The Project Gutenberg eBook of Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

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Title : Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

Author : Baron Thomas Babington Macaulay Macaulay

Release date : October 22, 2014 [eBook #47174]

Language : German

Credits : Produced by Peter Becker, Olaf Voss and the Online
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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTE VON ENGLAND SEIT DER THRONBESTEIGUNG JAKOB'S DES ZWEITEN. ELFTER BAND: ENTHALTEND KAPITEL 21 UND 22. ***

  

Thomas Babington Macaulay’s

Geschichte von England

seit der

Thronbesteigung Jakob’s des Zweiten.


Aus dem Englischen.


Vollständige und wohlfeilste

Stereotyp-Ausgabe.


Elfter Band:

enthaltend Kapitel 21 und 22.

Leipzig, 1856.

G. H. Friedlein.


Einundzwanzigstes Kapitel.
Wilhelm III.


Inhalt.

Seite
Eindruck von Mariens Tode auf dem Continent 5
Luxemburg’s Tod 6
Wilhelm’s Schmerz 6
Parlamentsverhandlungen; Emancipation der Presse 7
Halifax’ Tod 8
Parlamentarische Untersuchungen wegen der Corruption in den öffentlichen Aemtern 10
Tadelsvotum gegen den Sprecher des Hauses der Gemeinen 13
Foley zum Sprecher erwählt 14
Untersuchung der Rechnungen der Ostindischen Compagnie 14
Verdächtiges Treiben Seymour’s 15
Bill gegen Sir Thomas Cook 15
Untersuchung durch einen vereinigten Ausschuß der Lords und Gemeinen 16
Anklage gegen Leeds 18
Leeds’ Entlassung 21
Lords Justices ernannt 21
Aussöhnung zwischen Wilhelm und der Prinzessin Anna 22
Jakobitische Verschwörungen gegen Wilhelm’s Leben 24
Charnock 25
Porter 26
Goodman 26
Parkyns 26
Fenwick 27
Session des schottischen Parlaments 27
Untersuchung des Gemetzels von Glencoe 27
Krieg in den Niederlanden; der Marschall Villeroy 34
Der Herzog von Maine 35
Jakobitische Complots gegen die Regierung während Wilhelm’s Abwesenheit 36
Belagerung von Namur 37
Uebergabe der Stadt Namur 40
Uebergabe des Kastells von Namur 44
Verhaftung Boufflers’ 44
Wirkung der Emancipation der englischen Presse 47
Wilhelm’s Rückkehr nach England; Auflösung des Parlaments 51
Wilhelm unternimmt eine Reise durch das Land 52
Die Wahlen 55
Beunruhigender Zustand der Geldverhältnisse 59
[XXI.4] Zusammentritt des Parlaments; Loyalität des Hauses der Gemeinen 70
Polemik über die Valuta 72
Maßregeln des Parlaments in Bezug auf die Valuta 72
Annahme der Acte zur Regulirung des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen 75
Parlamentsverhandlungen wegen der Verleihung von Kronländereien in Wales an Portland 76
Zwei jakobitische Complots geschmiedet 78
Berwick’s Complot 78
Das Ermordungscomplot; Sir Georg Barclay 79
Berwick’s Complot scheitert 84
Entdeckung des Mordanschlags 86
Parlamentarische Schritte bezüglich des Mordanschlags 90
Stand der öffentlichen Stimmung 91
Prozeß Charnock’s, King’s und Keyes’ 92
Hinrichtung Charnock’s, King’s und Keyes’ 95
Prozeß Friend’s 96
Parkyn’s Prozeß 96
Hinrichtung Friend’s und Parkyn’s 98
Prozesse Rookwood’s, Cranburne’s und Lowick’s 99
Der Verein 100
Bill zur Regulirung der Wahlen 103
Acte zur Errichtung einer Landbank 105

[XXI.5] Eindruck von Mariens Tode auf dem Continent.

Auf dem Continent machte die Nachricht von Mariens Tode einen sehr verschiedenen Eindruck. Die Hugenotten beweinten in allen Gegenden Europa’s, wohin sie verschlagen waren, die Auserwählte, die ihren königlichen Aufwand beschränkt hatte, um dem verfolgten Volke Gottes Brot und Obdach zu geben. [1] In den Vereinigten Provinzen, wo sie genau gekannt und immer populär gewesen war, wurde ihr Tod aufrichtig bedauert. Matthias Prior, dem seine Talente und Kenntnisse die Gönnerschaft des freigebigen Dorset verschafft hatten und der jetzt der Gesandtschaft im Haag attachirt war, schrieb, daß die kälteste und für Gefühlsaffecte unempfänglichste aller Nationen berührt sei. Der Marmor selbst, sagte er, weine. [2] Die Klagen von Cambridge und Oxford fanden in Leyden und Utrecht Wiederhall. Die Generalstaaten legten Trauer an. Auf allen Kirchthürmen Hollands ertönte jeden Tag Trauergeläute. [3] Inzwischen verbot Jakob in Saint-Germains jede Trauerfeier aufs Strengste, und bestimmte Ludwig, ein gleiches Verbot auch in Versailles zu erlassen. Einige der vornehmsten Edelleute Frankreich’s, unter andern die Herzöge von Bouillon und von Duras, waren mit dem Hause Nassau verwandt und hatten jedesmal, wenn der Tod dieses Haus heimsuchte, die schicklichen Trauerceremonien genau beobachtet. Diesmal wurde ihnen untersagt, sich schwarz zu kleiden, und sie fügten sich; aber die Macht des großen Königs ging nicht so weit, daß er seine hochgebildeten und geistreichen Höflinge hätte verhindern können einander zuzuflüstern: es liege doch etwas Erbärmliches in dieser Rache, die der Lebende an dem Todten, ein Vater an seinem Kinde nehme. [4]

Die Hoffnungen Jakob’s und seiner Exilgefährten waren jetzt größer als sie seit der Schlacht von La Hogue je gewesen. Die Staatsmänner, [XXI.6] sowohl bei uns, als auch auf dem Continent, waren in der That allgemein der Ansicht, daß es Wilhelm nicht möglich sein werde, sich noch lange auf dem Throne zu halten. Ohne den Beistand seiner Gemahlin, sagte man, würde er sich nicht einmal so lange haben halten können. Ihre Leutseligkeit habe Viele gewonnen, die sein kaltes Benehmen und seine kurzen Antworten abgestoßen hätten. Ihr englischer Accent, ihre englischen Gesinnungen und Neigungen hätten Viele bezaubert, denen sein holländischer Accent und seine holländischen Gewohnheiten zuwider gewesen seien. Obgleich sie der Hochkirchenpartei nicht angehört, habe sie doch dieses Ritual geliebt und sich gern und ehrerbietig einigen Ceremonien anbequemt, die er zwar nicht als sündhaft, doch als kindisch angesehen und an denen Theil zu nehmen er schwer habe über sich gewinnen können. So lange der Krieg daure, müsse er nothwendig fast die Hälfte des Jahres außerhalb England’s zubringen. Bisher habe sie in seiner Abwesenheit ihn vertreten, und gut vertreten. Wer solle ihn jetzt vertreten? In welchen Stellvertreter könne er gleiches Vertrauen setzen? Welchem Stellvertreter werde die Nation gleiche Achtung zollen? Alle Staatsmänner Europa’s stimmten daher in der Ansicht überein, daß seine zum mindesten schwierige und gefährliche Lage durch den Tod der Königin noch schwieriger und gefährlicher geworden sei. Aber alle Staatsmänner Europa’s täuschten sich, und merkwürdigerweise war seine Regierung nach dem Ableben Mariens entschieden glücklicher und ruhiger als zu ihren Lebzeiten.

Luxemburg’s Tod.

Wenige Stunden nachdem er das zärtlichste und geliebteste aller ihm befreundeten Wesen verloren hatte, wurde er von dem gefürchtetsten aller seiner Feinde befreit. Der Tod hatte in Paris so gut wie in London ein Opfer gefordert. Während Tenison an Mariens Sterbelager betete, reichte Bourdaloue dem Marschall von Luxemburg die letzte Oelung. Der große französische General war nie ein Günstling des französischen Hofes gewesen; als man aber erfuhr, daß sein schwächlicher, durch Kriegsstrapatzen und sinnliche Genüsse erschöpfter Körper einer gefährlichen Krankheit erliege, wurde der Werth seiner Dienste zum ersten Male vollständig gewürdigt; die königlichen Leibärzte wurden zu ihm gesandt, um Heilmittel zu verordnen, die Schwestern von Saint-Cyr erhielten Befehl, für ihn zu beten, aber Heilmittel und Gebete waren vergebens. „Wie wird sich der Prinz von Oranien freuen,” sagte Ludwig, „wenn er Kenntniß von unsrem Verluste erhält!” Er irrte sich. Die Nachricht kam Wilhelm in einem Augenblicke zu, wo er an keinen andren Verlust zu denken vermochte, als der ihn selbst betroffen hatte. [5]

Wilhelm’s Schmerz.

Während des ersten Monats nach Mariens Tode war der König zu keiner Anstrengung fähig. Selbst auf die Adressen der beiden Parlamentshäuser antwortete er nur mit einigen unartikulirten Lauten. Die Antworten, welche in die Protokolle aufgenommen sind, waren nicht mündlich von ihm gesprochen, sondern schriftlich eingereicht. Die unaufschiebbaren Geschäfte wurden durch die Vermittelung Portland’s erledigt, der selbst vom Kummer gebeugt war. Einige Wochen lang ruhte die wichtige und vertrauliche Correspondenz zwischen [XXI.7] dem Könige und Heinsius. Endlich zwang sich Wilhelm, diese Correspondenz wieder aufzunehmen; aber sein erster Brief war der Brief eines Mannes, dessen Herz gebrochen war. Selbst sein kriegerisches Feuer war durch den Schmerz gedämpft worden. „Ich sage Ihnen im Vertrauen,” schrieb er, „daß ich mich für das Militärcommando nicht mehr tauglich fühle. Ich will indessen versuchen meine Pflicht zu thun und hoffe, daß Gott mir Kraft verleihen wird.” So verzagt sah er dem glänzendsten und glücklichsten seiner vielen Feldzüge entgegen. [6]

Parlaments­verhandlungen; Emancipation der Presse.

Die parlamentarische Thätigkeit wurde nicht unterbrochen. Während die Abtei wegen des Leichenbegängnisses der Königin schwarz ausgeschlagen war, kamen die Gemeinen zu einem Beschlusse, der damals wenig Aufmerksamkeit und gar keine Aufregung hervorrief, den voluminöse Annalisten unerwähnt gelassen haben und dessen Geschichte man nur unvollständig aus den Parlamentsarchiven ersehen kann, der aber für die Freiheit und Civilisation mehr gethan hat als die Große Charte oder die Rechtsbill. Kurz nach Beginn der Session war ein gewählter Ausschuß beauftragt worden zu ermitteln, welche temporären Gesetze dem Erlöschen nahe seien, und um zu erwägen, welche von diesen Gesetzen fortbestehen zu lassen zweckmäßig sein würde. Der Bericht wurde erstattet, und alle in diesem Berichte enthaltenen Vorschläge wurden, bis auf einen, angenommen. Unter den Gesetzen, deren Erneuerung der Ausschuß dem Hause anempfahl, befand sich auch das, welches die Presse einer Censur unterwarf. Es wurde die Frage gestellt, „ob das Haus mit dem Comité in dem Beschlusse übereinstimme, daß die Acte unter dem Titel: Acte zur Verhütung von Mißbräuchen beim Drucken aufrührerischer, hochverrätherischer und unerlaubter Pamphlets und zur Regulirung des Buchdrucks und der Buchdruckerpressen, fortbestehen solle.” Der Sprecher erklärte, daß die Neins überwögen, und die Jas hielten es nicht für rathsam, ein Scrutinium vornehmen zu lassen.

Eine Bill zu Verlängerung aller übrigen temporären Gesetze, die man nach der Ansicht des Ausschusses zweckmäßigerweise nicht erlöschen lassen könne, wurde eingebracht, angenommen und den Lords zugesandt. Diese Bill kam sehr bald mit einem wichtigen Amendement versehen zurück. Die Lords hatten in der Liste der zu verlängernden Acten diejenige mit aufgenommen, welche die Presse der Aufsicht von Censoren unterstellte. Die Gemeinen beschlossen, dem Amendement nicht beizutreten, verlangten eine Conferenz und ernannten einen Ausschuß von Wortführern. Der leitende Wortführer war Eduard Clarke, ein entschiedener Whig, welcher Taunton vertrat, seit fünfzig unruhigen Jahren das Bollwerk der bürgerlichen und religiösen Freiheit.

Clarke überreichte den Lords im gemalten Zimmer ein Schriftstück, welches die Gründe enthielt, die das Unterhaus bestimmt hatten, die Censuracte nicht zu erneuern. Dieser Aufsatz vertheidigt siegreich den Beschluß, zu dem die Gemeinen gekommen waren. Aber er beweist zu gleicher [XXI.8] Zeit, daß sie nicht wußten was sie thaten, welche Revolution sie herbeiführten, welche Macht sie ins Leben riefen. Sie hoben kurz, klar, nachdrücklich und zuweilen mit einer nicht unpassenden ernsten Ironie die Widersinnigkeiten und Unbilligkeiten des Gesetzes hervor, das im Begriff war zu erlöschen. Aber man wird finden, daß alle ihre Einwürfe sich auf Details beziehen. Ueber die große Prinzipfrage, über die Frage, ob die Preßfreiheit im Ganzen ein Segen oder ein Fluch für die Gesellschaft sei, ist kein Wort gesagt. Die Censuracte wird verdammt, nicht als etwas dem Wesen nach Schlimmes, sondern nur wegen der kleinen Unzuträglichkeiten, wegen der Erpressungen, der Beeinträchtigungen, der Handelsbeschränkungen, der Haussuchungen, welche aus ihr entsprangen. Sie wird für nachtheilig erklärt, weil sie die Sortimentsbuchhändler in den Stand setzt, von den Verlegern Geld zu erpressen, weil sie die Agenten der Regierung ermächtigt, unter der Autorität von Generalvollmachten Haussuchungen vorzunehmen, weil sie den ausländischen Buchhandel auf den Hafen von London beschränkt, weil sie werthvolle Bücherballen im Zollhause zurückhält, bis die Blätter verschimmelt sind. Die Gemeinen hoben hervor, daß der Betrag der Gebühren, die der Censor verlangen kann, nicht festgestellt sei. Sie hoben hervor, daß es einem Zollbeamten bei Strafe verboten sei, eine von auswärts kommende Bücherkiste anders als in Anwesenheit eines der Censoren der Presse zu öffnen. Wie soll der Beamte wissen, wird sehr richtig gefragt, ob Bücher in der Kiste sind, so lange er sie nicht geöffnet hat? Dies waren die Argumente, welche erreichten, was Milton’s Areopagitica nicht gelungen war.

Die Lords fügten sich ohne Kampf. Sie erwarteten wahrscheinlich, daß eine weniger Einwendungen zulassende Bill zur Regulirung der Presse ihnen bald zugesandt werden würde, und eine solche Bill wurde auch wirklich im Hause der Gemeinen eingebracht, zweimal gelesen und einem gewählten Ausschusse überwiesen. Aber die Session ging zu Ende, bevor der Ausschuß seinen Bericht erstattet hatte, und die englische Literatur wurde von der Aufsicht der Presse befreit, und für immer befreit. [7] Dieses hochwichtige Ereigniß ging fast unbeachtet vorüber. Evelyn und Luttrell hielten es nicht der Mühe werth, es in ihren Tagebüchern zu erwähnen, so wenig wie die holländischen Gesandten in ihren Depeschen. Auch in den Monthly Mercuries findet sich keine Notiz darüber. Die öffentliche Aufmerksamkeit war von anderen und weit aufregenderen Dingen in Anspruch genommen.

Halifax’ Tod.

Eines dieser Dinge war der Tod des gebildetsten, erleuchtetsten und trotz großer Fehler achtungswerthesten der in dem verderbten und ausschweifenden Whitehall der Restauration gebildeten Staatsmänner. Ungefähr einen Monat nach dem glänzenden Leichenbegängnisse Mariens bewegte sich ein Leichenzug von fast prahlerischer Einfachheit um den Schrein Eduards’ des Bekenners nach der Kapelle Heinrich’s VII. Dort steht, wenige Fuß von ihrem Sarge, der Sarg Georg Savile’s, Marquis von Halifax.

[XXI.9]

Halifax und Nottingham waren seit langer Zeit Freunde, und Lord Eland, jetzt Halifax’ einziger Sohn, war mit Lady Marie Finch, Nottingham’s Tochter, verlobt. Der Tag der Vermählung war festgesetzt, eine heitere Gesellschaft versammelte sich in Burley on the Hill, dem Schlosse des Vaters der Braut, das von einer der schönsten Terrassen der ganzen Insel auf prächtige Buchen- und Eichenwälder, auf das fruchtbare Thal von Catmos und auf den Kirchthurm von Oakham herabsieht. Der Vater des Bräutigams wurde durch eine Unpäßlichkeit, die man nicht für gefährlich hielt, in London zurückgehalten. Plötzlich nahm die Krankheit einen beunruhigenden Character an. Man sagte ihm, daß er nur noch einige Stunden zu leben habe. Er hörte die Mittheilung mit ruhiger Fassung an. Es wurde vorgeschlagen, seinen Sohn durch einen Expressen nach der Stadt holen zu lassen. Aber Halifax, bis zum letzten Augenblicke gutmüthig, wollte die Freude des Hochzeitstages nicht stören. Er gab strengen Befehl, daß die Beerdigung in aller Stille vor sich gehen solle, und bereitete sich auf den großen Wechsel durch Andachtsübungen vor, welche Diejenigen in Erstaunen setzten, die ihn für einen Atheisten hielten, und starb mit der heiteren Ruhe eines Philosophen und eines Christen, während seine Freunde und Verwandten, seine Gefahr nicht ahnend, Weinmolken tranken und die Gardine zogen. [8]

Seine legitime männliche Nachkommenschaft starb bald aus. Doch kein geringer Theil seines Geistes und seiner Beredtsamkeit ging auf seinen Tochtersohn, Philipp Stanhope, vierten Earl von Chesterfield über. Aber es ist wahrscheinlich nicht allgemein bekannt, daß einige Abenteurer, die sich, ohne die Vortheile des Reichthums oder der Stellung zu besitzen, durch die bloße Kraft des Talents einen Namen gemacht haben, das Blut Halifax’ erbten. Er hinterließ einen natürlichen Sohn, Heinrich Carey, dessen Dramen einst zahlreiche Zuschauer ins Theater lockten und von dessen heiteren und geistreichen Versen einige noch im Gedächtniß von Hunderttausenden leben. Von Heinrich Carey stammte Edmund Kean ab, der sich in unsrer Zeit so wundervoll in Shylock, Jago und Othello verwandelte.

Mehr als ein Schriftsteller ist der Parteilichkeit für Halifax beschuldigt worden. Allerdings hat auch das Gedächtniß Halifax’ ganz besonderen Anspruch auf den Schutz der Geschichte. Denn was ihn vor allen anderen englischen Staatsmännern auszeichnet, ist der Umstand, daß er während einer langen öffentlichen Laufbahn und durch häufige und heftige Umwälzungen in der öffentlichen Meinung, von den großen Fragen seiner Zeit fast stets diejenige Ansicht faßte, welche die Geschichte schließlich angenommen hat. Er wurde unbeständig genannt, weil seine relative Stellung zu den streitenden Parteien fortwährend wechselte. Eben so gut könnte man den Polarstern unbeständig nennen, weil er bald östlich bald westlich von den Zeigern steht. Die alte und gesetzliche Verfassung des Reichs zu der einen Zeit gegen eine aufständische Volksmasse, zu einer andren Zeit gegen eine despotische Regierung vertheidigt zu haben; der hervorragendste Vertheidiger der Ordnung in dem stürmischen Parlamente von 1680, und der hervorragendste Vertheidiger der Freiheit in dem servilen Parlamente von 1685 gewesen zu sein; in den Tagen des papistischen [XXI.10] Complots gegen die Römisch-Katholischen, in den Tagen des Ryehousecomplots gegen die Exclusionisten gerecht und nachsichtig gewesen zu sein; alles in seiner Macht Stehende gethan zu haben, um sowohl Stafford’s Kopf als auch Russell’s Kopf zu retten: dies war eine Laufbahn, welche Zeitgenossen, die von der Leidenschaft erhitzt und durch Namen und Parteizeichen verblendet waren, leicht begreiflicherweise wankelmüthig nennen konnten, die aber von Seiten der späten Gerechtigkeit der Nachwelt eine ganz andre Bezeichnung verdient.

Ein dunkler Flecken, aber auch nur einer, lastet auf dem Andenken dieses ausgezeichneten Mannes. Es ist ein schmerzlicher Gedanke, daß er, der eine so große Rolle in der Convention gespielt hatte, sich später dazu erniedrigen konnte, mit Saint-Germains zu verkehren. Das Factum läßt sich nicht bestreiten; für ihn aber giebt es Entschuldigungsgründe, welche für Andere, die des nämlichen Verbrechens schuldig waren, nicht geltend gemacht werden können. Er hinterging nicht, wie Marlborough, Russell, Godolphin und Shrewsbury, einen Gebieter, der ihm Vertrauen schenkte und mit Wohlthaten überhäufte. Die Undankbarkeit und Bosheit der Whigs trieben ihn dazu, einen Augenblick bei den Jakobiten Schutz zu suchen. Es muß jedoch hinzugesetzt werden, daß er den Fehler, zu dem ihn die Leidenschaft verführte, bald bereute, daß er, obwohl nie mit dem Hofe wieder ausgesöhnt, sich durch seinen Eifer für die nachdrückliche Fortsetzung des Kriegs auszeichnete und daß sein letztes Werk eine Schrift war, in der er seine Landsleute ermahnte zu bedenken, daß die öffentlichen Lasten, so drückend sie auch scheinen mochten, leicht seien im Vergleich zu dem Joche Frankreich’s und Rom’s. [9]

Etwa vierzehn Tage nach Halifax’ Tode traf seinen alten Nebenbuhler und Feind, den Lordpräsidenten, ein viel härterer Schlag als der Tod. Dieser talentvolle, ehrgeizige und kühne Staatsmann wurde abermals von der Höhe der Macht herabgestürzt. Sein erster Sturz hatte, so heftig er auch gewesen war, doch etwas Würdevolles gehabt, und indem er mit seltener Geschicklichkeit eine außerordentliche Krisis in den Staatsangelegenheiten benutzte, hatte er sich noch einmal zur höchsten Stellung unter den englischen Unterthanen emporgeschwungen. Der zweite Sturz war zwar minder heftig als der erste; aber er war schimpflich und nicht wieder gut zu machen.

Parlamentarische Untersuchungen wegen der Corruption in den öffentlichen Aemtern.

Die Unterschleife und die Bestechungen, durch welche die damaligen Beamten sich zu bereichern pflegten, hatten das Volk in eine Stimmung versetzt, die früher oder später nothwendig eine furchtbare Explosion zur Folge haben mußte. Aber die Gewinne wurden auf der Stelle gemacht, der Tag der Vergeltung war ungewiß und die Plünderer des Staats waren so gierig und frech wie je, als die lange gedrohte und lange verzögerte Rache plötzlich den Stolzesten und Mächtigsten von ihnen ereilte.

Das erste Grollen des herannahenden Sturmes verrieth nicht im mindesten die Richtung, die er nehmen, oder die Wuth, mit der er ausbrechen würde. Ein in Royston liegendes Infanterieregiment hatte von [XXI.11] den Bewohnern dieser Stadt und deren Umgegend Contributionen erhoben. Die erpreßte Summe war nicht bedeutend. In Frankreich oder Brabant würde die Mäßigkeit des Verlangten für wunderbar gehalten worden sein. Den englischen Kaufleuten und Landwirthen aber war die militärische Erpressung zum Glück etwas ganz Neues und Unerträgliches. Es wurde den Gemeinen eine Petition übersandt, und die Gemeinen forderten die Ankläger und Angeklagten vor die Schranke. Es stellte sich bald heraus, daß ein schweres Vergehen verübt worden, daß aber die Verbrecher einigermaßen zu entschuldigen waren. Die öffentlichen Gelder, welche die Schatzkammer zu ihrer Löhnung und ihrem Unterhalte hergegeben hatte, waren von ihrem Obersten und seinen Agenten betrügerischerweise zurückgehalten worden. Es war kein Wunder, wenn Leute, welche Waffen hatten und denen es an den nothwendigsten Bedürfnissen fehlte, wenig nach der Bitte um Recht und nach der Rechtserklärung fragten. Aber empörend war es, daß der Soldat, während der Bürger schwer besteuert war, damit dem Soldaten der höchste in Europa bekannte Militärsold bezahlt werden konnte, durch gänzlichen Mangel dazu getrieben wurde, den Bürger zu brandschatzen. Dies wurde in einer Vorstellung, welche die Gemeinen Wilhelm vorlegten, nachdrücklich hervorgehoben. Wilhelm, der schon längst gegen Mißbräuche kämpfte, welche die Wirksamkeit seiner Armee empfindlich beeinträchtigten, freute sich, daß seine Hand auf diese Weise gekräftigt wurde. Er versprach vollständige Genugthuung, cassirte den schuldigen Obersten, gab strengen Befehl, daß den Truppen ihr Sold regelmäßig ausgezahlt werde und ernannte eine Militärbehörde zur Entdeckung und Bestrafung solcher Ungebührlichkeiten, wie sie in Royston vorgekommen waren. [10]

Aber die ganze Verwaltung war in einem solchen Zustande, daß es kaum möglich war, einen Schuldigen zu bestrafen, ohne zehn andere zu entdecken. Im Laufe der Untersuchung über das Benehmen der Truppen in Royston kam es an den Tag, daß Heinrich Guy, Parlamentsmitglied für Heydon und Sekretär des Schatzamts, eine Bestechungssumme von zweihundert Guineen angenommen hatte. Guy wurde sogleich in den Tower geschickt, nicht ohne großen Jubel seitens der Whigs, denn er war eines von den Werkzeugen, welche zugleich mit den Gebäuden und Einrichtungen der öffentlichen Aemter von Jakob auf Wilhelm übergegangen waren; er spielte die Rolle eines Hochkirchlichen, und man wußte, daß er mit einigen Oberhäuptern der Torypartei, und namentlich mit Trevor, eng befreundet war. [11]

Ein andrer Name, der später eine nur zu weit verbreitete Berühmtheit erlangte, wurde damals dem Publikum zuerst bekannt. Jakob Craggs hatte seine Laufbahn als Barbier begonnen. Dann war er Bedienter der [XXI.12] Herzogin von Cleveland geworden. Seine ausgezeichneten, wenn auch nicht durch Unterricht ausgebildeten Naturgaben hatten ihn in der Welt emporgehoben, und er betrat jetzt eine Laufbahn, die nach einem Viertel Jahrhundert des Glücks mit unbeschreiblichem Elend und Verzweiflung endigen sollte. Er war Tuchlieferant für die Armee geworden. Er wurde über seinen Geschäftsverkehr mit den Regimentsobersten vernommen, und da er sich hartnäckig weigerte, seine Bücher vorzulegen, wurde er in den Tower geschickt, um Guy Gesellschaft zu leisten. [12]

Wenige Stunden nachdem Craggs ins Gefängniß geworfen worden war, legte ein Ausschuß, der ernannt war, um die Begründung einer von einigen Miethkutschern London’s eingereichten Petition zu untersuchen, einen Bericht auf den Tisch des Hauses nieder, der allgemeinen Abscheu und Unwillen erregte. Es ergab sich, daß diese armen ihr Brot sauer verdienenden Menschen von der Behörde, unter deren Aufsicht sie eine Acte der vorigen Session gestellt hatte, schwere Unbill erfahren hatten. Sie waren nicht allein von den Commissaren, sondern auch von dem Bedienten eines Commissars und von der Concubine eines andren gebrandschatzt und insultirt worden. Die Gemeinen richteten eine Adresse an den König und der König entsetzte die Schuldigen ihrer Stellen. [13]

Inzwischen aber begann Verbrechern, die in Macht und Rang weit höher standen, bange zu werden. Bei jeder neuen Entdeckung wuchs die Aufregung sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern des Parlaments. Das entsetzliche Ueberhandnehmen von Bestechung, Corruption und Erpressung bildete überall den Gegenstand des Tagesgesprächs. Ein zeitgenössischer Pamphletist vergleicht den damaligen Zustand der politischen Welt mit dem Zustande einer Stadt, in der man so eben das Herrschen einer Pestseuche entdeckt hat und in der die Schreckensworte „Gott sei uns gnädig” bereits an einigen Thüren zu lesen sind. [14] Geflüster, das zu einer andren Zeit rasch verklungen und vergessen worden wäre, schwoll jetzt zu Murren und dann zu lautem Geschrei an. Es entstand und verbreitete sich das Gerücht, daß die Gelder der beiden reichsten Corporationen des Landes, der City von London und der Ostindischen Compagnie, in bedeutendem Maße zur Bestechung hochgestellter Männer verwendet worden seien, und es wurden die Namen Trevor, Seymour und Leeds genannt.

Die Nennung dieser Namen verursachte eine große Aufregung in den Reihen der Whigs. Trevor, Seymour und Leeds waren alle Drei Tories und übten auf verschiedenen Wegen einen größeren Einfluß aus, als vielleicht irgend drei andere Tories des Königreichs. Wenn sie alle Drei zu gleicher Zeit mit beflecktem Rufe aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden konnten, so hatten dann die Whigs im Parlament wie im Cabinet das entschiedene Uebergewicht.

Wharton war nicht der Mann, sich eine solche Gelegenheit entgehen [XXI.13] zu lassen. In White’s Kaffeehause, unter den jungen vornehmen Herren, die in Politik und Ausschweifung seine Schüler waren, würde er gewiß herzlich gelacht haben über die Wuth, mit der die Nation plötzlich Leute deshalb zu verfolgen begann, weil sie etwas thaten, was Jedermann stets gethan hatte und stets zu thun versuchte. Aber wenn die Menschen einmal Thoren sein wollten, so war es Sache eines Staatsmannes, ihre Thorheit zu benutzen. Die Sprache der politischen Reinheit war den Lippen Wharton’s nicht so geläufig als gotteslästerliche und unzüchtige Reden; aber seine Manieren waren so geschmeidig und seine Unverschämtheit so groß, daß er vor der Welt als ein sittenstrenger Patriot aufzutreten wagte, der über die Feilheit und Treulosigkeit eines entarteten Zeitalters trauerte. Während er, von dem heftigen Parteigeiste beseelt, der bei rechtschaffenen Männern für einen Fehler gegolten haben würde, der aber bei ihm fast eine Tugend war, seine Freunde eifrig aufstachelte, eine Untersuchung über die Wahrheit der circulirenden schlimmen Gerüchte zu verlangen, wurde der Gegenstand plötzlich und nachdrücklich in den Vordergrund gedrängt. Der Zufall wollte, daß, als eine Bill von geringem Interesse bei den Gemeinen berathen wurde, der Briefträger mit zahlreichen Briefen an Mitglieder ankam, und die Vertheilung erfolgte an der Schranke unter einem Gemurmel, das die Stimmen der Redner übertäubte. Seymour, den sein gebieterischer Character beständig antrieb zu befehlen und zu moniren, verwies den Plaudernden die anstößige Ordnungswidrigkeit ihres Benehmens und forderte den Sprecher auf, es zu rügen. Es erfolgte ein heftiger Wortwechsel und einer der Schuldigen ließ sich so weit hinreißen, daß er auf die über Seymour und den Sprecher umlaufenden Geschichten anspielte. „Es ist allerdings unpassend zu plaudern, während eine Bill berathen wird; aber noch viel schlimmer ist es, Geld anzunehmen, um eine Bill durchzubringen. Wenn wir eine leichte Formverletzung so streng rügen wollen, wie streng sollten wir dann erst gegen die Corruption auftreten, welche das Wesen unserer Institutionen selbst untergräbt!” Das war genug; der Funke war gefallen, der Pulverfaden lag bereit, die Explosion erfolgte augenblicklich und mit furchtbarer Heftigkeit. Nach einer stürmischen Debatte, in der sich zu wiederholten Malen der Ruf: „der Tower!” vernehmen ließ, traf Wharton Anstalt, sein Vorhaben durchzusetzen. Bevor das Haus die Sitzung aufhob, wurde ein Ausschuß zur Prüfung der Bücher der City von London und der Ostindischen Compagnie ernannt. [15]

Tadelsvotum gegen den Sprecher des Hauses der Gemeinen.

Foley wurde zum Präsidenten des Ausschusses ernannt. Vor Ablauf einer Woche berichtete er, daß der Sprecher, Sir Johann Trevor, unter der vorigen Session von der City tausend Guineen zur Beschleunigung einer Lokalbill erhalten habe. Diese Entdeckung freute die Whigs, welche Trevor von jeher haßten, ungemein und war selbst vielen Tories nicht unangenehm. Seit sechs geschäftsreichen Sessionen hatte seine schmutzige Habgier ihn zum Gegenstand des allgemeinen Abscheus gemacht. [XXI.14] Die gesetzlichen Einkünfte seines Postens betrugen ungefähr viertausend Pfund jährlich; aber man glaubte, daß er sich auf mindestens zehntausend Pfund gestanden habe. [16] Seine Schamlosigkeit und sein Hochmuth waren selbst dem engelgleichen Character Tillotson’s zu stark gewesen, und man wollte den sanften Erzbischof etwas von einem Schurken haben murmeln hören, als der Sprecher bei ihm vorüberging. [17] Doch so groß die Verbrechen dieses abscheulichen Mannes waren, seine Strafe war ihnen vollkommen angemessen. Sobald der Ausschußbericht verlesen war, wurde beantragt zu resolviren, daß er sich eines schweren Verbrechens und Vergehens schuldig gemacht habe. Er mußte aufstehen und die Frage stellen. Es erhob sich alsbald ein lautes Jageschrei. Er rief die Neins auf, und fast keine einzige Stimme ließ sich vernehmen. Er sah sich gezwungen zu erklären, daß die Jas überwögen. Ein Mann von Ehre würde vor Reue und Scham in die Erde gesunken sein, und die unsägliche Schande dieses Augenblicks ließ selbst in dem verstockten Herzen und auf der frechen Stirn Trevor’s ihre Spuren zurück. Wäre er am folgenden Tage wieder in der Kammer erschienen, so würde er über seine eigne Ausstoßung die Frage haben stellen müssen. Er schützte daher Unpäßlichkeit vor und schloß sich in sein Schlafzimmer ein. Wharton überbrachte den Gemeinen bald eine königliche Botschaft, die sie ermächtigte, einen andren Sprecher zu wählen.

Foley zum Sprecher erwählt.

Die Whighäupter wollten Littleton auf den Präsidentenstuhl bringen; aber es gelang ihnen nicht, diese Absicht zu erreichen. Foley wurde gewählt, vorgestellt und bestätigt. Obwohl er neuerdings in der Regel mit den Tories gestimmt hatte, nannte er sich noch immer einen Whig und war auch vielen Whigs nicht unangenehm. Er besaß sowohl die Talente als auch die Kenntnisse, deren es bedurfte, um den Debatten mit Würde präsidiren zu können; was aber in der eigenthümlichen Lage, in der sich das Haus damals befand, nicht ohne Grund als seine empfehlendste Eigenschaft betrachtet wurde, das war sein unversöhnlicher Abscheu vor Betrug und Corruption, den er ein wenig prahlerisch zur Schau trug, aber auch ohne Zweifel wirklich empfand. Den Tag darauf, nachdem er seine Functionen angetreten hatte, wurde sein Vorgänger ausgestoßen. [18]

Untersuchung der Rechnungen der Ostindischen Compagnie.

Die Unbesonnenheit Trevor’s war eben so groß gewesen als seine Schlechtigkeit, und seine Schuld war bei der ersten Prüfung der Rechnungen der City zu Tage getreten. Die Rechnungen der Ostindischen Compagnie waren verwickelter. Der Ausschuß berichtete, daß er sich nach Leadenhall Street begeben, die Papiere untersucht, die Directoren und Commis befragt habe, aber nicht im Stande gewesen sei, dem Geheimnisse der Widerrechtlichkeit auf den Grund zu kommen. Einige höchst verdächtige Buchungen habe man unter der Bezeichnung „besonderer Dienstaufwand” entdeckt. Die Ausgaben dieses Conto’s hätten im Jahre 1693 über achtzigtausend Pfund betragen. Es sei erwiesen, daß die Directoren [XXI.15] bezüglich der Verausgabung dieses Geldes dem Gouverneur, Sir Thomas Cook, unbedingtes Vertrauen geschenkt hätten. Er habe ihnen nur in allgemeinen Ausdrücken gesagt, daß er in Angelegenheit der Concession dreiundzwanzigtausend, fünfundzwanzigtausend, dreißigtausend Pfund habe ausgeben müssen, und die Directoren hätten ihm, ohne specielle Rechnungsablage zu verlangen, für seine Sorgfalt gedankt und ihm ohne weiteres Anweisungen auf diese bedeutenden Summen ausstellen lassen. Einige aufsässige Directoren hätten zwar über diese enorme Ausgabe gemurrt und einen detaillirten Status verlangt; aber sie hätten keine andre Antwort aus Cook herausbekommen können, als daß es nothwendig gewesen sei, einige hochgestellte Personen zu beschenken.

Verdächtiges Treiben Seymour’s.

Der Ausschuß berichtete ferner, daß er ein contractliches Uebereinkommen gefunden habe, kraft dessen die Compagnie sich verpflichtet habe, einer Person, Namens Colston, zweihundert Tonnen Salpeter zu liefern. Auf den ersten Anblick schien dieses Geschäft kaufmännisch und in Ordnung zu sein. Bald aber kam man dahinter, daß Colston nur ein Agent Seymour’s war. Dies erweckte Verdacht. Die verwickelten Bedingungen des Contracts wurden genau untersucht und sie ergaben sich als in der Weise festgestellt, daß in jedem möglichen Falle eine Summe von zehn- bis zwölftausend Pfund von Seymour gewonnen und von der Compagnie verloren werden mußte. Alle Sachverständigen waren der Ansicht, daß der Contract ein bloßes Scheindocument sei, das eine Bestechung verdecken sollte. Die Maske war aber so geschickt gemacht, daß die Landgentlemen sich nicht hineinfinden konnten und daß selbst die Juristen zweifelten, ob solche Beweise von Bestechung vorlägen, wie sie ein Gerichtshof für genügend erachten würde. Seymour kam sogar ohne Tadelsvotum davon und nahm nach wie vor einen leitenden Antheil an den Debatten der Gemeinen. [19] Aber die Autorität, die er lange im Hause und in den westlichen Grafschaften ausgeübt hatte, war, wenn auch nicht vernichtet, doch sichtbar vermindert, und bis an das Ende seines Lebens blieb sein Salpeterhandel ein Lieblingsthema für whiggistische Pamphletisten und Dichter. [20]

Bill gegen Sir Thomas Cook.

Das Entrinnen Seymour’s fachte den Eifer Wharton’s und seiner Verbündeten nur noch mehr an. Sie waren entschlossen zu entdecken, wohin die achtzig- bis neunzigtausend Pfund „geheimer Dienstaufwand” gekommen waren, welche die Ostindische Compagnie Cook anvertraut hatte. Cook, welcher Abgeordneter für Colchester war, wurde auf seinem Platze befragt; er weigerte sich Rede zu stehen, wurde in den Tower geschickt, und eine Bill wurde eingebracht, des Inhalts, daß, wenn er bis zu einem bestimmten Tage nicht die ganze [XXI.16] Wahrheit gestände, er nie mehr fähig sein solle, ein Amt zu bekleiden, der Compagnie die ganze ihm anvertraute ungeheure Summe zurückerstatten und außerdem eine Geldbuße von zwanzigtausend Pfund an die Krone bezahlen müsse. So reich er auch war, diese Geldbußen würden ihn an den Bettelstab gebracht haben. Die Gemeinen waren in einer solchen Stimmung, daß sie die Bill ohne eine einzige Abstimmung annahmen. [21] Seymour trat zwar, obgleich sein Salpetercontract das Stadtgespräch bildete, mit frecher Stirn auf, um seinen Complicen in Schutz zu nehmen; aber seine Frechheit schadete der Sache nur, die er vertheidigte. [22] Im Oberhause wurde die Bill vom Herzoge von Leeds in den stärksten Ausdrücken verurtheilt. Die Hand auf das Herz gelegt, erklärte er auf sein Wort, auf seine Ehre, daß er kein persönliches Interesse an der Sache habe und daß er durch kein andres Motiv als das einer reinen Gerechtigkeitsliebe getrieben werde. Seine Beredtsamkeit erhielt eine mächtige Stütze an den Thränen und Wehklagen Cooks, der von der Schranke aus die Peers beschwor, ihn nicht einer den milden Gesetzen England’s unbekannten Tortur zu unterwerfen. „Nehmen Sie,” sagte er, „anstatt dieser grausamen Bill eine Indemnitätsbill an, und ich werde Ihnen Alles sagen.” Die Lords hielten sein Verlangen für nicht ganz unbillig. Nach einigen Verhandlungen mit den Gemeinen wurde beschlossen, daß ein gemeinsamer Ausschuß ernannt werden sollte, um zu untersuchen, wofür der geheime Dienstaufwand der Ostindischen Compagnie verausgabt worden sei, und es wurde rasch eine Acte angenommen, welche bestimmte, daß, wenn Cook diesem Ausschusse offene und vollständige Enthüllungen mache, er für die einzugestehenden Verbrechen nicht bestraft werden, daß er aber, bis er ein solches Geständniß ablege, im Tower bleiben solle. Gegen dieses Arrangement opponirte Leeds öffentlich so entschieden, als er es schicklicherweise thun konnte. Insgeheim wendeten Diejenigen, die sich schuldig fühlten, allerhand Kunstgriffe an, um einer Untersuchung vorzubeugen. Man raunte sich zu, daß Dinge an den Tag kommen würden, von denen jeder gute Engländer wünschen müßte, daß sie verborgen blieben, und daß der größte Theil der durch Cook’s Hände gegangenen Summen an Portland zum Gebrauch Sr. Majestät bezahlt worden sei. Aber das Parlament und die Nation waren entschlossen, die Wahrheit zu erfahren, gleichviel wer durch die Enthüllung leiden würde. [23]

Untersuchung durch einen vereinigten Ausschuß der Lords und Gemeinen.

Sobald die Indemnitätsbill die königliche Genehmigung erhalten hatte, trat der vereinigte Ausschuß, bestehend aus zwölf Lords und vierundzwanzig Mitgliedern des Hauses der Gemeinen, im Sitzungssaale der Schatzkammer zusammen. Wharton wurde zum Vorsitzenden ernannt und in wenigen Stunden wurden wichtige Entdeckungen gemacht.

Der König und Portland gingen mit unbefleckter Ehre aus der Untersuchung hervor. Der König hatte nicht nur keinen Theil an den von Cook verausgabten geheimen Dienstgeldern, sondern er hatte sogar seit einigen Jahren nicht einmal das gewöhnliche Geschenk erhalten, das die [XXI.17] Compagnie unter früheren Regierungen alljährlich am Fuße des Thrones niedergelegt. Es ergab sich, daß Portland nicht weniger als fünfzigtausend Pfund angeboten und von ihm zurückgewiesen worden waren. Das Geld lag ein ganzes Jahr bereit, um ihm ausgezahlt zu werden, wenn er andren Sinnes werden sollte. Endlich sagte er Denen, die in ihn drangen, diese ungeheure Bestechungssumme anzunehmen, daß sie ihn zu einem Feinde ihrer Compagnie machen würden, wenn sie ihn noch länger durch ein solches Anerbieten beleidigten. Viele wunderten sich über die Rechtschaffenheit, die er bei dieser Gelegenheit bewies, denn er galt allgemein für eigennützig und habgierig. Das Wahre an der Sache scheint zu sein, daß er zwar das Geld liebte, aber ein Mann von strenger Rechtschaffenheit und Ehre war. Er nahm ohne Besinnen Alles was er mit Ehren nehmen zu können glaubte, war aber unfähig, sich zu einer Gemeinheit zu erniedrigen. Er fühlte sich sogar durch die Complimente beleidigt, die ihm bei dieser Gelegenheit gesagt wurden. [24] Nottingham’s Rechtschaffenheit konnte nicht Wunder nehmen. Auch ihm waren zehntausend Pfund angeboten, aber zurückgewiesen worden. Die Zahl der Fälle, in denen stattgefundene Bestechung vollständig erwiesen wurde, war klein. Ein großer Theil der Summe, welche Cook aus der Casse der Compagnie gezogen hatte, war wahrscheinlich von den Agenten unterschlagen worden, deren er sich bei dem Bestechungswerke bedient hatte, und wohin das Uebrige gekommen war, konnte man aus den widerstrebenden Zeugen, welche vor den Ausschuß gebracht wurden, nicht leicht erfahren. Ein Lichtstrahl zeigte sich jedoch; man ging ihm nach, und er führte zu einer Entdeckung von der höchsten Wichtigkeit. Eine bedeutende Summe war von Cook einem Agenten, Namens Firebrace, und von Firebrace einem andren Agenten, Namens Bates, verabfolgt worden, von dem man genau wußte, daß er mit der Hochkirchenpartei und insbesondere mit Leeds in enger Beziehung stand. Bates wurde vorgeladen, aber er machte sich aus dem Staube; man schickte Boten zu seiner Verfolgung ab, er wurde ergriffen, in das Schatzkammergericht gebracht und vereidigt. Die Geschichte, die er erzählte, bewies, daß er zwischen der Furcht, seine Ohren zu verlieren, und der Furcht, seinem Gönner zu schaden, hin und her schwankte. Er gestand, daß er es auf sich genommen habe, Leeds zu bestechen, daß ihm zu dem Ende fünftausendfünfhundert Guineen übergeben worden seien, daß er diese Guineen Sr. Gnaden angeboten und dieselben mit Erlaubniß Sr. Gnaden in dessen Hause einem Schweizer, Namens Robart, eingehändigt habe, der Sr. Gnaden vertrauter Geschäftsmann sei. Man sollte meinen, daß diese Thatsache nur eine Deutung zuließe. Bates schwur jedoch, der Herzog habe sich geweigert, auch nur einen Farthing anzunehmen. „Warum,” fragte man, „wurde dann das Gold mit seiner Bewilligung in seinem Hause und in den Händen seines Dieners zurückgelassen?” — „Weil ich schlecht Geld zählen kann,” antwortete Bates. „Ich bat deshalb Se. Gnaden um die Erlaubniß, die Goldstücke dalassen zu dürfen, damit Robart sie für mich zählen möchte, und Se. Gnaden hatte die Güte, dies zu gestatten.” Es lag auf der Hand, daß, wenn diese wunderliche Geschichte wahr gewesen wäre, die Guineen in einigen Stun [XXI.18] den hätten wieder abgeholt werden müssen. Aber Bates mußte eingestehen, daß sie ein halbes Jahr da geblieben waren, wo er sie zurückgelassen hatte. Allerdings war das Geld schließlich — und dies war im vorliegenden Falle einer der verdächtigsten Umstände, — von Robart gerade an dem Morgen zurückgezahlt worden, wo der Ausschuß seine erste Zusammenkunft im Schatzkammergericht hielt. Wer konnte glauben, daß, wenn die Geschichte frei von jedem Anschein von Bestechung gewesen wäre, die Guineen, so lange Cook schweigen konnte, zurückgehalten und an dem elften Tage wo er genöthigt war sich auszusprechen, zurückerstattet worden sein würden?

Anklage gegen Leeds.

Wenige Stunden nach dem Verhöre Bates’ berichtete Wharton den Gemeinen was im Schatzkammergericht vorgegangen war. Die Entrüstung war allgemein und heftig. „Sie begreifen jetzt,” sagte Wharton, „warum uns bei jedem Schritte Hindernisse in den Weg gelegt wurden, warum wir die Wahrheit tropfenweis herauspressen mußten, warum der Name Sr. Majestät arglistig genannt wurde, damit wir von einer Untersuchung abstehen sollten, die nichts zu Tage gebracht hat, was Sr. Majestät nicht zur Ehre gereichte. Dürfen wir uns wundern, daß wir mit so großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, wenn wir die Macht, Gewandtheit und Erfahrung des Mannes bedenken, der uns im Geheimen entgegenarbeitete? Es ist Zeit, der Welt einmal schlagend zu beweisen, daß kein Verbrecher sich so schlau zu verbergen oder so hoch zu klimmen vermag, daß wir ihn nicht aufspüren oder erreichen könnten. Nie hat es ein schändlicheres Beispiel von Bestechung gegeben, nie hat ein Verbrecher weniger Anspruch auf Nachsicht gehabt. Die Verpflichtungen, welche der Herzog von Leeds gegen sein Vaterland hat, sind nicht gewöhnlicher Art. Eine große Schuld haben wir schon großmüthig gestrichen; aber die Art und Weise, wie unsre Großmuth vergolten worden ist, zwingt uns zu berücksichtigen, daß er vor langer Zeit angeklagt war, Geld aus Frankreich zu beziehen. Wie können wir sicher sein, so lange ein Mann, dessen Feilheit erwiesen ist, Zugang zum Ohre des Königs hat? Unsere am besten vorbereiteten Unternehmungen sind vereitelt, unsere geheimsten Beschlüsse sind verrathen worden. Und dürfen wir uns darüber wundern? Können wir daran zweifeln, daß er neben seinem inländischen Handel mit Concessionen einen einträglichen auswärtigen Handel mit Geheimnissen treibt? Können wir zweifeln, das der Mann, der uns Einen an den Andren verkauft, für einen guten Preis uns Alle an den gemeinsamen Feind verkaufen wird?” Wharton schloß mit dem Antrage, daß Leeds wegen schwerer Verbrechen und Vergehen in Anklagestand versetzt werden solle. [25]

Leeds hatte viele Freunde und Anhänger im Hause der Gemeinen, aber sie konnten wenig sagen. Wharton’s Antrag wurde ohne Abstimmung angenommen und er selbst beauftragt, an die Schranke der Lords zu gehen und dort den Herzog im Namen der Gemeinen England’s anzuklagen. Noch ehe er aber diesen Auftrag ausführen konnte, wurde gemeldet, daß Se. Gnaden an der Thür sei und um Gehör bitten lasse.

Während Wharton bei den Gemeinen seinen Bericht erstattete, hatte [XXI.19] Leeds eine Ansprache an die Lords gehalten. Er leugnete unter den feierlichsten Versicherungen, daß er jemals Geld für sich angenommen habe. Dagegen aber gestand er zu und rühmte sich dessen sogar, daß er Bates dazu aufgemuntert habe, von der Compagnie Geld zu nehmen, und er schien der Meinung, daß dies ein Dienst sei, den der Freund eines am Staatsruder stehenden Mannes billigerweise von diesem erwarten könne. Nur zu Viele machten damals in der That einen höchst albernen und verderblichen Unterschied zwischen einem Minister, der seinen Einfluß benutzte, um sich selbst Geschenke zu verschaffen, und einem Minister, der seinen Einfluß benutzte, um für seine Anhänger Geschenke zu erlangen. Jener war schlecht, dieser nur gutherzig. Leeds erzählte hierauf mit großer Selbstgefälligkeit eine Geschichte von sich, die in unseren Zeiten einen Staatsdiener nicht nur aus dem Amte, sondern aus jeder anständigen Gesellschaft vertreiben würde. „Als ich zu König Karl’s Zeiten Schatzmeister war, Mylords, sollte die Accise verpachtet werden. Es waren mehrere Bewerber da. Harry Savile, den ich sehr hoch schätzte, theilte mir mit, daß sie ihn um seine Fürsprache bei mir ersucht hätten, und bat mich ihnen zu sagen, er habe sein Möglichstes für sie gethan. „Wie?” entgegnete ich, „das soll ich ihnen Allen sagen, während doch nur Einer den Pacht haben kann?” — „Thut nichts,” versetzte Harry, „sagen Sie es nur Allen; Der, welcher den Pacht bekommt, wird dann glauben, daß er ihn mir verdankt.” Die Herren kamen und ich sagte jedem von ihnen besonders: „Sie sind Mr. Savile sehr zu Dank verpflichtet, Sir;” oder: „Mr. Savile hat Ihnen einen großen Freundschaftsdienst erzeigt, Sir.” Schließlich erhielt Savile ein anständiges Präsent, und ich gratulirte ihm dazu. Ich war damals sein Schatten. Jetzt bin ich Mr. Bates’ Schatten.”

Der Herzog hatte diese Anekdote, die ein so grelles Licht auf den damaligen Zustand der politischen Moralität wirft, kaum erzählt, als ihm unter der Hand mitgetheilt wurde, daß im Hause der Gemeinen der Antrag gestellt worden sei, ihn in Anklagestand zu versetzen. Er eilte dahin, aber noch ehe er ankam, war die Frage bereits gestellt und angenommen. Dessenungeachtet drang er auf Einlaß, und er wurde eingelassen. Nach altem Brauche wurde innerhalb der Schranke ein Stuhl für ihn hingestellt und ihm angezeigt, daß das Haus bereit sei ihn anzuhören.

Er sprach, aber mit weniger Takt und Einsicht als gewöhnlich. Er pries seine eigenen dem Staate geleisteten Dienste. Ohne ihn, sagte er, würde es kein Haus der Gemeinen gegeben haben, das ihn hätte anklagen können, eine Prahlerei, die so überspannt war, daß seinen Zuhörern nothwendig die Lust vergehen mußte, ihm dasjenige Lob zuzugestehen, das sein Verhalten zur Zeit der Revolution wirklich verdiente. Ueber die gegen ihn erhobene Anklage sagte er nicht viel mehr als daß er unschuldig sei, daß man schon längst mit dem böswilligen Plane umgehe, ihn ins Verderben zu stürzen, daß er nicht auf Einzelnheiten eingehen wolle, daß die Facta, welche bewiesen worden seien, zweierlei Deutungen zuließen, und daß von diesen beiden Deutungen billigerweise die günstigere angenommen werden müsse. Er entfernte sich, nachdem er das Haus gebeten hatte, den eben gefaßten Beschluß noch einmal zu erwägen, oder, wenn dies nicht sein könne, ihm wenigstens bald Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Seine Freunde fühlten wohl, daß seine Rede keine Vertheidigung war, [XXI.20] und sie versuchten es daher auch gar nicht, den Beschluß rückgängig zu machen, der unmittelbar vor seiner Anhörung gefaßt worden war. Wharton begab sich in zahlreicher Begleitung zu den Lords und zeigte ihnen an, daß die Gemeinen beschlossen hätten, den Herzog in Anklagestand zu versetzen. Es wurde ein Ausschuß ernannt, um die Artikel aufzusetzen und die Beweise vorzubereiten. [26]

Die Anklageartikel waren bald aufgesetzt, aber in der Beweiskette fehlte ein Glied. Dieses Glied konnte aller Wahrscheinlichkeit noch Robart liefern, wenn er streng verhört und mit anderen Zeugen confrontirt wurde. Die Gemeinen erließen eine Vorladung an ihn. Ein Bote begab sich damit nach der Wohnung des Herzogs von Leeds und erhielt dort den Bescheid, daß der Schweizer schon seit drei Tagen abwesend sei und daß der Portier nicht sagen könne, wo er sich aufhalte. Die Lords richteten unverzüglich eine Adresse an den König, worin sie ihn ersuchten, Befehl zu geben, daß die Häfen gesperrt und der Flüchtling festgenommen werde. Aber Robart war schon in Holland auf dem Wege nach seinen heimischen Bergen.

Die Flucht dieses Mannes machte es den Gemeinen unmöglich, die Sache weiter zu verfolgen. Sie beschuldigten Leeds mit Heftigkeit, daß er den Zeugen entfernt habe, der allein den juristischen Beweis für Thatsachen liefern konnte, welche durch moralische Beweise bereits festgestellt waren. Leeds, der jetzt wegen des Ausgangs der Anklage beruhigt war, gab sich das Ansehen eines schwer Beleidigten. „Mylords,” sagte er, „das Verfahren der Gemeinen ist beispiellos. Sie beschuldigen mich eines schweren Verbrechens, sie versprechen es zu beweisen; dann finden sie, daß sie nicht die Mittel haben es zu beweisen, und sie machen mir Vorwürfe, daß ich ihnen diese Mittel nicht liefere. Sie hätten gewiß eine solche Anklage nicht erheben sollen, ohne wohl zu überlegen, ob sie auch genügende Beweise hatten, um sie aufrecht zu erhalten, oder nicht. Wenn Robart’s Zeugniß, wie sie jetzt sagen, unerläßlich ist, warum ließen sie ihn nicht kommen und ihn seine Geschichte erzählen, ehe sie sich zur Anklage entschlossen? Sein Verschwinden haben sie ihrer eignen Maßlosigkeit, ihrer eignen Uebereilung zuzuschreiben. Er ist ein Ausländer, er ist ängstlich, er hört, daß ein Vorgang, bei dem er betheiligt gewesen, vom Hause der Gemeinen für höchst strafbar erklärt, daß sein Herr angeklagt, daß sein Freund Bates im Gefängniß sei und daß jetzt an ihn die Reihe kommen solle. Natürlich bekommt er Furcht, flüchtet sich in sein Vaterland, und so weit ich ihn kenne, möchte ich wohl behaupten, daß er sich sobald nicht wieder in den Bereich einer Vorladung des Sprechers wagen wird. Aber was geht das Alles mich an? Soll ich mein ganzes Leben lang das Brandmal einer solchen Beschuldigung mit mir herumtragen, lediglich deshalb, weil die Heftigkeit meiner Ankläger ihren Zeugen aus England getrieben hat? Ich verlange sofortige Prozessirung. Ich fordere Eure Lordschaften auf zu beschließen, daß die Anklage zurückgewiesen werden soll, wenn die Gemeinen dieselbe nicht vor dem Schlusse der Session anbringen.” Einige befreundete Stimmen riefen: „Gut beantragt!” Aber die Peers im allgemeinen waren nicht geneigt einen Schritt zu thun, der [XXI.21] für das Unterhaus und die große Masse Derer, welche dieses Haus vertrat, im höchsten Grade beleidigend gewesen wäre. Der Antrag des Herzogs fiel durch und einige Stunden darauf wurde das Parlament prorogirt. [27]

Leeds’ Entlassung.

Die Anklage wurde nie wieder erneuert. Der Beweis, der eine formelle Schuldigerklärung begründet haben würde, konnte nicht beigebracht werden, und eine formelle Schuldigerklärung würde Wharton’s Zweck schwerlich besser entsprochen haben, als die unformelle Schuldigerklärung, welche die ganze Nation bereits ausgesprochen hatte. Das Werk war vollbracht, die Whigs hatten die Oberhand. Leeds war nicht mehr erster Minister, ja überhaupt gar nicht mehr Minister. Wilhelm vermied, wahrscheinlich aus Achtung für das Andenken der geliebten Frau, die er vor kurzem verloren und der Leeds eine besondere Zuneigung bewiesen hatte, Alles was wie Härte aussehen konnte. Der gestürzte Staatsmann durfte noch eine beträchtliche Zeit lang den Titel Lordpräsident beibehalten und bei öffentlichen Gelegenheiten zwischen dem Großen Siegel und dem Geheimsiegel gehen. Aber man gab ihm zu verstehen, daß er wohl thun würde, nicht mehr im Ministerium zu erscheinen; die Geschäfte und das Patronat selbst desjenigen Departements, dessen nominelles Oberhaupt er war, gingen in andere Hände über, und der Posten, den er zum Scheine noch bekleidete, wurde in den politischen Kreisen als thatsächlich erledigt betrachtet. [28]

Er eilte in die Provinz und verbarg sich dort einige Monate vor den Augen der Oeffentlichkeit. Als jedoch das Parlament wieder zusammentrat, kam er aus seinem Versteck hervor. Obwohl er in weit vorgerückten Jahren stand und von Krankheit gequält wurde, war sein Ehrgeiz doch noch so glühend als je. Mit rastloser Energie begann er zum dritten Male zu klimmen, um, wie er sich schmeichelte, die schwindelnde Höhe wieder zu erreichen, auf der er schon zweimal gestanden hatte und von der er schon zweimal herabgestürzt war. Er nahm lebhaft Theil an der Debatte; aber wenn auch seine Beredtsamkeit und seine Kenntnisse ihm jederzeit die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sicherten, so wurde ihm doch nie wieder, selbst als die Torypartei am Ruder war, der kleinste Antheil an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten bewilligt.

Lords Justices ernannt.

Eine große Demüthigung konnte ihm nicht erspart werden. Wilhelm stand auf dem Punkte, das Commando der Armee in den Niederlanden zu übernehmen, und bevor er absegelte, mußte er bestimmen, von wem die Regierung in seiner Abwesenheit verwaltet werden sollte. Bisher hatte Marie die Viceregentschaft geführt, wenn er außerhalb England’s war; aber sie war nicht mehr. Er übertrug daher seine Autorität sieben Lords Justices: Tenison, Erzbischof von Canterbury, Somers, Großsiegelbewahrer, Pembroke, Geheimsiegelbewahrer, Devonshire, Lord Obersthofmeister, Dorset, Lord Kammerherr, Shrewsbury, Staatssekretär, und Godolphin, erster Commissar des Schatzes. Es ist aus dieser Namenliste leicht zu ersehen, nach welcher Seite die Wagschale der Macht sich jetzt neigte. Unter den sieben war [XXI.22] Godolphin der einzige Tory. Der Lordpräsident, unter den hohen Laienwürdenträgern des Reichs noch immer der Zweite im Range, war übergangen, und diese Auslassung wurde allgemein als eine officielle Ankündigung seiner Ungnade betrachtet. [29]

Aussöhnung zwischen Wilhelm und der Prinzessin Anna.

Manche wunderten sich, daß die Prinzessin von Dänemark nicht zur Viceregentin ernannt wurde. Die Aussöhnung, welche begonnen hatte, als Marie im Sterben lag, war seit ihrem Tode, wenigstens dem äußeren Scheine nach, vollendet worden. Dies war eine von denjenigen Gelegenheiten, bei denen Sunderland sich besonders nützlich machen konnte. Er eignete sich vortrefflich dazu, eine persönliche Unterhandlung zu leiten, Groll zu mildern, verletzten Stolz zu beschwichtigen, von allen Gegenständen des irdischen Verlangens den zu wählen, von dem sich am ehesten erwarten ließ, daß er das Gemüth, mit dem er es zu thun hatte, anziehen werde. Bei dieser Gelegenheit war seine Aufgabe nicht schwer, denn er hatte zwei treffliche Stützen: Marlborough im Hofstaate Anna’s, und Somers im Cabinet Wilhelm’s.

Marlborough wünschte jetzt eben so sehr die Regierung zu unterstützen, wie er einst gewünscht hatte, sie zu stürzen. Mariens Tod hatte eine vollständige Umwandlung in allen seinen Plänen hervorgebracht. Es gab ein Ereigniß, dem er mit dem sehnlichsten Verlangen entgegensah: die Erhebung der Prinzessin auf den englischen Thron. Es war gewiß, daß er von dem Tage an, wo sie zu regieren begann, an ihrem Hofe alles das wurde, was Buckingham am Hofe Jakob’s I. gewesen war. Marlborough muß sich überdies noch ganz andere Talente zugetraut haben als sie Buckingham besaß: ein Genie für die Politik, nicht geringer als das Richelieu’s, ein Genie für den Krieg, nicht geringer als das Turenne’s. Vielleicht sah der entlassene General in seiner Dunkelheit und Unthätigkeit noch eine Zeit kommen, wo seine Macht, in Europa zu nützen und zu schaden, der der mächtigsten europäischen Fürsten gleich sein würde, wo der Kaiser auf der einen und Ludwig der Große auf der andren Seite ihm kriechend schmeicheln und den Hof machen und wo er jedes Jahr das größte Vermögen, das irgend ein englischer Unterthan jemals aufgehäuft hatte, um neue hunderttausend Pfund vermehren würde. Dies Alles konnte geschehen, wenn Mrs. Morley Königin wurde. Aber daß Mr. Freeman jemals Mrs. Morley als Königin sehen würde, war bis vor kurzem nicht sehr wahrscheinlich gewesen. Maria versprach viel länger zu leben als er und mindestens eben so lange als ihre Schwester. Daß Wilhelm Nachkommen erhalten würde, stand nicht zu erwarten. Dagegen erwartete man allgemein, daß er bald sterben würde. Seine Wittwe konnte sich wieder vermählen und Kinder hinterlassen, die ihr auf dem Throne folgen würden. Unter diesen Umständen konnte Marlborough mit Recht denken, daß er sehr wenig Interesse an der Aufrechthaltung der von der Convention festgestellten Thronfolgeordnung habe. Nichts versprach seinem Zwecke besser zu dienen, als Verwirrung und Bürgerkrieg, als eine neue Revolution, eine neue Abdankung, eine neue Erledigung des Thrones. Es war möglich, daß die Nation, gegen Wilhelm erbittert, [XXI.23] und doch nicht mit Jakob ausgesöhnt, zwischen dem Hasse gegen Ausländer und dem Hasse gegen Jesuiten schwankend, dem holländischen sowohl als dem papistischen Könige eine Prinzessin vorzog, die zugleich eine Tochter unsres Landes und ein Mitglied unsrer Kirche war. Daß dies die wirkliche Erklärung von Marlborough’s dunklen und verwickelten Complotten war, davon waren, wie wir gesehen haben, einige von den eifrigsten Jakobiten fest überzeugt, und es ist auch in hohem Grade wahrscheinlich. Es ist ausgemacht, daß er seit mehreren Jahren keine Mühe gespart hatte, um die Armee und die Nation gegen die Regierung aufzubringen. Doch jetzt war Alles anders. Marie war nicht mehr. Durch die Rechtsbill war die Krone nach dem Tode Wilhelm’s Anna gesichert, und Wilhelm’s Tod konnte nicht mehr fern sein. In der That, alle Aerzte, die ihn behandelten, wunderten sich, daß er noch lebte, und wenn man zu den Gefahren der Krankheit die Gefahren des Kriegs rechnete, hatte es alle Wahrscheinlichkeit für sich, daß er in wenigen Monaten im Grabe liegen werde. Marlborough sah ein, daß es jetzt Wahnsinn sein würde, Alles in Verwirrung zu bringen und Alles auf’s Spiel zu setzen. Er hatte sein Möglichstes gethan, den Thron zu erschüttern, so lange es nicht wahrscheinlich war, daß Anna ihn je anders würde besteigen können, als durch gewaltsame Mittel. Aber er that sein Möglichstes, ihn zu befestigen, sobald es wahrscheinlich wurde, daß sie bald nach dem regelmäßigen Laufe der Natur und des Gesetzes berufen werden würde, ihn einzunehmen.

Die Prinzessin wurde durch die Churchill leicht bewogen, ein unterwürfiges und herzliches Beileidsschreiben an den König zu richten. Der König, welcher niemals sonderlich geneigt war, sich in einen Austausch unaufrichtiger Complimente einzulassen, und der noch von der ersten Heftigkeit seines Schmerzes zu Boden gedrückt wurde, schien wenig Lust zu haben, ihrem Entgegenkommen zu entsprechen. Somers aber, welcher erkannte, daß Alles auf dem Spiele stand, ging nach Kensington und verschaffte sich Zutritt in das königliche Cabinet. Wilhelm saß darin, so tief in schwermüthige Gedanken versunken, daß er den Eintritt eines Besuchs gar nicht zu bemerken schien. Nach einer ehrerbietigen Pause brach der Lord Siegelbewahrer das Schweigen und beschwor Se. Majestät, gewiß mit all’ der vorsichtigen Delikatesse, die ihm eigen war und die ihn so vorzüglich befähigte, wunde Stellen des Gemüths zu berühren, ohne sie zu verletzen, sich mit der Prinzessin zu versöhnen. „Thun Sie was Sie wollen,” sagte Wilhelm, „ich kann an keine Geschäftsangelegenheit denken.” Auf diese Ermächtigung hin schlossen die Vermittler eiligst einen Vertrag. [30] Anna kam nach Kensington und wurde freundlich aufgenommen; sie erhielt eine Wohnung im St. Jamespalaste, bekam wieder eine Ehrenwache, und nach langer Unterbrechung zeigten die Nummern der Gazette wieder an, daß auswärtige Gesandte die Ehre gehabt hätten, ihr vorgestellt zu werden. [31] Auch die Churchill durften wieder unter dem königlichen Dache wohnen. Aber Wilhelm schloß sie zuerst nicht in die Aussöhnung ein, die er mit ihrer Gebieterin angebahnt hatte. Marlborough blieb von militärischen und politischen Aemtern ausgeschlossen, und nicht ohne Schwierig [XXI.24] keit erlangte er Zutritt in dem königlichen Zirkel zu Kensington und Erlaubniß, dem Könige die Hand zu küssen. [32] Das Gefühl, mit dem der König ihn betrachtete, erklärt es hinreichend, warum Anna nicht zur Regentin ernannt wurde. Die Regentschaft Anna’s würde die Regentschaft Marlborough’s gewesen sein, und es kann nicht Wunder nehmen, daß ein Mann, dem man kein Amt im Staate oder Heere zu übertragen für rathsam hielt, nicht mit der gesammten Verwaltung des Landes betraut wurde.

Wäre Marlborough stolzen und rachsüchtigen Charakters gewesen, so hätte er sich angereizt fühlen können, einen neuen Streit in der königlichen Familie zu entzünden und neue Cabalen in der Armee anzuzetteln; aber er hatte alle seine Leidenschaften, mit Ausnahme des Ehrgeizes und der Habsucht, streng in der Gewalt. Er kannte das Gefühl der Rache so wenig als das Gefühl der Dankbarkeit. Er hatte gegen die Regierung conspirirt, während sie ihn mit Gunstbezeigungen überhäufte. Jetzt unterstützte er sie, obgleich sie seine Unterstützung mit Schimpf vergalt. Er erkannte sein Interesse vollkommen, er beherrschte sein Temperament vollkommen, und so ertrug er mit Anstand die Unannehmlichkeiten seiner gegenwärtigen Lage und begnügte sich, den Eintritt eines Ereignisses zu erwarten, das ihn für einige Jahre der Geduld reichlich entschädigen konnte. Er hörte zwar nicht auf, mit dem Hofe von Saint-Germains zu correspondiren, aber die Correspondenz wurde nach und nach immer spärlicher und scheint seinerseits nur aus unbestimmten Versicherungen und leeren Entschuldigungen bestanden zu haben.

Das Ereigniß, das allen Aussichten Marlborough’s eine andre Gestalt gegeben, hatte die Gemüther heftigerer und starrsinnigerer Politiker mit hochfliegenden Hoffnungen und abscheulichen Plänen erfüllt.

Jakobitische Verschwörungen gegen Wilhelm’s Leben.

