen, verdünnten Nasenknochen bevor, so wie auch Erstickungsgefahr im Schlafe vorhanden war. Vergebens hatte man sich schon früher bemüht, durch Ausziehen mittelst Zangen einen Theil des Aftergebildes zu entfernen, bis endlich das Kind nach Berlin gebracht wurde.

Nicht ohne Sorge schritt ich zu der tief eingreifenden Operation, welche ich von den Nasenlöchern aus wegen der Größe und Ausdehnung der Geschwülste für unmöglich hielt. Auch hatte ich die große Reizbarkeit des Kindes zu scheuen, welches bei dem Gedanken an eine neue Operation zitterte, obgleich es deren Umfang nicht ahnte. So sehr ich mich auf die Anwendung der Aetherdämpfe in diesem Falle freute, so war dieselbe doch bei dem gänzlich aufgehobenen Athmen durch die Nase äußerst bedenklich, und es mußte um den Knaben nicht der Erstickungsgefahr auszusetzen, äußerst behutsam zu Werke gegangen werden. Ich ließ das Einathmen der Aetherdämpfe daher in Absätzen vornehmen und zwischendurch wieder atmosphärische Luft einziehen, trieb die Sache aber nicht bis zur Bewußtlosigkeit, sondern begann die Operation mit dem Eintritt der ersten Zeichen der Empfindungslosigkeit. Ich machte nun zuerst zwei herabsteigende Schnitte durch die Gesichtshaut an der Stelle, wo im natürlichen Zustande die Gränze zwischen der Nase und den Wangen sich befindet, und vereinigte diese unter der Nase durch einen Querschnitt. Den auf diese Weise gebildeten Lappen, welcher die ganzen Knorpel und Weichgebilde der Nase enthielt, wurde von dem Grunde getrennt und nach Durchschneidung der Scheidewand und Lösung vom Knochengerüste in die Höhe geschlagen. Während ein Assistent die umgekehrte Nase an der Stirn festhielt, konnte ich zu dem frei und offen liegenden vorderen Theil der Geschwulst gelangen. Sie wurde mit einem Haken fixirt und mit einer auf der Fläche gebogenen Scheere gelöst und ausgeschnitten, wobei sie sich von fester, unzerreißbarer, sehnenartiger Substanz zeigte. Die Mitte enthielt eine Höhle, welche mit einer molkigen Flüssigkeit angefüllt war. Jetzt war der Durchgang von vorn bis hinten zum Schlunde und Kehlkopf frei, alles Krankhafte entfernt, und die Operation nun durch Wiederanheften der Nase zu vollenden. Dieses bewirkte ich durch eine Anzahl feiner Nähte, und bald war das Ansehen des Kindes ein natürliches. Außer tiefem Seufzen und Stöhnen während der Operation verrieth das Kind kein deutliches Schmerzgefühl, und als es dann wieder zu sich kam, behauptete es nur, daß man es gekratzt habe.


Carl N., ein fremder Knabe von 14 Jahren, sah noch weit schrecklicher aus als der vorige, denn er hatte kaum eine menschliche Physiognomie, da die vordere Fläche des Gesichts eine Halbkugel bildete, und die Nase glatt verstrichen war. Diese Entstellung war die Folge großer, im Innern der Nasenhöhle wuchernder fibröser Polypen, welche selbst in die Thränensäcke hineinwucherten und an dieser Stelle zwei Geschwülste von der Größe einer halben kleinen Haselnuß bildeten. Die Augen lagen weit vor und der Mund war immer weit geöffnet, durch welchen der Knabe nur mühsam athmete, da die Polypen sich auch weit hinter das Gaumensegel hinab erstreckten. Dem unglücklichen Kinde war schon früher von mehreren geschickten Aerzten ein Theil der Polypen ausgezogen worden, doch hatte dies nur eine vorübergehende Erleichterung verschafft. Von dem bloßen Ausziehen war bei dem Umfange des Uebels aber wenig zu erwarten, da durch die Nasenlöcher immer nur ein Theil der Geschwulst erreicht werden konnte. Der Kranke wurde vor der Operation drei Minuten lang ätherisirt, worauf er betäubt wurde. Indessen war er bei der Operation sehr unruhig und erschwerte mir dieselbe durch heftige Bewegungen. Es mußten die Weichgebilde der eine wenig erhabene Fläche bildenden Nase zuerst in der Gestalt eines länglichen Vierecks losgetrennt und nur mit der Stirnhaut in Verbindung gelassen werden. Nachdem dies geschehen war, schlug ich diesen Lappen in die Höhe und ließ ihn an der Stirn halten. Dann entfernte ich theils mit der Säge, theils mit der Knochenscheere zu beiden Seiten der flachen Nasenknochen ein Paar pyramidenförmige Knochenstücke, deren breite Basis ¾ Zoll betrug. Von diesen weiten Oeffnungen aus konnte ich die Polypen theils mit Zange und Scheere, theils mit der Zange allein bis hinter dem Gaumensegel entfernen und selbst die Thränensäcke ausräumen. Die Menge der extrahirten Masse war enorm, die Blutung bei der Operation sehr heftig. Der Kranke behielt immer die nämliche Unruhe, ohne bei der Operation zu sich zu kommen. Endlich waren die inneren Räume der Nase bis in den Rachen hinein frei, worauf ich, nach Stillung der Blutung durch anhaltende Einspritzungen von kaltem Wasser, zur Vereinigung der gelösten Weichtheile der Nase schreiten konnte, welche dann schnell durch eine Anzahl umschlungener und Knopfnähte bewirkt wurde. In die durch Aussägen eines großen Theiles des Oberkiefers bewirkten Knochenspalten wurden dann die Weichgebilde mittelst Charpie und Pflaster hineingedrängt, nachdem die Mitte der Nase stark vorgezogen war, so daß dieselbe Prominenz gewann. Nach Beendigung der Operation versicherte der Kranke, sehr heftige Schmerzen empfunden zu haben. Die Heilung der vereinigten Wunden erfolgte schon in wenigen Tagen, und der Kranke gab ungeachtet der Größe der Operation keinen Augenblick zu Besorgnissen Gelegenheit.

Nasenbildungen.

Die rhinoplastischen Operationen, welche ich bereits unter Anwendung der Aetherdämpfe gemacht habe, sind die folgenden.

Otto K., ein 15jähriger Knabe, welchem der vordere Theil der Nase durch scrophulöse Geschwüre zerstört war, kam in die Klinik, um durch die Neubildung des verstümmelten Theiles der menschlichen Gesellschaft wiedergegeben zu werden. Am Tage vor der Operation wollte ich die Aetherdämpfe auf ihn prüfen. Nachdem er dieselben nur eine Minute lang geathmet hatte, wurde er so tief betäubt und bewußtlos, daß man ihn schnell der frischen Luft aussetzen und belebende Mittel anwenden mußte. Bald darauf war er wieder vollkommen hergestellt. Am nächsten Tage äußerte sich der Aether bei diesem jungen Menschen, welcher noch nie geistige Getränke genossen hatte, welchem Umstande wohl die schnelle Einwirkung des Aethers zuzuschreiben war, schon minder stark; er wurde erst nach 2 Minuten empfindungs- und bewußtlos, behielt aber, auf einem Stuhle sitzend, die aufrechte Stellung bei. Ich schritt zur Operation. Zuerst wurden die Ränder der verstümmelten Nase abgeschnitten, um an sie den neuen Ersatztheil anheften zu können, darauf spaltete ich den Rest des Nasenstumpfes zur Aufnahme der ernährenden Brücke, und endlich umschnitt ich an der Gränze des Haarwuchses, im höchsten Theile der Stirn anfangend, nach abwärts mit dem Messer gehend, ein dem Defect der Nase entsprechendes Stirnhautstück, welches vom Stirnbein gelöst, umgedrehet und herabgelegt, durch Nähte mit dem Nasenstumpf in genaue Verbindung gebracht wurde. Bei der ganzen Operation, welche, mit Inbegriff von 16 Nähten, 15 Minuten dauerte, selbst bei ihrem schmerzhaftesten Theile, der Abtrennung der überhäuteten Ränder des Nasenstumpfes, saß der Knabe regungslos auf dem Stuhle, ohne einen Schmerzenslaut von sich zu geben. Nachdem er ganz wieder zu sich gekommen war, wollte er kaum glauben, daß die Operation schon geschehen sei, und überzeugte sich erst durch das Hinfühlen mit den Fingern nach der neuen Nase, von der glücklichen Wirklichkeit. Als ich ihn fragte, ob er auch Schmerzen empfunden habe, versicherte er, daß er vom Augenblick des Berauschtwerdens bis zu seinem Wiedererwachen durchaus nichts von sich gewußt habe.


Louise D., ein schönes, 16jähriges Mädchen, welches in frühester Kindheit den vorderen Theil der Nase nebst der Nasenscheidewand durch skrophulöse Geschwüre eingebüßt hatte, so daß man in die unheimliche Tiefe der inneren Nase hineinblicken konnte, unterzog sich in der Klinik der Operation des Wiederersatzes des Fehlenden. Es schmerzte mich zwar, aus der schönen Stirn, so viel als ich gebrauchte, zu nehmen, doch da kein sehr großes Hautstück nöthig war, die dünne welke Armhaut sich nicht zum Bilden eignete, so durfte ich hoffen, die Ränder der Stirnwunde wieder dicht zusammenzubringen, so daß nur ein fadenförmiger Streifen den Ort bezeichnete, woher die Nasenspitze genommen war. Nachdem die Kranke zuvor drei Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, trat der Zustand der Empfindungslosigkeit ein. Jetzt begann ich das Wundmachen der Ränder des Nasenstumpfes und des oberen Theils der Oberlippe zur Einpflanzung der Scheidewand, spaltete dann den Nasenrücken, löste einen zollbreiten Streifen aus der ganzen Höhe der Stirnhaut, drehte den heruntergelegten Lappen um und befestigte ihn mit Nähten an dem Bestimmungsorte. Dies, was auf dem Papier so leicht aussieht, ward ziemlich schnell unter Stürmen, wie ich sie noch nicht erlebt habe, vollendet. Eine Reihe höchst seltsamer Erscheinungen hatte ich nämlich während der Operation bei der Kranken in Folge der Einwirkung des Aethers zu überwinden. Nachdem sie drei Minuten lang denselben eingeathmet hatte, wurde das Mädchen empfindungslos. Unter den ersten Messerzügen sprach sie von einem schönen Traume, den sie eben gehabt habe, von glänzenden Gesichtern und Gewändern, von hellen, schönen Lichtern und sanfter Musik. Dann schrie sie über ein Wehe, sie werde gekratzt, und mit jedem Augenblick wurde die Aufgeregtheit stärker und steigerte sich bis zur größten Wildheit mit herzzerreißenden Ausdrücken, als wolle man sie morden. Nur durch neue Einathmungen konnte sie besänftigt werden. Der glänzendste Erfolg der Operation belohnte das junge Mädchen für den Muth, mit welchem sie sich derselben unterzogen hatte.


Mad. K., 56 Jahre alt, ließ sich wegen einer Zerstörung des oberen Theils der Nase in die Klinik aufnehmen. Von der Nase war nur noch die knorpelige Spitze erhalten, diese jedoch eingefallen. Schon nach drei Minuten der Einathmung der Aetherdämpfe wurde sie empfindungslos. Nachdem ich die Einschnitte zur Aufnahme des einzupflanzenden Stirnhautlappens in die Gesichtshaut gemacht hatte, umschnitt ich in der Mitte der Stirn ein Hautstück von der erforderlichen Größe und der Gestalt einer umgekehrten Pyramide, löste dieses vom Knochen, drehte es um, und nachdem ich es heruntergelegt hatte, befestigte ich es mit Nähten an die zu seiner Aufnahme eingerichteten Wundränder des Nasenrestes und der Gesichtshaut. Die Stirnwunde wurde durch Nähte verkleinert und mit Charpie verbunden. Als ich die Kranke, welche jetzt allmählig zu sich kam, fragte, ob sie auch Schmerzen ausgestanden, verneinte sie dies, wohl aber erinnerte sie sich aller Umstände bei der Operation und auch jedes Wortes, welches bei derselben gesprochen wurde.