Während der ersten dritthalb Jahre nach Grandval’s Hinrichtung war kein ernstlicher Anschlag gegen das Leben Wilhelm’s geschmiedet worden. Einige hitzköpfige Mißvergnügte hatten wohl Pläne zu seiner Entführung und Ermordung gemacht; aber diese Pläne waren, so lange seine Gemahlin lebte, von deren Vater nicht begünstigt worden. Jakob hegte keine Bedenken und war auch, diese Gerechtigkeit muß man ihm widerfahren lassen, kein solcher Heuchler, daß er Bedenken dagegen hätte vorgeben sollen, seine Feinde durch Mittel aus dem Wege zu räumen, die er mit Recht für gemein und schändlich gehalten hatte, als sie von seinen Feinden gegen ihn angewendet wurden. Und wenn ja ein solches Bedenken in ihm aufgestiegen wäre, so fehlte es unter seinem Dache nicht an Casuisten, welche den Willen und die Fähigkeit hatten, sein Gewissen durch Sophismen zu beschwichtigen, wie sie die viel edleren Naturen eines Anton Babington und eines Eberhard Digby verdorben hatten. Die Rechtmäßigkeit des Meuchelmords, in Fällen wo Meuchelmord die Interessen der Kirche fördern konnte, in Zweifel ziehen, hieß die Autorität der berühmtesten Jesuiten, Bellarmine’s und Suarez’, Molina’s und Mariana’s bestreiten, ja sich gegen den Stuhl St. Peter’s selbst auflehnen. Ein Papst war zu Ehren des heimtückischen Gemetzels, in welchem Coligny umgekommen war, an der Spitze seiner Cardinäle in einer Prozession [XXI.25] einhergeschritten, hatte ein Jubiläum proklamirt und die Kanonen von St. Angelo abfeuern lassen. Ein andrer Papst hatte in einer feierlichen Allocution die Ermordung Heinrich’s III. von Frankreich in hinreißender, der Ode des Propheten Habakuk entlehnten Sprache besungen und den Mörder über Pinehas und Judith erhoben. [33] Wilhelm wurde in Saint-Germains als ein Ungeheuer betrachtet, in Vergleich zu welchem Coligny und Heinrich III. Heilige waren. Gleichwohl weigerte sich Jakob einige Jahre lang, irgend ein Attentat gegen die Person seines Neffen zu sanctioniren. Die Gründe, die er für seine Weigerung anführte, sind so wie er sie eigenhändig niederschrieb, auf uns gekommen. Er heuchelte nicht den Glauben, daß Meuchelmord eine Sünde sei, die ein Christ verabscheuen müsse, oder eine Schurkerei, die eines Gentleman unwürdig sei, sondern er sagte bloß, daß die Schwierigkeiten groß seien und daß er seine Freunde nicht drängen wolle, sich einer großen Gefahr auszusetzen, da es nicht in seiner Macht stehe, sie wirksam zu unterstützen. [34] So lange Marie lebte, war es allerdings sehr zweifelhaft, ob die Ermordung ihres Gemahls der jakobitischen Sache wirklich nützen werde. Durch seinen Tod hätte die Regierung die aus seinen eminenten persönlichen Eigenschaften hervorgehende Kraft verloren, wäre aber zugleich auch von der Last seiner persönlichen Unpopularität befreit worden. Seine ganze Macht wäre mit einemmal auf seine Wittwe übergegangen, und die Nation würde sich wahrscheinlich mit Begeisterung um sie geschaart haben. Waren ihre politischen Fähigkeiten auch den seinigen nicht gleich, so besaß sie dagegen nicht sein abstoßendes Wesen, seinen fremden Accent und seine Parteilichkeit für alles Holländische und alles Calvinistische. Viele, die sie eines strafwürdigen Mangels an kindlicher Pietät beschuldigten, würden der Meinung gewesen sein, daß sie jetzt gewiß aller Pflichten gegen einen Vater entbunden sei, der sich mit dem Blute ihres Gatten befleckt habe. Die ganze Regierungsmaschine wäre ohne die Unterbrechung, welche gewöhnlich auf die Niederlegung der Krone folgte, in regelmäßigem Gange geblieben. Es hätte keine Auflösung des Parlaments, keine Suspension der Zölle und Accisen stattgefunden; alle Ernennungen hätten ihre Gültigkeit behalten, und Jakob hätte durch den Sturz seines Feindes nichts gewonnen als eine unfruchtbare Rache.

Der Tod der Königin änderte Alles. Wenn jetzt ein Dolch oder eine Kugel Wilhelm’s Herz traf, so war es wahrscheinlich, daß sofort allgemeine Anarchie eintrat. Das Parlament und der Geheimrath hörten auf zu existiren. Die Autorität der Minister und Richter erlosch mit Dem, von dem sie ausging. Es war nicht unwahrscheinlich, daß in einem solchen Augenblicke sich ohne Schwertstreich eine Restauration bewerkstelligen lassen würde.

Charnock.

Marie war daher kaum in die Gruft gesenkt, so begannen unruhige und gewissenlose Menschen ernstlich gegen das Leben Wilhelm’s zu conspiriren. Unter diesen Männern stand Charnock in Talenten, Muth und Energie obenan. Er hatte eine liberale Erziehung ge [XXI.26] nossen und war unter der vorigen Regierung Fellow des Magdalenencollegiums zu Oxford gewesen. Er allein in dieser großen Gesellschaft hatte das gemeinsame Interesse verrathen, hatte sich zum Werkzeuge der Hohen Commission hergegeben, war öffentlich von der englischen Kirche abgefallen, und hatte zu der Zeit, wo sein Collegium ein papistisches Seminar war, das Amt des Vicepräsidenten bekleidet. Die Revolution kam und gab dem ganzen Laufe seines Lebens sofort eine andre Richtung. Aus dem stillen Kreuzgange und dem alten Eichenhaine am Ufer des Cherwell vertrieben, besuchte er Orte ganz andrer Art. Mehrere Jahre führte er das gefahrvolle und bewegte Leben eines Verschwörers, reiste mit geheimen Aufträgen zwischen England und Frankreich hin und her, wechselte öfters seine Wohnung in London und war in verschiedenen Kaffeehäusern unter verschiedenen Namen bekannt. Seine Dienste waren mit einem von dem verbannten Könige unterzeichneten Hauptmannspatent belohnt worden.

Porter.

Mit Charnock eng verbunden war Georg Porter, ein Abenteurer, der sich einen Katholiken und Royalisten nannte, der aber in Wirklichkeit jeder Religion und jedes politischen Grundsatzes ermangelte. Selbst seine Freunde konnten nicht leugnen, daß er ein Wüstling und ein Narr war, daß er trank und fluchte, daß er extravagante Lügen über seine angeblichen Liebschaften erzählte und daß er wegen eines Dolchstichs, den er bei einer Rauferei im Theater Jemanden versetzt hatte, des Todtschlags schuldig befunden worden war. Seine Feinde behaupteten, daß er ekelhaften und abscheulichen Arten der Ausschweifung ergeben sei, daß er sich die Mittel, seinen schändlichen Neigungen zu fröhnen, durch Betrug und Diebstahl verschaffe, daß er einer Bande von Geldbeschneidern angehöre, daß er sich zuweilen spät Abends verkleidet zu Pferde fortstehle und daß, wenn er von diesen geheimnißvollen Ausflügen zurückkehre, sein Aussehen den Verdacht rechtfertige, daß er in Hounslow Heath oder Finchley Common Geschäfte gemacht habe. [35]

Goodman.

Cardell Goodman, im Volksmunde Scum (Auswurf) Goodman genannt, ein wo möglich noch verworfenerer Schurke als Porter, war ebenfalls in dem Complot. Goodman war Schauspieler gewesen, war, gleich einigen viel bedeutenderen Männern, von der Herzogin von Cleveland unterhalten, in ihr Haus aufgenommen, von ihr mit Geschenken überhäuft worden und hatte ihre Güte damit vergolten, daß er zwei ihrer Kinder durch einen italienischen Quacksalber vergiften lassen wollte. Da das Gift nicht beigebracht worden war, konnte Goodman nur wegen eines Vergehens zur Untersuchung gezogen werden. Er wurde prozessirt, schuldig befunden und zu einer schweren Geldstrafe verurtheilt. Seitdem hatte er sich als einer der ersten Banknotenfälscher einen Namen gemacht. [36]

Parkyns.

Sir Wilhelm Parkyns, ein reicher, zur juristischen Laufbahn erzogener Ritter, der sich in den Tagen der Ausschließungsbill unter den Tories ausgezeichnet hatte, war eines der bedeutendsten Mit [XXI.27] glieder des Bundes. Er genoß eines viel besseren Rufes als die meisten seiner Complicen; in einer Beziehung aber war er strafbarer als alle anderen. Denn um ein einträgliches Amt zu behalten, das er beim Kanzleigericht bekleidete, hatte er dem Fürsten, gegen dessen Leben er jetzt conspirirte, den Eid der Treue geleistet.

Fenwick.

Der Anschlag wurde Sir John Fenwick mitgetheilt, der wegen der feigen Beleidigung, die er der verstorbenen Königin zugefügt hatte, berühmt war. Wenn man Fenwick’s eigner Versicherung glauben darf, war er wohl geneigt, an einem Aufstande Theil zu nehmen, erschrak aber vor dem Gedanken des Meuchelmordes und ließ sich seine Gesinnung so deutlich merken, daß er seinen minder skrupulösen Genossen verdächtig wurde. Er bewahrte jedoch ihr Geheimniß so streng, als ob er ihnen guten Erfolg gewünscht hätte.

Es scheint als hätte anfangs ein natürliches Gefühl die Verschwörer abgehalten, ihren Anschlag beim rechten Namen zu nennen. Selbst bei ihren geheimen Berathungen sprachen sie vor der Hand noch nicht davon, den Prinzen von Oranien zu ermorden. Sie wollten versuchen, sich seiner zu bemächtigen und ihn lebend nach Frankreich zu bringen. Stießen sie auf Widerstand, so würden sie sich vielleicht genöthigt sehen, von ihren Degen und Pistolen Gebrauch zu machen, und Niemand könne dann für die Folgen eines Hiebes oder Schusses stehen. Im Frühjahr 1695 wurde der nur noch dünn verschleierte Mordplan Jakob mitgetheilt und dringend seine Sanction erbeten. Aber Woche auf Woche verging und es kam keine Antwort von ihm. Er schwieg wahrscheinlich in der Hoffnung, daß seine Anhänger binnen Kurzem es wagen würden, auf eigne Verantwortung zu handeln, und daß er so den Vortheil ihres Verbrechens, ohne die Schande desselben haben werde. So scheinen sie ihn in der That verstanden zu haben. Er habe, sagten sie, das Attentat nicht sanctionirt, aber er habe es auch nicht verboten, und da er von ihrem Vorhaben Kenntniß gehabt habe, so sei das Ausbleiben seines Verbots eine genügende Ermächtigung. Sie beschlossen daher ans Werk zu gehen; aber bevor sie die nöthigen Anstalten dazu treffen konnten, reiste Wilhelm nach Flandern ab, und der Anschlag gegen sein Leben mußte nothwendig bis zu seiner Zurückkunft verschoben werden.

Session des schottischen Parlaments.

Es war am 12. Mai, als der König von Kensington nach Gravesend abging, wo er sich nach dem Continent einzuschiffen gedachte. Drei Tage vor seiner Abreise war das schottische Parlament nach einer Pause von ungefähr zwei Jahren wieder in Edinburg zusammengetreten. Hamilton, der in der vorhergehenden Session den Thron eingenommen und das Scepter gehalten hatte, war gestorben, und man mußte sich daher nach einem neuen Lord Obercommissar umsehen. Der Mann, auf den die Wahl fiel, war Johann Hay, Marquis von Tweedale, Kanzler des Reichs, ein in den Staatsgeschäften ergrauter Edelmann, wohl unterrichtet, besonnen, human, tadellos in seinem Privatleben und im Ganzen genommen so achtungswerth als irgend ein schottischer Lord, der lange und tief bei der Politik jener unruhigen Zeiten betheiligt gewesen war.

Untersuchung des Gemetzels von Glencoe.

Seine Aufgabe war nicht frei von Schwierigkeiten. Es war zwar wohl bekannt, daß die Stände im Allgemeinen geneigt waren, die Regierung zu unterstützen, aber ebenso wohl bekannt war es, daß ein gewisser Gegenstand [XXI.28] die geschickteste und delikateste Behandlung erforderte. Der Schrei des vor länger als drei Jahren in Glencoe vergossenen Blutes war endlich gehört worden. Gegen Ende des Jahres 1693 begann man allgemein die Gerüchte, welche anfangs als factiöse Verleumdungen geringschätzend verlacht worden waren, ernster Beachtung werth zu halten. Viele, die sonst nicht so leicht etwas glaubten, was aus den geheimen Pressen der Jakobiten hervorging, gestanden, daß zur Ehre der Regierung eine Untersuchung angeordnet werden müsse. Die liebenswürdige Marie war über das, was sie gehört, heftig entrüstet gewesen. Auf ihre Anregung hatte Wilhelm den Herzog von Hamilton und mehrere andere angesehene Schotten ermächtigt, die ganze Sache zu untersuchen. Aber der Herzog starb, seine Collegen waren in Erfüllung ihrer Pflicht saumselig, und der König, der von Schottland wenig wußte und sich wenig darum kümmerte, vergaß sie zu erinnern. [37]

Es zeigte sich jetzt, daß die Regierung eben so klug als recht gehandelt haben würde, wenn sie den Wünschen des Landes zuvorgekommen wäre. Die entsetzliche Geschichte, welche die Eidverweigerer beharrlich, zuversichtlich und mit so vielen Nebenumständen wiederholten, daß man fast gezwungen war, sie zu glauben, hatte endlich ganz Schottland aufgeregt. Die Empfindlichkeit eines vorzüglich patriotischen Volks war durch die Spötteleien der südlichen Pamphletisten gereizt worden, welche fragten, ob es denn nördlich vom Tweed kein Gesetz, keine Gerechtigkeit, keine Menschlichkeit, keinen Muth gebe, der selbst für die empörendsten Unbilden Genugthuung verlangte. Jede der beiden extremen Parteien welche einander in der allgemeinen Politik direct entgegengesetzt waren, wurden durch ein eigenes Gefühl angetrieben, eine Untersuchung zu verlangen. Die Jakobiten waren entzückt über die Aussicht, einen Fall nachweisen zu können, der dem Usurpator zur Unehre gereichen mußte und der den vielen Verbrechen gegenübergestellt werden konnte, welche die Whigs Cleverhouse und Mackenzie zur Last legten. Die eifrigen Presbyterianer freuten sich nicht minder über die Aussicht, den Master von Stair stürzen zu können. Sie hatten den Dienst, den er zu den Zeiten der Verfolgung dem Hause Stuart geleistet, weder vergessen, noch verziehen. Sie wußten, daß er zwar an der politischen Revolution, die sie von der verhaßten Dynastie befreit, aufrichtig Theil genommen, doch aber die kirchliche Revolution, welche in ihren Augen noch wichtiger war, mit Mißfallen betrachtet hatte. Sie wußten, daß das Kirchenregiment für ihn lediglich eine Staatsangelegenheit war und daß er in Folge dieser Anschauungsweise die bischöfliche Form der synodalen vorzog. Sie konnten nicht ohne Besorgniß einen so schlauen und beredten Feind der reinen Religion, den König auf jedem Schritt begleiten und ihm beständig Rathschläge zuflüstern sehen. Sie wünschten daher sehnlichst eine Untersuchung, die, wenn auch nur die Hälfte von dem was man sich gerüchtweise erzählte wahr war, Dinge an den Tag bringen mußte, welche der Macht und dem Rufe des Ministers, dem sie mißtrauten, voraussichtlich zum Verderben gereichten. Auch konnte sich dieser Minister nicht auf den aufrichtigen Beistand aller Beamten der Krone verlassen. Sein Genie und sein Einfluß hatten den Neid vieler [XXI.29] minder glücklichen Höflinge, insbesondere seines Mitsekretärs Johnstone erweckt.

So war am Vorabende des Zusammentritts des schottischen Parlaments Glencoe im Munde aller Schotten jeder Partei und jeder Glaubensrichtung. Wilhelm, der eben im Begriff war, nach dem Kontinent abzureisen, sah ein, daß er in diesem Punkte den Ständen ihren Willen lassen mußte und daß er nichts Besseres thun konnte als sich selbst an die Spitze einer Bewegung zu stellen, der er unmöglich zu widerstehen vermochte. Eine Vollmacht, welche Tweedale und mehrere andere Geheimräthe autorisirte, den Gegenstand, der das Volk in so große Aufregung versetzt, genau zu untersuchen, wurde in Kensington vom Könige unterzeichnet, nach Edinburg gesandt und dort mit dem großen Siegel des Reichs versehen. Dies geschah gerade noch zur rechten Zeit. [38] Das Parlament hatte seine Geschäfte kaum begonnen, als ein Mitglied sich erhob, um auf eine Untersuchung der Umstände des Gemetzels von Glencoe anzutragen. Tweedale konnte nun den Ständen anzeigen, daß die Güte Sr. Majestät ihren Wünschen zuvorgekommen, daß wenige Stunden zuvor eine Untersuchungsvollmacht in allen Formen ausgefertigt worden sei und daß die in diesem Dokumente bezeichneten Lords und Gentlemen noch vor dem Abend ihre erste Zusammenkunft halten würden. [39]

Das Parlament votirte dem Könige für diesen Beweis väterlicher Fürsorge einstimmig seinen Dank; aber Einige von Denen, welche dem Dankvotum beitraten, äußerten die sehr natürliche Besorgniß, daß die zweite Untersuchung eben so unbefriedigend enden möchte, als die erste geendigt hatte. Die Ehre des Landes, sagten sie, sei im Spiele, und die Commissare seien verpflichtet, mit solcher Beschleunigung zu Werke zu gehen, daß das Ergebniß der Untersuchung vor dem Schlusse der Session bekannt würde. Tweedale gab Zusicherungen, welche die Murrenden auf einige Zeit zum Schweigen brachten [40] . Als aber drei Wochen vergangen waren, wurden viele Mitglieder aufsätzig und mißtrauisch. Am 14. Juni wurde beantragt, daß die Commissare angewiesen werden sollten, ihren Bericht zu erstatten. Der Antrag ging nicht durch, wurde aber jeden Tag wiederholt. In drei aufeinanderfolgenden Sitzungen gelang es Tweedale, das Drängen der Versammlung zu zügeln. Als er aber endlich anzeigte, daß der Bericht vollendet sei, und hinzusetzte, daß er den Ständen nicht eher vorgelegt werden könne, als bis er dem Könige unterbreitet worden sei, brach ein heftiges Geschrei aus. Die Neugierde des Publikums war aufs Höchste gespannt, denn die Untersuchung hatte bei verschlossenen Thüren stattgefunden, und die Commissare sowohl wie die Schriftführer waren eidlich zur Geheimhaltung verpflichtet worden. Der König war in den Niederlanden. Wochen mußten vergehen, bevor seine Willensmeinung eingeholt werden konnte, und die Session konnte nicht viel länger mehr dauern. Bei einer vierten Debatte äußerten sich Anzeichen, die es dem Lord Obercommissar rathsam erscheinen ließen, nachzugeben, und der Bericht wurde vorgelegt. [41]

[XXI.30]

Es ist eine Arbeit, welche Denen, die sie entwarfen, viel Ehre macht, eine vortreffliche Zusammenstellung der Thatsachen, klar, leidenschaftslos und durchaus gerecht. Keine Quelle, aus der man werthvolle Aufschlüsse zu schöpfen hoffen konnte, war unbeachtet gelassen worden. Glengarry und Keppoch, obgleich notorisch der Regierung abgeneigt, hatten die Erlaubniß erhalten, die Sache ihrer unglücklichen Stammesgenossen zu führen. Mehrere von den Macdonalds, welche dem Gemetzel jener Nacht entgingen, waren vernommen worden, unter ihnen der regierende Mac Jan, der älteste Sohn des ermordeten Häuptlings. Die Correspondenz des Masters von Stair mit den Militärs, welche in den Hochlanden Commandos bekleideten, war einer strengen, aber nicht parteiischen Prüfung unterworfen worden. Das Endresultat, zu welchem die Commissare kamen und worin jeder einsichtsvolle und unbefangene Beurtheiler ihnen beipflichten muß, war, daß das Gemetzel von Glencoe ein barbarischer Mord gewesen und daß die Briefe des Masters von Stair die alleinige Anregung dazu gegeben hatten.

Daß Breadalbane Theil an dem Verbrechen gehabt, wurde nicht erwiesen; aber ganz rein ging er nicht aus der Untersuchung hervor. Man hatte im Laufe derselben zufällig entdeckt, daß, als er Wilhelm’s Geld unter die hochländischen Häuptlinge vertheilt, er gegen sie den wärmsten Eifer für die Interessen Jakob’s an den Tag gelegt und ihnen gerathen hatte, von dem Usurpator zu nehmen, was sie erlangen könnten, aber beständig nach einer günstigen Gelegenheit zur Zurückführung des rechtmäßigen Königs auszuspähen. Breadalbane’s Vertheidigung bestand darin, daß er ein größerer Schurke war als seine Ankläger dachten und daß er sich nur deshalb für einen Jakobiten ausgegeben hatte, um den jakobitischen Plänen auf den Grund zu kommen. Die Tiefen der Schändlichkeit dieses Mannes waren in der That unergründlich. Man konnte unmöglich sagen, welche von seinen Verräthereien, um die italienische Classification anzuwenden, einfache Verräthereien und welche doppelte Verräthereien waren. In dem vorliegenden Falle nahm das Parlament an, daß er sich nur einer einfachen Verrätherei schuldig gemacht habe, und schickte ihn in das Staatsgefängniß zu Edinburg. Die Regierung aber schenkte nach reiflicher Erwägung seiner Versicherung, daß er sich einer doppelten Verrätherei schuldig gemacht habe, Glauben und setzte ihn wieder in Freiheit. [42]

Der Bericht der Commission wurde von den Ständen sofort in Berathung genommen. Sie resolvirten ohne eine einzige abweichende Stimme, daß der von Wilhelm unterzeichnete Befehl das Gemetzel von Glencoe nicht autorisirt habe. Sodann resolvirten sie, aber wie es scheint nicht einstimmig, daß das Gemetzel ein Mord sei. [43] Hierauf nahmen sie noch mehrere Beschlüsse an, deren Inhalt schließlich in eine Adresse an den König zusammengefaßt wurde. Wie der auf den Master von Stair bezügliche Theil der Adresse lauten sollte, war eine Frage, über welche viel debattirt wurde. Es wurden mehrere von seinen Briefen verlangt und vorgelesen und mehrere Amendements zu dem Votum beantragt. Die Jakobiten und die extremen Presbyterianer scheinen, und dies mit nur zu [XXI.31] gutem Grunde, für Strenge gewesen zu sein. Die Majorität acceptirte unter der geschickten Leitung des Lord Obercommissars Worte, die es dem schuldigen Minister unmöglich machten, sein Amt zu behalten, die ihn aber nicht für so strafbar erklärten, daß sein Leben oder sein Vermögen bedroht gewesen wäre. Sie tadelten ihn, aber sie tadelten ihn in viel zu milden Ausdrücken. Sie tadelten seinen maßlosen Eifer gegen den unglücklichen Clan und seine eindringlichen Befehle, die Schlächterei unverhofft vorzunehmen. Die übermäßige Heftigkeit in seinen Briefen erklärten sie für die Grundursache des Gemetzels, aber anstatt zu verlangen, daß er als Mörder vor Gericht gestellt werde, erklärten sie, daß sie es in Anbetracht seiner Abwesenheit und seiner hohen Stellung der Weisheit des Königs anheim gäben, so mit ihm zu verfahren, daß die Ehre der Regierung gewahrt werde.

Die dem Hauptverbrecher bewiesene Nachsicht erstreckte sich nicht auf seine Untergebenen. Hamilton, der geflüchtet und durch Proklamationen am Stadtkreuze vergebens aufgefordert worden war, vor den Ständen zu erscheinen, wurde für nicht rein von dem Blute der Glencoeleute erklärt. Glenlyon, Hauptmann Drummond, Leutnant Lindsey, Fähnrich Lundie und Sergeant Barbour wurden noch bestimmter als Mörder bezeichnet und der König ersucht, dem Lordadvokaten ihre Prozessirung anzubefehlen.

Das schottische Parlament war bei dieser Gelegenheit unzweifelhaft am unrechten Orte streng und am unrechten Orte nachsichtig. Die Grausamkeit und Schändlichkeit Glenlyon’s und seiner Kameraden erregen noch heute, nach Verlauf von hundertsechzig Jahren, eine Entrüstung, die es schwer macht, unbefangen zu urtheilen. Wer es jedoch über sich gewinnen kann, das Verfahren dieser Leute mit richterlicher Unparteilichkeit zu betrachten, wird wahrscheinlich der Ansicht sein, daß sie nicht ohne großen Nachtheil für das Gemeinwohl als Mörder hätten behandelt werden können. Sie hatten Niemanden getödtet, dessen Tödtung ihnen nicht von ihrem commandirenden Offizier auf das Bestimmteste anbefohlen war. Es würde mit der Subordination, ohne die eine Armee der schlimmste Pöbelhaufen ist, vorbei sein, wenn jeder Soldat für die Gerechtigkeit jedes Befehls, in dessen Befolgung er sein Gewehr abfeuert, verantwortlich sein sollte. Der Fall in Glencoe war allerdings ein extremer Fall; aber im Prinzip dürfte er schwer von Fällen zu unterscheiden sein, wie sie im Kriege ganz gewöhnlich sind. Grausame militärische Executionen sind zuweilen unerläßlich; die Humanität selbst kann sie gebieten. Wer hat zu entscheiden, ob ein Fall vorliegt, der Strenge zur wahren Barmherzigkeit macht? Wer hat zu bestimmen, ob es nothwendig ist oder nicht, eine blühende Stadt in Asche zu legen, eine zahlreiche Schaar von Meuterern zu decimiren, eine ganze Räuberbande zu erschießen? Lastet die Verantwortlichkeit auf dem commandirenden Offizier oder auf dem Gliede, dem er befiehlt, sich fertig zu machen, anzulegen und Feuer zu geben? Und wenn es die allgemeine Regel ist, daß die Verantwortlichkeit auf dem commandirenden Offizier und nicht auf Denen lastet, die ihm gehorchen, läßt sich dann ein Grund dafür angeben, den Fall von Glencoe für eine Ausnahme von dieser Regel zu erklären? Es ist bemerkenswerth, daß kein Mitglied des schottischen Parlaments darauf antrug, einen der Gemeinen von Argyle’s Regiment wegen Mordes in Anklagestand zu versetzen. Jedem unter dem Range des Sergeanten Stehenden wurde völlige Straflosigkeit [XXI.32] gewährt. Doch nach welchem Prinzip? Wenn der militärische Gehorsam keine haltbare Entschuldigung war, so war gewiß jeder Mann, der in jener fürchterlichen Nacht einen Macdonald erschoß, ein Mörder. Und wenn der militärische Gehorsam ein haltbarer Entschuldigungsgrund für den Musketier war, der auf Befehl des Sergeanten Barbour handelte, warum dann nicht auch für Barbour, der auf Befehl Glenlyon’s handelte? Und warum nicht auch für Glenlyon, der auf Befehl Hamilton’s handelte? Es kann wohl schwerlich behauptet werden, daß der Gemeine seinem Unteroffizier mehr Gehorsam schulde als der Unteroffizier seinem Hauptmanne oder der Hauptmann seinem Obersten.

Man kann behaupten, die Glenlyon ertheilten Befehle seien so absonderlicher Art gewesen, daß, wenn er ein tugendhafter Mensch gewesen wäre, er eher seine Stellung in die Schanze geschlagen, sich dem Mißfallen des Obersten, des Generals und des Staatssekretärs ausgesetzt und die schwerste Strafe, die ein Kriegsgericht über ihn verhängen konnte, auf sich genommen, als die ihm gegebene Ordre vollzogen haben würde, und dies ist vollkommen wahr; aber es handelt sich nicht darum, ob er als tugendhafter Mensch verfuhr, sondern ob er etwas that, weswegen er, ohne eine für die militärische Disciplin und für die Sicherheit der Nationen wesentliche Regel zu verletzen, als Mörder gehängt werden konnte. In jenem Falle war Ungehorsam sicherlich eine moralische Pflicht, aber es folgt daraus noch nicht, daß Gehorsam ein legales Verbrechen war.

Es scheint daher, daß die Schuld Glenlyon’s und seiner Kameraden nicht innerhalb der Sphäre des Strafgesetzes lag. Die einzige Strafe, welche geeignetermaßen über sie verhängt wenden konnte, war die, welche Kain zu dem Ausrufe veranlaßte, daß sie größer sei, als er sie ertragen könne: auf der Erde umherzuirren und überall ein Zeichen mit sich herumzutragen, von dem selbst schlechte Menschen sich schaudernd abwendeten.

Nicht so war es mit dem Master von Stair. Er war sowohl von der Untersuchungscommission als von den Ständen des Reichs in vollem Parlamente feierlich für den ersten Urheber des Gemetzels erklärt worden. Daß es nicht rathsam war, an seinen Werkzeugen ein Exempel zu statuiren, war der stärkste Grund, ein solches an ihm zu statuiren. Jedes Argument, das gegen die Bestrafung des Soldaten geltend gemacht werden kann, der die Befehle seines Vorgesetzten ausführt, ist ein Grund, den Vorgesetzten, welcher ungerechte und unmenschliche Befehle giebt, nach der äußersten Strenge des Gesetzes zu bestrafen. Wo unten keine Verantwortlichkeit sein kann, da muß oben doppelte Verantwortlichkeit sein. Was das schottische Parlament einstimmig hätte verlangen sollen, war, nicht daß ein armer unwissender Sergeant, der für das blutige Werk, das er gethan, kaum verantwortlicher war als seine Hellebarde, gehängt, sondern daß der eigentliche Mörder, der klügste, beredtsamste und mächtigste aller schottischen Staatsmänner, vor ein öffentliches Gericht gestellt werden und, wenn er schuldig befunden würde, den Tod eines Verbrechers sterben sollte. Nichts Geringeres als ein solches Opfer konnte ein solches Verbrechen sühnen. Leider machten die Stände, indem sie die Schuld des Hauptverbrechers milderten und zu gleicher Zeit verlangten, daß seine geringen Werkzeuge mit einer gesetzwidrigen Strenge bestraft werden sollten, den Flecken, den das Gemetzel auf der Ehre der Nation zurückgelassen, größer und tiefer als er vorher gewesen.

[XXI.33]

Auch der König ist von einer großen Pflichtverletzung unmöglich freizusprechen. Es ist zwar sehr wahrscheinlich, daß er, bevor er den Bericht seiner Commissare erhielt, über die Umstände des Gemetzels nur sehr unvollkommen unterrichtet war. Wir können schwerlich annehmen, daß er viel jakobitische Pamphlets zu lesen pflegte, und wenn er sie gelesen hätte, würde er darin eine solche Masse absurder und gehässiger Schmähungen gegen seine Person gefunden haben, daß er sehr wenig geneigt gewesen wäre, irgend eine der Beschuldigungen zu glauben, die sie auf seine Diener wälzten. Er würde sich in der einen Schrift beschuldigt gesehen haben, ein verkappter Papist zu sein, in einer andren, Jeffreys’ im Tower vergiftet zu haben, in einer dritten, es darauf angefangen zu haben, daß Talmash bei Brest umkommen mußte. Er würde die Behauptung gefunden haben, daß er einmal in Irland fünfzig Mann von seinen verwundeten englischen Soldaten habe lebendig verbrennen lassen. Er würde gesehen haben, daß man die unwandelbare Zuneigung, die er von seinem Knabenalter bis zu seinem Tode für einige der bravsten und zuverlässigsten Freunde gehegt, die je ein Fürst zu besitzen das Glück hatte, zu einem Grunde machte, um ihm so empörende Abscheulichkeiten zur Last zu legen, wie sie in den Fluthen des todten Meeres begraben sind. Es war daher ganz natürlich, wenn er Anstand nahm, entsetzliche Beschuldigungen zu glauben, welche Schriftsteller, die er als gewohnheitsmäßige Lügner kannte, gegen einen Staatsmann erhoben, dessen Talente er hochschätzte und dessen Bemühungen er bei einigen wichtigen Anlässen viel zu danken gehabt hatte. Nachdem er aber die ihm durch Tweedale von Edinburg übersendeten Actenstücke gelesen, konnte er an der Schuld des Masters von Stair nicht im Geringsten mehr zweifeln. Diese schwere Schuld mit einer exemplarischen Strafe heimzusuchen, war die heilige Pflicht eines Souverains, der mit zum Himmel erhobener Hand geschworen hatte, daß er in seinem Königreiche Schottland in allen Klassen und Ständen jeder Unterdrückung steuern und Gerechtigkeit üben wolle ohne Ansehen der Person, so wie er auf Gnade hoffe von dem Vater aller Gnade. Wilhelm begnügte sich damit, den Master von Stair seines Amtes zu entheben. Diesen großen Fehler, einen Fehler, der die Höhe eines Verbrechens erreichte, versuchte Burnet zwar nicht zu vertheidigen, aber doch zu entschuldigen. Er wollte uns glauben machen, daß der König, als er mit Schrecken gewahrte, wie viele Personen bei dem Gemetzel von Glencoe betheiligt gewesen waren, es für besser hielt, eine allgemeine Amnestie zu bewilligen, als ein Gemetzel durch ein andres zu bestrafen. Diese Darstellung ist jedoch das directe Gegentheil der Wahrheit. Es waren allerdings zahlreiche Werkzeuge bei der Schlächterei thätig gewesen, aber der Anstoß war bei ihnen Allen von einem Einzigen ausgegangen. Hoch über dem großen Haufen der Verbrecher stand ein durch Talente, Kenntnisse, Rang und Macht ausgezeichneter Verbrecher. Zur Sühne für eine Menge verrätherisch hingeschlachteter Opfer verlangte die Gerechtigkeit nur ein Opfer, und es muß jederzeit als ein Flecken auf dem Ruhme Wilhelm’s betrachtet werden, daß dem Verlangen nicht entsprochen wurde.

Am 17. Juli ward die Session des schottischen Parlaments geschlossen. Die Stände hatten freigebig eine Geldsumme bewilligt, wie sie das arme Land, das sie vertraten, geben konnte. Allerdings waren sie durch den Glauben, daß sie ein Mittel gefunden hatten, dieses arme Land schnell reich zu machen, in gute Laune versetzt worden. Ihre Aufmerksamkeit [XXI.34] war zwischen der Untersuchung über das Gemetzel von Glencoe und einigen vielversprechenden commerciellen Projecten getheilt gewesen. In einem späteren Kapitel wird die Natur dieser Projecte erklärt und ihr Schicksal berichtet werden.

Krieg in den Niederlanden; der Marschall Villeroy.

Inzwischen waren die Blicke von ganz Europa mit gespannter Erwartung auf die Niederlande gerichtet. Der große Feldherr, der bei Fleurus, bei Steenkerke und bei Landen gesiegt, hatte keinen ihm Ebenbürtigen zurückgelassen. Aber Frankreich besaß noch Marschälle, die sich für hohe Commandos sehr wohl eigneten. Catinat und Boufflers hatten bereits Beweise von Tüchtigkeit, Entschlossenheit und Eifer für die Interessen des Staats gegeben. Jeder dieser beiden ausgezeichneten Offiziere wurde ein Luxemburg’s würdiger Nachfolger und ein Wilhelm’s würdiger Gegner gewesen sein, aber ihr Gebieter zog zu seinem Unglücke Beiden den Herzog von Villeroy vor. Der neue General war Ludwig’s Spielkamerad gewesen, als sie Beide noch Kinder waren, war dann ein Günstling geworden und hatte nie aufgehört, es zu sein. In den äußern Vorzügen, wegen denen die französische Aristokratie damals in ganz Europa berühmt war, zeichnete sich Villeroy selbst unter der französischen Aristokratie aus. Er war von hoher Statur und hatte angenehme Züge, seine Manieren waren von edler und etwas hochmüthiger Artigkeit, sein Anzug, sein Ameublement, seine Equipagen und seine Tafel prächtig. Niemand erzählte eine Anekdote mit größerer Lebendigkeit; Niemand ritt besser bei einer Jagdpartie; Niemand hatte mehr Glück bei dem schönen Geschlecht; Niemand setzte und verlor Haufen von Gold mit liebenswürdigerem Gleichmuth; Niemand kannte die Abenteuer, die Freunde und die Feinde der Herren und Damen, welche täglich die Säle von Versailles füllten, genauer als er. Besonders zwei Charactere hatte dieser vollendete Cavalier seit vielen Jahren studirt und alle ihre Falten und Winkel kennen gelernt: den Character des Königs und den der Frau, die in Allem, dem Namen ausgenommen, Königin war. Damit aber waren Villeroy’s Kenntnisse zu Ende. In der Literatur sowohl wie in geschichtlichen Dingen war er völlig unwissend. Im Staatsrathe öffnete er nie den Mund, ohne sich Blößen zu geben. Für den Krieg besaß er keine einzige Qualification außer dem persönlichen Muthe, den er mit der ganzen Klasse gemein hatte, der er angehörte. In jeder wichtigen Krisis seiner politischen und militärischen Laufbahn war er abwechselnd trunken von Arroganz oder völlig muthlos. Kurz bevor er einen bedeutungsvollen Schritt that, war sein Selbstvertrauen grenzenlos; er hörte auf keinen Rath und ließ den Gedanken, daß ein Fehlschlagen möglich sei, gar nicht in sich aufkommen. Bei der ersten Niederlage aber gab er Alles verloren, wurde unfähig zu leiten und anzuordnen und rannte in hilfloser Verzweiflung hin und her. Ludwig liebte ihn jedoch, und man muß Villeroy die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er Ludwig ebenfalls liebte. Die Güte des Gebieters war gegen alles Unheil probefest, das die Unbesonnenheit und Schwäche des Dieners über sein Königreich brachte, und die Dankbarkeit des Dieners äußerte sich bei mehr als einer Gelegenheit nach dem Tode des Gebieters in ehrenvoller, wenn auch nicht wohlbegründeter Weise. [44]

[XXI.35] Der Herzog von Maine.

Ein solcher Mann war der General, dem die Leitung des Feldzugs in den Niederlanden anvertraut wurde. Der Herzog von Maine wurde hingeschickt, um unter diesem Lehrer die Kriegskunst zu erlernen. Maine, der natürliche Sohn Ludwig’s von der Herzogin von Montespan, war von Kindheit auf von Frau von Maintenon erzogen worden und wurde von Ludwig mit der Liebe eines Vaters, von Frau von Maintenon mit der nicht minder zärtlichen Liebe einer Pflegemutter geliebt. Ernste Männer nahmen Anstoß daran, daß der König, während er eine so große Frömmigkeit zur Schau trug, in so auffälliger Weise seine Vorliebe für diese Frucht eines doppelten Ehebruchs an den Tag legte. Allerdings, sagten sie, sei ein Vater seinem Kinde Zuneigung schuldig, aber ein Souverain sei seinem Volke auch die Beobachtung der Schicklichkeit schuldig. Trotz dieses Murrens war der Sohn öffentlich anerkannt, mit Reichthum und Ehre überhäuft, zum Herzog und Pair creirt, durch einen außerordentlichen Act königlicher Gewalt über Herzöge und Pairs von älterem Datum gestellt, mit einer Prinzessin von königlichem Geblüt vermählt und zum Großmeister der Artillerie des Reichs ernannt worden. Mit Talenten und Muth hätte er eine große Rolle in der Welt spielen können. Aber sein Geist war beschränkt, seine Nerven schwach, und die Weiber und Priester, die ihn erzogen, hatten die Natur wirksam unterstützt. Er war orthodox in seinem Glauben, correct in seiner moralischen Führung, einschmeichelnd in seinem Benehmen, ein Heuchler, ein Unheilstifter und ein Feigling.

Man erwartete in Versailles, daß Flandern in diesem Jahre der Hauptkriegsschauplatz sein werde. Es wurde daher dort eine große Armee zusammengezogen. Starke Linien wurden von der Lys bis zur Schelde gebildet, und Villeroy nahm sein Hauptquartier in der Nähe von Tournay. Boufflers beobachtete mit etwa zwölftausend Mann die Ufer der Sambre.

Auf der andren Seite standen die britischen und holländischen Truppen unter Wilhelm’s unmittelbarem Commando in der Nähe von Gent. Der Kurfürst von Baiern lag an der Spitze eines starken Corps bei Brüssel. Eine kleinere Heeresabtheilung, hauptsächlich aus Brandenburgern bestehend, lagerte nicht weit von Huy.

Anfangs Juni begannen die militärischen Operationen. Die ersten Bewegungen Wilhelm’s waren bloße Scheinbewegungen, durch welche er die französischen Generäle verhindern wollte, seine wirkliche Absicht zu muthmaßen. Er hatte sich vorgenommen, Namur wieder zu nehmen. Der Verlust dieser Festung war der empfindlichste von allen Unfällen eines unglücklichen Feldzugs gewesen. Die Wichtigkeit Namur’s vom militärischen Gesichtspunkte war stets groß gewesen und war während der seit der letzten Belagerung verflossenen drei Jahre größer geworden als je. Die alten Vertheidigungsmittel, welche Cohorn mit Aufbietung seiner ganzen Kunst errichtet hatte, waren durch neue Befestigungen, die Meisterwerke Vauban’s, verstärkt worden. Die beiden berühmten Ingenieurs hatten so geschickt mit einander gewetteifert und waren der Natur so geschickt zu Hülfe gekommen, daß die Festung für die stärkste in ganz Europa galt. Ueber dem einen Thore hatte man eine prahlerische Inschrift angebracht, welche die Verbündeten herausforderte, den Preis den Händen Frankreich’s zu entreißen.

Wilhelm hielt seine Absicht so sorgfältig geheim, daß nicht die leiseste [XXI.36] Andeutung davon ruchbar wurde. Einige hielten Dünkirchen, Andere Ypern für das Ziel seiner Operationen. Die Märsche und Scharmützel, durch die er sein Vorhaben verdeckte, wurden von Saint-Simon mit den Zügen eines geschickten Schachspielers verglichen. Feuquières, der in der Kriegswissenschaft weit gründlicher bewandert war als Saint-Simon, sagt uns, daß einige von diesen Zügen gewagt gewesen seien und ein solches Spiel nicht ungestraft gegen Luxemburg hätte gespielt werden können, und dies ist wahrscheinlich richtig; aber Luxemburg war nicht mehr und was Luxemburg für Wilhelm gewesen war, das war jetzt Wilhelm für Villeroy.

Jakobitische Complots gegen die Regierung während Wilhelm’s Abwesenheit.

Während der König so beschäftigt war, begnügten sich zu Hause die Jakobiten, da sie in seiner Abwesenheit ihre Pläne gegen seine Person nicht verfolgen konnten, mit Conspiriren gegen seine Regierung. Sie wurden etwas weniger scharf bewacht als während des vorhergehenden Jahres, denn der Ausgang der Untersuchungen in Manchester hatte Aaron Smith und seine Agenten entmuthigt. Trenchard, der sich durch seine Wachsamkeit und Strenge zu einem Gegenstande des Schreckens und Hasses gemacht hatte, war nicht mehr und hatte in dem was man den untergeordneten Staatssekretärposten nennen kann, Sir Wilhelm Trumball zum Nachfolger erhalten, einen gelehrten Juristen und erfahrenen Diplomaten von gemäßigten Ansichten und einer Behutsamkeit, die an Zaghaftigkeit grenzte. [45] Die Mißvergnügten wurden durch die Milde der Regierung kühn gemacht. Wilhelm war kaum nach dem Continent abgesegelt, so hielten sie an einem ihrer Lieblingszusammenkunftsorte, dem Old King’s Head in Leadenhall Street, ein großes Meeting. Charnock, Porter, Goodman, Parkyns und Fenwick waren anwesend. Auch der Earl von Aylesbury war zugegen, ein Mann, dessen Anhänglichkeit an das exilirte Königshaus notorisch war, der es aber stets in Abrede stellte, daß er je daran gedacht habe, durch unmoralische Mittel eine Restauration herbeizuführen. Sein Leugnen würde mehr Anspruch auf Glaubwürdigkeit haben, hätte er nicht dadurch, daß er der Regierung, gegen die er beständig intriguirte, die Eide geleistet, das Recht verwirkt, als ein Mann von Gewissen und Ehre betrachtet zu werden. Ferner nahm Sir John Friend an der Versammlung Theil, ein Eidverweigerer, der zwar einen sehr schwachen Verstand besaß, sich aber als Brauer ein sehr großes Vermögen erworben hatte, das er bereitwillig auf Insurrectionspläne verwendete. Nach dem Diner — denn die Pläne der Jakobiten wurden gewöhnlich beim Weine entworfen und zeigten in der Regel einige Spuren von der heiteren Gemüthsstimmung, in der sie entstanden waren — wurde resolvirt, daß die Zeit zu einem Aufstande und zu einer französischen Invasion gekommen sei und daß ein besonderer Abgesandter die Ansicht der Versammlung nach Saint-Germains überbringen sollte. Charnock wurde dazu auserwählt. Er nahm den Auftrag an, fuhr über den Kanal, sprach mit Jakob und hatte Unterredungen mit den Ministern Ludwig’s, konnte aber nichts zu Stande bringen. Die englischen Mißvergnügten wollten nichts unternehmen, bevor nicht zehntausend Mann fran [XXI.37] zösischer Truppen auf der Insel wären, und zehntausend Mann konnten nicht ohne große Gefahr der Armee entzogen werden, welche in den Niederlanden gegen Wilhelm kämpfte. Als Charnock zurückkehrte, um die Erfolglosigkeit seiner Sendung zu berichten, fand er einige seiner Bundesgenossen im Gefängniß. Sie hatten sich während seiner Abwesenheit nach ihrer Weise die Zeit damit vertrieben, daß sie am 10. Juni, dem Geburtstage des unglücklichen Prinzen von Wales, einen Aufstand in London anzustiften versuchten. Sie versammelten sich in einem Wirthshause in Drury Lane, und nachdem sie sich die Köpfe durch Wein erhitzt hatten, brachen sie unter Anführung Porter’s und Goodman’s mit den Degen in der Hand auf, zogen mit Trommelwirbel durch die Straßen, entfalteten Banner und begannen Freudenfeuer anzuzünden. Aber die Wache, vom Volke unterstützt, war zu stark für die Unruhstifter. Sie wurden in die Flucht geschlagen, das Wirthshaus, in dem sie geschwelgt hatten, wurde vom Pöbel demolirt, die Rädelsführer wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und mit Geldbußen und Gefängnißhaft bestraft, erlangten aber Zeit genug ihre Freiheit wieder, um sich an einem weit strafbareren Anschlage zu betheiligen. [46]

Belagerung von Namur.

Inzwischen war Alles zur Ausführung des von Wilhelm entworfenen Planes bereit. Dieser Plan war den übrigen Befehlshabern der alliirten Truppen mitgetheilt worden und hatte lebhaften Beifall gefunden. Vaudemont wurde mit einem beträchtlichen Armeecorps in Flandern gelassen, um Villeroy zu überwachen. Der König marschirte mit dem Reste seiner Armee direct auf Namur. In dem nämlichen Augenblicke rückte der Kurfürst von Bayern von der einen und die Brandenburger von einer andren Seite gegen denselben Punkt heran. Diese Bewegungen waren so gut verabredet worden und wurden so rasch ausgeführt, daß der geschickte und energische Boufflers nur eben noch Zeit hatte, sich in die Festung zu werfen. Er hatte sieben Dragonerregimenter, ein starkes Corps Artilleristen, Sappeurs und Mineurs und einen Offizier Namens Megrigny bei sich, der mit Ausnahme Vauban’s für den besten Ingenieur in französischen Diensten galt. Wenige Stunden nachdem Boufflers in die Festung eingezogen war, umzingelten die Belagerungstruppen sie von allen Seiten und die Circumvallationslinien wurden rasch gebildet.

Die Nachricht erweckte keine Besorgniß am französischen Hofe. Man zweifelte dort nicht, daß Wilhelm sehr bald gezwungen werden würde, mit schwerem Verlust und Schande von seinem Unternehmen abzustehen. Die Stadt war stark befestigt, das Kastell galt für uneinnehmbar, die Magazine waren mit Lebensmitteln und Munition hinreichend versehen, um bis zu der Zeit vorzuhalten, wo man von den Armeen der damaligen Zeit erwartete, daß sie ihre Winterquartiere beziehen würden; die Besatzung bestand aus sechzehntausend Mann der besten Truppen der Welt, sie wurde von einem ausgezeichneten General befehligt, dem ein ausgezeichneter Ingenieur zur Seite stand, und überdies zweifelte man nicht, daß Villeroy mit seiner großen Armee zur Unterstützung Boufflers’ herbei [XXI.38] eilen und daß die Belagerer dann in größerer Gefahr sein würden als die Belagerten.

Diese Hoffnungen wurden durch die Depeschen Villeroy’s aufrechterhalten. Er gedenke, sagte er, zuerst Vaudemont’s Armeecorps zu vernichten und dann Wilhelm von Namur zu vertreiben. Vaudemont werde vielleicht einer Schlacht auszuweichen versuchen, aber er könne nicht entrinnen. Der Marschall ging so weit, daß er seinem Gebieter die Nachricht von einem vollständigen Siege innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden versprach. Ludwig brachte einen ganzen Tag in ungeduldiger Erwartung zu. Endlich kam anstatt eines mit englischen und holländischen Fahnen beladenen Offiziers von hohem Range ein Courier an, der die Nachricht brachte, daß Vaudemont fast ohne allen Verlust seinen Rückzug bewerkstelligt habe und unter den Mauern von Gent in Sicherheit sei. Wilhelm lobte das Feldherrntalent seines Unterbefehlshabers in den wärmsten Ausdrücken. „Mein Vetter,” schrieb er an ihn, „Sie haben sich als einen größeren Meister in Ihrer Kunst erwiesen, als wenn Sie eine offene Feldschlacht gewonnen hätten.” [47] Im französischen Lager jedoch und am französischen Hofe war man allgemein der Ansicht, daß Vaudemont weniger durch seine eigene Geschicklichkeit als durch das fehlerhafte Verfahren seiner Gegner gerettet worden sei. Einige warfen die ganze Schuld auf Villeroy, und Villeroy machte keinen Versuch, sich zu rechtfertigen. Man glaubte aber allgemein, daß er sich wenigstens zum großen Theil hätte rechtfertigen können, wenn ihm die königliche Gunst nicht lieber gewesen wäre als militärischer Ruhm. Sein Plan, sagte man, hätte gelingen können, wäre die Ausführung desselben nicht dem Herzoge von Maine übertragen worden. Bei dem ersten Schimmer von Gefahr sei dem Bastard der Muth gesunken. Er habe seine Angst nicht zu verbergen vermocht. Zitternd, stammelnd und nach seinem Beichtvater rufend, habe er dagestanden, während die ihn umgebenden alten Offiziere ihn mit Thränen in den Augen beschworen hätten vorzurücken. Eine kurze Zeit wurde die Schande des Sohnes dem Vater verschwiegen. Aber Villeroy’s Stillschweigen bewies, daß ein Geheimniß dahinter stak, die Spötteleien der holländischen Journale klärten das Geheimniß bald auf, und Ludwig erfuhr, wenn auch nicht die ganze Wahrheit, doch genug, um sich unglücklich zu fühlen. Noch nie während seiner langen Regierung war er so bewegt gewesen. Einige Stunden lang hielt seine finstre Gereiztheit seine Diener, seine Höflinge und selbst seine Priester in Schrecken. Er vergaß die Liebenswürdigkeit und den edlen Anstand, wegen denen er in der ganzen Welt berühmt war, so weit, daß er vor den Augen einer glänzenden Schaar von Herren und Damen, welche nach Marly gekommen waren, um ihn speisen zu sehen, einen Stock auf dem Rücken eines Lakaien zerschlug und den armen Teufel noch mit dem abgebrochenen Griffe verfolgte. [48]

Inzwischen wurde die Belagerung von Namur von den Verbündeten energisch betrieben. Der wissenschaftliche Theil ihrer Operationen stand unter der Leitung Cohorn’s, der durch Wetteifer angespornt wurde, seine [XXI.39] ganze Geschicklichkeit aufzubieten. Drei Jahre früher hatte er die Kränkung erfahren, die von ihm befestigte Stadt durch seinen großen Lehrmeister Vauban genommen zu sehen. Sie jetzt, nachdem die Festungswerke neue Verbesserungen erhalten hatten, wiederzunehmen, wäre eine würdige Revanche gewesen.

Am 2. Juli wurden die Laufgräben eröffnet. Am 8. wurde ein tapferer Ausfall französischer Dragoner tapfer zurückgeschlagen, und spät an demselben Abend erstürmte ein starkes Infanteriecorps, mit den englischen Fußgarden voran, nach einem blutigen Kampfe die Außenwerke auf der Brüsseler Seite. Der König leitete persönlich den Angriff, und seine Unterthanen erfuhren mit Entzücken, daß er, als der Kampf am heißesten war, seine Hand auf die Schulter des Kurfürsten von Bayern legte und ausrief: „Sehen Sie, sehen Sie meine wackeren Engländer!” Eine besondere Tapferkeit selbst unter diesen tapferen Engländern legte Cutts an den Tag. In dem Bulldoggenmuthe, der vor keiner noch so fürchterlichen Gefahr zurückschreckt, hatte er nicht seines Gleichen. Es hielt zwar nicht schwer, verwegene Freiwillige, Deutsche, Holländer und Briten zu finden, die das Aeußerste wagten; aber Cutts war der Einzige, der eine solche Expedition als eine Lustpartie zu betrachten schien. Er fühlte sich in dem heftigsten Feuer der französischen Batterien so behaglich, daß seine Soldaten ihm den ehrenvollen Beinamen des Salamanders gaben. [49]

Am 17. wurde die erste Contrescarpe der Stadt angegriffen. Die Engländer und Holländer wurden dreimal mit großem Blutvergießen zurückgeschlagen und kehrten dreimal zum Angriff zurück. Endlich blieben die Angreifenden, trotz der Anstrengungen der französischen Offiziere, welche mit dem Degen in der Hand auf dem Glacis fochten, Herren der streitigen Werke. Während der Kampf wüthete, erblickte Wilhelm, der im dichtesten Kugelregen seine Befehle ertheilte, mit Erstaunen und Verdruß unter den Offizieren seines Stabes Michael Godfrey, den Vicegouverneur der Bank von England. Dieser Gentleman war in das Hauptquartier des Königs gekommen, um einige Anordnungen zur schnellen und sicheren Beförderung von Geld aus England zur Armee in den Niederlanden zu treffen, und war neugierig, einmal wirklichen Krieg mit anzusehen. Solche Neugierde konnte Wilhelm nicht leiden. „Mr. Godfrey,” sagte er zu ihm, „Sie sollten sich nicht diesen Gefahren aussetzen; Sie sind kein Soldat und können uns hier nichts nützen.” — „Sire,” erwiederte Godfrey, „ich bin keiner größeren Gefahr ausgesetzt als Eure Majestät.” — „Nicht doch,” entgegnete Wilhelm, „ich bin da, wo meine Pflicht mir zu sein gebietet, und ich kann ohne Anmaßung mein Leben in Gottes Hand legen; aber Sie —” Während sie noch so mit einander sprachen, streckte eine Kanonenkugel von den Wällen Godfrey todt zu den Füßen des Königs nieder. Man fand jedoch nicht, daß die Furcht, „gegodfreyt” zu werden — dies war einige Zeit der gebräuchliche Ausdruck — müßige Zuschauer abhielt, in die Laufgräben zu kommen. [50] Obgleich Wilhelm seinen Kutschern, Be [XXI.40] dienten und Köchen verbot, sich auszusetzen, sah er sie doch zu wiederholten Malen an den gefährlichsten Orten umherstreifen, um einen Blick auf den Kampf zu werfen. Er soll sich zuweilen haben hinreißen lassen, sie mit der Reitpeitsche aus dem Bereich der französischen Kanonen zu treiben, und die Anekdote ist, mag sie wahr oder erdichtet sein, jedenfalls sehr bezeichnend.

Uebergabe der Stadt Namur.

Am 20. Juli bemächtigten sich die Bayern und Brandenburger unter Cohorn’s Leitung nach hartem Kampfe einer Linie von Vertheidigungswerken, welche Vauban in festes Gestein von der Sambre bis zur Maas gehauen hatte. Drei Tage später setzten sich die Engländer und Holländer, Cutts wie gewöhnlich in vorderster Reihe, in der zweiten Contrescarpe fest. Alles war zu einem Hauptsturme bereit, als eine weiße Fahne auf den Wällen erschien. Der Effectivbestand der Besatzung betrug jetzt noch wenig mehr als die Hälfte von dem was er bei Eröffnung der Laufgräben gewesen war. Boufflers fürchtete, daß es unmöglich sein werde, mit achttausend Mann den ganzen Gürtel der Mauern noch viel länger zu vertheidigen; aber er war überzeugt, daß ein solches Truppencorps hinreichen werde, das Kastell auf dem Gipfel des Felsens zu behaupten. Ueber die Kapitulationsbedingungen wurde man bald einig. Ein Thor wurde den Verbündeten preisgegeben. Den Franzosen wurden achtundvierzig Stunden bewilligt, um sich in das Kastell zurückzuziehen, und es wurde ihnen die Versicherung gegeben, daß die Verwundeten, welche sie unten ließen, etwa fünfzehnhundert an der Zahl, gut behandelt werden sollten. Am 6. rückten die Alliirten ein. Der Kampf um den Besitz der Stadt war vorüber, und ein neuer und furchtbarerer Kampf begann um den Besitz der Citadelle. [51]

Villeroy hatte unterdessen einige kleine Eroberungen gemacht. Dixmuyden, das einigen Widerstand hätte leisten können, hatte ihm nicht ohne dringenden Verdacht der Verrätherei von Seiten des Gouverneurs, seine Thore geöffnet. Deynse, das weniger im Stande war, sich zu vertheidigen, war diesem Beispiele gefolgt. Die Besatzungen der beiden Städte waren in offener Verletzung eines zur Auswechselung der Gefangenen getroffenen Uebereinkommens nach Frankreich geschickt worden. Der Marschall rückte hierauf gegen Brüssel vor, wahrscheinlich in der Hoffnung, durch Bedrohung dieser schönen Hauptstadt die Verbündeten zur Aufhebung der Belagerung des Kastells von Namur zu bestimmen. Sechsunddreißig Stunden lang warf er Bomben und glühende Kugeln in die Stadt. Die Kurfürstin von Bayern, die sich innerhalb der Mauern befand, abortirte vor Schreck. Sechs Klöster wurden zerstört. Fünfzehnhundert Häuser standen zu gleicher Zeit in Flammen. Die ganze untere Stadt würde bis auf den Grund niedergebrannt sein, hätten nicht die Bewohner durch Sprengung zahlreicher Gebäude dem Feuer Schranken gesetzt. Ungeheure Massen der kostbarsten Spitzen und Teppiche wurden vernichtet, denn die Industrie und der Handel, welche Brüssel in der ganzen Welt berühmt [XXI.41] gemacht hatten, waren bisher durch den Krieg wenig beeinträchtigt worden. Mehrere von den Prachtgebäuden, welche den Marktplatz umgaben, wurden in Trümmer geschossen. Selbst das Rathhaus, das prächtigste der vielen prächtigen Senatshäuser, welche die Bürger der Niederlande erbaut haben, war in der größten Gefahr. All’ diese Verwüstung bewirkte jedoch weiter nichts, als daß sie viele Privatleute unglücklich machte. Wilhelm ließ sich weder durch Furcht noch durch Herausforderung bewegen, die Hand, mit der er Namur umklammert hielt, zu lockern. Das Feuer, das seine Batterien rings um das Kastell unterhielten, war von der Art, wie man es noch in keinem Kriege gesehen hatte. Die französischen Kanoniere wurden durch den Kugelregen von ihren Geschützen vertrieben und gezwungen, in unterirdischen gewölbten Gallerien Schutz zu suchen. Cohorn wettete jubelnd mit dem Kurfürsten von Bayern um vierhundert Pistolen, daß der Platz bis zum 31. August neuen Styls fallen werde. Der große Ingenieur verlor zwar seine Wette, aber nur um wenige Stunden. [52]

Boufflers begann jetzt einzusehen, daß seine einzige Hoffnung noch auf Villeroy ruhte. Dieser war von Brüssel nach Enghien gerückt, hatte dort aus den entferntesten Festungen der Niederlande alle entbehrlichen Truppen zusammengezogen und marschirte nun an der Spitze von mehr als achtzigtausend Mann auf Namur. Mittlerweile stieß Vaudemont zu den Belagerern. Wilhelm hielt sich daher für stark genug, Villeroy eine Schlacht anzubieten, ohne die Operationen gegen Boufflers einen Augenblick einzustellen. Dem Kurfürsten von Bayern wurde die unmittelbare Leitung der Belagerung übertragen. Der König von England nahm auf der Westseite der Stadt eine stark verschanzte Stellung ein und erwartete hier die von Enghien heranrückenden Franzosen. Alles schien anzudeuten, daß ein wichtiger Tag bevorstehe. Zwei der zahlreichsten und besten Armeen, welche Europa je gesehen, standen einander gegenüber. Am 15. August erblickten die Vertheidiger des Kastells von ihren Wachtthürmen das mächtige Heer ihrer Landsleute. Zwischen diesem Heere aber und der Citadelle war das nicht minder mächtige Heer Wilhelm’s in Schlachtordnung aufgestellt. Villeroy gab Boufflers durch eine Salve von neunzig Kanonenschüssen das Versprechen eines baldigen Entsatzes, und in der Nacht mahnte Boufflers durch Signalfeuer, welche weithin über die ausgedehnte Ebene der Maas und Sambre zu sehen waren, Villeroy an die schleunige Erfüllung dieses Versprechens. In den Hauptstädten Frankreich’s und England’s war Alles in der ängstlichsten Spannung. Ludwig schloß sich in sein Betzimmer ein, beichtete, genoß das heilige Abendmahl und gab Befehl, daß die Hostie in seiner Kapelle ausgestellt werden solle. Seine Gemahlin hieß alle ihre Nonnen niederknien. [53] London wurde durch eine Reihenfolge von Gerüchten, theils von Jakobiten, theils von Börsenspekulanten fabricirt, in einem Zustande heftiger Aufregung erhalten. Eines frühen Morgens wurde mit Bestimmtheit behauptet, es habe eine Schlacht stattgefunden, die Verbündeten seien geschlagen, der König getödtet [XXI.42] und die Belagerung aufgehoben worden. Sobald die Börse geöffnet wurde, war sie gedrängt voll Leute, welche hören wollten, ob die Nachricht wahr sei. Die Straßen waren den ganzen Tag mit Gruppen von Schwatzenden und Zuhörenden angefüllt. Am Nachmittag beruhigte die Gazette, welche ungeduldig erwartet worden war und von Tausenden begierig gelesen wurde, die Aufregung, jedoch nicht vollkommen, denn man wußte, daß die Jakobiten durch Kaper und Schmuggler, die bei jedem Wetter in See gingen, früher Nachrichten erhielten als sie dem Staatssekretär in Whitehall auf dem regelmäßigen Wege zukamen. Noch vor dem Abend hatte sich die Aufregung völlig gelegt; aber sie wurde durch einen frechen Betrug plötzlich wieder angefacht. Ein Reiter in der Uniform der Garden sprengte durch die City und meldete, daß der König gefallen sei. Er würde wahrscheinlich einen ernsten Aufruhr veranlaßt haben, hätten ihn nicht einige für die Revolution und den protestantischen Glauben schwärmende junge Handwerker zu Boden geschlagen und nach Newgate transportirt. Der vertraute Correspondent der Generalstaaten berichtete nach dem Haag, daß man trotz aller Geschichten, welche die mißvergnügte Partei erfinde und aussprenge, allgemein der Ueberzeugung sei, daß die Alliirten siegen würden. Der Probierstein der Aufrichtigkeit in England, schrieb er, seien die Wetten. Die Jakobiten seien zwar stets bereit zu beweisen, daß Wilhelm geschlagen werden müsse, oder zu behaupten, daß er schon geschlagen sei; aber sie wollten gleichwohl keine höheren Einsätze wetten als ihre Gegner und seien kaum zu bewegen, überhaupt eine Wette einzugehen. Die Whigs seien hingegen bereit, Tausende von Guineen auf den Ausgang des Kriegs und auf den Glücksstern des Königs zu wetten. [54]

Die Ereignisse rechtfertigten das Vertrauen der Whigs und die Zurückhaltung der Jakobiten. Am 16., 17. und 18. August standen die Armeen Villeroy’s und Wilhelm’s einander gegenüber. Man erwartete mit Bestimmtheit, daß der 19. der entscheidende Tag sein werde. Die Alliirten waren schon vor Tagesanbruch kampffertig. Um vier Uhr stieg Wilhelm zu Pferde und ritt bis acht Uhr Abends von Posten zu Posten, seine Truppen vertheilend und die Bewegungen des Feindes beobachtend. Der Feind näherte sich seinen Verschanzungen an mehreren Stellen hinreichend um zu sehen, daß es nicht leicht sein würde, ihn daraus zu vertreiben; aber es kam zu keinem Gefecht. Er legte sich zur Ruhe nieder und erwartete mit Sonnenaufgang angegriffen zu werden. Aber als die Sonne aufging, sah er, daß die Franzosen sich einige Meilen zurückgezogen hatten. Er schickte sofort einen Boten an den Kurfürsten von Bayern und ersuchte ihn, unverzüglich das Kastell zu erstürmen. Während man die nöthigen Vorbereitungen dazu traf, wurde Portland abgeschickt, um die Besatzung zum letzten Male zur Uebergabe aufzufordern. Es sei klar, sagte er zu Boufflers, daß Villeroy alle Hoffnung aufgegeben habe, die Belagerung aufheben zu können. Es würde daher eine nutzlose Vergeudung von Menschenleben sein, wenn er den Kampf noch länger fortsetze. Boufflers war jedoch der Meinung, daß zur Wahrung der französischen Waffenehre noch ein Tag des Gemetzels erforderlich sei, und Portland kehrte zurück, ohne etwas ausgerichtet zu haben. [55]

[XXI.43]

In den ersten Nachmittagsstunden wurde der Sturm durch vier Divisionen des verbündeten Heeres an vier Stellen zu gleicher Zeit unternommen. Ein Punkt war den Brandenburgern, ein andrer den Holländern, ein dritter den Bayern und der vierte den Engländern angewiesen. Die Engländer waren zuerst minder glücklich, als sie seither gewesen. Dies kam daher, weil die meisten diensterfahrenen Regimenter mit Wilhelm gegen Villeroy marschirt waren. Sobald als das Zeichen durch Sprengen zweier Pulverfässer gegeben war, rückte Cutts zuerst an der Spitze einer kleinen Schaar Grenadiere unter Trommelwirbel und mit fliegenden Fahnen aus den Laufgräben vor. Dieses tapfere Corps sollte durch vier Bataillone unterstützt werden, welche noch nie im Feuer gewesen waren und die, obgleich vom muthigsten Geiste beseelt, noch der Festigkeit entbehrten, die ein so gefährlicher Dienst erforderte. Die Offiziere fielen rasch hintereinander. Jeder Oberst und jeder Oberstleutnant wurde getödtet oder schwer verwundet, Cutts erhielt eine Kugel in den Kopf, die ihn für einige Zeit kampfunfähig machte. Die unerfahrenen Rekruten, so fast ohne alte Führung, drangen mit Ungestüm vorwärts, bis sie in Unordnung und außer Athem unter einem mörderischen Feuer und einem fast ebenso mörderischen Hagel von Fels- und Mauerstücken, vor einem Abgrunde ankamen. Sie verloren den Muth und wichen in Verwirrung zurück, bis es Cutts, dessen Wunde inzwischen verbunden worden war, gelang, sie wieder zu sammeln. Er führte sie nun nicht dahin von wo sie zurückgetrieben worden waren, sondern auf einen andren Punkt, wo ein furchtbarer Kampf wüthete. Die Bayern hatten tapfer, aber erfolglos ihren Sturmangriff gemacht; ihr General war gefallen und sie begannen schon zu wanken, als die Ankunft des Salamanders und seiner Leute das Schicksal des Tages änderte. Zweihundert englische Freiwillige, welche die Unehre ihres vorherigen Zurückweichens um jeden Preis wieder gut machen wollten, waren die Ersten, die sich mit dem Säbel in der Faust einen Weg durch die Palissaden bahnten, eine Batterie erstürmten, die unter den Bayern arg aufgeräumt hatte, und die Kanonen gegen die Besatzung richteten. Unterdessen hatten die vortrefflich disciplinirten und vortrefflich commandirten Brandenburger ohne großen Verlust die ihnen zuertheilte Aufgabe gelöst. Die Holländer waren ebenso glücklich gewesen. Als der Abend hereinbrach, hatten die Verbündeten die Außenwerke des Kastells auf eine Meile im Umfang im Besitz. Dieser Vortheil War mit dem Verluste von zweitausend Mann erkauft worden. [56]

Jetzt endlich glaubte Boufflers Alles gethan zu haben, was seine Pflicht erheischte. Am andren Morgen bat er um einen achtundvierzigstündigen Waffenstillstand, um die Hunderte von Leichen, welche die Gräben füllten und welche bald unter den Belagerern wie unter den Belagerten Krankheiten erzeugt haben würden, wegräumen und beerdigen zu lassen. Sein Ansuchen wurde bewilligt, und noch vor Ablauf der festgesetzten Zeit ließ er sagen, daß er geneigt sei zu kapituliren. Er wolle, sagte er, das Schloß binnen zehn Tagen übergeben, wenn er bis dahin nicht entsetzt würde. Es wurde ihm darauf erwiedert, daß die Verbündeten auf solche Bedingungen nicht mit ihm unterhandeln könnten und daß er sich ent [XXI.44] weder zu einer sofortigen Uebergabe verstehen oder auf einen unverzüglichen Sturm gefaßt machen müsse. Er gab nach und man kam überein, daß ihm und seinen Leuten freier Abzug gestattet werden, und daß er die Citadelle, die Artillerie und die Vorräthe den Siegern überlassen solle. Drei Salven aus sämmtlichen Feuerschlünden der verbündeten Armee verkündeten Villeroy den Fall der Festung, der er vergebens Unterstützung zu bringen versucht hatte. Er zog sich augenblicklich auf Mons zurück und ließ Wilhelm im ungestörten Genusse eines Triumphes, welcher durch die Erinnerung an vieles Mißgeschick noch erhöht wurde.

Uebergabe des Kastells von Namur.

Der 26. August war zu einem Schauspiele bestimmt worden, wie es der älteste Soldat in Europa noch nie gesehen und wie es noch vor wenigen Wochen der jüngste Soldat kaum zu erleben gehofft hatte. Von Condé’s erster bis zu Luxemburg’s letzter Schlacht hatte die Fluth des militärischen Erfolgs ohne erhebliche Unterbrechung fortwährend eine und dieselbe Richtung beibehalten. Jetzt wendete sich das Kriegsglück. Zum ersten Male, sagte man, seit Frankreich Marschälle habe, sollte ein Marschall von Frankreich eine Festung einem siegreichen Feinde übergeben.

Die in einer Doppelreihe aufgestellten verbündeten Truppen, Infanterie und Cavallerie, bildeten eine prächtige Gasse von der Bresche, um welche vor kurzem mit so verzweifelter Tapferkeit gekämpft worden war, bis ans Ufer der Maas. Der Kurfürst von Bayern, der Landgraf von Hessen und viele hohe Offiziere hielten zu Pferde in der Umgebung des Kastells. Wilhelm befand sich nahe bei ihnen in seinem Wagen. Die auf ungefähr fünftausend Mann zusammengeschmolzene Besatzung kam mit Trommelwirbel und wehenden Fahnen heraus. Boufflers schloß mit seinem Stabe den Zug. Es war einige Schwierigkeit über die Form der Begrüßung entstanden, welche zwischen ihm und den verbündeten Souverainen gewechselt werden mußte. Ein Kurfürst von Bayern hatte kaum Anspruch darauf, von einem Marschall von Frankreich mit dem Degen salutirt zu werden. Ein König von England hatte unbestreitbar Anspruch auf ein solches Zeichen von Ehrerbietung; aber Frankreich erkannte Wilhelm nicht als König von England an. Endlich verstand sich Boufflers dazu, die Salutirung zu verrichten, ohne zu zeigen, welchem der beiden Souveraine sie gelte. Er senkte seinen Degen. Wilhelm allein erwiederte das Compliment. Hierauf folgte eine kurze Unterredung. Um den Gebrauch der Worte Sire und Majestät zu vermeiden, wendete sich der Marschall nur an den Kurfürsten. Dieser theilte Wilhelm das Gesagte mit allen Zeichen der Ehrerbietung mit, und Wilhelm berührte kalt seinen Hut. Die Offiziere der Garnison nahmen die Nachricht mit in ihr Vaterland, daß der Emporkömmling, der in Paris nur der Prinz von Oranien genannt wurde, von den stolzesten Potentaten des deutschen Staatenbundes mit ebenso tiefer Ehrerbietung behandelt wurde, als Ludwig sie von seinen Kammerherren verlangte. [57]

Verhaftung Boufflers’.

Die Ceremonie war jetzt vorüber, und Boufflers ritt weiter; aber er hatte erst eine kurze Strecke Wegs [XXI.45] zurückgelegt, als er von Dykvelt angehalten wurde, der die verbündete Armee als Deputirter der Generalstaaten begleitete. „Sie müssen in die Stadt zurückkehren, mein Herr,” redete Dykvelt ihn an. „Der König von England hat mir befohlen, Ihnen zu sagen, daß Sie sein Gefangener sind.” Boufflers war außer sich vor Wuth. Seine Offiziere schaarten sich um ihn und schwuren, ihn bis zum letzten Athemzuge zu vertheidigen: Aber von Widerstand konnte nicht die Rede sein, denn eine starke Abtheilung holländischer Reiterei kam heran, und der Brigadier verlangte den Degen des Marschalls. Der Marschall äußerte laut seinen Unwillen. „Das ist ein abscheulicher Wortbruch! Lesen Sie die Bedingungen der Kapitulation. Was habe ich gethan, um einen solchen Affront zu verdienen? Habe ich mich nicht als Mann von Ehre benommen? Muß ich nicht als ein solcher behandelt werden? Bedenken Sie wohl was Sie thun, meine Herren. Ich diene einem Gebieter, der mich rächen kann und wird.” — „Ich bin Soldat, mein Herr,” entgegnete der Brigadier, „und es ist meine Pflicht, erhaltenen Befehlen zu gehorchen, ohne mich um das Weitere zu bekümmern.” Dykvelt erwiederte sodann ruhig und artig auf die unwilligen Aeußerungen des Marschalls: „Der König hat nur mit Widerstreben das von Ihrem Gebieter gegebene Beispiel nachgeahmt. Die Soldaten, welche die Besatzungen von Dirmuyden und Deynse bildeten, sind trotz gegebenen Zusicherungen als Gefangene nach Frankreich geschickt worden. Der Fürst, dem sie dienen, würde seiner Pflicht gegen sie uneingedenk sein, wenn er nicht Wiedervergeltung übte. Se. Majestät hätte mit vollem Rechte alle Franzosen, die in Namur waren, zurückhalten können. Aber er will einem Präcedenzfalle, den er mißbilligt, nicht so weit Folge geben. Er hat beschlossen, Sie, und nur Sie allein gefangen zu nehmen, und Sie dürfen eine Maßregel, welche thatsächlich ein Zeichen seiner besonderen Achtung gegen Sie ist, nicht als eine Beleidigung ansehen. Wie kann er Ihnen ein glänzenderes Compliment machen, als indem er Ihnen beweist, daß er Sie als ein vollkommenes Aequivalent für die fünf- bis sechstausend Mann betrachtet, welche Ihr Souverain widerrechtlich als Gefangene zurückhält? Ich will Sie sogar noch jetzt ungehindert Ihres Weges ziehen lassen, wenn Sie mir Ihr Ehrenwort geben, wieder hierher zurückzukehren, im Fall die Besatzungen von Dirmuyden und Deynse nicht binnen vierzehn Tagen in Freiheit gesetzt werden.” — „Ich weiß nicht, warum mein Gebieter jene Soldaten zurückhält, und daher kann ich Ihnen keine Hoffnung darauf machen, daß er sie freilassen wird. Sie haben eine Armee hinter Sich; ich bin allein; handeln Sie nach Ihrem Belieben.” Er lieferte seinen Degen ab, kehrte nach Namur zurück und wurde von dort nach Huy gebracht, wo er einige Tage in luxuriöser Ruhe verlebte, nach Gefallen ausgehen und ausreiten durfte wann er wollte, und von Denen, die ihn bewachten, mit ausgezeichneter Rücksicht behandelt wurde. In der kürzesten Zeit, in der es möglich war, von dem Orte, wo er in Haft gehalten wurde, an den französischen Hof zu schreiben und Antwort zurück zu erhalten, empfing er die Ermächtigung, zu versprechen, daß die Besatzungen von Dirmuyden und Deynse zurückgeschickt werden sollten. Er wurde sogleich in Freiheit gesetzt und reiste nach Fontainebleau ab, wo ein ehrenvoller Empfang seiner wartete. Er wurde zum Herzog und Pair ernannt. Damit er den nöthigen Aufwand seiner neuen Würden bestreiten konnte, erhielt er zugleich eine bedeutende Summe Geldes, und Ludwig [XXI.46] bewillkommnete ihn in Anwesenheit des gesammten französischen Adels mit einer herzlichen Umarmung. [58]

In allen gegen Frankreich verbündeten Ländern wurde die Nachricht von dem Falle Namur’s mit Freude begrüßt; bei uns aber war der Jubel am größten. Seit mehreren Generationen hatten unsere Vorfahren zu Lande keine bedeutende Waffenthat gegen auswärtige Feinde vollführt. Wir hatten zwar unseren Bundesgenossen zuweilen kleine Hülfscorps geliefert, welche die Ehre der Nation in gutem Ansehen erhielten. Aber von dem Tage an, wo die beiden tapferen Talbot, Vater und Sohn, in dem vergeblichen Versuche, Guienne wieder zu erobern, umgekommen waren, bis zur Revolution, hatte auf dem Continent kein Feldzug stattgefunden, in welchem die Engländer eine Hauptrolle gespielt hätten. Endlich hatten unsere Vorfahren nach einer Pause von nahe an dritthalb Jahrhunderten wieder angefangen, den Kriegern Frankreich’s die Palme des militärischen Ruhmes streitig zu machen. Es war ein harter Kampf gewesen. Das Genie Luxemburg’s und die ausgezeichnete Disciplin der Haustruppen Ludwig’s hatten in zwei großen Schlachten die Oberhand behalten; aber der Ausgang dieser Schlachten war lange zweifelhaft gewesen, der Sieg war theuer erkauft worden, und der Sieger hatte nicht viel mehr gewonnen als die Ehre, Herr des Schlachtfeldes geblieben zu sein. Inzwischen bildete er selbst seine Gegner aus. Die Rekruten, welche seine strenge Schule überlebten, wurden rasch Veteranen. Steenkerke und London hatten die Freiwilligen gebildet, welche Cutts durch die Palissaden von Namur folgten. Der Ausspruch aller großen Krieger, welche sämmtliche Nationen des westlichen Europa’s an den Zusammenfluß der Sambre und Maas gesandt hatten, lautete, daß der englische Subalternoffizier und der englische Gemeine keinem Subalternoffizier und keinem Gemeinen der Christenheit nachstehe. Die englischen Offiziere höheren Ranges dagegen wurden kaum für würdig erachtet, eine solche Armee zu commandiren. Cutts hatte sich zwar durch seine Unerschrockenheit ausgezeichnet. Aber selbst Diejenigen, die ihn am meisten bewunderten, gestanden zu, daß er weder die Befähigung noch die Kenntnisse besaß, deren ein General bedurfte.

Die Freude der Sieger wurde erhöht durch die Erinnerung an die drei Jahre früher auf dem nämlichen Punkte erlittene Niederlage und an den Uebermuth, mit welchem ihr Feind damals über sie triumphirt hatte. Jetzt war die Reihe zu triumphiren an ihnen. Die Holländer prägten Denkmünzen, die Spanier sangen Te Deums. Es erschienen eine Menge theils ernster, theils launiger Gedichte, von denen nur eines uns erhalten worden ist. Prior travestirte mit köstlichem Geist und Humor die bombastischen Verse, in welchen Boileau die erste Einnahme von Namur verherrlicht hatte. Die beiden Oden, welche nebeneinander gedruckt erschienen, wurden mit großem Vergnügen gelesen, und die Kritiker bei Will’s erklärten, daß England sowohl im Witz als in den Waffen den Sieg davon getragen habe.

Der Fall von Namur war das große militärische Ereigniß dieses [XXI.47] Jahres. Der türkische Krieg beschäftigte noch immer einen großen Theil der kaiserlichen Truppen mit unentscheidenden Operationen an der Donau. Weder in Piemont noch am Rhein geschah etwas Erwähnenswerthes. In Catalonien erlangten die Spanier einige unbedeutende Vortheile, die sie ihren englischen und holländischen Bundesgenossen verdankten, welche alles Mögliche gethan zu haben scheinen, um einer Nation zu helfen, die niemals sonderlich geneigt gewesen ist, sich selbst zu helfen. Die Ueberlegenheit England’s und Holland’s zur See war jetzt notorisch erwiesen. Während des ganzen Jahres war Russell der unbestrittene Herr des mittelländischen Meeres, fuhr zwischen Spanien und Italien hin und her, bombardirte Palamos, verbreitete Schrecken längs der ganzen Küste der Provence und hielt die französische Flotte im Hafen von Toulon eingeschlossen. Mittlerweile war Berkeley der unbestrittene Herr des Kanals, kreuzte angesichts der Küsten des Artois, der Picardie, der Normandie und der Bretagne, warf Bomben nach Saint-Malo, Calais und Dünkirchen und brannte Granville bis auf den Grund nieder. Ludwig’s Flotte, welche fünf Jahre früher die furchtbarste in Europa gewesen, die unbehindert von den Dünen bis Land’s End umhergefahren war, die bei Torbay geankert und Teignmouth in Asche gelegt hatte, gab jetzt kein Lebenszeichen mehr, außer durch das Plündern von Kauffahrern, welche nicht von Kriegsschiffen begleitet waren. In diesem einträglichen Kriege waren, die französischen Kaper gegen Ende des Sommers sehr glücklich. Mehrere mit Zucker beladene Schiffe aus Barbados wurden aufgebracht. Die Verluste der unglücklichen, von Schwierigkeiten schon umgebenen und durch grenzenlose Verschwendung in Bestechungen sehr geschwächten Ostindischen Compagnie waren enorm. Fünf große aus den östlichen Meeren zurückkehrende Schiffe mit Ladungen, deren Werth allgemein auf eine Million geschätzt wurde, fielen in die Hände des Feindes. Diese Unfälle erregten einiges Murren auf der Börse. Im Ganzen aber war die Stimmung der Hauptstadt und der Nation besser als sie seit einigen Jahren gewesen.

Inzwischen fanden in London Ereignisse statt, welche kein früherer Geschichtsschreiber der Erwähnung werth gehalten hat, die aber von weit größerer Wichtigkeit waren als die Waffenthaten von Wilhelm’s Armee oder von Russell’s Flotte. Ein großes Experiment wurde gemacht, eine große Revolution war im Gange: es waren Zeitungen erschienen.

Wirkung der Emancipation der englischen Presse.

So lange die Censuracte in Kraft war, gab es in England keine Zeitungen außer der London Gazette, welche von einem Beamten des Staatssekretariats redigirt wurde und die nichts enthielt als was der Staatssekretär die Nation wissen lassen wollte. Periodische Schriften gab es zwar viele, aber keine derselben konnte eine Zeitung genannt werden. Welwood, ein eifriger Whig, gab ein Journal, der Observator genannt, heraus; aber sein Observator enthielt ebenso wie der früher von Lestrange herausgegebene keine politischen Neuigkeiten, sondern nur politische Abhandlungen. Ein geistesschwacher Buchhändler, Namens Johann Dunton, gab den Athenian Mercury heraus; aber der Athenian Mercury erörterte nur Fragen der Naturwissenschaften, der Casuistik und der Galanterie. Ein Mitglied der königlichen Societät, Namens Johann Houghton, gab eine periodische Schrift heraus, die er eine Sammlung zur Hebung der Industrie und des Handels nannte. Aber seine Sammlung enthielt nicht [XXI.48] viel mehr als die Course der Actien, Erklärungen der Art und Weise des Geschäftsganges in der City, Anpreisungen neuer Projecte, Ankündigungen von Büchern, Geheimmitteln, Chokolade, Mineralwasser, Zibethkatzen und Gesuche brodloser Schiffschirurgen, herrenloser Bedienten und heirathslustiger Damen. Wenn er ja einmal eine politische Nachricht mittheilte, so war sie aus der Gazette abgedruckt. Die Gazette aber war eine so parteiische und so magere Chronik der Begebenheiten, daß sie, obgleich ohne alle Concurrenz, doch nur eine geringe Verbreitung hatte. Die Auflage betrug nur achttausend, so daß also bei weitem noch nicht ein Exemplar auf jedes Kirchspiel des Landes kam. In der That, wer die Geschichte seiner Zeit nur aus der Gazette studirt hätte, dem würden viele Ereignisse von höchster Wichtigkeit unbekannt geblieben sein. Er würde zum Beispiel nichts von dem Kriegsgericht über Torrington, von den Untersuchungen in Lancashire, von dem Verbrennen des Hirtenbriefes des Bischofs von Salisbury, oder von der Anklage gegen den Herzog von Leeds erfahren haben. Doch wurden die Lücken der Gazette bis zu einem gewissen Grade in London durch die Kaffeehäuser und in der Provinz durch die Neuigkeitsbriefe ausgefüllt.

Am 3. Mai 1695 erlosch das Gesetz, das die Presse einer Censur unterworfen hatte. Innerhalb der nächsten vierzehn Tage erließ ein entschiedener alter Whig, Namens Harris, der in den Tagen der Ausschließungsbill den Versuch gemacht hatte, eine Zeitung unter dem Titel „Intelligence Domestic and Foreign” zu begründen, aber diesen Plan bald wieder hatte aufgeben müssen, die Anzeige, daß die vor vierzehn Jahren durch die Tyrannei unterdrückte „Intelligence Domestic and Foreign” wieder erscheinen würde. Zehn Tage nach der ersten Nummer der Intelligence erschien die erste Nummer des „English Courant”. Dann kam das „Packet Boat from Holland and Flanders”, der „Pegasus”, der „London Newsletter”, die „London Post”, die „Flying Post”, der „Old Postmaster”, der „Postboy” und der „Postman”. Die Geschichte der Zeitungen von jener Zeit bis auf unsere Tage ist ein höchst interessanter und lehrreicher Theil der Geschichte des Landes. Im Anfang waren sie klein und unansehnlich. Selbst der Postboy und der Postman, welche die bestredigirten und gangbarsten gewesen zu sein scheinen, waren abscheulich auf Blätter von schmutziggrauem Papier gedruckt, wie man es heutzutage nicht gut genug für Straßenballaden halten würde. Es erschienen wöchentlich nur zwei Nummern, und eine Nummer enthielt nicht viel mehr Stoff, als man jetzt in einer einzigen Spalte unserer Tagesblätter findet. Was man jetzt einen Leitartikel nennt, erschien nur selten, außer wenn Mangel an Neuigkeiten war, wenn die holländischen Posten durch den Westwind aufgehalten wurden, wenn die Rapparees im Sumpfe von Allen sich ruhig verhielten, wenn keine Diligence von Straßenräubern angefallen, wenn keine eidverweigernde Gemeinde durch Constabler zerstreut worden, wenn kein Gesandter mit einem langen Gefolge sechsspänniger Equipagen angekommen war, wenn kein Lord oder Dichter in der Abtei begraben worden und wenn es in Folge dessen schwer war, vier dürftige Seiten zu füllen. Indessen waren die Leitartikel, obgleich sie, wie es scheint, nur in Ermangelung anziehenderen Stoffes aufgenommen wurden, keineswegs schlecht geschrieben.

Es ist ein bedeutsames Factum, daß die jungen Zeitungen alle auf Seiten Wilhelm’s und der Revolution waren. Dieses Factum mag sich [XXI.49] zum Theil durch den Umstand erklären lassen, daß anfangs die Existenz der Herausgeber von ihrem guten Verhalten abhing. Es war keineswegs klar, ob ihr Gewerbe an sich nicht ungesetzlich war. Das Drucken von Zeitungen war allerdings durch kein Gesetz verboten; aber gegen das Ende der Regierung Karl’s II. hatten die Richter erklärt, daß es nach dem Landrecht ein Vergehen sei, politische Nachrichten ohne Erlaubniß des Königs zu veröffentlichen. Freilich waren die Richter, welche dieses Prinzip aufstellten, nach dem Belieben des Königs absetzbar und beeiferten sich bei jeder Gelegenheit, die königliche Prärogative zu erhöhen. Wie Holt und Treby die Frage, wenn sie wieder aufgeworfen worden wäre, entschieden haben würden, ist zweifelhaft, und die Folge dieser Ungewißheit war, daß die Minister der Krone Nachsicht übten und daß die Journalisten sich vorsahen. Keiner von beiden Theilen hegte den Wunsch, die Rechtsfrage zur Erörterung zu bringen. Die Regierung ließ daher das Erscheinen von Zeitungen stillschweigend hingehen, und die Herausgeber derselben hüteten sich sorgfältig, etwas zu drucken, was die Regierung provociren oder beunruhigen konnte. In einer der ersten Nummern eines der neuen Journale erschien allerdings ein Artikel, der darauf hindeuten zu wollen schien, daß die Prinzessin Anna sich nicht aufrichtig über den Fall von Namur freue. Aber der Drucker beeilte sich, seinen Fehler durch die demüthigsten Entschuldigungen wieder gut zu machen. Eine geraume Zeit waren die nichtamtlichen Zeitungen, wenn auch viel plauderhafter und unterhaltender als die amtliche Gazette, fast eben so höfisch. Wer sie nachliest, wird finden, daß der König stets mit der größten Ehrerbietung erwähnt wird. Ueber die Debatten und Abstimmungen der beiden Häuser wird ein ehrfurchtsvolles Stillschweigen beobachtet. Es kommen zwar viel Schmähungen darin vor; aber diese sind fast alle gegen die Jakobiten und die Franzosen gerichtet. Es scheint gewiß, daß die Regierung Wilhelm’s durch die Substituirung dieser unter beständiger Furcht vor dem Generalfiskal redigirten gedruckten Zeitungen an Stelle der mit zügelloser Freiheit geschriebenen Neuigkeitsbriefe nicht wenig gewann. [59]

Die Pamphletisten standen unter minder harten Beschränkungen als die Journalisten; doch muß Jeder, der die politische Polemik der damaligen Zeit aufmerksam studirt hat, bemerkt haben, daß die Libelle gegen Wilhelm’s Person und Verwaltung während der zweiten Hälfte seiner Regierung entschieden weniger heftig und hämisch waren als während der ersten Hälfte. Und der Grund davon ist offenbar kein andrer als der, weil die [XXI.50] Presse, welche während der ersten Hälfte seiner Regierung in Ketten und Banden lag, während der zweiten Hälfte frei war. So lange die Censur bestand, hatte keine Schrift, welche die Leitung eines Verwaltungszweiges wenn auch in der gemäßigtsten und anständigsten Sprache tadelte, Aussicht, mit Genehmigung des Censors gedruckt werden zu dürfen. Im Allgemeinen blieben daher selbst die achtbaren und gemäßigten Gegner des Hofes, da sie es nicht über sich gewinnen konnten, in der vom Gesetz vorgeschriebenen Weise zu drucken, und es nicht für recht oder rathsam hielten, in einer vom Gesetz verbotenen Weise zu drucken, lieber ganz still und überließen die Kritik der Verwaltung zwei Klassen von Menschen: fanatischen Eidverweigerern, welche aufrichtig glaubten, daß der Prinz von Oranien eben so wenig Anspruch auf Schonung oder Artigkeit habe, wie der Fürst der Finsterniß, und gemeinen, boshaften und lästerzüngigen Miethlingen in Grub Street. Daher gab es unter den Vielen, welche gegen die Regierung zu schreiben pflegten, kaum einen einzigen Verständigen, Gemäßigten und Rechtschaffenen. Die Gewohnheit, gegen die Regierung zu schreiben, übte in der That an sich eine ungünstige Wirkung auf den Character aus, denn wer gewohnt war, gegen die Regierung zu schreiben, der war auch gewohnt, die Gesetze zu übertreten, und die Gewohnheit selbst ein unbilliges Gesetz zu übertreten, führt den Menschen zu völliger Gesetzlosigkeit. Wie absurd ein Zolltarif auch immer sein mag, ein Schmuggler wird stets nur zu wahrscheinlich ein Schurke und Spitzbube sein. Wie despotisch ein Jagdgesetz immer sein mag, der Uebergang von einem Wilddieb zu einem Mörder ist nur zu leicht. Ebenso war, obgleich sich zu Gunsten der die Literatur beschränkenden Gesetze nur wenig sagen läßt, doch große Gefahr vorhanden, daß ein Mann, der diese Gesetze beständig verletzte, kein Mann von besonderer Ehre und strenger Rechtschaffenheit sein würde. Ein Autor, der sich vorgenommen hatte, etwas drucken zu lassen, und die Erlaubniß des Censors dazu nicht erlangen konnte, mußte sich der Beihülfe bedürftiger und verzweifelter Menschen bedienen, welche, von den Dienern des Friedensgerichts verfolgt und gezwungen, jede Woche andere Namen und Verkleidungen anzunehmen, ihr Papier und ihre Typen in jenen Höhlen des Lasters verbargen, welche die Pest und die Schande großer Hauptstädte sind. Solche Elende mußte er erkaufen, damit sie sein Geheimniß bewahrten und sich der Gefahr aussetzten, anstatt seiner ausgepeitscht zu werden oder die Ohren zu verlieren. Ein Mann, der sich zu solchen Genossen und zu solchen Hülfsmitteln herabließ, konnte einen zarten Sinn für Recht und Schicklichkeit kaum unversehrt bewahren. Die Emancipation der Presse bewirkte eine große und heilsame Aenderung. Die besten und einsichtsvollsten Männer in den Reihen der Opposition übernahmen jetzt ein Amt, das bisher den Gewissenlosen und Heißblütigen überlassen gewesen war. Schriften gegen die Regierung wurden jetzt in einem Tone geschrieben, dessen sich Staatsmänner und Gentlemen nicht zu schämen brauchten, und selbst die Producte der niederern und heftigeren Klasse der Mißvergnügten wurden etwas weniger roh und gemein, als sie es in den Tagen der Censoren gewesen waren.

Einige schwache Menschen hatten geglaubt, daß Religion und Moral des Schutzes eines Censors bedürften. Der Lauf der Dinge bewies schlagend, daß sie im Irrthum waren. Die Censur hatte in der That die Zügellosigkeit und Profanation so gut als gar nicht beschränkt. Das [XXI.51] „Verlorne Paradies” war mit genauer Noth der Verstümmelung entgangen, denn das Verlorne Paradies war das Werk eines Mannes, dessen politische Ansichten den herrschenden Gewalten verhaßt waren. Aber Etherege’s She Would If She Could, Wycherley’s Country Wife, Dryden’s „Uebersetzungen aus dem vierten Buche des Lucrez” erlangten ohne Mühe das Imprimatur, denn Dryden, Etherege und Wycherley waren Höflinge. Von dem Tage, an welchem die Emancipation unsrer Literatur eintrat, begann die Läuterung unsrer Literatur. Diese Läuterung wurde nicht durch das Einschreiten von Senaten oder Magistraten bewirkt, sondern durch die Ansicht der großen Masse der gebildeten Engländer, denen das Gute und das Schlechte vor Augen gelegt, und denen es freigestellt wurde, zu wählen. Seit hundertsechzig Jahren ist die Freiheit unsrer Presse immer vollständiger geworden, und während dieser hundertsechzig Jahre ist der Zügel, den die allgemeine Gesinnung der Leser den Schriftstellern angelegt hat, immer wirksamer geworden. Endlich ist selbst diejenige Klasse von Schriften, von denen man sonst meinte, daß eine wollüstige Phantasie sich darin Ausschreitungen gestatten dürfe, wie Liebeslieder, Lustspiele und Novellen, anständiger geworden, als die Predigten des 17. Jahrhunderts es waren. Heutzutage können Ausländer, die kein tadelndes Wort gegen die Regierung, unter der sie leben, zu drucken wagen, nicht begreifen, wie es zugeht, daß die freieste Presse in Europa die prüdeste ist.

Wilhelm’s Rückkehr nach England; Auflösung des Parlaments.

Am 10. October kam der König, dessen Armee ihre Winterquartiere bezogen hatte, in England an und wurde mit ungewohntem Enthusiasmus empfangen. Während seines Zuges durch die Hauptstadt nach seinem Palaste gingen alle Glocken und jede Straße war erleuchtet. Es wurde spät, bevor er durch die jubelnden Menschenmassen nach Kensington gelangte. Aber trotz der späten Stunde wurde sofort noch eine Sitzung des Staatsraths abgehalten. Es war ein wichtiger Punkt zu entscheiden. Sollte das Haus der Gemeinen beisammen bleiben dürfen oder sollte eine sofortige Auflösung stattfinden? Der König würde dieses Haus wahrscheinlich gern bis ans Ende seiner Regierung beibehalten haben. Aber dies stand nicht in seiner Macht. Die Dreijährigkeitsacte hatte den 25. März als den letzten Termin für die Existenz des Parlaments festgesetzt. Wenn daher 1695 keine allgemeine Wahl mehr stattfand, so mußte 1696 eine solche stattfinden, und wer konnte sagen, in welchem Zustande das Land im Jahre 1696 sein würde? Es konnte ein unglücklicher Feldzug stattfinden. Es konnte, und man hatte nur zu triftigen Grund dies anzunehmen, eine gefährliche Handelskrisis eintreten. In beiden Fällen war es wahrscheinlich, daß die Mißstimmung groß sein würde. Der Feldzug von 1695 war glänzend gewesen, die Nation war in einer vortrefflichen Stimmung, und Wilhelm beschloß wohlweislich, den günstigen Moment zu benutzen. Es wurden unverweilt zwei Proklamationen erlassen. Die eine derselben kündigte in der gewöhnlichen Form an, daß Se. Majestät beschlossen habe, das alte Parlament aufzulösen, und befohlen habe, Wahlausschreiben zu einem neuen Parlamente ergehen zu lassen. Die andre Proklamation war ohne vorgängiges Beispiel. Sie that kund und zu wissen, daß es der Wille des Königs sei, daß jedes in einem Wahlorte liegende Regiment den Tag vor der Vorschlagung der Wahlcandidaten aus diesem Orte ausrücken und nicht eher [XXI.52] dahin zurückkehren solle, als bis das Volk seine Wahl getroffen habe. Die Besatzungen der befestigten Städte und Schlösser waren von diesem Befehle, der allgemein als ein Zeichen lobenswerther Achtung vor den Rechten des Volks betrachtet wurde, natürlich ausgenommen.

Obgleich aber Wilhelm sich sorgfältig hütete, die Wahlkörper durch irgend etwas, das wie Zwang oder Einschüchterung aussah, zu verletzen, verschmähte er es doch nicht, durch gelindere Mittel auf ihre Stimmen einzuwirken. Er beschloß, die sechs Wochen der allgemeinen Wahl dazu anzuwenden, daß er sich den Bevölkerungen vieler Districte zeigte, die er noch nie besucht hatte. Er hoffte auf diese Weise eine Popularität zu erlangen, die einen erheblichen Einfluß auf die Wahlen ausüben konnte. Er zwang sich daher, eine Leutseligkeit und Freundlichkeit an den Tag zu legen, an denen er es nur zu oft fehlen ließ, und die Folge davon war, daß er auf jeder Station seiner Reise von seinen Unterthanen Beweise von Wohlwollen erhielt. Ehe er abreiste, stattete er seiner Schwägerin einen officiellen Besuch ab und war mit dem ihm zu Theil werdenden Empfange sehr zufrieden. Der erst sechs Jahr alte Herzog von Gloucester kam seinem Oheime mit einer kleinen Flinte auf der Schulter entgegen und präsentirte das Gewehr. „Ich lerne exerciren,” sagte der Knabe, „damit ich Ihnen helfen kann die Franzosen zu schlagen.” Der König lachte herzlich und belohnte den kleinen Soldaten einige Tage darauf mit dem Hosenbandorden. [60]

Wilhelm unternimmt eine Reise durch das Land.

Am 17. October ging die Königin nach Newmarket, gegenwärtig mehr ein Ort des Gewerbfleißes als des Vergnügens, in den Herbstmonaten des 17. Jahrhunderts aber der heiterste und luxuriöseste Platz auf der Insel. Es war nichts Ungewöhnliches, daß der ganze Hof mitsammt dem Cabinet sich dahin begab. Juweliere und Modistinnen, Schauspieler und Musiker, feile Poeten und feile Schönheiten folgten massenhaft. Die Communication in den Straßen wurde durch sechsspännige Equipagen gehemmt. An den öffentlichen Vergnügungsorten liebäugelten Peers mit Ehrenfräuleins, und Offiziere der Leibgarde, von Federn und goldenen Tressen strotzend, drängten sich in buntem Gewühl mit Professoren in schwarzen Roben und Baretten, denn die benachbarte Universität Cambridge schickte stets ihre höchsten Würdenträger mit Ergebenheitsadressen und wählte ihre tüchtigsten Theologen aus, um sie vor dem Souverain und seinem glänzenden Gefolge predigen zu lassen. In den zügellosen Tagen der Restauration wollte es zwar auch den gelehrtesten und beredtsamsten Geistlichen zuweilen nicht gelingen, ein fashionables Auditorium herbeizuziehen, besonders wenn Buckingham seine Absicht ankündigte, einen Vortrag zu halten; denn zuweilen gefiel es Sr. Gnaden, die Langweiligkeit eines Sonntagsmorgens dadurch zu verscheuchen, daß er den Schwarm der eleganten Herren und Damen mit einer frivolen Ermahnung unterhielt, die er eine Predigt nannte. Aber der Hof Wilhelm’s war decenter und die akademischen Würdenträger wurden mit ausgezeichneter Achtung behandelt. Mit den Lords und Ladies von Saint-James und Soho und den Doctoren des Trinity College und King’s College war dann noch der Landadel vermischt, fuchsjagende Squires mit ihren rothwangigen Töch [XXI.53] tern, die in schwerfälligen, von Karrengäulen gezogenen Familienkutschen aus den entferntesten Kirchspielen einiger Grafschaften herbeigekommen waren, um ihren Landesherrn zu sehen. Die Haide war von einem lärmenden, zigeunerähnlichen Lager eingefaßt, denn die Hoffnung, sich von den Ueberresten so vieler splendiden Tafeln sättigen und einige von den Guineen und Kronen aufheben zu können, welche die Verschwender von London wegwarfen, lockte Tausende von Landleuten aus einem Umkreise von vielen Meilen herbei. [61]

Nachdem Wilhelm an diesem heiteren Orte einige Tage seinen Hof gehalten und die Huldigungen von Cambridgeshire, Huntingdonshire und Suffolk entgegengenommen hatte, begab er sich nach Althorpe. Es scheint befremdend, daß er auf einer Reise, die eigentlich eine Stimmenwerbungstour war, einem Manne wie Sunderland, der mit so allgemeinem Mißtrauen und Haß betrachtet wurde, eine so ausgezeichnete Ehre erwies. Aber die Leute hatten sich einmal vorgenommen, froh und vergnügt zu sein. Ganz Northamptonshire strömte in die durch den Pinsel Vandyke’s geschmückte und durch Waller’s Muse zu klassischer Berühmtheit gelangte prächtige Gallerie, um die königliche Hand zu küssen, und der Earl versuchte seine Nachbarn mit sich zu versöhnen, indem er sie an acht mit Silbergeschirr schwer beladenen Tafeln bewirthete. Von Althorpe ging der König nach Stamford. Der Earl von Exeter, dessen fürstlicher Landsitz zu den großen Sehenswürdigkeiten England’s gehörte und noch gehört, hatte nie die Eide geleistet, und um einer Unterredung aus dem Wege zu gehen, die ihm hätte unangenehm sein müssen, war er unter irgend einem Vorwande nach London gereist, hatte aber Befehle hinterlassen, daß der erlauchte Besuch mit gebührender Gastlichkeit empfangen werde. Wilhelm war ein großer Freund der Baukunst und der Gartenanlagen, und seine Edelleute konnten ihm mit nichts mehr schmeicheln, als wenn sie ihn über die Verschönerung ihrer Landsitze um Rath fragten. Zu einer Zeit, wo viele Sorgen auf seinem Geiste lasteten, nahm er großes Interesse an dem Baue von Castle Howard und ein hölzernes Modell dieses Gebäudes, des schönsten Probestücks eines fehlerhaften Styls, wurde ihm nach Kensington zur Ansicht gesandt. Wir können uns daher nicht wundern, daß er Burleigh mit großem Vergnügen sah. Er begnügte sich sogar nicht mit einer Besichtigung, sondern stand am andren Morgen frühzeitig auf, um das Gebäude noch einmal in Augenschein zu nehmen. Von Stamford begab er sich nach Lincoln, wo er von dem Klerus in vollem Ornate, von den Magistratsbeamten in Scharlachmänteln und von einer Menge Baronets, Rittern und Esquires aus allen Theilen der ungeheuren Ebene, welche zwischen dem Trent und dem deutschen Ocean liegt, begrüßt wurde. Nachdem er in der prächtigen Kathedrale dem Gottesdienste beigewohnt, reiste er wieder ab und wendete sich östlich. An der Grenze von Nottinghamshire kam der Lordlieutenant der Grafschaft, John Holles, Herzog von Newcastle, mit einem zahlreichen [XXI.54] Gefolge den königlichen Equipagen entgegen und geleitete sie auf seinen Landsitz in Welbeck, einem von riesigen Eichen, welche jetzt kaum älter aussehen als an dem Tage, wo jener glänzende Zug sich unter ihren Schatten dahinbewegte, umgebenen Schlosse. Das Haus, in welchem Wilhelm damals einige Stunden als Gast verweilte, ging lange nach seinem Tode durch weibliche Erbfolge von den Holles auf die Harley und von den Harley auf die Bentinck über und enthält jetzt die Originale der höchst interessanten Briefe, die zwischen ihm und seinem treuen Freund und Diener Portland gewechselt wurden. In Welbeck waren die Großen des Nordens versammelt. Der Lordmayor von York kam dahin mit einem Gefolge von Magistraten, der Erzbischof von York mit einem Gefolge von Geistlichen. Wilhelm jagte mehrere Male in diesem Walde, dem schönsten des Königreichs, wo in alten Zeiten Robin Hood und Little John hausten und der jetzt in die fürstlichen Domänen Welbeck, Thoresby, Clumber und Worksop getheilt ist. Vierhundert berittene Gentlemen nahmen an seinen Jagden Theil. Die Squires von Nottinghamshire hörten ihn nach einer prächtigen Hirschjagd mit Entzücken bei Tafel äußern, er hoffe, daß dies nicht das letzte Rennen sei, das er in ihrer Gesellschaft abgehalten habe, und er müsse ein Jagdschloß in diesen herrlichen Forsten miethen. Hierauf wendete er sich südwärts. Er wurde einen Tag von dem Earl von Stamford in Bradgate bewirthet, dem Orte, wo Lady Jane Grey einsam die letzten Worte Sokrates’ las, während das vom Schwarme der Hunde und Jäger verfolgte Hochwild durch den Park flog. Am folgenden Tage empfing Lord Brook seinen Souverain auf Warwick Castle, der schönsten von den mittelalterlichen Burgen, welche in friedliche Wohnungen verwandelt worden sind. Guy’s Thurm war erleuchtet, hundertzwanzig Gallonen Punsch wurden auf das Wohl Sr. Majestät getrunken und ein mächtiges Feuer brannte im Mittelpunkte des geräumigen Hofes, der von mit jahrhundertealtem Epheu bekleideten Ruinen umgeben war. Am nächsten Morgen reiste der König, von einer Menge berittener Gentlemen aus Warwickshire begleitet, weiter nach den Grenzen von Gloucestershire. Er machte einen Abstecher, um bei Shrewsbury auf dessen einsamen Wohnsitze in den Wolds zu speisen, und ging am Abend nach Burford. Die ganze Bevölkerung von Burford kam ihm entgegen und bat ihn, ein kleines Zeichen ihrer Liebe anzunehmen. Burford war damals berühmt durch seine Sättel. Namentlich ein Bürger der Stadt galt bei den Engländern für den besten Sattler in Europa. Zwei seiner Meisterstücke wurden ehrerbietig Wilhelm angeboten, der sie sehr freundlich annahm und sie speciell für seinen persönlichen Gebrauch aufzubewahren befahl. [62]

In Oxford wurde er mit großem Gepränge empfangen, mit einer lateinischen Ansprache begrüßt, mit einigen der schönsten Erzeugnisse der akademischen Presse beschenkt, durch Musikaufführungen unterhalten und zu einem glänzenden Feste in dem Sheldon’schen Theater eingeladen. Er reiste nach wenigen Stunden wieder ab, indem er die Kürze seines Aufenthalts damit entschuldigte, daß er die Collegien schon früher gesehen [XXI.55] habe und daß sein gegenwärtiger Besuch nicht ein Besuch der Wißbegierde, sondern des Wohlwollens sei. Da man sehr wohl wußte, daß er die Oxforder nicht liebte und auch von ihnen nicht geliebt wurde, so gab seine Eile Anlaß zu einigen müßigen Gerüchten, die bei dem großen Haufen Glauben fanden. Man sagte, er sei deshalb hinweggeeilt, ohne von dem ihm zu Ehren veranstalteten glänzenden Mahle zu kosten, weil ein anonymer Brief ihm den warnenden Wink gegeben habe, daß, wenn er im Theater etwas äße oder tränke, es um ihn geschehen sei. Es ist jedoch schwer zu glauben, daß ein Fürst, der kaum durch die dringendsten Bitten seiner Freunde zu bewegen war, die einfachsten Vorsichtsmaßregeln gegen Meuchelmörder zu beobachten, von deren Anschlägen er notorische Beweise hatte, sich durch eine so alberne Erdichtung hätte schrecken lassen sollen, und es ist ganz gewiß, daß die Stationen seiner Reise festgesetzt waren und daß er so lange in Oxford blieb, als es mit den im vorhinein getroffenen Arrangements vereinbar war. [63]

Bei seiner Wiederankunft in der Hauptstadt wurde er durch ein prächtiges Schauspiel bewillkommnet, das während seiner Abwesenheit mit großem Kostenaufwande vorbereitet worden war. Sidney, jetzt Earl von Romney und Feldzeugmeister, hatte beschlossen, London durch ein Schauspiel, wie es England in so großartigem Maßstabe noch nie gesehen hatte, in Erstaunen zu setzen. Die ganze Geschicklichkeit der Pyrotechniker seines Departements wurde aufgeboten, um ein Feuerwerk herzustellen, das sich mit jedem messen konnte, welches man in den Gärten von Versailles oder auf dem großen Teiche im Haag gesehen hatte. Saint-Jamessquare wurde zum Schauplatze gewählt. Alle Fenster der prächtigen Paläste auf der nördlichen, westlichen und östlichen Seite waren mit vornehmen Leuten besetzt. Der König erschien am Fenster von Romney’s Empfangszimmer. Die Prinzessin von Dänemark mit ihrem Gemahl und ihrem Hofstaate befand sich in einem anstoßenden Hause. Das ganze diplomatische Corps war in der Wohnung des Gesandten der Vereinigten Provinzen versammelt. Eine mächtige Flammenpyramide warf leuchtende Cascaden aus, welche von den Hunderttausenden, die sich in den benachbarten Straßen und Parks drängten, gesehen wurden. Die Generalstaaten erfuhren durch ihren Correspondenten, daß trotz der ungeheuren Menschenmenge die Nacht ohne die geringste Störung vergangen sei. [64]

Die Wahlen.

Inzwischen waren die Wahlen ziemlich zu Ende. In allen Theilen des Landes zeigte es sich deutlich, daß die Wahlkörper im allgemeinen für den König und für den Krieg waren. Die City von London, welche im Jahre 1690 vier Tories gewählt hatte, wählte 1695 vier Whigs. Ueber die Vorgänge zu Westminster ist ein Bericht von mehr als gewöhnlicher Umständlichkeit auf uns gekommen. Im Jahre 1690 hatten die über die Sacheverell’sche Klausel entrüsteten Wähler zwei Tories gewählt. Im Jahr 1695 wurde, sobald man erfuhr, daß wahrscheinlich ein neues Parlament einberufen werden würde, ein Meeting gehalten, in welchem beschlossen wurde, eine Deputation mit einer Einladung an zwei Commissare des Schatzes, Karl Montague und Sir Ste [XXI.56] phan Fox, abzusenden. Sir Walter Clarges repräsentirte das toryistische Interesse. An dem Tage des Vorschlags der Candidaten zogen nahe an fünftausend Wähler zu Pferde durch die Straßen. Sie waren in drei Abtheilungen getheilt, und an der Spitze jeder Abtheilung ritt einer der Candidaten. Es war leicht, auf den ersten Blick die comparative Stärke der Parteien zu schätzen, denn die Cavalcade, welche Clarges folgte, war die mindest zahlreiche von den dreien, und man wußte sehr wohl, daß die Anhänger Montague’s für Fox und die Anhänger Fox’ für Montague stimmen würden. Die Geschäfte des Tages wurden durch lautes Geschrei gestört. Die Whigs schmähten den jakobitischen Candidaten, der es dahin bringen wolle, daß die Engländer in die Messe gingen, Frösche äßen und Holzschuhe trügen. Die Tories schimpften auf die beiden Staatsbeamten, welche mit der geraubten Habe der armen überlasteten Nation Schätze aufhäuften. Von Worten gingen die erbitterten Parteien zu Thätlichkeiten über und es entstand ein Tumult, der nicht ohne Mühe gedämpft werden konnte. Der Oberbailiff ging dann um die drei Reiterschaaren herum und erklärte nach flüchtiger Ueberzählung derselben, daß Montague und Fox ordnungsgemäß gewählt seien. Es wurde eine genaue Stimmenzählung verlangt. Die Tories boten alles Mögliche auf; weder Geld noch Tinte wurden gespart. Clarges gab in wenigen Stunden zweitausend Pfund aus, eine bedeutende Summe zu einer Zeit, wo das durchschnittliche Einkommen eines Parlamentsmitgliedes auf nicht mehr als achthundert Pfund jährlich geschätzt wurde. Im Laufe der auf die Proklamirung der Candidaten folgenden Nacht wurden Flugblätter voll Schmähungen gegen die beiden höfischen Emporkömmlinge, die sich durch Schurkerei aus Armuth und Dunkelheit zu Reichthum und Macht erhoben hätten, durch die ganze Hauptstadt verstreut. Der Bischof von London warb offen Stimmen gegen die Regierung, denn die Einmischung von Peers in die Wahlen war noch nicht von den Gemeinen für eine Privilegiumsverletzung erklärt worden. Doch es war Alles umsonst. Clarges stand am Ende der Stimmliste, ohne Aussicht sich zu erheben. Er zog sich zurück und Montague wurde auf den Schultern einer ungeheuren Menge von der Westminsterabtei nach seinem Amtsbureau in Whitehall getragen. [65]

Die nämliche Gesinnung trat an vielen anderen Orten zu Tage. Die Freisassen von Cumberland wiesen ihre Vertreter an, den König zu unterstützen und jede zur Fortsetzung des Kriegs für nöthig erachtete Summe zu bewilligen, und diesem Beispiele folgten noch mehrere andere Grafschaften und Städte. [66] Russell kam erst in England an, als die Ausschreiben erlassen waren. Aber er brauchte nur zu wählen, für welchen Ort er im Parlamente sitzen wollte. Seine Popularität war enorm, denn seine Schurkereien waren unbekannt, während seine dem Staate geleisteten Dienste allgemein bekannt waren. Er hatte die Schlacht von La Hogue gewonnen. Er hatte zwei Jahre im mittelländischen Meere commandirt. Er hatte daselbst die französischen Flotten in den Hafen von Toulon eingeschlossen und hatte die französischen Armeen in Catalonien aufgehalten und zurückgetrieben. Er hatte viele Schiffe, darunter zwei [XXI.57] Linienschiffe genommen und hatte während seines langen Aufenthalts in einem entfernten Meere weder durch Krieg noch durch Unwetter ein einziges Fahrzeug verloren. Er hatte das rothe St. Georgskreuz zu einem Gegenstande des Schreckens für alle Fürsten und Republiken Italien’s gemacht. Das Resultat seiner Erfolge war, daß Gesandtschaften aus Florenz, Genua und Venedig unterwegs waren, um Wilhelm nachträglich zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen. Russell’s Verdienste, von den Whigs geschickt vergrößert, machten einen solchen Eindruck, daß er nicht allein von Portsmouth, wo seine amtliche Stellung ihm einen großen Einfluß verlieh, und von Cambridgeshire, wo er bedeutende Privatbesitzungen hatte, sondern auch von Middlesex ins Parlament gewählt wurde. Diese letztere Auszeichnung verdankte er allerdings hauptsächlich seinem Namen. Vor seiner Ankunft in England hatte man allgemein geglaubt, daß für die hauptstädtische Grafschaft zwei Tories gewählt werden würden. Somers und Shrewsbury waren der Meinung, daß diesem Unglück auf keinem andren Wege vorzubeugen sei, als indem man den Namen des tugendhaftesten aller Märtyrer der englischen Freiheit heraufbeschwöre. Sie baten Lady Russell, es zu gestatten, daß ihr ältester Sohn, ein fünfzehnjähriger Knabe, der eben seine Studien in Cambridge beginnen sollte, auf die Candidatenliste gesetzt werde. Er müsse, sagten sie, seinen neuen Titel Marquis von Tavistock auf einen Tag ablegen und sich Lord Russell nennen. Es würden keine Kosten erwachsen und kein Kampf stattfinden. Tausende von berittenen Gentlemen würden ihn zu den Wahlbühnen geleiten, Niemand würde es wagen gegen ihn aufzutreten, und er würde nicht nur selbst gewählt werden, sondern auch noch einen andren Whig ins Parlament bringen. Die verwittwete Mutter weigerte sich in einem mit ihrer ganzen vortrefflichen Einsicht und Gesinnung geschriebenen Briefe, ihren Sohn ihrer Partei zu opfern. Seine Erziehung, sagte sie, würde dadurch unterbrochen werden, der Kopf würde ihm schwindeln, sein Sieg würde ihm zum Verderben gereichen. Gerade in diesem Augenblicke kam der Admiral an. Er erschien vor den auf der Höhe von Hampstead Hill versammelten Wählern von Middlesex und wurde ohne Opposition gewählt. [67]

Gleichzeitig erhielten mehrere angesehene Mißvergnügte Beweise des öffentlichen Mißfallens. Johann Knight, der factiöseste und übermüthigste von denjenigen Jakobiten, welche ehrloserweise dem Könige Wilhelm Treue geschworen hatten, um sich für den Sitz im Parlamente zu qualificiren, hörte auf, die große Stadt Bristol zu vertreten. Exeter, die Hauptstadt des Westens, war in heftiger Aufregung. Man hatte lange geglaubt, daß die Befähigung, die Beredtsamkeit, die Erfahrung, das große Vermögen und die vornehme Abkunft Seymour’s es unmöglich machen würden, ihn zu verdrängen. Aber sein moralischer Ruf, der nie weit her gewesen, war während der letzten drei oder vier Jahre immer tiefer und tiefer gesunken. Er war ein giftiges Mitglied der Opposition gewesen, Bis er eine Stelle erlangt hatte. So lange er diese bekleidete, hatte er auch die unpopulärsten Maßregeln der Regierung vertheidigt, und sobald er aus dem Amte getreten war, war er wieder ein giftiger Opponent [XXI.58] geworden. Sein Salpetercontract hatte einen tiefen Flecken auf seiner persönlichen Ehre zurückgelassen. Es wurden ihm daher zwei Candidaten gegenübergestellt und ein Wahlkampf, der längste und heftigste jener Zeit, fesselte die Aufmerksamkeit des ganzen Königreichs und wurde selbst von auswärtigen Regierungen mit Spannung beobachtet. Die Stimmenliste war fünf Wochen geöffnet. Die Geldausgaben waren auf beiden Seiten enorm. Die Wahlmänner von Exeter, welche, so lange die Wahl dauerte, herrlich und in Freuden lebten, sehnten sich durchaus nicht nach baldiger Beendigung ihres luxuriösen Carnevals. Sie aßen und tranken nach Herzenslust; sie zogen jeden Abend mit tüchtigen Knitteln aus, um für Mutter Kirche, oder für König Wilhelm zu streiten; aber die Stimmen fanden sich nur sehr langsam ein. Erst am Vorabend des Zusammentritts der Parlamentshäuser kam die Wahl zu Stande. Seymour war zu seinem großen Aerger geschlagen und mußte zu dem kleinen Wahlflecken Totneß seine Zuflucht nehmen. [68]

Es ist auffallend, daß Johann Hampden auch bei dieser Wahl, wie bei der vorhergehenden, keinen Sitz erlangte. Seitdem er nicht mehr Parlamentsmitglied war, hatte er über seinen Unstern und seine unauslöschliche Schande gebrütet und gelegentlich seinem Unmuth in bitteren Pamphlets gegen die Regierung Luft gemacht. Als die Whigs am Hofe und im Parlamente zur Herrschaft gelangt waren, als Nottingham zurückgetreten und Caermarthen in Anklagestand versetzt worden war, faßte Hampden, wie es scheint, wieder Hoffnung, noch eine große Rolle im öffentlichen Leben spielen zu können. Aber den Führern seiner Partei war offenbar an einem Bundesgenossen von so hämischem und unruhigem Geiste nichts gelegen. Daher sah er sich immer vom Hause der Gemeinen ausgeschlossen. Er führte seit einigen Monaten ein trauriges Leben, indem er seine Sorgen bald unter den eleganten Spielern und den zarten Schönheiten, welche die Gesellschaftszimmer der Herzogin von Mazarine füllten, zu vergessen suchte, bald in religiöse Schwermuth versank. Der Gedanke an einen Selbstmord stieg oft in ihm auf. Nicht lange, so kam die Vertretung von Buckinghamshire zur Erledigung, der Grafschaft, die ihn und seine Vorfahren zu wiederholten Malen ins Parlament geschickt hatte, und er hoffte, daß er mit Hülfe Wharton’s, der über die Whigs von Buckinghamshire eine unumschränkte Herrschaft ausübte, ohne Schwierigkeit gewählt werden würde. Aber Wharton verwendete seinen Einfluß zu Gunsten eines andren Candidaten. Dies war ein vernichtender Schlag. Die Stadt wurde durch die Nachricht in Aufregung versetzt, daß Johann Hampden sich die Kehle durchschnitten, daß er noch einige Stunden gelebt, daß er tiefe Reue über seine Sünden an den Tag gelegt, Burnet’s geistlichen Beistand erbeten und der Herzogin von Mazarine eine feierliche Warnung zugesandt habe. Eine Coronersjury erklärte ihn für wahnsinnig. Der Unglückliche war mit den schönsten Aussichten ins Leben getreten. Er trug einen Namen, der mehr als adelig war. Er war der Erbe eines großen Vermögens und eines noch weit kostbareren Gutes: des Vertrauens und der Zuneigung von Hunderttausenden seiner Landsleute. Seine natürlichen Anlagen waren bedeutend und sie waren [XXI.59] sorgfältig ausgebildet worden. Leider trieben Ehrgeiz und Parteigeist ihn an, sich in eine Lage voll Gefahren zu versetzen. Diesen Gefahren erwies seine Characterstärke sich nicht gewachsen. Er erniedrigte sich zu Bitten, die ihn zwar retteten, aber auch entehrten. Von diesem Augenblicke an kannte er keinen Seelenfrieden mehr. Seine Stimmung wurde verbittert und durch seine Stimmung wurde sein Verstand zerrüttet. Er suchte in Andachtsübungen und in Racheplänen, in fashionablen Vergnügungen und in politischen Bewegungen Erleichterung zu finden. Aber der schwarze Schatten wich nie wieder aus seinem Geiste, bis endlich im zwölften Jahre seiner Demüthigung ein trauriger Tod seinem traurigen Leben ein Ziel setzte. [69]

Das Ergebniß der allgemeinen Wahl bewies, daß Wilhelm einen günstigen Augenblick zur Auflösung gewählt hatte. Die Zahl der neuen Abgeordneten betrug ungefähr hundertsechzig und die meisten waren als der Regierung entschieden zugethan bekannt. [70]

Beunruhigender Zustand der Geldverhältnisse.

Es war von der höchsten Wichtigkeit, daß das Haus der Gemeinen in jenem Augenblicke geneigt war, in aufrichtigem Einklang mit dem Könige zu handeln. Denn es war durchaus nothwendig, ein Heilmittel gegen ein inneres Uebel anzuwenden, das allmälig eine furchtbare Ausdehnung erlangt hatte. Das Silbergeld, welches damals die feste Münzwährung des Landes bildete, befand sich in einem Zustande, der selbst die kühnsten und aufgeklärtesten Staatsmänner erschreckte. [71]

Bis zur Regierung Karl’s II. waren unsere Münzen vermittelst eines Verfahrens geschlagen worden, das noch aus dem 13. Jahrhunderte stammte. Eduard I. hatte geschickte Künstler aus Florenz kommen lassen, das zu seiner Zeit London gegenüber das war, was zur Zeit Wilhelm’s III. London Moskau gegenüber war. Die Instrumente, welche damals in unsrer Münze eingeführt worden waren, blieben, mit unbedeutenden Abänderungen, noch mehrere Generationen hindurch in Gebrauch. Das Metall wurde mit der Scheere zerschnitten und dann geformt und mit dem Hammer geprägt. Bei diesen Operationen war der Hand und dem Auge des Arbeiters viel überlassen. Es kam ganz natürlich vor, daß manche Stücke etwas mehr, andere etwas weniger als die gehörige Quantität Silber enthielten; nur selten waren sie vollkommen rund; und die Ränder waren nicht markirt. Man kam daher mit der Zeit dahinter, daß das Beschneiden des Geldes eine der leichtesten und einträglichsten Arten des Betrugs war. Unter der Regierung Elisabeth’s war es für nöthig erachtet worden zu verordnen, daß die Geldbeschneider, wie dies bei den Falschmünzern schon längst der Fall war, den auf den Hochverrath gesetzten Strafen [XXI.60] unterworfen sein sollten. [72] Doch das Geldbeschneiden war ein zu einträgliches Geschäft, als daß es durch solche Maßregeln hätte verhindert werden können, und um die Zeit der Restauration begannen die Leute gewahr zu werden, daß ein großer Theil der coursirenden Kronen, halben Kronen und Schillinge eine kleine Verstümmelung erfahren hatten.

Die damalige Zeit war fruchtbar an Versuchen und Erfindungen in allen Zweigen der Wissenschaft. Es wurde eine große Verbesserung im Formen und Prägen der Münzen vorgeschlagen und im Tower von London ein Prägewerk aufgestellt, das in großem Umfange die menschliche Hand ersetzte. Dieses Werk wurde durch Pferde getrieben und würde von den Mechanikern unsrer Zeit wahrscheinlich eine rohe und schwache Maschine genannt werden. Die Münzen, die es lieferte, gehörten jedoch zu den besten in Europa. Sie waren nicht leicht nachzumachen, und da sie vollkommen rund und auf dem Rande mit einer Umschrift versehen waren, so war auch kein Beschneiden zu fürchten. [73]

Die gehämmerten Münzen und die geprägten Münzen coursirten nun zusammen, und sie wurden bei öffentlichen und folglich auch bei Privatzahlungen, ohne Unterschied genommen. Die damaligen Finanzmänner scheinen erwartet zu haben, daß das neue Geld, welches vortrefflich war, das alte schlechte bald verdrängen werde. Jeder Mensch mit gesundem Verstande hätte jedoch einsehen müssen, daß, wenn der Staat vollwichtige Münzen und zu leichte Münzen als gleich im Werthe behandelt, nicht die vollwichtigen Münzen die zu leichten aus dem Verkehr verdrängen werden, sondern ihrerseits verdrängt werden müssen. Eine beschnittene Krone galt auf englischem Gebiet bei Bezahlung einer Steuer oder einer Schuld ebensoviel als eine geprägte Krone. Sobald aber die geprägte Krone in den Schmelztiegel geworfen oder über den Kanal gebracht war, wurde sie viel werthvoller als eine beschnittene Krone. Man hätte daher so zuversichtlich voraussagen können, wie nur irgend etwas sich voraussagen läßt, was von menschlichem Willen abhängt, daß die geringeren Geldstücke auf dem einzigen Markte bleiben würden, auf dem sie den nämlichen Preis erlangen konnten wie die besseren Stücke, und daß die besseren eine Form annehmen oder an einen Ort eilen würden, wo aus ihrem höheren Werthe ein Gewinn zu ziehen war. [74]

[XXI.61]

Die Staatsmänner der damaligen Zeit übersahen jedoch in der Regel diese sehr naheliegenden Betrachtungen. Sie waren höchst erstaunt darüber, daß Jedermann so verkehrt sein sollte, sich lieber leichten Geldes als guten Geldes zu bedienen. Mit anderen Worten, sie wunderten sich, daß Niemand Lust hatte, zwölf Unzen Silber zu bezahlen, wenn zehn es auch thaten. Das Pferd im Tower ging noch immer im Kreise herum. Frische Wagenladungen guten Geldes gingen noch immer aus dem Prägewerke hervor und verschwanden noch immer eben so schnell als sie zum Vorschein kamen. Große Massen wurden eingeschmolzen, große Massen ausgeführt, große Massen zurückgelegt; aber kaum ein einziges neues Geldstück war in der Kasse eines Kaufladens oder in dem ledernen Beutel zu finden, den der Landwirth vom Viehmarkte mit nach Hause nahm. Bei den Einnahmen und Ausgaben der Schatzkammer überstieg der Betrag des geprägten Geldes nicht zehn Schilling auf hundert Pfund. Ein damaliger Schriftsteller erzählt einen Fall, wo ein Kaufmann in einer Summe von fünfunddreißig Pfund nur eine einzige halbe Krone geprägten Silbers empfing. Mittlerweile waren die Scheeren der Kipper in fortwährender Thätigkeit. Auch die Falschmünzer vermehrten sich und machten gute Geschäfte, denn je schlechter das Courantgeld wurde, um so leichter war es nachzumachen. Seit mehr als dreißig Jahren war dieses Uebel in stetem Wachsen begriffen. Anfangs hatte man es nicht beachtet; aber es war nach und nach ein unerträglicher Fluch für das Land geworden. Umsonst wurden die strengen Gesetze gegen Falschmünzer und Kipper mit Strenge gehandhabt. Bei jeder Session der Old Bailey wurden furchtbare Exempel statuirt. Schleifen mit vier, fünf, sechs Elenden, welche überführt waren, die Reichsmünzen nachgemacht oder verstümmelt zu haben, wurden jeden Monat Holborn Hill hinaufgezogen. An einem einzigen Morgen wurden sieben Männer und eine Frau wegen Geldbeschneidens verbrannt. Aber Alles war vergebens. Der Gewinn war so bedeutend, daß er gesetzlosen Menschen die Gefahr mehr als aufzuwiegen schien. Einige Kipper sollten großes Vermögen erworben haben. Einer insbesondere bot sechstausend Pfund für seine Begnadigung. Die Bestechungssumme wurde zwar nicht angenommen; aber der Ruf von seinem Reichthume verminderte sehr stark den Eindruck, den man durch das Schauspiel seiner Hinrichtung hervorzubringen bezweckte. [75] Ja die Härte der Strafen ermuthigte sogar zu dem Verbrechen. Denn so schädlich das Beschneiden war, erweckte es doch bei dem großen Haufen nicht einen solchen Abscheu, wie Mord, Brandstiftung, Raub, und selbst Diebstahl. Der Nachtheil, [XXI.62] den die Gesammtheit der Kipper der ganzen Gesellschaft zufügte, war allerdings enorm; aber jeder einzelne Act des Beschneidens war eine Kleinigkeit. Eine halbe Krone auszugeben, nachdem man für einen Penny Silber davon abgeschnitten, erschien als ein geringfügiges, fast unmerkliches Vergehen. Selbst als die Nation am lautesten unter der Noth seufzte, welche der Zustand der Valuta erzeugte, hatte jeder Einzelne, der mit dem Tode bestraft wurde, weil er dazu beigetragen, die Valuta in diesen Zustand zu bringen, die allgemeine Theilnahme auf seiner Seite. Die Constabler wollten die Schuldigen nicht verhaften. Die Richter wollten sie nicht einsperren lassen. Die Zeugen wollten nicht die ganze Wahrheit sagen. Die Geschwornen wollten das Wort Schuldig nicht aussprechen. Umsonst sagte man dem Volke, daß die Verstümmler der Münzen weit mehr Unheil anrichteten als alle Straßenräuber und Diebe auf der ganzen Insel. Denn so groß auch die Gesammtmasse des Uebels war, auf den einzelnen Uebelthäter kam nur ein unendlich kleiner Theil dieses Uebels. Man hatte sich daher allgemein verschworen, den ordentlichen Gang des Gesetzes zu hemmen. So zahlreich auch die Verurtheilungen scheinen mochten, ihre Zahl war nur gering im Vergleich zu den Vergehen, und die verurtheilten Uebelthäter betrachteten sich als Gemordete und waren der festen Ueberzeugung, daß ihr Verbrechen, wenn es überhaupt ein Verbrechen war, eben so verzeihlich sei wie das eines Schulknaben, der sich im Garten des Nachbars einige Nüsse holt. Die ganze Beredtsamkeit des Gefängnißgeistlichen konnte sie nur selten dahin bringen, sich dem heilsamen Gebrauche anzubequemen, in ihren letzten Augenblicken die Größe ihrer Ruchlosigkeit anzuerkennen. [76]

Das Uebel verbreitete sich mit fortwährend zunehmender Schnelligkeit. Im Herbst des Jahres 1695 endlich konnte man kaum noch sagen, daß das Land zu praktischen Zwecken einen Maßstab für den Werth der Waaren besitze. Es ließ sich durchaus nicht mehr bestimmen, ob ein Geldstück, das ein Schilling genannt wurde, in Wirklichkeit ein Zehnpencestück oder ein Grot war. Das Resultat einiger Versuche, welche damals gemacht wurden, verdient erwähnt zu werden. Die Beamten der Schatzkammer wogen siebenundfunfzigtausendzweihundert Pfund geschlagenen Geldes, welche kürzlich eingegangen waren. Das Gewicht hätte eigentlich über zweihundertzwanzigtausend Unzen betragen sollen. Aber es betrug noch [XXI.63] nicht hundertvierzehntausend Unzen. [77] Drei angesehene Londoner Goldschmiede wurden aufgefordert, jeder hundert Pfund Silbergeld einzuliefern, um es zu wiegen. Diese dreihundert Pfund hätten ungefähr zwölfhundert Unzen wiegen sollen. Es ergab sich aber, daß ihr wirkliches Gewicht nur sechshundertvierundzwanzig Unzen betrug. Die nämliche Prüfung wurde in verschiedenen Gegenden des Landes vorgenommen. Man überzeugte sich dadurch, daß hundert Pfund, welche etwa vierhundert Unzen hätten wiegen sollen, thatsächlich in Bristol zweihundertvierzig Unzen, in Cambridge zweihundertdrei, in Exeter einhundertachtzig, und in Oxford nur hundertsechzehn Unzen wogen. [78] Im Norden gab es allerdings noch einige Districte, in welche das beschnittene Geld erst angefangen hatte, seinen Weg zu finden. Ein ehrlicher Quäker, der in einem dieser Districte wohnte, erwähnt in einigen noch vorhandenen Notizen das Erstaunen, mit welchem auf einer seiner Reisen nach dem Süden die Kaufleute und Gastwirthe die großen und schweren Halbkronen anstarrten, mit denen er seine Bedürfnisse bezahlte. Sie fragten ihn, woher er komme und wo es solches Geld gebe. Die Guinee, für die er in Lancaster zweiundzwanzig Schillinge bezahlte, hatte auf jeder Station seiner Reise einen andren Werth. Als er nach London kam, kostete sie dreißig Schillinge und sie würde noch mehr gegolten haben, hätte nicht die Regierung diesen Preis als den höchsten festgesetzt, zu welchem das Gold bei Steuereinzahlungen genommen werden sollte. [79]

Die durch diesen Zustand des Courantgeldes erzeugten Uebel waren nicht von der Art, daß man sie für werth gehalten hätte, eine wichtige Stelle in der Geschichte einzunehmen. Es dürfte jedoch wohl zu bezweifeln sein, ob all’ das Elend, das in einem Vierteljahrhundert durch schlechte Könige, schlechte Minister, schlechte Parlamente und schlechte Richter über England gebracht worden war, dem Elende gleichkam, welches die schlechten Kronen und schlechten Schillinge in einem einzigen Jahre verursachten. Die Ereignisse, welche einer ergreifenden oder zornigen Beredtsamkeit den besten Stoff liefern, sind nicht immer diejenigen, welche das Wohl der großen Masse des Volks am meisten beeinträchtigen. Die schlechte Verwaltung Karl’s und Jakob’s, so arg sie auch immer gewesen sein mochte, hatte den gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht verhindert, seinen stetigen und gedeihlichen Fortgang zu nehmen. Während die Ehre und Unabhängigkeit des Staats an eine fremde Macht verkauft, während in wohlverbriefte Rechte eingegriffen und Grundgesetze verletzt wurden, arbeiteten und handelten Hunderttausende von ehrbaren und betriebsamen Familien, aßen und tranken und legten sich in Behaglichkeit und Sicherheit zur Ruhe nieder. Mochten Whigs oder Tories, Protestanten oder Jesuiten die Oberhand haben, der Landwirth trieb sein Vieh zu Markte, der Krämer wog seine Rosinen ab, der Tuchhändler schnitt seine Tuche aus, das Gewühl der Käufer und Verkäufer war so lebhaft als je in den Städten, das Erntefest wurde so fröhlich als je auf dem Lande gefeiert, der Rahm füllte die Krüge von Cheshire, der Aepfelsaft schäumte in den Pressen von Here [XXI.64] fordshire, das Steingut glühte in den Oefen am Trent, und die Kohlenkarren rollten rasch über die hölzernen Schienenwege am Tyne. Als aber das große Tauschmittel in völlige Unordnung gerieth, war aller Handel und aller Gewerbfleiß wie gelähmt. Das Uebel wurde täglich und stündlich an fast jedem Orte und von fast jeder Klasse empfunden, in der Milchkammer und auf der Dreschtenne, am Amboß und am Webstuhl, auf den Wogen des Weltmeers und in den Tiefen der Bergwerke. Nichts konnte ohne Streit gekauft werden. An jedem Ladentisch gab es Zank und Hader vom Morgen bis zum Abend. Jeden Sonnabend stritt sich der Arbeiter regelmäßig mit dem Arbeitgeber. An einem Meß- oder Markttage hörten Geschrei, Vorwürfe, Schmähungen und Flüche nicht auf, und man konnte von Glück sagen, wenn es keine umgeworfenen Buden und keine blutigen Köpfe gab. [80] Kein Kaufmann wollte eine Waarenlieferung contrahiren, ohne wegen der Qualität der Münze, in der die Zahlung geleistet werden sollte, eine besondere Bestimmung zu treffen. Selbst Geschäftsmänner konnten sich aus der Verwirrung, die in allen Geldgeschäften herrschte, oft nicht herausfinden. Die Einfältigen und Sorglosen wurden von Wucherern, deren Anforderungen noch rascher wuchsen als das Geld zusammenschrumpfte, unbarmherzig geplündert. Der Preis der nothwendigsten Lebensbedürfnisse, der Fußbekleidung, des Biers, des Hafermehls, stieg in rascher Progression. Der Arbeiter fand, daß das Geldstück, das, wenn er es empfing, ein Schilling hieß, kaum noch einen Sixpence werth war, wenn er einen Krug Bier oder ein Laib Roggenbrot kaufen wollte. Wo Arbeiter von mehr als gewöhnlicher Intelligenz in großer Anzahl beisammen waren, da konnten sie ihren Beschwerden Gehör verschaffen und einige Abhülfe erlangen. [81] Der unwissende und hülflose Landmann aber wurde zwischen einer Klasse, die das Geld nur nach der Stückzahl ausgeben, und einer andren, die es nur nach dem Gewicht nehmen wollte, herzlos gedrückt. Doch seine Leiden waren schwerlich größer als die des unglücklichen Geschlechts der Autoren. Ueber die Art und Weise, wie unbekannte Schriftsteller behandelt wurden, können wir uns aus den noch vorhandenen Briefen von Dryden an seinen Buchhändler Tonson leicht eine Vorstellung bilden. Einmal schickt ihm Tonson vierzig Kupferschillinge, ungerechnet das beschnittene Geld. Ein andermal bezahlt er eine Schuld mit so schlechten Stücken, daß Niemand sie wiedernehmen will. Der große Dichter schickt sie alle zurück und verlangt anstatt ihrer Guineen zu neunundzwanzig Schilling das Stück: „Ich erwarte,” sagt er in einem Briefe, „gutes Silber, nicht solches, wie ich früher bekommen habe.” — „Wenn Sie etwas leidliches Silbergeld haben,” schreibt er in einem andren Briefe, „so wird meine Frau sich sehr freuen. An der letzten Zahlung von fünfzig Pfund habe ich dreißig Schilling oder noch mehr verloren.” Diese Klagen und Bitten, deren Erhaltung wir nur der hervorragenden Stellung des Schreibers derselben verdanken, sind wahrscheinlich nur eine kleine Probe von der Correspondenz, welche mehrere Monate lang alle Briefbeutel England’s füllte.

Eine Klasse befand sich inmitten der allgemeinen Noth außerordentlich wohl: die Bankiers, und unter ihnen konnte sich keiner in Bezug auf [XXI.65] Geschicklichkeit oder Glück mit Karl Duncombe messen. Er war noch nicht viele Jahre früher ein Goldschmied von sehr mäßigem Vermögen gewesen. Auch er hatte wahrscheinlich, nach der Sitte seiner Berufsklasse, unter den Arkaden der Börse Kunden zu gewinnen gesucht, hatte die Kaufleute mit tiefen Verbeugungen begrüßt und um die Ehre gebeten, ihr baares Geld zu verwahren. Gegenwärtig aber benutzte er so geschickt jede Gelegenheit zu Gewinn, welche die allgemeine Verwirrung in den Preisen einem Geldwechsler darbot, daß er in dem Augenblicke, wo der Handel des Königreichs auf die niedrigste Stufe herabgedrückt war, gegen neunzigtausend Pfund für die Herrschaft Helmsley im Nordbezirk von Yorkshire bezahlte. Diese große Besitzung hatten die Gemeinen England’s in einer unruhigen Zeit ihrem siegreichen General Fairfax verliehen und sie hatte einen Theil des Heirathsgutes gebildet, das Fairfax’ Tochter dem glänzenden und verschwenderischen Buckingham zubrachte. Dorthin hatte sich Buckingham, nachdem er in toller sinnlicher wie geistiger Unmäßigkeit die herrlichsten Gaben der Natur und des Glückes vergeudet, mit den schwachen Ueberresten seines schönen Aeußern und seines glänzenden Geistes zurückgezogen, und dort hatte er sein buntbewegtes Leben unter dem bescheidenen Dache und auf dem einfachen Krankenlager beschlossen, welche der große Satyriker der folgenden Generation in unsterblichen Versen geschildert hat. Die große Herrschaft ging auf ein neues Geschlecht über, und binnen wenigen Jahren erhob sich ein glänzenderer und kostspieligerer Palast, als der prachtliebende Villiers ihn je bewohnt hatte, inmitten der schönen Wälder und Teiche, die er sein genannt hatte, und nahm den einst geringen Namen Duncombe an.

Seit der Revolution war der Zustand des Courantgeldes zu wiederholten Malen im Parlamente discutirt worden. Im Jahre 1689 war ein Ausschuß der Gemeinen ernannt worden, um den Gegenstand zu prüfen, hatte aber keinen Bericht erstattet. Im Jahre 1690 hatte ein neuer Ausschuß berichtet, daß ungeheure Quantitäten Silber von Juden, die für Geldgewinn Alles thäten, außer Landes geschafft würden. Es wurden Pläne entworfen, um die Einfuhr der edlen Metalle zu befördern und die Ausfuhr zu verhindern. Eine thörichte Bill nach der andren wurde eingebracht und fallen gelassen. Zu Anfang des Jahres 1695 endlich nahm die Sache ein so bedenkliches Aussehen an, daß die Häuser sie in ernste Erwägung zogen. Doch das einzige praktische Resultat ihrer Berathungen war ein neues Strafgesetz, von dem man hoffte, daß es dem Beschneiden des geschlagenen Geldes und dem Einschmelzen und Ausführen des geprägten Geldes Einhalt thun werde. Es wurde verordnet, daß Jeder, der einen Kipper denuncirte, Anspruch auf eine Belohnung von vierzig Pfund, und jeder Kipper, der zwei andere Kipper denuncirte, Anspruch auf Begnadigung haben, und daß Jeder, in dessen Besitz Silber-Feilspäne oder Abfälle gefunden würden, mit einem glühenden Eisen auf der Wange gebrandmarkt werden solle. Bestimmte Beamte wurden ermächtigt, nach ungemünztem Silber zu suchen. Wurde in einem Hause oder an Bord eines Schiffes ungemünztes Silber gefunden, so mußte der Eigenthümer den Beweis führen, daß es nicht von Reichsmünzen herrührte. Gelang es ihm nicht, den Ursprung jedes solchen Metallstücks in befriedigender Weise darzuthun, so verfiel er harten Strafen. Dieses Gesetz war, wie sich erwarten ließ, völlig wirkungslos. Während des nächstfolgenden Sommers und Herbstes verschwand das gute Geld immer [XXI.66] mehr und mehr und der Nothschrei aus allen Grafschaften des Landes wurde lauter und dringender.

Zum Glück für England befanden sich unter seinen Staatsmännern einige, welche klar erkannten, daß der sinkende Gewerbfleiß und Handel nicht durch Strang und Brenneisen wieder gehoben werden könnten. Der Zustand des Metallgeldes beschäftigte seit einiger Zeit die ernste Aufmerksamkeit von vier durch öffentliche und private Bande eng mit einander verbundenen ausgezeichneten Männern. Zwei davon waren Staatsmänner, welche inmitten ihrer amtlichen und parlamentarischen Geschäfte niemals aufgehört hatten, die Wissenschaft zu lieben und zu verehren; die beiden anderen waren Philosophen, in denen die Gewohnheit des abstrakten Denkens den gesunden praktischen Verstand, ohne den in der Politik selbst das Genie Unheil anrichtet, nicht geschmälert hatte. Nie hatte es eine Gelegenheit gegeben, welche zugleich praktische und theoretische Befähigung dringender erfordert hätte, und nie hatte die Welt die glänzendsten praktischen und theoretischen Talente in einem so engen, so harmonischen und so ehrenwerthen Bunde vereinigt gesehen, wie er Somers und Montague mit Locke und Newton verknüpfte.