Der Erfolg der Operation war vollkommen günstig, der Lappen heilte überall an und bildete binnen Kurzem ein schönes Oval. Nach 6 Wochen war der Zeitpunkt der weiteren Formirung der Nase gekommen. Vorher wurden die Aetherdämpfe 4 Minuten lang angewendet, worauf völlige Bewußtlosigkeit eintrat. Ich nahm aus der linken Seite des Lappens durch zwei elliptische Einschnitte ein längliches Oval heraus, und entfernte durch zwei Querschnitte eine tiefe Furche, welche sich zwischen dem angesetzten Nasenrücken und dem erhaltenen, knorpeligen, vorderen Theile der Nase gebildet hatte. Hierauf wurden sowohl die Seiten als auch die Querwunde mit abwechselnden Knopf- und umschlungenen Nähten vereinigt. Während der fünf Minuten, der Dauer dieser Nachoperation, war sie vollkommen regungslos, gab keinen Laut von sich und erklärte später, nichts von der Operation wahrgenommen zu haben. Die Kranke ist bereits vollkommen hergestellt und über das natürliche Aussehen ihrer Nase höchst beglückt.


Ein 60jähriger, sehr empfindlicher Herr aus Schlesien, dem durch Krebs ein Theil der rechten Seite des Nasenrückens bis in den inneren Augenwinkel hinein zerstört war, wurde durch eine früher unternommene Ausschneidung des Krankhaften und eine allgemeine Behandlung nicht geheilt. Ich sah kein anderes Mittel, als die durch Krebs umgewandelten Theile auszuschneiden und ein gesundes Stück wieder einzusetzen. Vor der Operation athmete der Kranke nur drei Minuten lang Aetherdämpfe ein, dann wurde er empfindungslos. Ich konnte die Ausschneidung des entarteten Nasentheiles und des inneren Augenwinkels bis in die Augenhöhle hinein, so wie eines Theiles der Augenlider, vornehmen, ohne daß der Patient es merkte. Selbst als ich dann ein achtgroschengroßes Hautstück aus der Stirne löste, dies zum Ersatz der fehlenden Theile verwendete, und mit einer Anzahl Nähte befestigte, blieb er immer noch in einem völlig bewußtlosen Zustande. Erstaunt erfuhr er beim Erwachen, daß die Operation schon vollendet sei.


Israel L., 22 Jahr alt, hatte durch Skropheln den vorderen knorpligen Theil der Nase verloren. Ich ersetzte denselben kurz vor der Aetherzeit (noch unter Schmerzen) durch einen pyramidalischen, gestielten Lappen, nach Spaltung des Nasenstumpfes, aus der Stirnhaut. Der Lappen war überall genau angewachsen, und es bedurfte nur der gewöhnlichen Nachoperation zur Vollendung der Gestalt der noch unförmlichen Nase. Der Kranke wurde jetzt ätherisirt und sehr bald betäubt. Ich umgab die auf dem Rücken befindliche, erhabene Brücke mit zwei langen, concaven Schnitten, trennte das Stück ab und vereinigte die Wundränder auf dem Rücken der Nase durch eine Reihe von umschlungenen feinen Insectennadeln, deren Enden kurz an den Fäden abgeschnitten wurden. Der Kranke ertrug die Operation ohne alle Empfindung und erwachte dann aus seinem Rausche. Die Heilung gelang, und es blieb nur noch die Verbesserung der zu langen Scheidewand übrig.


Carl V., Landmann, hatte durch Herpes exedens (fressende Gesichtsflechte) die Nase großentheils verloren, nur der obere Theil war stehen geblieben und mit einer speckig entarteten, feuerrothen, mit Pusteln und Schuppen bedeckten Haut überzogen. Ein gleiches Aussehen hatten die Wangen. Der Patient wurde vor der Operation einer längeren Cur unterworfen, und jene dann vorgenommen. Nachdem er vier Minuten lang ätherisirt worden war, verschwanden die Empfindung und das Bewußtsein, es war der Zustand einer tiefen Ohnmacht. Ich konnte alle die nöthigen Einschnitte zur Aufnahme des Lappens machen, die Oberlippe innen vom Kiefer lösen, die kranke Haut von den Nasenbeinen abtrennen und einen so großen Lappen, als zum Ersatz der ganzen Nase und der Scheidewand nöthig war, aus der Stirnhaut ausschneiden, ohne daß der Kranke es fühlte oder nur merkte. Eben so regungslos blieb er bei dem Anheften der neuen Nase durch 20 umschlungene und Knopf-Nähte, so wie beim Vereinigen der Stirnwunde, welches nur so weit fortgesetzt werden konnte, als dies der Substanzverlust zuließ. Erst nach völliger Beendigung der Operation erwachte der Kranke und war verwundert, daß Alles vorüber sei. Er versicherte, durchaus keine Schmerzen empfunden zu haben. Der Erfolg war höchst günstig, und der Lappen heilte ungeachtet der Schlechtigkeit des Bodens überall an. Auch verbesserte sich in kurzer Zeit die üble Beschaffenheit der Wangen durch die Einpflanzung des gesunden Hauttheiles aus der Stirne, – eine Erfahrung, welche ich unter ähnlichen Umständen oft gemacht habe.

Operation einer großen Brandnarbe am Halse.

Fräulein Z., 14 Jahre alt, hatte in früher Kindheit durch Feuerfassen der Kleidung eine Verbrennung der Haut an der vorderen und Seiten-Fläche des Halses und unter dem Kinn erlitten. Die danach entstandenen dicken, schwieligen Narben zogen das Kinn herab, so daß eine Hautfalte in gerader Linie vom Kinn bis zur Brust herabstieg. Binnen anderthalb bis zwei Minuten trat ein Rausch ein, in dem die Patientin die Operation nur undeutlich fühlte, dabei einzelne Worte mit einer gewissen Hast aussprach. Das operative Verfahren war folgendes. Ich führte am Rande des Unterkiefers zu beiden Seiten des Kinns zwei schräge Schnitte nach abwärts, die oberhalb des Brustbeins in einem spitzen Winkel zusammentrafen. Der Hauttheil, welcher den vorragenden Theil der Narbenfalte umschloß, wurde dann als ein dreieckiger Lappen von unten nach oben zu abpräparirt, unter das Kinn hinaufgerückt, und der untere Theil der Wunde durch eine Reihe Knopfnähte vereinigt. Es war dies die Methode plastischer Operationen, welche ich in meiner Chirurgie mit dem Namen » Verdrängen « bezeichnet habe. Der Operationsort wurde mit Charpie und Pflasterstreifen bedeckt. Die Kranke gab an, undeutliche Schmerzempfindungen bei der Operation gehabt zu haben.

Operationen der Hasenscharte.

Ein schöner, 2½jähriger Knabe aus V. wurde von seinen Eltern wegen einer Entstellung des Gesichtes nach Berlin gebracht. Das Kind war mit einem Wolfsrachen und doppelter Hasenscharte geboren, und schon theilweise operirt, es war bereits der Zwischenkieferknochen entfernt, und die Lippe vereinigt worden. Alles zeugte von der großen Geschicklichkeit des Arztes, der die Verheilung der großen Spalte glücklich bewirkt und die Bildung der häutigen Scheidewand der Nase, wie es auch recht war, bis auf spätere Zeit verschoben hatte. Dieser Theil der Operation fiel mir nun zu. Die Mutter wünschte, daß ich wegen der Heftigkeit ihres Kindes den Schmerz durch Aether mindern mögte, woran ich keinen Anstand nahm. Nachdem ich einen in Aether getauchten und wieder ausgedrückten Schwamm einige Augenblicke demselben vor Mund und Nase gehalten hatte, hörte das Kind auf zu schreien, legte den Kopf hintenüber und schloß die Augen halb. Jetzt schnitt ich die narbige Mitte der Oberlippe durch zwei Schnitte aus, formirte das Läppchen, welches die Nasenscheidewand bilden sollte, und heftete die Theile durch blutige Nähte aneinander, so daß eine ganz natürliche Form herauskam. Während der Operation schrie das Kind mehrmals, ohne daß mir eine deutliche Schmerzempfindung klar wurde. Als ich es dann mit kaltem Wasser besprengte, kam es wieder ganz zu sich, und zeigte auch weiter keine Erscheinungen, welche einen nachtheiligen Einfluß des Aethers ausdrückten.


Carl T., 7 Monat alt, war mit einer Hasenscharte der linken Seite und Wolfsrachen geboren. Die Spalte erstreckte sich in die Nasenhöhle hinein, den ganzen harten und weichen Gaumen hindurch und war sehr breit. Die Nase war flach. Das Kind schrie heftig, erst nachdem es 3 Minuten lang ätherisirt worden war, wurde die Stimme verändert und leise. Ich schnitt zuerst die Ränder der Lippenspalte ab, löste dann die innere Fläche der Lippe vom Knochen und vereinigte die dadurch nachgiebig gewordene Wunde mit drei umschlungenen Insectennadeln. Das Gesicht hatte durch die Operation sogleich ein natürliches Aussehen gewonnen. Den Schmerz schien das Kind bei der Operation nur undeutlich empfunden zu haben.

Operation des Lippenkrebses.

Herr L., 70 Jahr alt, sehr rüstig und jugendlich, litt an einem aufgebrochenen Krebse an der Unterlippe. Er wurde vor der Operation 4 Minuten lang ätherisirt, worauf er unempfindlich schien. Ich schnitt dann ein Vförmiges Stück aus der Lippe und vereinigte die Wundränder durch drei umschlungene und zwei Knopf-Nähte. Der Kranke hatte nur eine geringe Empfindung von der Operation gehabt.


Herr R. St. P., einige 50 Jahre alt, litt seit längerer Zeit an einer verdächtigen Verhärtung der rechten Lippe und Wange. Schon früher war an dieser Stelle eine ähnliche Geschwulst herausgeschnitten worden. Es war kein Zweifel über die Bösartigkeit des Uebels vorhanden. Vor der Operation ätherisirte ich den Kranken, es währte aber fast eine Viertelstunde, bis Empfindungslosigkeit eintrat. Dies schien mir genug. Ich umgab das Kranke mit zwei durchdringenden Schnitten, welche einen Keil bildeten, dessen breite Basis aus einem Theil der Oberlippe nahe dem Mundwinkel bestand. Hierauf heftete ich die weite Mundspalte durch 6 Nähte zusammmen. Die Heilung erfolgte binnen wenigen Tagen auf dem ersten Wege. Von dem Aetherrausch konnte ich nur die Empfindungslosigkeit und eine gewisse Müdigkeit wahrnehmen. Der Kranke schreibt über seinen eigenen Zustand Folgendes:

»Die Wirkung des Aethers äußerte sich bei mir zuerst in den Füßen; es trat das Gefühl der Schwere ein. Allmälig umhüllte ein leichter Nebel mein Empfindungsvermögen, ohne es aufzuheben, wovon mich wiederholte kneipende Berührungen an der linken Hand und am Ohr überzeugten. Nach etwa 5 Minuten war mein Empfindungsvermögen betäubt; Gehör, Gesicht und Bewußtsein widerstanden noch, da fühlte ich, daß man meine Oberlippe und Wange stark anspannte und daß zwei Schnitte durch sie hindurch geführt wurden. Dies verursachte mir nur in der Mitte einen dumpfen Schmerz. Das Zusammenfügen der Wundränder durch die Nadeln, das Durchziehen der Fäden, habe ich empfunden, aber ohne Schmerz. Die Dauer der ganzen Operation incl. Verband habe ich auf höchstens 10 Sekunden geschätzt. Ich mag nicht entscheiden, ob die rasche Aufeinanderfolge der Operationshandlungen mich verhindert hat, zum Bewußtsein des Schmerzes zu kommen, oder ob der Zustand der Betäubung das Vermögen, den Schmerz zu empfinden, aufgehoben hatte. Nachwehen der Betäubung habe ich weder im Kopfe, noch Brust oder Extremitäten verspürt; das Ausströmen des Aethers war aber nach 24 Stunden noch bemerkbar.«

P.

Operation einer Speichelfistel.