Es ist sehr zu bedauern, daß wir nicht eine ausführliche Geschichte der Conferenzen dieser Männer besitzen, denen England die Herstellung seiner Valuta und die lange Reihe glücklicher Jahre verdankt, welche mit dieser Herstellung beginnt. Es müßte interessant sein zu sehen, wie das von den beiden Philosophen gefundene reine Gold der wissenschaftlichen Wahrheit von den beiden Staatsmännern gerade mit derjenigen Quantität Zusatz vermischt wurde, die zur praktischen Ausführung nöthig war. Es würde interessant sein, die mannichfachen Pläne zu studiren, welche vorgeschlagen, erörtert und, einige als unpraktisch, andere als ungerecht, noch andere als zu kostspielig, wieder andere als zu gewagt verworfen wurden, bis endlich ein Plan ausgesonnen wurde, dessen Weisheit sich durch den besten Beweis, durch vollständigen Erfolg, bewährte.

Newton hat der Nachwelt keine Darlegung seiner Ansichten in Bezug auf die Valuta hinterlassen. Aber Locke’s Abhandlungen über diesen Gegenstand sind glücklicherweise noch vorhanden, und es ist die Frage, ob in irgend einer seiner Schriften, selbst in den genialen und tiefdurchdachten Kapiteln über die Sprache, welche vielleicht den werthvollsten Theil seiner Essays über den menschlichen Verstand bilden, die Kraft seines Geistes sichtbarer zu Tage tritt. Ob er je mit Dudley North bekannt gewesen ist, wissen wir nicht. Hinsichtlich des moralischen Characters hatten die beiden Männer wenig mit einander gemein. Sie gehörten verschiedenen Parteien an. In der That, hätte Locke nicht in Holland Schutz vor der Tyrannei gesucht, so ist es durchaus nicht unmöglich, daß er durch eine von Dudley North zusammengestellte Jury nach Tyburn geschickt worden wäre. In geistiger Beziehung dagegen hatten der Whig und der Tory Vieles mit einander gemein. Jeder von ihnen hatte sich seine eigne Theorie der Nationalökonomie ausgedacht, die im Wesentlichen mit der übereinstimmt, welche späterhin Adam Smith aufstellte. In manchen Beziehungen war sogar die Theorie Locke’s und North’s vollkommener und symmetrischer als die ihres berühmten Nachfolgers. Adam Smith ist oft mit Recht getadelt worden, daß er in directem Widerspruche mit allen seinen Grundsätzen behauptete, der Zinsfuß müsse vom Staate regulirt werden, und er ist um so mehr zu tadeln, als lange bevor er geboren ward Locke, und [XXI.67] North gelehrt hatten, daß es ebenso absurd sei, Gesetze zu machen, die den Preis des Geldes feststellten, als Gesetze, die den Preis der Eisenwaaren oder des Tuches bestimmten. [82]

Dudley North starb 1693. Noch kurz vor seinem Tode veröffentlichte er anonym eine kleine Schrift, die einen kurzen Umriß eines Planes zur Herstellung der Valuta enthält. Dieser Plan war in der Hauptsache der nämliche wie der, welchen Locke später ausführlich entwickelte und geschickt vertheidigte.

Eine Frage, die ohne Zweifel vielfach eifrig discutirt wurde, war die, ob etwas geschehen sollte, so lange der Krieg noch fortdauerte. Auf welchem Wege man auch immer die Besserung der Münzen bewerkstelligen mochte, es mußten große Opfer entweder von der ganzen Gesellschaft, oder doch von einem Theile der Gesellschaft gebracht werden. Und solche Opfer zu einer Zeit zu verlangen, wo die Nation bereits Steuern bezahlte, deren Erhebung zehn Jahre früher kein Finanzmann für möglich gehalten hätte, war allerdings ein sehr gefährlicher Schritt. Aengstliche Politiker waren für Aufschub, aber die reiflich erwogene Ueberzeugung der großen Whigführer war, daß etwas gewagt werden müsse, oder daß Alles verloren sei. Montague insbesondere soll sich nachdrücklich dahin ausgesprochen haben, daß er entschlossen sei, zu tödten oder zu heilen. Wenn man hatte hoffen können, daß das Uebel nicht schlimmer werden würde als es war, so wäre es allerdings vielleicht weise gewesen, ein Experiment, das die Kraft des Staatskörpers auf eine harte Probe stellen mußte, bis zur Rückkehr des Friedens zu verschieben. Aber das Uebel machte mit jedem Tage Fortschritte, die fast mit Händen zu greifen waren. Im Jahre 1694 hätte man eine Umprägung mit der Hälfte der Gefahr vornehmen können, der man sich im Jahre 1696 aussetzen mußte, und wie groß auch die Gefahr im Jahre 1696 sein mochte, sie mußte noch viel größer werden, wenn man die Umprägung bis zum Jahre 1698 verschob.

Die Politiker, welche für den Aufschub waren, erweckten indeß noch nicht soviel Besorgniß als eine andre Klasse von Politikern, welche für allgemeine und sofortige Umprägung waren, aber darauf drangen, daß der neue Schilling nur neun oder zehnthalb Pence werth sein sollte. An der Spitze dieser Partei stand Wilhelm Lowndes, Sekretär des Schatzamts und Parlamentsmitglied für den Burgflecken Seaford, ein höchst achtbarer und fleißiger Staatsdiener, aber in den Details seines Amtes viel bewanderter als in den höheren Zweigen der Staatswissenschaft. Er hatte nicht die entfernteste Ahnung davon, daß ein Stück Metall mit dem Bildnisse des Königs eine Waare war, deren Preis durch die nämlichen Gesetze geregelt wurde, welche den Preis eines in einen Löffel oder in eine Schnalle geformten Stückes Metall regeln, und daß es eben so wenig in der Macht des Parlaments stand, das Land reicher zu machen, indem man eine Krone ein Pfund nannte, als das Land größer zu machen, indem man einen [XXI.68] Furlong [83] eine Meile nannte. Er war, so unglaublich es scheinen mag, allen Ernstes überzeugt, daß, wenn man die Unze Silber in sieben, statt in fünf Schillinge theilte, das Ausland uns seine Weine und seine Seidenstoffe für eine geringere Anzahl Unzen verkaufen würde. Er hatte einen bedeutenden Anhang, der zum Theil aus beschränkten Menschen, die wirklich glaubten was er ihnen sagte, zum Theil aus verschmitzten Köpfen bestand, die gar zu gern wollten, daß das Gesetz sie ermächtigte, hundert Pfund mit achtzig zu bezahlen. Wären seine Argumente durchgedrungen, so würden zu den vielen anderen Uebeln, unter denen die Nation bereits seufzte, noch die Uebel einer großartigen Confiscation gekommen sein; der öffentliche Credit, noch in seiner zarten und schwächlichen Kindheit, wäre vernichtet worden und es würde sehr wahrscheinlich eine allgemeine Meuterei in der Flotte und im Heere ausgebrochen sein. Zum Glück wurde Lowndes durch Locke in einer zu Somers’ Gebrauch geschriebenen Abhandlung gründlich widerlegt. Somers war entzückt über diese kleine Schrift und wünschte, daß sie gedruckt werden möchte. Sie wurde bald das Textbuch aller aufgeklärten Politiker des Reichs und man kann sie noch jetzt mit Vergnügen und Nutzen lesen. Die Wirkung von Locke’s kräftiger und klarer Logik wird nicht wenig erhöht durch seinen unverkennbaren ernsten Willen, die Wahrheit zu ergründen, und durch die seltene Generosität und liebenswürdige Artigkeit, womit er einen an geistiger Befähigung tief unter ihm stehenden Gegner behandelt. Flamsteed, der königliche Astronom, bezeichnete die Polemik sehr treffend, indem er sagte, es handle sich darum, ob fünf sechs oder nur fünf sei. [84]

Soweit stimmten Somers und Montague mit Locke vollkommen überein; über die Art und Weise aber, wie die Herstellung der Valuta zu bewerkstelligen sei, herrschte einige Meinungsverschiedenheit. Locke empfahl, was schon Dudley North empfohlen hatte, der König solle durch öffentliche Bekanntmachung einen nicht fernen Tag bestimmen, nach welchem das geschlagene Geld bei allen Zahlungen nur nach dem Gewicht angenommen werden sollte. Die Vortheile dieses Planes waren unzweifelhaft groß und in die Augen springend. Es war der einfachste und zugleich der praktischste. Was durch Haussuchungen, Geldstrafen, Brandmarkungen, Hinrichtungen und Verbrennungen nicht zu erreichen gewesen war, mußte in einem Augenblicke geschehen sein. Das Beschneiden der geschlagenen Münzen und das Einschmelzen der geprägten Münzen mußte sogleich aufhören. Große Massen guten Geldes mußten aus geheimen Kästen und Schränken zum Vorschein kommen. Das verstümmelte Silber mußte nach und nach in die Münze fließen und in einer Gestalt wieder daraus hervorgehen, die jede Verstümmelung unmöglich machte. In kurzer Zeit mußte das ganze Courantgeld des Landes in einem gesunden Zustande sein und während diese große Umwandlung vor sich ging, konnte nicht ein Augenblick Mangel an baarem Gelde eintreten.

Dies waren gewichtige Betrachtungen und die vereinigte Autorität North’s und Locke’s verdient in einer solchen Angelegenheit große Achtung. [XXI.69] Doch kann man nicht leugnen, daß ihr Plan einen ernsten Einwand zuließ, der ihnen zwar nicht ganz entging, den sie aber doch zu leicht genommen zu haben scheinen. Die Herstellung der Valuta war eine Wohlthat für die ganze Gesellschaft. Nach welchem Prinzip konnte man unter diesen Umständen die Kosten dieser Herstellung nur einem Theile der Gesellschaft aufbürden? Es war allerdings höchst wünschenswerth, daß die Worte Pfund und Schilling wieder eine feststehende Bedeutung erhielten und daß Jedermann wußte, wie er seine Contracte zu verstehen hatte und was sein Eigenthum werth war. Aber war es gerecht, diesen vortrefflichen Zweck durch Mittel zu erreichen, welche nothwendig zur Folge haben mußten, daß jeder Pächter, der hundert Pfund zur Bezahlung seines Pachtes, und jeder Gewerbtreibende, der hundert Pfund zur Deckung seiner laufenden Wechsel zurückgelegt hatte, diese hundert Pfund in einem Augenblicke auf fünfzig oder sechzig Pfund reducirt sah? Daß die Kronen und halben Kronen eines solchen Pächters oder Gewerbtreibenden nicht vollwichtig waren, dafür konnte er nicht. Der Staat selbst war daran Schuld. Das Uebel, das der Staat veranlaßt hatte, war der Staat verbunden wieder gut zu machen, und es wäre offenbar unrecht gewesen, die Kosten der Reparation einer einzelnen Klasse aufzubürden, lediglich deshalb, weil diese Klasse sich in einer Lage befand, in der sie mit Bequemlichkeit geplündert werden konnte. Es würde eben so vernünftig gewesen sein, von den Holzhändlern zu verlangen, daß sie die sämmtlichen Kosten der Ausrüstung der Kanalflotte, oder von den Büchsenmachern, daß sie die sämmtlichen Kosten der Versorgung der flandrischen Regimenter mit Waffen trügen, als die Landeswährung auf Kosten derjenigen Personen herstellen zu wollen, in deren Händen sich das beschnittene Silber in einem gegebenen Augenblicke zufällig befand.

Locke erklärte, daß er die Verluste bedaure, die, wenn sein Rath angenommen würde, die Besitzer von beschnittenem Gelde treffen mußten. Es schiene ihm aber, daß die Nation zwischen verschiedenen Uebeln eines wählen müsse. Es war auch allerdings viel leichter, den allgemeinen Satz aufzustellen, daß die Kosten der Wiederherstellung der Valuta von der Nation getragen werden müßten, als auf ein Mittel zu sinnen, wie diese Kosten ohne große Nachtheile und Gefahren von derselben getragen werden könnten. Sollte man bekanntmachen, daß Jeder, der innerhalb eines Jahres oder eines halben Jahres eine beschnittene Krone in die Münze ablieferte, dafür eine geprägte Krone erhalten würde und daß der Werthunterschied zwischen den beiden Stücken aus der Staatskasse gedeckt werden solle? Dies wäre eben so gut gewesen, als hätte man eine Prämie auf das Beschneiden gesetzt. Die Scheeren würden thätiger gewesen sein als je. Das zu leichte Geld würde mit jedem Tage noch leichter geworden sein. Die Differenz, welche die Steuerzahlenden zu decken gehabt hätten, würde nach Ablauf der Frist wahrscheinlich um eine Million größer gewesen sein als am Anfang, und diese ganze Million wäre Uebelthätern zu Gute gekommen. Durch bedeutende Verkürzung der Frist zum Einliefern der geschlagenen Münzen würde man die Gefahr des ferneren Beschneidens verhältnißmäßig vermindert haben, aber es würde dann wieder eine andre Gefahr eingetreten sein. Das Silber wäre in diesem Falle so bedeutend schneller in die Münze geströmt, als es wieder aus derselben hervorströmen konnte, daß auf einige Monate ein drückender Geldmangel entstehen mußte.

[XXI.70]

Somers verfiel auf ein außerordentlich kühnes und sinnreiches Auskunftsmittel, das von Wilhelm gebilligt wurde. Es bestand darin, daß ganz im Geheimen eine Proklamation vorbereitet und gleichzeitig in allen Theilen des Königreichs veröffentlicht werden sollte. Diese Proklamation sollte ankündigen, daß geschlagene Münzen fortan nur nach dem Gewicht genommen werden sollten. Aber jeder Besitzer derartiger Münzen sollte aufgefordert werden, sie binnen drei Tagen in einem versiegelten Packete der nächsten Behörde einzuliefern. Die Münzen sollten dann untersucht, gezählt, gewogen und dem Eigenthümer mit einer an seine Ordre gestellten Anweisung zurückgegeben werden, gegen welche er späterhin die Differenz zwischen dem wirklichen Silbergehalt seiner Münzen und dem Gehalt, den sie nach dem gesetzlichen Münzfuße hätten haben sollen, bei der Staatskasse erheben konnte. [85] Wäre dieser Plan adoptirt worden, so würde dem Beschneiden, dem Einschmelzen und dem Exportiren sofort Einhalt gethan und die Kosten der Herstellung der Valuta, wie es recht und billig war, von der Nation getragen worden sein. Die aus einem Mangel an baarem Gelde erwachsende Unzuträglichkeit wäre nur von sehr kurzer Dauer gewesen, denn die beschnittenen Stücke würden dem Verkehr nur so lange entzogen worden sein, bis sie gezählt und gewogen werden konnten; dann würden sie der Circulation zurückgegeben worden sein und die Umprägung würde allmälig und ohne bemerkbare Unterbrechung und Störung des Geschäftsverkehrs vor sich gegangen sein. Diesen großen Vortheilen aber ließen sich Bedenken entgegenstellen, denen Somers wohl zu trotzen bereit war, vor denen aber, und dies war nicht zu verwundern, Politiker von minder erhabenem Character zurückschreckten. Der Weg, den er seinen Collegen anempfahl, war zwar für das Land der beste, keineswegs aber für sie. Sein Plan konnte nur dann gelingen, wenn er plötzlich ins Werk gesetzt wurde, und er konnte nicht plötzlich ins Werk gesetzt werden, wenn zuvor die Genehmigung des Parlaments erbeten und erlangt werden mußte; einen Schritt von so folgenschwerer Bedeutung aber ohne die vorgängige Genehmigung des Parlaments zu thun, hieß, sich Tadel, Anklagen, Gefängnißstrafe und Verderben aussetzen. Der König und der Lordsiegelbewahrer standen allein im Geheimen Rathe. Selbst Montague war unschlüssig, und es wurde beschlossen, nichts ohne die Ermächtigung der Legislatur zu thun. Montague nahm es auf sich, den Gemeinen einen Plan vorzulegen, der zwar nicht ohne Gefahren und Nachtheile, aber wahrscheinlich der beste war, den er durchzubringen hoffen durfte.

Zusammentritt des Parlaments; Loyalität des Hauses der Gemeinen.

Am 22. November traten die Häuser zusammen. Foley wurde an diesem Tage wieder zum Sprecher erwählt. Am darauffolgenden Tage wurde er vorgestellt und genehmigt. Der König eröffnete die Session mit einer sehr geschickt abgefaßten Rede. Er beglückwünschte seine Zuhörer wegen des günstigen Verlaufs des Feldzugs auf dem Continent. Diesen günstigen Verlauf schrieb er in Worten, welche ihren Gefühlen geschmeichelt haben müssen, der Tapferkeit der englischen Armee zu. Er sprach von den Uebeln, welche aus dem beklagenswerthen Zustande der Münzen entsprungen seien und von der Nothwendigkeit, ein schleuniges [XXI.71] Heilmittel dagegen anzuwenden. Er gab sehr deutlich zu verstehen, daß seiner Meinung nach die Kosten der Herstellung der Valuta vom Staate getragen werden müßten; aber er erklärte zugleich, daß er die ganze Angelegenheit der Weisheit des Großen Rathes anheimgebe. Ehe er seine Rede schloß, wendete er sich noch speciell an das neugewählte Haus der Gemeinen und drückte mit Wärme seinen Beifall über die vortreffliche Wahl aus, die sein Volk getroffen habe. Die Rede wurde mit einem leisen aber sehr bezeichnenden Beifallsgemurmel sowohl diesseits als jenseits der Schranke begrüßt, und wurde vom Publikum eben so günstig aufgenommen als vom Parlamente. [86] Bei den Gemeinen wurde eine Dankadresse beantragt, von Musgrave schwach bekämpft, ohne Abstimmung angenommen und vom ganzen Hause nach Kensington überbracht. Im Palaste äußerte sich die Loyalität des Hauses in einer Weise, die man jetzt schwerlich mit der senatorischen Würde vereinbar halten dürfte. Als im Vorzimmer Erfrischungen gereicht wurden, füllte der Sprecher sein Glas und schlug zwei Toaste vor: einen auf das Wohl König Wilhelm’s, und einen andren auf den Untergang König Ludwig’s, und beide wurden unter lauten Acclamationen ausgebracht. Ein aufmerksamer Beobachter konnte jedoch erkennen, daß die Vertreter der Nation, obgleich in ihrer Gesammtheit von Eifer für die bürgerliche Freiheit und für die protestantische Religion beseelt, und bereit, lieber Alles zu ertragen, als das Land wieder in Abhängigkeit zurückgeworfen zu sehen, besorgt und muthlos waren. Alle dachten an den Zustand der Münzen, Alle sagten, daß etwas geschehen müsse, und Alle gestanden, daß sie nicht wüßten, was geschehen sollte. „Ich fürchte,” sagte ein Mitglied, das die Gesinnungen Vieler aussprach, „die Nation wird weder die Krankheit noch die Heilung ertragen.” [87]

Es gab allerdings eine Minorität, welche die Schwierigkeiten und Gefahren jener Krisis mit boshafter Schadenfreude betrachtete, und der heftigste, kühnste und factiöseste Führer dieser Minorität war Howe, den die Armuth hämischer gemacht hatte als je. Er trug darauf an, daß das Haus sich zu einem Comité über die Lage der Nation erklären solle, und das Ministerium — denn dieses Wort kann jetzt ganz passend angewendet werden — stimmte bereitwillig bei. Die wichtige Valutafrage konnte auch in der That nicht zweckmäßiger erörtert werden als in einem solchen Ausschusse. Als der Sprecher den Stuhl verlassen hatte, haranguirte Howe eben so heftig gegen den Krieg, als er in früheren Jahren für denselben haranguirt hatte. Er wollte Frieden, Frieden unter jeder Bedingung. Die Nation, sagte er, gleiche einem Verwundeten, der mit Verzweiflung fortkämpfe, während er Ströme von Blut verlöre. Eine kurze Zeit könne der Geist den Körper noch aufrecht erhalten, aber bald müsse Entkräftung eintreten. Keine moralische Energie könne lange gegen physische Erschöpfung ankämpfen. Er fand jedoch sehr geringe Unterstützung. Die große Mehrzahl seiner Zuhörer war fest entschlossen, eher Alles aufs Spiel zu setzen, als sich Frankreich zu unterwerfen. Es wurde spöttelnd bemerkt, daß der Zustand seiner eignen Finanzen ihm das Gleichniß von [XXI.72] einem sich Verblutenden eingegeben habe und daß, wenn man ihm eine Herzstärkung in der Form eines Gehalts reichte, er sich wenig um die ausgetrockneten Adern der Nation kümmern würde. „Wir erniedrigten uns nicht,” sagten die Whigredner, „durch Geschrei nach Frieden, als unsre Flagge aus unsrem eignen Kanal verdrängt war, als Tourville’s Flotte vor Torbay ankerte, als die irische Nation gegen uns unter den Waffen stand, als jede Post aus den Niederlanden die Nachricht von einer Niederlage brachte, als wir gegen das Genie Louvois’ im Cabinet und gegen das Genie Luxemburg’s im Felde zu kämpfen hatten. Und jetzt sollten wir zu Bittenden werden, wo sich nicht einmal im Mittelländischen Meere ein feindliches Geschwader zu zeigen wagt, wo unsere Waffen auf dem Continent siegreich sind, wo Gott den großen Staatsmann und den großen Krieger zu sich genommen hat, deren Talente so lange unsere Anstrengungen vereitelten, und wo die Schwäche der französischen Regierung unverkennbar den Einfluß eines weiblichen Günstlings verräth?” Howe’s Antrag wurde mit Verachtung verworfen, und der Ausschuß ging zur Erwägung des Zustandes der Valuta über. [88]

Polemik über die Valuta.

Inzwischen ruhten die kürzlich befreiten Pressen der Hauptstadt keinen Augenblick. Unzählige Broschüren und Flugblätter über die Münzverhältnisse lagen auf den Ladentischen der Buchhändler und wurden unter die Mitglieder des Parlaments in der Vorhalle vertheilt. In einer der interessantesten und ergötzlichsten von diesen Schriften waren Ludwig und seine Minister als in der größten Besorgniß dargestellt, daß England sich durch das einfache Mittel, neun Pence einen Schilling zu nennen, zum reichsten Lande der Welt machen möchte, und es wurde zuversichtlich darin prophezeit, daß eine neue Revolution ausbrechen würde, wenn man den alten Münzfuß beibehielte. Einige Schriftsteller opponirten heftig gegen die Behauptung, daß die Nation die Kosten der Herstellung der Valuta tragen müsse; andere forderten die Regierung dringend auf, diese Gelegenheit zu benutzen und das englische Geld dem Gelde der Nachbarstaaten zu assimiliren; ein Projectenmacher war dafür, Gulden zu prägen, ein andrer dafür, Thaler zu prägen. [89]

Maßregeln des Parlaments in Bezug auf die Valuta.

Innerhalb der Mauern des Parlaments dauerten die Debatten mehrere bange Tage hindurch. Endlich brachte Montague, nachdem er zuerst Diejenigen, welche die Dinge bis zum Frieden unverändert lassen wollten, und dann auch Diejenigen geschlagen hatte, welche für den kleinen Schilling [XXI.73] waren, elf Resolutionen durch, in denen die Umrisse seines Planes dargelegt waren. Es wurde beschlossen, daß die Landesmünzen sowohl in Gewicht als in Feingehalt nach dem alten Fuße umgeprägt, daß alle neuen Stücken geprägt, nicht geschlagen werden, daß der Staat den Verlust an dem beschnittenen Gelde tragen, daß ein Termin bestimmt werden sollte, nach welchem beschnittenes Geld nur noch in Zahlungen an die Regierung genommen, und daß ein späterer Termin festgesetzt werden sollte, nach welchem beschnittenes Geld gar nicht mehr genommen werden sollte. Was für Abstimmungen im Ausschusse stattfanden, läßt sich nicht ermitteln. Bei der Berichterstattung über die Resolutionen fand eine Abstimmung statt, und zwar über die Frage, ob der alte Gewichtsfuß beibehalten werden solle. Es stimmten hundertvierzehn Mitglieder mit Nein, zweihundertfünfundzwanzig mit Ja. [90]

Es wurde angeordnet, daß eine auf die Resolutionen basirte Bill eingebracht werden sollte. Einige Tage darauf erklärte der Kanzler der Schatzkammer den Gemeinen in einem Ausschusse zur Berathung der Mittel und Wege den Plan, wie er die Kosten der Umprägung zu decken gedachte. Es sei unmöglich, sagte er, den zur Deckung des Ausfalls an den beschnittenen Münzen erforderlichen Betrag mit Genauigkeit zu bestimmen. Aber es sei gewiß, daß mindestens zwölfhunderttausend Pfund dazu nöthig sein würden. Die Bank von England war bereit, diese zwölfhunderttausend Pfund auf gute Sicherheit vorzustrecken. Es war ein unter den Finanzmännern angenommener Satz, daß die Regierung keine so gute Sicherheit mehr bieten könne, wie die Kaminsteuer gewesen war. So verhaßt diese Abgabe auch Denen war, die sie hatten zahlen müssen, im Schatzamt und in der City wünschte man sie jetzt sehnlich zurück. Der Kanzler der Schatzkammer meinte, daß sich vielleicht eine Abgabe auf die Häuser aussinnen lassen werde, die nicht minder einträglich und nicht minder sicher sein könne als die Herdsteuer, aber nicht so schwer auf dem Armen lasten und durch ein weniger drückendes Verfahren erhoben werden könne. Die Anzahl der Kamine in einem Hause sei ohne Besichtigung der Wohnungen nicht zu ermitteln. Die Fenster aber könne ein Einnehmer zählen, ohne die Schwelle zu überschreiten. Montague schlug vor, daß die Bewohner von Hütten, welche von den Einsammlern des Kamingeldes so herzlos bedrückt worden seien, von der neuen Abgabe gänzlich frei bleiben sollten. Sein Plan wurde vom Ausschusse für die Mittel und Wege gebilligt und vom Hause ohne Abstimmung genehmigt. Dies war der Ursprung der Fenstersteuer, einer Abgabe, die zwar immerhin ein großes Uebel ist, im Vergleich zu dem Fluche aber, von dem sie die Nation erlöste, als ein Segen betrachtet werden muß.

Bis hierher war Alles gut gegangen. Jetzt aber kam eine Krisis, welche die geschickteste Leitung erforderte. Die Nachricht, daß das Parlament und die Regierung eine Reform der Valuta beabsichtigten, erzeugte unter dem gemeinen Volke einen Unwissenheitsschrecken. Jedermann wollte seine beschnittenen Kronen und halben Kronen los sein, und Niemand wollte sie nehmen. In der Hälfte der Straßen London’s entstanden Zänkereien, welche an Tumulte grenzten. Die Jakobiten, welche an einem [XXI.74] Tage des Mißgeschicks und der öffentlichen Gefahr, stets mit Freude und Hoffnung erfüllt waren, liefen mit eifrigen Mienen und geschäftigen Zungen hin und her. In Tavernen und Bierhäusern wurde ganz offen auf das Wohl Jakob’s getrunken. Viele Parlamentsmitglieder, welche bisher die Regierung unterstützt hatten, begannen zu schwanken, und damit nichts an den Schwierigkeiten des Moments fehlte, entstand über einen Privilegiumspunkt ein Streit zwischen den beiden Häusern. Die in Uebereinstimmung mit Montague’s Resolutionen entworfene Umprägungsbill war den Peers zugesandt worden und mit Abänderungen zurückgekommen, von denen einige die Lords nach der Ansicht der Gemeinen nicht zu machen berechtigt waren. Die Sache war zu wichtig, um einen Verzug zu gestatten. Montague brachte eine neue Bill ein, welche factisch mit seiner ersten übereinstimmte, aber in einigen Punkten den Wünschen der Lords gemäß modificirt war; die Lords, obgleich mit der neuen Bill noch nicht ganz zufrieden, nahmen sie unverändert an, und der König genehmigte sie unverzüglich. Der 4. Mai, ein Tag, dessen man sich im ganzen Lande und insbesondere in der Hauptstadt lange erinnerte, war als der Tag festgesetzt, an welchem die Regierung aufhörte, beschnittenes Geld bei Steuerzahlungen anzunehmen. [91]

Die Prinzipien der Umprägungsacte sind vortrefflich. Einige von den Einzelnheiten sowohl dieser Acte als auch einer Ergänzungsacte, welche zu einem späteren Zeitpunkte der Session erlassen wurde, beweisen, daß Montague nicht gehörig erwogen hatte, was die Gesetzgebung erreichen kann und was nicht. Er überredete zum Beispiel das Parlament zu verordnen, daß es strafbar sein sollte, mehr als zweiundzwanzig Schillinge für eine Guinee zu geben oder zu nehmen. Man darf mit Gewißheit behaupten, daß Locke diese Verordnung weder vorgeschlagen hatte, noch sie billigte. Er wußte sehr wohl, daß der hohe Preis des Geldes nicht das Uebel war, an dem der Staat laborirte, sondern bloß ein Symptom dieses Uebels, und daß der Umprägung des Silbers unvermeidlich ein Fallen des Goldpreises folgen werde, daß aber keine menschliche Macht oder Einsicht bewirken könne, daß es der Umprägung vorausgehe. Die Strafbestimmung scheint auch factisch gar keine Wirkung hervorgebracht zu haben, weder eine gute noch eine schlechte. So lange das geprägte Silber noch nicht in Circulation gesetzt war, galt die Guinee trotz des Gesetzes nach wie vor dreißig Schillinge. Als aber das geprägte Silber reichlich circulirte, fiel die Guinee nicht nur auf zweiundzwanzig Schilling, was der vom Gesetz gestattete höchste Preis war, sondern auf einundzwanzig Schilling sechs Pence. [92]

[XXI.75]

Anfang Februar legte sich der Schrecken, den die ersten Debatten über die Valuta hervorgerufen hatten, und von dieser Zeit bis zum 4. Mai wurde der Geldmangel nicht sehr gefühlt. Die Umprägung begann. Die Schmelzöfen wurden im Garten hinter dem Schatzamt errichtet und täglich wurden große Haufen beschnittener und entstellter Kronen und Schillinge in mächtige Silberklumpen verwandelt, welche sofort in die Münze im Tower befördert wurden. [93]

Annahme der Acte zur Regulirung des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen.

Mit dem Schicksale des Gesetzes, das die Valuta herstellte, war das Schicksal eines andren Gesetzes eng verknüpft, das mehrere Jahre der Erwägung des Parlaments unterlegen und mehrere lebhafte Streitigkeiten zwischen dem erblichen und dem wählbaren Zweige der Legislatur verursacht hatte. Die Session hatte kaum begonnen, als die Bill zur Regulirung des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen wieder auf den Tisch der Gemeinen gelegt wurde. Von den Debatten, zu denen sie Veranlassung gab, wissen wir nichts mehr; nur ein interessanter Umstand ist durch Ueberlieferung auf uns gekommen. Unter Denen, welche die Bill unterstützten, zeichnete sich ein junger Whig von hohem Range, großem Vermögen und vorzüglichen Anlagen aus, welche durch Studium sorgfältig ausgebildet worden waren. Dies war Anton Ashley Cooper, Lord Ashley, ältester Sohn des zweiten Earls von Shaftesbury und Enkel des berühmten Staatsmannes, der in den Tagen Karl’s II. zu einer Zeit der grundsatzloseste Minister, zu einer andren Zeit der grundsatzloseste Demagog gewesen war. Ashley war eben als Vertreter des Burgfleckens Poole ins Parlament gewählt worden und stand in seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahre. Im Laufe seiner Rede stockte er, stammelte und schien den Faden seines Ideenganges zu verlieren. Das Haus, welches damals so gut wie jetzt nachsichtig gegen Neulinge war und wohl wußte, daß bei einem ersten öffentlichen Auftreten die Unsicherheit, eine Wirkung der Bescheidenheit und der Gefühlswärme, ein eben so gutes Zeichen ist als Geläufigkeit im Ausdruck und Unbefangenheit des Benehmens, munterte ihn auf fortzufahren. „Kann ich wohl, Sir,” sprach der junge Redner, sich wieder sammelnd, „ein gewichtigeres Argument zu Gunsten dieser Bill anführen, als mein eignes Stocken? Mein Vermögen, mein Ruf, mein Leben stehen nicht auf dem Spiele. Ich habe ein Auditorium vor mir, dessen freundliche Nachsicht mich wohl zu ermuthigen geeignet ist. Und doch habe ich, aus bloßer Gemüthsbewegung, aus bloßem Mangel an Uebung im Reden vor zahlreichen Versammlungen, meinen Gedankengang verloren, so daß ich nicht im Stande bin, in meiner Beweisführung fortzufahren. Wie hülflos muß dann erst ein armer Mann sein, der, nachdem er noch nie öffentlich gesprochen hat, aufgefordert wird, ohne sich einen Augenblick vorzubereiten, den gewandtesten und erfahrensten Advokaten des Königreichs zu antworten, und dessen Geisteskräfte [XXI.76] durch den Gedanken gelähmt werden, daß er, wenn es ihm nicht gelingt, seine Zuhörer zu überzeugen, in wenigen Stunden am Galgen sterben und Die, welche ihm das Theuerste sind, in Armuth und Schande zurücklassen wird.” Man darf vielleicht mit einigem Grunde vermuthen, daß Ashley’s Befangenheit und seine kluge Benutzung derselben sorgfältig vorausbedacht waren. Doch jedenfalls machte seine Rede großen Eindruck und erweckte wahrscheinlich Erwartungen, welche nicht in Erfüllung gingen. Seine Gesundheit war zart, sein Geschmack bis zur Launenhaftigkeit verfeinert; er überließ die Politik bald Männern, deren Körper und Geist von gröberem Stoffe waren als die seinigen, gab sich nur geistigen Genüssen hin, vertiefte sich in die Irrgänge der alten akademischen Philosophie und strebte nach dem Ruhme, die alte akademische Beredtsamkeit wieder zu beleben. Seine gekünstelte und blumenreiche, oft aber wunderbar schöne und melodische Diction bezauberte viele junge Enthusiasten. Er hatte nicht bloß Schüler, sondern Anbeter, sein Leben war kurz, aber er lebte lange genug, um der Gründer einer neuen Secte englischer Freidenker zu werden, dem directen Gegensatze von derjenigen Secte von Freidenkern, deren Orakel Hobbes war. Viele Jahre lang blieben seine „Characteristiken” das Evangelium der romantischen und sentimentalen Ungläubigen, während das Evangelium der kaltblütigen und hartköpfigen Ungläubigen der „Leviathan” war.

Die so oft eingebrachte und so oft verworfene Bill wurde von den Gemeinen ohne Abstimmung angenommen und den Lords zugesandt. Sie kam bald mit der lange streitigen Klausel zurück, welche die Verfassung des Gerichtshofes des Lord High Steward abänderte. Eine zahlreiche Partei unter den Vertretern des Volks war noch immer nicht geneigt, dem Hochadel irgend ein neues Privilegium zu bewilligen; aber der Moment war kritisch. Die Meinungsverschiedenheit, welche zwischen den beiden Häusern wegen der Umprägungsbill entstanden war, hatte Nachtheile erzeugt, die auch einen beherzten Staatsmann wohl beunruhigen konnten. Man mußte ein Zugeständniß durch ein andres erkaufen. Die Gemeinen traten mit hundertzweiundneunzig gegen hundertfunfzig Stimmen dem Amendement bei, auf dem die Lords vier Jahre lang so hartnäckig bestanden hatten, und die Lords genehmigten dagegen unverzüglich die Umprägungsbill ohne Amendement.

Man hatte sich viel über den Zeitpunkt gestritten, zu welchem das neue System des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen in Kraft treten sollte, und die Bill war einmal in Folge eines Streites über diesen Punkt gescheitert. Viele waren der Meinung, daß die Aenderung nicht vor dem Ende des Kriegs Platz greifen dürfe. Es sei notorisch, sagten sie, daß der auswärtige Feind von nur zu vielen einheimischen Verräthern aufgehetzt werde, und zu solchen Zeiten dürften die Gesetze, welche den Staat gegen die Machinationen schlechter Bürger schütze, nicht gelockert werden. Endlich wurde beschlossen, daß die neuen Vorschriften mit dem 25. März, nach dem alten Kalender dem ersten Tage des Jahres 1696, in Kraft treten sollten.

Parlaments­verhandlungen wegen der Verleihung von Kronländereien in Wales an Portland.

Am 21. Januar erhielten die Umprägungsbill und die Bill zur Regulirung des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen die königliche Genehmigung. Am folgenden Tage begaben sich die Gemeinen in einer Angelegenheit, die sowohl [XXI.77] ihnen als auch dem Könige durchaus nicht angenehm war, nach Kensington. Sie waren in ihrer Gesammtheit fest entschlossen, um jeden Preis und auf jede Gefahr hin den König gegen jeden äußeren wie inneren Feind zu schützen. Aber sie waren, wie jede Versammlung von fünfhundertdreizehn englischen Gentlemen, gleichviel durch welches Verfahren sie zusammengebracht sein mochte, es naturgemäß sein mußte, eifersüchtig auf die Gunst, die er seinen Jugendfreunden bewies. Er hatte sich vorgenommen, das Haus Bentinck in Ruhm und Glanz auf gleiche Stufe mit den Häusern Howard und Seymour, Russell und Cavendish zu stellen. Einige der schönsten Erbdomänen der Krone waren Portland verliehen worden, nicht ohne Murren von Seiten der Whigs wie der Tories. Es war allerdings nichts geschehen, was nicht mit dem Buchstaben des Gesetzes und mit einer langen Reihe von Präcedenzfällen im Einklang gestanden hätte. Seit undenklichen Zeiten hatte jeder englische Souverain die Güter, in deren Besitz er kraft seines Amtes getreten war, als sein Privateigenthum betrachtet. Jede Familie, die in England mächtig gewesen war, von den De Vere bis herab zu den Hyde, war durch königliche Schenkungen bereichert worden. Karl II. hatte aus seinen Erbgütern Herzogthümer für seine Bastarde herausgeschnitten. Auch enthielt die Rechtsbill nicht ein Wort, welches dahin hätte gedeutet werden können, daß es dem Könige nicht vollkommen freistände, sich jeden Theils der Krongüter zu entäußern. Anfangs rief daher Wilhelm’s Freigebigkeit gegen seine Landsleute, wenn sie auch viel Unzufriedenheit erregte, keine Remonstrationen von Seiten des Parlaments hervor. Aber er ging endlich zu weit. Im Jahre 1695 befahl er den Lords des Schatzes eine Urkunde auszufertigen, welche Portland eine prachtvolle Herrschaft in Denbighshire verlieh. Diese Herrschaft sollte über hunderttausend Pfund werth sein. Der jährliche Ertrag derselben kann sich daher auf kaum weniger als sechstausend Pfund belaufen haben, und die der Krone vorbehaltene Jahresrente betrug nur sechs und acht Pence. Dies war jedoch noch nicht das Schlimmste. Mit dem Besitze waren ausgedehnte Regalien untrennbar verbunden, welche die Bewohner von Nordwales nicht geduldig in den Händen irgend eines Unterthanen sehen konnten. Mehr als hundert Jahre früher hatte Elisabeth einen Theil des nämlichen Gebiets ihrem Günstling Leicester verliehen. Bei dieser Gelegenheit hatte sich das Volk von Denbighshire mit bewaffneter Hand erhoben, und nach vielen tumultuarischen Auftritten und mehreren Hinrichtungen hatte Leicester es für rathsam gehalten, die Schenkung seiner Gebieterin zurückzugeben. Die Opposition gegen Portland war minder gewaltthätig, aber eben so erfolgreich. Einige der angesehensten Gentlemen des Gebiets machten den Ministern, durch deren Bureaux das Dokument gehen mußte, nachdrückliche Vorstellungen und brachten endlich den Gegenstand bis vor das Unterhaus. Es wurde einstimmig eine Adresse votirt, welche den König ersuchte, die Schenkung zurückzunehmen; Portland bat, daß man ihn nicht zu einem Zankapfel zwischen seinem Gebieter und dem Parlamente machen möchte, und der König fügte sich, wenn auch tief verletzt, dem allgemeinen Wunsche der Nation. [94]

[XXI.78]

Diese unglückliche Geschichte hinterließ, wenn sie auch nicht in einen offenen Streit ausging, doch viel böses Blut. Der König war aufgebracht gegen die Gemeinen und noch aufgebrachter gegen die whiggistischen Minister, die es nicht gewagt hatten, seine Schenkung zu vertheidigen. Die loyale Zuneigung, welche das Parlament ihm in den ersten Tagen der Session bewiesen hatte, war merklich erkaltet, und er war fast so unpopulär wie er es je gewesen, als ein Ereigniß eintrat, das ihm plötzlich die Herzen von Millionen wiedergewann und ihn auf einige Zeit in eben dem Grade zum Abgott der Nation machte, wie er es zu Ende des Jahres 1688 gewesen war. [95]

Zwei jakobitische Complots geschmiedet.

Der im vergangenen Frühjahr entworfene Mordplan war in Folge der Abreise Wilhelm’s nach dem Continent aufgegeben worden. Der im Sommer entworfene Insurrectionsplan war wegen Mangel an Beistand von Seiten Frankreich’s ebenfalls aufgegeben worden. Vor Ende des Herbstes aber wurden beide Pläne wieder aufgenommen. Wilhelm war nach England zurückgekehrt, und die Möglichkeit, sich seiner durch einen glücklichen Schuß oder Degenstoß zu entledigen, wurde wieder ernstlich discutirt. Die französischen Truppen hatten ihre Winterquartiere bezogen, und das Armeecorps, welches Charnock vergebens verlangt hatte, als der Kampf um Namur wüthete, konnte jetzt ohne Nachtheil entbehrt werden. Es wurde daher jetzt ein Complot geschmiedet, furchtbarer als irgend eines, das bisher den Thron und das Leben Wilhelm’s bedroht hatte, oder es wurden vielmehr, wie dies mehr als einmal in unsrer Geschichte vorgekommen ist, zwei Complots geschmiedet, eines in dem andren. Der Zweck des größeren Complots war ein offener Aufstand, ein Aufstand, der durch eine ausländische Armee unterstützt werden sollte. In dieses Complot waren fast alle angesehenen Jakobiten mehr oder weniger verwickelt. Einige häuften Waffen auf, andere kauften Pferde, noch andere entwarfen Listen von den Dienern und Untergebenen, auf die sie sich fest verlassen konnten. Die minder kriegerischen Mitglieder der Partei konnten wenigstens Humpen auf den König über dem Wasser leeren und durch bedeutungsvolles Achselzucken und Geflüster zu verstehen geben, daß er nicht lange mehr über dem Wasser sein werde. Es wurde allgemein bemerkt, daß die Unzufriedenen weiser als sonst aussahen, wenn sie nüchtern waren, und daß sie lauter als sonst schwatzten, wenn sie betrunken waren. [96] In das kleinere Complot, das die Ermordung Wilhelm’s zum Zweck hatte, waren nur einige wenige auserlesene Hochverräther eingeweiht.

Berwick’s Complot.

Jedes dieser beiden Complots stand unter der Leitung eines speciell dazu von Saint-Germains abgeschickten Führers. [XXI.79] Die ehrenhaftere Sendung war Berwick anvertraut. Er war beauftragt, sich mit der jakobitischen Noblesse und Gentry in Vernehmen zu setzen, auszumitteln, welche Streitmacht sie ins Feld stellen konnten und einen Zeitpunkt für die Erhebung festzusetzen. Er war ermächtigt ihnen zu versichern, daß die französische Regierung Truppen und Transportschiffe bei Calais zusammenziehe und daß, sobald man dort erführe, daß ein Aufstand in England ausgebrochen sei, sein Vater sich mit zwölftausend Veteranen einschiffen und in einigen Stunden bei ihnen sein würde.

Das Ermordungscomplot; Sir Georg Barclay.

Eine gefährlichere Rolle war einem Emissär von niedererem Range aber großer Gewandtheit, Thätigkeit und Unerschrockenheit übertragen. Dies war Sir Georg Barclay, ein schottischer Gentleman, der mit Ehren unter Dundee gedient und der sich, als der Krieg in den Hochlanden zu Ende war, nach Saint-Germains zurückgezogen hatte. Barclay wurde in das königliche Cabinet beschieden und empfing seine Instructionen aus dem Munde des Königs selbst. Er erhielt Befehl, sich heimlich über den Kanal nach London zu begeben. Es wurde ihm gesagt, daß einige auserlesene Offiziere und Soldaten ihm zu Zweien und Dreien auf dem Fuße folgen würden, und damit sie ihn leicht finden könnten, sollte er Montags und Donnerstags nach Einbruch der Dunkelheit unter dem Säulengange vom Coventgarden umhergehen und ein weißes Tuch aus seiner Rocktasche hervorblicken lassen. Er erhielt eine bedeutende Summe Geldes und eine Vollmacht, welche Jakob nicht nur unterzeichnet, sondern, von Anfang bis zu Ende eigenhändig geschrieben hatte. Diese Vollmacht autorisirte den Inhaber von Zeit zu Zeit diejenigen Acte von Feindseligkeit gegen den Prinzen von Oranien und seine Anhänger zu unternehmen, welche den Zwecken des Königs am meisten entsprechen würden. Welche nähere Erklärung Jakob diesen weit umfassenden Worten mündlich gab, wissen wir nicht.

Damit Barclay’s Abwesenheit von Saint-Germains keinen Verdacht erweckte, wurde ausgesprengt, daß sein lockerer Lebenswandel ihn in die Nothwendigkeit versetzt habe, sich von einem Arzte in Paris behandeln zu lassen. [97] Er reiste mit achthundert Pfund Sterling in seinem Koffer ab, eilte nach der Küste und schiffte sich an Bord eines Kapers ein, den die Jakobiten als regelmäßiges Packetboot zwischen Frankreich und England benutzten. Dieses Fahrzeug brachte ihn nach einem einsamen Orte im Romney Moor. Ungefähr eine halbe Meile von dem Landungsplatze wohnte ein Schmuggler, Namens Hunt, auf einer öden und ungesunden Sumpfstrecke, wo er keine anderen Nachbarn hatte als einige halbwilde Hirten. Seine Wohnung hatte eine Lage, die sich für den Schleichhandel mit französischen Waaren vortrefflich eignete, Ladungen von Lyoneser Seidenwaaren und Valencienner Spitzen, hinreichend, um dreißig Packpferde zu beladen, waren mehr als einmal in dieser traurigen Einöde gelandet worden, ohne Aufsehen zu erregen. Seit der Revolution aber war Hunt dahinter gekommen, daß von allen Ladungen eine Ladung Hochverräther am besten rentirte. Sein entlegener Wohnplatz wurde der Aufenthaltsort für hochangesehene Männer, für Earls und Barone, für Ritter und Doctoren der Theologie. Einige davon wohnten viele Tage [XXI.80] unter seinem Dache in Erwartung einer Gelegenheit zur Ueberfahrt. Zwischen seinem Hause und London bestand eine geheime Postverbindung. Couriere eilten fortwährend hin und her; sie machten die Reise stets zu Fuße; aber sie sahen wie Gentlemen aus, und man raunte sich zu, daß einer von ihnen der Sohn eines vornehmen Mannes sei. Die aus Saint-Germains kommenden Briefe waren an Zahl und Umfang klein; um so zahlreicher und voluminöser aber waren die dahin abgehenden. Sie wurden wie Packete von Modewaaren verpackt und in dem Sumpfe vergraben, bis der Kaper sie abforderte.

Hier landete Barclay im Januar 1696, und von hier aus schlug er den Weg nach London ein. Wenige Tage später folgte ihm ein schlanker junger Mann, der seinen Namen verschwieg, aber Accreditive von höchster Autorität vorzeigte. Dieser junge Mann begab sich ebenfalls nach London. Hunt erfuhr nachher, daß sein bescheidenes Dach die Ehre gehabt hatte, den Herzog von Berwick zu beherbergen. [98]

Die Rolle, welche Barclay zu spielen hatte, war schwierig und gefährlich, und er unterließ keine Vorsichtsmaßregel. Er war selten in London gewesen und sein Aeußeres war daher den Agenten der Regierung unbekannt. Gleichwohl hatte er mehrere Wohnungen, verkleidete sich so gut, daß seine ältesten Freunde ihn am hellen Tage nicht erkannt haben würden, und doch wagte er sich selten auf die Straße, außer im Dunklen. Sein Hauptagent war ein Mönch, der mit Gefahr seines Kopfes unter verschiedenen Namen Beichte abnahm und Messe las. Dieser Mann theilte einigen von den Zeloten, mit denen er verkehrte, mit, daß ein Specialagent der königlichen Familie an gewissen Abenden zu einer gewissen Stunde in Coventgarden zu sprechen und an gewissen Zeichen kenntlich sei. [99] Auf diese Weise lernte Barclay mehrere für seine Zwecke geeignete Männer kennen. Die Ersten, denen er sich völlig offenbarte, waren Charnock und Parkyns. Er sprach mit ihnen über das Complot, das sie mit einigen ihrer Freunde im vergangenen Frühjahr gegen das Leben Wilhelm’s geschmiedet hatten. Charnock sowohl als Parkyns erklärten, daß der Plan leicht ausführbar sei, daß es unter den Royalisten nicht an beherzten Männern fehle und daß es nur eines Zeichen von Zustimmung von Seiten Sr. Majestät bedürfe.

Barclay producirte nun seine Vollmacht. Er bewies seinen beiden Complicen, daß Jakob ausdrücklich allen guten Engländern anbefohlen hatte, nicht allein sich mit bewaffneter Hand zu erheben, nicht allein gegen die Regierung des Usurpators Krieg zu führen, nicht allein Festungen und Städte einzunehmen, sondern auch von Zeit zu Zeit solche anderweitige Acte von Feindseligkeit gegen den Prinzen von Oranien vorzunehmen, wie sie dem Könige dienlich wären. Diese Worte, sagte Barclay, autorisirten offenbar einen Angriff auf die Person des Prinzen. Charnock und Parkyns waren befriedigt. Wie konnten sie in der That Zweifeln, daß Jakob’s vertrauter Agent seine Worte richtig deutete? Ja, wie hätten sie die umfassenden Worte der Vollmacht anders als in dem einen Sinne verstehen können, selbst wenn Barclay nicht dagewesen wäre, um sie zu commentiren? Wäre der Gegenstand niemals Jakob zur Er [XXI.81] wägung unterbreitet worden, so hätte man allerdings glauben können, daß jene Worte seiner Feder ohne eine bestimmte Bedeutung entschlüpft seien. Aber es war ihm wiederholt mitgetheilt worden, daß einige seiner Freunde in England eine blutige That im Sinne hätten und daß sie nur auf seine Zustimmung warteten. Sie waren in ihn gedrungen, ein Wort zu sprechen, einen Wink zu geben. Er hatte lange geschwiegen, und jetzt wo er das Stillschweigen brach, sagte er ihnen bloß, sie möchten Alles thun, was ihm nützlich und dem Usurpator nachtheilig sein könnte. Sie hatten seine Erlaubniß in so deutlichen Ausdrücken, wie sie dieselbe in einem solchen Falle vernünftigerweise nur erwarten konnten. [100]

Es kam nur noch darauf an, eine genügende Anzahl muthiger und zuverlässiger Helfershelfer zu finden, für Pferde und Waffen zu sorgen und Ort und Stunde der Ermordung zu bestimmen. Vierzig bis fünfzig Mann wurden für ausreichend gehalten. Die Reiter von Jakob’s Garde, welche Barclay bereits über den Kanal gefolgt waren, bildeten ziemlich die Hälfte von dieser Anzahl. Jakob hatte selbst mit einigen dieser Leute vor ihrer Abreise von Saint-Germains gesprochen, ihnen Reisegeld gegeben, ihnen gesagt, welchen Namen jeder von ihnen in England annehmen sollte, ihnen befohlen, nach Barclay’s Weisungen zu handeln, und sie unterrichtet, wo Barclay zu finden und an welchem Zeichen er zu erkennen war. [101] Sie hatten Ordre, in kleinen Gruppen abzureisen und verschiedene Beweggründe für ihre Reise anzugeben. Einige waren krank, Andere waren des Dienstes überdrüssig; Cassels, einer der Lautesten und Profansten unter ihnen, sagte, daß er, weil er beim Militär keine Beförderung erlangen könne, in das schottische Collegium eintreten und eine Brotwissenschaft studiren wolle. Unter derartigen Vorwänden verließen etwa zwanzig auserwählte Männer den Palast Jakob’s, gingen über Romney Marsh nach London und fanden ihren Anführer im düstren Lampenlichte der Colonnade mit aus der Tasche herabhängendem Sacktuche auf und nieder gehen. Einer dieser Leute war Ambrosius Rookwood, der den Grad eines Brigadiers hatte und eines hohen Rufes von Muth und Ehrenhaftigkeit genoß; ein Andrer war der Major Johann Bernardi, ein Abenteurer von genuesischer Abkunft, dessen Name eine traurige Berühmtheit erlangt hat durch eine Strafe, die sich so unglaublich verlängerte, daß sie endlich noch eine Generation zu Mitleid rührte, die sich seines Verbrechens nicht erinnern konnte. [102]

Auf diese Abenteurer aus Frankreich setzte Barclay hauptsächlich sein Vertrauen. In einem Augenblicke emphatischer Ueberhebung nannte er sie seine Janitscharen und sprach die Hoffnung aus, daß sie ihm das St. Georgskreuz und den Hosenbandorden verschaffen würden. Aber es waren mindestens noch zwanzig Mörder nöthig. Wahrscheinlich erwarteten die Verschwörer werthvollen Beistand von Seiten Sir John Friend’s, der ein von Jakob ausgestelltes Oberstenpatent erhalten und um die Zeit, wo die Franzosen an der Küste von Kent erscheinen sollten, mit großer Thätigkeit Mannschaften angeworben und Waffen herbeigeschafft hatte. [XXI.82] Der Plan wurde ihm mitgetheilt, aber er hielt ihn für so unüberlegt und war so fest überzeugt daß er der guten Sache nur schaden konnte, daß er seinen Freunden keinen Beistand leihen wollte, obgleich er ihr Geheimniß gewissenhaft bewahrte. [103] Charnock nahm es auf sich, acht entschlossene und zuverlässige Männer zu finden. Er theilte den Plan Porter mit, was Barclay nicht ganz billigte, denn er meinte, daß man einem Wirthshausraufbold, der noch kürzlich im Gefängniß gesessen, weil er betrunken in den Straßen umher renommirt und Hurrahs zu Ehren des Prinzen von Wales gerufen hatte, nicht wohl ein Geheimniß von so gefährlicher Wichtigkeit anvertrauen könne. Porter ging mit Begeisterung auf das Complot ein und versprach, noch Andere mit hereinzuziehen, welche nützlich sein würden. Zu Denen, deren Unterstützung er gewann, gehörte sein Diener, Thomas Keyes. Keyes war ein viel gefährlicherer Verschwörer, als man es bei seiner socialen Stellung hätte erwarten sollen. Die Haustruppen waren im allgemeinen Wilhelm ergeben; unter den Blauen aber herrschte ein Anflug von Abneigung gegen ihn. Die Hauptverschwörer hatten sich schon mit einigen bei diesem Regiment stehenden Katholiken in Vernehmen gesetzt, und Keyes war hierzu ganz besonders gut zu brauchen, denn er war früher Trompeter des Corps gewesen, und obwohl er seinen Abschied genommen, stand er doch noch immer in einem freundschaftlichen Verhältnisse mit einigen von den alten Soldaten, in deren Gesellschaft er nach der Schlacht bei Sedgemoor auf Kosten der Pächter von Somersetshire gelebt hatte.

Parkyns, der alt und gichtbrüchig war, konnte nicht persönlich Antheil an dem Mordwerke nehmen. Aber er beschäftigte sich mit Besorgung von Pferden, Sätteln und Waffen für seine jüngeren und thätigeren Complicen. In dieser Beschäftigung wurde er durch Karl Cranburne unterstützt, einen Menschen, der schon längst als Mäkler zwischen jakobitischen Verschwörern und Leuten diente, die mit Hieb- und Schußwaffen handelten. Barclay gab speciellen Befehl, daß die Degen mehr zum Stechen als zum Schlagen eingerichtet werden sollten. Er selbst warb Eduard Lowick an, der als Major in der irischen Armee gedient hatte und seit der Capitulation von Limerick sehr still und eingezogen in London lebte. Der Mönch, den Barclay zuerst ins Vertrauen gezogen hatte, empfahl zwei geschäftige Papisten, Richard Fisher und Christoph Knightley, und diese Empfehlung wurde für genügend erachtet. Knightley zog Eduard King, einen römisch-katholischen Gentleman von heißblütigem und unruhigem Temperament, herbei, und King verschaffte die Mithülfe eines französischen Spielers und Bramarbas, Namens De la Rue. [104]

Mittlerweile hielten die Häupter der Verschwörung häufige Zusammenkünfte in hochverrätherischen Tavernen, um einen Operationsplan zu verabreden. Mehrere Pläne wurden vorgeschlagen, beifällig aufgenommen, nach reiflicherer Erwägung aber fallen gelassen. Einmal war man der Meinung, daß ein nächtlicher Angriff auf Kensington wahrscheinlich gelingen werde. Die äußere Mauer sei leicht zu übersteigen, und wenn einmal vierzig bewaffnete Männer im Garten seien, würde der Palast [XXI.83] bald erstürmt oder in Brand gesteckt sein. Einige waren der Ansicht, daß es am besten sein würde, den Handstreich an einem Sonntage zu unternehmen, wenn Wilhelm sich von Kensington in die Kapelle des St. Jamespalastes begebe, um dem Gottesdienste beizuwohnen. Die Mörder sollten sich auf der Stelle versammeln, wo jetzt Apsley House und Hamilton Palace stehen. In dem Augenblicke wo der Wagen des Königs Hyde Park verließe, um in den jetzigen Green Park einzulenken, sollten Dreißig von den Verschwörern, wohl beritten, über die Garden herfallen. Die Garden waren gewöhnlich nur fünfundzwanzig Mann stark, der Angriff müßte ihnen natürlich ganz unverhofft kommen und sehr wahrscheinlich würde die Hälfte von ihnen todtgeschossen oder niedergehauen sein, bevor sie einen Schlag thun könnten. Währenddem sollten zehn bis zwölf beherzte Männer zu Fuß durch Niederschießen der Pferde den Wagen anhalten, worauf sie dann ohne Schwierigkeit mit dem Könige fertig werden würden. Endlich gab man einem ursprünglich von Fisher entworfenen und von Porter weiter ausgeführten Plane den Vorzug. Wilhelm pflegte jeden Sonnabend zur Jagd nach Richmond Park zu fahren. Damals war zwischen London und Kingston noch keine Brücke über die Themse. Der König fuhr daher in einem von wenigen Leibgardisten begleiteten Wagen über Turnham Green nach dem Flusse. Hier bestieg er ein Boot, setzte über den Fluß und fand auf der Surreyseite einen andren Wagen mit einem andren Trupp Leibgardisten seiner wartend. Der erste Wagen und die erste Eskorte erwarteten am nördlichen Ufer seine Zurückkunft. Die Verschwörer ermittelten mit großer Genauigkeit das ganze Arrangement bei diesen Ausflügen und untersuchten sorgfältig das Terrain auf beiden Seiten der Themse. Sie waren der Meinung, daß sie den König vortheilhafter auf der Middlesexseite als auf der Surreyseite, und besser auf dem Rückwege als auf dem Hinwege angreifen würden. Denn auf der Hinfahrt wurde er oft von einem zahlreichen Gefolge von Lords und Gentlemen bis zum Flusse begleitet; auf der Rückfahrt aber hatte er nur seine Garden bei sich. Ort und Zeit wurden festgesetzt. Der Ort sollte eine enge und krumme Gasse sein, die vom Landungsplatze auf der Nordseite des Flusses nach Turnham Green führte. Die Stelle ist noch jetzt leicht zu finden. Der Boden ist seitdem durch Gräben entwässert worden; im 17. Jahrhundert aber war er eine Sumpflache, durch welche der königliche Wagen nur mit Mühe im Schritt gezogen werden konnte. Der Zeitpunkt sollte der Nachmittag des 15. Februars, eines Sonnabends, sein. An diesem Tage sollten sich die Vierzig in kleinen Gruppen in verschiedenen öffentlichen Häusern unweit des Angers versammeln. Sobald das Zeichen gegeben wurde, daß der Wagen sich nähere, sollten sie aufsitzen und sich an ihre Posten begeben. Wenn die Cavalcade die Gasse heraufkam, sollte Charnock die Gardisten im Rücken, Rookwood von der einen und Porter von der andren Seite angreifen. Unterdessen sollte Barclay mit acht zuverlässigen Männern den Wagen anhalten und die That vollbringen. Damit den Verschwörern keine Bewegung des Königs entging, wurden zwei Ordonnanzen ernannt, die den Palast bewachen sollten. Einer von diesen beiden Männern, ein kühner und thätiger Flamländer, war speciell beauftragt, Barclay von Allem genau zu unterrichten. Der Andere, der mit Charnock Communication unterhalten sollte, war ein Raufbold, Namens Chambers, der in der irischen Armee gedient, am Boyne eine schwere Wunde in die Brust [XXI.84] erhalten hatte und wegen dieser Verwundung einen heftigen persönlichen Haß gegen Wilhelm empfand. [105]

Berwick’s Complot scheitert.

Während Barclay alle seine Anstalten zur Ermordung traf, bemühte sich Berwick, die jakobitische Aristokratie zur bewaffneten Erhebung zu überreden. Dies war jedoch keine leichte Aufgabe. Es wurden mehrere Berathungen gehalten und es fand eine große Musterung der Partei unter dem Vorwande einer Maskerade statt, zu welcher Billets zu einer Guinee das Stück unter die Eingeweihten vertheilt wurden. [106] Alles lief jedoch auf Reden, Singen und Trinken hinaus. Viele angesehene und wohlhabende Männer erklärten zwar, daß sie das Schwert für ihren rechtmäßigen Souverain ziehen würden, sobald ihr rechtmäßiger Souverain mit einer französischen Armee auf der Insel erschiene, und Berwick war ermächtigt worden, ihnen zu versichern, daß eine französische Armee geschickt werden solle, sobald sie das Schwert gezogen haben würden. Aber zwischen dem was sie verlangten und dem was er zuzusagen ermächtigt war, bestand eine Differenz, die keinen Vergleich gestattete. Ludwig wollte in seiner damaligen Lage nicht elf- bis zwölftausend Soldaten auf bloße Versprechungen hin opfern. Aehnliche Versprechungen waren schon 1690 gemacht worden, und doch hatten sich, als die Flotte Tourville’s an der Küste von Devonshire erschienen war, die westlichen Grafschaften wie ein Mann zur Vertheidigung der Regierung erhoben, und nicht ein einziger Mißvergnügter hatte auch nur einen Laut zu Gunsten der Angreifer zu äußern gewagt. Aehnliche Versprechungen waren auch 1692 gemacht worden, und dem Vertrauen, das man in diese Versprechungen gesetzt hatte, mußte die große Niederlage von La Hogue zugeschrieben werden. Zum dritten Male wollte sich der König von Frankreich nicht täuschen lassen. Er wollte den englischen Royalisten sehr gern helfen, aber er wollte erst sehen, daß sie sich selbst halfen. Dies hatte guten Grund, aber was die Jakobiten auf der andren Seite geltend machten, hatte ebenfalls guten Grund. Wenn sie, sagten sie, ohne ein einziges disciplinirtes Regiment zur Seite zu haben, sich gegen einen durch eine reguläre Armee unterstützten Usurpator erhöben, so würden sie Alle in Stücken gehauen sein, bevor die Nachricht von ihrer Erhebung nach Versailles gelangte. Da Berwick keine Hoffnung machen konnte, daß eine Invasion erfolgen würde, bevor eine Insurrection stattfand, und da der Entschluß seiner englischen Freunde, keine Insurrection zu veranlassen, bevor eine Invasion stattfand, unerschütterlich war, so hatte er hier nichts mehr zu thun und sehnte sich danach wieder abzureisen.

Er sehnte sich um so mehr nach der Abreise, als der 15. Februar herannahte. Denn er stand in fortwährender Communication mit Barclay und war genau von allen Details des Verbrechens unterrichtet, das an diesem Tage verübt werden sollte. Er galt im allgemeinen für einen Mann von starrer und selbst unfreundlicher Rechtschaffenheit. Aber sein Sinn für Recht und Unrecht war durch seinen Eifer für die Interessen seiner Familie und durch seinen Respect vor den Lehren seiner Priester dergestalt verwirrt worden, daß er, wie er selbst offen bekannt hat, [XXI.85] sich nicht verpflichtet glaubte, die Mörder von der Ausführung ihres Vorhabens abzubringen. Er hatte in der That nur ein Bedenken gegen den Plan, und dieses Bedenken behielt er für sich. Es bestand einfach darin, daß alle Betheiligten sehr wahrscheinlich gehängt werden würden. Das war jedoch ihre Sache, und wenn sie Lust hatten, sich für die gute Sache einer solchen Gefahr auszusetzen, so stand es ihm nicht zu, ihnen davon abzurathen. Seine Mission war von der ihrigen völlig gesondert; er sollte nicht im Verein mit ihnen handeln, und er war daher auch nicht geneigt, mit ihnen zu leiden. Demgemäß eilte er zurück nach dem Romney Moor und setzte nach Calais über. [107]

In Calais fand er Vorbereitungen zu einer Landung in Kent im Werke. Die Stadt war mit Truppen, der Hafen mit Transportschiffen angefüllt. Boufflers hatte Befehl erhalten, sich aus Flandern dahin zu begeben und das Commando zu übernehmen. Jakob selbst wurde täglich erwartet. Er war in der That bereits von Saint-Germains abgereist. Doch Berwick wollte nicht warten. Er schlug die Straße nach Paris ein, traf in Clermont mit seinem Vater zusammen und erstattete ihm ausführlichen Bericht über die Lage der Dinge in England. Seine Sendung, sagte er, sei gescheitert. Die royalistische Noblesse und Gentry seien entschlossen, sich nicht eher zu erheben, als bis eine französische Armee auf der Insel ankäme. Es sei indeß noch eine Hoffnung: binnen wenigen Tagen werde wahrscheinlich die Nachricht eintreffen, daß der Usurpator nicht mehr sei, und diese Nachricht werde die ganze Gestalt der Dinge ändern. Jakob beschloß, sich nach Calais zu begeben und dort den Ausgang von Barclay’s Complot zu erwarten. Berwick eilte nach Versailles zurück, um Ludwig von Allem genau zu unterrichten. Welcher Art seine Mittheilungen waren, ersehen wir aus Berwick’s eigner Erzählung. Er sagte dem Könige von Frankreich geradezu, daß eine kleine Schaar loyaler Männer demnächst ein Attentat auf das Leben des großen Feindes Frankreich’s machen werde. Die nächste Post könne die Meldung eines Ereignisses bringen, die wahrscheinlich die englische Regierung stürzen und die europäische Coalition auflösen werde. Man hätte denken sollen, daß ein Fürst, der den Character eines frommen Christen und eines hochsinnigen Cavaliers so prunkend zur Schau trug, augenblicklich Maßregeln ergriffen haben würde, um seinem Rivalen einen warnenden Wink zu geben, der vielleicht noch zur rechten Zeit kam, und daß er die Gäste, die seine Gastfreundschaft so gröblich mißbrauchten, scharf tadeln würde. Doch Ludwig that nichts von dem Allen. Wäre er um seine Einwilligung zu einem Morde angegangen worden, so würde er sie wahrscheinlich mit Entrüstung verweigert haben. Die Mittheilung aber, daß ohne seine Einwilligung wahrscheinlich ein Verbrechen begangen werden würde, daß seinen Interessen weit förderlicher sein mußte als zehn solcher Siege wie der von Landen, erregte keineswegs seinen Unwillen. Er schickte den Befehl nach Calais, daß seine Flotte in Bereitschaft gehalten werden solle, damit er im Stande sei, aus der großen Krisis, die er erwartete, Nutzen zu ziehen. Inzwischen erwartete Jakob in Calais mit noch größerer Ungeduld das Zeichen, daß sein Neffe nicht mehr war. Dieses Zeichen sollte durch ein Feuer gegeben werden, zu dem das Holz bereits auf den Klippen von [XXI.86] Kent zusammengetragen wurde und das über dem Kanal sichtbar sein sollte. [108]

Entdeckung des Mordanschlags.

Doch über Verschwörungen wie die Barclay’s und Charnock’s hat bei uns zu Lande immer ein eignes Verhängniß geschwebt. Die Engländer betrachten den Meuchelmord mit einem ihnen eigenen Widerwillen und haben ihn seit mehreren Jahrhunderten stets so betrachtet. Dieses Gefühl ist in der That so specifisch englisch, daß es selbst heute noch nicht irisch genannt werden kann und bis vor Kurzem auch nicht schottisch war. In Irland wird der Schurke, der aus einem Hinterhalte auf seinen Feind schießt, noch jetzt nur zu oft durch die öffentliche Sympathie gegen die Gerechtigkeit in Schutz genommen. In Schottland wurden Mordpläne während des 16. und 17. Jahrhunderts nicht selten glücklich ausgeführt, obgleich eine Menge Leute darum wußten. Die Ermordungen Beaton’s, Rizzio’s, Darnley’s, Murray’s und Sharpe’s sind sprechende Beispiele. Die Royalisten, welche Lisle in der Schweiz ermordeten, waren Irländer; die Royalisten, welche Ascham in Madrid ermordeten, waren Irländer; die Royalisten, welche Dorislaus im Haag ermordeten, waren Schotten. Sobald in England ein solcher Plan aufhört, ein in den Falten eines unzufriedenen und verderbten Herzens verborgenes Geheimniß zu sein, ist die Gefahr der Entdeckung und des Scheiterns sehr groß. Felton und Bellingham vertrauten sich keinem menschlichen Wesen an, und sie waren daher im Stande, ihr böses Vorhaben auszuführen. Aber Babington’s Verschwörung gegen Elisabeth, Fawke’s Verschwörung gegen Jakob, Gerard’s Verschwörung gegen Cromwell, das Ryehousecomplot, die Verschwörung von Cato Street wurden alle entdeckt, vereitelt und bestraft. Einer solchen Verschwörung droht bei uns in der That gleich große Gefahr von Seiten der guten wie der schlechten Eigenschaften der Verschwörer. Ein Engländer, der nicht ohne alles Gewissen und Ehrgefühl ist, wird sich schwerlich in ein Complot zur Ermordung eines nichtsahnenden Mitmenschen einlassen; und ein Schurke, der weder Gewissen noch Ehrgefühl hat, wird sehr wahrscheinlich viel über die Gefahr, der er ausgesetzt ist, wenn er seinen Genossen treu bleibt, und über die Belohnung nachdenken, die er zu erwarten hat, wenn er sie verräth. Allerdings giebt es auch Menschen, in denen der religiöse oder politische Fanatismus jedes moralische Gefühl in einem gewissen Punkte erstickt, im allgemeinen aber dieses Gefühl unversehrt gelassen hat. Ein solcher Mensch war Digby. Er trug kein Bedenken, König, Lords und Gemeinen in die Luft zu sprengen. Seinen Mitschuldigen aber war er gewissenhaft und ritterlich treu, und selbst die Furcht vor der Folter vermochte nicht ihm ein Wort auszupressen, das ihnen hätte nachtheilig werden können. Doch diese Vereinigung von Schlechtigkeit und Heroismus ist höchst selten. Die große Mehrzahl der Menschen ist nicht verderbt genug oder nicht tugendhaft genug, um treue und aufopfernde Mitglieder verrätherischer und blutiger Bündnisse zu sein, und wenn ein einziges Mitglied entweder nicht die nöthige Schlechtigkeit oder nicht die nöthige Tugend besitzt, so ist das [XXI.87] ganze Bündniß in Gefahr. Einen Verein von vierzig Engländern zusammenzubringen, die sämmtlich gefühllose Kehlabschneider und dabei doch so rechtschaffen und hochherzig sind, daß weder die Hoffnung auf Reichthum noch die Furcht vor dem Galgen Einen von ihnen verleiten könnte, gegen die Uebrigen falsch zu sein, ist bisher unmöglich gewesen und wird es hoffentlich immer bleiben.

Es befanden sich unter Barclay’s Anhängern Leute, die zu schlecht, und Leute, die zu gut waren, als daß man ihnen ein Geheimniß wie das seinige hätte anvertrauen können. Der Erste, dem der Muth sank, war Fisher. Schon ehe noch Zeit und Ort des Verbrechens festgesetzt waren, suchte er um eine Audienz bei Portland nach und theilte diesem Lord mit, daß ein Anschlag auf das Leben des Königs im Werke sei. Einige Tage darauf brachte Fisher noch genauere Nachrichten. Doch sein Ruf war nicht von der Art, daß seine Aussagen besonderen Glauben verdient hätten, und die Schurkereien Fuller’s, Young’s, Whitney’s und Taafe’s hatten verständige Männer etwas ungläubig gegen Verschwörungsgeschichten gemacht. Portland scheint daher, obgleich er in der Regel sehr leicht zu beunruhigen war, wo es sich um das Wohl und Wehe seines Gebieters und Freundes handelte, wenig Gewicht auf die Sache gelegt zu haben. Am Abend des 14. Februars aber erhielt er einen Besuch von Jemandem, dessen Aussage er nicht leicht nehmen konnte. Dies war ein katholischer Gentleman von anerkanntem Muthe und ehrenhafter Gesinnung, Namens Pendergraß. Er war den Tag vorher aus Hampshire in die Stadt gekommen in Folge einer dringenden Einladung von Porter, der bei aller seiner Sittenlosigkeit und Characterlosigkeit Pendergraß stets der liebevollste Freund, ja fast ein Vater gewesen war. Bei einem jakobitischen Aufstande würde Pendergraß wahrscheinlich einer der Ersten gewesen sein. Aber mit Entsetzen vernahm er, daß man von ihm die Betheiligung an einer abscheulichen und schimpflichen That erwartete. Er sah sich in einer von den Lagen, welche für edle und gefühlvolle Naturen am quälendsten sind. Was sollte er thun? Sollte er einen Mord begehen? Sollte er einen Mord geschehen lassen, den er verhindern konnte? Doch sollte er einen Mann verrathen, der, wie strafbar er auch sein mochte, ihn stets mit Wohlthaten überhäuft hatte? War es nicht vielleicht möglich, Wilhelm zu retten, ohne Porter zu schaden? Pendergraß beschloß, den Versuch zu machen. „Mylord,” sagte er zu Portland, „wenn Ihnen das Leben des Königs Wilhelm lieb ist, so lassen Sie ihn morgen nicht zur Jagd fahren. Er ist der Feind meiner Religion; aber meine Religion gebietet mir, ihm diesen Wink zu geben. Die Namen der Verbrecher bin ich jedoch entschlossen zu verschweigen; einige von ihnen sind meine Freunde, einer insbesondere ist mein Wohlthäter, und ich mag sie nicht verrathen.”

Portland begab sich sogleich zum Könige; dieser aber nahm die Mittheilung sehr kalt auf und schien entschlossen, sich durch eine solche müßige Geschichte nicht das Vergnügen eines guten Jagdtages verderben zu lassen. Portland demonstrirte und bat vergebens. Endlich sah er sich gezwungen, die Drohung auszusprechen, daß er die ganze Geschichte auf der Stelle öffentlich bekannt machen würde, wenn Se. Majestät nicht einwilligte, den folgenden Tag zu Hause zu bleiben; und diese Drohung wirkte. [109]

[XXI.88]

Sonnabend der 15. erschien. Die Vierzig waren bereit zu Pferde zu steigen, als sie von den Ordonnanzen, welche Kensington House bewachten, die Meldung erhielten, daß der König diesen Morgen nicht auf die Jagd zu gehen gedenke. „Der Fuchs,” sagte Chambers mit rachsüchtiger Bitterkeit, „bleibt in seinem Baue.” Dann öffnete er sein Hemd, zeigte die große Narbe auf seiner Brust und gelobte Wilhelm Rache.

Der erste Gedanke der Verschwörer war, daß ihr Vorhaben entdeckt sei. Aber sie wurden bald darüber beruhigt. Es wurde ausgesprengt, das Wetter habe den König zu Hause zurückgehalten, und der Tag war in der That kalt und stürmisch. Es zeigte sich keine ungewöhnliche Bewegung im Palaste. Es wurden keine außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln getroffen. Es fanden keine Verhaftungen statt. Man hörte in den Kaffeehäusern kein ominöses Geflüster. Die Verzögerung war unangenehm, aber im Grunde war der nächste Sonnabend, der 22., eben so gut.

Ehe jedoch der nächste Sonnabend herankam, war ein dritter Angeber, De la Rue, im Palaste erschienen. Sein Lebenswandel verlieh ihm zwar keinen großen Anspruch auf Achtung; aber seine Erzählung stimmte mit den Angaben Fisher’s und Pendergraß’ so genau überein, daß selbst Wilhelm an eine wirkliche Gefahr zu glauben begann.

Sehr spät am Freitagabend, dem 21., wurde Pendergraß, der bis jetzt noch viel weniger enthüllt hatte, als die beiden anderen Angeber, dessen einfaches Wort aber mehr werth war als Beider Eide zusammengenommen, ins königliche Cabinet beschieden. Der treue Portland und der tapfere Cutts waren die einzigen Zeugen der sonderbaren Unterredung zwischen dem Könige und seinem hochherzigen Feinde. Wilhelm drang mit einer Artigkeit und Lebhaftigkeit, die er selten zeigte, aber niemals anwendete, ohne damit einen tiefen Eindruck zu machen, in Pendergraß, sich offen auszusprechen. „Sie sind ein Mann von wahrer Rechtschaffenheit und Ehre, und ich bin Ihnen zu großem Danke verpflichtet; aber Sie müssen einsehen, daß die nämlichen Betrachtungen, die Sie bewogen haben, uns so viel zu sagen, Sie bestimmen sollten, uns noch mehr zu sagen. Die warnenden Winke, die Sie bis jetzt gegeben haben, sind nur geeignet, mich gegen Jeden, der in meine Nähe kommt, mißtrauisch zu machen. Sie sind hinreichend, mir das Leben zu verbittern, nicht aber es mir zu erhalten. Sie müssen mir die Namen dieser Leute nennen.” Ueber eine halbe Stunde fuhr der König fort zu bitten, Pendergraß, sich zu weigern. Endlich sagte Pendergraß, daß er die verlangten Aufschlüsse geben wolle, wenn man ihm die Zusicherung gebe, daß sie nur zur Verhinderung des Verbrechens und nicht zum Verderben der Verbrecher benutzt werden sollten. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort,” sagte Wilhelm, „daß Ihre Aussage gegen Niemanden ohne Ihre freie Zustimmung benutzt werden wird.” Es war längst Mitternacht vorüber, als Pendergraß die Namen der Hauptverschwörer aufschrieb.

Während dies in Kensington geschah, schwelgte ein großer Theil der Mörder in einem jakobitischen Wirthshause in Maiden Lane. Hier empfingen sie ihre letzten Befehle für den folgenden Tag. „Morgen oder nie,” sagte King. „Morgen Kinder,” rief Cassels mit einem Fluche, „wollen wir reine Wirthschaft machen.” Der Morgen kam. Alles war bereit; die Pferde waren gesattelt, die Pistolen geladen, die Degen geschliffen, die Ordonnanzen auf ihrem Posten. Letztere schickten frühzeitig die [XXI.89] Meldung aus dem Palaste, daß der König gewiß auf die Jagd fahre; alle gewöhnlichen Anstalten seien getroffen, eine Abtheilung Garden sei über Kingston Bridge nach Richmond geschickt worden; die königlichen Wagen, jeder mit sechs Pferden bespannt, seien aus den Ställen von Charing Croß nach Kensington abgegangen. Die Hauptmörder versammelten sich in der heitersten Stimmung in Porter’s Wohnung. Pendergraß, der auf Befehl des Königs ebenfalls in ihrer Mitte erschien, wurde mit wildem Jubel empfangen. „Pendergraß,” sagte Porter, „Sie sind zu einem der Acht ernannt, die ihn hinüber befördern sollen. Ich habe ein Musketon für Sie, das acht Kugeln hält.” — „Mr. Pendergraß,” sagte King, „bitte, scheuen Sie sich nicht, die Glasscheiben zu zertrümmern.” Von Porter’s Wohnung begab sich die Gesellschaft nach den „Blue Posts” in Spring Gardens, wo sie einige Erfrischungen einzunehmen gedachte, bevor sie nach Turnham Green aufbrach. Sie saßen bei Tische, als von einer der Ordonnanzen die Meldung kam, daß der König sich anders besonnen habe und nicht auf die Jagd fahren werde; und kaum hatten sie sich von ihrem Erstaunen über diese unheilverkündende Botschaft erholt, als Keyes, der ausgegangen war, um unter seinen ehemaligen Kameraden zu recognosciren, mit noch unheilverkündenderen Nachrichten ankam, „Die Wagen sind nach Charing Croß zurückgekehrt. Die nach Richmond vorausgeschickten Garden sind so eben im gestreckten Galopp, die Flanken ihrer Pferde mit Schaum bedeckt, wieder in Kensington angelangt. Ich habe mit einem der Blauen einige Worte gesprochen, und er sagte mir, daß ganz wunderliche Dinge gemunkelt würden.” Die Gesichter der Mörder verlängerten sich und das Herz sank ihnen in der Brust. Porter machte einen schwachen Versuch, seine Unruhe zu verbergen. Er nahm eine Orange und zerdrückte sie. „Was heute nicht geschehen kann, kann ein andermal geschehen. Kommen Sie, meine Herren, lassen Sie uns, bevor wir auseinandergehen, noch ein Glas auf das Zerquetschen der faulen Orange trinken.” Man trank auf das Zerquetschen der faulen Orange und die Gesellschaft zerstreute sich. [110]

Noch wenige Stunden und sämmtliche Verschwörer gaben jede Hoffnung auf. Einige von ihnen schöpften Trost aus dem Gerücht, daß der König Arzenei eingenommen habe und daß dies der einzige Grund gewesen, warum er nicht nach Richmond gefahren sei. Wenn dies wahr sei, könne der Schlag noch immer geführt werden. Zwei Sonnabende seien ungünstig gewesen; aber der Sonntag stehe bevor, und man könne einen der früher besprochenen und aufgegebenen Pläne wieder in Erwägung ziehen. Man könne den Usurpator am Rande von Hydepark auf seinem Wege in die Kapelle überfallen. Charnock war zu jedem, auch noch so verzweifelten Unternehmen bereit. Wenn die Jagd einmal begonnen habe, meinte er, sei es besser, bis zum letzten Athemzuge um sich beißend und kratzend zu sterben, als sich ohne Widerstand oder Rache zu Tode hetzen zu lassen. Er berief einige seiner Complicen in eines der zahlreichen Häuser, in denen er eine Wohnung hatte, und setzte ihnen mit Toasten [XXI.90] auf den König, die Königin, den Prinzen und den großen Monarchen, wie sie Ludwig XIV. nannten, hart zu. Aber die Angst und Muthlosigkeit der Bande waren stärker, als die Macht des Weines, und es hatten sich so Viele heimlich fortgeschlichen, daß die Zurückgebliebenen wenig ausrichten konnten. Im Laufe des Nachmittags erfuhr man, daß die Palastwachen verstärkt worden seien, und bald nach Einbruch der Dunkelheit eilten Boten des Staatssekretärs mit Fackeln, begleitet von Musketierpikets, durch die Straßen. Vor Anbruch des Sonntagmorgens war Charnock in Sicherheit gebracht. Ein wenig später wurden Rookwood und Bernardi in einem jakobitischen Alehause auf Tower Hill im Bett gefunden. Im Laufe des Vormittags wurden noch siebzehn weitere Verräther ergriffen und auch drei Mann von den Blauen in Arrest geschickt. Es wurde noch diesen Morgen eine Staatsrathssitzung gehalten, und sobald sie aufgehoben war, ging ein Expresser nach Flandern ab, um einige Regimenter von dort zurückzuberufen; Dorset reiste nach Sussex ab, dessen Lordlieutenant er war; Romney, der Aufseher der Fünfhäfen, begab sich an die Küste von Kent, und Russell eilte die Themse hinunter, um das Commando der Flotte zu übernehmen. Am Abend hielt der Staatsrath wieder Sitzung. Einige der Gefangenen wurden verhört und ins Gefängniß geschickt. Der anwesende Lordmayor wurde von der gemachten Entdeckung in Kenntniß gesetzt und speciell beauftragt, für die Ruhe der Hauptstadt zu sorgen. [111]

Am Montagmorgen waren alle Milizen der City unter den Waffen. Der König begab sich mit feierlichem Gepränge ins Haus der Lords, ließ die Gemeinen entbieten und sagte dem Parlamente vom Throne herab, daß er ohne den Schutz einer allgütigen Vorsehung in diesem Augenblicke eine Leiche und eine französische Armee unterwegs sein würde, um in das Königreich einzufallen. Die Gefahr einer Invasion, setzte er hinzu, sei noch immer groß, aber er habe bereits diejenigen Anordnungen getroffen, die, wie er hoffe, zum Schutze des Landes hinreichen würden. Einige Verräther seien eingezogen, gegen andere seien Verhaftsbefehle erlassen; er werde in dieser Krisis seine Schuldigkeit thun und hege das feste Vertrauen zu den Häusern, daß sie auch die ihrige thun würden. [112]

Parlamentarische Schritte bezüglich des Mordanschlags.

Die beiden Häuser votirten sofort eine gemeinschaftliche Adresse, in der sie dankbar die göttliche Güte anerkannten, die ihn seinem Volke erhalten, und ihn beschworen, mehr als gewöhnlich Acht auf seine Person zu haben. Sie schlossen mit der dringenden Mahnung, alle Diejenigen, die er für gefährlich halte, festnehmen und in Sicherheit bringen zu lassen. An dem nämlichen Tage wurden zwei wichtige Bills bei den Gemeinen eingebracht. Durch die eine wurde die Habeascorpusacte suspendirt. Die andre bestimmte, daß das Parlament durch Wilhelm’s Tod nicht aufgelöst werden solle. Sir Rowland Gwyn, ein achtbarer Landgentleman, stellte einen Antrag, dessen wichtige Folgen er gewiß nicht im entferntesten ahnete. Er schlug vor, daß die Mitglieder einen Verein zur Vertheidigung ihres Souverains und ihres Vaterlandes bilden sollten. Montague, der die [XXI.91] besondere Gabe besaß, einen Wink rasch aufzufassen und zu benutzen, erkannte sogleich, wie sehr ein solcher Verein die Regierung und die Whigpartei kräftigen mußte. [113] Es wurde unverzüglich ein Dokument aufgesetzt, durch das die Vertreter des Volks, jeder für seine Person, feierlich Wilhelm als rechtmäßigen und gesetzlichen König anerkannten und sich verpflichteten, ihm und einander unter sich gegen Jakob und dessen Anhänger beizustehen. Schließlich gelobten sie, daß, wenn Sr. Majestät Leben gewaltsam abgekürzt werden sollte, sie ihn exemplarisch an seinen Mördern rächen und einmüthig die durch die Rechtsbill festgestellte Thronfolge energisch aufrechterhalten würden. Es wurde angeordnet, daß die Mitglieder des Hauses am nächsten Morgen namentlich aufgerufen werden sollten. [114] Sie fanden sich in Folge dessen sehr zahlreich ein, die Associationsurkunde lag in einer Reinschrift auf Pergament auf dem Tische und die Mitglieder unterzeichneten dieselbe nach der Reihenfolge der Grafschaften. [115]

Stand der öffentlichen Stimmung.

Die Rede des Königs, die gemeinsame Adresse der beiden Häuser, der von den Gemeinen gebildete Verein und eine Proklamation, die eine Liste der Verschwörer enthielt und eine Belohnung von tausend Pfund auf die Ergreifung eines jeden derselben aussetzte, wurden bald in allen Straßen der Hauptstadt zum Verkauf ausgeboten und durch alle Posten über das ganze Land verbreitet. Ueberall wohin die Nachricht kam, gerieth das Volk in Bewegung. Die beiden verhaßten Worte Meuchelmord und Invasion wirkten wie ein Zauberspruch. Es bedurfte keines Preßgangs. Die Matrosen kamen zu Tausenden aus ihren Verstecken hervor, um die Flotte zu bemannen. Nur drei Tage nach der Berufung des Königs an die Nation verließ Russell mit einem starken Geschwader die Themse. Ein andres lag bei Spithead schlagfertig. Die Milizen aller Küstengrafschaften, vom Wash bis Land’s Ende standen unter den Waffen. Leute, welche bloßer politischer Vergehen wegen angeklagt waren, fanden in der Regel viel Theilnahme. Aber auf Barclay’s Mordgenossen machte die ganze Bevölkerung wie auf Wölfe Jagd. Der Abscheu, den die Engländer seit vielen Generationen gegen Haussuchungen und alle diejenigen Hindernisse empfinden, welche die Polizei der festländischen Staaten den Reisenden in den Weg legt, ruhte für einige Zeit. Die Thore der City von London wurden mehrere Stunden verschlossen gehalten, während drinnen genaue Durchsuchungen stattfanden. Die Behörden fast aller umwallten Städte des Königreichs folgten dem Beispiele der Hauptstadt. Auf jeder Landstraße waren Militärpikets postirt, mit dem Befehl, Reisende von verdächtigem Aussehen anzuhalten. Einige Tage lang war es fast unmöglich, ohne Paß zu reisen oder ohne besondere Autorisation eines Friedensrichters Postpferde zu erhalten. Und keine einzige Stimme erhob sich gegen diese Vorsichtsmaßregeln. Das gemeine Volk entwickelte sogar einen wo möglich noch größeren Eifer als die öffentlichen Beamten, um die Verräther in die Hände der Justiz zu bringen. Dieser Eifer mag vielleicht zum Theil der großen Belohnung zugeschrieben werden, welche die königliche Proklamation versprach. Der Haß, den [XXI.92] jeder gute Protestant gegen die papistischen Mörder empfand, wurde nicht wenig verstärkt durch die Lieder, in denen die Straßenpoeten den glücklichen Miethkutscher besangen, der einen Hochverräther abgefaßt, seine tausend Pfund in Empfang genommen und sich als Gentleman zur Ruhe gesetzt hatte. [116] Der Eifer des Volks konnte an einigen Orten nur mit Mühe in den gesetzlichen Schranken gehalten werden. Auf Parkyns’ Landsitze in Warwickshire wurden Waffen und Armaturstücke zur Equipirung einer ganzen Reiterschwadron gefunden. Sobald dies bekannt wurde, rottete sich ein wüthender Pöbelhaufen zusammen, demolirte das Haus und verwüstete die Gartenanlagen vollständig. [117] Parkyns selbst wurde bis in eine Dachkammer im Temple verfolgt. Porter und Keyes, welche nach Surrey geflüchtet waren, wurden mit Steckbriefen verfolgt, bei Leatherhead durch das Landvolk angehalten, nach schwachem Widerstande festgenommen und ins Gefängniß geworfen. Friend wurde im Hause eines Quäkers versteckt gefunden. Knightley wurde in der Verkleidung einer eleganten Dame ergriffen und trotz Schönpflästerchen und Schminke erkannt. In wenigen Tagen waren alle Hauptverschwörer in sicherem Gewahrsam, mit Ausnahme Barclay’s, dem es gelang, nach Frankreich zu entkommen.

Zu gleicher Zeit wurden einige notorische Mißvergnügte eingezogen und eine Zeit lang auf Verdachtgründe hin in Haft gehalten. So wurde der greise Roger Lestrange, der jetzt in seinem achtzigsten Lebensjahre stand, ergriffen. Ferguson wurde in Gray’s Inn Lane unter einem Bett versteckt gefunden und zur allgemeinen Freude in Newgate eingesperrt. [118] Inzwischen wurde eine Specialcommission zur Prozessierung der Hochverräther eingesetzt. An Zeugen fehlte es nicht, denn von den ergriffenen Verschwörern waren zehn oder zwölf bereit, ihre Köpfe dadurch zu retten, daß sie als Belastungszeugen gegen ihre Genossen auftraten. Niemand war strafbarer und Niemand hatte eine verächtlichere Furcht vor dem Tode als Porter. Die Regierung willigte ein, sein Leben zu schonen und erlangte dadurch nicht nur sein Zeugniß, sondern auch das viel achtbarere Zeugniß Pendergraß’. Pendergraß war nicht in Gefahr, er hatte nichts begangen, sein Ruf war unbescholten und seine Aussagen mußten daher bei einer Jury viel größeres Gewicht haben als die Aussagen einer Menge von Angebern, welche nur schwuren, um ihre Hälse zu retten. Aber er hatte das Ehrenwort des Königs, daß er nicht ohne seine freie Zustimmung als Ankläger benutzt werden sollte, und er war fest entschlossen, nur dann als solcher aufzutreten, wenn ihm die Zusicherung gegeben wurde, daß Porter nichts geschehen sollte. Diese Zusicherung war jetzt gegeben und Pendergraß nahm nun keinen Anstand mehr, die ganze Wahrheit zu erzählen.

Prozeß Charnock’s, King’s und Keyes’.

Charnock, King [XXI.93] und Keyes wurden zuerst prozessirt. Die Oberrichter der drei Civilgerichtshöfe und mehrere andere Richter waren auf der Bank, und unter den Zuhörern bemerkte man viele Mitglieder beider Parlamentshäuser.

Es war der 11. März. Die neue Acte, welche das Verfahren in Hochverrathsfällen regulirte, sollte erst am 25. in Kraft treten. Die Angeklagten verlangten, daß, da die Legislatur durch Erlassung dieser Acte den Anspruch eines des Hochverraths Beschuldigten auf Einsicht seiner Anklage als begründet anerkannt und ihm den Beistand eines Advokaten zugestanden habe, das Tribunal ihnen entweder das was die höchste Autorität für eine gerechte Vergünstigung anerkannt, bewilligen oder die Untersuchung vierzehn Tage aufschieben müsse. Die Richter aber wollten in keinen Aufschub willigen. Sie sind deshalb von späteren Schriftstellern beschuldigt worden, den todten Buchstaben des Gesetzes angewendet zu haben, um Menschen ins Verderben zu stürzen, die, wenn das Gesetz nach seinem wahren Geiste ausgelegt worden wäre, einige Aussicht gehabt hätten davonzukommen. Diese Beschuldigung ist ungerecht. Die Richter brachten unzweifelhaft die wirkliche Intention des Gesetzes zur Anwendung, und wenn eine Ungerechtigkeit begangen wurde, so ist die Legislatur und nicht die Richter dafür verantwortlich zu machen. Die Worte „25. März” haben sich nicht aus Versehen in die Acte eingeschlichen. Alle Parteien im Parlamente waren über das Prinzip der neuen Verordnungen längst einverstanden. Der einzige noch strittige Punkt war die Zeit, zu welcher diese Verordnungen in Kraft treten sollten. Nach langen Debatten, die sich durch mehrere Sessionen zogen, nach wiederholten Abstimmungen mit verschiedenen Resultaten, war ein Vergleich getroffen worden, und es stand den Gerichtshöfen sicherlich nicht zu, die Bestimmungen dieses Vergleichs abzuändern. Man kann sogar zuversichtlich behaupten, daß die Häuser, wenn sie das Mordcomplott vorausgesehen hätten, nicht einen früheren, sondern einen späteren Tag für den Anfang des neuen Systems bestimmt haben würden. Unbestreitbar verdiente das Parlament und insbesondere die Whigpartei ernsten Tadel. Denn wenn die alten Procedurregeln der Krone keinen unbilligen Vortheil gewährten, so war kein Grund vorhanden, sie abzuändern, und wenn sie, wie allgemein angenommen wurde, der Krone einen unbilligen Vortheil gewährten, und dies gegen einen auf Leben und Tod Angeklagten, so durften sie dieselben nicht einen einzigen Tag länger fortbestehen lassen. Den Gerichten aber kann man keinen Vorwurf daraus machen, daß sie nicht in directem Widerspruch mit dem Buchstaben wie mit dem Geiste des Gesetzes handelten.

Die Regierung hätte allerdings die Untersuchungen so lange aufschieben können, bis die neue Acte in Kraft trat, und es würde eben so weise als gerecht gewesen sein, wenn sie dies gethan hätte, denn die Angeklagten würden dadurch nichts gewonnen haben. Der gegen sie vorliegende Fall war einer von Denen, auf welche der Scharfsinn der Juristenfacultäten keinen Eindruck machen konnte. Porter, Pendergraß, De la Rue und Andere gaben Aussagen ab, die keine Entgegnung zuließen. Charnock sagte das Wenige was er zu sagen hatte, mit Gewandtheit und Geistesgegenwart. Die Jury fand alle Angeklagten schuldig. Es gereicht der damaligen Zeit eben nicht zu großer Ehre, daß die Verkündigung des Verdicts von der Volksmenge, welche das Gerichtshaus umgab, mit lauten Hurrahs begrüßt wurde. Diese Hurrahs wiederholten sich, als die drei Unglücklichen, [XXI.94] nachdem sie ihr Urtheil angehört, in Begleitung einer Wache fortgeführt wurden. [119]

Charnock hatte bisher kein Zeichen von Schwäche blicken lassen; als er aber wieder in seiner Zelle war, verließ ihn seine Standhaftigkeit und er bat flehentlich um Gnade. Er wolle zufrieden sein, sagte er, wenn er den Rest seiner Tage in leichter Haft zubringen dürfe. Nur um sein Leben bitte er. Dafür werde er dann auch von den Anschlägen der Jakobiten gegen die Regierung Alles entdecken was er wisse. Wenn es sich herausstellen sollte, daß er Winkelzüge mache oder etwas verschweige, so sei er bereit, sich der äußersten Strenge des Gesetzes zu unterwerfen. Dieses Anerbieten rief große Aufregung und einige Meinungsverschiedenheit unter Wilhelm’s Räthen hervor. Der König aber entschied, wie in solchen Fällen fast immer, mit Weisheit und Großmuth. Er sah, daß die Entdeckung des Mordcomplots die ganze Lage der Dinge verändert hatte. Sein vor kurzem schwankender Thron stand jetzt auf einer unerschütterlich festen Basis. Seine Popularität war mit ungestümer Schnelligkeit eben so hoch gestiegen, als zur Zeit seines Marsches von Torbay nach London. Viele, die mit seiner Verwaltung unzufrieden gewesen waren und in ihrem Unmuth mit Saint-Germains Verkehr gepflogen hatten, machten die betrübende Erfahrung, daß sie gewissermaßen mit Mördern verbündet gewesen waren. Er wollte diese Leute nicht zur Verzweiflung treiben, er wollte sie nicht einmal beschämen. Sie sollten nicht nur ungestraft bleiben, es sollte ihnen auch die Demüthigung einer Begnadigung erspart werden. Er wollte gar nicht wissen, daß sie gesündigt hatten. Charnock wurde jedoch seinem Schicksale überlassen. [120] Nachdem er die Ueberzeugung gewonnen, daß er keine Aussicht hatte, als Ueberläufer aufgenommen zu werden, affectirte er den würdevollen Stolz eines Märtyrers und führte seine Rolle bis zu Ende durch. Um mit möglichstem Anstande aus der Welt zu gehen, bestellte er sich einen schönen neuen Rock für seine Hinrichtung und ließ an seinem Todestage seine Perrücke mit besonderer Sorgfalt pudern und frisiren. [121] Unmittelbar vor seiner Aufknüpfung händigte er den Sheriffs ein Schriftstück ein, worin er gestand, daß er gegen das Leben des Prinzen von Oranien conspirirt, aber feierlich leugnete, daß Jakob den Mordplan irgendwie autorisirt habe. Diese Behauptung war allerdings buchstäblich richtig; aber Charnock leugnete nicht und hätte auch sicherlich nicht leugnen können, daß er eine von Jakob geschriebene und unterzeichnete Vollmacht gesehen, welche Worte enthielt, die, ohne der Wahrheit im Geringsten Gewalt anzuthun, als eine Autorisirung des mörderischen Ueberfalls von Turnham Green ausgelegt werden konnten und von Allen, denen sie zu Gesicht kamen, auch wirklich so ausgelegt wurden.

In einem andren Schriftstücke, das noch existirt, aber nie gedruckt worden ist, führt Charnock in der That eine ganz andre Sprache. Er [XXI.95] sagt darin offen, daß er aus Gründen, welche zu nahe lägen, als daß sie besonderer Erwähnung bedürften, in dem Papiere, das er den Sheriffs übergeben, nicht die ganze Wahrheit habe sagen können. Er gab zu, daß das Complot, in das er verwickelt gewesen sei, selbst vielen loyalen Unterthanen als höchst strafbar erschiene. Sie nannten ihn einen Meuchelmörder und Todtschläger. Doch was habe er Schlimmeres gethan als Mucius Scävola? Ja, was habe er Schlimmeres gethan als Jeder gethan habe, der gegen den Prinzen von Oranien die Waffen getragen? Wenn plötzlich eine Armee von zwanzigtausend Mann in England gelandet wäre und den Usurpator überfallen hätte, so würde man dies rechtmäßigen Krieg genannt haben. Hänge der Unterschied zwischen Krieg und Mord lediglich von der Anzahl der dabei betheiligten Personen ab? Welches sei dann die geringste Anzahl, die einen Feind rechtmäßigerweise überfallen dürfe? Seien es fünftausend, tausend oder hundert Personen? Jonathan und sein Waffenträger seien ihrer nur Zwei gewesen, und doch hätten sie ein großes Blutbad unter den Philistern angerichtet. Sei das Mord gewesen? Nicht der Act an sich, sagte Charnock, könne das Tödten zum Meuchelmord machen, sondern nur die Ursache, aus der es geschieht. Daraus folge, daß es kein Mord sein könne, Jemanden zu tödten — und hier ließ der dem Tode Geweihte seinem ganzen Hasse freien Lauf — der allen loyalen Unterthanen einen Vernichtungskrieg erklärt, der Jeden, der für das Recht aufgestanden sei, gehängt, geschleift und geviertheilt, der England ausgesogen habe, um die Holländer zu bereichern. Charnock gab zu, daß sein Unternehmen nicht zu rechtfertigen gewesen wäre, wenn Jakob es nicht autorisirt gehabt hätte; aber er behauptete, daß Jakob es autorisirt habe, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch stillschweigend. Se. Majestät habe zwar früher ähnliche Attentate verboten, aber er habe sie nicht als an sich strafbar, sondern nur als unter diesen oder jenen Umständen unzweckmäßig verboten. Die Umstände hätten sich geändert, und man habe daher das Verbot mit gutem Grunde als aufgehoben betrachten dürfen. Sr. Majestät getreue Unterthanen hätten sich dann nur an die Worte seiner Vollmacht zu halten gehabt, und diese Worte autorisirten unbestreitbar zu einem Angriffe auf die Person des Usurpators. [122]

Hinrichtung Charnock’s, King’s und Keyes’.

King und Keyes erlitten zugleich mit Charnock den Tod. King benahm sich mit Muth und Anstand. Er bekannte sein Verbrechen und sagte, daß er es bereue. Er hielt es für eine Pflicht gegen die Kirche, deren Mitglied er [XXI.96] war und auf die sein Benehmen einen Vorwurf gebracht, zu erklären, daß er nicht durch eine Casuistik über Tyrannenmord, sondern lediglich durch die Heftigkeit seiner eigenen bösen Leidenschaften irregeleitet worden sei. Der arme Keyes war in einer fürchterlichen Todesangst. Seine Thränen und Wehklagen machten das Mitleid einiger Zuschauer rege. Es wurde damals gesagt und ist seitdem oft wiederholt worden, daß ein Diener, der durch seinen Herrn zu einem Verbrechen verleitet wird, gegründeten Anspruch auf die königliche Gnade habe. Aber Diejenigen, welche die Strenge tadeln, die gegen Keyes geübt wurde, haben den wichtigen Umstand außer Acht gelassen, der ihn von jedem andren Verschwörer unterschied. Er hatte dem Corps der Blauen angehört und hatte bis zum letzten Augenblicke in Verkehr mit seinen ehemaligen Kameraden gestanden. Noch an dem für den Mord festgesetzten Tage hatte er sich unter sie gemischt, um etwas von ihnen zu erfahren. Das Regiment war so stark von Illoyalität angesteckt, daß man es für nöthig erachtet hatte, einige Leute zu verhaften und eine bedeutend größere Anzahl zu entlassen. Gewiß, wenn an irgend Jemandem ein Exempel statuirt werden mußte, so war es der Agent, durch dessen Vermittelung die Leute, die den König erschießen wollten, mit den Leuten verkehrten, welche die Obliegenheit hatten, ihn zu bewachen.

Prozeß Friend’s.

Friend wurde zunächst in Untersuchung gezogen. Sein Verbrechen war nicht so schwarzer Natur wie das der drei Verschwörer, welche so eben den Tod erlitten hatten. Er hatte zwar auswärtige Feinde aufgefordert, in das Land einzufallen, und hatte Anstalten getroffen, sich ihnen anzuschließen; aber wenn er auch um den Mordplan gewußt hatte, war er doch kein Theilnehmer an demselben gewesen. Doch sein großes Vermögen und der Gebrauch, den er, wie man sehr wohl wußte, davon gemacht hatte, bezeichneten ihn als ein passendes Strafobject. Er bat, wie Charnock, um einen Vertheidiger, aber eben so vergebens wie dieser. Die Richter konnten den Gang des Gesetzes nicht hemmen, und der Generalfiskal wollte den Prozeß nicht aufschieben. Die Verhandlungen jenes Tages sprechen stark zu Gunsten der Acte, von deren Wohlthat Friend ausgeschlossen war. Man kann sie, selbst nach so langer Zeit, nicht lesen, ohne Mitleid mit einem beschränkten und verbildeten, durch die Todesgefahr entmuthigten, einem kaltblütigen, klugen und erfahrenen Antagonisten gegenüberstehenden Manne zu empfinden. Charnock hatte sich und Die, welche mit ihm prozessirt wurden, so gut vertheidigt, wie irgend ein Advokat von Profession es vermocht hätte. Der arme Friend aber war hülflos wie ein Kind. Er wußte wenig mehr zu sagen, als daß er ein Protestant, und seine Ankläger Papisten seien, die von ihren Priestern Dispensationen zum Meineid hatten und die es für ein verdienstvolles Werk hielten, Ketzer ums Leben zu schwören. Er war so völlig unwissend in den Gesetzen und der Geschichte des Landes, daß er glaubte, das unter der Regierung Eduards III., zu einer Zeit, wo es nur eine Religion im westlichen Europa gab, erlassene Hochverrathsgesetz enthalte eine Bestimmung des Inhalts, daß kein Papist vor Gericht zeugen dürfe, so daß der Sekretär des Gerichtshofes sich genöthigt sah, die ganze Acte von Anfang bis zu Ende vorzulesen. Es war unmöglich, daß ein Vernünftiger an seiner Schuld zweifeln konnte. Er wurde für schuldig befunden, was sicherlich auch geschehen sein würde, wenn ihm die Vorrechte, die er beansprucht hatte, bewilligt worden wären.

Parkyns’ Prozeß.

Nach Friend kam Parkyns an die Reihe. [XXI.97] Er war bei dem schlimmsten Theile des Complots tief betheiligt gewesen, und war in einer Beziehung weniger zu entschuldigen als irgend einer seiner Complicen, denn sie alle waren Eidverweigerer, er aber hatte der bestehenden Regierung Treue geschworen. Auch er verlangte, daß er nach den Bestimmungen der neuen Acte prozessirt werde. Aber die Staatsanwälte bestanden auf ihrem äußersten Rechte und sein Gesuch wurde abgeschlagen. Da er ein Mann von bedeutenden Talenten war und die Rechtswissenschaft studirt hatte, so machte er wahrscheinlich Alles zu seinen Gunsten geltend, was ein Advokat hätte geltend machen können, und dies Alles war sehr wenig. Er wurde für schuldig befunden und sechs Stunden vor dem Augenblicke wo das Gesetz, dessen Wohlthat er umsonst beansprucht hatte, in Kraft treten sollte, zum Tode verurtheilt. [123]

Die Hinrichtung der beiden Ritter wurde von der Bevölkerung London’s begierig erwartet. Die Generalstaaten wurden von ihrem Correspondenten benachrichtigt, daß das Hängen eines Menschen von allen Schauspielen dasjenige sei, an welchem die Engländer das meiste Vergnügen fänden, und daß von allen Hängescenen, die seit Menschengedenken stattgefunden, die Hinrichtung Friend’s und Parkyns’ das meiste Interesse erregte. Das gemeine Volk war durch Gerüchte über die unerhört schlechte Qualität des von ihm gebrauten Biers gegen ihn aufgereizt worden. Man hatte sogar ausgesprengt, daß er in seinem Eifer für die jakobitische Sache alles der Flotte gelieferte Bier vergiftet habe. In Folge dessen strömte eine unabsehbare Menschenmasse nach Tyburn. Es waren Gerüste erbaut worden, die ein ungeheures Amphitheater rund um den Galgen bildeten. Auf diesen Gerüsten standen die wohlhabenderen Zuschauer in dichtgedrängten Reihen, und die Erwartung war aufs Höchste gespannt, als die Meldung kam, daß das Schauspiel aufgeschoben sei. Die Menge entfernte sich in sehr übler Laune und nicht ohne zahlreiche Kämpfe zwischen Denen, die ihre Plätze bezahlt hatten, und Denen, die sich weigerten, das Geld zurückzugeben. [124]

Die Ursache dieser unangenehmen Enttäuschung war ein von den Gemeinen plötzlich gefaßter Beschluß. Ein Mitglied hatte vorgeschlagen, daß ein Ausschuß in den Tower geschickt werden sollte, mit der Ermächtigung, die Gefangenen zu verhören und ihnen Hoffnung zu machen, daß sie durch ein vollständiges und unumwundenes Geständniß die Fürsprache des Hauses erlangen könnten. Aus den dürftigen Mittheilungen, die auf uns gekommen sind, geht hervor, daß die Debatte höchst interessant gewesen sein muß. Die Parteien schienen die Rollen gewechselt zu haben. Man hätte erwarten sollen, daß die Whigs unerbittlich streng sein würden und daß, wenn sich einige Theilnahme für die Unglücklichen kund gäbe, diese Theilnahme auf Seiten der Tories hätte sein müssen. Aber viele von den Whigs hofften, daß sie durch Schonung zweier Verbrecher, welche unschädlich gemacht waren, zahlreiche Verbrecher vornehmen Standes und hoher amtlicher Stellung würden entdecken und vernichten können. Auf der andren Seite sah Jeder, der einmal in directem oder indirectem Verkehr mit Saint-Germains gestanden oder der sich für eine Person, die [XXI.98] möglicherweise in einem solchen Verkehr gestanden haben könnte, interessirte, mit ängstlicher Besorgniß den Enthüllungen entgegen, welche die Furcht vor dem Tode den Gefangenen auspressen konnte. Seymour widersetzte sich einfach deshalb, weil er im Hochverrath weiter als irgend ein andres Mitglied des Hauses gegangen war, heftiger als irgend ein andres Mitglied des Hauses jeder Nachsicht gegen seine Mitverräther. Wollten die Gemeinen sich die geheiligtste Prärogative der Krone anmaßen? Seiner Majestät und nicht ihnen stehe es zu, zu beurtheilen, ob ein gesetzlich verwirktes Leben ohne Gefahr geschont werden könnte. Doch die Whigs setzten ihr Vorhaben durch. Ein aus allen im Hause anwesenden Staatsräthen bestehender Ausschuß brach unverzüglich nach Newgate auf. Friend und Parkyns wurden verhört, aber ohne Erfolg. Nachdem ihnen das Urtheil gesprochen war, hatten sie anfangs einige Symptome von Schwäche gezeigt; aber ihr Muth war durch die Ermahnungen eidverweigernder Geistlicher gehoben worden, welche Zutritt in das Gefängniß erlangt hatten. Man erzählte sich, daß Parkyns ohne die Bitten seiner Tochter, die ihn beschworen habe, wie ein Mann für die gute Sache zu sterben, nachgegeben haben würde. Die Verurtheilten gestanden ein, daß sie die Handlungen, deren sie für schuldig befunden worden, begangen hätten, weigerten sich aber mit einer Standhaftigkeit, die um so achtungswerther ist, als sie nicht aus natürlichem Trotze, sondern aus ehrenhafter Gesinnung und Religiosität entsprungen zu sein schien, etwas zu sagen, was Andere compromittiren konnte. [125]

Hinrichtung Friend’s und Parkyns’.

Nach wenigen Stunden versammelte sich das Volk wieder auf Tyburn, und diesmal wurden die Schaulustigen nicht um ihr Vergnügen gebracht. Sie genossen sogar einen Anblick, den sie nicht erwartet hatten und der größere Sensation erregte als die Hinrichtung selbst. Jeremias Collier und zwei andere minder berühmte eidverweigernde Geistliche, Namens Cook und Snatt, hatten die Gefangenen in Newgate besucht und waren mit in dem Richtkarren am Fuße des Galgens. Als die Gebete vorüber waren, kurz ehe der Henker sein Amt zu verrichten begann, erhoben sich die drei schismatischen Priester und legten ihre Hände auf die Köpfe der beiden Verurtheilten, welche noch auf den Knien lagen. Collier sagte eine aus dem Dienste für Krankenbesuche entlehnte Absolutionsformel her und seine Amtsbrüder sprachen Amen!

Diese Ceremonie rief ein lautes Geschrei hervor, das noch lauter wurde, als einige Stunden nach der Execution die Schriftstücke veröffentlicht wurden, welche die beiden Hochverräther den Sheriffs übergeben hatten. Man hatte erwartet, daß wenigstens Parkyns einige Reue über das Verbrechen, das ihn an den Galgen gebracht, an den Tag legen werde. Hatte er doch vor dem Ausschusse der Gemeinen selbst eingestanden, daß das Mordcomplot nicht zu rechtfertigen sei. In seiner letzten Erklärung aber bekannte er seine Theilnahme an diesem Complot nicht nur ohne ein Wort, das Reue verrathen hätte, sondern sogar mit einer Art von Frohlocken. War das ein Mann, den christliche Priester absolviren durften, dies vor den Augen vieler Tausende und mit einer Feierlichkeit, die offen [XXI.99] bar darauf berechnet war, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und von der weder im allgemeinen Gebetbuche noch in den Gebräuchen der englischen Kirche eine Spur zu finden war!

In Journalen, Broschüren und Flugblättern wurde die Frechheit der drei Leviten, wie man sie nannte, scharf getadelt. Es wurden bald Verhaftsbefehle gegen sie erlassen. Cook und Snatt wurden ergriffen und ins Gefängniß geworfen; Collier aber gelang es sich zu verbergen, und er ließ mit Hülfe einer der Pressen, welche im Dienste seiner Partei standen, aus seinem Versteck eine Rechtfertigung seines Verfahrens vom Stapel. Er erklärte, daß er den Mord eben so verabscheue, wie irgend einer von Denen, die ihn schmähten, und sein allgemeiner Character berechtigt uns zu dem Glauben, daß diese Erklärung vollkommen aufrichtig war. Aber die übereilte Handlung, zu der er sich durch den Parteigeist hatte hinreißen lassen, lieferte seinen Gegnern sehr plausible Gründe, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Es erschienen eine Menge Antworten auf seine Vertheidigung. Von hervorragender Bedeutung war darunter ein feierliches Manifest, unterzeichnet von den beiden Erzbischöfen und sämmtlichen damals in London anwesenden Bischöfen, zwölf an der Zahl. Selbst Crew von Durham und Sprat von Rochester setzten ihre Namen unter dieses Dokument. Sie verurtheilten das Verfahren der drei eidverweigernden Geistlichen als der Form nach regelwidrig und dem Wesen nach gottlos. Die Sünden unbußfertiger Sünder zu vergeben, sei ein entweihender Mißbrauch der Gewalt, welche Christus seinen Dienern übertragen habe. Es werde nicht geleugnet, daß Parkyns einen Mord beabsichtigt habe. Es werde nicht behauptet, daß er Reue darüber an den Tag gelegt. Daraus ergebe sich die ganz natürliche Folgerung, daß die Geistlichen, die ihn absolvirt hatten, es nicht für eine Sünde hielten, König Wilhelm zu ermorden. Collier replicirte; aber obgleich ein schlagfertiger Polemiker, scheute er doch bei dieser Gelegenheit einen nachdrücklichen Kampf und zog sich so gut er konnte unter einer Wolke von Citaten aus Tertullian, Cyprian und Hieronymus, Albaspinäus und Hammond, dem Concil von Karthago und dem Concil von Toledo vom Kampfplatze zurück. Die öffentliche Meinung war entschieden gegen die drei Absolvirer. Aber die Regierung beschloß wohlweislich, ihnen nicht die Ehre des Märtyrerthums zu Theil werden zu lassen. Die große Jury von Middlesex fand Grund zu einer Anklage gegen sie; aber sie wurden nicht prozessirt. Cook und Snatt wurden nach kurzer Haft in Freiheit gesetzt, und Collier würde eben so mild behandelt worden sein, wenn er eingewilligt hätte, Bürgschaft zu stellen. Aber er hatte sich vorgenommen, nichts zu thun, was als eine Anerkennung der usurpirenden Regierung hätte ausgelegt werden können. Er wurde daher geächtet, und als er nach mehr als dreißig Jahren starb, war seine Acht noch nicht aufgehoben. [126]

Prozesse Rookwood’s, Cranburne’s und Lowick’s.

Parkyns war der letzte Engländer, der nach dem alten Procedursystem wegen Hochverraths gerichtet wurde. Der Erste, der nach dem neuen System prozessirt wurde, war Rookwood. Er wurde von Sir Bartholomäus Shower vertheidigt, der sich unter der vorhergehenden Regierung [XXI.100] als ein serviler und herzloser Sykophant eben keine beneidenswerthe Berühmtheit erworben, der von Jakob die Stelle des Recorders von London erhalten, als Holt dieselbe ehrenvollerweise niederlegte, und der, als Recorder, Soldaten wegen Verstößen gegen die militärische Disciplin an den Galgen geschickt hatte. Seine servile Grausamkeit hatte ihm den Beinamen des Menschenjägers verschafft. Shower verdiente mehr als irgend ein Verbrecher von der Indemnitätsacte ausgenommen und der ganzen Strenge der Gesetze überlassen zu werden, die er so schamlos verdreht hatte. Doch er war durch Wilhelm’s Milde verschont worden und hatte diese Milde mit hartnäckiger und hämischer Opposition vergolten. [127] Shower wurde ohne Zweifel wegen seiner bekannten Hinneigung zum Jakobitismus bei dieser Gelegenheit als Vertheidiger benutzt. Er erhob einige technische Einwendungen, welche der Gerichtshof verwarf. Die Sache selbst konnte er nicht vertheidigen. Das Verdict der Jury lautete auf Schuldig. Hierauf wurden Cranburne und Lowick prozessirt und ebenfalls schuldig befunden. Sie erlitten mit Rookwood den Tod und damit hatten die Hinrichtungen ein Ende. [128]

Der Verein.

Die Stimmung der Nation war von der Art, daß die Regierung noch viel mehr Blut hätte vergießen können, ohne den Vorwurf der Grausamkeit auf sich zu laden. Die Gesinnung, welche durch die Entdeckung des Complots erweckt worden war, nahm noch mehrere Wochen lang mit jedem Tage zu. Diese Gesinnung benutzten die an der Spitze der Whigpartei stehenden talentvollen Männer mit ausgezeichneter Umsicht. Sie sahen ein, daß die öffentliche Begeisterung, wenn sie sich selbst überlassen bliebe, in Hurrahs, Toasten und Freudenfeuern verrauchen würde, daß sie aber unter einer klugen Leitung das Mittel werden könnte, eine große und nachhaltige Wirkung zu erzeugen. Der Verein, den die Gemeinen gebildet hatten, während ihnen die Rede des Königs noch in den Ohren klang, bot das Mittel dar, um vier Fünftel der Nation zu einem großen Club zur Vertheidigung der Thronfolgeordnung, mit der die kostbarsten Freiheiten des englischen Volks untrennbar verknüpft waren, und zur Einführung eines Testes zu verbinden, welcher Diejenigen, die für jene Thronfolgeordnung begeistert waren, von Denen unterscheiden würde, die sie nur mit Unmuth und Widerstreben acceptirten. Von den fünfhundertdreißig Mitgliedern des Unterhauses unterzeichneten ungefähr vierhundertzwanzig freiwillig das Dokument, welches Wilhelm als rechtmäßigen und gesetzlichen König von England anerkannte. Im Oberhause wurde beantragt, die nämliche Form zu adoptiren; aber die Tories erhoben Einwendungen dagegen. Der stets gewissenhafte und ehrenwerthe, aber engherzige Nottingham erklärte, daß er den Worten „rechtmäßig” und „gesetzlich” nicht beistimmen könne. Er war noch immer der Meinung, der er von Anfang an gewesen war, daß ein Fürst, der die Krone nicht kraft seines Geburtsrechts, sondern als ein Geschenk der Convention trug, von Rechtswegen nicht so genannt werden könne. Wilhelm sei allerdings factischer König und habe als solcher Anspruch auf den Gehorsam der Christen. „Kein Mensch,” sagte Nottingham, „hat Sr. Majestät treuer [XXI.101] gedient und wird ihm auch fernerhin treuer dienen als ich. Aber unter dieses Dokument kann ich meinen Namen nicht setzen.” Rochester und Normanby führten eine ähnliche Sprache. Dagegen ermahnte Monmouth die Lords in einer dritthalbstündigen Rede dringend, den Gemeinen beizutreten. Burnet sprach heftig für dieselbe Ansicht. Wharton, dessen Vater unlängst gestorben war und der nunmehr Lord Wharton hieß, stand ebenfalls in der vordersten Reihe der whiggistischen Peers. Am meisten aber zeichnete sich in der Debatte ein Mann aus, dessen öffentliches sowohl als Privatleben eine lange Reihe von Sünden und Unglücksfällen war: der blutschänderische Geliebte Henriette Berkeley’s, der unglückliche Leutnant Monmouth’s. Seit kurzem führte er nicht mehr den befleckten Namen Grey von Wark, sondern hieß jetzt Earl von Tankerville. Er sprach an diesem Tage mit großer Energie und Beredtsamkeit für die Worte „rechtmäßig und gesetzlich.” Leeds übernahm das Amt eines Vermittlers, nachdem er sein Bedauern ausgedrückt, daß eine Frage über eine bloße Phrase unter Edelleuten, welche alle dem regierenden Souverain mit gleicher Treue ergeben seien, Uneinigkeit hervorgerufen habe. Er schlug vor, daß Ihre Lordschaften, anstatt Wilhelm als rechtmäßigen und gesetzlichen König anzuerkennen, erklären sollten, er habe das gesetzliche Recht auf die englische Krone und kein Andrer habe irgend ein Recht auf diese Krone. Sonderbarerweise waren fast alle Tories durch den Vorschlag Leeds’ vollkommen befriedigt. Die Whigs jedoch waren zum Theil nicht geneigt, in eine Veränderung zu willigen, die trotz ihrer Geringfügigkeit zu dem Glauben Anlaß geben konnte, daß über einen Gegenstand von hoher Wichtigkeit zwischen beiden Häusern eine Meinungsverschiedenheit stattfinde. Aber Devonshire und Portland erklärten sich zufrieden, ihre Autorität drang durch, und die Aenderung wurde vorgenommen. In wiefern ein rechtmäßiger und gesetzlicher Besitzer sich von einem Besitzer unterscheidet, der nach dem Gesetz das ausschließliche Recht hat, ist eine Frage, die ein Whig ohne irgend ein peinliches Gefühl von Beschämung als über seinen Horizont gehend bezeichnen und deren Erörterung er den Hochkirchlichen überlassen kann. Dreiundachtzig Peers setzten auf der Stelle ihre Namen unter die amendirte Associationsformel, und Rochester war unter ihnen. Nottingham, noch nicht ganz befriedigt, bat um Bedenkzeit. [129]

Außerhalb der Mauern des Parlaments kümmerte man sich nicht um diese Wortklaubereien. Die Ausdrucksweise des Hauses der Gemeinen wurde vom ganzen Lande adoptirt. Die City von London ging voran. Binnen sechsunddreißig Stunden, nachdem die Vereinsurkunde auf Anordnung des Sprechers bekannt gemacht worden war, wurde sie von dem Lordmayor, den Aldermen und fast allen Mitgliedern des Gemeinderaths unterzeichnet. Diesem Beispiele folgten die Municipalcorporationen des ganzen Königreichs. Die Frühjahrsassisen begannen eben, und in jeder Grafschaftsstadt unterschrieben die Mitglieder der großen Jury und die [XXI.102] Friedensrichter ihre Namen. Bald kamen Krämer, Handwerker, Freisassen, Pächter und Landwirthe zu Tausenden an die Tische, auf denen die Pergamente auslagen. Westminster zählte siebenunddreißigtausend Vereinsmitglieder, die Towerortschaften achttausend, Southwark achtzehntausend. Die Landbezirke von Surrey lieferten siebzehntausend. In Ipswich unterzeichneten sämmtliche Wahlbürger bis auf zwei. In Warwick unterschrieben alle männlichen Einwohner, die das sechzehnte Jahr erreicht hatten, mit Ausnahme von zwei Papisten und zwei Quäkern. In Taunton, wo die blutigen Assisen noch in frischem Andenken waren, erklärte jeder des Schreibens Kundige seinen Anschluß an die Regierung. Alle Kirchen und Bethäuser der Stadt waren in einem Maße wie noch nie mit Leuten gefüllt, welche kamen um Gott für die Erhaltung des Mannes zu danken, den sie liebevoll Wilhelm den Befreier nannten. Von allen Grafschaften England’s war Lancashire die jakobitischeste. Gleichwohl lieferte Lancashire funfzigtausend Unterschriften. Von allen großen Städten England’s war Norwich die jakobitischeste. Die Magistratspersonen dieser Stadt galten für Freunde der exilirten Dynastie. Die Eidverweigerer waren zahlreich und hatten kurz vor der Entdeckung des Complots ungewöhnlich guten Muths geschienen und hatten sich ungewöhnlich viele Freiheiten herauszunehmen gewagt. Einer der vornehmsten Geistlichen des Schismas hatte daselbst eine Predigt gehalten, welche zu einem sonderbaren Verdacht Anlaß gab. Er hatte zum Text den Vers gewählt, in welchem der Prophet Jeremias verkündigt, daß der Tag der Rache gekommen sei, daß das Schwert trunken sein werde von Blut, daß der Herr der Heerschaaren ein Schlachtopfer haben werde im Lande gegen Mitternacht am Flusse Euphrat. Ganz kurz darauf erfuhr man, daß zur Zeit als diese Rede gehalten wurde, wirklich unter Barclay’s und Parkyns’ Leitung Schwerter geschliffen wurden zu einem blutigen Opfer am nördlichen Ufer der Themse. Der Unwille des gemeinen Volks von Norwich war nicht zu halten. Obgleich durch die Municipalbehörden eingeschüchtert, kam es in Masse herbei, um Wilhelm, dem rechtmäßigen und gesetzlichen Könige, Treue zu schwören. In Norfolk belief sich die Zahl der Unterschriften auf achtundvierzigtausend, in Suffolk auf siebzigtausend. Ueber fünfhundert Listen gingen aus allen Theilen England’s nach London. Die Anzahl der Namen, welche siebenundzwanzig von diesen Listen enthielten, betrug nach der London Gazette dreihundertvierzehntausend. Rechnet man die größtmögliche Zahl für betrügerische Angaben ab, so scheint doch soviel gewiß, daß der Verein die große Mehrheit der erwachsenen männlichen Bewohner England’s, die ihren Namen schreiben konnten, umfaßte. Die Fluth des Volksgefühls ging so hoch, daß Jemand, von dem man wußte, daß er nicht unterschrieben hatte, ernste Gefahr lief, öffentlich insultirt zu werden. An vielen Orten zeigte sich Niemand ohne ein rothes Band am Hute, worauf die Worte gestickt waren: General Association for King William . Einmal hatte ein Trupp Jakobiten die Dreistigkeit, in einer Straße London’s mit einer sinnbildlichen Devise zu paradiren, die ihre Verachtung des neuen feierlichen League und Covenant anzudeuten schien. Sie wurden augenblicklich durch den Pöbel auseinandergetrieben und ihre Anführer weidlich untergetaucht. Die Begeisterung verbreitete sich nach entlegenen Inseln, nach ausländischen Factoreien, nach entfernten Colonien. Die Association wurde unterzeichnet von den rauhen Fischern der Scilly Rocks, von den englischen Kaufleuten in Malaga, von den englischen Kaufleuten in Genua, [XXI.103] von den Bürgern Newyork’s, von den Tabakpflanzern Virginien’s und von den Zuckerpflanzern auf Barbados. [130]

Durch den Erfolg kühn gemacht, wagten die Whighäupter noch einen Schritt weiter zu gehen. Sie brachten eine Bill zur Sicherung der Person und Regierung des Königs im Unterhause ein. Durch diese Bill wurde verordnet, daß Jeder, der während der Dauer des Kriegs ohne königliche Erlaubniß aus Frankreich nach England käme, den auf Hochverrath gesetzten Strafen verfallen, daß die Suspension der Habeascorpusacte bis zu Ende des Jahres 1696 fortdauern und daß alle von Wilhelm ernannten Beamten im Fall seines Ablebens ihre Stellen so lange behalten sollten, bis es seinem Nachfolger gefallen würde, sie zu entlassen. Die vom Hause der Gemeinen angenommene Associationsformel wurde feierlich bestätigt, und es wurde bestimmt, daß Niemand, der sie nicht unterzeichnete, einen Sitz in diesem Hause einnehmen oder ein bürgerliches oder militärisches Amt bekleiden sollte. Den Lords wurde gestattet, sich ihrer eigenen Formel zu bedienen, und über den Klerus wurde nichts gesagt.

Die Tories, mit Finch und Seymour an ihrer Spitze, beschwerten sich bitter über diesen neuen Test und wagten es einmal abstimmen zu lassen, wurden aber geschlagen. Finch scheint geduldig angehört worden zu sein; die verächtliche Art und Weise aber, in der Seymour von der Association sprach, erregte trotz aller Beredtsamkeit einen Sturm, dem er nicht Stand zu halten vermochte. Der laute Ruf: „der Tower! der Tower!” wurde vielfach gehört. Trotz seines hochmüthigen und gebieterischen Wesens war er gezwungen, seine Worte hinwegzuerklären, und er konnte durch Entschuldigungen, an die er wenig gewohnt war, kaum der Demüthigung entgehen, vor die Schranke gerufen zu werden und kniend einen Verweis zu erhalten. Die Bill wurde den Lords zugesandt und trotz der Opposition Rochester’s und Nottingham’s rasch angenommen. [131]

Bill zur Regulirung der Wahlen.

Die Natur und der Umfang der Veränderung, welche die Entdeckung des Mordcomplots in der Stimmung des Hauses der Gemeinen und der Nation hervorgebracht hatte, wird durch die Geschichte einer Bill, betitelt: eine Bill zur ferneren Regulirung der Wahlen der Parlamentsmitglieder, treffend characterisirt. Die Geldmacht war fast durchgängig whiggistisch und daher ein Gegenstand der Abneigung für die Tories. Das rasche Wachsthum dieser Macht wurde von den Landeigenthümern, mochten sie Whigs oder Tories sein, mit neidischen Blicken betrachtet. Es war etwas Neues und Unerhörtes, einen Kaufmann aus Lombard Street, den kein Band an den Boden unsrer Insel fesselte und dessen Vermögen durchaus persönlich und beweglich war, mit einem Koffer voll Guineen nach Devonshire oder Sussex reisen, einem benachbarten Landgentleman gegenüber, dessen Vorfahren seit den Kriegen der Rosen stets gewählt worden waren, als Candidat für einen Burgflecken auftreten und an der Spitze der Wahlliste zurückkehren zu sehen. Und dies war noch nicht das Schlimmste. Mehr als ein Sitz im Parlament war angeblich bei einer Tasse Kaffee bei Garraway ge [XXI.104] kauft und verkauft worden. Man hatte von dem Käufer nicht einmal die Beobachtung der Formalität verlangt, sich den Wählern zu zeigen. Ohne sein Comptoir in Cheapside verlassen zu haben, war er zum Vertreter eines Ortes gewählt worden, den er in seinem Leben nicht gesehen. Solche Dinge waren unerträglich. Niemand, sagte man, solle einen Sitz in der englischen Legislatur einnehmen, der nicht einige hundert Acker englischen Grund und Bodens sein nenne. [132] Es wurde demgemäß eine Bill eingebracht, welche bestimmte, daß jedes Mitglied des Hauses der Gemeinen ein gewisses Grundeigenthum besitzen müsse. Für einen Grafschaftsritter war die Qualification auf fünfhundert Pfund, für den Vertreter eines Burgfleckens auf zweihundert Pfund jährlicher Grundrente festgesetzt. Anfang Februar wurde diese Bill zum zweiten Male gelesen und einem gewählten Ausschusse überwiesen. Es wurde beantragt, daß der Ausschuß angewiesen werden solle, eine Klausel einzuschalten, welche anordne, daß alle Wahlen vermittelst Stimmzetteln stattfinden sollten. Ob dieser Antrag von einem Whig oder einem Tory ausging, durch welche Argumente er unterstützt und auf welche Gründe hin er bekämpft wurde, können wir jetzt nicht mehr ermitteln. Wir wissen nur, daß er ohne Abstimmung verworfen wurde.

Bevor die Bill aus dem Ausschusse zurückkam, hatten einige der achtungswerthesten Wahlkörper des Königreichs ihre Stimmen gegen die neue Beschränkung erhoben, der sie unterworfen werden sollten. Es hatte im allgemeinen wenig Sympathie zwischen den Handelsstädten und den Universitätsstädten geherrscht. Denn die Handelsstädte waren die Hauptsitze des Whiggismus und der Nonconformität, die Universitäten aber waren eifrige Anhänger der Krone und der Kirche. Jetzt aber machten Oxford und Cambridge gemeinschaftliche Sache mit London und Bristol. Es sei hart, sagten die Akademiker, daß ein ernster und gelehrter Mann, der von einer zahlreichen Corporation ernster und gelehrter Männer in den Großen Rath der Nation gesandt würde, für weniger geeignet erachtet werden sollte, in diesem Rathe zu sitzen als ein roher Mensch, der kaum so viel wissenschaftliche Bildung besitze, um auf das privilegium clericale Anspruch zu haben. Es sei hart, sagten dagegen die Kaufleute, anzunehmen, daß ein Handelsfürst, der die erste Magistratsperson der ersten Stadt der Welt gewesen sei, dessen Name auf der Rückseite eines Wechsels in Smyrna und in Genua, in Hamburg und in Amsterdam unbedingtes Vertrauen erwecke, der Schiffe zur See habe, von denen jedes so viel werth sei als ein Rittergut, und der in Zeiten wo die Freiheit und Religion des Königreichs in Gefahr waren, zu wiederholten Malen der Regierung binnen einer Stunde fünf- oder zehntausend Pfund vorgestreckt habe, bei dem Gedeihen des Staates weniger interessirt sei als ein Squire, der seine Ochsen und seinen Hopfen in dem nächsten Marktflecken bei einem Kruge Ale verkaufte. Bei der Berichterstattung wurde beantragt, daß die Universitäten ausgenommen werden sollten, aber der Antrag wurde mit hunderteinundfunfzig gegen hundertdreiundvierzig Stimmen verworfen. Bei der dritten Lesung wurde beantragt, daß die City von London ausgenommen [XXI.105] sein sollte; aber man hielt es nicht für rathsam, abstimmen zu lassen. Die Schlußfrage, ob die Bill angenommen sei, wurde an dem Tage vor der Entdeckung des Mordcomplots mit hundertdreiundsiebzig gegen hundertfunfzig Stimmen bejaht. Die Lords traten der Bill ohne Amendement bei.

Wilhelm hatte nun zu erwägen, ob er seine Genehmigung ertheilen sollte oder nicht. Die Handelsstädte des Reichs, darunter auch die City von London, welche stets treu zu ihm gehalten und ihn schon oft aus großen Verlegenheiten gerissen hatten, baten ihn um seinen Schutz. Man stellte ihm vor, daß die Gemeinen thatsächlich weit davon entfernt seien, in diesem Punkte eines Sinnes zu sein, daß bei der letzten Lesung die Majorität in einem vollen Hause nur dreiundzwanzig Stimmen betragen habe und daß der Antrag, die Universitäten auszunehmen, mit einer Majorität von nur acht Stimmen verworfen worden sei. Nach reiflicher Ueberlegung beschloß er die Bill nicht zu genehmigen. Niemand, sagte er, könne ihn beschuldigen, bei dieser Gelegenheit selbstsüchtig gehandelt zu haben; seine Prärogative sei bei der Sache nicht betheiligt, und er habe gegen das vorgeschlagene Gesetz weiter nichts einzuwenden, als daß es seinem Volke nachtheilig sein würde.

Am 10. April 1696, erhielt daher der Sekretär des Parlaments Befehl, den Häusern mitzutheilen, daß der König sich die Bill zur weiteren Regulirung der Wahlen überlegen wolle. Einige heftige Tories im Hause der Gemeinen schmeichelten sich, daß es ihnen gelingen werde, einen den König tadelnden Beschluß durchzubringen. Sie stellten den Antrag, daß Derjenige, der Sr. Majestät gerathen habe, ihrer Bill seine Genehmigung zu verweigern, für einen Feind des Königs und der Nation erklärt werden solle. Einen ärgeren Mißgriff konnte es nicht geben. Die Stimmung des Hauses war eine ganz andre als an dem Tage, wo die Adresse gegen Portland’s Schenkung durch Acclamation votirt worden war. Die Entdeckung einer mörderischen Verschwörung, die Besorgniß einer französischen Invasion hatten Alles verändert. Der König war populär. Jeden Tag wurden ihm zehn bis zwölf Pergamentstöße mit den Unterschriften von Vereinsmitgliedern zu Füßen gelegt. Nichts konnte unkluger sein, als in einem solchen Augenblicke ein dünn verschleiertes Tadelsvotum gegen ihn zu beantragen. Die gemäßigten Tories trennten sich daher von ihren aufgebrachten und unverständigen Gesinnungsgenossen. Der Antrag wurde mit zweihundertneunzehn gegen siebzig Stimmen verworfen und das Haus ordnete die öffentliche Bekanntmachung der Frage und der beiderseitigen Stimmen an, damit die Welt erfahren solle, wie vollständig der Versuch, Uneinigkeit zwischen dem Könige und dem Parlamente hervorzurufen, gescheitert war. [133]

Acte zur Errichtung einer Landbank.

Die Landgentlemen würden vielleicht geneigter gewesen sein, wegen des Scheiterns ihrer Bill zu grollen, wären sie nicht durch eine andre Bill, die ihnen noch wichtiger dünkte, in gute Laune versetzt worden. Das Project einer Landbank war wieder angeregt worden, und zwar nicht in der Form, in der es zwei Jahre früher dem Hause der Gemeinen zur Erwägung unterbreitet worden war, sondern in einer den gesunden Verstand viel weniger beleidigenden [XXI.106] und der Lächerlichkeit weniger ausgesetzten Form. Chamberlayne protestirte allerdings laut gegen jede Modification seines Planes und proklamirte mit unverminderter Zuversichtlichkeit, daß er alle seine Landsleute reich machen wolle, wenn sie ihn nur gewähren ließen. Er sei nicht der erste große Entdecker, sagte er, den Fürsten und Staatsmänner als einen Träumer betrachtet hätten. Heinrich VII. habe sich in einer bösen Stunde geweigert, Christoph Columbus anzuhören, und die Folge davon sei gewesen, daß England um die Bergwerke von Mexico und Peru gekommen sei. Und doch, was seien die Bergwerke von Mexico und Peru gegen die Reichthümer einer mit einem unbegrenzten Papiergelde gesegneten Nation? Aber die vereinte Kraft der Vernunftgründe und des Spottes hatte die einst zahlreiche Anhängerschaar Chamberlayne’s auf einen kleinen Kreis unverbesserlicher Thoren reducirt. Selbst von den Squires glaubten jetzt nur noch wenige an seine beiden großen Lehrsätze: den Lehrsatz, daß der Staat, indem er ein Bündel alter Lumpen zehn Millionen Pfund Sterling nenne, das Nationalvermögen um zehn Millionen Pfund Sterling vermehren, und den Lehrsatz, daß eine Abtretung von Grund und Boden auf eine bestimmte Anzahl Jahre vielmal so viel werth sein könne als der unbeschränkte Besitz. Dagegen waren die Landgentlemen noch immer allgemein der Ansicht, daß eine Bank, welche die specielle Bestimmung habe, auf Grundeigenthum Geld vorzustrecken, ein großer Segen für die Nation sein könne. Harley und der Sprecher Foley schlugen jetzt vor, eine solche Bank durch Parlamentsacte zu errichten, und versprachen, daß, wenn ihr Plan adoptirt würde, der König reichlich mit Geld für den nächsten Feldzug versehen sein sollte.

Die Whigführer, und namentlich Montague, sahen ein, daß der Plan eine Illusion sei, daß er sehr bald scheitern müsse und daß er möglicherweise vor seinem Untergange ihr Lieblingsinstitut, die Bank von England, ruiniren könne. In diesem Punkte aber hatten sie nicht nur die ganze Torypartei, sondern auch ihren Gebieter und viele ihrer Anhänger gegen sich. Die Bedürfnisse des Staats waren dringend und die Anerbietungen der Projectenmacher lockend. Die Bank von England hatte zum Dank für die ihr verliehene Concession dem Staate nur eine Million zu acht Procent vorgeschossen; die Landbank wollte über dritthalb Millionen zu sieben Procent vorschießen. Wilhelm, dem jetzt hauptsächlich darum zu thun war, sich Geld zur Deckung der Ausgaben des laufenden Jahres zu verschaffen, war eben nicht sehr geneigt, über eine Quelle zu mäkeln, aus der sich dritthalb Millionen schöpfen ließen. Sunderland, der seinen Einfluß sonst gewöhnlich zu Gunsten der Whigführer anwendete, wurde ihnen bei dieser Gelegenheit untreu. Die whiggistischen Landgentlemen freuten sich der Aussicht, ihre Viehstände ergänzen, ihre Keller füllen und ihre Töchter ausstatten zu können. Gegen eine solche Vereinigung von Streitkräften zu kämpfen, war unmöglich. Es wurde eine Bill angenommen, welche die Regierung ermächtigte, zwei Millionen fünfhundertvierundsechzigtausend Pfund zu sieben Procent aufzunehmen. Ein hauptsächlich durch eine neue Salzsteuer gebildeter Fond wurde zur Zahlung der Zinsen bestimmt. Wenn vor dem 1. August die Hälfte dieser Anleihe gezeichnet und die Hälfte der gezeichneten Summe in die Schatzkammer eingezahlt war, sollten die Unterzeichner eine Corporation mit den Namen Nationallandbank werden. Da diese Bank ausdrücklich dazu bestimmt war, den Landgentlemen unter die Arme zu greifen, so war es ihr streng [XXI.107] verboten, auf andre Sicherheit als Landhypothek Geld auszuleihen, und ihr zur Pflicht gemacht, jährlich mindestens eine halbe Million auf Hypothek auszuleihen. Die Zinsen für diese halbe Million sollten bei vierteljährlichen Zahlungen nicht dreiundeinhalb Procent, bei halbjährlichen Zahlungen nicht vier Procent übersteigen. Der gebräuchliche Zinsfuß für die besten Hypotheken war damals sechs Procent. Die schlauen Beobachter bei der holländischen Gesandtschaft glaubten daher, daß die Kapitalisten sich jeder Betheiligung bei einem Geschäft, daß ihnen nothwendig Verlust bringen mußte, enthalten und daß die erforderliche Summe nicht zur Hälfte gezeichnet werden würde, und man sollte nicht glauben, daß ein Mensch von gesundem Verstande hätte anders denken können. [134]

Doch alle Vernunftgründe vermochten nichts gegen die allgemeine Verblendung. Die Tories prophezeiten triumphirend, die Bank Robert Harley’s werde die Bank Karl Montague’s völlig in den Schatten stellen. Die Bill ging in beiden Häusern durch. Am 27. April erhielt sie die königliche Sanction und unmittelbar darauf wurde das Parlament prorogirt.

Fußnoten

[1] Siehe Claude’s Predigt auf Mariens Tod.

[2] Prior an Lord und Lady Lexington, 14. (24.) Jan. 1695. Der Brief befindet sich in den Lexington Papers , einer werthvollen und gut edirten Sammlung.