Ein 29jähriger Mann hatte seit mehreren Jahren an Speichelfisteln der linken Wange gelitten. Durch den längeren Gebrauch allgemeiner und örtlicher Mittel war es gelungen, die beträchtliche Vergrößerung und Verdickung der Wange zu heben und die Fisteln zur Heilung zu bringen. Nur eine, und zwar die vorderste blieb offen und ergoß in anhaltender Menge den Speichel, wodurch leicht ein Abzehrungs-Zustand herbeigeführt werden konnte. Dem mußte durch die Operation vorgebeugt werden. Ich ließ den Kranken zwei Minuten lang athmen, das Bewußtsein dauerte zwar fort, aber Empfindungslosigkeit trat ein. Es war meine Absicht, die Fistel mit ihrer harten Umgegend in Gestalt eines Myrthenblattes aus zu schneiden, die äußere Wunde durch umschlungene Insectennadeln zu vereinigen und durch die innere Oeffnung der Wunde, welche durch eine eingelegte Charpiekugel an der Heilung verhindert werden sollte, einen neuen Abzugskanal für den Speichel in die Mundhöhle anzulegen. Dies wurde mit dem Eintritt der Empfindungslosigkeit leicht ausgeführt, und der Kranke drückte bei der Operation keinen Schmerz aus, versicherte, auch als er wieder ganz klar wurde, nichts gefühlt zu haben.

Operation eines Sarcoms aus der Rachenhöhle.

Ein Herr von einigen 50 Jahren, von zarter, reizbarer Constitution, litt an einer geschwürigen Degeneration, welche die untere linke Seite des Gaumensegels, den Ort des Sitzes und den oberen Theil des Schlundes bis zu einer beträchtlichen Tiefe einnahm. Von seinem früheren Arzte war das Uebel schon ein Mal durch die Exstirpation glücklich entfernt worden, doch hatte sich ein Recidiv eingestellt, welches die abermalige Operation nöthig machte. Wegen des hohen Grades der Reizbarkeit des Kranken und der Oertlichkeit des Uebels, welche eine starke Blutung besorgen ließ, wollte ich die Empfindungslosigkeit nur durch einige Aetherathemzüge etwas vermindern. Nachdem die Inhalation ein Paar Minuten lang gedauert hatte, begann ich die Operation. Die Zunge wurde stark niedergedrückt, ein langer Doppelhaken eingeführt, und der unterste Theil der Geschwulst fixirt. Hierauf umschnitt ich dieselbe mit einem geraden, abgerundeten Fistelmesser und vollendete die Abtrennung in der Tiefe mit einem gekrümmten und geknöpften Pott'schen Fistelmesser. Dann wurde noch nachträglich eine zurückgebliebene, harte Partie mit einer langen, gekrümmten Scheere entfernt. Die Blutung war mäßig. Der liebenswürdige Kranke, welcher die Operation mit größter Ergebung ertragen, meinte, die volle Empfindung des Schmerzes gehabt zu haben. Joh. Müller erklärte die exstirpirte Geschwulst nur für ein Sarkom.

Operation der Gaumenspalte.

Ein 26jähriger Mann von blühender Gesundheit und großem, kräftigem Körperbau, ließ sich einer angeborenen Spaltung des Gaumens wegen in der Klinik aufnehmen, um durch die Operation von der Mangelhaftigkeit seiner Sprache befreiet zu werden. Auch bei dieser Operation, welche zu den schwierigsten gehört, wünschte ich die Aetherdämpfe zu prüfen. Nachdem der Kranke fünf Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, stellten sich plötzlich mit Sinken des Pulses bedenkliche Erscheinungen ein. Die Augen wurden stier, Todtenblässe bedeckte das Gesicht, die Lippen wurden blau, und blaue Flecken zeigten sich auf den Wangen. Besprengen mit kaltem Wasser, Waschen der Stirn und allerlei erfrischende, kühlende Mittel wendeten die Gefahr ab. Bei dem noch halb Betäubten begann ich nun die Operation. Die Ränder der Gaumenspalte wurden mit einem Häkchen festgehalten und mit einem schmalen Messerchen abgeschnitten, dann vier Hefte von Bleidraht, mit Stahlspitzen versehen, mittelst einer Gaumenzange durch die Wundränder hindurchgeführt, die Spalte durch das Zusammendrehen der Drähte vollkommen geschlossen, und die Enden dann kurz abgeschnitten. Ganz empfindungslos war der Kranke bei der Operation nicht, doch war der Schmerz geringer, als er sonst dabei zu sein pflegt.

Operationen von Drüsengeschwülsten.

Ein junger, kräftiger, 22jähriger Garde-Husar, welchen Hr. Regiments-Arzt Puhlmann wegen einer aus großen Drüsenconvoluten bestehenden Anschwellung der linken Seite des Halses und Nackens, Behufs der Operation in das Klinikum sendete, bedurfte während sieben Minuten des Einathmens der Aetherdämpfe, um empfindungs- und bewußtlos zu werden. Zwei von oben nach unten herabgeführte, mit den Anfangs- und Endpunkten zusammentreffende tiefe Schnitte, faßten die entartete Haut und die verdorbenen Drüsen zwischen sich. Dann wurde die Haut von beiden Seiten abgelöst, die kranken Gebilde mit Doppelhaken gefaßt und aus der Tiefe exstirpirt. Erst nach Stillung der Blutung und der Anwendung des kalten Wassers erholte sich der Kranke. Er versicherte während der Anlegung des Verbandes, daß er volles Bewußtsein bei der Operation gehabt, und dieselbe gefühlt, aber nicht die Schmerzen empfunden zu haben. Sechs Wochen nach der ersten Operation war noch eine Masse überflüssiger und entarteter Haut des Halses und eine große verhärtete Drüse am hinteren Rande des Kiefers zu entfernen. Der Kranke nahm das Rohr an den Mund und athmete mit wahrer Gier ein. Nach 4 Minuten war er vollkommen betäubt. Ich umgab die entartete Hautpartie mit zwei convexen, anderthalb Finger langen Schnitten, ließ sie mit der Hakenzange anziehen und schälte die Drüse mit dem Messer, in die Tiefe dringend, aus. Dann wurde die starke Blutung gestillt, worauf der Kranke erwachte und angab, abermals nichts gefühlt zu haben.

Theilweise Resectionen der Kiefer.

Der 38jährige Carl L. litt seit Jahren an einem Knochenschwamm des vorderen Theils des Oberkiefers, wodurch die Schneidezähne nach innen gegen den harten Gaumen zu gedrängt waren. Die Oberlippe deckte die Geschwulst nicht mehr, so daß ihr vorderer Theil zwischen den Lippen hervorragte. Die Geschwulst fühlte sich knorpelhart an und war mit der Schleimhaut des Mundes bekleidet. Nach einem 4 Minuten langen Einathmen der Aetherdämpfe trat eine stumpfe Betäubung ein. Ich konnte nun den wuchernden Theil des Oberkiefers mit der Säge und dem Messermeißel wegnehmen, ohne daß der Kranke durch irgend eine Bewegung oder einen Laut eine schmerzhafte Empfindung verrieth, weder das Geräusch der Säge noch das Schlagen mit dem Hammer wurden empfunden. Dieselbe Unempfindlichkeit dauerte bei der Anwendung des Glüheisens auf die Knochenwunde und bei der Wegnahme eines nach innen umgekehrten Zahnes fort. Nach vier Minuten, – so lange währte die Operation, kam der Patient wieder zu sich. Er schien sehr heiter gestimmt zu sein, denn als ich ihn fragte, ob er Schmerzen empfunden habe, lächelte er, ohne zu antworten.


Mad. G., eine zarte Dame, litt seit Jahren an einer Knochenauftreibung der rechten Seite des Oberkiefers, welche bereits in cariöse Zerstörung übergegangen war. Sie wollte sich der Operation nur unter der Bedingung unterziehen, daß ich sie vorher ätherisirte. Dies geschah. Kaum hatte sie einige Athemzüge gethan, als sie gleich einer Verklärten auf dem Stuhle da saß. Mit einer kleinen Säge sägte ich den kranken Knochentheil aus und stillte dann die Blutung. Die Kranke hatte bei der Operation keinen Laut von sich gegeben und versicherte, nichts empfunden zu haben. Auf meinen Wunsch gab sie mir eine Beschreibung ihres Zustandes, welche gewiß vom höchsten Interesse ist, und für die ich derselben meinen Dank hiermit abstatte.

»Trotz der großen Beängstigung hatte ich mir doch vorgenommen genau aufzumerken, in welcher Art der Aetherrausch sich meiner bemächtigen werde. Als ich den Schlauch an den Mund nahm, athmete ich zuerst nicht stärker als gewöhnlich. Man sagte mir, dies reiche nicht hin, und ich nahm nun stärkere Züge, die ich herunterschluckte, ohne daß ich anfänglich irgend eine Wirkung auf meinen Körper bemerkte. Plötzlich bekam ich ein Gefühl im Kopfe, als erweitere sich derselbe zu beiden Seiten der Schläfen, und eine Müdigkeit befiel mich, die mir die Augen schloß. Als ich dieselben öffnete, erkannte ich noch Alles und hörte auch noch ganz deutlich. Indem ich sie aber wieder zumachte, war ich wie in einem milden, gelblichen Lichtmeer. Ich sah noch einmal auf, sah durchs Fenster den Tag und auf dem Fenster die Blumentöpfe. Von jetzt an verstärkte sich die magische Helle vor den Augen; sie war nicht imponirend, doch ungemein mild, klar und beruhigend. – Ich empfand ein ganz leises Auftupfen auf die rechte Hand, und hörte wie von fern her die Frage des Hrn. Dieffenbach: »ob ich dies fühle?« Doch konnte ich nicht mehr die Augen öffnen, und nur durch Zeichen es bejahen. Dann hörte ich noch, wie dumpf verschollen, Bemerkungen der Aerzte, das Gehör betreffend, (war jedoch im Stande, ihre Stimmen genau zu unterscheiden,) und fühlte auch, daß ich unwillkürlich stöhnte. – Doch hier hören meine Beobachtungen auf. – Ein Traum begann. – Fortdauernd umflossen von einer himmlischen Helle, umgab mich unbeschreibliche Ruhe, und eine unnennbare Glückseligkeit und Zufriedenheit, der jeder irdische Wunsch, jede menschliche Regung fern war, ergoß sich in meine Seele, die zugleich ein unbestimmtes Gefühl, ich möchte es dem des Dankes am nächsten stellen, empfand. Und wiederum war ich nicht unthätig, mir war, als nahm ich großen Antheil an Etwas, das mich lebhaft interessirte, ohne daß ich jetzt sagen könnte, welcher Art dies gewesen. – Aber kein leiser Anklang an Geschehenes, Vergangenes tauchte in mir auf, und den tiefen, gottvollen Frieden störte nicht die entfernteste Rückerinneruug an das Leben – es war vergessen! – Da schlug ich die matten Augen auf – ich war erwacht! – Erst Verwunderung, dann ein Gefühl von Wehmuth bemächtigte sich meiner, – der schöne Traum war zerronnen! – Ich wurde mir bewußt, ich sei auf der Erde. Da hörte ich sprechen, sah die Herren um mich, fühlte eine Art Druck im Munde und plötzlich fiel mir ein, daß ich zu einer Operation mich gesetzt hatte! – Aber die Instrumente waren weg! Die Vorkehrungen waren beseitigt, und Blut an meinem Tuche bewies mir, daß Alles geschehen sei. Mein Erstaunen war grenzenlos! – Während einer sonst gewiß sehr schmerzhaften Operation, vor der ich mich so sehr geängstigt hatte, war ich ruhiger, glücklicher gewesen, als je eine irdische Freude mich gemacht hat; während mein Körper den Leiden der Erde unterworfen gewesen war, hatte meine Seele den Himmel geträumt! – Von der Operation selbst hatte ich auch nicht das Mindeste gefühlt! Ich hatte weder Anfang noch Ende derselben bemerkt und keine einzige unangenehme Empfindung gehabt. Jetzt fühlte ich mich matt, aber sonst vollkommen wohl, nur waren meine Glieder etwas ungelenkig, und ob ich gleich wieder ganz frei denken konnte, ging es mit dem Sprechen doch nur langsam und schwach. Doch nach Verlauf einer Stunde war auch dies Alles wieder zu seiner gehörigen Ordnung zurückgekehrt. Eigen und mir ganz unbegreiflich ist noch, daß schon eine Weile vorher, ehe ich zum Bewußtsein dessen kam, was um mich her vorging, ich Alles, was man von mir wünschte, gethan haben soll, als: ein Glas gehalten, Wasser in den Mund genommen u. s. w., dessen ich mich nachher durchaus nicht entsinnen konnte.«