[3] Monthly Mercury vom Januar 1695. Ein Redner, der in Utrecht eine Lobrede auf die Königin hielt, war so albern zu sagen, ihr letzter Hauch sei ein Gebet für das Wohl der Vereinigten Provinzen gewesen: — „Valeant et Batavi,” — dies sind ihre letzten Worte, — „sint incolumes; sint florentes; sint beati: stet in aeternum, stet immota praeclarissima illorum civitas, hospitium aliquando mihi gratissimum, optime de me meritum.” Siehe auch die Reden Peter Francius’ von Amsterdam und Johann Ortwinius’ von Delft.

[4] Journal de Dangeau; Mémoires de Saint-Simon.

[5] Saint-Simon; Dangeau; Monthly Mercury für Januar 1695.

[6] L’Hermitage, 1. (11.) Jan. 1695; Vernon an Lord Lexington, 1. 4. Januar; Portland an Lord Lexington, 15. (25.) Jan.; Wilhelm an Heinsius, 22. Januar (1. Febr.).

[7] Commons’ Journals, Feb. 11., April 12., 17.; Lords’ Journals April 8., 18. 1695. Leider ist in dem Protokolle der Gemeinen vom 12. April eine Lücke, so daß es jetzt nicht mehr möglich ist, zu ermitteln, ob über die Frage bezüglich des Beitritts zu dem von den Lords vorgeschlagenen Amendement eine Abstimmung stattfand.

[8] L’Hermitage 10. (20.) April 1695; Burnet II . 149.

[9] An Essay upon Taxes, calculated for the present Juncture of Affairs, 1693.

[10] Commons’ Journals, Jan. 12., Feb. 26., Mar. 6.; A Collection of the Debates and Proceedings in Parliament in 1694 and 1695 upon the Inquiry into the late Briberies and Corrupt Practices, 1695; L’Hermitage an die Generalstaaten, 8. (18.) März; Van Citters, 15. (25.) März. L’Hermitage sagt: „ Si par cette recherche la chambre pouvoit remedier au désordre qui règne, elle rendroit un service très utile et très agréable au Roy .”

[11] Commons’ Journals, Feb. 16. 1695. Collection of the Debates and Proceedings in Parliament in 1694 and 1695; Life of Wharton; Burnet II. 144.

[12] Sprecher Onslow’s Note zu Burnet II . 583; Commons’ Journals, Mai 6., 7. 1695 . Die Geschichte des schrecklichen Endes dieses Mannes findet man in den Flugschriften über das Südseejahr.

[13] Commons’ Journals, March 8. 1695; Exact Collection of Debates and Proceedings in Parliament in 1694 and 1695; L’Hermitage, 8. (18.) März.

[14] Exact Collection of Debates.

[15] L’Hermitage, 8. (18.) März 1695. L’Hermitage’s Erzählung wird durch die Protokolle vom 7. März 1694/95 bestätigt. Es geht daraus hervor, daß das Haus unmittelbar vor Ernennung des Ausschusses beschloß, daß während einer Sitzung keine Briefe an Mitglieder abgegeben werden sollten.

[16] L’Hermitage, 19. (29.) März 1695.

[17] Birch’s Life of Tillotson.

[18] Commons’ Journals, March 12, 13, 14, 15, 16, 1694/95; Vernon an Lexington, 15. März; L’Hermitage, 15. (25.) März.

[19] „On vit qu’il étoit impossible de le poursuivre en justice, chacun toutefois démeurant convaincu que c’étoit un marché fait à la main pour lui faire présent de la somme de 10,000 l. , et qu’il avait été plus habile que les autres novices que n’avoient pas su faire si finement leurs affaires.” L’Hermitage, 29. März (8. April); Commons’ Journals, March. 12.; Vernon an Lexington, 26. April; Burnet II . 145.

[20] In einem Gedicht, betitelt The Prophecy (1703) kommt die Strophe vor:

„Wenn Seymour verschmäht Salpetergeld,”

In einer andren Satyre befindet sich die Stelle:

„Bestochner Seymour haßt Bestechungen.”

[21] Commons’ Journals vom 26. März bis 8. April 1695.

[22] L’Hermitage, 10. (20.) April 1695.

[23] Exact Collection of Debates and Proceedings.

[24] L’Hermitage, 30. April (10. Mai) 1695; Portland an Lexington, 23. April (3. Mai).

[25] Es kann meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen, daß das Mitglied, welches in der Exact Collection D genannt ist, Wharton war.

[26] Bezüglich der Vorgänge dieses ereignißvollen Tages, des 27. April 1695, sehe man die Protokolle der beiden Häuser und die Exact Collection .

[27] Exact Collection; Lords’ Journals, May 3. 1695; Commons’ Journals, May 2. 3.; L’Hermitage, 3. (13.) Mai; London Gazette vom 13. Mai.

[28] L’Hermitage, 10. (20.) Mai 1695; Vernon an Shrewsbury, 22. Juni 1697.

[29] London Gazette vom 6. Mai 1695.

[30] Brief von Mrs. Burnet an die Herzogin von Marlborough, 1704, angeführt von Coxe; Shrewsbury an Russell, 24. Jan. 1695; Burnet II . 149.

[31] London Gazette vom 8. 15. 29. April 1695.

[32] Shrewsbury an Russell, 24. Jan. 1695; Narcissus Luttrells Diary .

[33] De Thou, 53, 96.

[34] Life of James, II. 545, Orig. Mem. Natürlich bedient sich Jakob nicht des Wortes Meuchelmord. Er spricht nur von der Ergreifung und Entführung des Prinzen von Oranien.

[35] Alles Schlechte, das über Porter bekannt oder gerüchtweise verbreitet war, kam bei dem Staatsprozesse von 1696 zu Tage.

[36] Ueber Goodman sehe man die Zeugenaussagen bei dem Prozesse Peter Cook’s; Cleverskirke, 28. Febr. (9. März) 1696; L’Hermitage, 10. (20.) April 1696, und ein Pasquill betitelt: The Duchess of Cleveland’s Memorial .

[37] Siehe die Einleitung zu der Vollmacht von 1695.

[38] Man findet die Vollmacht in den Protokollen des Parlaments.

[39] Act. Parl. Scot. May 21. 1695; London Gazette vom 30. Mai.

[40] Ibid. May 23. 1695.

[41] Ibid. June 14. 18. 20. 1695; London Gazette vom 27. Juni.

[42] Burnet II . 157; Act. Parl. June 10. 1695 .

[43] Act. Parl. June 26, 1695 ; London Gazette vom 4. Juli.

[44] Eine treffliche Characteristik Villeroy’s befindet sich in Saint-Simon’s Memoiren.

[45] Einige interessante Züge von Trumball’s Character findet man in Pepys’ Tangerschen Tagebuche.

[46] Postboy, Juni 13., Juli 9. 11. 1695; Intelligence Domestic and Foreign, Juni 14; Pacquet Boat from Holland and Flanders, Juli 9.

[47] Vaudemont’s Depesche und Wilhelm’s Antwort stehen im Monthly Mercury für Juli 1695.

[48] Siehe Saint-Simon’s Memoiren und seine Note zu Dangeau.

[49] London Gazette vom 22. Juli 1695; Monthly Mercury vom August 1695. Swift schrieb zehn Jahre später eine so abgeschmackte und widerlich gemeine Schmähschrift auf Cutts, daß Ward oder Gildon sich ihrer geschämt haben würden. Sie war betitelt: The Description of a Salamander .

[50] London Gazette vom 29. Juli 1695; Monthly Mercury für August 1695; Stepney an Lord Lexington, 15. (25.) Aug. Robert Flemming’s Character of King William, 1702 . Bei dem Angriffe vom 17. (27.) Juli erhielt Hauptmann Shandy die denkwürdige Wunde in die Weiche.

[51] London Gazette vom 1. und 5. August 1695; Monthly Mercury vom August 1695, enthaltend die Briefe Wilhelm’s und Dykvelt’s an die Generalstaaten.

[52] Monthly Mercury vom August 1695; Stepney an Lord Lexington, 16. (26.) August.

[53] Monthly Mercury, August 1695; Brief aus Paris vom 26. Aug. (5. Sept.) 1695 unter den Lexington Papers .

[54] L’Hermitage, 13. (23.) Aug. 1695.

[55] London Gazette vom 26. Aug. 1695; Monthly Mercury; Stepney an Lexington, 20. (30.) August.

[56] Boyer’s History of King William III., 1703; London Gazette vom 29. Aug. 1695; Stepney an Lexington, 20. (30.) Aug.; Blathwayt an Lexington, 2. Sept.

[57] Nachschrift zu dem Monthly Mercury vom August 1695; London Gazette vom 9. Sept.; Saint-Simon; Dangeau.

[58] Boyer’s History of King William III., 1703; Nachschrift zu dem Monthly Mercury, vom August 1695; London Gazette vom 9. und 12. Sept.; Blathwayt an Lexington, 6. Sept.; Saint-Simon; Dangeau.

[59] Eine werthvolle und ich glaube die einzige Sammlung der Zeitungen aus Wilhelm’s Regierung befindet sich im Britischen Museum. Ich habe jedes Blatt dieser Sammlung umgewendet. Auffällig ist es, daß weder Luttrell noch Evelyn von dem ersten Erscheinen der neuen Zeitungen etwas erwähnen. Die erste Notiz davon habe ich in einer Depesche L’Hermitage’s vom 12. (22.) Juli 1695 gefunden. Ich will seine Worte hier anführen: „Depuis quelque tems on imprime ici plusieurs feuilles volantes en forme de gazette, qui sont remplies de toutes sortes de nouvelles. Cette licence est venue de ce que le parlement n’a pas achévé le bill ou projet d’acte qui avoit été porté dans la Chambre des Communes pour régler l’imprimerie et empêcher que ces sortes de choses n’arrivassent. Il n’y avoit ci-devant qu’un des commis des Secrétaires d’Etat qui eût le pouvoir de faire des gazettes: mais aujourdhui il s’en fait plusieurs sous d’autres noms.” L’Hermitage erwähnt auch den auf die Prinzessin bezüglichen Artikel und die Unterwerfung des Pasquillanten.

[60] L’Hermitage, 15. (25.) Oct., 15. (25.) Nov. 1695.

[61] London Gazette vom 24. Oct. 1695. Siehe Evelyn’s Account of Newmarket in 1671 , und Pepys unterm 18. Juli 1668. Aus Tallard’s nach dem Frieden von Ryswick geschriebenen Depeschen geht hervor, daß die Herbstzusammenkünfte in den Tagen Wilhelm’s nicht minder zahlreich und glänzend waren als in den Tagen seiner Oheime.

[62] Ich habe diese Schilderung der Rundreise Wilhelm’s hauptsächlich aus der London Gazette, aus den Depeschen L’Hermitage’s, aus Narcissus Luttrell’s Tagebuche und aus den Briefen von Vernon, Yard und Cartwright unter den Lexington’schen Papieren entlehnt.

[63] Siehe den Brief von Yard an Lexington vom 8. Nov. 1695 und die Anmerkung vom Herausgeber der Lexington Papers .

[64] L’Hermitage, 15. (25.) Nov. 1695.

[65] L’Hermitage, 25. Oct. (4. Nov.), 29. Oct. (8. Nov.) 1695.

[66] L’Hermitage, 5. (15.) Nov. 1695.

[67] L’Hermitage, 5. (15.); 15. (25.) Nov. 1695; Sir James Forbes an Lady Russell, 3. Oct. 1695; Lady Russell an Sir Eduard Russell; Postman vom 16. Nov. 1695.

[68] Einen höchst interessanten Bericht von diesem Wahlkampfe findet man in L’Hermitage’s Depeschen.

[69] Postman vom 15. und 17. Dec. 1696; Vernon an Shrewsbury, 13. und 15. Dec.; Narcissus Luttrell’s Diary; Burnet I. 647; Saint-Evremond’s Verse auf Hampden.

[70] L’Hermitage, 19. (29.) Nov. 1695.

[71] Ich habe viele werthvolle Aufschlüsse über diesen Gegenstand aus einem im Britischen Museum, Lansdowne-Sammlung No. 801, befindlichen Manuscripte geschöpft. Es ist betitelt: Brief Memoires relating to the Silver and Gold Coins of England, with an Account of the Corruption of the Hammered Money, and of the Reform by the late Grand Coinage at the Tower and the Country Mints, by Hopton Haynes, Assay Master of the Mint .

[72] Stat. 5 Eliz. c. 11, und 18 Eliz. c. 1.

[73] Pepys’s Diary, Nov. 23. 1663.

[74] Der erste Schriftsteller, der die Thatsache hervorgehoben hat, daß da, wo gutes Geld und schlechtes Geld neben einander coursiren, das schlechte Geld das gute Geld verdrängt, war Aristophanes. Er scheint der Meinung gewesen zu sein, daß der Vorzug, den seine Mitbürger den leichten Münzen gaben, einem verdorbenen Geschmacke zugeschrieben werden müsse, ähnlich dem, der sie verleitete, Männern wie Kleon und Hyperbolus die Leitung wichtiger Angelegenheiten zu übertragen. Aber wenn auch seine Staatsökonomie keine Prüfung aushält, seine Verse sind vortrefflich:

πολλάκις γ’ ἡμῖν ἔδοξεν ἡ πόλις πεπονθέναι
ταὐτὸν ἔς τε τῶν πολιτῶν τοὺς καλούς τε κἀγαθοὺς
ἔς τε τἀρχαῖον νόμισμα καὶ τὸ καινὸν χρυσίον.
οὔτε γὰρ τούτοισιν οὖσιν οὐ κεκιβδηλευμένοις
ἀλλὰ καλλίστοις ἁπάντων, ὡς δοκεῖ, νομισμάτων,
καὶ μόνοις ὀρθῶς κοπεῖσι, καὶ κεκωδωνισμένοις
ἔν τε τοῖς Ἕλλησι καὶ τοῖς βαρβάροισι πανταχοῦ,
χρώμεθ’ οὐδέν, ἀλλὰ τούτοις τοῖς πονηροῖς χαλκίοις,
χθές τε καὶ πρώην κοπεῖσι τῷ κακίστῳ κόμματι.
τῶν πολιτῶν θ’ οὓς μὲν ἴσμεν εὐγενεῖς καὶ σώφρονας
ἄνδρας ὄντας, καὶ δικαίους, καὶ καλούς τε κἀγαθούς,
καὶ τραφέντας ἐν παλαίστραις καὶ χοροῖς καὶ μουσικῇ,
προυσελοῦμεν τοῖς δὲ χαλκοῖς, καὶ ξένοις, καὶ πυῤῥίαις,
καὶ πονηροῖς, κἀκ πονηρῶν, εἰς ἅπαντα χρώμεθα.

[75] N. Luttrell’s Tagebuch ist voll von Berichten über solche Hinrichtungen. „Le métier de rogneur de monnoye,” sagt L’Hermitage, „est si lucratif et paroit si facile que, quelque chose qu’on fasse pour les detruire, il s’en trouve toujours d’autres pour prendre leur place.” 1. (11.) Oct. 1695.

[76] Ueber die Sympathie des Publikums für die Kipper sehe man die höchst interessante Predigt, welche Fleetword, nachmals Bischof von Ely, im December 1694 vor dem Lordmayor hielt. Fleetword sagt, „daß eine verderbliche Theilnahme den Berufseifer der Richter erschlaffe, die unteren Beamten zurückhalte, die Geschwornen auf Irrwege leite und den Zeugenbeweis erschwere.” Er erwähnt ferner die Schwierigkeit, die Verbrecher zu überzeugen, daß sie Unrecht gethan. Siehe auch eine Predigt, die ein Geistlicher der Kathedrale, Georg Halley, im Schlosse zu York vor einigen Kippern hielt, welche gehängt werden sollten. Er erwähnt das gewöhnlich unreuige Ende der Kipper und thut sein Möglichstes, um in seinen Zuhörern die Stimme des Gewissens wach zu rufen. Er hebt besonders einen Erschwerungsgrund ihres Verbrechens hervor, an den ich nicht gedacht haben würde. „Wenn,” sagt er, „jetzt, wie vor Alters, die Frage gestellt würde: „Weß’ ist dieses Bild und die Umschrift?” so könnten wir sie nicht ganz beantworten. Wen das Bild vorstellt, können wir errathen, aber wir können nicht sagen, wen die Umschrift nennt, denn die ist völlig verschwunden.” Das Zeugniß dieser beiden Geistlichen wird durch das Tom Brown’s bestätigt, der eine spaßhafte Geschichte, die ich nicht mitzutheilen wage, von einer Unterredung zwischen dem Gefängnißgeistlichen von Newgate und einem Kipper erzählt.

[77] Lowndes’s Essay for the Amendment of the Silver Coins, 1695.

[78] L’Hermitage, 29. Nov. (9. Dec.) 1695.

[79] Die Memoiren dieses Quäkers aus Lancashire erschienen vor einigen Jahren in einer sehr geachteten Zeitschrift, dem Manchester Guardian.

[80] Lowndes’s Essay .

[81] L’Hermitage, 24. Dec, (3. Jan) 1695.

[82] Es muß indessen zu Adam Smith’s Ehre erinnert werden, daß er durch Bentham’s Defence of Usury vollständig bekehrt wurde und mit einer eines wahren Philosophen würdigen Offenheit eingestand, daß die in seinem Wealth of Nations aufgestellte Lehre irrig sei.

[83] Engl. Feldmaß = 1/8 engl. Meile — D. Uebers.

[84] Lowndes’s Essay for the Amendment of the Silver Coins; Locke’s Further Considerations concerning raising the Value of Money; Locke an Molyneux, 20. Nov. 1695; Molyneux an Locke, 24. Dec. 1695.

[85] Burnet, II . 147.

[86] Commons’ Journals Nov. 22, 23, 24. 1695 ; L’Hermitage, 26. Nov. (6. Dec.)

[87] Ibid. Nov. 26, 27, 28, 29. 1695; L’Hermitage, 26. Nov. (6. Dec.), 29. Nov. (9. Dec.), 3. (13.) Dec.

[88] Commons’ Journals, Nov. 28, 29. 1695. ; L’Hermitage 3. (13.) Dec.

[89] L’Hermitage, 22. Nov. (2. Dec.), 6. (16.) Dec. 1695.; An Abstract of the Consultations and Debates Between the French King and his Council concerning the new Coin that is intended to be made in England, privately sent by a Friend of the Confederates from the French Court to his Brother at Brussels, Dec. 12, 1695.; A Discourse of the General Notions of Money, Trade and Exchanges, by Mr. Clement of Bristol; A Letter from an English Merchant at Amsterdam to his Friend in London; A Fund for preserving and supplying our Coin; An Essay for regulating the Coin, by A. V.; A Proposal for supplying His Majesty with 1,200,000 l. , by mending the Coin, and yet preserving the ancient Standard of the Kingdom. Dies sind einige von den Schriften, welche damals unter die Parlamentsmitglieder vertheilt wurden.

[90] Commons’ Journals, Dec. 10. 1695; L’Hermitage, 3. (13.), 6. (16.), 10. (20.) Dec.

[91] Stat. 7 Gul. 3. c. 1.; Lords’ und Commons’ Journals ; L’Hermitage, 31. Dec. (10. Jan.), 7. (17.), 10. (20.), 14. (24.) Jan. 1696. L’Hermitage schildert in starken Worten die großen Nachtheile, welche durch den Streit zwischen den beiden Häusern verursacht wurden. „ La longueur qu’il y a dans cette affaire est d’autant plus désagréable qu’il n’y a point de sujet sur lequel le peuple en général puisse souffrir plus d’incommodite, puisqu’il n’y a personne qui, à tous moments, n’aye occasion à l’esprouver .”

[92] Daß Locke keinen Theil an dem Versuche hatte, das Geld durch Strafbestimmungen wohlfeiler zu machen, schließe ich aus einer Stelle, in der er Lowndes’ Klagen über den hohen Preis der Guineen erwähnt. „Das einzige Mittel,” sagt Locke, „sowohl gegen diesen wie gegen eine große Menge anderer Uebelstände ist, daß man das Ausgeben und Annehmen des beschnittenen Geldes nach dem Nennwerthe verbietet.” — Locke’s Further Considerations . Daß sich die Strafbestimmung, wie zu erwarten stand, als unwirksam erwies, geht aus mehreren Stellen in L’Hermitage’s Depeschen und selbst aus Haynes’ Brief Memoires hervor, obgleich Haynes ein treuer Anhänger Montague’s war.

[93] L’Hermitage, 14. (24.) Jan. 1696.

[94] Commons’ Journals, Jan. 14, 17, 23. 1696; L’Hermitage 14. (24.) Jan.; Gloria Cambriae, or Speech of a Bold Briton against a Dutch Prince of Wales, 1702; Life of the late Honourable Robert Price, etc. 1734. Price war der „kühne Brite”, dessen — meines Wissens nie gehaltene — Rede 1702 gedruckt wurde. Er würde die Bezeichnung kühn eher verdient haben, wenn er seine Impertinenzen zu Wilhelm’s Lebzeiten veröffentlicht hätte. Die Biographie Price’s ist eine erbärmliche Arbeit voller Fehler und Anachronismen.

[95] L’Hermitage erwähnt den ungünstigen Wechsel in der Stimmung der Gemeinen, und Wilhelm spielt in seinen Briefen an Heinsius vom 21. (31.) Jan. und 28. Jan. (7. Febr.) 1696 mehrmals darauf an.

[96] Daß die Heiterkeit der Jakobiten eine Zeit lang auffiel, sagt Van Cleverskirke unterm 25. Febr. (6. März) 1696.

[97] Harris’ Aussage, 28. März 1696.

[98] Hunt’s Aussage.

[99] Fisher’s und Harris’ Aussagen.

[100] Barclay’s Erzählung im Life of James II. 548; Schriftstück von Charnock unter den Nairne’schen Manuscripten in der Bodlejanischen Bibliothek.

[101] Harris’ Aussage.

[102] Harris’ Aussage. Bernardi’s Selbstbiographie ist durchaus nicht glaubwürdig.

[103] Siehe seinen Prozeß.

[104] Fisher’s Aussage; Knightley’s Aussage; Cranburne’s Prozeß; De la Rue’s Aussage.

[105] Siehe die Prozesse und Aussagen.

[106] L’Hermitage, 3. (13). März.

[107] Siehe Berwick’s Memoiren.

[108] Van Cleverskirke, 25. Febr. (6. März) 1696. Ich bin überzeugt, daß kein Verständiger und Unparteiischer nach aufmerksamer Lesung von Berwick’s Erzählung dieser Vorgänge und Vergleichung derselben mit der Darstellung im Leben Jakob’s, welche Wort für Wort den Originalmemoiren entnommen ist, daran zweifeln kann, daß Jakob um den Mordanschlag wußte.

[109] L’Hermitage, 25. Febr. (6. März).

[110] Meine Mittheilungen über diese Ereignisse sind hauptsächlich den Prozeßverhandlungen und Aussagen entnommen. Siehe auch Burnet, II . 165, 166, 167, und Blackmore’s True and Impartial History , zusammengestellt unter Leitung Shrewsbury’s und Somers’, und Boyer’s History of King William III., 1703 .

[111] Portland an Lexington, 3. (13.) März 1696; Van Cleverskirke, 25. Febr. (6. März); L’Hermitage von gleichem Datum.

[112] Commons’ Journals, Feb. 24. 1696.

[113] England’s Ennemies Exposed, 1701.

[114] Commons’ Journals, Feb. 24. 1695/96.

[115] Commons’ Journals, Feb. 25. 1695/96; Van Cleverskirke, 28. Febr. (9. März); L’Hermitage von dem nämlichen Tage.

[116] Nach L’Hermitage, 28. Febr. (9. März), gab es zwei solcher glücklicher Kutscher. Ein schlauer und wachsamer Miethkutscher hatte allerdings der Natur seines Berufs nach viel Aussicht, in dieser Art Jagd glücklich zu sein. Die Zeitungen enthalten zahlreiche Beweise von dem allgemeinen Enthusiasmus.

[117] Postman vom 5. März 1695/96.

[118] Postman vom 29. Febr., 2., 12. und 14. März 1695/96.

[119] Postman vom 12. März 1696; Vernon an Lexington, 13. März; Van Cleverskirke, 13. (23.) März. Die Verhandlungen sind in der Collection of State Trials ausführlich wiedergegeben.

[120] Burnet II . 171; The Present Disposition of England considered; die Antwort, betitelt: England’s Ennemies Exposed, 1701; L’Hermitage, 17. (27.) März 1696. L’Hermitage sagt: „Charnock a fait des grandes instances pour avoir sa grace, et a offert de tout déclarer; mais elle lui a esté refusée.”

[121] L’Hermitage, 17. (27.) März.

[122] Dieses höchst interessante Schriftstück befindet sich unter den Nairne’schen Manuscripten in der Bodlejanischen Bibliothek. Ein kurzer aber nicht ganz treuer Auszug daraus findet sich im Life of James II. 555 . Warum Macpherson, der viel weniger interessante Schriftstücke abgedruckt hat, es nicht für gut fand, dieses abzudrucken, ist leicht zu errathen. Ich will einige wichtige Stellen hier anführen. „Man darf vernünftigerweise annehmen, daß Se. Majestät etwas was er zu einer Zeit verworfen hatte, zu einer andren Zeit, wo sein persönliches wie das allgemeine Wohl es nothwendig erforderten, gelten lassen konnte. Denn ich konnte es nicht so verstehen, als hätte er ein allgemeines Verbot erlassen, daß der Prinz von Oranien zu keiner Zeit angerührt werden solle... Niemand, der Se. Majestät als den rechtmäßigen König von England betrachtet, kann daran zweifeln, daß kraft seiner Vollmacht, gegen den Prinzen von Oranien und seine Anhänger Krieg zu führen, ein Angriff auf die Person des Letzteren, sowohl nach den gebührend ausgelegten und erklärten Gesetzen des Landes als nach dem Gesetze Gottes zu rechtfertigen ist.”

[123] Die Prozesse Friend’s und Parkyns’ findet man vortrefflich dargestellt in der Collection of State Trials .

[124] L’Hermitage, 3. (13.) April 1696.

[125] Commons’ Journals, April 1, 2. 1696; L’Hermitage, 3. (13.) April 1696, Van Cleverskirke von demselben Datum.

[126] L’Hermitage, 7. (17.) April 1696. Die Erklärung der Bischöfe, Collier’s Vertheidigung und fernere Vertheidigung und eine lange juristische Argumentation für Cook und Snatt findet man in der Collection of State Trials .

[127] Siehe den Manhunter, 1690 .

[128] State Trials.

[129] Den besten und überhaupt einzigen guten Bericht über diese Debatten giebt L’Hermitage unterm 28. Februar (9. März) 1696. Er sagt sehr wahr: „La différence n’est qu’une dispute de mots, le droit qu’on a à une chose selon les loix estant aussy bon qu’il puisse estre.”

[130] Siehe die London Gazette von mehreren Wochen; L’Hermitage, 17. (27.) März, 14. (24.) April 1696; Postman vom 9. 25. 30. April.

[131] Protokolle der Gemeinen und der Lords; L’Hermitage; 7. (17.), 10. (20.) April 1696.

[132] Siehe The Freeholder’s Plea against Stockjobbing Elections of Parliament Men , und die Considerations upon Corrupt Elections of Members to serve in Parliament . Beide Flugschriften erschienen im Jahre 1701.

[133] Die Geschichte dieser Bill ist aus den Protokollen der Gemeinen und aus einer höchst interessanten Depesche L’Hermitage’s vom 14. (24.) April 1696 zu ersehen.

[134] Die Acte ist 7 & 8 Will. 3. c. 31 . Ihre Geschichte ist aus den Protokollen zu ersehen.


Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Wilhelm III.


Inhalt.

Seite
Militärische Operationen in den Niederlanden 5
Handelskrisis in England 5
Finanzkrisis 8
Anstrengungen um dem Geldmangel abzuhelfen 11
Noth des Volks; seine Stimmung und sein Verhalten 12
Unterhandlungen mit Frankreich; der Herzog von Savoyen fällt von der Coalition ab 15
Nachforschungen nach jakobitischen Verschwörern in England; Sir Johann Fenwick 17
Ergreifung Fenwick’s 18
Fenwick’s Bekenntniß 19
Wilhelm’s Rückkehr nach England 24
Zusammentritt des Parlaments; Lage des Landes 25
Rede König Wilhelm’s bei Eröffnung der Session 26
Beschlüsse des Hauses der Gemeinen 26
Rückkehr des Wohlstandes 28
Einfluß der Maßnahmen des Hauses der Gemeinen auf die auswärtigen Regierungen 28
Besserung der Finanzen 29
Folgen des Fenwick’schen Bekenntnisses 30
Godolphin’s Rücktritt 31
Stimmung der Whigs über Fenwick 31
Wilhelm verhört Fenwick 32
Verschwinden Goodman’s 33
Parlamentarische Maßnahmen in Bezug auf Fenwick’s Geständnisse 34
Bill zur Verurtheilung Fenwick’s 35
Debatten der Gemeinen über die Verurtheilungsbill 36
Die Verurtheilungsbill den Lords überreicht 43
Monmouth’s Kunstgriffe 44
Debatten der Lords über die Verurtheilungsbill 46
Schritte gegen Monmouth 49
Stellung und Gesinnung Shrewsbury’s 51
Die Verurtheilungsbill angenommen 52
Versuche, Fenwick zu retten 53
Fenwick’s Hinrichtung 53
Bill zur Regulirung der Wahlen 54
Bill zur Regulirung der Preise 55
Bill zur Abschaffung der Vorrechte von Whitefriars und dem Savoy 56
Schluß der Session; Beförderungen und Ernennungen 58
Zustand Irland’s 60
Zustand Schottland’s 61
Eine Parlamentssession in Edinburg 61
Acte zur Errichtung von Schulen 61
Der Prozeß Thomas Aikenhead’s 62
Militärische Operationen in den Niederlanden 64
Von Frankreich offerirte Friedensbedingungen 64
Verhalten Spaniens 65
Verhalten des Kaisers 65
Congreß von Ryswick 66
Wilhelm eröffnet eine bestimmte Unterhandlung 68
Zusammenkünfte Portland’s mit Boufflers 69
Die Friedensbedingungen zwischen Frankreich und England werden festgesetzt 71
Schwierigkeiten, durch Spanien und den Kaiser veranlaßt 72
Versuche Jakob’s, einen allgemeinen Friedensschluß zu verhindern 74
Der Tractat von Ryswick unterzeichnet 75
Spannung in England 75
Ankunft der Friedensnachricht in England 75
Schrecken der Jakobiten 76
Allgemeine Freude 76
Einzug des Königs in London 77
Der Tag des Dankgottesdienstes 78

[XXII.5] Militärische Operationen in den Niederlanden.

Am 7. Mai 1696 landete Wilhelm in Holland. [1] Von da begab er sich nach Flandern und übernahm das Commando der in der Nähe von Gent zusammengezogenen verbündeten Truppen. Villeroy und Boufflers waren bereits im Felde. Ganz Europa erwartete mit Ungeduld wichtige Nachrichten aus den Niederlanden; aber es wartete vergebens. Es fand keine aggressive Bewegung statt. Die Hauptaufgabe der beiderseitigen Generäle bestand darin, ihre Truppen vor dem Hungertode zu bewahren, und es war dies eine keineswegs leichte Aufgabe. Der Staatsschatz Frankreich’s sowohl wie England’s war leer. Ludwig hatte im Winter mit großer Mühe und großem Kostenaufwande in Givet an der Grenze seines Reichs ein großartiges Magazin errichtet. Die Gebäude waren zweckmäßig und geräumig und die Masse der darin aufgehäuften Proviantvorräthe war ungeheuer. Die Anzahl der Rationen für die Mannschaften wurde gewöhnlich auf drei bis vier Millionen geschätzt. Aber zu Anfang des Frühjahrs hatten Athlone und Cohorn durch eine kühne und geschickte Bewegung Givet überrumpelt und die Magazine sowohl wie die Vorräthe total vernichtet. [2] Das vor Erschöpfung bereits einer Ohnmacht nahe Frankreich war nicht im Stande einen solchen Verlust zu ersetzen. Belagerungen, wie die von Mons und Namur waren zu kostspielige Operationen für seine Mittel. Die Aufgabe seiner Armee war jetzt nicht zu erobern, sondern zu subsistiren.

Wilhelm’s Armee war zu nicht minder harten Entbehrungen gezwungen. Der materielle Wohlstand England’s hatte zwar durch den Abzug, den der Krieg verursacht, nicht erheblich gelitten, aber es seufzte schwer unter dem schlechten Zustande des Werkzeugs, durch das sein materieller Wohlstand vertheilt wurde.

Handelskrisis in England.

Sonnabend der 2. Mai war vom Parlament als der letzte Tag bestimmt worden, an welchem die beschnittenen Kronen, halben Kronen und Schillinge bei Entrichtung der Steuern angenommen werden sollten. [3] Die Schatzkammer war von Tagesanbruch bis Mitternacht von einer unzähligen Menge belagert. Man mußte die Garden herbeirufen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten. Am darauffolgenden Montag begann eine angstvolle Periode von einigen [XXII.6] Monaten, auf welche dann viele Jahre eines fast ununterbrochenen Wohlstandes folgen sollten. [4]

Der größte Theil des alten Silbers war verschwunden und das neue begann sich kaum erst zu zeigen. Ungefähr vier Millionen Pfund Sterling in Barren und gemünztem Gelde lagen in den Kellern der Schatzkammer und das geprägte Geld kam bis jetzt nur sehr langsam aus der Münze. [5] Die Aengstlichen prophezeiten, das reichste und gebildetste Land Europa’s werde bald zu dem Zustande der barbarischen Nationen herabsinken, bei denen eine Matte für ein Beil und ein paar Moccassins für ein Stück Wild gekauft würden.

Es gab zwar noch etwas gemünztes Geld, das der Verstümmelung entgangen war, und Sixpencestücke, die nicht bis über den innern Rand beschnitten waren, coursirten noch in ziemlicher Menge. Dieses alte Geld bildete mit dem neuen einen dürftigen Silbervorrath, der mit Hülfe des Goldes der Nation den Sommer über durchhelfen sollte. [6] Die Fabrikanten wußten es im Allgemeinen, wenn auch mit größter Mühe, einzurichten, daß sie ihre Arbeiter mit Münze bezahlen konnten. [7] Die höheren Stände scheinen in bedeutendem Maße auf Credit gelebt zu haben. Selbst ein wohlhabender Mann besaß selten die Mittel, um die Wochenrechnungen seines Bäckers und Fleischers bezahlen zu können. [8] Eine Schuldverschreibung von der Hand eines solchen Mannes wurde jedoch in der Gegend, wo man seine Vermögensverhältnisse und seinen Character genau kannte, gern genommen. So circulirten die Noten der reichen Geldwechsler von Lombard Street in weiten Kreisen. [9] Die Billets der Bank von England thaten gute Dienste und würden ohne den unglücklichen Mißgriff, zu dem sich das Parlament kürzlich durch Harley und Foley hatte verleiten lassen, noch bessere Dienste gethan haben. Das Vertrauen des Publikums zu dieser mächtigen und reichen Compagnie war durch das Edict, welches die Landbank errichtete, erschüttert worden. Man konnte mit gutem Grunde zweifeln, ob die beiden rivalisirenden Institute neben einander würden bestehen können, und das jüngere von beiden schien der Liebling der Regierung und der Legislatur zu sein. Die Actien der Bank von England waren rasch von hundertzehn auf achtundachtzig gefallen. Zu gleicher Zeit verschworen sich die Goldschmiede gegen diese reiche Compagnie, der sie von vornherein nicht hold gewesen waren. Sie kauften überall ihre Noten auf, und am 4. Mai, als die Schatzkammer eben den größten Theil des alten Geldes verschlungen hatte und von dem neuen [XXII.7] noch so viel wie nichts ausgegeben war, strömten sie nach Grocers’ Hall und drangen auf sofortige Umwechselung. Ein einziger Goldschmied verlangte dreißigtausend Pfund. Die Directoren handelten in dieser bedrängten Lage mit Einsicht und Festigkeit. Sie verweigerten die Einlösung der böswillig aufgesammelten und präsentirten Noten und stellten es den Inhabern anheim, in Westminster Hall ihr Recht zu suchen. Andere Creditoren, welche bona fide das ihnen Gebührende verlangten, wurden befriedigt. Die Verschwörer triumphirten nun über die mächtige Corporation, die sie haßten und fürchteten. Die Bank, welche erst vor Kurzem unter so glänzenden Auspicien ins Leben getreten, die anscheinend dazu bestimmt gewesen sei, eine Revolution im Handel und Geldwesen hervorzubringen, die der Stolz London’s und der Neid Amsterdam’s gewesen, sei schon insolvent, ruinirt, entehrt. Es erschienen erbärmliche Pasquille, wie unter andren: „The Trial of the Land Bank for Murdering the Bank of England,” „The Last Will and Testament of the Bank of England,” „The Epitaph of the Bank of England,” „The Inquest on the Bank of England.” Doch trotz all’ dieses Geschreis und Gespötts berichteten die Correspondenten der Generalstaaten, daß die Bank von England in der öffentlichen Achtung thatsächlich nicht gesunken sei und daß das Verfahren der Goldschmiede allgemein getadelt werde. [10]

Die Directoren überzeugten sich bald von der Unmöglichkeit, selbst das zur Befriedigung der bona fide an sie gemachten Anforderungen benöthigte Silber herbeizuschaffen. Sie ersannen daher ein neues Auskunftsmittel. Sie verlangten von den Actionären einen Zuschuß von zwanzig Procent und brachten dadurch eine Summe auf, die sie in den Stand setzte, jedem Applikanten fünfzehn Procent von seiner Forderung in gemünztem Gelde auszuzahlen. Sie gaben ihm die Note zurück, nachdem sie die geleistete theilweise Zahlung auf derselben bemerkt hatten. [11] Ein paar Noten mit dieser Bemerkung werden noch zur Erinnerung an jenes schlimme Jahr in den Archiven der Bank aufbewahrt. Das Papier des Instituts circulirte nach wie vor; aber der Werth schwankte heftig von Tag zu Tag, ja von Stunde zu Stunde, denn die öffentliche Meinung war in einem so reizbaren Zustande, daß die absurdeste Lüge, die ein Stockjobber erfinden konnte, hinreichte, um den Cours zum Steigen oder zum Fallen zu bringen. Einmal betrug der Discont nur sechs Procent, ein andermal vierundzwanzig Procent. Eine Zehnpfundnote, die am Morgen zu mehr als neun Pfund genommen worden, war oft gegen Abend keine acht Pfund mehr werth. [12]

Ein andres und unter den damaligen Umständen zweckentsprechenderes Ersatzmittel für klingendes Courantgeld verdankte sein Entstehen dem [XXII.8] Scharfsinn Montague’s. Es war ihm gelungen, in Harley’s Landbankbill eine Klausel aufnehmen zu lassen, welche die Regierung ermächtigte, ein Papiergeld auszugeben, das täglich drei Pence Zinsen für hundert Pfund trug. Inmitten der altgemeinen Noth und Verwirrung erschienen die ersten Schatzkammerscheine, auf verschiedene Beträge von hundert Pfund bis herab zu fünf Pfund lautend. Dieses Zahlungsmittel wurde durch die Post rasch über das ganze Land verbreitet und war überall willkommen. Die Jakobiten zogen in jedem Kaffeehause heftig darüber her und schrieben viel schlechte Verse dagegen, doch mit nur geringem Erfolg. Der Plan fand so günstige Aufnahme, daß die Minister einmal beschlossen, Zwanzigschillingscheine und sogar Funfzehnschillingscheine zur Bezahlung der Truppen auszugeben. Dieser Beschluß scheint jedoch nicht zur Ausführung gekommen zu sein. [13]

Man kann sich schwer denken, wie ohne die Schatzkammerscheine die Regierung des Landes während dieses Jahres hätte ihren regelmäßigen Gang beibehalten können. Jede Einnahmequelle war durch den Stand des Geldmarktes geschmälert und eine Quelle, von der das Parlament zuversichtlich mehr als die Hälfte der zur Bestreitung der Kriegskosten erforderlichen Summe erwartet, hatte nicht einen Farthing eingetragen.

Finanzkrisis.

Die von der Landbank gehoffte Summe betrug nahe an zwei Millionen sechshunderttausend Pfund. Von dieser Summe war die Hälfte zu zeichnen und ein Viertel am 1. August einzuzahlen. Der König hatte noch unmittelbar vor seiner Abreise ein Decret unterzeichnet, welches bestimmte Commissare, unter denen Harley und Foley die bedeutendsten waren, zur Empfangnahme der Namen der Subscribenten ernannte. [14] Es wurde im Saale des mittleren Temple eine zahlreiche Versammlung von Personen gehalten, die bei dem Plane interessirt waren. Ein Subscriptionsbureau wurde in Exeter Change, ein andres in Mercers’ Hall eröffnet. Vierzig Agenten reisten durch das Land und verkündeten der Landgentry aller Grafschaften das Herannahen des goldenen Zeitalters hoher Renten und niedriger Zinsen. Der Regentschaftsrath zeichnete, um der Nation mit gutem Beispiele voranzugehen, fünftausend Pfund für den König, und die Zeitungen versicherten der Welt, daß die [XXII.9] erforderliche Summe sehr bald voll werden würde. [15] Als aber drei Wochen vergangen waren, fand es sich, daß zu den vom Könige beigesteuerten fünftausend Pfund nur noch funfzehnhundert gekommen waren. Viele wunderten sich darüber; allein es war sehr wenig Grund dazu. Die Summe, welche die Freunde des Planes aufzubringen übernommen hatten, konnte nur von den Feinden des Planes beschafft werden. Die Landgentlemen waren dem Plane Harley’s hold; aber nur deshalb, weil sie Geld zu niedrigem Zinsfuße entlehnen wollten, und da sie Geld entlehnen wollten, waren sie natürlich nicht im Stande, welches herzugeben. Nur die vermögende Klasse konnte das zum Bestehen der Landbank Nöthige liefern, und die Landbank hatte eingestandenermaßen den Zweck, den Gewinn der vermögenden Klasse zu vermindern, ihren politischen Einfluß zu vernichten und ihre sociale Stellung zu erniedrigen. Da die Wucherer nicht Lust hatten, die Kosten der Unterdrückung des Wuchers selbst zu bezahlen, so scheiterte der ganze Plan in einer Weise, die im höchsten Grade lächerlich gewesen wäre, wenn die öffentlichen Angelegenheiten ein minder beunruhigendes Aussehen gehabt hätten. Der Tag rückte heran, und die sauber linirten Seiten des Einzeichnungsbuches in Mercers’ Hall waren noch immer leer. Die Commissare wußten nicht was sie denken sollten. In ihrer Noth baten sie die Regierung um Nachsicht. Viele große Kapitalisten, sagten sie, möchten gern unterzeichnen; aber sie zögerten damit, weil die Bedingungen zu hart seien. Das verlangte Kapital müsse vermindert werden. Wolle der Regentschaftsrath sich nicht zu einem Nachlasse von dreihunderttausend Pfund verstehen? Die Finanzen befanden sich in einem so traurigen Zustande und die Briefe, in denen der König seine Bedürfnisse darstellte, waren so dringend, daß der Regentschaftsrath schwankte. Die Commissare wurden gefragt, ob sie sich bei Bewilligung des verlangten Abzugs verbindlich machen würden, die ganze Summe aufzubringen. Ihre Antwort lautete unbefriedigend. Sie wagten nicht zu behaupten, daß sie über mehr als achthunderttausend Pfund gebieten könnten. In Folge dessen wurde die Unterhandlung abgebrochen. Der 1. August erschien, und der ganze Betrag, den die ganze Nation zu dem glänzenden Unternehmen beigesteuert hatte, von dem man sich so viel versprochen, belief sich auf zweitausendeinhundert Pfund. [16]

Gerade zu diesem Zeitpunkte kam Portland vom Continent an. Wilhelm hatte ihn mit dem Auftrage abgesandt, um jeden Preis Geld zu schaffen, gleichviel wie und woher. Der König hatte sich in Holland schon seines Privatcredits bedient, um seiner Armee Brot geben zu können. Aber es reichte Alles nicht hin. Er schrieb seinen Ministern, daß, wenn sie ihm nicht schleunigst Geld schicken könnten, seine Truppen sich entweder empören oder zu Tausenden desertiren würden. Er wisse wohl, sagte er, daß es bedenklich sein würde, in seiner Abwesenheit das Parlament einzuberufen; aber wenn kein andres Mittel ausfindig gemacht werden könne, müsse man es riskiren. [17] Der in die größte Verlegenheit versetzte [XXII.10] Regentschaftsrath begann jetzt zu wünschen, daß die von den Commissaren in Mercers’ Hall angebotenen Bedingungen bei aller ihrer Härte angenommen worden wären. Die Unterhandlung wurde wieder angeknüpft. Shrewsbury, Godolphin und Portland, als Agenten der Regierung, hatten mehrere Conferenzen mit Harley und Foley, welche vor Kurzem behauptet hatten, daß achthunderttausend Pfund bereit seien, für die Landbank gezeichnet zu werden. Die Minister gaben die Zusicherung, daß, wenn in diesem Augenblicke nur die Hälfte dieser Summe vorgestreckt werden könnte, Diejenigen, welche dem Staate diesen Dienst erzeigt hätten, in der nächsten Session als Nationallandbank incorporirt werden sollten. Harley und Foley versprachen zuerst mit zuversichtlicher Miene das Verlangte aufzubringen. Aber sie nahmen bald ihr Wort zurück und zeigten große Lust, wegen Kleinigkeiten peinlich und streitsüchtig zu sein; schließlich schrumpften die achthunderttausend Pfund zu vierzigtausend zusammen, und selbst diese vierzigtausend waren nur unter harten Bedingungen zu haben. [18] So endete die große Täuschung der Landbank. Die Vollmacht erlosch und die Bureaux wurden geschlossen.

Jetzt nahm der der Verzweiflung nahe Regentschaftsrath seine Zuflucht zur Bank von England. Zweihunderttausend Pfund waren die geringste Summe, welche zur Bestreitung der dringendsten Bedürfnisse des Königs genügte. Würde die Bank von England diese Summe vorstrecken? Die Kapitalisten, welche die erste Stimme bei diesem Institute hatten, waren übelgestimmt und nicht ohne Grund. Aber freundliche Worte, dringende Bitten und glänzende Versprechungen wurden nicht gespart, der ganze Einfluß Montague’s, der mit Recht groß war, wurde aufgeboten; die Directoren versprachen ihr Möglichstes zu thun; aber sie fürchteten, daß es ihnen nicht möglich sein würde die Summe herbeizuschaffen, ohne von ihren Actionären eine zweite Einzahlung von zwanzig Procent zu verlangen. Die Frage mußte einer Generalversammlung vorgelegt werden, in einer solchen Versammlung waren über sechshundert Personen stimmberechtigt und das Ergebniß war sehr zweifelhaft. Die Actionäre wurden zu einer Versammlung in Mercers’ Hall für den 15. August eingeladen. Während der peinlichen Zwischenpause der Ungewißheit schrieb Shrewsbury in einem so tragischen Tone an seinen Gebieter, wie man ihn in officiellen Briefen nicht häufig findet. „Wenn dies nicht gelingt, dann weiß Gott was geschehen soll. Doch es muß Alles versucht und gewagt werden, ehe wir uns hinlegen und sterben.” [19] Am 15. August, der eine wichtige Epoche in der Geschichte der Bank bezeichnet, wurde die Generalversammlung abgehalten. Den Vorsitz führte Sir Johann Houblon, der Gouverneur, der zugleich Lordmayor von London, und, was unsrer Zeit sonderbar vorkommen würde, ein Commissar der Admiralität war. Sir John schilderte in einer Rede, von der jedes Wort niedergeschrieben und von den Directoren reiflich erwogen worden war, den Stand der Sache und bat die Versammlung dringend, dem Könige Wilhelm beizustehen. Es wurde anfangs ein wenig gemurrt. „Wenn unsere Noten genügten,” [XXII.11] sagte man, „so würden wir gern bereit sein, Sr. Majestät zu Hülfe zu kommen; aber zweihunderttausend Pfund in klingender Münze zu einer Zeit wie die gegenwärtige —.” Der Gouverneur erklärte kurz und entschieden, daß nur Gold oder Silber den Bedürfnissen der Armee in Flandern genügen könne. Es wurde endlich über die Frage abgestimmt, und jede Hand im Saale erhob sich für die Uebersendung des Geldes. Die Briefe von der holländischen Gesandtschaft benachrichtigten die Generalstaaten, daß das Ergebniß dieses Tages die Bank und die Regierung eng mit einander verbunden habe und daß mehrere Minister unmittelbar nach der Versammlung Actien gekauft hätten, nur um dem Institute, das dem Staate einen so großen Dienst erzeigt, einen Beweis ihrer Anhänglichkeit zu geben. [20]

Anstrengungen um dem Geldmangel abzuhelfen.

Inzwischen wurden energische Anstrengungen gemacht, um die Umprägung zu beschleunigen. Seit der Restauration war die Münze, wie alle anderen öffentlichen Anstalten im ganzen Lande, ein Nest von Müßiggängern und Arbeitsmaschinen gewesen. Der wichtige Posten des Münzmeisters, der zwischen sechs- und siebenhundert Pfund jährlich eintrug, war eine bloße Sinekure geworden und mit einer Reihe eleganter Gentlemen besetzt gewesen, die am Hazardspieltische zu Whitehall wohl bekannt waren, die sich aber nie herabließen, dem Tower zu nahe zu kommen. Dieser Posten war eben vakant geworden und Montague hatte ihn für Newton erlangt. [21] Die Geschäftstüchtigkeit, der Fleiß und die strenge Rechtschaffenheit des großen Philosophen bewirkten bald eine vollständige Revolution in dem seiner Leitung anvertrauten Departement. [22] Er widmete sich seiner [XXII.12] Aufgabe mit einer Thätigkeit, die ihm keine Zeit zu den Studien übrig ließ, in denen er Archimedes und Galilei übertroffen hat. Bis das große Werk vollendet war, widerstand er mit Festigkeit und fast mit Unmuth jedem Versuche, den Männer der Wissenschaft sowohl im Inlande als auf dem Continente machten, ihn von seinen Amtspflichten abzuziehen. [23] Die bisherigen Beamten der Münze hatten es für wunder etwas Großes gehalten, wenn in einer Woche funfzehntausend Pfund Sterling Silbergeld geprägt wurden. Als Montague von dreißig- bis vierzigtausend sprach, erklärten diese Männer der Form und des Hergebrachten die Sache für unausführbar. Aber die Energie des jungen Kanzlers der Schatzkammer und seines Freundes, des Münzwardeins, bewirkte noch viel größere Wunder. Bald gingen neunzehn Prägewerke zu gleicher Zeit im Tower. So schnell als in London Leute zu der Arbeit angelernt werden konnten, wurden Gruppen derselben nach anderen Theilen des Landes geschickt. In Bristol, York, Exeter, Norwich und Chester wurden Münzen errichtet. Diese Maßregel war im höchsten Grade populär. Die Maschinen und Arbeiter wurden an den neuen Bestimmungsorten mit Glockengeläute und Kanonensalven empfangen. Die wöchentliche Emission stieg auf sechzigtausend, auf achtzigtausend, auf hunderttausend und endlich auf hundertzwanzigtausend. [24] Doch selbst diese Emission, die nicht nur alle bisherigen Emissionen, sondern auch alle Erwartungen übertraf, war unbedeutend im Vergleich zu dem Bedarf der Nation. Auch kam nicht alles neugeprägte Silber in den Verkehr, denn während des Sommers und Herbstes waren diejenigen Politiker, welche eine Erhöhung des Nominalwerthes der Münzen wünschten, thätig und laut und man erwartete allgemein, daß sogleich nach dem Wiederzusammentritt des Parlaments der Münzfuß herabgesetzt werden würde. Natürlich wollte Niemand, der es für wahrscheinlich hielt, daß er in nicht ferner Zeit eine Schuld von einem Pfund Sterling mit drei Kronenstücken anstatt mit vier werde bezahlen können, bis zu dieser Zeit ein Kronenstück ausgeben, das meiste gemünzte Geld wurde daher zurückgelegt. [25] Die Monate Mai, Juni und Juli vergingen ohne eine merkliche Zunahme in der Quantität des guten Geldes. Erst im August konnte ein aufmerksamer Beobachter die ersten schwachen Anzeichen des wiederkehrenden Wohlstandes erkennen. [26]

Noth des Volks; seine Stimmung und sein Verhalten.

Die Noth der unteren Volksklassen war groß und wurde noch vermehrt durch die Thorheiten der Magistratsbeamten und durch die Kunstgriffe [XXII.13] der Mißvergnügten. Ein Squire, der zu dem Quorum gehörte, hielt es zuweilen für seine Schuldigkeit, in dieser schweren Prüfungszeit gegen seine Nachbarn die Billigkeit vorwalten zu lassen; da aber nicht zwei von diesen ländlichen Prätoren genau dieselben Begriffe von der Billigkeit hatten, so wurde durch ihre Edicte die Verwirrung immer ärger. In dem einen Kirchspiele wurde den Leuten, in offenem Widerspruch mit dem Gesetz, Gefängnißstrafe angedroht, wenn sie sich weigerten, beschnittene Schillinge in Zahlung anzunehmen. Im nächsten Kirchspiel war es gefährlich, solche Schillinge anders als nach dem Gewicht auszugeben. [27] Die Feinde der Regierung waren zu gleicher Zeit in ihrem Berufe unermüdlich thätig. Sie haranguirten an allen öffentlichen Orten, vom Chokoladenhause in Saint-James Street bis zu der mit Sand bestreuten Küche der Dorfschenke. In Versen und in Prosa stachelten sie die leidende Menge zur bewaffneten Erhebung auf. Von den Schriften, welche sie damals erscheinen ließen, war die bemerkenswertheste von einem abgesetzten Priester, Namens Grascombe, geschrieben, dessen Heftigkeit und Gemeinheit sich die achtungswertheren Eidverweigerer schon längst schämten. Er that jetzt sein Möglichstes, um den Pöbel zu überzeugen, daß diejenigen Parlamentsmitglieder, welche für die Wiederherstellung der Valuta gestimmt hatten, in Stücken zerrissen werden müßten. [28] Es wäre zuviel gesagt, wollte man behaupten, daß das böswillige Treiben dieses Mannes und Anderer seines Gelichters auf eine Bevölkerung, die ohne Widerrede schwer geprüft wurde, keinen Eindruck gemacht habe. Es fanden in verschiedenen Gegenden des Landes Unruhen statt, die aber mit leichter Mühe und, soweit es sich ermitteln läßt, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, unterdrückt wurden. [29] An einem Orte belagerte ein Haufen armer unwissender Geschöpfe, durch einen nichtswürdigen Agitator angereizt, das Haus eines whiggistischen Parlamentsmitgliedes und verlangte lärmend die Umwechselung ihres zu leichten Geldes. Der Gentleman willigte ein, es ihnen umzutauschen und fragte wieviel sie mitgebracht hätten. Nach einer Weile vermochten sie nicht mehr als eine einzige beschnittene halbe Krone aufzuweisen. [30] Tumulte wie dieser wurden in der Entfernung zu Aufständen und Metzeleien vergrößert. In Paris wurde in gedruckten Schriften allen Ernstes versichert, daß in einer englischen Stadt, welche [XXII.14] nicht genannt war, ein Soldat und ein Fleischer wegen eines Goldstücks in Streit gerathen seien, daß der Soldat den Fleischer getödtet, daß der Gehülfe des Fleischers hierauf ein Hackmesser ergriffen und den Soldaten erschlagen habe, daß sich ein großer Kampf entsponnen habe und daß funfzig Todte auf dem Platze geblieben seien. [31] In der Wirklichkeit aber war das Benehmen der großen Masse des Volks über alles Lob erhaben. Als die Richter im September von ihren Rundreisen zurückkehrten, berichteten sie, daß die Stimmung der Nation vortrefflich sei. [32] Sie zeige eine Geduld, eine Einsicht, eine Gutherzigkeit und eine Zuverlässigkeit, die Niemand erwartet habe. Jedermann sehe ein, daß nur gegenseitige Unterstützung und gegenseitige Nachsicht die Gesellschaft vor Auflösung bewahren könne. Auf einen hartherzigen Gläubiger, der streng auf den Tag Bezahlung in klingender Münze verlange, werde mit Fingern gezeigt und er von seinen eigenen Gläubigern mit Forderungen bestürmt, die ihn bald zur Vernunft brächten. Sehr besorgt war man wegen der Truppen gewesen. Es war kaum möglich, sie regelmäßig zu bezahlen; wenn sie nicht regelmäßig bezahlt wurden, mußte man mit gutem Grunde befürchten, daß sie ihren Bedürfnissen durch Raub genügen würden, und solche Räubereien ließ sich die Nation, welche ganz und gar nicht an militärische Erpressung und Tyrannei gewöhnt war, gewiß nicht ruhig gefallen. Merkwürdigerweise herrschte jedoch während dieses prüfungsreichen Jahres ein besseres Einvernehmen zwischen den Soldaten und der übrigen Gesellschaft, als man es je gekannt hatte. Die Gentry, die Landwirthe und die Krämer lieferten den Rothröcken ihre Bedürfnisse in so freundlicher und liberaler Weise, daß es weder Zwistigkeiten noch Marodiren gab. „So schmerzlich diese Calamitäten empfunden worden sind,” schreibt L’Hermitage, „haben sie doch etwas Erfreuliches bewirkt: sie haben gezeigt, wie gut der Geist des Landes ist. Kein Mensch, möge er eine noch so günstige Meinung von den Engländern gehabt haben, hätte erwarten können, daß eine Zeit solcher Noth eine Zeit solcher Ruhe sein würde.”

Männer, welche in dem so außerordentlich verwickelten Labyrinth der menschlichen Dinge die Spuren einer mehr als menschlichen Weisheit zu erkennen meinten, waren der Ansicht, daß ohne die Einmischung einer allgütigen Vorsehung der von großen Staatsmännern und großen Philosophen so mühsam entworfene Plan vollständig und schmachvoll gescheitert sein würde. Oftmals seit der Revolution waren die Engländer mürrisch und streitsüchtig, unvernünftig eifersüchtig auf die Holländer und geneigt gewesen, jeder Handlung des Königs die schlimmste Deutung zu geben. Hätte der 4. Mai unsere Vorfahren in einer solchen Stimmung gefunden, so unterliegt es kaum einem Zweifel, daß der drückende Nothstand, indem er schon gereizte Gemüther noch mehr reizte, einen Ausbruch veranlaßt haben würde, der Wilhelm’s Thron unfehlbar erschüttert, vielleicht sogar umgestürzt hätte. Zum Glück war der König in dem Augenblicke wo die Loyalität der Nation auf die härteste Probe gestellt wurde, populärer als er es seit dem Tage, an welchem ihm im Bankethause die Krone überreicht worden, je gewesen war. Die gegen sein Leben angezettelte Verschwörung hatte allgemeinen Unwillen und Abscheu erweckt. Sein zurück [XXII.15] haltendes Wesen, seine Anhänglichkeit an Ausländer waren vergessen. Er war für sein Volk ein Gegenstand der persönlichen Theilnahme und der persönlichen Zuneigung geworden. Allenthalben strömte es massenhaft herbei, um das Actenstück zu unterzeichnen, das sie verpflichtete, ihn zu vertheidigen und zu rächen. Allenthalben trugen sie Zeichen ihrer Loyalität gegen ihn an den Hüten. Nur schwer war es abzuhalten, den Wenigen, die sein Recht auf den Thron noch offen zu bestreiten wagten, eine summarische Bestrafung zu Theil werden zu lassen. Jakobit war jetzt gleichbedeutend mit Kehlabschneider. Angesehene jakobitische Laien hatten so eben einen schändlichen Mordanschlag gemacht. Angesehene jakobitische Priester hatten ganz unverhohlen und bei der Ausübung eines feierlichen Kirchendienstes ihre Billigung dieses Mordanschlags ausgesprochen. Viele rechtschaffene und fromme Männer, die der Meinung waren, daß ihre Unterthanentreue noch immer Jakob gebühre, hatten entrüstet jede Verbindung mit Zeloten abgebrochen, welche zu glauben schienen, daß ein guter Zweck die schlechtesten Mittel heilige. So war die Gesinnung der Nation während des Sommers und Herbstes 1696, und daher kam es, daß ein drückender Nothstand, der in jedem der vorhergehenden sieben Jahre sicherlich einen Aufstand, vielleicht eine Contrerevolution hervorgerufen haben würde, nicht eine einzige Ruhestörung veranlaßte, welche zu ernst gewesen wäre, um durch den Stab des Constablers unterdrückt werden zu können.

Unterhandlungen mit Frankreich; der Herzog von Savoyen fällt von der Coalition ab.

Die Rückwirkung der commerciellen und finanziellen Krisis in England wurde gleichwohl bei allen Flotten und Armeen der Coalition empfunden. Die reiche Quelle der Subsidien war versiegt. Nirgends konnte eine wichtige militärische Operation unternommen werden. Zu gleicher Zeit waren Friedensvorschläge gemacht und Unterhandlungen eröffnet worden. Callieres, einer der geschicktesten von den vielen geschickten Gesandten im Dienste Frankreich’s, war nach den Niederlanden gesandt worden und hatte eine Menge Conferenzen mit Dykvelt gehabt. Diese Conferenzen wären vielleicht zu einem baldigen und befriedigenden Schlusse gelangt, hätte nicht Frankreich um diese Zeit auf einer andren Seite einen großen diplomatischen Sieg errungen. Seit sieben Jahren dachte und laborirte Ludwig vergebens daran, die große Potentatenphalanx zu zerreißen, welche die Furcht vor seiner Macht und seinem Ehrgeize zusammengebracht hatte und zusammenhielt. Aber seit sieben Jahren waren alle seine Kunstgriffe durch Wilhelm’s Geschicklichkeit vereitelt worden, und als der achte Feldzug begann, war die Conföderation noch nicht durch einen einzigen Abfall geschwächt. Bald jedoch begann man zu argwöhnen, daß der Herzog von Savoyen im Geheimen mit dem Feinde unterhandle. Er versicherte Galway, dem Vertreter England’s am Hofe von Turin, feierlich, daß nicht der mindeste Grund zu einem solchen Verdachte vorhanden sei und schrieb Wilhelm Briefe, in denen er seinen Eifer für die gemeinsame Sache betheuerte und dringend um mehr Geld bat. Diese Verstellung dauerte so lange, bis ein französisches Armeecorps unter den Befehlen Catinat’s in Piemont erschien. Jetzt warf der Herzog die Maske ab, schloß Frieden mit Frankreich, vereinigte seine Truppen mit denen Catinat’s, rückte in’s mailändische Gebiet ein und zeigte den Verbündeten, die er eben verlassen hatte, an, daß sie Italien für neutralen Boden erklären müßten, [XXII.16] wenn sie ihn nicht zum Feinde haben wollten. Die Höfe von Wien und Madrid unterwarfen sich in großer Angst den von ihm vorgeschriebenen Bedingungen. Wilhelm beschwerte sich und protestirte vergebens; sein Einfluß war nicht mehr das was er gewesen war. Europa war allgemein der Ansicht, daß der Reichthum und Credit England’s völlig erschöpft seien, und seine Verbündeten wie seine Feinde glaubten es ungestraft mit Geringschätzung behandeln zu können. Der spanische Hof, getreu seinem feststehenden Grundsatze, daß Alles für ihn und Nichts durch ihn geschehen müsse, hatte die Frechheit, dem Prinzen, dem er es verdankte, daß er nicht die Niederlande und Catalonien verloren, Vorwürfe zu machen, weil er nicht Truppen und Schiffe zur Vertheidigung der spanischen Besitzungen in Italien gesandt habe. Die kaiserlichen Minister faßten und vollzogen Beschlüsse, welche die Interessen der Coalition sehr ernst berührten, ohne Den zu fragen, der der Schöpfer und die Seele der Coalition gewesen war. [33] Ludwig hatte sich nach dem Scheitern des Mordanschlags in die unangenehme Nothwendigkeit gefügt, Wilhelm anzuerkennen, und hatte Callieres ermächtigt, eine Erklärung in diesem Sinne abzugeben. Aber der Abfall Savoyen’s, die Neutralität Italien’s, die Uneinigkeit unter den Verbündeten und vor Allem die Verlegenheiten England’s, die in allen Briefen der Jakobiten in London an die Jakobiten in Saint-Germains noch übertrieben wurden, bewirkten eine Sinnesänderung. Callieres’ Ton wurde hochmüthig und anmaßend, er nahm sein Wort zurück und verweigerte jede Zusage, daß sein Gebieter den Prinzen von Oranien als König von Großbritannien anerkennen würde. Die Freude der Eidverweigerer war groß. Sie seien stets überzeugt gewesen, sagten sie, daß der große Monarch seines eignen Ruhmes und des gemeinsamen Interesses der Souveraine nicht so uneingedenk sein würde, daß er die Sache seiner unglücklichen Gäste aufgeben und einen Usurpator seinen Bruder nennen könnte. Sie wüßten aus sicherster Quelle, daß Se. Allerchristlichste Majestät vor kurzem in Fontainebleau dem Könige Jakob befriedigende Zusicherungen in dieser Hinsicht gegeben habe. Es ist in der That Grund zu dem Glauben vorhanden, daß der Plan einer Invasion unsrer Insel von neuem in Versailles ernsthaft erwogen wurde. [34] Catinat’s Armee war jetzt frei. Frankreich, das von Seiten Savoyen’s nichts mehr zu fürchten hatte, konnte zwanzigtausend Mann zu einer Landung in England entbehren, und wenn die Noth und Unzufriedenheit bei uns wirklich so groß war, als es allgemein hieß, so konnte die Nation wohl geneigt sein, fremde Befreier mit offenen Armen zu empfangen.

So trübe waren Wilhelm’s Aussichten, als er im Herbst 1696 sein Lager in den Niederlanden mit England vertauschte. Seine englischen Diener sahen inzwischen seiner Ankunft mit sehr lebhaften und sehr verschiedenen Gefühlen entgegen. Die ganze politische Welt war durch eine Ursache in heftige Aufregung versetzt worden, die auf den ersten Anblick einer solchen Wirkung nicht zu entsprechen schien.

[XXII.17] Nachforschungen nach jakobitischen Verschwörern in England; Sir Johann Fenwick.

Während seiner Abwesenheit waren die Nachforschungen nach Jakobiten, welche bei den Comploten vom vergangenen Winter betheiligt gewesen waren, nicht eingestellt worden, und von diesen Jakobiten war keiner in größerer Gefahr als Sir Johann Fenwick. Seine Geburt, seine Connectionen, die hohe Stellung, die er eingenommen, die unermüdliche Thätigkeit, mit der er mehrere Jahre lang auf den Umsturz der Regierung hingearbeitet, und die persönliche Rohheit, mit der er die verstorbene Königin behandelt hatte, bezeichnete ihn als eine geeignete Persönlichkeit für ein zu statuirendes Exempel. Es gelang ihm jedoch, sich den Dienern der Gerechtigkeit zu entziehen, bis die erste Hitze der Verfolgung vorüber war. In seinem Versteck sann er auf eine List, durch die er dem Schicksale seiner Freunde Charnock und Parkyns entgehen zu können meinte. Es bedurfte zweier Zeugen, um ihn zu überführen. Aus dem Gange der Prozesse seiner beiden Complicen schien ihm klar hervorzugehen, daß es nur zwei Zeugen gebe, die seine Schuld beweisen könnten: Porter und Goodman. Sein Kopf war gerettet, wenn einer von diesen beiden Männern überredet werden konnte sich zu verbergen.

Fenwick war nicht der Einzige, der gewichtige Gründe hatte zu wünschen, daß Porter und Goodman bewogen werden möchten, England zu verlassen. Aylesbury war verhaftet und im Tower untergebracht worden, und er wußte sehr gut, daß, wenn diese beiden Männer gegen ihn auftraten, sein Kopf in ernster Gefahr sein würde. Seine und Fenwick’s Freunde brachten eine Summe zusammen, die sie für genügend hielten, und zwei Irländer oder, wie die damaligen Zeitungen sich ausdrückten, Sumpftraber (bogtrotter), ein Barbier, Namens Clancy, und ein verabschiedeter Hauptmann, Namens Donelagh, übernahmen das Werk der Bestechung.

Der erste Versuch wurde bei Porter gemacht. Clancy richtete es so ein, daß er in einem Wirthshause mit ihm zusammentraf, ließ bedeutungsvolle Winke fallen, und da er sah, daß diese Winke günstig aufgenommen wurden, eröffnete er eine ordentliche Unterhandlung. Die offerirten Bedingungen waren lockend: dreihundert Guineen sogleich, weitere dreihundert, sobald der Zeuge über dem Wasser war, eine anständige Leibrente, eine unbedingte Amnestie von König Jakob und einen sichern Aufenthalt in Frankreich. Porter schien geneigt einzuwilligen, und er war es vielleicht wirklich. Er sagte er sei noch immer Derselbe, der er gewesen, im Herzen ein treuer Anhänger der guten Sache; aber er sei über seine Kräfte geprüft worden. Das Leben sei schön. Leute, die nie in Gefahr gewesen seien, könnten leicht sagen, daß nur ein Schurke sich dadurch rette, daß er seine Genossen an den Galgen brächte; ein paar Stunden in Newgate mit der nahen Aussicht auf eine Schleifpartie nach Tyburn würden diese Großsprecher wohl lehren, milder zu urtheilen. Nach wiederholten Besprechungen mit Clancy wurde Porter der Gattin Lord Fenwick’s, Lady Marie, einer Schwester des Earls von Carlisle, vorgestellt, und bald war Alles geordnet. Donelagh traf die Vorkehrungen zur Flucht. Es wurde ein Boot in Bereitschaft gehalten und Fenwick schrieb die Briefe, welche dem Flüchtlinge den Schutz König Jakob’s sichern sollten. Zeit und Ort waren festgesetzt, wo er die erste Rate der versprochenen Belohnung in Empfang nehmen sollte. Aber sein Muth verließ ihn. Er [XXII.18] war in der That so weit gegangen, daß es Wahnsinn von ihm gewesen wäre, wieder umzukehren. Er hatte Charnock, King, Keyes, Friend, Parkyns, Rookwood und Cranburne an den Galgen gebracht. Einem solchen Judas konnte unmöglich jemals wirklich vergeben werden. In Frankreich, unter den Freunden und Kameraden Derer, die er vernichtet hatte, würde er keinen Tag seines Lebens sicher gewesen sein. Kein Begnadigungsbrief mit dem großen Siegel würde den Streich des Bluträchers abgewendet haben. Ja, wer konnte wissen, ob die ihm verheißene Belohnung nicht ein Köder war, durch den man das Opfer an den Ort locken wollte, wo ein furchtbares Geschick seiner wartete? Porter beschloß, derjenigen Regierung treu zu sein, unter der er allein sicher sein konnte; er zeigte die ganze Intrigue in Whitehall an und empfing ausführliche Instructionen von den Ministern. Am Vorabend des zu seiner Abreise festgesetzten Tages hatte er in einem Wirthshause noch eine Abschiedszusammenkunft mit Clancy. Dreihundert Guineen waren auf dem Tische aufgezählt. Porter nahm sie an sich und gab ein Zeichen. Im nächsten Augenblicke traten mehrere Boten vom Staatssekretariat ins Zimmer und zeigten einen Verhaftsbefehl vor. Der unglückliche Barbier wurde ins Gefängniß abgeführt, wegen seines Vergehens in Untersuchung gezogen, für schuldig erkannt und mit Ausstellung am Pranger bestraft. [35]

Ergreifung Fenwick’s.