M. G.


Wilhelmine B., ein 16jähriges Bauermädchen, litt seit einer Reihe von Jahren an einer enormen Auftreibung des Unterkiefers, welche die unteren Seitentheile und den Kinntheil einnahm und eine große Kugelgeschwulst bildete. Die Krankheit, welche Johannes Müller unter dem Namen Enchondrom so schön beschrieben hat, ist nach meinen Erfahrungen schon dadurch heilbar, daß man die überflüssige Masse fortnimmt, worauf der erhaltene Theil, sich rückbildend, wieder die Festigkeit des Knochens annimmt. Nachdem die Aetherdämpfe 4½ Minute lang eingeathmet waren, trat vollkommene Betäubung ein, worauf die auf dem Operationstisch sitzende Kranke niedergelegt wurde. Ich spaltete nun die Mitte der von der großen Knochengeschwulst weit ausgedehnten Lippe und Kinnhaut, vom Rande der ersteren an bis einen Zoll vor dem Kehlkopf, führte hier einen Querschnitt, und trennte dann die Weichgebilde von beiden Seiten in der Gestalt großer Lappen von der Geschwulst ab. Hierauf setzte ich an ihre Basis eine Messersäge und umsägte dieselbe von allen Seiten. Dann meißelte ich von den eingesägten Furchen aus den ganzen Tumor mit einem starken, breiten Messermeißel ab. Nach Stillung der Blutung und Wegnahme der scharfen Knochenränder mit einer Knochenscheere, vereinigte ich die Wundränder der Weichtheile, durch zwölf, theils umschlungene, theils Knopf-Nähte. Unter die Lippen auf dem Knochen wurde ein Bausch-Charpie gelegt. Die Kranke hatte bei der ganzen Operation keinen Laut von sich gegeben und war auch nach derselben noch halb betäubt. Sie hatte keine Art von Schmerzen empfunden.

Operation des Schielens.

Hr. N., Pharmaceut, schielte mit dem rechten Auge sehr stark nach innen, und wünschte davon befreit zu werden. Seine Empfindlichkeit für den Aether war so groß, daß er schon durch das Vorhalten von einem mit Aether besprengten Schwamm binnen 3 Minuten bewußt- und empfindungslos wurde. Ohne daß er sich im mindesten regte oder einen Laut von sich gab, konnte ich beide Augenlidhalter unter die Augenlider bringen, diese auseinanderziehen, die Bindehaut durchschneiden, den stumpfen Haken unter den inneren Augenmuskel bringen und diesen durchschneiden. Nach der Operation, welche etwa ¼ Minute gedauert hatte, kam der junge Mann bald wieder zu sich und gab an, keine Schmerzen empfunden zu haben.


Hr. Wilhelm E. schielte mit beiden Augen nach innen und wurde operirt, indem ich den inneren geraden Augenmuskel durchschnitt. Die Operation des linken Auges geschah ohne Aether, die des rechten mit demselben. Ich fand keinen Unterschied in der Operation, sie war auf beiden Augen gleich leicht und erforderte nur einige Augenblicke. Nach dem Erwachen des Kranken, zu dessen Betäubung nur 1½ Minuten gehörten, gab er an, die Operation des Auges, bei der er ätherisirt worden sei, gar nicht, die andere nur wenig empfunden zu haben.

Operationen von Wasserbrüchen.

Gottlieb L., 58 Jahr alt, mit einem großen Wasserbruch der rechten Seite wurde drei Minuten lang ätherisirt, und dadurch völlig betäubt. Des vorgerückten Alters wegen war die Radicaloperation hier unstatthaft, und nur die Palliativoperation angezeigt. Weder beim Einstechen des Troikars, noch beim Abfließen des Wassers, noch beim Herausziehen der Röhre hatte der Kranke irgend eine schmerzhafte Empfindung.


Ein junger Engländer, welchem ich die Radikaloperation eines Wasserbruches unter Einwirkung der Aetherdämpfe machte, schrieb darüber Folgendes wörtlich nieder.

»Den 10. März 1847 sollte ich an einer Hydrocele von Dieffenbach operirt werden. Da ich beschlossen hatte, vor der Operation die Aetherdämpfe einzuathmen, um den Schmerz zu vermeiden, so versuchte ich schon den Abend vorher dies Mittel, um seine Wirkung auf mich zu prüfen. Als ich ungefähr drei oder vier Minuten in tiefen Zügen eingeathmet hatte, verdunkelten sich allmälig meine Sinne, während mein Geist wach blieb. Dabei ging eine seltsame Verwandlung mit mir vor. Ich konnte mich durchaus nicht erinnern, wo oder in welchen Verhältnissen ich wäre, und fühlte bloß das lebhafteste Verlangen, bald zu mir zu kommen, aus Furcht, es möchte mir in diesem befremdlichen Zustande etwas zu Leide geschehen (lest I should be kidnapped in this strange state). In der Absicht, mich zu vertheidigen, bewegte ich Hände und Füße lebhaft, konnte aber nicht den Mund öffnen, um laut zu schreien. Nach dem Erwachen wußte ich, daß ich unruhig gewesen war, und da ich deshalb für den Erfolg der Operation fürchtete, nahm ich mir vor, am nächsten Tage alle meine Willenskraft anzuwenden, um mich so viel als möglich ruhig zu verhalten. Merkwürdiger Weise hatte mein Entschluß den gewünschten Erfolg. Als ich den folgenden Tag auf dem Operationstische den Aether wieder einathmete, verschwanden mir eben so schnell wie gestern meine Sinne. Obgleich das Einathmen dieser Luft mir unangenehm war, hätte ich es doch länger fortsetzen können, wenn mir nicht der Zweck desselben ganz entfallen wäre. So wünschte ich, davon befreit zu werden, und stieß nach ungefähr drei Minuten den Apparat aus dem Munde. Ich fühlte mich nun wie in einen Traum versetzt, ohne klare Vorstellung von dem operirenden Arzte oder den Umherstehenden oder den Händen, die mich hielten. Nur die Idee, daß ich operirt werden solle, lebte in mir fort und veranlaßte mich zu dem Ausrufe, die Operation jetzt zu beginnen. Es wurde der erste Schnitt gemacht, der mir sehr oberflächlich zu sein schien und den ich deutlich fühlte, ohne daß dieses Gefühl etwas Schmerzhaftes hatte. Beim zweiten Schnitte hatte ich den Gedanken, daß das Messer sehr scharf wäre und sehr sanft einhergleite; auch sei dieser Schnitt tiefer und dauere länger als der vorhergehende. Lebhaften Schmerz fühlte ich auch hier nicht, fürchtete aber, mein Muth könnte mich verlassen, wenn ein dritter und tieferer Schnitt folgen sollte, und streckte deshalb meinen Arm aus, damit die Assistirenden mich halten mögten, wenn ich unruhig würde. Allein ich fühlte nicht, daß Jemand mich angefaßt hätte. Plötzlich erwachte ich und wollte über meinen sonderbaren Traum lachen. Nur der Schmerz, den ich jetzt zu fühlen anfing, überzeugte mich, daß ich wirklich operirt worden war.

Thomas Christie, st. phil. aus Glasgow.


Einem 23jährigen Manne wollte ich einen großen Wasserbruch der rechten Seite operiren. Vorher ließ ich ihn Aetherdämpfe einathmen. Anfangs stieg in Folge des beschwerlichen Einathmens der Puls um dreißig Schläge in der Minute, dann wurde er allmälig langsam, und zugleich trat leichte Betäubung ein. In diesem Zustande verdrehte der junge Mensch die Augen schrecklich. Jetzt machte ich den Hautschnitt, wobei er stark zusammenfuhr, und hierauf ließ ich das Wasser durch die Durchschneidung der Scheidenhaut aus, wobei ein nochmaliges Zucken erfolgte. Nachdem er das Bewußtsein wieder erlangt hatte, sagte er, er habe sich selbst wie todt gefühlt, aber an den dunkel empfundenen Schmerzen gemerkt, daß er noch lebe.


Gottfried M., einem 23jährigen, schlanken, großen Manne, mußte ich in der Klinik einen großen Wasserbruch der rechten Seite operiren. Vorher wurde er ätherisirt, athmete aber so schlecht, daß ich endlich davon abstand, als der Kranke noch immer bei vollem Bewußtsein war, sprach und ein natürliches Aussehen zeigte. Nachdem der Schnitt, wobei er gar nicht zuckte, gemacht, und das Wasser abgelassen war, meinte er, nichts von der Operation gefühlt zu haben.


Ein anderer Patient befand sich, nachdem er fünf Minuten die Aetherdämpfe eingeathmet, in solcher Betäubung, daß man ihn empfindungslos glauben konnte, und daß man mit der Einathmung aus Besorgniß für ihn nicht fortzufahren wagte. Gleich beim ersten Messerzuge benahm sich der Kranke wie ein Betrunkener, der einen Schmerz im Taumel undeutlich fühlt; er bewegte machtlos die Arme und stieß unzusammenhängende, unverständliche Laute hervor. So blieb sein Benehmen während der ganzen Operation, und sagte er, zu sich gekommen, aus, daß er den Schmerz zwar gefühlt habe, aber sehr dumpf, ohne zu wissen, wo, und was eigentlich mit ihm geschehen.


Ein junger Mann mit einem Wasserbruch der linken Seite verfiel nach einem fünf Minuten langen Einathmen der Dämpfe in einen einer Ohnmacht ähnlichen Zustand, von höchster Erschlaffung des ganzen Körpers begleitet. Nach der schnell vollführten Operation und der Anlegung des Verbandes kam er wieder zu sich und drückte sein Erstaunen darüber aus, daß die Operation, von welcher er nichts gefühlt habe, schon vorbei sei.


Ein anderer junger Mann, welcher ebenfalls mit einem großen Wasserbruch der rechten Seite behaftet war, hatte sich früher niemals zu der Operation entschließen können. Die Hoffnung aber, durch Aether empfindungslos zu werden, gab ihm jetzt den Muth, sich der Operation zu unterziehen. Nachdem er vier Minuten lang die Dämpfe eingeathmet hatte, machte ich den Schnitt. Der Kranke schrie dabei gewaltig auf und wollte um sich schlagen, nachdem die Operation vorbei war. Es hatte für die Anwesenden das Ansehen, als wenn der Pat. sehr gelitten hätte; er selbst behauptete dies ebenfalls, hinterher aber verneinte er es und schob die Schuld seines heftigen Betragens allein auf den Rausch.


Franz B., 21 Jahr alt, athmete 2 Minuten lang, schien völlig betäubt, und die Operation des Wasserbruchs sollte so eben beginnen, als er mit dem Oberkörper in die Höhe fuhr und mit geöffneten Augen und freundlichem Blicke die Versammlung in der Klinik ansah. Er athmete dann nochmals zwei Minuten und wurde wieder betäubt, doch fing er an, sich auf den Operationstisch hin und her zu wälzen, und mehrere Menschen mußten ihn halten, so daß ich nur mit einigen Schwierigkeiten den Hautschnitt und die Eröffnung mehrerer großen Wasserbehälter, deren Wandungen sehr verdickt waren, bewerkstelligen konnte. Nachdem das Wasser abgeflossen, und die Wunde verbunden war, sagte der Patient, er habe heftige Schmerzen empfunden.

Zerstückelung des Blasensteins.

Hr. C. R. R. aus Dresden, ein kräftiger Mann in den 50er Jahren, litt an verschiedenen Beschwerden, welche gewöhnlich den Blasenstein zu begleiten pflegen. Da ich die Blase für gesund, den Stein nach angestellter Untersuchung nicht für sehr groß hielt, so beschloß ich die Zerstückelung desselben. Die große Reizbarkeit des Kranken hätte mich fast bestimmen können, dem Steinschnitt den Vorzug zu geben, wenn der Patient nicht seinen Widerwillen gegen die blutige Operation ausgedrückt hätte. Die Aetherisation, welche ich theils wegen der Korpulenz und Vollblütigkeit des Kranken, theils um nicht ganz die Empfindung aufzuheben, nicht über 5 Minuten auszudehnen wagte, führte nur theilweise Bewußtlosigkeit herbei. Dann brachte ich den Kateter ein und injicirte einige Unzen Wasser in die Blase. Dies ging gut und ohne Schmerzen von Statten. Schwieriger war die Einführung des Steinbrechers, wobei der Patient Schmerzen verrieth. Nachdem das Instrument in der Blase angelangt war, faßte ich den Stein sogleich. Derselbe zeigte, wie das Maaß angab, in der Direction, in welcher ich ihn ergriffen hatte, den Durchmesser einer großen Pflaume. Er ließ sich mit Leichtigkeit zerbrechen. Hierauf öffnete ich das Instrument noch 5 Mal, ergriff größere und kleinere Stücke des gesprengten Steines, welche ich zermalmte, und zog dann den Apparat heraus, da jede zu lang ausgedehnte Session höchst gefährlich ist. Der Kranke war der Meinung, vollkommenes Schmerzgefühl gehabt zu haben, woran ich indessen zweifle. Nach der Operation zeigte er sich vollkommen munter, verlor die ersten Steine gegen Abend, und konnte schon nach einigen Tagen spazieren gehen.


Herr St. R. L. aus Schiefelbein, 64 Jahr alt, litt seit geraumer Zeit an Steinbeschwerden. Er kam deshalb nach Berlin. Bei der Untersuchung entdeckte ich einen Stein von mäßiger Größe. Dieserhalb und der normalen Beschaffenheit der Blase wegen, zog ich die Zerstückelung des Steines dem Schnitt vor. Nachdem der Kranke 3 Minuten lang ätherisirt worden war, hörte die Empfindung und das Bewußtsein auf, so daß der Kateter ohne Schmerz eingeführt, und einige Unzen Wasser eingespritzt werden konnten. Dann zog ich den Kateter heraus und brachte eben so leicht die Steinzange von Heurteloup ein, faßte, so wie ich dieselbe flach niederlegte, den Stein sogleich in der linken Seite der Blase und zerbrach ihn. Das Maaß gab einen Durchmesser des Steines von 8 Linien an, doch war dies noch kein Beweis, daß ich ihn in seinem größten Diameter gefaßt hatte. Ich ergriff noch zu 8 verschiedenen Malen, so oft ich das Instrument aufthat, Stücke von 2, 3, 4 und 5 Linien, welche ich zerbrach. Bei der ganzen Operation, welche 7 Minuten währte, gab der Patient nur einige Male einen leisen Ton von sich, und als er erwachte, lächelte er, war mit der Schmerzlosigkeit der Operation äußerst zufrieden und klagte nicht über die geringste Empfindung in der Blase. Noch an demselben Tage gingen mit dem hellen Wasser und dem Urin Steinfragmente ab, eben so an den folgenden Tagen, wo das Befinden gut blieb, so daß eine baldige Wiederholung der Zerstückelung der übrigen Fragmente unternommen werden kann.

Bruchoperationen.

Eine Frau von 40 Jahren, Mutter von zwölf Kindern, welche ich schon vor ihrer Verheirathung durch die Operation von der Lebensgefahr eines eingeklemmten Bruches befreit hatte, war so unglücklich, auch an der linken Seite eine Brucheinklemmung und zwar die eines kleinen, gefährlichen Schenkelbruches zu erleiden. Wie bei dieser Bruchart überhaupt, welche wegen der Enge der Bruchpforte selten die Zurückbringung ohne Operation gestattet, sondern dieselbe schnell erfordert, um dem Brande vorzubeugen, so war auch hier wenig Aussicht, die Einklemmung ohne operative Hülfe zu beseitigen. Alle bis dahin von dem Hausarzte der Kranken, Hrn. Weidehaase, angewendeten Mittel und Versuche, selbst die im Bade angewendete Taxis, waren fruchtlos gewesen. Schon brach der dritte Tag der Einklemmung an, und die Gefahr war auf das Höchste gestiegen; heftige Schmerzen im Unterleibe und anhaltendes Erbrechen folterten die Kranke, und sie sehnte sich nun wirklich nach der Operation.

Nachdem nur einige anscheinend ganz unwirksame Athemzüge aus der Aetherflasche gethan waren, stieß die Kranke das Gefäß zurück und wollte ohne Aether operirt sein. Ich glaubte auch, sie ohne diesen zu operiren, aber indem sie hingelegt wurde, konnte ich die ganze, einige Minuten dauernde Operation vollenden, ohne daß auch nur ein Schmerzenslaut gehört worden war. Bei andauerndem Bewußtsein war hier also völlige Gefühllosigkeit eingetreten. Der Bruchsack war äußerst dünn, wie Postpapier, halb durchsichtig, die Darmschlinge noch von guter Beschaffenheit, nur braunroth gefärbt und hatte die Größe einer Wallnuß. Die Kranke wurde verbunden und ins Bette gebracht.


Eine 48jährige Frau kam mit einer dreitägigen, von den drohendsten Symptomen begleiteten Einklemmung eines Schenkelbruches der linken Seite in die Klinik. Alle vorher unternommenen Versuche, den Bruch zurückzubringen, waren vergeblich gewesen, und jeder neue Versuch mußte bei dem hohen Grade der Entzündung die Gefahr nur steigern. Ich nahm daher die Operation vor, ließ die Kranke nur zwei Minuten Aetherdämpfe athmen, worauf sie empfindungs- und bewußtlos da lag. Jetzt machte ich den ersten Schnitt durch die Weichtheile und eröffnete dann den Bruchsack. Die sich nun zeigende eingeklemmte Darmschlinge war schon blauschwarz; sie wurde nach dem Einschneiden der Bruchpforte in die Bauchhöhle zurückgeschoben, und dann die Wunde verbunden. Während der ganzen Operation, welche freilich nur einige Augenblicke gedauert hatte, gab die Kranke auch nicht das mindeste Zeichen von Schmerz, sie lag regungslos da, ohne einen Laut von sich zu geben. Erst nachdem sie zu Bette gebracht, und das Gesicht mit kaltem Wasser besprengt worden war, kehrte das Bewußtsein zurück, und noch später überzeugte sie sich erst, daß die Operation überstanden sei.


Ein wie ein Hühnerei großer, angewachsener Leistennetzbruch der rechten Seite, welcher einige Male die Veranlassung zu gefährlichen Darmeinklemmungen gegeben hatte, veranlaßte eine 34jährige Frau, sich in die Klinik zu begeben, um sich der Operation zu unterziehen. Kaum hatte sie vor derselben drei Minuten lang Aetherdämpfe eingeathmet, als sie regungslos da lag. Ich spaltete die Haut und die auf dem Bruche liegenden Theile, eröffnete den Bruchsack, schnitt das Netz ab, legte den Verband an, und erst nachdem die Kranke in ihrem Bette fortgetragen war, erfuhr sie, daß sie schon operirt worden sei. Sie selbst wußte nichts davon.


Wittwe S., 61 Jahr alt, in der Klinik, athmete nur 2 Minuten lang und verfiel in einen Zustand so sanfter Betäubung, wie man sich dieselbe bei allen Operationen wünschen mögte, denn sie lag regungslos da, ohne daß ihr Gesicht, der Athem und der Puls nur im mindesten besorgt machen konnten. Hierauf begann ich die Operation eines merkwürdigen rechten äußeren Leistenbruches, dessen bereits seit 5 Tagen bestehende Einklemmung von Erbrechen und Stuhlverstopfung begleitet war. Die Haut über der Geschwulst erschien geröthet, und die darunter liegenden Theile fest und entzündet. Beim Hautschnitt zeigte sich dies noch deutlicher. Nachdem eine dicke Bruchhülle gespalten und zurückgeschlagen war, zeigte sich eine runde, aschgraue Geschwulst von der Größe einer kleinen Wallnuß, welche einer brandigen Darmpartie ähnlich sah. Nachdem ich diese eröffnet hatte, flossen einige Tropfen molkigen Wassers ab, und kam ein dünnes, zersetztes, etwa einige Gran schweres Netzblättchen zu Gesicht, nach dessen Entfernung eine kleine, seitlich zusammengefaltete Darmwand von dunkelbrauner Farbe erschien. Ich nahm dann mit einem schmalen, geknöpften Bruchmesser die Erweiterung der Bruchpforte vor und konnte nun sogleich die Darmwand in die Bauchhöhle zurückschieben. Hierauf wurde der vordere, am meisten verdickte Theil der Bruchhülle mit der Scheere abgeschnitten, und die Wunde mit Charpie und Pflaster verbunden. Bei der ganzen Operation hatte die Kranke sich nicht geregt, durch keine Miene eine Schmerzempfindung verrathen oder einen Laut von sich gegeben. Als sie erwachte, wußte sie nicht, daß sie schon operirt worden sei.


Ein 42jähriger Arbeiter in einer Zuckerfabrik wurde in die Klinik gebracht. Derselbe war seit Jahren mit einem rechten Schenkelbruch behaftet, welcher sich früher schon eingeklemmt hatte, aber zurückgebracht werden konnte. Der Kranke wurde jetzt durch ein neues Hervortreten einer kleinen Darmpartie, welche seit 4 Tagen eingeklemmt war, in die größte Lebensgefahr versetzt. Heftige Schmerzen im Leibe, große Empfindlichkeit des Bruches und immer zunehmendes Erbrechen machten die Operation um so dringender nöthig, als bei der schmerzhaften Anschwellung des Bruches nicht mehr an eine Zurückbringung desselben zu denken war, und durch jeden erfolglosen Versuch die Entzündung vermehrt werden mußte. Nachdem der Kranke vier Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, wobei er in eine widerstrebende Aufgeregtheit gerieth, stellte sich in dem Augenblicke, wo er empfindungslos wurde, ein unangenehmer Rausch bei ihm ein. Er redete irre, warf sich hin und her, wollte aufspringen und sich nicht operiren lassen. Dann legte er sich wieder nieder, und während er wild und verworren sprach, machte ich die Operation; ich durchschnitt die Weichtheile und fand einen alten, harten, verdickten Bruchsack von der Größe einer Wallnuß. Der Schenkelring war sehr eng, weshalb ich ihn vor der Eröffnung des Sackes durch einen Einschnitt erweiterte. Hierauf öffnete ich den fleischigen, blutreichen Bruchsack und schob die darin angeklebte, dem Brande nahe Darmpartie in die Bauchhöhle zurück. Dann wurde der Kranke verbunden. Auf mein Befragen, ob er Schmerzen bei der Operation gehabt habe? sagte er: »fürchterliche«, und erzählte dann noch mit lallender Zunge, wie ein Trunkener, von seinen ausgestandenen Leiden. Ganz glaubwürdig schien mir dies aber nicht.


Wilhelm W., 1 Jahr alt, ein schöner, kräftiger, blonder Knabe, hatte einen angebornen äußeren Leistenbruch der rechten Seite. Derselbe war seit 24 Stunden eingeklemmt, und alle Versuche, denselben zurückzubringen, vergebens gewesen. Die Bruchgeschwulst hatte die Größe einer großen Pflaume, war prall, fest und sehr empfindlich. Alle ferneren Repositionsversuche schienen gefährlich, weshalb ich die Operation nach vorheriger Aetherisirung vornahm. Es dauerte aber 4 Minuten, bis das kräftige, stark schreiende Kind betäubt wurde. Nachdem ich nun die Hautdecken gespalten hatte, eröffnete ich die den Darm einschließende Scheidenhaut auf einer spitzigen Rinnsonde. Es floß etwa eine Drachme violetten Blutwassers ab. In der vergrößerten Wunde erschien jetzt die blauroth gefärbte, 3 Zoll große Dünndarmschlinge, an deren Seite sich bereits einige blauschwarze, verdächtige Flecke zeigten. Ungeachtet der Bruch ein angeborner war, war der Leistenring äußerst eng, so daß der Darm dadurch wie durch ein fest umgelegtes Band zusammengeschnürt wurde. Nachdem ich die Bruchpforte nach verschiedenen Seiten eingeschnitten und dadurch erweitert hatte, gelang mir durch sanfte Manipulationen erst nach einer Weile die Zurückbringung des Darmes. – Obgleich das Kind vollkommen betäubt wurde, so war in diesem Falle die Aetherisation doch ohne alle Hülfe bei der Zurückbringung des Darmes; ihr Nutzen war aber dennoch hoch anzuschlagen, weil das Kind von alle dem, was mit ihm geschah, nichts fühlte. Erst einige Minuten nach Beendigung der Operation und Anlegung des Verbandes kehrte Bewußtsein und Empfindung zurück.