Dieser Unfall machte Fenwick’s Lage gefährlicher als je. Bei der nächsten Session für die City von London wurde der großen Jury eine Anklagebill auf Hochverrath gegen ihn vorgelegt. Porter und Goodman traten als Kronzeugen auf und die Anklage wurde für begründet erklärt. Jetzt dachte Fenwick, es sei hohe Zeit, daß er sich nach dem Continent aus dem Staube mache. Er traf Anstalten zu seiner Ueberfahrt, verließ seinen Versteck und begab sich nach Romney Marsh. Hier hoffte er bis zur Ankunft des Schiffes, das ihn über den Kanal bringen sollte, ein schützendes Obdach zu finden. Denn obgleich Hunt’s Etablissement aufgehoben worden war, gab es doch in dieser einsamen Gegend noch immer Schmuggler, die mehr als ein unerlaubtes Gewerbe trieben. Der Zufall wollte, daß gerade zwei von diesen Leuten wegen Beherbergung von Hochverräthern verhaftet worden waren. Als der Staatsbote, der sie festgenommen, mit ihnen nach London zurückkehrte, begegnete er auf der Heerstraße Fenwick. Zu seinem Unglück war kein Gesicht in ganz England so bekannt wie das seinige. „Das ist Sir John,” sagte der Beamte zu seinen beiden Gefangenen; „steht mir bei, Kinder, und ich garantire Euch Eure Begnadigung und einen Beutel voll Guineen dazu.” Das Anerbieten war zu lockend, um es von der Hand zu weisen; aber Fenwick war besser beritten als seine Gegner, er sprengte mit dem Pistol in der Hand zwischen ihnen durch und war ihnen bald aus dem Gesicht. Sie setzten ihm nach, es wurde Lärm gemacht, die Glocken aller Kirchen des Moores gingen, die ganze Gegend war in Aufruhr; jeder Pfad wurde besetzt, jedes Dickicht und jede Hütte durchsucht und der Flüchtling endlich im Bett gefunden. Gerade in diesem Augenblicke kam [XXII.19] eine Barke von sehr verdächtigem Aussehen in Sicht; sie näherte sich dem Ufer und zeigte die englische Flagge; aber dem erfahrenen Auge der Kentischen Fischer kam sie ganz wie ein französischer Kaper vor. Es war nicht schwer, den Zweck ihres Erscheinens zu errathen. Nachdem sie eine Weile vergebens ihren Passagier erwartet hatte, ging sie wieder in See. [36]

Zu seinem Unglück gelang es Fenwick, die Wachsamkeit seiner Hüter in so weit zu täuschen, daß er mit Bleistift einen kurzen Brief an seine Frau schreiben konnte. Jede Zeile enthielt Beweise für seine Schuld. Es sei Alles vorbei, schrieb er, er sei ein todter Mann, wenn seine Freunde ihm nicht durch Fürsprache Begnadigung auswirken könnten. Vielleicht gelinge es den vereinten Bitten aller Howards. Er wolle außer Landes gehen, wolle feierlich versprechen, nie wieder den Fuß auf englischen Boden zu setzen und nie wieder den Degen gegen die Regierung zu ziehen. Oder vielleicht würde es auch möglich sein, einen oder zwei Geschworne zu erkaufen, damit sie die übrigen durch Hunger zur Nachgiebigkeit zwängen. „Dies allein kann mich retten,” schrieb er. Das Billet wurde auf dem Wege zur Post aufgefangen und nach Whitehall geschickt. Fenwick kam bald darauf in London an und wurde vor die Lords Justices gebracht. Zuerst schlug er einen hohen Ton an und bot seinen Anklägern Trotz. Man hielt ihm entgegen, daß er nicht immer so zuversichtlich gewesen sei, und legte ihm den Brief an seine Frau vor. Er hatte noch keine Ahnung davon gehabt, daß derselbe in andere Hände gekommen sei als für die er bestimmt war. Seine Angst und Bestürzung waren groß; er sah ein, daß, wenn er sogleich vor ein Geschworengericht gestellt wurde, seine Verurtheilung unvermeidlich war. Eine Hoffnung blieb ihm. Wenn er den Beginn seines Prozesses einige Zeit hinziehen konnte, so verließen die Richter die Stadt, um ihre Rundreise anzutreten; dadurch wurden einige Wochen gewonnen und im Laufe dieser paar Wochen konnte etwas gethan werden.

Fenwick’s Bekenntniß.

Er wendete sich speciell an den Obersthofmeister Devonshire, mit dem er früher auf ziemlich freundschaftlichem Fuße gestanden hatte. Der Unglückliche erklärte, er überlasse sich ganz und gar der königlichen Gnade, und erbot sich Alles zu enthüllen was er von den Anschlägen der Jakobiten wisse. Daß er viel davon wisse, konnte Niemand bezweifeln. Devonshire rieth seinen Kollegen mit der Untersuchung so lange anzustehen, bis man die Willensmeinung des Königs eingeholt habe. Dieser Rath wurde befolgt. Der König wurde vom Geschehenen benachrichtigt und in seiner bald eintreffenden Rückantwort befahl er Devonshire, das schriftliche Bekenntniß des Gefangenen entgegenzunehmen und es schleunigst nach den Niederlanden zu senden. [37]

Fenwick hatte nun zu überlegen, was er bekennen sollte. Hätte er seinem Versprechen gemäß Alles enthüllt was er wußte, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß seine Aussagen viele jakobitische Cavaliere, Gentlemen und Geistliche ernstlich compromittirt haben würden. Aber obgleich er gar nicht gern sterben wollte, so war doch die Anhänglichkeit an seine [XXII.20] Partei bei ihm stärker als die Todesfurcht. Es kam ihm der Gedanke, eine Geschichte zusammenzusetzen, die möglicherweise für genügend erachtet werden könnte, um ihm Begnadigung zu gewähren, die zum mindesten seinen Prozeß um einige Monate verzögerte, dabei doch keinen einzigen aufrichtigen Anhänger der verbannten Dynastie Schaden brachte, den Feinden dieser Dynastie aber Angst und Verlegenheit bereitete und den Hof, den Staatsrath und das Parlament Wilhelm’s mit Furcht und Haß erfüllte. Er wollte nichts sagen, was die ächten Jakobiten compromittiren konnte, welche zu wiederholten Malen mit geladenen Pistolen und gesattelten Pferden die Landung des rechtmäßigen Königs in Begleitung einer französischen Armee erwartet hatten. Aber wenn es falsche Jakobiten gab, welche ihren verbannten Souverain Jahr aus Jahr ein mit Anhänglichkeitsversicherungen und Dienstversprechungen zum Besten gehabt und doch bei jeder wichtigen Krisis eine Entschuldigung dafür gefunden hatten, daß sie ihn hintergingen, und die in diesem Augenblicke zu den Hauptstützen des Thrones des Usurpators gehörten, warum sollte er sie schonen? Daß es solche falsche Jakobiten gab, die hohe Staatsämter und Militärcommandos bekleideten, hatte Fenwick guten Grund zu glauben. Er konnte zwar nichts gegen sie aussagen, worauf ein ordentlicher Gerichtshof gehört haben würde, denn keiner von ihnen hatte ihm je einen Auftrag oder einen Brief für Frankreich anvertraut und Alles was er von ihren Verräthereien wußte, hatte er aus zweiter und dritter Hand. Aber an ihrer Schuld zweifelte er nicht. Einer von ihnen war Marlborough. Er hatte, nachdem er Jakob an Wilhelm verrathen, dies wieder gut zu machen versprochen, indem er Wilhelm an Jakob verriethe, und hatte endlich nach vielem Intriguiren Jakob abermals verrathen und sich mit Wilhelm ausgesöhnt. Godolphin hatte ähnliche Täuschungen verübt. Er hatte lange Zeit schöne Worte nach Saint-Germains geschrieben, hatte dafür ein Begnadigungsversprechen erlangt und mit diesem Versprechen in seinem geheimen Schubkasten hatte er die Verwaltung der Finanzen der bestehenden Regierung beibehalten. Einen solchen Mann ins Verderben zu stürzen, wäre eine gerechte Strafe für seine Schlechtigkeit und ein großer Dienst für König Jakob gewesen. Noch wünschenswerther war es, den Ruf und Einfluß Russell’s und Shrewsbury’s zu zerstören. Beide waren ausgezeichnete Mitglieder der Partei, welche unter verschiedenen Namen durch drei Generationen eine unversöhnliche Feindschaft gegen die Könige des Hauses Stuart bewiesen hatte. Beide hatten eine große Rolle in der Revolution gespielt. Beide hatten das Schreiben unterzeichnet, welches den Prinzen von Oranien aufgefordert hatte, nach England zu kommen. Einer von ihnen war jetzt sein Minister für die Marineangelegenheiten, der andre sein erster Staatssekretär; aber keiner von beiden war ihm beständig treu geblieben. Beide hatten bald nach seiner Thronbesteigung mit heftigem Unwillen seine weise und hochherzige Unparteilichkeit gesehen, die ihren durch Parteigeist verblendeten Augen als ungerechte und undankbare Parteilichkeit gegen die Tories erschien und beide hatten in ihrem Grolle Agenten von Saint-Germains ein geneigtes Ohr geliehen. Russell hatte bei Allem was ihm heilig war geschworen, daß er selbst seinen verbannten Souverain zurückbringen werde. Aber das Gelübde war kaum ausgesprochen gewesen, als es auch schon gebrochen wurde, und er, indem die königliche Familie einen zweiten Monk zu finden gehofft, hatte die Hoffnungen dieser Familie bei La Hogue zertrümmert. [XXII.21] Shrewsbury war nicht so weit gegangen. Doch auch er hatte, während er Wilhelm grollte, mit den Agenten Jakob’s verkehrt. Mit der Macht und dem Rufe dieser beiden hochstehenden Männer waren die Macht und der Ruf der ganzen Whigpartei innig verkettet. Diese Partei war jetzt, nach einigen Zwistigkeiten, die eigentlich keine größere Bedeutung gehabt hatten als Liebeszwiste, mit Wilhelm herzlich ausgesöhnt und durch die stärksten Bande an ihn gefesselt. Wenn diese Bande zerrissen, wenn er bewogen werden konnte, den einzigen Verein von Männern, der seinen Interessen aus Prinzip und mit Begeisterung zugethan war, mit Mißtrauen und Widerwillen zu betrachten, so hatten seine Feinde in der That Ursache sich zu freuen.

In dieser Absicht übergab Fenwick Devonshire ein Schriftstück, das mit solcher Schlauheit abgefaßt war, daß es wahrscheinlich ernstes Unheil über den Fürsten an den es gerichtet war, gebracht haben würde, wäre dieser Fürst nicht ein Mann von wunderbarem Scharfblick und wunderbarer Seelengröße gewesen. Die Schrift sagte soviel wie gar nichts über diejenigen jakobitischen Complots, bei denen der Verfasser selbst betheiligt gewesen war und deren Einzelheiten er alle genau kannte. Sie enthielt nichts, was irgend einer der bestehenden Ordnung der Dinge wirklich feindlich gesinnten Person den geringsten Nachtheil hätte bringen können. Die ganze Erzählung bestand aus größtentheils nur zu wahren, sich aber auf keine bessere Autorität als Hörensagen gründenden Geschichten von den Intriguen einiger hochgestellter Militärs und Staatsmänner, die, mochte ihr früheres Verhalten gewesen sein, welches es wollte, jetzt wenigstens Wilhelm aufrichtig unterstützten. Godolphin, behauptete Fenwick, habe einen Sitz im Schatzamte angenommen, mit Bewilligung und zum Nutzen König Jakob’s. Marlborough habe versprochen, mit der Armee, Russell, mit der Flotte überzugehen. Shrewsbury habe, während er nicht im Amte gewesen, mit Middleton gegen Regierung und König conspirirt. Die Whigs seien in der That jetzt die Günstlinge in Saint-Germains. Viele alte Freunde des erblichen Rechts seien durch die Bevorzugung, welche Jakob den Neubekehrten angedeihen lasse, eifersüchtig geworden. Ja, man habe ihn sogar die zuversichtliche Hoffnung äußern hören, daß die Monarchie durch die nämlichen Hände wieder aufgerichtet werden würde, die sie gestürzt hätten.

Dies war Fenwick’s Bekenntniß. Devonshire nahm es in Empfang und schickte es durch einen Expressen nach den Niederlanden, ohne seine Collegen im Staatsrathe von dem Inhalte zu unterrichten. Die angeschuldigten Minister beschwerten sich späterhin bitter über diese Handlungsweise. Devonshire führte zu seiner Vertheidigung an, er sei vom Könige speciell beauftragt worden, die Aussagen des Gefangenen entgegenzunehmen, und habe als treuer Diener der Krone die Verpflichtung gehabt, diese Aussagen Seiner Majestät, und nur Seiner Majestät mitzutheilen.

Der von Devonshire abgesandte Bote fand Wilhelm in Loo. Der König las das Bekenntniß und durchschaute sogleich in welcher Absicht es aufgesetzt worden war. Es enthielt wenig mehr als was er längst wußte, aber kluger- und hochherzigerweise nicht zu wissen sich gestellt hatte. Wenn er Männer, die falsch gegen ihn gehandelt hatten, schonte, anstellte und beförderte, so täuschte er sich deshalb noch keineswegs über sie. Er besaß eine scharfe und richtige Beobachtungsgabe, war gut unterrichtet und hatte seit einigen Jahren von vielem was Fenwick nur nach vagen [XXII.22] Gerüchten kannte, Beweise in Händen. Es ist Manchen auffällig erschienen, daß ein Fürst von starrem Sinne und unfreundlichem Wesen, Diener, die ihn so schwer gekränkt, mit einer Milde behandelte, die man kaum von dem sanftesten Menschen hätte erwarten können. Aber Wilhelm war vor Allem Staatsmann. Ueble Laune, die natürliche und verzeihliche Folge großer körperlicher und geistiger Leiden, konnte ihn zuweilen zu einer barschen Antwort hinreißen. Nie aber ließ er sich bei irgend einem wichtigen Anlasse auf Kosten der großen Interessen, deren Hüter er war, von seinen Leidenschaften beherrschen. So stolz und gebieterisch er von Natur war, um dieser Interessen willen unterwarf er sich geduldig harten Beschränkungen, ertrug heftige Kränkungen und Enttäuschungen mit einem Anschein von Heiterkeit und verzieh nicht nur Beleidigungen, die ihn gewiß empörten, sondern stellte sich sogar, als ob er sie gar nicht bemerkt hätte. Er wußte daß er nun einmal mit solchen Werkzeugen arbeiten mußte, wie er sie hatte. Wenn er England regieren sollte, mußte er sich auch der Staatsmänner England’s bedienen, und zu seiner Zeit waren die Staatsmänner England’s bei großer Geschicklichkeit in vielen Dingen insgesammt niedrigdenkend und unmoralisch. Allerdings gab es Ausnahmen. Solche waren Nottingham unter den Tories und Somers unter den Whigs. Aber die Mehrheit der toryistischen wie der whiggistischen Minister Wilhelm’s waren Männer, deren Character in den Tagen der antipuritanischen Reaction ihre Richtung bekommen hatte. Sie waren in zwei schlimmen Schulen gebildet, an dem gewissenlosesten aller Höfe und in der gewissenlosesten aller Oppositionen, an einem Hofe, der seinen Character von Karl entlehnte, und einer Opposition, an deren Spitze Shaftesbury stand. Von so geschulten Männern uneigennützige und beharrliche Treue für irgend eine Sache zu erwarten, würde unvernünftig gewesen sein. Aber wenn sie auch kein Vertrauen verdienten, so waren sie doch zu brauchen und konnten nützlich werden. Auf ihre Grundsätze konnte man sich nicht verlassen, um so mehr aber konnte man auf ihre Hoffnungen und auf ihre Befürchtungen bauen, und von den beiden Königen, welche Anspruch auf den englischen Thron machten, war der im Besitz des Thrones befindliche derjenige, von dem am meisten zu hoffen und am meisten zu fürchten war. Wenn daher Wilhelm auch wenig Ursache hatte diese Staatsmänner für seine aufrichtigen Freunde zu halten, so hatte er doch noch weniger Ursache, sie zu seinen heftigen Feinden zu zählen. So tadelnswerth ihr Benehmen gegen ihn war, konnte es doch im Vergleich zu ihrem Benehmen gegen Jakob noch rechtschaffen genannt werden. Dem regierenden Souverain hatten sie werthvolle Dienste geleistet, dem verbannten Souverain wenig mehr als Versprechungen und Versicherungen gegeben. Shrewsbury mochte in einer Anwandlung von Groll oder Schwäche mit jakobitischen Agenten verkehrt haben; aber sein allgemeines Verhalten hatte bewiesen, daß er so weit davon entfernt war als je, ein Jakobit zu sein. Godolphin war gegen die verbannte Dynastie verschwenderisch mit schönen Worten gewesen, aber er hatte die Einkünfte der am Ruder befindlichen Dynastie sparsam und geschickt verwaltet. Russell hatte geschworen, daß er mit der englischen Flotte desertiren werde, aber er hatte die französische Flotte verbrannt. Selbst Marlborough’s bekannte Verräthereien — denn von seinem Antheil an dem Unglücke von Brest und an dem Tode Talmash’s hatte man keine Ahnung — hatte nicht soviel Schaden gethan, als seine Thaten bei Walcourt, bei Cork und bei Kinsale Nutzen gebracht. [XXII.23] Wilhelm hatte sich daher wohlweislich vorgenommen, seine Augen einer Perfidie zu verschließen, die, so schändlich sie immer sein mochte, ihm keinen Nachtheil gebracht hatte, und sich noch immer mit gehöriger Vorsicht der ausgezeichneten Talente zu bedienen, die einige seiner ungetreuen Räthe besaßen. Da er sich einmal zu diesem Verfahren entschlossen und es seit langer Zeit mit glücklichem Erfolge beobachtet hatte, so mußte ihn Fenwick’s Bekenntniß nothwendig verdrießen und reizen. Es war klar, daß Sir John sich für einen Macchiavel hielt. Wenn sein Streich gelang, so wurde die Prinzessin, mit der man es um keinen Preis verderben durfte, durch Marlborough’s Entlassung der Regierung entfremdet, die gesammte Whigpartei, die festeste Stütze des Thrones, wurde durch die Entlassung Russell’s und Shrewsbury’s entfremdet, und doch konnte keinem von denjenigen Verschwörern, von denen Fenwick wußte, daß sie in Insurrections-, Invasions- und Ermordungspläne tief verwickelt gewesen waren, etwas geschehen. Der schlaue Plänemacher sollte jedoch erfahren, daß er es mit keinem Anfänger zu thun hatte. Anstatt daß Wilhelm seine angeschuldigten Diener von ihren Posten entfernte, übersandte er das Bekenntniß Shrewsbury mit der Weisung es den Lords Justices vorzulegen. „Ich bin erstaunt,” schrieb der König, „über die Frechheit dieses Menschen. Sie kennen mich zu gut, als daß Sie glauben sollten, daß derartige Geschichten den geringsten Eindruck auf mich machen können. Bemerken Sie nur die Aufrichtigkeit des wackeren Mannes. Er hat gegen Niemanden als gegen meine Freunde etwas zu sagen. Kein Wort von den Plänen seiner jakobitischen Genossen.” Der König schloß damit, daß er den Lords Justices befahl, Fenwick so schleunig als möglich vor ein Geschwornengericht zu stellen. [38]

Der Eindruck, den Wilhelm’s Brief machte, war eigenthümlich. Jede der angeschuldigten Personen benahm sich in ganz characteristischer Weise. Marlborough, der Schuldigste von Allen, bewahrte eine heitere, majestätische und etwas verächtliche Ruhe. Russell, der fast eben so strafbar war als Marlborough, gerieth in heftigen Zorn und schnaubte Rache gegen den schurkischen Angeber. Godolphin war besorgt, aber behutsam, zurückhaltend, sich vollkommen beherrschend, und machte sich bereit, die Defensive zu beobachten. Shrewsbury aber, der von allen Vieren den wenigsten Tadel verdiente, war ganz zu Boden geschmettert. Er schrieb in der größten Angst an Wilhelm, erkannte mit warmen Dankesversicherungen die seltene Großmuth des Königs an und betheuerte, daß Fenwick geringfügige Kleinigkeiten boshafterweise zu schweren Verbrechen übertrieben und entstellt habe. „Mylord Middleton” — das war der wesentliche Inhalt seines Briefes — „stand allerdings um die Zeit der Schlacht von La Hogue mit mir in Verbindung. Wir sind Verwandte, wir sahen uns häufig und gerade vor seiner Abreise nach Frankreich speisten wir noch zusammen, bei welcher Gelegenheit ich ihm versprach, seine hiesigen Interessen wahrzunehmen, während er sich dagegen erbot, mir dort gefällig zu sein; aber ich sagte ihm, daß ich zu tief verletzt habe, um Verzeihung erwarten zu können und daß ich mich auch nicht herablassen werde, um Verzeihung zu bitten.” Dies, versicherte Shrewsbury, sei sein ganzes Ver [XXII.24] brechen. [39] Es ist nur zu vollständig erwiesen, daß dieses Geständniß kein offenes war, auch ließ sich Wilhelm dadurch wahrscheinlich nicht täuschen. Aber er hatte sich vorgenommen, dem reuigen Verräther die Demüthigung zu ersparen, einen Fehler einzugestehen und deshalb um Verzeihung zu bitten. „Ich kann,” schrieb der König, „in dem was Sie zugegeben haben, durchaus kein Verbrechen erblicken. Sein Sie versichert, daß diese Verleumdungen keinen ungünstigen Eindruck auf mich gemacht haben. Sie sollen sogar erfahren, daß sie mein Vertrauen zu Ihnen noch vermehrt haben.” [40]

Ein von Grund aus verdorbener Mensch würde durch eine so vollständige, ihm in so gnädigen Ausdrücken zugesicherte Freisprechung völlig beruhigt worden sein. Aber Shrewsbury war ganz vernichtet durch eine Milde, die er, wie er wohl wußte, nicht verdient hatte. Er erschrak vor dem Gedanken, dem Gebieter unter die Augen zu treten, gegen den er sich vergangen und der ihm verziehen hatte, und sich den scharfen Blicken der Peers auszusetzen, unter denen seine Geburt und seine Talente ihm eine Stellung erworben hatten, der er sich unwürdig fühlte. Der Feldzug in den Niederlanden war beendigt, die Parlamentssession stand bevor und man erwartete daher den König mit dem ersten günstigen Winde. Shrewsbury verließ die Stadt und zog sich in die Wolds von Gloucestershire zurück. In diesem Districte, damals einem der wildesten im Süden der Insel, besaß er einen von freundlichen Gartenanlagen und Fischteichen umgebenen kleinen Landsitz. Wilhelm hatte auf seiner Reise im vorhergehenden Jahre diesen Wohnsitz besucht, der weit von jeder Landstraße und von jeder Marktstadt entfernt lag, und war erstaunt gewesen über die Stille und Einsamkeit des Ortes, wo er den liebenswürdigsten und glänzendsten aller englischen Höflinge fand.

Wilhelm’s Rückkehr nach England.

Am 6. October um ein Uhr Morgens landete der König in Margate, und spät am Abend traf er in Kensington ein. Am folgenden Morgen drängte sich ein glänzender Schwarm von Ministern und Edelleuten zum Handkusse; aber er vermißte ein Gesicht, das darunter hätte sein sollen, und er fragte wo der Herzog von Shrewsbury sei und wann er zurückerwartet werde. Am andren Morgen kam ein Brief von dem Herzoge, worin er versicherte, daß er eben auf der Jagd einen schlimmen Fall gethan habe. Er habe sich die Seite gequetscht, seine Lunge habe gelitten, er habe Blut gespuckt und dürfe es nicht wagen, eine Reise zu unternehmen. [41] Daß er gefallen war und sich verletzt hatte, war richtig; aber selbst Diejenigen, die ihm am meisten zugethan waren, vermutheten, und nicht ohne triftigen Grund, daß er den zu so gelegener Zeit eingetretenen Unfall schlimmer darstellte, als er wirklich war, und daß er die Reise ohne Schwierigkeit hätte machen können, wenn er sich nicht gescheut hätte, vor der Oeffentlichkeit zu erscheinen. Seine Freunde, mit denen er correspondirte, sagten ihm, daß er, wenn sein Zustand wirklich so schlimm sei, als er glaube, er wohl thun werde, die Aerzte und Chirurgen der Hauptstadt zu consultiren. [XXII.25] Namentlich Somers bat ihn auf das Dringendste, nach London zu kommen. Jede Stunde Zeitverlust sei von Nachtheil. Se. Gnaden müsse seine Empfindlichkeit überwinden. Er brauche der Verleumdung nur muthig entgegenzutreten, und sie werde in nichts zerfallen. [42] Der König drückte in einigen freundlichen Zeilen sein Bedauern über den Unfall aus. „Sie fehlen uns hier sehr,” schrieb er: „ich kann es kaum erwarten, Sie zu umarmen und Ihnen zu versichern, daß meine Achtung gegen Sie sich nicht vermindert hat.” [43] Shrewsbury antwortete, daß er entschlossen sei, die Siegel abzugeben. [44] Somers beschwor ihn, keinen so folgenschweren Fehler zu begehen. Wenn Se. Gnaden diesen Augenblick aus dem Amte träte, was könnte die Welt dann Andres denken, als daß sein eignes Gewissen ihn verurtheilt habe? Er würde sich factisch für schuldig bekennen und würde einen Flecken auf seine Ehre wie auf die Ehre aller Derjenigen werfen, denen man Gleiches zur Last lege. Es würde dann nicht mehr möglich sein, Fenwick’s Geschichte als einen Roman zu behandeln. „Verzeihen Sie es mir,” schrieb Somers, „daß ich so freimüthig spreche; aber ich gestehe, daß ich in diesem Punkte mich schwer mäßigen kann.” [45] Wenige Stunden später schrieb Wilhelm noch einmal in dem nämlichen Sinne. „Ich achte Sie so hoch, daß ich, wenn ich könnte, Ihnen positiv verbieten würde, etwas zu thun, was einen so schweren Verdacht auf Sie bringen muß. Ich würde zu jeder Zeit Ihren Rücktritt als ein Unglück für mich betrachten; aber ich versichere Ihnen, daß ich diesen Augenblick Ihr Bleiben in meinem Dienste mehr um Ihret- als um meinetwillen wünsche.” [46] Sunderland, Portland, Russell und Wharton vereinigten ihre Bitten mit denen ihres Gebieters, und Shrewsbury willigte endlich ein, dem Namen nach Staatssekretär zu bleiben. Aber nichts konnte ihn bewegen, dem Parlamente, das im Begriff war, sich zu versammeln, unter die Augen zu treten. Man schickte ihm von London eine Sänfte, aber vergebens. Er reiste zwar ab, erklärte aber, daß es ihm nicht möglich sei, die Reise fortzusetzen, und er flüchtete sich wieder auf seinen einsamen Wohnsitz im Gebirge. [47]

Zusammentritt des Parlaments; Lage des Landes.

Während diese Dinge geschahen, begaben sich die Mitglieder der beiden Häuser aus allen Theilen des Landes nach Westminster. Nicht allein England, sondern ganz Europa sah der Eröffnung der Session mit der größten Spannung entgegen. Der öffentliche Credit hatte durch das Nichtzustandekommen der Landbank einen gewaltigen Stoß bekommen. Die Wiederherstellung der Valuta war noch nicht zur Hälfte vollendet. Der Mangel an Geld war noch immer äußerst empfindlich. Ein großer Theil des gemünzten Geldes wurde in geheime Schränke vergraben so wie es aus der Münze kam. Diejenigen Politiker, welche für die Erhöhung des Nominalwerthes der Münzen waren, hatten nur zu bereitwilliges Gehör bei einer unter schwerer Bedrängniß seufzenden Bevölkerung gefunden, und einmal [XXII.26] schien die allgemeine Stimme der Nation auf ihrer Seite zu sein. [48] Natürlich häufte Jeder, der eine Herabsetzung des Münzfußes für wahrscheinlich hielt, soviel Geld auf als er irgend konnte, und so vermehrte das Geschrei nach kleinen Schillingen noch die Bedrängniß, aus der es entsprungen war. [49] Sowohl die Bundesgenossen als die Feinde England’s glaubten, daß seine Hülfsquellen erschöpft, daß sein Muth gebrochen sei, daß die Gemeinen, selbst in ruhigen und blühenden Zeiten so oft klagsüchtig und knauserig, sich jetzt entschieden weigern würden, eine neue Last zu tragen, und mit unwiderstehlichem Nachdruck darauf dringen würden, Frieden zu haben um jeden Preis.

Rede König Wilhelm’s bei Eröffnung der Session.

Doch alle diese Prophezeiungen wurden durch die Festigkeit und Geschicklichkeit der Whigführer und durch die Beharrlichkeit der Whigmajorität zu Schanden gemacht. Am 20. October traten die Häuser zusammen, Wilhelm hielt eine Rede an sie, die sich unter den vielen ausgezeichneten Reden, in denen seine eigenen Gedanken und Absichten in der würdevollen und verständigen Sprache Somers’ ausgedrückt sind, besonders auszeichnete. Man habe, sagte der König, alle Ursache, sich Glück zu wünschen. Allerdings seien die in der vorhergehenden Session zur Bestreitung der Kriegskosten votirten Gelder nicht aufgebracht worden und die Umprägung habe große Noth erzeugt. Dennoch aber habe der Feind auswärts keinen Vortheil erlangt, der Staat sei durch keine innere Erschütterung zerrissen worden, die Loyalität, welche die Armee und die Nation unter schweren Prüfungen bewiesen, habe alle Hoffnungen Derer vereitelt, welche England übelwollten. Es seien Friedensanträge gemacht worden, deren Erfolg noch ungewiß sei; soviel aber sei gewiß, daß es keinen sicheren und ehrenvollen Frieden für eine Nation geben könne, die nicht vorbereitet sei, den Krieg energisch fortzusetzen. „Ich bin überzeugt wir stimmen Alle in der Ansicht überein, daß wir nur mit dem Schwerte in der Hand mit Frankreich unterhandeln können.”

Beschlüsse des Hauses der Gemeinen.

Die Gemeinen kehrten in ihren Saal zurück und Foley verlas die Rede von seinem Stuhle herab. Darauf folgte eine Debatte, welche durch die ganze Christenheit wiederhallte. Das war der stolzeste Tag in Montague’s Leben und einer der stolzesten Tage in der Geschichte des englischen Parlaments. Im Jahre 1798 stellte Burke die Verhandlungen jenes Tages, den Staatsmännern, denen im Kampfe mit der riesigen Macht der französischen Republik der Muth gesunken war, als Beispiel auf. Im Jahre 1822 stellte Huskisson die Verhandlungen jenes Tages einer Legislatur, die sich unter dem Drucke einer harten Bedrängniß versucht fühlte, den Werthregulator zu ändern und gegen die Staatsgläubiger wortbrüchig zu werden, als Beispiel auf. Ehe das Haus auseinanderging, schlug der junge Kanzler der Schatzkammer, dessen überwiegender Einfluß seit dem lächerlichen Scheitern des toryistischen Finanzplanes unbestritten war, drei denkwürdige Beschlüsse vor und setzte sie durch. Der erste, der mit einem einzigen halblauten Nein angenommen wurde, erklärte, daß die Gemeinen den König gegen alle fremden und einheimischen Feinde unterstützen und ihn in den Stand [XXII.27] setzen würden, den Krieg energisch fortzuführen. Der zweite, der zwar nicht ohne Opposition, doch ohne Abstimmung durchging, erklärte, daß der Münzfuß weder in Feingehalt, noch in Gewicht, noch in Benennung geändert werden sollte. Der dritte, gegen den nicht ein einziger Opponent der Regierung seine Stimme zu erheben wagte, machte es dem Hause zur Pflicht, alle Ausfälle in sämmtlichen seit der Thronbesteigung des Königs errichteten parlamentarischen Fonds zu decken. Die Aufgabe, eine Antwort auf die Thronrede zu entwerfen, wurde einem ausschließlich aus Whigs bestehenden Comité übertragen. Montague war Präsident, und die beredte und lebendige Adresse, die er aufsetzte, kann noch jetzt in den Protokollen mit Interesse und Stolz gelesen werden. [50]

Binnen vierzehn Tagen wurden dritthalb Millionen für den Militäraufwand des Jahres, und beinahe ebensoviel für den Marineaufwand bewilligt. Die Mittel zur Unterhaltung von vierzigtausend Seeleuten wurden ohne Streit bewilligt. Ueber die Stärke des Landheeres fand eine Abstimmung statt. Der König verlangte siebenundachtzigtausend Soldaten und die Tories hielten diese Zahl für zu hoch. Die Forderung des Königs wurde mit zweihundertdreiundzwanzig gegen siebenundsechzig Stimmen bewilligt.

Die Mißvergnügten schmeichelten sich einige Zeit mit der Hoffnung, daß die energischen Beschlüsse der Gemeinen nichts weiter als Beschlüsse bleiben, daß es sich als unmöglich herausstellen würde, den öffentlichen Credit wiederherzustellen, Vorschüsse von Kapitalisten zu erlangen, oder der nothleidenden Bevölkerung Steuern auszupressen, und daß daher die vierzigtausend Seeleute und die siebenundachtzigtausend Soldaten nur auf dem Papiere existiren würden. Howe, der am ersten Tage der Session schüchterner gewesen, als man es bei ihm gewohnt war, versuchte acht Tage später, dem Ministerium entgegenzutreten. „Der König,” sagte er, „muß schlecht unterrichtet sein, sonst würde Se. Majestät nimmermehr das Parlament über den ruhigen Zustand des Landes beglückwünscht haben. Ich komme aus Gloucestershire, und ich kenne diesen Theil des Königreichs genau. Die Leute leben dort alle von Almosen oder sind durch Almosengeben ruinirt. Der Soldat verschafft sich seine Bedürfnisse mit dem Säbel in der Hand. Es haben bereits ernste Tumulte stattgefunden und noch ernstere sind zu befürchten.” Die Mißbilligung des Hauses sprach sich nachdrücklich aus. Mehrere Mitglieder erklärten, daß in ihren Grafschaften Alles ruhig sei. Wenn Gloucestershire sich in einem unruhigeren Zustand befinde als das übrige England, könne dies nicht daher rühren, daß es mit einem böswilligeren und gewissenloseren Agitator beglückt sei als irgend ein andrer Theil England’s einen aufzuweisen habe? Einige Gentlemen aus Gloucestershire bestritten Howe auch die von ihm behaupteten Thatsachen. Es herrschte dort, sagten sie, keine solche Noth, keine solche Unzufriedenheit, keine solche Unruhe wie er sie geschildert habe. In dieser wie in jeder andren Grafschaft sei die große Masse der Bevölkerung [XXII.28] fest entschlossen, den König so lange in der kräftigen Fortführung des Kriegs zu unterstützen, bis er einen ehrenvollen Frieden schließen könnte. [51]

Rückkehr des Wohlstandes.

Thatsächlich war die Fluth bereits im Zurückgehen begriffen. Von dem Augenblicke an wo die Gemeinen ihren festen Entschluß kundgaben, den Nominalwerth der Münzen nicht zu erhöhen, begann das geprägte Geld aus tausend Geldkassen und geheimen Fächern wieder zum Vorschein zu kommen. Es herrschte zwar noch Geldmangel, aber er wurde von Tag zu Tag weniger fühlbar. Die Nation war, obwohl noch immer leidend, von Freude und Dankbarkeit erfüllt. Ihre Stimmung glich der eines Menschen, welcher, nachdem er lange von einer Krankheit gepeinigt worden ist, die ihm das Leben verbitterte, sich endlich entschlossen hat, sich dem Messer des Wundarztes zu unterwerfen, eine schmerzhafte Operation glücklich bestanden hat und zwar noch die Schmerzen des Stahles fühlt, aber viele Jahre der Gesundheit und des heiteren Lebensgenusses vor sich sieht und Gott dankt, daß das Schlimmste überstanden ist.

Schon vier Tage nach dem Zusammentritt des Parlaments nahm der Handelsverkehr einen bemerkbaren Aufschwung. Der Discont auf Banknoten war um ein Dritttheil niedriger. Der Preis der Kerbhölzer, welche nach einem aus einem rohen Zeitalter auf uns gekommenen Gebrauch als Quittungen für an die Schatzkammer geleistete Zahlungen gegeben wurden, war gestiegen, der Wechselcours, der seit mehreren Monaten für England sehr ungünstig stand, begann in die Höhe zu gehen. [52]

Einfluß der Maßnahmen des Hauses der Gemeinen auf die auswärtigen Regierungen.

Bald machte sich die Wirkung der edlen Festigkeit des Hauses der Gemeinen an jedem europäischen Hofe fühlbar. Das Haus war sogar in einer so freudigen Stimmung, daß es dem Könige schwer wurde, die Whigs von der Beantragung und Durchsetzung einer Resolution abzuhalten, nach welcher ihm eine Adresse überreicht werden sollte, die ihn ersuchte, sich in keine Unterhandlung mit Frankreich einzulassen, bis es ihn als König von England anerkannt habe. [53] Eine solche Adresse war unnöthig. Die Beschlüsse des Parlaments hatten Ludwig bereits die Ueberzeugung aufgedrungen, daß keine Aussicht zu einer Contrerevolution war. Ebensowenig Aussicht war dazu vorhanden, daß es ihm gelingen werde, den Vergleich zu Stande zu bringen, auf den er im Laufe der Unterhandlungen hingedeutet hatte. Es war nicht zu hoffen, daß Wilhelm oder die englische Nation jemals darein willigen würde, die englische Thronfolge zu einem Handelsobjecte mit Frankreich zu machen. Und selbst wenn Wilhelm und die englische Nation geneigt gewesen wären, den Frieden mit einem solchen Opfer des Ansehens [XXII.29] zu erkaufen, würde es auf einer andren Seite unüberwindliche Schwierigkeiten gegeben haben. Jakob konnte von dem Auskunftsmittel, welches Ludwig vorgeschlagen, gar nicht sprechen hören. „Ich kann es ertragen,” sagte der Verbannte zu seinem Wohlthäter, „ich kann es mit christlicher Geduld ertragen, von dem Prinzen von Oranien beraubt zu sein; nie aber werde ich darein willigen, von meinem eigenen Sohne beraubt zu werden.” Ludwig erwähnte den Gegenstand auch nie wieder, Callieres erhielt Befehl, das Zugeständniß zu machen, von welchem der Friede der civilisirten Welt abhing. Er und Dykvelt kamen zusammen in den Haag zu dem Baron Lilienroth, dem Repräsentanten des Königs von Schweden, dessen Vermittelung die kriegführenden Mächte angenommen hatten. Dykvelt theilte Lilienroth mit, daß der Allerchristlichste König sich verpflichtet habe, den Prinzen von Oranien als König von Großbritannien anzuerkennen, sobald der Friedenstractat unterzeichnet sein würde, und er setzte mit einer sehr deutlichen Anspielung auf den von Frankreich vorgeschlagenen Vergleich hinzu, daß die Anerkennung ohne Beschränkung, Bedingung, oder Vorbehalt stattfinden werde. Callieres erklärte sodann, daß er das was Dykvelt gesagt habe, im Namen seines Gebieters betätige. [54] Ein Brief von Prior, der die erfreuliche Nachricht enthielt, wurde Jakob Vernon, dem Unterstaatssekretär, im Hause der Gemeinen übergeben. Die Nachricht lief durch die Bänke — so drückt Vernon sich aus — wie Feuer über ein Stoppelfeld. Jedes Herz war von einer Last befreit und Alles war Freude und Triumph. [55] Die whiggistischen Mitglieder konnten sich allerdings mit gutem Grunde Glück wünschen, denn der Weisheit und Entschlossenheit, die sie in einem Augenblicke der größten Gefahr und Noth bewiesen hatten, verdankte ihr Vaterland die nahe Aussicht auf einen ehrenvollen Frieden.

Besserung der Finanzen.

Inzwischen war der öffentliche Credit, der im Herbste auf den Nullpunkt gesunken war, in raschem Steigen begriffen. Gewöhnliche Finanzmänner waren starr vor Entsetzen, als sie erfuhren, daß zur Deckung der Ausfälle früherer Jahre mehr als fünf Millionen erfordert würden. Montague aber war kein gewöhnlicher Finanzmann. Ein von ihm vorgeschlagener kühner und einfacher Plan, im Volksmunde die Generalverpfändung ( General Mortgage ) genannt, stellte das Vertrauen wieder her. Es wurden neue Steuern ausgeschrieben, alte erhöht oder verlängert und so ein consolidirter Fond gebildet, der hinreichte, um jeder gerechten Anforderung an den Staat zu begegnen. Zu gleicher Zeit wurde die Bank von England durch eine neue Subscription erweitert, und die Bestimmungen wegen Einzahlung der Subscriptionsbeträge wurden solchergestalt entworfen, daß sowohl der Werth der Noten der Corporation als auch der der Staatsschuldscheine stieg.

Inzwischen floß das neue Silbergeld rascher als je aus den Münzstätten. Die Noth, welche am 4. Mai 1696 begann, während der nächsten fünf Monate fast unerträglich war und von dem Tage, an welchem die Gemeinen erklärten, daß es ihr unabänderlicher Entschluß sei, den alten [XXII.30] Münzfuß beizubehalten, leichter wurde, hörte im März 1697 auf, schmerzlich gefühlt zu werden. Einige Monate sollten jedoch noch vergehen, bevor sich der Credit von dem furchtbarsten Stoße, den er je erhalten hatte, vollkommen wieder erholte. Aber schon war der tiefe und feste Grund gelegt, auf dem sich das riesigste Gebäude von Handelsblüthe erheben sollte, das die Welt je gesehen. Die große Masse der Whigs schrieb die Wiedergenesung des Staats dem Genie und der Festigkeit ihres Führers Montague zu. Selbst seine Feinde mußten, wenn auch mit Unmuth und mit höhnischem Lächeln, gestehen, daß jeder seiner Pläne gelungen sei: die erste Banksubscription, die zweite Banksubscription, die Umprägung, die allgemeine Verpfändung und die Schatzkammerscheine. Einige Tories aber murmelten, daß er nicht mehr Lob verdiene als ein Verschwender, der sein ganzes Vermögen aufs Spiel setzt und der fortwährend Glück hat. England habe zwar glücklich eine furchtbare Krisis überstanden und sei um so kräftiger, weil es dieselbe bestanden; aber es sei in großer Gefahr gewesen unterzugehen, und der Minister, der es dieser Gefahr ausgesetzt habe, verdiene nicht gelobt, sondern gehängt zu werden. Andere gaben zu, daß die Pläne, welche allgemein Montague zugeschrieben wurden, vortrefflich seien, leugneten aber, daß diese Pläne Montague angehörten. Die Stimme der Verleumdung wurde jedoch auf einige Zeit durch den lauten Beifall des Parlaments und der City übertäubt. Die Autorität, welche der Kanzler der Schatzkammer im Hause der Gemeinen besaß, war ohne Beispiel und ohne Rivalität. Auch im Cabinet nahm sein Einfluß mit jedem Tage zu. Im Schatzamte war ihm Keiner mehr überlegen. In Folge des Fenwick’schen Bekenntnisses war der letzte Tory, der ein hohes und einflußreiches Amt im Staate bekleidete, entfernt worden, und es gab endlich ein reines Whigministerium.

Folgen des Fenwick’schen Bekenntnisses.

Man hatte es nicht verhindern können, daß Gerüchte über dieses Bekenntniß in Umlauf kamen. Der Gefangene hatte sogar Mittel gefunden sich mit seinen Freunden in Communication zu setzen und hatte ihnen wahrscheinlich zu wissen gethan, daß er nichts gegen sie, sehr viel aber gegen die Creaturen des Usurpators gesagt habe. Wilhelm wünschte die Sache den gewöhnlichen Gerichten zu überlassen und wollte durchaus nicht, daß sie anderwärts untersucht würde. Seine Räthe aber, welche die Denkweise zahlreicher und getheilter Versammlungen besser kannten als er, waren der Meinung, daß eine parlamentarische Discussion wenn auch vielleicht nicht wünschenswerth, doch unvermeidlich sei. Es stand in der Macht eines einzelnen Mitglieds jedes der beiden Häuser, eine solche Discussion zu erzwingen, und es gab in beiden Häusern Mitglieder, welche entweder aus Pflichtgefühl oder aus bloßem Hang zum Unheilstiften, entschlossen waren zu erfahren, ob der Angeklagte, wie erzählt wurde, gegen einige der vornehmsten Männer des Königreichs schwere Beschuldigungen erhoben habe. Wenn einmal eine Untersuchung stattfinden mußte, so war es gewiß wünschenswerth, daß die beschuldigten Staatsmänner zuerst darauf antrugen. Es war jedoch eine große Schwierigkeit dabei. Die Whigs, welche die Majorität des Unterhauses bildeten, waren bereit, wie ein Mann für die völlige Freisprechung Russell’s und Shrewsbury’s zu stimmen, und sie verlangten auch nicht danach, Marlborough, der nicht mehr im Staatsdienste war und daher wenig Neid erweckte, ein Brandmal aufzudrücken. Aber eine große Anzahl ehrenwerther Gentlemen, wie Wharton sie nannte, [XXII.31] war durch nichts zu bewegen, einem Beschlusse beizutreten, der Godolphin freigesprochen hätte. Ihnen war Godolphin ein Dorn im Auge. Alle übrigen Tories, welche in den ersten Jahren der Regierung Wilhelm’s eine Hauptrolle bei der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gespielt hatten, waren nach einander entlassen worden. Nottingham, Trevor, Leeds waren nicht mehr am Ruder. Pembroke war kaum ein Tory zu nennen und war niemals wirklich am Ruder gewesen, Godolphin aber bekleidete seinen Posten in Whitehall noch, und den Männern der Revolution schien es unerträglich, daß ein Mann, der im Staatsrathe Karl’s und Jakob’s gesessen und für eine Regentschaft gestimmt hatte, erster Finanzminister war. Die so Denkenden hatten mit boshafter Schadenfreude erfahren, daß der erste Lord des Schatzes in dem Bekenntnisse genannt war, von dem Jedermann sprach, und sie hatten sich vorgenommen, eine so günstige Gelegenheit, ihn aus dem Amte zu vertreiben, nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen. Auf der andren Seite mußte Jeder, der Fenwick’s Schrift gelesen und nicht im Rausche der Parteileidenschaft allen Sinn für Vernunft und Gerechtigkeit verloren hatte, nothwendig einsehen, daß es unmöglich war, zwischen zwei Theilen dieser Schrift einen Unterschied zu machen und alles auf Russell und Shrewsbury Bezügliche als falsch, alles auf Godolphin Bezügliche als wahr zu betrachten. Dies gab selbst Wharton zu, der von allen Staatsmännern am wenigsten von Gewissensscrupeln oder von Schamgefühlsregungen beunruhigt wurde. [56]

Godolphin’s Rücktritt.

Hätte Godolphin sich beharrlich geweigert, seine Stelle aufzugeben, so würden die Whighäupter in eine höchst unangenehme Verlegenheit gerathen sein. Aber ein Staatsmann von nicht gewöhnlicher Gewandtheit übernahm es, sie aus ihrer Verlegenheit zu reißen. In der Kunst, in den Herzen der Menschen zu lesen und sie zu leiten, hatte Sunderland nicht seines Gleichen, und er wünschte, wie er dies schon seit mehreren Jahren that, alle hohen Aemter im Königreiche mit Whigs besetzt zu sehen. Durch seine geschickte Bearbeitung wurde Godolphin bewogen, sich ins königliche Cabinet zu begeben und um die Erlaubniß zu bitten, sich aus dem Staatsdienste zurückzuziehen, und Wilhelm gab diese Erlaubniß mit einer Bereitwilligkeit, über welche Godolphin weit mehr erstaunt als erfreut war. [57]

Stimmung der Whigs über Fenwick.

Eines von den Mitteln, welche die Whigjunta anwendete, um in allen Reihen der Whigs eine noch nie dagewesene Disciplin einzuführen und aufrechtzuerhalten, war die häufige Abhaltung von Zusammenkünften der Mitglieder des Hauses der Gemeinen. Einige dieser Zusammenkünfte waren zahlreich, andere waren gewählt. Die zahlreicheren wurden in der „Rose” gehalten, einer in den politischen Libellen jener Zeit häufig genannten Taverne; [58] die kleineren bei Russell in Covent Garden, oder bei Somers in Lincoln’s Inn Fields.

[XXII.32] An dem Tage, an welchem Godolphin sein hohes Amt niederlegte, wurden zwei gewählte Meetings veranstaltet. Am Morgen war Russell’s Haus der Zusammenkunftsort. Am Nachmittag fand sich eine zahlreiche Gesellschaft bei dem Lordsiegelbewahrer ein. Fenwick’s Bekenntniß, das bis dahin wahrscheinlich den meisten Anwesenden nur vom Hörensagen bekannt war, wurde vorgelesen. Die Entrüstung der Zuhörer wurde in hohem Grade erregt, namentlich durch eine Stelle, welche sagen zu wollen schien, daß nicht allein Russell, nicht allein Shrewsbury, sondern die große Masse der Whigpartei im Herzen jakobitisch sei, und zwar schon seit langer Zeit. „Der Mensch behauptet,” sagte man, „daß selbst das Mordcomplot ein whiggistischer Anschlag gewesen sei.” Die allgemeine Ansicht war, daß man über eine solche Beschuldigung nicht leicht hinweggehen dürfe. Es müsse eine feierliche Debatte und Entscheidung im Parlamente stattfinden. Das beste Verfahren werde sein, wenn der König selbst zu dem Gefangenen ginge und ihn verhörte und wenn Russell dann um die königliche Erlaubniß nachsuchte, den Gegenstand vor das Haus der Gemeinen zu bringen. Da Fenwick für die Geschichten, die er erzählte, keine andre Autorität zu haben behaupte als bloßes Hörensagen, so könne es nicht schwer halten, eine Resolution, die ihn als Verleumder brandmarkte, und eine Adresse an den Thron durchzubringen, welche um seine sofortige Prozessirung wegen Hochverraths ersuchte. [59]

Wilhelm verhört Fenwick.

Die Ansicht der Versammlung wurde Wilhelm durch seine Minister mitgetheilt, und er verstand sich, wenn auch nicht ohne Widerstreben, dazu, mit dem Gefangenen zu sprechen. Fenwick wurde in das königliche Cabinet zu Kensington gebracht. Einige von den hohen Staatsbeamten und die Kronanwälte waren anwesend. „Ihre Schrift, Sir John,” sagte der König, „ist ganz und gar unbefriedigend. Anstatt mir eine Darstellung der von Ihnen und Ihren Mitschuldigen geschmiedeten Complots zu geben, deren Details Ihnen alle genau bekannt sein müssen, erzählen Sie mir Geschichten ohne Autorität, ohne Daten, ohne Ortsangaben, von Cavalieren und Gentlemen, mit denen Sie gar nicht in Verkehr gestanden zu haben behaupten. Kurz, Ihr Bekenntniß scheint offenbar eine Erdichtung zu sein, welche Diejenigen, die wirklich Anschläge gegen mich entworfen haben, meinen Blicken verbergen und mich veranlassen will, Diejenigen, denen ich guten Grund habe Vertrauen zu schenken, mit Mißtrauen zu betrachten und aus meiner Nähe zu entfernen. Wenn Sie auf irgend eine Vergünstigung von mir hoffen, so geben Sie mir diesen Augenblick und hier an dieser Stelle eine vollständige und offene Darlegung dessen was Sie aus Sich selbst wissen.” Fenwick erwiederte, dieses Verlangen treffe ihn zu unvorbereitet, und bat um Zeit. „Nein, Sir,” sagte der König, „wozu können Sie Zeit brauchen? Sie können nur dann Zeit brauchen, wenn Sie eine zweite Schrift wie diese aufsetzen wollen. Aber was ich von Ihnen verlange, ist eine einfache Erzählung dessen was Sie selbst gethan und gesehen haben, und eine solche Erzählung können Sie, wenn Sie sonst wollen, ohne Feder und Tinte geben.” Fenwick weigerte sich auf das Bestimmteste, irgend etwas zu sagen. „Nun, [XXII.33] es sei denn,” sagte Wilhelm. „So will ich weder von Ihnen noch über Sie weiter etwas hören.” [60]

Fenwick wurde in sein Gefängniß zurückgeführt. Er hatte bei dieser Audienz eine Kühnheit und Entschiedenheit gezeigt, welche Diejenigen, die sein Benehmen beobachtet hatten, in Erstaunen setzten. Während der ganzen bisherigen Dauer seiner Haft hatte er stets ängstlich und muthlos geschienen und doch hatte er jetzt, bei dem Wendepunkte seines Schicksals, dem Zorne des Fürsten getrotzt, den er kurz zuvor demüthig um Nachsicht angefleht. In wenigen Stunden wurde das Räthsel aufgeklärt. Unmittelbar vor seiner Vorladung nach Kensington hatte er von seiner Gattin die Mittheilung erhalten, daß sein Leben nicht gefährdet sei, daß nur ein Belastungszeuge gegen ihn existire, daß es ihr und ihren Freunden gelungen sei, Goodman zu bestechen. [61]

Verschwinden Goodman’s.

Goodman war eine Freiheit gestattet worden, wegen der man nachmals die Regierung mit einigem Grunde getadelt hat. Denn seine Aussage war von der höchsten Wichtigkeit, sein Character war notorisch schlecht, die gemachten Versuche Porter zu verführen, bewiesen, daß, wenn Fenwick’s Leben mit Geld zu retten war, solches nicht gespart werden würde, und Goodman war nicht, wie Porter, behülflich gewesen, Jakobiten an den Galgen zu bringen, und war daher nicht, wie Porter, durch ein unauflösliches Band an die Sache Wilhelm’s gekettet. Die Familien der gefangenen Verschwörer bedienten sich der Vermittelung eines schlauen und kühnen Abenteurers, Namens O’Brien. Dieser Mann kannte Goodman genau. Sie hatten in der That einer und der nämlichen Räuberbande angehört. Im „Hund” in Drury Lane, einer Taverne, welche von gesetzlosen und verzweifelten Menschen frequentirt wurde, trafen sie miteinander zusammen. O’Brien war von einem andren Jakobiten von entschlossenem Character begleitet. Sie stellten Goodman die einfache Alternative, entweder zu verschwinden und als Belohnung ein Jahrgeld von fünfhundert Pfund zu erhalten, oder auf der Stelle ermordet zu werden. Er willigte theils aus Habsucht, theils aus Furcht ein. O’Brien war nicht der Mann sich prellen zu lassen wie Clancy. Von dem Augenblicke an wo der Handel abgeschlossen, wich er nicht eher wieder von Goodman’s Seite als bis sie in Saint-Germains waren. [62]

Am Nachmittage des Tages, an welchem Fenwick vom Könige in Kensington befragt worden war, begann sich das Gerücht zu verbreiten, daß Goodman vermißt werde. Er war seit vielen Stunden vom Hause abwesend und man hatte ihn nicht an den Orten gesehen, die er zu besuchen pflegte. Zuerst entstand der Verdacht, daß die Jakobiten ihn ermordet hätten, und dieser Verdacht wurde durch einen sonderbaren Umstand verstärkt. Kurz nach seinem Verschwinden war ein vom Rumpfe getrennter Menschenkopf gefunden worden, der so furchtbar zerfleischt war, daß sich kein Zug im Gesicht mehr erkennen ließ. Die Menge, von dem Gedanken besessen, daß es kein Verbrechen gebe, zu dessen Verübung sich [XXII.34] nicht ein irischer Papist finden würde, war zu dem Glauben geneigt, daß das Schicksal Godfrey’s ein neues Opfer betroffen habe. Bei näherer Untersuchung stellte es sich jedoch als gewiß heraus, daß Goodman sich absichtlich entfernt hatte. Es erschien eine Bekanntmachung, welche Demjenigen, der den Flüchtling ergreifen würde, eine Belohnung von tausend Pfund versprach; aber es war zu spät. [63]

Dieser Vorfall erbitterte die Whigs über die Maßen. Keine Jury konnte jetzt Fenwick des Hochverraths schuldig erklären. Sollte er also davon kommen? Sollte eine lange Reihe von Verbrechen gegen den Staat ungestraft bleiben, lediglich weil zu diesen Verbrechen noch das neue Verbrechen gekommen war, einen Zeugen zu bestechen, damit er seine Aussage unterdrücke und sich der Bürgschaftleistung durch die Flucht entziehe? Gab es kein außergewöhnliches Mittel, durch das die Justiz einen Verbrecher erreichen konnte, der einzig und allein weil er schlimmer war als andere Verbrecher außer dem Bereiche des gewöhnlichen Gesetzes stand? Es gab ein solches Mittel, das durch zahlreiche Präcedenzfälle autorisirt war, das während der Wirren des 16. Jahrhunderts die Papisten sowohl als die Protestanten, und während der Wirren des 17. Jahrhunderts die Rundköpfe sowohl als die Cavaliere angewendet hatten, ein Mittel, das kein Führer der Torypartei verdammen konnte, ohne sich selbst zu verurtheilen, und über das sich Fenwick anständigerweise nicht beklagen konnte, da er selbst wenige Jahre früher eifrig dafür gewesen war, es gegen den unglücklichen Monmouth anzuwenden. Zu diesem Mittel beschloß die Partei, die jetzt im Staate die Oberhand hatte, zu greifen.

Parlamentarische Maßnahmen in Bezug auf Fenwick’s Geständnisse.

Bald nachdem die Gemeinen am Morgen des 6. Novembers zusammengetreten waren, erhob sich Russell auf seinem Platze und bat um Gehör. Die Aufgabe die er übernommen hatte, erforderte einen Muth nicht von der ehrenwerthesten Art; aber ihm fehlte es an keiner Art von Muth. Sir John Fenwick, sagte er, habe dem Könige eine Schrift übersandt, in der schwere Beschuldigungen gegen einige Diener Sr. Majestät erhoben wären, und Se. Majestät habe auf Ersuchen seiner angeklagten Diener zu befehlen geruht, daß diese Schrift dem Hause vorgelegt werde. Das Bekenntniß wurde vorgelesen. Hierauf verlangte der Admiral mit einem Muthe und einer Würde, die eines besseren Mannes werth gewesen wären, Gerechtigkeit für sich und Shrewsbury. „Wenn wir unschuldig sind, so reinigen Sie uns. Wenn wir schuldig sind, so bestrafen Sie uns wie wir es verdienen. Ich übergebe mich Ihnen als meinem Vaterlande und bin bereit, nach Ihrem Urtheilsspruche zu stehen oder zu fallen.”

Es wurde sofort angeordnet, daß Fenwick schleunigst vor die Schranke gebracht werden solle. Cutts, der als Abgeordneter für Cambridgeshire im Hause saß, wurde angewiesen, für eine genügende Eskorte zu sorgen, und ihm noch besonders eingeschärft, darauf Bedacht zu nehmen, daß der Gefangene auf dem Wege von Newgate nach Westminster keine Gelegenheit habe, eine mündliche oder schriftliche Mittheilung zu geben oder zu empfangen. Dann vertagte sich das Haus bis zum Nachmittag.

[XXII.35]

Um fünf Uhr, damals eine späte Stunde, wurde das Scepter wieder auf den Tisch gelegt und das Haus und die Vorhallen sorgfältig von Fremden gesäubert. Fenwick wartete draußen unter starker Wache. Er ward hereingerufen und vom Sprecher aufgefordert, ein vollständiges und offenes Geständniß abzulegen. Er zögerte und machte Ausflüchte. „Ich kann ohne Erlaubniß des Königs nichts sagen. Es könnte Sr. Majestät mißfällig sein, wenn etwas, was nur er erfahren darf, Anderen mitgetheilt würde.” Es wurde ihm hierauf entgegnet, daß seine Besorgnisse ungegründet seien. Der König wisse sehr wohl, daß es das Recht und die Pflicht seiner getreuen Gemeinen sei, Alles zu untersuchen, was die Sicherheit seiner Person und seiner Regierung betreffe. „Mein Prozeß kann in einigen Tagen beginnen,” sagte der Gefangene. „Man kann nicht von mir verlangen, etwas zu sagen, was vor Gericht gegen mich sprechen könnte.” — „Sie haben nichts zu fürchten,” erwiederte der Sprecher, „wenn Sie nur vollständige und unumwundene Enthüllungen machen. Nie hat Jemand Ursache gehabt, es zu bereuen, daß er gegen die Gemeinen England’s aufrichtig gewesen war.” Nun bat Fenwick um Aufschub. Er sei kein gewandter Redner, er habe ein schlechtes Gedächtniß, er müsse Zeit haben, um sich vorzubereiten. Man sagte ihm, wie dies schon einige Tage vorher im königlichen Cabinet geschehen war, daß er, ob vorbereitet oder nicht, sich doch nothwendig der hauptsächlichsten Complots, bei denen er betheiligt gewesen sei, und der Namen seiner Hauptmitschuldigen erinnern müsse. Wenn er das was er unmöglich vergessen haben könne, ehrlich erzählte, so würde das Haus alle billigen Rücksichten nehmen und ihm Zeit lassen, sich auf untergeordnete Details zu besinnen. Dreimal wurde er von der Schranke entfernt und dreimal wurde er dahin zurückgebracht. Man machte ihn mit feierlichem Ernste darauf aufmerksam, daß die ihm jetzt gegebene Gelegenheit, sich die Gunst der Gemeinen zu erwerben, wahrscheinlich die letzte sein werde. Er beharrte in seiner Weigerung und wurde nach Newgate zurückgebracht.

Es wurde nun beantragt zu resolviren, daß sein Bekenntniß falsch und verleumderisch sei. Coningsby schlug den Zusatz vor, daß es den Zweck habe, Mißtrauen zwischen dem Könige und guten Unterthanen hervorzurufen, um wirkliche Verräther dem Arme der Gerechtigkeit zu entziehen. Einige unversöhnliche und starrköpfige Whigs, deren Haß gegen Godolphin durch seinen Rücktritt nicht gemildert worden war, sprachen Zweifel aus, ob das ganze Schriftstück verworfen werden dürfe. Aber nach einer Debatte, in der sich Montague besonders auszeichnete, wurde der Antrag angenommen. Ein paar Stimmen riefen zwar „Nein,” aber Niemand wagte es eine Abstimmung zu verlangen.

Bill zur Verurtheilung Fenwick’s.

So weit war Alles mit Ruhe abgegangen; aber in wenigen Minuten brach der Sturm los. Das furchtbare Wort Verurtheilungsbill wurde ausgesprochen und alsbald erwachten alle heftigen Leidenschaften der beiden großen Parteien. Die Tories waren überrascht worden und viele von ihnen hatten das Haus verlassen. Die Zurückgebliebenen erklärten laut, daß sie nie in eine solche Verletzung der ersten Grundsätze der Gerechtigkeit willigen würden. Die Whigs waren nicht minder heftig und ihre Reihen waren ungelichtet. Der Antrag auf Erlaubniß zur Einbringung einer Verurtheilungsbill gegen Sir John Fenwick wurde spät Abends mit hunderteinundsiebzig [XXII.36] gegen einundsechzig Stimmen angenommen, aber es war unzweifelhaft, daß der Kampf lang und heiß werden würde. [64]

Der Parteigeist war in der That selten heftiger erregt gewesen. Es war allerdings auf beiden Seiten viel ehrlicher Eifer, aber ein beobachtendes Auge würde auf beiden Seiten auch Furcht, Haß und Habsucht unter den schimmernden Vorwänden der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls entdeckt haben. Die bedauerliche Hitze der Parteisucht brütete rasch eine Menge giftiges Gewürm aus, das lange erstarrt gelegen hatte: verabschiedete Spione und verurtheilte falsche Zeugen, welche die Peitsche, das Brenneisen und die Scheere verschont hatten. Selbst Fuller hoffte wieder Leichtgläubige zu finden, die ihn anhören würden. Seitdem er am Pranger gestanden, hatte die Welt ihn vergessen. Er hatte jetzt die Stirn an den Sprecher zu schreiben, um Gehör vor der Schranke zu bitten und viele wichtige Aufschlüsse über Fenwick und Andere zu versprechen. Am 9. November zeigte der Sprecher dem Hause den Empfang dieser Mittheilung an; aber das Haus weigerte sich geziemenderweise, den Brief eines so notorischen Schurken nur vorlesen zu lassen.

Debatten der Gemeinen über die Verurtheilungsbill.

An dem nämlichen Tage wurde die Verurtheilungsbill, nachdem sie von dem Generalfiskal und dem Generalprokurator vorbereitet worden, eingebracht und zum ersten Male gelesen. Das Haus war gefüllt und die Debatte heiß. John Manley, Mitglied für Bossiney, einer von den starren Tories, die sich während der vorhergehenden Session lange geweigert hatten, dem Verein beizutreten, beschuldigte die Majorität in nicht eben gemäßigten Ausdrücken, daß sie dem Hofe schmeichle und die Freiheiten des Volks verrathe. Seine Worte wurden zu Protokoll genommen und obgleich er sie wegzuerklären versuchte, wurde er doch in den Tower geschickt. Seymour sprach nachdrücklich gegen die Bill und führte die Rede an, welche Cäsar im römischen Senate gegen den Antrag hielt, daß die Mitschuldigen Catilina’s unregelmäßigerweise vom Leben zum Tode gebracht werden sollten. Ein whiggistischer Redner bemerkte hierauf sarkastisch, der würdige Baronet vergesse, daß Cäsar selbst sehr stark in dem Verdacht gestanden habe, bei Catilina’s Complot betheiligt gewesen zu sein. [65] In diesem Stadium stimmten hundertsechsundneunzig Mitglieder für die Bill, hundertundvier gegen dieselbe. Es wurde Fenwick eine Abschrift übersandt, damit er sich auf seine Vertheidigung vorbereiten könne. Er hielt darum an, sich durch einen Advokaten vertheidigen lassen zu dürfen; dieser Wunsch wurde ihm gewährt und der 13. zum Anhören der Vertheidigung anberaumt.

Die ältesten Mitglieder konnten sich nicht erinnern, daß jemals ein solcher Andrang nach dem Hause stattgefunden wie am Morgen des [XXII.37] 13. Novembers. Es kostete einige Mühe, die Zugänge frei zu halten und keine Fremden, Peers ausgenommen, wurden eingeladen. Der Zudrang der Peers war so groß, daß ihre Anwesenheit einen bemerkbaren Einfluß auf die Debatte ausübte. Selbst Seymour, der als ehemaliger Sprecher des Rangtitels der Gemeinen ganz besonders eingedenk hätte sein sollen, vergaß sich einmal so auffallend, daß er sie mit „Mylords” anredete. Nachdem Fenwick von den Sheriffs von London der Form gemäß dem Stabträger übergeben worden, wurde er vor die Schranke gebracht, begleitet von zwei Advokaten, deren sich jakobitische Angeklagte gewöhnlich bedienten: von Sir Thomas Powis und Sir Bartholomäus Shower. Zur Vertheidigung der Bill hatte das Haus seinerseits Rechtsanwälte bestellt.

Die Vernehmung der Zeugen und die Ausführungen der Advokaten nahmen drei Tage in Anspruch. Porter wurde hereingerufen und vernommen. Es wurde zwar nicht durch juristischen Beweis, aber durch solchen moralischen Beweis, wie er das Verfahren der Menschen bei den Vorkommnissen des alltäglichen Lebens bestimmt, dargethan, daß Goodman’s Abwesenheit einem von Fenwick’s Freunden mit Fenwick’s Wissen und Willen entworfenen und ausgeführten Plane zuzuschreiben sei. Sekundäres Zeugniß für das was Goodman, wenn er anwesend gewesen wäre, hätte beweisen können, wurde nach lebhafter Debatte zugelassen. Sein eidlich bekräftigtes und von ihm eigenhändig unterschriebenes Bekenntniß wurde vorgelegt. Einige Mitglieder der großen Jury, welche Grund zur Anklage gegen Sir Sohn gefunden hatte, erstatteten Bericht über das was Goodman vor ihnen beschworen, und ihre Aussage wurde von einigen Mitgliedern der kleinen Jury, die einen andren Verschwörer für schuldig erklärt hatte, bestätigt. Zu Gunsten des Angeklagten wurde kein Zeugniß vorgelegt. Nachdem die für und gegen ihn sprechenden Anwälte angehört worden waren, wurde er in sein Gefängniß zurückgebracht. [66] Hierauf begann der eigentliche Kampf. Er war lang und heftig. Das Haus war zu wiederholten Malen von Tagesanbruch bis gegen Mitternacht versammelt. Einmal blieb der Sprecher funfzehn Stunden ununterbrochen auf seinem Stuhle. Fremde hatten freien Zutritt, denn man sah ein, daß das Haus, nachdem es für gut befunden hatte, die Functionen eines Gerichtshofes zu übernehmen, auch, wie ein Gerichtshof, bei offenen Thüren sitzen müsse. [67] Der wesentliche Inhalt der Debatten ist uns in Folge dessen in einem Berichte erhalten worden, der zwar im Vergleich zu den Berichten unsrer Zeit dürftig, für die damalige Zeit aber ungewöhnlich vollständig ist. Jeder Mann von Bedeutung im Hause betheiligte sich bei der Discussion. Die Bill wurde von Finch mit der fließenden und sonoren Beredtsamkeit, die ihm den Namen der Silberzunge eingebracht, und von Howe mit der ganzen Schärfe seines Geistes und seines Characters, von Seymour mit characteristischer Energie, und von Harley mit characteristischer Feierlichkeit bekämpft. Auf der andren Seite entfaltete Montague die Talente eines vollendeten Wortkämpfers und wurde durch Littleton kräftig unterstützt. In den ersten Reihen der feindlichen [XXII.38] Parteien machten sich zwei ausgezeichnete Juristen, Simon Harcourt und Wilhelm Cowper, bemerkbar. Beide waren Gentlemen von achtbarer Herkunft, Beide zeichneten sich durch ein schönes Aeußeres und durch einnehmende Manieren aus; Beide waren wegen ihrer Beredtsamkeit berühmt, und Beide liebten die Gelehrsamkeit und die Gelehrten. Nebenbei mag auch bemerkt werden, daß Beide schon frühzeitig wegen ihrer Verschwendung und Vergnügungssucht bekannt gewesen waren. Die Verschwendung hatte sie arm, die Armuth hatte sie fleißig gemacht, und obwohl sie nach der Altersberechnung, die bei den Juristencollegien gebräuchlich ist, noch sehr junge Männer waren, Harcourt ein Sechsunddreißiger, Cowper ein Zweiunddreißiger, so hatten sie doch schon die stärkste advokatorische Praxis. Sie waren dazu bestimmt, noch höher zu steigen, die Bewahrer des großen Staatssiegels und die Gründer patrizischer Häuser zu werden. In der Politik waren sie directe Antipoden. Harcourt hatte die Revolution mit Widerwillen gesehen, hatte nicht Mitglied der Convention sein wollen, hatte sein Gewissen nur schwer mit den Eiden versöhnt und hatte die Vereinsurkunde spät und ungern unterzeichnet. Cowper hatte für den Prinzen von Oranien und ein freies Parlament die Waffen getragen und sich in dem kurzen und tumultuarischen Feldzuge, welcher Jakob’s Flucht vorausging, durch Intelligenz und Tapferkeit ausgezeichnet. Seitdem Somers auf den Wollsack versetzt worden war, hatten die Kronanwälte weder im Unterhause noch überhaupt irgendwo eine hervorragende Figur gespielt und ihre Mangelhaftigkeit war mehr als einmal durch Cowper ersetzt werden. Seine Geschicklichkeit hatte bei dem Prozesse Parkyns’ das Verdict gesichert, das durch das unrichtige Verfahren des Generalprokurators einen Augenblick zweifelhaft geworden war. Bei der allgemeinen Wahl von 1695 war er zum Abgeordneten für Hartford gewählt worden, und er hatte seinen Sitz kaum eingenommen, so schwang er sich zu einer hohen Stellung unter den Parlamentsrednern empor. Chesterfield schilderte viele Jahre später in einem Briefe an seinen Sohn Cowper als einen Redner, der nie ohne Beifall sprach, dessen Logik aber schwach war und der den Einfluß, den er lange auf große Versammlungen ausübte, dem eigenthümlichen Zauber seines Styls, seines Organs und seines Vortrags verdankte. Chesterfield war ohne allen Zweifel geistig befähigt, sich über einen solchen Gegenstand ein richtiges Urtheil zu bilden. Es muß aber daran erinnert werden, daß der Zweck seiner Briefe der war, Takt und Bildung im Gegensatz zu viel höheren Eigenschaften zu preisen. Er schrieb daher beständig und systematisch den Erfolg der ausgezeichnetsten Personen seiner Zeit ihrer Ueberlegenheit in äußeren Vorzügen der Diction und Manier, und nicht in gediegenen Talenten und Kenntnissen zu. Selbst Marlborough stellte er als einen Mann von ganz gewöhnlichen Geistesgaben dar, der sich lediglich durch eine feine Bildung und Redekunst aus Armuth und Dunkelheit auf den Gipfel der Macht und des Ruhmes emporgeschwungen habe. Man kann jedoch mit Zuversicht behaupten, daß Chesterfield sowohl gegen Marlborough als gegen Cowper ungerecht war. Der General, der das deutsche Reich rettete und die Niederlande eroberte, war gewiß noch etwas mehr als ein feingebildeter Gentleman, und der Richter, der neun Jahre lang unter dem Beifalle aller Parteien den Court of Chancery präsidirte, muß wohl etwas mehr gewesen sein als ein eleganter Redner.

Jeder, der den Bericht von den Debatten aufmerksam und unpar [XXII.39] teiisch studirt, wird der Meinung sein, daß in vielen Punkten, welche mit großer Ausführlichkeit und Lebhaftigkeit discutirt wurden, die Whigs ein entschiedenes Uebergewicht in der Argumentation, daß aber die Tories in der Hauptsache Recht hatten.