Mad. A., einige 40 Jahre alt, litt seit einer Reihe von Jahren an einem linken Schenkelbruch. Der großen Empfindlichkeit des Bruches wegen konnte sie kein Bruchband tragen, und ohne dieses trat der Bruch heraus. Um die Gefahr einer Einklemmung abzuwenden und sie in den Stand zu setzen, ein Bruchband tragen zu können, unternahm ich in Uebereinstimmung mit ihrem Arzte, dem Hrn. Dr. Koner, die Operation. Vorher athmete die zarte, reizbare Kranke einige Minuten die Aetherdämpfe. Sie verlor danach das Bewußtsein keinesweges, doch schien die Empfindlichkeit etwas abgestumpft zu sein. Nach Durchschneidung der Weichgebilde und Eröffnung des Bruchsackes, fand sich dieser mit einer klaren Flüssigkeit angefüllt, und auf seinem Grunde, am Rande des Schenkelringes ein angewachsenes, hartes, kleines Netzstück, welches ich abschnitt. Der Bruchsack wurde mit Charpie angefüllt, und die Wunde mit Pflasterstreifen bedeckt. Die Kranke, welche bei der Operation keinen Laut von sich gegeben hatte, war indessen der Meinung, den natürlichen Grad des Schmerzes empfunden zu haben.


Bei nicht eingeklemmten Brüchen, welche durch ein gutes Bruchband zurückgehalten werden können, bin ich gegen alles Operiren. Noch weit mehr bei denen, welche nicht zurückgehalten werden können, weil es da noch gefährlicher ist und noch weniger hilft. Ich sage wie Lawrence: »Wer einen eingeklemmten Bruch hat, unterwirft sich der Operation, um sein Leben zu retten. Derjenige aber, der sich einen nicht eingeklemmten Bruch operiren läßt, setzt sein Leben auf das Spiel, um einiger Beschwerden überhoben zu werden, und die Operation giebt ihm doch keine andere Aussicht zur gänzlichen Heilung, als er auch ohne dieselbe gehabt haben würde.« Die frühere Chirurgie zeigt uns eine grausenvolle Menge von Todesfällen nach den Versuchen der radicalen Heilung der Brüche, und die Ueberlebenden waren meistens nicht geheilt. Die Gerdy'sche Invagination ist freilich minder gefährlich als manche andere Methode, doch meistens ohne Erfolg, auch nicht ohne Todesfälle. Unzähligen Personen, an denen die Operation in und außerhalb Deutschlands erfolglos gemacht worden, und welche mich um Rath fragten, weil sie nicht geheilt waren und nach wie vor ihr Bruchband trugen, sagte ich, sie sollten es nur fort tragen. – Ein junger Mann wollte mich einstens fast zwingen, ihn zu operiren, aber ich wollte nicht. Darauf stieß er sich einen gekrümmten Troikar in die Gegend des Bruches in dem Wahn ein, sich selbst heilen zu können. Ich fand ihn in seinem Blute. Doch starb er nicht. – Einen ähnlichen Bruchpatienten mit zwei äußeren Leistenbrüchen sollte ich kürzlich davon befreien. Diese Idee war bei dem liebenswürdigen, braven, jungen Manne so fix geworden, daß er das Zimmer nicht mehr verließ und immer hinter herabgelassenen Rouleaux saß. Nichts vermochte ihn von seiner Hypochondrie zu heilen. Ich durchschnitt ihm die krallenförmig zusammengezogenen, das Gehen erschwerenden Beugesehnen der Zehen, – er blieb immer bei seinen Brüchen. Nur die Furcht vor Geistesstörung oder noch etwas Schlimmerem ließ mich endlich an die unheimliche Invagination denken. Ich nahm diese zuerst an dem rechten, größeren Bruche vor. Der Kranke ward nach fünf Minuten langem Aetherisiren sehr unruhig, sprach verworren und versicherte nach Beendigung der Operation, daß die Schmerzen sehr groß gewesen wären, obgleich dieselbe nur in der Einschiebung einer Hautfalte in den Leistenkanal und dem Anlegen einer Naht bestanden hatte.

Vierzehn Tage nach der Operation des Bruches an der rechten Seite, bei der die Heilung durch Bildung eines Abscesses oberhalb der Leistengegend gestört war, der indessen nach früher Eröffnung keine weiteren üblen Folgen hatte, nahm ich die Operation an der linken Seite vor. Binnen drei Minuten war der Patient vollkommen betäubt. Ich invaginirte die Haut in dem Leistenkanal und befestigte sie mit einem Doppelstich, wobei mittelst der Fadenschlinge ein Schwammstück mit in den Kanal hineingezogen, und die Enden auswendig auf einem zweiten zusammengeknüpft wurden. Dies war das Werk eines Augenblicks. Beim Erwachen war der Kranke erstaunt, daß die Operation vorüber sei, von der er diesmal nichts gefühlt hatte.

Operation einer angebornen Phimose.

Ein 1½jähriger Knabe litt an einer angebornen Phimose. Des hohen Grades des Uebels wegen sammelte sich der Urin hinter der Vorhaut, so daß diese blasenförmig aufgetrieben wurde, worauf er dann in einem feinen Strahl und zuletzt tropfenweise aus der haarfeinen Oeffnung abging. Da die Operation nicht länger aufgeschoben werden konnte, so ätherisirte ich das unruhige Kind durch Vorhalten eines mit Aether angefeuchteten Schwamms. Nach anderthalb Minuten wurde es ruhig und schloß die Augen. Beim Abschneiden der Spitze des Präputiums und bei der Spaltung der inneren Lamelle ließ das Kind einen dumpfen Seufzer vernehmen, schien übrigens nicht zu leiden.

Operation eines Mastdarmpolypen.

Friedrich P., ein schöner, 5jähriger Knabe litt seit langer Zeit an Blutungen aus dem Mastdarm, welche durch einen Polypen hervorgebracht wurden. Nach 2 Minuten der Aethereinathmung wurde das Kind bewußtlos. Ich führte einen Finger in den Mastdarm, brachte dann einen zwei Zoll von der Oeffnung aufsitzenden Polypen von der Gestalt, Größe und Farbe einer dunkelrothen Gartenerdbeere heraus und durchschnitt den dünnen, sehnigen Stiel. Das Kind hatte von der Operation nichts gefühlt und kam dann bald wieder zu sich.

Operation eines Mastdarmvorfalls.

Ein fremder Herr, 57 Jahre alt, von kräftigem Körperbau, seit vielen Jahren mit einem wie ein Hühnerei großen prolapsus ani behaftet, welcher die Quelle unsäglicher, das Leben verbitternder Leiden geworden war, entschloß sich zur Operation unter der Einwirkung der Aetherdämpfe. Der Kranke athmete lange und tief, aber er wurde nicht betäubt, auch nicht empfindungslos. Da dann in Folge des langen Einathmens das Gesicht dunkelroth wurde, so ließ ich ihn aus Besorgniß, daß es zu viel werden könnte, den Dunst nicht mehr einziehen; auch sagte er mir, »es wird Ihnen nicht helfen, ich bin zu sehr an starke Getränke gewöhnt.« Ich schnitt nach vorher durchgeführten Fäden aus den vorliegenden, zum Theil entarteten Darmpartien, zwei große Keilstücke aus, vereinigte die Wundränder, stillte dadurch die heftige Blutung und reponirte den Rest. Obgleich sich der Aether hier anscheinend ganz unwirksam zeigte, und der Kranke sich sehr über Schmerzen beklagte, so schienen mir dieselben doch nicht in dem Grade stark zu sein, wie ich sie sonst bei dieser Operation wahrgenommen hatte.

Operation eines Panaritiums.

Dieser Fall ist durch das häufige Vorkommen des Uebels ohne alles Interesse, merkwürdig dagegen durch den so unerhört schnellen Eintritt der Betäubung. Eine Dame von einigen dreißig Jahren war seit 8 Tagen durch ein Panaritium am linken Zeigefinger von den fürchterlichsten Schmerzen, welche ihr den Schlaf raubten, gefoltert. Sie wollte nicht einmal die Berührung des kranken Fingers erlauben, noch weniger sich zu einem Einschnitt verstehen, obgleich ich ihr sonst den Verlust oder wenigstens die Verkrümmung des Zeigefingers prophezeite. Als ich ihr dann die vorherige Betäubung durch Aether empfahl, willigte sie wenigstens darin, einen mit Aether befeuchteten Schwamm vor Mund und Nase zu halten. Ich befeuchtete nun einen Schwamm von der Größe einer großen Untertasse mit Aether, drückte denselben aus und ließ ihn unmittelbar auf Mund und Nase legen. Zu meinem größten Erstaunen trat schon nach ⅓ Minute völlige Empfindungslosigkeit mit gänzlich aufgehobenem Bewußtsein ein. Alle Sinne, selbst das Gehör waren aufgehoben, und der Puls äußerst langsam. Ich machte jetzt, ohne daß die Kranke es nur im Geringsten merkte, an der einen Seite des Fingers einen Einschnitt bis auf die Knochen, worauf sich eine Menge Eiter entleerte. Noch immer lag die Kranke in tiefer Betäubung da, und erst nach dem Besprengen mit kaltem Wasser öffnete sie die Augen und erhob sich, noch in dem Glauben stehend, der Schnitt soll erst jetzt vorgenommen werden.

Amputationen größerer Glieder.

August S., ein Mann von 39 Jahren, litt an einer cariösen Zerstörung der Knochen der Handwurzel und Hand, welche keine Hoffnung auf Heilung mehr zuließ. Nur die Amputation konnte dem Kranken noch das Leben retten. Derselbe wurde zuvor ätherisirt. Es dauerte vier Minuten, bis Betäubung eintrat. Ich machte die Cirkel-Amputation über dem Handgelenk. Weder beim Durchschneiden der Haut, noch der Muskeln und der Durchsägung der Knochen gab der Kranke ein Zeichen des Schmerzes von sich, er lag regungslos da, und selbst die Unterbindung der Gefäße und das Anlegen des Verbandes konnte vor dem Erwachen des Patienten vorgenommen werden. Erst dann brach er nach einem Gestöhn in die Worte aus, er sei betrunken, und wir Alle. Hierauf ward er wieder vollkommen verständig, stieg, ohne daß er unterstützt werden wollte, vom Operationstisch. Als ich ihn fragte, haben Sie Schmerzen gefühlt? »Nein. Ich habe zwar etwas empfunden, aber keine Schmerzen, es war mir nur, als ob ich angefaßt würde.«


Henriette W., 38 Jahre alt, von großem, kräftigem Körperbau, war mit einem rechten Klumpfuß höheren Grades geboren. Das Uebel war nicht geheilt und hatte Gelegenheit zu schwieliger Entartung des Fußes, zu großen, callösen Fußgeschwüren und endlich zur speckigen Degeneration des Unterschenkels gegeben. Das Glied hatte die Dicke und Form eines Elephantenbeins und war nicht mehr zu heilen. Nur die Amputation konnte allenfalls das Leben noch retten. Nach vier Minuten langem Einathmen der Aetherdämpfe wurde die Patientin vollständig betäubt. Auf dem Operationstisch liegend, den gesunden Fuß auf einen Stuhl gestützt, den rechten von geübten Assistenten gehalten, machte ich den Cirkelschnitt dicht über dem Kniegelenk; durchschnitt beim ersten Schnitt die Haut, beim zweiten die dicken Muskeln mit einem Zuge, schob die Weichgebilde mit meinem Retractor zurück und sägte den Knochen ab. Dies war das Werk einiger Sekunden. Kein Laut des Schmerzes oder des Unbehagens vernahm man dabei. Dann wurden die Arterien unterbunden, und der Verband angelegt. Jetzt kehrte das Bewußtsein allmälig zurück. Die Kranke sprach jetzt die Worte: »warum weckt ihr mich? wo war ich denn? es war so schön, ich war in einem schönen Garten mit Blumen, warum habt ihr mich denn aufgeweckt?« Sie blickte umher, machte eine schüttelnde Bewegung mit dem Kopfe und sank gleichsam einschlummernd zurück. Sie wurde dann vom Tisch ins Bette gelegt und auf ihr Zimmer gebracht.

Sehnen- und Muskeldurchschneidungen.

Hermann B., 2½ Jahr alt, war mit einer rechten Klumphand des höchsten Grades geboren. Vor der Operation athmete er 6 Minuten lang Aetherdämpfe, bis Empfindungslosigkeit eintrat. Bis dahin hatte er fortwährend geschrieen, jetzt aber wurde die Stimme matter und veränderte sich auch nicht weiter während der subcutanen Durchschneidung der verkürzten Beugesehne der Handwurzel und Hand. Dann wurde der Verband angelegt, wobei sich das Kind wieder munter zeigte.


Friedrich J., 24 Jahre alt, hatte in Folge eines Panaritiums des rechten kleinen Fingers eine Verkrümmung des höchsten Grades erlitten, welche mehr Folge einer faltenförmigen Längennarbe als einer Sehnencontractur war. Der Aether betäubte ihn binnen vier Minuten. Die Operation mußte eine complicirte sein, da die bloße quere Durchschneidung der Narbe keinen Erfolg haben konnte. Ich führte längs der Narbe an beiden Seiten zwei Schnitte herab, welche zu Anfang der Handfläche mit abgerundeter Spitze zusammentrafen, und durchschnitt hier die Beugesehne. Dann wurde der Hautstreifen bis gegen die Fingerspitze hin gelöst, der Finger etwas gestreckt, der Hautstreifen nach vorn gerückt und an die seitlichen Wundränder mit Nähten befestigt. Er diente zur Deckung der beiden vorderen Glieder, während die Wundränder der hinteren durch Pflasterstreifen einander genähert waren. Der Kranke gab nach überstandener Operation an, dieselbe wenig empfunden zu haben.


Carl R., 42 Jahre alt, erlitt eine schwere Verletzung des linken Unterschenkels, wobei der Fuß nach außen verrenkt, das Wadenbein über dem äußeren Knöchel gebrochen, die Gelenkkapsel an der inneren Seite des Fußes sammt der äußeren Haut zerrissen wurde, so daß der ganze innere Knöchel nackt hervortrat. Da man den Fuß nicht hatte wieder einrenken können, so war die Heilung in dieser widernatürlichen Stellung erfolgt, der herausgetriebene innere Knöchel angeschwollen und mit einer dünnen Haut bedeckt. In diesem Zustande kam der Kranke noch vor der Aetherzeit in die Klinik. Ich umgab den Knöchel mit zwei halbmondförmigen Schnitten, präparirte die Haut an beiden Seiten ab, sägte den Knöchel aus und brachte den Fuß in eine fast natürliche Stellung, so daß die Sohle dem Boden wieder zugekehrt war. In dieser Richtung wurde das Glied einige Monate lang bis zur Heilung erhalten. Die Stellung war aber noch nicht ganz günstig, indem die Ferse zu hoch, und die Spitze des Fußes zu tief stand, so daß jene den Boden nicht erreichen konnte, wie dies beim dritten Grade des Pferdefußes der Fall ist. Es mußte also die Achillessehne durchschnitten werden. Nachdem der Patient vorher 2 Minuten lang ätherisirt worden war, durchschnitt ich die Sehne 1½ Zoll über der Ferse; die Enden wichen sogleich weit auseinander, und ich konnte den Fuß in eine bessere Stellung bringen. Beim Schnitt schrie der Kranke auf, erinnerte sich aber beim Erwachen nicht, daß er Schmerzen empfunden habe. Dann wurde das Glied verbunden.


Hr. B., Kaufmann, 30 Jahre alt, war mit einem niedrigen Grade des Klumpfußes beider Extremitäten gekommen. Die Füße waren nur wenig verdrehet, aber kurz, die Sohle stark ausgehöhlt, der Rücken des Fußes gewölbt, die Zehen stark zurück- und dabei krallenförmig zusammengezogen. Nach fünf Minuten langem Einathmen war der Kranke vollkommen betäubt. Ich durchschnitt darauf die zusammengezogenen Sehnen an der Fußsohle und sämmtliche Sehnen aller Zehen, ohne daß der Patient zuckte oder einen Laut von sich gab. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, versicherte er, einige Schmerzen bei der Operation empfunden zu haben.


Wilhelm B., 19 Jahre alt, litt an Plattfüßen. Der linke hatte den vierten, der rechte erst den dritten Grad erreicht. Ersterer machte dem Kranken beim Gehen große Beschwerde, da der innere Knöchel als großer Buckel hervorragte und der Patient großentheils auf dem inneren Fußrande zu gehen genöthigt war. Die Wadenmuskeln waren erschlafft, sämmtliche Strecksehnen und der lange Wadenbeinmuskel stark zusammengezogen. Nach 3 Minuten der Aetherisation trat völlige Betäubung ein, so daß ich alle Strecksehnen und den langen Wadenmuskel durchschneiden konnte, ohne daß der junge Mensch das Mindeste davon empfand. Erst nach Beendigung der Operation, bei der Geradrichtung des Fußes, während der Verband angelegt wurde, drückte er eine geringe Schmerzempfindung aus.


Bei einem jungen Manne von 24 Jahren, welcher an einem hohen Grade der seitlichen Einbiegung des linken Kniegelenks litt, so daß Unter- und Oberschenkel zusammen einen stumpfen Winkel bildeten, das Gehen äußerst unvollkommen und krüppelhaft war, sollten die Sehnen an der äußeren Seite des Kniegelenkes durchschnitten werden. Kaum hatte der Kranke einige Minuten die Aetherdämpfe geathmet, als er plötzlich unter wildem Geschrei um sich schlug und tobend Alle angriff, welche ihn umgaben. Acht Menschen rangen mit ihm, um zu verhindern, daß er sich kein Leid zufüge, und fortwährend vertheilte er Faustschläge nach allen Seiten hin. Dieser Sturm dauerte vier bis fünf Minuten, dann trat einige Ruhe ein, welche ich benutzte, um von kleinen Stichwunden aus die verkürzten Sehnen und Muskeln zu durchschneiden. Nach dieser blutlosen Operation wurde der Verband angelegt. Der Kranke befand sich jetzt in einer weichen, weinerlichen Stimmung, nickte wie ein Närrischer noch fortwährend mit dem Kopfe, machte tausend Entschuldigungen über sein Betragen, dessen er sich zum Theil bewußt war, versicherte aber, von der Operation selbst nichts gefühlt zu haben.


Ein junger Mann von 26 Jahren litt in Folge einer in früher Jugend überstandenen scrophulösen Knieentzündung an einer starken Einwärtsbiegung des Gliedes. Nur durch die Durchschneidung der äußeren Sehnen, besonders der des zweiköpfigen Muskels, und eine zweckmäßige orthopädische Nachbehandlung war die Heilung möglich. Vorher mußte er sieben Minuten lang Aetherdämpfe einathmen. Erst dann trat Empfindungslosigkeit mit theilweise aufgehobenem Bewußtsein ein. In dem Augenblicke, wo ich die Sehne unter der Haut zu durchschneiden begann, erfolgte ein Ausbruch von Wuth, wobei der Kranke die Augen fürchterlich rollte und um sich schlug. Dabei war er mit Schweiß bedeckt und verrieth eine unbeschreibliche Angst. Dann ließ der Sturm der Erscheinungen nach, mildere Empfindungen traten an die Stelle der heftigen, und die Scene endete mit scherzhaften Gestikulationen, unaufhörlich freundlichem Kopfnicken und freundlichem Bitten um Verzeihung, wenn etwa das Betragen nicht ganz anständig gewesen wäre. »Aber ich konnte nicht anders, sagte der gute Mensch, ich mußte das thun; daß ich operirt bin, glaube ich, weil Sie es mir sagen, und ich mein Knie verbunden sehe, gefühlt habe ich aber gar nichts.«


Fräulein Rosalie M. aus Polen, 22 Jahre alt, hatte vor einem Jahre in Folge einer scrophulösen Entzündung des linken Kniegelenks, welche in cariöse Zerstörung übergegangen war, eine Verkrümmung des Gliedes im rechten Winkel erlitten. Das Glied war abgemagert und im Gelenke verwachsen. Die Kranke athmete 2 Minuten lang die Dämpfe, worauf sie völlig betäubt wurde. Bei der Anwendung der nöthigen Kräfte trennte sich die Verwachsung im Gelenk wieder, worauf ich sämmtliche verkürzte Sehnen in der Kniebeuge von feinen Einstichspunkten aus durchschnitt, dann das Glied möglichst gerade bog und den Verband anlegte. Das Alles geschah in wenigen Augenblicken, und als die Kranke wieder erwachte, glaubte sie, geträumt zu haben.


Ein Knabe von 13 Jahren mit einer Verkrümmung beider Knieen, wurde in die Klinik Behufs der Operation und Geraderichtung aufgenommen. Nachdem ich ihn zuvor 4 Minuten lang Aetherdämpfe hatte einathmen lassen, trat urplötzlich die Wirkung des Mittels, welche sich als ein äußerst heiterer Rausch zeigte, ein. Er war so ausgelassen, daß er den Zuhörern die Zunge zeigte und sie unter den sonderbarsten Grimassen verhöhnte. Von der Operation, welche in der Durchschneidung der verkürzten Sehnen unter der Haut und wegen des aufgehobenen Widerstandes in leichter Streckung der Glieder bestand, verspürte er durchaus nichts. Auch nach der Anlegung des Verbandes blieb er noch eine Weile in dieser ungebundenen Heiterkeit.


Ein junger Jurist, welcher seit seiner Kindheit in Folge einer scrophulösen Gelenkentzündung an einer Verkrümmung des linken Kniegelenks in einem so hohen Grade litt, daß der Unterschenkel mit dem Oberschenkel einen Winkel bildete, sollte mittelst Sehnendurchschneidung von dieser Mißbildung befreit werden. Nachdem derselbe zuvor vier Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, trat plötzlich ein hoher Grad von Betäubung mit vollkommener Empfindungslosigkeit ein. In diesem Augenblick führte ich ein strohhalmbreites, sichelförmiges Messer durch einen kleinen Einstich ein, und durchschnitt die stark verkürzten Sehnen und die Sehnenhaut in der Kniekehle, welche sich dann, nachdem der Widerstand aufgehoben war, in eine fast normale Stellung bringen ließ. Dann wurde ein leichter Verband angelegt. Ich lasse den Kranken mit eigenen Worten seinen Zustand während der Operation beschreiben.

»Nachdem ich drei oder vier Züge von dem Aetherdunst genommen hatte, merkte ich, wie ich davon berauscht wurde. Ich fiel um, empfand aber noch, wie man mich halten wollte. Nachdem ich mit dem Kopfe auf das Kissen niedergesunken war, dachte ich: Sie haben dir zu viel beigebracht, nun ist es aus mit dir! Dabei empfand ich, wie man sich mit mir beschäftigte, wahrscheinlich um mich in die zur Operation nöthige Lage zu bringen. Zugleich fühlte ich auch Schwingungen, deren Geschwindigkeit sich immer mehr steigerten, ohne daß ich recht wußte, wie und wo; dann hörte ich die schönste Militärmusik, hauptsächlich von Blaseinstrumenten. Im Knie war ein leiser Druck mit Stechen und Prickeln verbunden. Ich vernahm bloß die Worte: »das wird nicht ausreichen«, und erwachte, aber ganz trunken. Dann mußte ich noch einmal einathmen, worauf ich wieder betäubt wurde, ich träumte wieder, aber ich weiß nicht, was. Beim Erwachen fühlte ich heftige Schmerzen im Knie, so daß ich laut aufschreien mußte. Während jener schönen aber verworrenen Phantasieen schien es mir, als wenn ich an zwei Stellen in der Kniekehle geschnitten würde, auch daß man das Knie streckte, aber ich konnte das Nähere darüber nicht durch den Schmerz erkennen.

Nachdem Alles vorbei war, fühlte ich den Aether gleichsam im Kopf und im Knie, mir war zu Muthe, wie wenn ich von einem totalen Rausche erwachte. Das getrunkene Wasser beseitigte bald Alles; im Bett empfand ich nachher noch ganz deutlich, wie der Aether den ganzen Körper durchdrungen hatte. Als er dann aber ganz und gar verschwunden war, fühlte ich ungefähr eine Stunde lang gelinde Schmerzen in der Wunde.«

Operation des falschen Gelenkes.

Die von mir angegebene und öfter mit Glück ausgeführte sicherste Operationsmethode des sonst so schwer zu heilenden widernatürlichen Gelenkes, welches die Folge eines nicht festgewordenen Knochenbruches ist, und das Glied unbrauchbar macht, besteht in dem Durchbohren der überknorpelten Knochenenden von kleinen Stichwunden der Weichtheile aus, und in der Einführung von Elfenbeinstäben in die Knochen zur Erregung von Callus-Ausschwitzung. Ein Mann von 32 Jahren, mit einem sehr beweglichen falschen Gelenk des linken Oberarms, bei dem ich diese Operation vornahm, verweigerte nach den ersten Athemzügen das weitere Inspiriren, und ich mußte die Operation nach alter Weise ohne Aether machen. Er war auch ohne diesen so ruhig, als hätte er den mildesten Rausch, und stieß nicht ein Mal einen Seufzer aus.

In einem höchst complicirten Fall von widernatürlichem Gelenke wurde die Kranke nach vier Minuten langem Inspiriren völlig betäubt, und ich konnte nun zur Operation schreiten. Diese bestand in Folgendem. Die Hand war in Folge eines schweren Sturzes nach innen abgewichen, so daß sie zum Arm im stumpfen Winkel stand, außerdem war ein falsches Gelenk zu Anfange des unteren Drittheils der Speiche vorhanden, und die wackelnden Enden lagen auf und an dem Ellenbogenknochen. Um diese Uebelstände zu heben und das Glied, welches ganz unbrauchbar war, zu verbessern, war Folgendes nöthig: 1) den gesunden Ellenbogenknochen an der Stelle, wo sich der Bruch in der Speiche befand, auch zu zerbrechen; 2) die Knochenenden der Speiche subcutan zu durchbohren und Zapfen hineinzuführen; 3) die verkürzten Sehnen der Handwurzel unter der Haut zu durchschneiden. Diese einzelnen Theile der Operation wurden nach einander ausgeführt, und mit dem schwierigsten Akte, der Durchbohrung des Knochens, angefangen; dann der Radius von vier Menschen zerbrochen, und endlich die Sehnen durchschnitten. Alles wurde glücklich vollendet, ohne daß die Kranke dabei erwachte oder nur die mindesten Schmerzen empfand. Der Erfolg der Operation war nach vier Wochen befriedigend.

Einrenkung des Oberarms.

Ein Freund von mir, ein hiesiger berühmter Arzt, hatte das Unglück, beim Herabsteigen einer Treppe auszugleiten, und indem er sich am Geländer festhielt, den rechten Oberarm auszurenken, gleichsam aus dem Gelenk herauszudrehen. Eine halbe Stunde nach dem Vorfall sah ich den Kranken, welcher bleich und von den heftigsten Schmerzen mit dem Gefühl von Taubheit in dem Gliede gefoltert war. Mein Freund willigte in den Vorschlag, vor der Einrichtung Aetherdämpfe einzuathmen. Nachdem dies 7 Minuten lang geschehen war, hörten die Schmerzen auf, und an ihre Stelle trat eine heitere Aufregung. Die Einrichtungsversuche begannen nun auf einem Tisch, auf welchen eine Matratze gelegt war. Aber trotz der gehörigen Fixirung, der richtig angewendeten Kräfte von acht Männern, und den methodisch verstärkten Tractionen, bedurfte es mehrmaliger Angriffe, um die Widerspenstigkeit der starken Muskulatur zu überwinden. Endlich fuhr der Kopf mit erschütterndem Geräusch in die Pfanne zurück.

Ich kann nicht sagen, daß die Einrichtung in diesem Falle durch den Aether erleichtert war, ich habe Hunderte von Verrenkungen des Oberarms ohne Aether leichter eingerenkt. Die starken Muskeln waren bei dem nicht bis zur völligen Betäubung gebrachten Kranken nicht erschlafft, und so ihr Widerstreben nicht verringert. Dennoch versicherte der Kranke später, daß durch das Einathmen des Aethers alle Schmerzen beim Einrenken gehoben worden wären, und daß er nur eine undeutliche Erinnerung von dem Vorgegangenen habe.

Ansetzen von Moxen.

Einem Manne in den dreißiger Jahren, welcher an einer Lähmung der unteren Gliedmaßen litt, sollten Brenncylinder auf dem unteren Theil des Rückens abgebrannt werden. Zwölf Athemzüge des Aetherdampfes reichten hin, den Kranken empfindungs- und bewußtlos zu machen. Kaum waren die Moxen angezündet so bemächtigten sich die wildesten Phantasieen des Patienten. Ihr Verfluchten! Ihr Vermaledeiten! Ihr Mörder! Ihr Höllenbrut! rief er ein Mal über das andere. So fuhr er noch eine Weile, ganz regungslos da liegend, in den bittersten Schmähungen gegen seinen Arzt, den Hrn. Dr. Philipp, gegen mich und die anderen Umstehenden fort. Als er dann aus seinem Traume erwachte, das Brennen fast beendet war, sagte er, er fühle, was mit ihm vorgehe, ganz deutlich. Er versicherte übrigens, daß der Zustand, in welchen er durch den Aether versetzt worden, ein höchst unangenehmer sei, doch verschwand derselbe bald wieder vollständig.


Einem Kranken, welcher an einer langwierigen Entzündung des Kniegelenks litt, mußten zwei Brenncylinder an das Knie gesetzt werden. Vorher athmete derselbe fünf Minuten lang Aetherdämpfe, bis Empfindungslosigkeit und halbe Bewußtlosigkeit eintraten. Bei dem sonst so schmerzhaften Abbrennen der Moxen zuckte er nur wenig, und als er erwachte, wollte er kaum glauben, daß die Operation schon beendet sei. Das Gefühl während derselben schilderte er, daß es ihm so vorgekommen wäre, als hätte ihm Jemand die Zehen gedrückt. Voll Verwunderung betrachtete er die Brandflecke auf der Haut und meinte, daß er recht leicht davon gekommen wäre.


Ich muß hier noch am Schlusse erwähnen, daß man auch bereits angefangen hat die Anwendung der Aetherdünste auf verschiedene Weise zu modificiren. So räth Lebert verschiedene der Verflüchtigung fähige Arzeneistoffe mit Aetherdämpfe einathmen zu lassen, und Dupuy und Pirogoff ihn durch Klystiere in den Körper zu bringen.

Schlussfolgerungen.

Nach dem was wir bis jetzt über die Anwendung der Aetherdämpfe bei chirurgischen Operationen erfahren haben, sind wir zu folgenden Schlüssen berechtigt.

Die Aetherisation ist im Stande, den höchsten Schmerz bei den größten chirurgischen Operationen vollständig aufzuheben.

Die Aetherisation ist daher für den Kranken die größte Erleichterung. Dem Arzte (mit Ausnahme bei Verrenkungen) immer eine Erschwerung.

Die Aetherisation kann aber auch Steigerung des Schmerzgefühls und Tobsucht zur Folge haben.

Die Aetherisation ist lebensgefährlich bei Neigung zum Schlagfluß, Blutsturz und manchen anderen Zuständen.

Uebertreibung der Aetherisation kann augenblicklichen Tod herbeiführen.

Die Blutung ist stärker, als sonst bei Operationen eben so die Neigung zu Nachblutungen.

Wunden, welche unmittelbar vereinigt werden, heilen eben so schnell.

Wunden mit Substanzverlust gewöhnlich langsamer.

Das Befinden der Aetherisirten nach chirurgischen Operationen ist im Allgemeinen minder günstig, als bei denen welche ohne Aether operirt worden.

Das Mittel ist eben so sehr überschätzt als verachtet worden. Rechnet man nun alle die kleinen mit der Aetherisation verbundenen Nachtheile bei vielen Personen zusammen, so ergiebt sich daraus eine größere Krankheitssumme, daß von Tausend Aetherisirten und Tausend Nichtätherisirten, auf jene einige Todesfälle mehr als auf diese kommen.

Dennoch ist der Werth des Mittels bei schmerzhaften Operationen ein großer, von dem bei umsichtiger Anwendung für die leidende Menschheit ein bedeutender Gewinn erwachsen ist, besonders wenn es mit großer Behutsamkeit und nur bei sehr schmerzhaften Operationen angewendet wird.

Gedruckt bei J. Petsch .

Hinweise zur Transkription

Der Halbtitel wurde entfernt.

Die Ligatur aus "langem s" und "s" wurde als "ß" dargestellt.

Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich uneinheitlicher und ungebräuchlicher Schreibweisen, mit folgenden Ausnahmen:

Seite VI : "Atherisirten" geändert in "Aetherisirten"
(Chirurgische Wahrnehmungen bei Aetherisirten)

Seite VII : im Inhaltsverzeichnis "51" geändert in "53"
(Verschiedene Arten des Aetherrausches 53)

Seite VII : im Inhaltsverzeichnis "71" geändert in "70"
(Aetherdämpfe bei den einzelnen chirurgischen Operationen 70)

Seite VIII , im Inhaltsverzeichnis
hinzugefügt: "Schlussfolgerungen 227"

Seite 18 : "blos" geändert in "bloß"
(berauschten sie Kranke nicht bloß beim Zahnausziehen)

Seite 23 : "angewender" geändert in "angewendet"
(von Itard und Wolf wirklich früher angewendet worden)

Seite 34 : "Aetherrrausches" geändert in "Aetherrausches"
(nur den ersten und niedrigsten Grad des Aetherrausches)

Seite 47 : "Das" geändert in "»Das"
(»Das Gefühl von Uebelkeit kann sich in dem ersten Zeitraume)

Seite 49 : "»Die" geändert in "Die"
(Die Träume der Aetherisirten, wie von Graefe bemerkt)

Seite 59 : "hei" geändert in "bei"
(das Schmerzgefühl bei chirurgischen Operationen)

Seite 86 : "Aetherrauschs" geändert in "Aetherrausches"
(Das Ausziehen der Zähne während des Aetherrausches)

Seite 93 : "wrid" geändert in "wird"
(Erleichterung um die Hälfte verschafft wird)

Seite 103 : "Gehirn,-" geändert in "Gehirn-,"
(Neigung zum Schlagfluß, Gefäß-, Gehirn-, Herz- und Lungenstörungen)

Seite 109 : "Bewußlosigkeit" geändert in "Bewußtlosigkeit"
(dann trat Erschlaffung und vollkommene Bewußtlosigkeit ein)

Seite 116 : "Verdickt" geändert in "Verdikt"
(so wie der Zeugenaussagen folgendes Verdikt)

Seite 117 : "Londner" geändert in "Londoner"
(Die Londoner medizinische Zeitung stellt über diesen Fall)

Seite 118 : "Aezte" geändert in "Aerzte"
(der gesunde Sinn der Aerzte und Laien)

Seite 118 : "Sinnne" geändert in "Sinne"
(Im ganz entgegengesetzten Sinne spricht sich)

Seite 119 : "das" geändert in "daß"
(Jeder weiß es übrigens, daß neue Mittel)

Seite 120 : "Aufhehung" geändert in "Aufhebung"
(nur in Aufhebung der Schmerzen)

Seite 122 : "Kreisenden" geändert in "Kreißenden"
(Hammer wandte bei einer 18jährigen Kreißenden)

Seite 128 : "bisjetzt" geändert in "bis jetzt"
(bis jetzt hat er dem Aether)

Seite 172 : "Knopfnäthe" geändert in "Knopfnähte"
(durch eine Anzahl umschlungener und Knopfnähte)

Seite 189 : "Blumentöpfe" geändert in "Blumentöpfe."
(und auf dem Fenster die Blumentöpfe.)

Seite 211 : "den" geändert in "dem"
(litt seit langer Zeit an Blutungen aus dem Mastdarm)

Seite 214 : "durchnitt" geändert in "durchschnitt"
(durchschnitt beim ersten Schnitt die Haut)

Seite 225 : "Fixirung der" geändert in "Fixirung, der"
(trotz der gehörigen Fixirung, der richtig angewendeten Kräfte, und)

Seite 225 : "Tractionenen" geändert in "Tractionen"
(und den methodisch verstärkten Tractionen)

Seite 228 : "gewöhnlish" geändert in "gewöhnlich"
(Wunden mit Substanzverlust gewöhnlich langsamer)