Fenwick war allerdings des Verbrechens des Hochverraths durch Beweise überführt worden, die in dem Geiste keines Menschen von gesundem Verstande einen Zweifel übrig lassen konnten und die ihn auch nach den strengsten Regeln des Rechts überführt haben würden, wenn er sich nicht durch Begehung eines neuen Verbrechens der Gerechtigkeit der gewöhnlichen Tribunale entzogen hätte. Er hatte allerdings noch während er Reue an den Tag legte und um Gnade flehte, seine früheren Vergehen um ein neues Vergehen vermehrt, indem er, unter dem Vorgeben, daß er ein vollkommen offenes Geständniß ablege, mit durchtriebener Bosheit alles dasjenige, an dessen Bekanntwerden der Regierung gelegen sein mußte, verhehlt, und alles das, an dessen Verschweigung der Regierung gelegen sein mußte, ausgesagt hatte. Es war ein großes Uebel, daß ihn die verdiente Strafe nicht treffen sollte; es war klar, daß er nur durch eine Verurtheilungsbill erreicht werden konnte, und man konnte weder leugnen, daß schon viele derartige Bills angenommen worden waren, noch daß keine solche Bill je in einem klareren Schuldfalle und nach unparteiischerer Anhörung des Für und Wider angenommen worden war.

Alle diese Sätze scheinen die Whigs erschöpfend bewiesen zu haben. Auch waren sie in dem Streite über die Vorschrift, welche in Hochverrathsfällen zwei Zeugen verlangt, entschieden im Vortheil. Diese Vorschrift ist allerdings absurd. Es ist nicht zu begreifen, warum das Zeugniß, welches genügt, um zu beweisen, daß Jemand auf seinen Mitbürger geschossen hat, nicht genügen soll, um zu beweisen, daß er auf seinen Souverain geschossen hat. Es kann durchaus nicht als allgemeine Regel festgestellt werden, daß die Versicherung zweier Zeugen überzeugender sei als die Versicherung eines Zeugen. Die Aussage eines Zeugen kann schon an sich wahrscheinlich sein. Die Aussagen zweier Zeugen können extravagant sein. Die Aussage eines Zeugen kann unwiderleglich sein. Die Aussagen zweier Zeugen können durch vier andere Zeugen widerlegt werden. Die Aussage eines Zeugen kann durch eine Menge von Umständen bekräftigt werden. Die Aussagen zweier Zeugen können keine solche Bekräftigung zur Seite haben. Der eine Zeuge kann Tillotson oder Ken sein. Die zwei Zeugen können Oates und Bedloe sein.

Die Häupter der Torypartei behaupteten jedoch mit Heftigkeit, daß das Gesetz, welches zwei Zeugen vorschreibe, allgemein und ewig bindend, daß es ein Theil des Naturgesetzes, ein Theil des göttlichen Gesetzes sei. Seymour citirte das vierte und fünfte Buch Mosis, um zu beweisen, daß Niemand auf die Aussage eines einzelnen Zeugen hin zum Tode verurtheilt werden dürfe. „Kaiphas und sein Sanhedrin”, sagte Harley, „waren vollkommen bereit, eine Verletzung der Gerechtigkeit durch einen Zweckmäßigkeitsgrund zu rechtfertigen; sie sagten, — und auch wir haben Derartiges sagen hören —: „„Wir müssen diesen Menschen tödten, sonst werden die Römer kommen und uns Land und Leute nehmen.”” Doch selbst Kaiphas und sein Sanhedrin wagten es bei jenem abscheulichsten aller Justizmorde nicht, das geheiligte Gesetz bei Seite zu werfen, das zwei Zeugen vorschrieb.” — „Selbst Jesabel,” sagte ein andrer Redner, „wagte es nicht, Naboth seinen Weinberg wegzunehmen, bis sie [XXII.40] zwei Männer des Belial als falsche Zeugen gedungen hatte.” — „Wenn das Zeugniß eines ernsten Aeltesten genügt hätte,” fragte Jemand, „wie würde es der keuschen Susanna ergangen sein?” Dieses letzte Citat veranlaßte den Ruf: „Apokryphisch! Apokryphisch!” in den Reihen der Niederkirchlichen. [68]

Ueber diese Argumente, welche selbst Denen, die sich herabließen, sie anzuführen, wohl schwerlich als schlagend erschienen sein können, erlangte Montague einen vollständigen und leichten Sieg. „Ein ewiges Gesetz! Wo war dieses ewige Gesetz vor der Regierung Eduard’s VI.? Wo ist es jetzt, außer in Statuten, die sich nur auf eine sehr kleine Klasse von Vergehen beziehen? Wenn diese Stellen aus dem Pentateuch und diese Präcedenzfälle aus dem Verfahren des Sanhedrin etwas beweisen, so beweisen sie, daß die ganze Strafrechtspflege des Reichs eine Masse von Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit ist. Ein Zeuge genügt, um einen Mörder, einen Einbrecher, einen Straßenräuber, einen Brandstifter, einen Schänder zu überführen. Ja, es giebt sogar Fälle von Hochverrath, in denen nur ein Zeuge erforderlich ist. Ein einziger Zeuge kann eine ganze Bande von Kippern und Falschmünzern nach Tyburn bringen. Wollen Sie denn behaupten, daß das ganze Beweisrecht, nach welchem die Menschen seit Jahrhunderten in unsrem Vaterlande wegen Vergehen gegen das Leben und Eigenthum gerichtet worden sind, mangelhaft ist und umgestaltet werden muß? Wenn Sie Sich scheuen dies zu behaupten, so müssen Sie zugeben, daß wir jetzt vorschlagen, nicht uns von einer göttlichen Vorschrift von allgemeiner und ewiger Bindungskraft, sondern einfach von einer englischen Procedurregel zu dispensiren, die nur auf einige wenige Verbrechen Anwendung findet, die noch keine hundertfunfzig Jahre in Kraft ist, deren ganze Autorität sich auf eine Parlamentsacte stützt und die daher, ohne Gott oder die Menschheit zu beleidigen, durch eine andre Acte abgeschafft oder suspendirt werden kann.”

Bei weitem nicht so leicht war es, den Häuptern der Opposition zu antworten, als sie behaupteten, daß es gefährlich sei, die Scheidewand niederzureißen, welche die Functionen des Gesetzgebers von denen des Richters trennt. „Dieser Mann,” wurde gesagt, „kann ein schlechter Engländer sein, und doch kann seine Sache die Sache aller guten Engländer sein. Erst im vorigen Jahre haben wir eine Acte zur Regulirung des Prozeßverfahrens der ordentlichen Gerichtshöfe in Hochverrathsfällen angenommen. Wir nahmen diese Acte an, weil wir der Ansicht waren, das bei diesen Gerichtshöfen das Leben eines der Regierung mißliebigen Unterthanen damals nicht hinlänglich gesichert sei. Gleichwohl war das Leben eines der Regierung mißliebigen Unterthanen damals viel sicherer, als es dies sein wird, wenn dieses Haus sich die höchste richterliche Gewalt in politischen Fällen beilegt.” Warme Lobreden wurden auf das alte nationale System der Aburtheilung durch zwölf zuverlässige Biedermänner gehalten; und die Vorzüge dieses Systems in politischen Fällen liegen in der That auf der Hand. Der Angeklagte darf jede Anzahl von Geschwornen aus Gründen und eine beträchtliche Anzahl ohne Grund verwerfen. Die Zwölf werden von dem Augenblicke an, wo sie mit ihrer kurzen Magistratur bekleidet werden, bis zu dem Augenblicke, wo sie die [XXII.41] selbe niederlegen, von der übrigen Gesellschaft getrennt gehalten. Jede Vorsicht wird beobachtet, um zu verhindern, daß ein Agent der Gewalt durch Bitten oder durch Bestechung auf sie einwirkt. Jeder von ihnen muß jedes Wort der Beweisaufnahme und jedes für und wider vorgebrachte Argument anhören. Der ganze Fall wird dann von einem Richter resumirt, welcher weiß, daß, wenn er sich der Parteilichkeit schuldig macht, er vor dem großen Richterstuhle der Nation zur Rechenschaft gezogen werden kann. In dem Prozesse Fenwick’s vor der Schranke des Hauses der Gemeinen fehlten alle diese Garantien. Einige hundert Gentlemen, von denen jeder schon vor Eröffnung der Untersuchung seinen Entschluß mehr als halb gefaßt hatte, übten zu gleicher Zeit die Functionen des Richters und der Jury aus. Sie wurden nicht wie es bei einem Richter der Fall ist, durch das Gefühl der Verantwortlichkeit in gewissen Schranken gehalten, denn wer konnte ein Parlament bestrafen? Sie waren nicht, wie eine Jury, in der Weise gewählt, daß der Angeklagte seine persönlichen und politischen Feinde ausschließen konnte. Die Männer, in deren Händen sein Schicksal lag, kamen und gingen nach ihrem Belieben. Sie hörten hier und da ein Bruchstück von dem was zu seinen Gunsten gesagt wurde. Während des Verlaufes der Untersuchung waren sie allen möglichen Einflüssen ausgesetzt. Ein Mitglied wurde von den Wählern seines Burgfleckens mit dem Verluste seines Sitzes bedroht, ein andres konnte für seinen Bruder von Russell eine Fregatte erhalten, die Stimme eines Dritten konnte durch die Schmeicheleien und den Burgunder Wharton’s gewonnen werden. In den Debatten wurden Kunstgriffe angewendet und Leidenschaften geweckt, welche wohlconstituirten Tribunalen unbekannt sind, von denen aber keine große volksthümliche Versammlung jemals frei gewesen ist, noch jemals sein wird. Der Vortrag des einen Redners rief lautes „Hört ihn!” hervor. Ein andrer wurde durch Räuspern und Scharren zum Schweigen gezwungen. Ein dritter sprach übermäßig lange, damit seine Freunde, welche zum Abendessen gegangen waren, zur Abstimmung wieder zurück sein konnten. [69] Wenn mit dem Leben des unwürdigsten Menschen ein solches Spiel getrieben werden konnte, war dann das Leben auch des Tugendhaftesten sicher?

Die Gegner der Bill wagten zwar nicht zu behaupten, keine öffentliche Gefahr könne so groß sein, daß sie eine Verurtheilungsacte rechtfertige. Sie gaben zu, daß Fälle eintreten könnten, in denen die allgemeine Regel einer dringenden Nothwendigkeit weichen müsse. Aber war der vorliegende Fall ein solcher? Selbst wenn man, nur um der Argumentirung willen, zugeben wolle, daß Strafford und Monmouth ihr Urtheil mit Recht verdient hätten, sei Fenwick, wie Strafford, ein großer Minister, der viele Jahre lang das englische Gebiet nördlich vom Trent und ganz Irland mit unumschränkter Gewalt beherrschte, der hoch in der Gunst des Königs stand und dessen Talente, Beredtsamkeit und Entschlossenheit ihn noch in seinem Sturze zu einem Gegenstande der Furcht machten? Oder sei Fenwick, wie Monmouth, ein Kronprätendent und der Abgott des gemeinen Volks? Strömten alle kräftigen Jünglinge dreier Grafschaften herbei, um unter seinem Banner zu dienen? Sei er etwas Andres als ein untergeordneter Verschwörer? Er habe zwar einst bedeu [XXII.42] tende Stellen bekleidet, aber die habe er längst wieder verloren. Er habe ein großes Vermögen besessen, aber er habe es verschwendet. Ausgezeichnete Talente und einen angesehenen Namen habe er nie gehabt. Er sei allerdings durch seine Frau mit einer sehr vornehmen Familie verwandt; aber diese Familie theile seine politischen Vorurtheile nicht. Habe er also eine andre Wichtigkeit als die, welche seine Verfolger ihm unklugerweise erst gaben, indem sie alle das Leben der Engländer sichernden Schutzwehren durchbrächen, um ihn zu vernichten? Selbst wenn er in Freiheit gesetzt würde, was könne er Andres thun, als jakobitische Kaffeehäuser besuchen, Orangen zerdrücken und auf die Gesundheit des Königs Jakob und des Prinzen von Wales trinken? Wenn jedoch die Regierung trotz der Unterstützung der Lords und der Gemeinen, der Flotte und der Armee, einer Miliz von hundertsechzigtausend Mann und einer halben Million Bürger, welche die Vereinsurkunde unterzeichnet, wirklich von diesem armen ruinirten Baron eine Gefahr befürchtete, so könne ihm die Wohlthat der Habeascorpusacte vorenthalten werden. Er könne so lange innerhalb vier Wänden gehalten werden, als die geringste Möglichkeit für ihn vorhanden sei, Unheil zu stiften. Für einen so furchtbaren Feind könne man ihn wohl schwerlich halten, daß der Staat nicht eher sicher wäre, als bis er im Grabe liege.

Es wurde zugegeben, daß sich Präcedenzfälle für diese Bill und selbst für eine noch mehr Einwendungen zulassende Bill finden ließen. Aber es wurde gesagt, daß Jeder, der unsre Geschichte studire, geneigt sein werde, diese Präcedenzfälle eher als warnende, denn als nachahmenswerthe Beispiele zu betrachten. Es sei oft vorgekommen, daß eine in einer Regung von Servilität oder Erbitterung angenommene Verurtheilungsacte, wenn das Glück sich gewendet oder wenn die Wuth sich abgekühlt habe, widerrufen oder feierlich für ungerecht erklärt worden sei. So sei vor Alters die Acte, welche in dem Paroxismus eines nicht unprovocirten Hasses gegen Roger Mortimer erlassen wurde, in einem ruhigeren Augenblicke deshalb wieder aufgehoben worden, weil man ihm, so schuldig er auch übrigens gewesen sein mochte, nicht unparteiisch gestattet habe, sich zu vertheidigen. So sei auch innerhalb der Erinnerung der gegenwärtigen Generation, das Gesetz, welches Strafford verurtheilte, ohne eine einzige abweichende Stimme annullirt worden. Es dürfe ferner, ward hinzugesetzt, nicht unerwähnt bleiben, daß, sei es nun kraft des ordentlichen Gesetzes von Ursache und Wirkung, oder durch das außerordentliche Gottesurtheil, Personen, welche selbst für die Annahme von Strafbills eingenommen gewesen, zu wiederholten Malen durch solche Bills zu Grunde gegangen seien. Niemand habe je einen rücksichtsloseren Gebrauch von der gesetzgebenden Gewalt zur Vernichtung seiner Feinde gemacht als Thomas Cromwell, und durch einen rücksichtslosen Gebrauch der gesetzgebenden Gewalt sei er selbst vernichtet worden. Wenn es wahr sei, daß der unglückliche Gentleman, dessen Schicksal jetzt in der Wagschale zittere, früher selbst an einem ähnlichen Prozeßverfahren, wie es jetzt gegen ihn angewendet werde, Theil genommen habe, sei dies nicht ein Umstand, der zu sehr ernsten Betrachtungen Anlaß geben müsse? Diejenigen, welche Fenwick höhnisch daran erinnerten, daß er die Bill unterstützt habe, welche Monmouth verurtheilte, könnten vielleicht selbst noch in einer finstren und schrecklichen Stunde höhnisch daran erinnert werden, daß sie die Bill unterstützt hätten, welche Fenwick verurtheilte. „Bedenken wir, welche [XXII.43] Wechselfälle wir erlebt haben. Lernen wir aus so vielen auffallenden Beispielen von der Wandelbarkeit des Geschicks, Mäßigung im Glücke. Wie wenig dachten wir daran, als wir diesen Mann als einen begünstigten Cavalier in Whitehall, als einen mit militärischem Gepränge umgebenen General in Hounslow sahen, daß wir es erleben würden, ihn vor unsrer Schranke stehen zu sehen, von unsren Sippen sein Urtheil erwartend! Und wie weit entfernt sind wir von der Gewißheit, daß wir nicht selbst dereinst in tiefer Seelenqual vergebens den Schutz der milden Gesetze anrufen werden, die wir jetzt so leichtfertig behandeln! Gott möge es verhüten, daß wir je wieder der Tyrannei unterworfen werden! Vor Allem aber möge Gott es verhüten, daß unsere Tyrannen je in die Lage kommen, zur Rechtfertigung des Schlimmsten, das sie über uns verhängen können, Präcedenzfälle geltend zu machen, die wir selbst geliefert haben!”

Diese geschickt ausgeführten Themata machten auf viele gemäßigte Whigs einen großen Eindruck. Montague bemühte sich nach Kräften, seine Anhänger wieder zu gewinnen. Wir besitzen noch die rohen Umrisse seiner Rede, die gewiß eine sehr bedeutende Wirkung äußerte. „Diese Herren warnen uns” — so scheint er sich, wenigstens annähernd, ausgedrückt zu haben — „dem Könige Jakob nicht einen Präcedenzfall zu liefern, den er, wenn er einmal wieder auf den Thron gelangen sollte, gegen uns anwenden könnte. Glauben sie wirklich, daß wenn jener unheilvolle Tag kommen sollte, er sich dieses gerechte und nothwendige Gesetz zum Vorbilde nehmen würde? Nein, Sir, er wird sich nicht unsre Verurtheilungsbill, sondern seine eigene zum Muster nehmen; nicht unsre Bill, die nach vollständigen Beweisen und nach unparteiischer Anhörung aller Betheiligten, die wohlverdiente Strafe über ein einzelnes schuldiges Haupt verhängt, sondern seine eigne Bill, die ohne Vertheidigung, ohne Untersuchung, ohne Anklage, nahe an dreitausend Menschen, deren einzige Verbrechen ihr englisches Blut und ihr protestantischer Glaube waren, die Männer zum Galgen, die Frauen zum Scheiterhaufen verurtheilte. Dies ist der Präcedenzfall, den er geliefert hat und den er befolgen wird. Damit er nie im Stande sein möge, ihn zu befolgen, damit die Furcht vor gerechter Strafe die Feinde unsres Vaterlandes von dem Wunsche abhalten möge, ihn in London herrschen zu sehen, wie er in Dublin herrschte, stimme ich für diese Bill.”

Trotz aller Beredtsamkeit und allen Einflusses des Ministeriums wurde die Minorität im Verlaufe der Debatte immer stärker und stärker. Die Frage, ob die Erlaubniß zum Einbringen der Bill gegeben werden solle, war mit fast Drei zu Eins bejaht worden. Bei der Abstimmung über die Frage, ob die Bill einem Ausschusse überwiesen werden solle, betrug die Zahl der Jas hundertsechsundachtzig, die der Neins hundertachtundzwanzig. Bei der Abstimmung über die Frage, ob die Bill angenommen werden solle, betrug die Zahl der Jas hundertneunundachtzig, die der Neins hundertsechsundfunfzig.

Die Verurtheilungsbill den Lords überreicht.

Am 26. November wurde die Bill den Lords überreicht. Noch ehe sie dort ankam, hatten die Lords sich schon auf ihren Empfang vorbereitet. Jeder von der Hauptstadt abwesende Peer war eingeladen worden zu erscheinen; jeder Peer, der der Einladung nicht Folge leistete und für sein Ausbleiben keine befriedigende Erklärung geben konnte, wurde von dem schwarzen Stabe in Gewahrsam genommen. An dem zur ersten Lesung festgesetzten [XXII.44] Tage waren die Bänke so gefüllt wie noch nie. Die Gesammtzahl der weltlichen Lords mit Ausnahme der Minorennen, der Katholiken und der Eidverweigerer, belief sich auf ungefähr hundertvierzig. Von diesen waren hundertfünf auf ihren Plätzen. Viele waren der Meinung, daß man den Bischöfen hätte erlauben, wenn nicht befehlen sollen, wegzubleiben, denn nach einem alten Kirchengesetz war es Denen, welche an den Altären Gottes fungirten, untersagt, an einer Zuerkennung der Todesstrafe irgend welchen Antheil zu nehmen. Bei der Prozessirung eines wegen Hochverraths angeklagten Peers entfernen sich die Prälaten jedesmal und überlassen die Freisprechung oder Verurtheilung des Angeklagten den Laien. Und gewiß, wenn es sich nicht ziemt, daß ein Geistlicher als Richter seine Nebenmenschen zum Tode verurtheilt, so muß es sich noch weniger ziemen, daß er sie als Gesetzgeber zum Tode verurtheilt. In diesem wie in jenem Falle macht er sich der Befleckung mit Blut schuldig, welche die Kirche mit Schaudern betrachtet, und es wird schwerlich in Abrede gestellt werden können, daß sich gegen das Blutvergießen durch eine Verurtheilungsacte einige gewichtige Einwendungen machen lassen, welche gegen das Blutvergießen auf dem gewöhnlichen Justizwege keine Anwendung erleiden. Als die Bill zur Verurtheilung Strafford’s berathen wurde, hatten sich in der That alle geistlichen Peers entfernt. Jetzt aber wurde das Beispiel Cranmer’s, der für einige der schändlichsten Verurtheilungsacte gestimmt hatte, die jemals angenommen worden sind, für nachahmenswerther gehalten und man sah zahlreiche Batistärmel in der Versammlung. Sehr zweckmäßigerweise wurde beschlossen, daß bei dieser Gelegenheit das Privilegium, in Vollmacht zu stimmen, suspendirt, daß die Mitglieder zu Anfang und zu Ende jeder Sitzung namentlich aufgerufen und daß jedes Mitglied, das nicht auf seinen Namen antwortete, von dem schwarzen Stabe in Gewahrsam genommen werden sollte. [70]

Monmouth’s Kunstgriffe.

Mittlerweile brütete der unruhige Kopf Monmouth’s über sonderbare Pläne. Er hatte jetzt eine Altersstufe erreicht, wo sich seine Fehler nicht mehr durch Jugend entschuldigen ließen; aber er war launenhafter und excentrischer als je. Sein geistiger sowohl als sein moralischer Character besaß eine reiche Fülle jener schönen Eigenschaften, die man Luxuseigenschaften nennen kann; dagegen fehlte es ihm in bedauerlichem Maße an den unerläßlich nöthigen gediegeneren Eigenschaften. Er besaß glänzenden Witz und prompte Erfindungsgabe ohne praktischen Verstand, und ritterliche Hochherzigkeit und Delikatesse ohne wahre Rechtschaffenheit. Er war fähig, sich zu der Rolle des schwarzen Prinzen zu erheben, und doch auch fähig, sich zu der Rolle eines Fuller zu erniedrigen. Sein politisches Leben war durch einige höchst unehrenwerthe Handlungen befleckt, obwohl er nicht unter dem Einflusse der Triebfedern stand, denen die meisten unehrenwerthen Handlungen von Staatsmännern zugeschrieben werden müssen. Die Macht hatte wenig, das Geld noch weniger Werth für ihn. Für die Furcht war er gänzlich unempfänglich. Wenn er sich zuweilen soweit erniedrigte, ein Schurke zu sein — denn kein milderes Wort kommt der Wahrheit nahe genug — so that er dies nur zu seinem Vergnügen und um andere Leute in Erstaunen zu setzen. In bürgerlichen wie in militärischen Dingen [XXII.45] liebte er Hinterhalte, Ueberfälle und nächtliche Angriffe. Er glaubte jetzt eine glänzende Gelegenheit zu haben, Aufsehen zu machen, eine große Erschütterung hervorzurufen und die Versuchung war für einen so ruhelosen Geist wie der seinige unwiderstehlich.

Er wußte oder vermuthete wenigstens stark, daß die Geschichten, welche Fenwick nach dem Hörensagen erzählt hatte und die der König, die Lords und die Gemeinen, die Whigs und die Tories einmüthig als Verleumdungen behandelten, in der Hauptsache wahr seien. Sollte es nicht möglich sein, zu beweisen, daß sie wahr waren, das weise Verfahren Wilhelm’s zu durchkreuzen, mit einem Male einige der hochstehendsten Männer beider Parteien zu brandmarken, die ganze politische Welt in eine unlösbare Verwirrung zu stürzen?

Nichts konnte ohne die Beihülfe des Gefangenen geschehen, und mit diesem direct zu verkehren, war unmöglich. Man mußte sich der Vermittelung mehr als einer Agentin bedienen. Die Herzogin von Norfolk war eine Mordaunt und Monmouth’s erste Cousine. Sie war bekannt wegen ihrer Galanterien und ihr Gemahl hatte einige Jahre früher seine adeligen Collegen zu bestimmen versucht, eine Bill zur Auflösung seiner Ehe anzunehmen, aber der Versuch war, zum Theil in Folge des Eifers, mit dem Monmouth die Sache seiner Cousine verfochten hatte, gescheitert. Die Dame lebte, obgleich von ihrem Gatten getrennt, auf einem ihrem Range angemessenen Fuße und hatte Umgang mit vielen vornehmen Frauen, unter andern mit Lady Marie Fenwick und mit einer Verwandten derselben, Namens Elisabeth Lawson. Durch Vermittlung der Herzogin ließ Monmouth dem Gefangenen mehrere Papiere zukommen, welche sehr klug entworfene Rathschläge enthielten. Sir John, — dies war der wesentliche Inhalt dieser Rathschläge — möge dreist behaupten, daß sein Bekenntniß wahr sei, daß er Beschuldigungen, zwar nur nach Hörensagen, aber nicht nach gewöhnlichem Hörensagen, erhoben habe, daß er seine Kenntniß der behaupteten Facta aus den hochstehendsten Duellen schöpfe, und er möge ein Mittel angeben, wodurch seine Wahrhaftigkeit leicht auf die Probe gestellt werden könne. Er möge darum bitten, daß die Earls von Portland und von Romney, welche anerkanntermaßen das Vertrauen des Königs besäßen, aufgefordert würden zu erklären, ob sie nicht, im Besitz von Nachrichten seien, welche mit den von ihm erzählten Dingen übereinstimmten. Er möge darum bitten, daß der König ersucht würde, dem Parlamente die Aufschlüsse, welche die plötzliche Entlassung Lord Marlborough’s zur Folge gehabt, und alle Briefe vorzulegen, die auf dem Wege zwischen Saint-Germains und Lord Godolphin aufgefangen worden seien. „Wenn,” sagte Monmouth zu seinen Agentinnen, „Sir John nicht unter dem Einflusse eines Verhängnisses steht, wenn er nicht ganz von Sinnen ist, so wird er meinen Rath befolgen. Thut er es, so sind sein Leben und seine Ehre gerettet. Thut er es nicht, so ist er ein todter Mann.” Hierauf schmähte dieser kühne Intrigant mit seiner gewöhnlichen frechen Redeweise Wilhelm wegen dessen, was eigentlich einer seiner Hauptansprüche auf Ruhm war. „Er ist der schlechteste Mensch. Er hat schändlich gehandelt. Er giebt vor, diese Beschuldigungen gegen Shrewsbury, Russell, Marlborough und Godolphin nicht zu glauben, obgleich er weiß” — und Monmouth bekräftigte diese Behauptung mit einem entsetzlichen Schwure, — „daß jedes Wort der Beschuldigungen wahr ist.”

Die von Monmouth aufgesetzten Schriftstücke wurden von Lady Mary [XXII.46] ihrem Gemahl übergeben. Wäre der Rath, den sie enthielten, befolgt worden, so unterliegt es kaum einem Zweifel, daß der Zweck des Rathgebers erreicht worden wäre. Der König würde sich heftig geärgert haben, es würde ein allgemeiner panischer Schrecken unter den Staatsmännern jeder Farbe entstanden sein; selbst Marlborough’s heiterer Gleichmuth würde auf eine harte Probe gestellt worden sein, und Shrewsbury würde sich wahrscheinlich erschossen haben. Ob aber Fenwick seine Lage dadurch verbessert haben würde, ist sehr zweifelhaft. Dies war auch seine Meinung. Er sah ein, daß der Schritt, zu dem man ihn drängte, ein sehr gefährlicher war. Er wußte, daß er nicht deshalb zu diesem Schritte gedrängt wurde, weil er möglicherweise dadurch gerettet werden konnte, sondern weil er gewiß Anderen dadurch schaden mußte, und er war entschlossen, nicht Monmouth’s Werkzeug zu sein.

Debatten der Lords über die Verurtheilungsbill.

Am 1. December passirte die Bill ohne Abstimmung das erste Stadium. Hierauf wurde Fenwick’s Bekenntniß, das auf Befehl des Königs auf den Tisch gelegt worden war, vorgelesen, und dann erhob sich Marlborough. „Es kann Niemanden Wunder nehmen,” sagte er, „daß ein Mensch, dessen Kopf in Gefahr ist, sich durch Anschuldigung Anderer zu retten versucht. Ich versichere Euren Lordschaften, daß ich seit der Thronbesteigung der gegenwärtig regierenden Majestät mit Sir John wegen keines Gegenstandes irgendwie verkehrt habe, und ich erkläre dies auf mein Ehrenwort.” [71] Marlborough’s Behauptung mag wahr gewesen sein, aber sie vertrug sich vollkommen mit Allem was Fenwick gesagt hatte. Godolphin ging weiter. „Ich bin allerdings bis zum letzten Augenblicke im Dienste Jakob’s und seiner Gemahlin geblieben, und ich wurde von ihnen Beiden geschätzt. Aber ich kann dies nicht für ein Verbrechen halten. Möglich, daß sie und ihre Umgebungen noch jetzt glauben, ich sei ihrer Sache ergeben; dafür kann ich nicht. Aber es ist durchaus unwahr, daß ich mit dem Hofe von Saint-Germains in einem Verkehr gestanden habe, wie das Schriftstück angiebt, das Euren Lordschaften so eben vorgelesen worden ist.” [72]

Fenwick wurde nun eingeführt und gefragt, ob er noch etwas zu gestehen habe. Mehrere Peers befragten ihn, aber erfolglos. Monmouth, der nicht glauben konnte, daß die Papiere, die er nach Newgate gesandt, keine Wirkung gehabt haben sollten, richtete in freundlichem und ermuthigendem Tone verschiedene Fragen an den Gefangenen, durch die er ihm Antworten zu entlocken hoffte, welche den angeklagten Lords durchaus nicht angenehm gewesen sein würden. Aber keine solche Antwort war aus Fenwick herauszubringen. Monmouth sah, daß seine sinnreichen Machinationen ihren Zweck verfehlt hatten. Aufgebracht und enttäuscht, machte er nun plötzlich kehrt und wurde ein so eifriger Fürsprecher der Bill als irgend ein andrer Peer im Hause. Jedermann fiel der plötzliche Umschlag in seiner Stimmung und seinem Benehmen auf, aber man schrieb diesen Umschlag anfangs lediglich seiner wohlbekannten Unbeständigkeit zu.

Am 8. December wurde die Bill aufs neue in Erwägung gezogen, und an diesem Tage war Fenwick in Begleitung seines Vertheidigers an [XXII.47] wesend. Bevor man ihn jedoch hereinrief, wurde eine Vorfrage gestellt. Mehrere vornehme Tories, namentlich Nottingham, Rochester, Normanby und Leeds sagten, daß es ihrer Ansicht nach unnütz sei, die Schuld oder Unschuld des Gefangenen zu untersuchen, wenn das Haus ihn nicht für einen so gefährlichen Menschen hielte, daß er, wenn schuldig, durch eine Parlamentsacte verurtheilt werden müsse. Sie wollten gar keine Beweise hören, sagten sie. Denn selbst angenommen, daß die Beweise keinen Zweifel an seiner Strafbarkeit übrig ließen, würden sie es dennoch für besser halten, ihn nicht zu bestrafen, als erst ein Gesetz zu seiner Bestrafung zu machen. Die allgemeine Ansicht war jedoch entschieden dafür, die Sache weiter zu verfolgen. [73] Es wurde dem Gefangenen und seinem Vertheidiger noch eine Woche bewilligt, um sich vorzubereiten, und endlich am 15. December begann der Kampf allen Ernstes.

Die Debatten waren die längsten und heftigsten, die Abstimmungen die häufigsten, die Proteste die am zahlreichsten unterschriebenen, die man in der ganzen Geschichte des Hauses der Peers je gekannt hatte. Die Bänke waren mehrmals von zehn Uhr Morgens bis nach Mitternacht gefüllt. [74] Die Gesundheit vieler Lords litt darunter, denn der Winter war grimmig kalt; aber die Majorität war nicht zur Nachsicht geneigt. Eines Abends wurde Devonshire unwohl; er schlich sich fort und legte sich ins Bett; aber der schwarze Stab wurde ihm bald nachgeschickt, um ihn zurückzuholen. Leeds, der äußerst kränklicher Constitution war, beschwerte sich laut. „Junge Gentlemen,” sagte er, „mögen sich ohne Nachtheil um zwei Uhr Morgens zum Abendessen und zum Weine niedersetzen können; aber einige von uns bejahrten Leuten dürften hier wohl eben so viel werth sein als sie, und wir werden bald im Grabe liegen, wenn wir zu einer solchen Jahreszeit so lange aushalten müssen.” [75] Der Parteigeist war jedoch in solchem Grade erregt, daß diese Beschwerde unberücksichtigt blieb und das Haus vierzehn- bis funfzehnstündige Sitzungen hielt. Die Hauptgegner der Bill waren Rochester, Nottingham, Normanby und Leeds. Die Hauptredner auf der andren Seite waren Tankerville, der trotz der heftigen Erschütterungen, welche ein ausnehmend unglückliches Leben seinem öffentlichen wie seinem Privatrufe zugefügt hatte, stets mit einer die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer fesselnden Beredtsamkeit sprach; Burnet, der eine große historische Gelehrsamkeit entfaltete, Wharton, dessen lebhafte und familiäre Ausdrucksweise, die er sich im Hause der Gemeinen angewöhnt, zuweilen das Förmlichkeitsgefühl der Lords verletzte, und Monmouth, der die Redefreiheit stets bis an den Rand der Zügellosigkeit getrieben hatte und der jetzt nie den Mund öffnete, ohne den Gefühlen eines Gegners eine Wunde zu schlagen. Einige wenige Edelleute von großem Gewicht, Devonshire, Dorset, Pembroke und Ormond, bildeten eine dritte Partei. Sie wollten die Verurtheilungsbill als ein Folterwerkzeug gebrauchen, um dem Gefangenen ein ausführliches Geständniß auszupressen. Aber sie waren entschlossen, nicht für seine Verurtheilung zum Tode zu stimmen.

Die erste Abstimmung betraf die Frage, ob die Bestätigung dessen [XXII.48] was Goodman hätte beweisen können, durch einen sekundären Zeugen zugelassen werden sollte. Bei dieser Gelegenheit schloß Burnet die Debatte mit einer gewaltigen Rede, auf welche keiner der toryistischen Redner unvorbereitet zu antworten wagen konnte. Es waren hundertsechsundzwanzig Lords anwesend, eine in unsrer Geschichte beispiellose Zahl. Darunter waren dreiundsiebzig zufrieden und dreiundfunfzig nicht zufrieden. Sechsunddreißig von der Minorität protestirten gegen die Entscheidung des Hauses. [76]

Die nächste große Kraftprobe fand bei der Frage statt, ob die Bill zum zweiten Male gelesen werden sollte. Eine interessante Episode brachte eine Diversion in die Debatte. Monmouth machte in einer heftigen Rede einige harte und wohlverdiente Bemerkungen über den verstorbenen Lord Jeffreys. Der Titel und ein Theil des übelerworbenen Vermögens Jeffreys’ war auf seinen Sohn übergegangen, einen ausschweifenden jungen Mann, der vor kurzem mündig geworden war und damals schon einen Sitz im Hause hatte. Der junge Mann fing Feuer, als er seinen Vater tadeln hörte. Das Haus mußte sich ins Mittel legen und den beiden Disputanten das Versprechen abnehmen, die Sache nicht weiter zu treiben. An diesem Tage waren hundertachtundzwanzig Peers anwesend. Die Frage der zweiten Lesung ging mit dreiundsiebzig gegen fünfundfunfzig Stimmen durch, und neunundvierzig von den fünfundfunfzig protestirten. [77]

Viele glaubten jetzt, daß Fenwick der Muth sinken werde. Es war bekannt, daß er nicht gern sterben wollte. Bisher konnte er sich mit der Hoffnung geschmeichelt haben, daß die Bill scheitern werde. Jetzt aber, wo sie in dem einen Hause angenommen worden war und wo es gewiß zu sein schien, daß sie auch in dem andren angenommen werden würde, war es wahrscheinlich, daß er sich durch Enthüllung alles dessen was er wußte, retten würde. Er wurde aufs neue vor die Schranke gebracht und verhört. Er weigerte sich zu antworten, aus dem Grunde, weil seine Antworten von der Krone vor der Old Bailey gegen ihn gebraucht werden möchten. Man versicherte ihm, daß das Haus ihn in Schutz nehmen werde; aber er behauptete, diese Versicherung sei nicht genügend, das Haus bleibe nicht immer beisammen und er könne während einer Vertagung prozessirt und gehängt werden, bevor ihre Lordschaften wieder zusammenträten. Das Wort des Königs allein, sagte er, werde ihm eine vollständige Garantie sein. Die Peers ließen ihn wieder fortführen und beschlossen unmittelbar darauf, daß Wharton sich nach Kensington begeben und Se. Majestät bitten sollte, das Versprechen zu geben, das der Gefangene verlangte. Wharton eilte nach Kensington und kam mit einer günstigen Antwort zurück. Fenwick wurde wieder vor die Schranke gebracht. Man sagte ihm, der König habe sein Wort gegeben, daß nichts von dem was er an dieser Stelle aussagen würde, an einem andren Orte zu seinem Nachtheil benutzt werden sollte. Er machte indeß noch immer Schwierigkeiten. Wenn er auch Alles gestehe was er wisse, sagte er, könne man doch [XXII.49] glauben, er verschweige noch immer etwas. Kurz, er werde nichts sagen, bis er die Zusicherung seiner Begnadigung habe. Er wurde nun zum letzten Male feierlich vom Wollsacke aus gewarnt. Es wurde ihm versichert, daß, wenn er offen gegen die Lords sei, sie sich am Fuße des Thrones für ihn verwenden und daß ihre Fürsprache nicht erfolglos sein würde. Wenn er jedoch obstinat bliebe, so würden sie die Bill weiter verfolgen. Es ward ihm eine kurze Bedenkzeit bewilligt und er dann aufgefordert, seine definitive Antwort zu geben. „Ich habe sie bereits gegeben,” sagte er; „ich habe keine Sicherheit. Wenn ich sie hätte, würde ich den Wünschen des Hauses sehr gern entsprechen.” Er wurde hierauf in seine Zelle zurückgebracht, und die Peers trennten sich nach einer Sitzung, welche bis tief in die Nacht hinein gedauert hatte. [78] Die Peers, welche Fenwick angeklagt hatte, hielten sich zu verschiedenen Seiten. Marlborough stimmte beharrlich mit der Majorität und bewog den Prinzen Georg das Nämliche zu thun. Godolphin stimmte ebenso beharrlich mit der Minorität, enthielt sich aber mit characteristischer Vorsicht, Gründe für seine Voten anzugeben. Keine Periode seines Lebens berechtigt uns dazu, sein Verfahren einem höheren Motive zuzuschreiben. Wahrscheinlich hielt er es, nachdem er durch die Whigs aus dem Amte vertrieben und gezwungen worden war, sich zu den Tories zu flüchten, für rathsam mit seiner Partei zu gehen. [79]

Schritte gegen Monmouth.

Sobald die Bill zum dritten Male gelesen war, wurde die Aufmerksamkeit der Peers auf einen Gegenstand gelenkt, der die Ehre ihres Standes nahe berührte. Lady Marie Fenwick war begreiflicherweise über das Benehmen Monmouth’s höchlich entrüstet. Er war, nachdem er den ernsten Willen geäußert, ihren Gatten zu retten, plötzlich zurückgetreten und der unbarmherzigste Verfolger ihres Gatten geworden, und dies Alles lediglich deshalb, weil der unglückliche Gefangene sich nicht als Werkzeug zur Vollführung eines phantastischen Unheilplanes hatte gebrauchen lassen wollen. Sie war wohl zu entschuldigen, wenn sie dachte, daß Rache süß sein müsse. In ihrer Wuth zeigte sie ihrem Vetter, dem Earl von Carlisle, die Papiere, die sie von der Herzogin von Norfolk erhalten hatte. Carlisle brachte die Angelegenheit vor die Lords. Die Papiere wurden vorgelegt. Lady Mary erklärte, daß sie sie von der Herzogin erhalten, die Herzogin erklärte, daß sie sie von Monmouth erhalten habe, und Elisabeth Lawson bestätigte die Aussage ihrer beiden Freundinnen. Alle bitteren Dinge, die der kecke Earl über Wilhelm gesagt hatte, wurden wiederholt. Die Wuth der beiden großen Parteien brach mit unbändiger Heftigkeit aus. Die Whigs waren durch die Entdeckung erbittert, daß Monmouth im Geheimen darauf hingearbeitet hatte, zwei hochstehende Männer, mit deren Ruf der Ruf der ganzen Partei verknüpft war, in Schande und Verderben zu stürzen. Die Tories [XXII.50] beschuldigten ihn, heimtückisch und grausam gegen den Gefangenen und dessen Gemahlin gehandelt zu haben. Unter den Whigs sowohl wie unter den Tories hatte sich Monmouth durch seine Spötteleien und Invectiven zahlreiche persönliche Feinde gemacht, welche die Furcht vor seinem scharfen Witze und seinem Degen bisher in Schach gehalten hatte. [80] Alle diese Feinde erhoben jetzt die Stimme gegen ihn. Man war sehr neugierig, was er zu seiner Vertheidigung würde sagen können. Seine Beredtsamkeit, schrieb der Correspondent der Generalstaaten, habe schon oft Anderen geschadet; jetzt werde er sie aber in vollem Maße brauchen, um sich selbst zu schützen. [81] Seine Beredtsamkeit war in der That mehr für den Angriff als für die Vertheidigung geeignet. Monmouth sprach nahe an drei Stunden verworren und abschweifend, rühmte sich über die Maßen seiner Dienste und Opfer, sagte dem Hause, daß er eine wichtige Rolle bei der Revolution gespielt, daß er in den schlimmen Zeiten vier Reisen nach Holland gemacht, daß er seitdem hohe Aemter ausgeschlagen, daß er den materiellen Gewinn stets verachtet habe. „Ich habe,” sagte er, sich bedeutungsvoll zu Nottingham wendend, „keine große Herrschaft gekauft, ich habe keinen Palast gebaut, ich bin um zwanzigtausend Pfund ärmer als zu der Zeit meines Eintritts in das öffentliche Leben. Mein altes Erbschloß droht mir über dem Kopfe einzustürzen. Kann irgend Jemand, der sich erinnert, was ich für Se. Majestät gethan und gelitten habe, glauben, daß ich unehrerbietig von ihm sprechen würde?” Er erklärte feierlich — und dies war die schwerste von den vielen schweren Sünden seines langen und bewegten Lebens, — daß er mit den Papieren, welche so großes Aergerniß erregt, nichts zu thun habe. Die Papisten, sagte er, haßten ihn, sie hätten sich vorgenommen, ihn zu verderben, seine undankbare Cousine habe sich zu ihrem Werkzeuge hergegeben und habe seine eifrigen Bemühungen, ihre Ehre zu wahren, damit vergolten, daß sie es versucht habe, die seinige zu untergraben. Als er geendet hatte, trat ein lange anhaltendes Stillschweigen ein. Er fragte, ob Ihre Lordschaften wünschten, daß er sich entferne. Jetzt ergriff Leeds, für dessen treuen Freund er sich einst erklärt, den er aber mit characteristischer Unbeständigkeit verlassen und mit characteristischer Rücksichtslosigkeit angegriffen hatte, die Gelegenheit, sich zu rächen. „Es ist ganz unnöthig,” sagte der schlaue alte Staatsmann, „daß der edle Earl sich jetzt entfernt. Die Frage, die wir für jetzt zu entscheiden haben, ist lediglich die, ob diese Papiere unsren Tadel verdienen oder nicht. Wer sie geschrieben hat, ist eine Frage, die nachher erörtert werden kann.” Es wurde hierauf beantragt und einstimmig beschlossen, daß die Papiere verleumderisch seien und daß der Verfasser derselben sich eines schweren Verbrechens und Vergehens schuldig gemacht habe. Monmouth selbst mußte sich in Folge dieser geschickten Taktik der Verurtheilung seiner eigenen Schriftstücke anschließen. [82] Dann [XXII.51] ging das Haus zur Inbetrachtnahme der gegen ihn vorliegenden Beschuldigung über. Seine Cousine, die Herzogin, stand zwar nicht im besten Rufe; aber ihre Aussage wurde sowohl durch directes als durch aus den Umständen geschöpftes Zeugniß bestätigt. Ihr Gemahl sagte mit höhnischem Scherze, daß er Allem was sie ausgesagt habe, vollkommenen Glauben schenke. „Mylord Monmouth hielt sie für gut genug, um meine Gattin zu sein, und wenn sie gut genug ist, um meine Gattin zu sein, so bin ich überzeugt, daß sie auch gut genug ist, um gegen ihn zu zeugen.” In einem Hause von nahe an achtzig Peers schienen nur acht bis zehn geneigt, gegen Monmouth einige Nachsicht zu üben. Er wurde der That, an der er unschuldig zu sein auf das Feierlichste betheuert hatte, für schuldig erklärt, in den Tower geschickt und aller seiner Stellen entsetzt, und sein Name aus dem Rathsbuche gestrichen. [83] Man hätte denken sollen, daß der Verlust seines Rufes und seines irdischen Glückes unwiederbringlich sein müßte. Aber seine Natur besaß eine unverwüstliche Elasticität. In seinem Gefängnisse war er zwar so unbändig wie ein eben in den Käfig gesperrter Falke, und er würde vor bloßer Ungeduld gestorben sein, wenn er lange in Haft geblieben wäre. Sein einziger Trost war, wilde und romanhafte Pläne zu ersinnen, wie er sich aus seiner unangenehmen Lage befreien und sich an seinen Feinden rächen könne. Als er seine Freiheit wieder erlangte, stand er allein in der Welt, ein entehrter Mann, von den Whigs mehr gehaßt als irgend ein Tory, und von den Tories mehr gehaßt als irgend ein Whig, und zu solcher Armuth reducirt, daß er davon sprach, sich auf das Land zurückzuziehen, wie ein Pächter zu leben und seine Gemahlin in die Milchkammer zu stellen, um Butter und Käse zu machen. Doch selbst nach diesem Sturze erhob sich dieser ruhelose Geist noch einmal und stieg höher als je. Als er das erste Mal wieder vor den Augen der Welt erschien, hatte er den Earltitel des Oberhauptes seiner Familie geerbt, führte nicht mehr den befleckten Namen Monmouth und umgab den Namen Peterborough bald mit neuem Glanze. Er war noch immer lauter Feuer und Leben. Sein schlagender Witz und sein unerschrockner Muth machten ihn gefährlich, einige liebenswürdige Eigenschaften, die mit seinen Lastern auffallend contrastirten, und einige große Thaten, deren Eindruck durch die sorglose Leichtfertigkeit, mit der er sie ausführte, noch erhöht wurde, machten ihn populär und seine Landsleute vergaßen gern, daß ein Held, auf dessen Thaten sie stolz waren und der sich eben so sehr durch Talent und Muth, wie durch Ritterlichkeit und Freigebigkeit auszeichnete, sich zu Streichen erniedrigt hatte, die den Pranger verdienten.

Stellung und Gesinnung Shrewsbury’s.

Es ist interessant und lehrreich, das Schicksal Shrewsbury’s mit dem Schicksale Peterborough’s zu vergleichen. Shrewsbury’s Ehre war unbefleckt. Er war von den in Fenwick’s Bekenntniß enthaltenen Anklagen triumphirend freigesprochen worden. Bald darauf wurde er noch triumphirender von einer noch abscheulicheren Anklage freigesprochen. Ein schändlicher Spion, Namens Matthäus Smith, welcher nicht genügend belohnt worden zu sein meinte und sich gern rächen wollte, behauptete, Shrewsbury habe [XXII.52] frühzeitig Kenntniß von dem Mordcomplot gehabt, habe aber gethan als wisse er nichts davon, und habe keine Maßregeln ergriffen, um die Verschwörer an der Ausführung ihres Vorhabens zu hindern. Daß dies eine niederträchtige Verleumdung war, kann Niemand bezweifeln, der die Prozeßacten geprüft hat. Der König erklärte, daß er selbst die Unschuld seines Ministers beweisen könne, und die Peers erklärten, nachdem sie Smith vernommen hatten, die Anklage für unbegründet. Shrewsbury war soweit gereinigt, als es in der Macht der Krone und des Parlaments stand, ihn zu reinigen. Er besaß Macht und Reichthum, die Gunst des Königs und die Gunst des Volks. Niemand hatte eine größere Anzahl ergebener Freunde. Er war der Abgott der Whigs, und auch die Tories waren ihm persönlich nicht abgeneigt. Man sollte demnach meinen, daß er sich in einer Lage befand, um die ihn Peterborough wohl beneiden konnte. Aber Glück und Unglück kommen von innen. Peterborough besaß eines von jenen Gemüthern, deren tiefste Wunden heilen, ohne Narben zurückzulassen. Er war öffentlich beschuldigt worden, mit Saint-Germains in Verbindung zu stehen, und obwohl König, Lords und Gemeine ihn für unschuldig erklärt hatten, sagte ihn doch sein Gewissen, daß er schuldig sei. Die Lobsprüche, die er nicht verdient zu haben sich bewußt war, klangen ihm wie Vorwürfe. Er erlangte seinen verlornen Seelenfrieden nie wieder. Er trat aus dem Amte; aber eine quälende Erinnerung begleitete ihn in die Zurückgezogenheit. Er verließ England; aber eine quälende Erinnerung begleitete ihn über die Alpen und Apenninen. An einem denkwürdigen, für sein Vaterland folgenschweren Tage trat er jedoch nach einer Reihe unthätiger und ruhmloser Tage noch einmal als der Shrewsbury von 1688 hervor. Es giebt kaum etwas Schwermüthigeres in der Geschichte als dieser späte und vereinzelte Lichtstrahl, der das Ende eines Lebens beleuchtet, das so glänzend begonnen und das frühzeitig hoffnungslos getrübt und verdüstert worden war.

Die Verurtheilungsbill angenommen.

An dem Tage, an welchem die Lords die Verurtheilungsbill annahmen, vertagten sie sich für die Dauer der Weihnachtsfeiertage. Das Schicksal Fenwick’s blieb daher über vierzehn Tage ungewiß. Während dieser Zeit wurden Fluchtpläne entworfen, und man hielt es für nöthig, Newgate mit einer starken Militärwache zu umgeben. [84] Einige Jakobiten kannten Wilhelm so wenig, daß sie anonyme Briefe an ihn schrieben, worin sie ihm mit Erschießen oder Erstechen drohten, wenn er dem Gefangenen ein Haar zu krümmen wagte. [85] Am Morgen des 11. Januars genehmigte er die Bill. Zu gleicher Zeit genehmigte er auch eine Bill, welche die Regierung ermächtigte, Bernardi und einige andere Verschwörer ein Jahr lang in Haft zu halten. Am Abend dieses Tages bildete ein höchst trauriges Ereigniß in London das Stadtgespräch. Die Gräfin von Aylesbury hatte mit ängstlicher Spannung die Untersuchung gegen Sir John verfolgt. Ihr Gemahl war eben so tief wie Sir John in hochverrätherische Pläne verwickelt gewesen, war, wie Sir John, in Haft, und hatte, wie Sir John, Theil an Goodman’s Flucht genommen. Mit Schrecken hatte sie erfahren, daß es ein Mittel gab, um ein Verbrechen, das außer dem Bereiche des or [XXII.53] dentlichen Rechtsweges lag, zu bestrafen. Ihre Angst hatte mit jedem Stadium der Verurtheilungsbill zugenommen. An dem Tage, an welchem die königliche Genehmigung ertheilt werden sollte, wurde ihre Aufregung so groß, daß ihre Constitution sie nicht mehr zu ertragen vermochte. Als sie den Donner der Kanonen vernahm, welche verkündeten, daß der König sich nach Westminster begab, fiel sie in Ohnmacht und starb nach wenigen Stunden. [86]

Versuche, Fenwick zu retten.

Selbst nachdem die Bill zum Gesetz erhoben war, wurden noch immer energische Anstrengungen zur Rettung Fenwick’s gemacht. Seine Gattin fiel Wilhelm zu Füßen und überreichte ihm ein Gnadengesuch. Er nahm das Gesuch an und sagte sehr freundlich, es solle erwogen werden, die Sache aber sei von öffentlicher Wichtigkeit und er müsse daher erst mit seinen Ministern zu Rathe gehen, bevor er sich entscheiden könne. [87] Sie wendete sich nun an die Lords und sagte ihnen, daß ihr Gatte seine Verurtheilung nicht erwartet habe, daß er nicht Zeit gehabt, sich auf den Tod vorzubereiten, daß er während seiner langen Haft noch keinen Geistlichen bei sich gesehen habe. Sie ließen sich leicht bewegen, um eine Woche Aufschub für ihn nachzusuchen. Die Frist wurde bewilligt, aber achtundvierzig Stunden vor Ablauf derselben überreichte Lady Mary den Lords eine zweite Petition, worin sie sie bat, sich beim Könige dahin zu verwenden, daß die Strafe ihres Gatten in Verbannung verwandelt werden möchte. Das Haus war überrascht von dem Ansinnen und ein Antrag auf Vertagung der Sache wurde mit Mühe mit zwei Stimmen durchgebracht. [88] Am folgenden Tage, dem letzten, den Fenwick noch zu leben haben sollte, wurde eine ähnliche Petition den Gemeinen überreicht. Aber die Whighäupter waren auf ihrer Hut; das Haus war gefüllt, und ein Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung wurde mit hundertzweiundfunfzig gegen hundertsieben Stimmen angenommen. [89] Eigentlich konnte auch keiner der beiden Zweige der Legislatur, ohne sich selbst zu verurtheilen, Wilhelm ersuchen, Fenwick’s Leben zu schonen. Geschworne, die in Ausübung einer schmerzlichen Pflicht einen Angeklagten für schuldig erklärt haben, können ihn ohne die mindeste Inconsequenz der Gnade der Krone empfehlen. Aber die Parlamentshäuser hätten die Verurtheilungsbill nicht annehmen dürfen, wenn sie nicht überzeugt waren, nicht nur daß Sir John ein Hochverräther war, sondern auch daß er nicht ohne ernstliche Gefahr für den Staat am Leben gelassen werden konnte. Er konnte nicht zu gleicher Zeit ein geeigneter Gegenstand für eine solche Bill und ein geeigneter Gegenstand für die königliche Gnade sein.

Fenwick’s Hinrichtung.

Am 28. Januar fand die Hinrichtung statt. Aus Artigkeit gegen die vornehmen Familien, mit denen Fenwick verwandt war, wurde Befehl gegeben, daß das Ceremoniell in jeder Hinsicht das Nämliche sein sollte, wie bei der Hinrichtung eines Peers des [XXII.54] Reichs. Ein schwarz behangenes Schaffot war auf Towerhill errichtet, und der Gefangene wurde von Newgate in der Equipage seines Vetters, des Earls von Carlisle, die von einer Abtheilung Leibgarden umgeben war, auf den Richtplatz gebracht. Obgleich der Tag kalt und stürmisch war, hatte sich doch eine ungeheure Zuschauermenge eingefunden; aber es fand keine Störung statt, und nichts verrieth, daß das Volk mit dem Verbrecher sympathisirt hätte. Er benahm sich mit einer Standhaftigkeit, die man nicht von ihm erwartet hatte. Festen Schrittes bestieg er das Schaffot, verbeugte sich artig vor den darauf versammelten Personen, sprach aber mit Niemandem als mit White, dem abgesetzten Bischofe von Peterborough. White betete ungefähr eine halbe Stunde mit ihm. In dem Gebete wurde der König dem göttlichen Schutze empfohlen, aber kein Name genannt, der hätte Anstoß geben können. Fenwick übergab hierauf den Sheriffs ein versiegeltes Papier, nahm Abschied von dem Bischofe, kniete nieder, legte den Kopf auf den Block und rief aus: „Herr Jesus, empfange meine Seele.” Ein einziger Schlag trennte sein Haupt vom Rumpfe. Seine irdischen Reste wurden in einen prachtvollen Sarg gelegt und noch in derselben Nacht bei Fackelschein unter den Steinplatten der Martinskirche beigesetzt. Seitdem hat in England Niemand wieder kraft einer Verurtheilungsacte die Todesstrafe erlitten. [90]

Bill zur Regulirung der Wahlen.

Inzwischen war eine wichtige Frage, über welche die öffentliche Stimmung sehr aufgeregt war, discutirt worden. Sobald das Parlament zusammengetreten war, wurde eine Bill zur Regulirung der Wahlen, die sich im Wesentlichen wenig von der Bill unterschied, der der König in der vorhergehenden Session seine Genehmigung versagt hatte, im Hause der Gemeinen eingebracht, von den Landgentlemen freudig willkommen geheißen und rasch durch alle Stadien gebracht. Bei der Berichterstattung wurde beantragt, daß fünftausend Pfund persönliches Vermögen eine genügende Qualification für den Vertreter einer Stadt oder eines Burgfleckens sein sollten. Doch dieses Amendement wurde verworfen. Bei der dritten Lesung wurde ein Zusatz beigefügt, der einem Kaufmanne, welcher fünftausend Pfund besaß, gestattete, seinen Wohnplatz zu vertreten; aber es war zugleich bestimmt, daß Niemand als Kaufmann betrachtet werden sollte, weil er Actien der Bank oder der Ostindischen Compagnie besaß. Der Kampf war heiß. Cowper zeichnete sich unter den Gegnern der Bill aus. Seine sarkastischen Bemerkungen über die jagenden Bauern, welche die ganze Gesetzgebung in ihren Händen behalten wollten, veranlaßte einige heftige bäuerische Gegenhiebe. Ein schlichter Squire, sagte man ihm, könne dem Lande voraussichtlich eben so gute Dienste leisten, als der zungenfertigste Jurist, der für eine Guinee bereit sei zu beweisen, daß schwarz weiß aussehe. Bei der Abstimmung über die Frage, ob die Bill angenommen werden solle, betrug die Zahl der Jas zweihundert, die der Neins hundertsechzig. [91]

Die Lords waren zwölf Monate früher einer ähnlichen Bill bereitwillig beigetreten; seitdem aber hatten sie sich die Sache noch einmal überlegt und waren andren Sinnes geworden. Wenn ein Gesetz, das von [XXII.55] jedem Mitgliede des Hauses der Gemeinen den Besitz eines Vermögens in Landgrundstücken von einigen hundert Pfund Rentenwerth verlangte, streng hätte durchgeführt werden können, so würde ein solches Gesetz allerdings den Landgentlemen von mäßigem Grundbesitz sehr vortheilhaft, den Großen des Reichs aber keineswegs vortheilhaft gewesen sein. Der Besitzer eines kleinen Gutes würde als Candidat für die Stadt, in deren Nachbarschaft seine Familie seit Jahrhunderten wohnte, aufgetreten sein, ohne die mindeste Besorgniß, daß sich ihm ein Alderman von London entgegenstellen würde, den die Wähler vor dem Tage des Vorschlags nie gesehen hatten und dessen Hauptanspruch auf ihre Gunst in einer mit Banknoten gefüllten Brieftasche bestand. Ein reicher Cavalier aber, der ein Vermögen von zehn- bis zwanzigtausend Pfund jährlicher Einkünfte besaß und über zwei bis drei Burgflecken zu gebieten hatte, würde ferner nicht mehr im Stande gewesen sein, seinen jüngeren Sohn, seinen jüngeren Bruder oder seinen Geschäftsmann ins Parlament zu bringen oder sich den Hosenbandorden oder einen höheren Grad in der Pairie zu verdienen, indem er einem Lord des Schatzes oder einem Generalfiskal einen Sitz verschaffte. Bei dieser Gelegenheit fiel demnach das Interesse der Häupter der Aristokratie, eines Norfolk und Somerset, eines Newcastle und Bedford, eines Pembroke und Dorset, mit dem der reichen Kaufleute der City und der jugendlichen Aspiranten des Temple zusammen und war dem Interesse eines Squires von tausend bis zwölfhundert Pfund Einkünften direct entgegengesetzt. An dem zur zweiten Lesung festgesetzten Tage waren die Lords sehr zahlreich anwesend. Es wurden mehrere Petitionen von Wahlkörpern, denen es hart dünkte, daß der Ausübung des Wahlrechts eine neue Beschränkung auferlegt werden sollte, überreicht und vorgelesen. Nach einer mehrstündigen Debatte wurde die Bill mit zweiundsechzig gegen siebenunddreißig Stimmen verworfen. [92] Nur drei Tage später schlug eine von Groll erfüllte zahlreiche Partei unter den Gemeinen vor, die so eben von den Peers verworfene Bill einer Grundsteuerbill anzuhängen. Dieser Antrag würde wahrscheinlich durchgegangen sein, hätte nicht Foley die Obliegenheiten seiner Stellung ein wenig überschritten und unter dem Vorgeben, der Ordnung das Wort zu reden, bewiesen, daß ein derartiges Anhängen in der Geschichte unserer Parlamente ohne Beispiel sei. Als die Frage gestellt wurde, erhoben die Jas ein so lautes Geschrei, daß man glaubte, sie bildeten die Majorität; bei der Abstimmung aber ergab es sich, daß ihre Zahl nur hundertfünfunddreißig betrug, während sich die Neins auf hundertdreiundsechzig beliefen. [93]

Bill zur Regulirung der Presse.

Auch noch andere parlamentarische Verhandlungen dieser Session verdienen Erwähnung. Während die Gemeinen eifrig mit dem großen Werke der Wiederherstellung der Finanzen beschäftigt waren, ereignete sich ein Vorfall, der eine kurze Zeit der jungen Preßfreiheit verderblich zu werden drohte, der sich aber gerade als [XXII.56] das Mittel zur Befestigung derselben erwies. Eine von den vielen Zeitungen, welche seit dem Aufhören der Censur gegründet worden, war die Flying Post. Der Herausgeber, John Salisbury, war das Werkzeug einer Gesellschaft von Börsenspekulanten der City, in deren Interesse es zufällig lag, den Cours der Staatspapiere herunterzudrücken. Er veröffentlichte eines Tages einen unwahren und böswilligen Artikel, der offenbar den Zweck hatte, die Schatzkammerscheine zu verdächtigen. Von dem Credit der Schatzkammerscheine hing in diesem Augenblicke die politische Größe und die Handelsblüthe des Reichs ab. Das Haus der Gemeinen war empört, und der Sprecher erließ eine Vorladung an Salisbury. Es wurde ohne Abstimmung beschlossen, daß eine Bill eingebracht werden sollte, die das Veröffentlichen von Neuigkeiten ohne Censur verbot. Achtundvierzig Stunden darauf wurde die Bill schon überreicht und gelesen. Aber die Mitglieder hatten inzwischen Zeit gehabt, sich abzukühlen. Es gab fast Keinen unter ihnen, dessen Aufenthalt auf dem Lande im vergangenen Sommer durch die Londoner Journale nicht angenehmer gemacht worden wäre. So dürftig diese Journale auch Demjenigen erscheinen müssen, der jeden Morgen die Times auf seinem Frühstückstische findet, für die damalige Generation waren sie eine neue und reiche Quelle der Unterhaltung. Kein Gentleman von Devonshire oder Yorkshire, mochte er ein Whig oder ein Tory sein, konnte den Gedanken ertragen, wieder sieben Monate des Jahres hindurch in Bezug auf Alles was in der Welt vorging auf die Neuigkeitsbriefe beschränkt zu sein. Wäre die Bill angenommen worden, so hätten die Blätter, welche jetzt zweimal die Woche auf jedem Landsitze des Königreichs so ungeduldig erwartet wurden, nichts weiter enthalten, als was der Staatssekretär publik werden zu lassen für gut fand; sie wären factisch lauter London Gazettes gewesen, und der eifrigste Leser der London Gazette wäre über die wichtigsten Ereignisse seiner Zeit in Unkenntniß geblieben. Ein paar Stimmen erhoben sich jedoch auch zu Gunsten der Censur. „Diese Blätter,” sagten sie, „sind oft schädlichen Inhalts.” — „Warum werden sie dann nicht gerichtlich verfolgt?” war die Antwort. „Hat der Generalfiskal jemals gegen eines von ihnen eine Klage angestellt? Und ist es nicht absurd, von uns zu verlangen, daß wir ein neues Abhülfsmittel durch ein Gesetz schaffen sollen, während das Abhülfsmittel, welches das Landrecht darbietet, noch nie versucht worden ist?” Bei der Abstimmung über die Frage, ob die Bill zum zweiten Male gelesen werden sollte, beliefen sich die Jas auf nur sechzehn, die Neins auf zweihundert. [94]

Bill zur Abschaffung der Vorrechte von Whitefriars und dem Savoy.

Eine andre Bill, welche bessere Aufnahme fand, muß als ein Beispiel von dem langsamen aber stetigen Fortschreiten der Civilisation erwähnt werden. Die alten Gerechtsame, welche einige Bezirke [XXII.57] der Hauptstadt, unter denen Whitefriars der größte und schmachvollste war, genossen, hatten Mißbräuche hervorgerufen, die nicht länger geduldet werden konnten. Die Templeinsassen auf der einen Seite von Alsatia und die Bürger auf der andren hatten die Regierung und die Legislatur schon seit langer Zeit gedrängt, einen so empörenden Uebelstand zu beseitigen. Aber noch immer existirte dieses im Westen von der großen Schule der englischen Jurisprudenz, im Osten von dem großen Centralpunkte des englischen Handels begrenzte Labyrinth schmutziger und winkeliger Häuser, deren jedes vom Keller bis unter das Dach von dem Abschaume der Bevölkerung vollgepfropft war, dessen ganzes Leben einen beständigen Kampf mit der Gesellschaft bildete. Der beste Theil der Bewohner dieses Stadttheils bestand aus Schuldnern, welche die Bailiffs fürchteten. Die übrigen waren removirte Advokaten, Zeugen, welche Stroh in ihren Schuhen trugen, zum Zeichen für das Publikum, daß hier für eine halbe Krone ein falscher Eid zu bekommen sei, Gauner, Diebshehler, Geldbeschneider, Banknotenfälscher, aufgeputzte Frauenzimmer mit von Schminke und Branntwein gerötheten Wangen, die im Zorne häufigen Gebrauch von ihren Nägeln und Scheeren machten, deren Freundlichkeit aber noch weit gefährlicher war als ihr Zorn. Von diesem Auswurf der Menschheit wimmelten die engen Gassen des Sanctuariums. Das Klappern von Würfeln, der Ruf nach mehr Punsch und Wein und das Geräusch von Flüchen und Zotenliedern hörten die ganze Nacht nicht auf. Die Vorsteher des inneren Temple konnten den Scandal und Lärm nicht länger ertragen, und sie ließen den nach Whitefriars führenden Ausgang zumauern. Die Bewohner von Alsatia versammelten sich in großer Anzahl, griffen die Arbeiter an, tödteten einen von ihnen, rissen die Mauer ein, schlugen den Sheriff, der zur Herstellung der Ruhe herbeikam, zu Boden und nahmen ihm seine goldene Kette, die ohne Zweifel bald in den Schmelztiegel wanderte. Der Tumult wurde erst unterdrückt, als eine Compagnie der Fußgarden erschien. Dieser Frevel erregte allgemeinen Unwillen. Die City, empört über die dem Sheriff zugefügte Mißhandlung, rief laut nach Gerechtigkeit. Es war jedoch so schwierig, in den Höhlen von Whitefriars ein gerichtliches Verfahren einzuleiten, daß beinahe zwei Jahre vergingen, ehe ein einziger Unruhstifter verhaftet wurde. [95]

Das Savoy war ein andrer Platz der nämlichen Art, zwar kleiner und minder berüchtigt, aber von einer ebenso gesetzlosen Bevölkerung bewohnt. Ein unglücklicher Schneider, der sich dahin wagte, um eine Schuldforderung einzutreiben, wurde von dem ganzen Pöbelhaufen der Gauner, Betrüger und Buhldirnen angefallen. Er erbot sich, seinem Schuldner die ganze Forderung zu erlassen und das Gesindel zu tractiren; aber umsonst. Er hatte sich einen Eingriff in ihre Gerechtsame erlaubt, und dies war ein unverzeihliches Verbrechen. Er wurde zu Boden geschlagen, ausgezogen, getheert und befiedert. Dann band man ihm einen Strick um den Leib und schleifte ihn unter dem Geschrei: „Ein Bailiff! ein Bailiff!” nackend durch die Straßen. Schließlich mußte er niederknien und seine Eltern verfluchen. Nachdem er diese Ceremonie verrichtet hatte, erlaubte man ihm — und die Erlaubniß wurde von vielen Bewohnern des Savoy getadelt, — ohne einen einzigen Lumpen auf dem Leibe nach Hause zu [XXII.58] hinken. [96] Der Sumpf von Allen, die Pässe der Grampians waren nicht unsicherer als dieser kleine Knäuel von Gassen, der von den Palästen des vornehmsten Adels eines blühenden und aufgeklärten Königreichs umgeben war.

Endlich im Jahre 1697 ging eine Bill zur Aufhebung der Privilegien dieser Stadtbezirke in beiden Häusern durch und erhielt die Genehmigung des Königs; die Bewohner von Alsatia und dem Savoy waren wüthend. Parlamentsmitglieder, die sich durch eifrige Unterstützung der Bill ausgezeichnet hatten, empfingen anonyme Zuschriften, worin ihnen mit Ermordung gedroht wurde; aber derartige Drohungen befestigten nur die allgemeine Ueberzeugung, daß es hohe Zeit sei, diese Banditennester zu zerstören. Es wurde eine Gnadenfrist von vierzehn Tagen bewilligt und bekannt gemacht, daß nach Ablauf dieser Frist das Gesindel, das ein Fluch für London gewesen war, unbarmherzig ans Tageslicht gezogen und verfolgt werden würde. Es fand eine tumultuarische Flucht nach Irland, nach Frankreich, nach den Colonien, nach Kellern und Mansarden in minder berüchtigten Stadtbezirken statt, und als an dem festgesetzten Tage die Beamten des Sheriffs die Grenze zu überschreiten wagten, fanden sie die Straßen, in denen wenige Wochen zuvor der Ruf: „Ein Verhaftsbefehl!” tausend wüthende Raufbolde und keifende Weiber hervorgelockt haben würde, eben so ruhig wie den Kreuzgang einer Kirche. [97]

Schluß der Session; Beförderungen und Ernennungen.

Am 16. April schloß der König die Session mit einer Rede, in der er den Häusern warmen und wohlverdienten Dank sagte für die Energie und Weisheit, welche die Nation aus commerciellen und finanziellen Verlegenheiten gerissen hatte, von denen unsre Geschichte kein zweites Beispiel aufzuweisen hat. Ehe er nach dem Continent abreiste, verlieh er einige neue Ehrenbezeigungen und traf einige neue ministerielle Arrangements. Jedes Mitglied der Whigjunta wurde durch einen Beweis der königlichen Gunst ausgezeichnet. Somers gab das Siegel ab, dessen Bewahrer er war; er erhielt es alsbald wieder und wurde gleichzeitig beauftragt, es einem Diplom beizufügen, das ihn zum Baron Somers von Evesham ernannte. [98] Russell wurde Earl von Oxford und Viscount Barfleur. Noch nie war ein Titel einem auf fremdem Gebiet liegenden Schlachtfelde entlehnt worden. Aber der damals aufgestellte Präcedenzfall hat wiederholte Nachahmung gefunden, und die Namen Saint-Vincent, Trafalgar, Camperdown und Douro werden jetzt von den Nachkommen großer Commandeurs geführt. Russell scheint seinen Earltitel nach der ihm eigenen Weise nicht nur ohne Dankbarkeit, sondern sogar murrend und als ob ihm ein großes Unrecht geschähe, angenommen zu haben. Was galt ihm eine Adelskrone? Er hatte ja kein Kind, das sie erben konnte. Die einzige Auszeichnung, die für ihn einen Werth gehabt haben würde, war der Hosenbandorden, und diesen hatte Portland erhalten. Solche Dinge, meinte er, seien natürlich nur für die Holländer, und es sei eine unerhörte Anmaßung von einem Engländer, hätte er auch einen Sieg erfochten, der den Staat [XXII.59] gerettet, zu erwarten, daß seine Ansprüche berücksichtigt werden könnten, bevor nicht alle Mynheers im Palaste versorgt seien. [99]

Wharton behielt seine Stelle als Haushofmeister des Königs und wurde außerdem mit dem einträglichen Amte des Oberrichters in Eyre, südlich vom Trent, bedacht, und sein Bruder Godwin Wharton wurde zum Lord der Admiralität ernannt. [100]

Obgleich Godolphin’s Rücktritt im October angenommen worden war, so wurde doch erst nach der Prorogation eine neue Schatzcommission ernannt. Ueber die Frage, wer erster Commissar werden sollte, ward lange und heftig debattirt. Denn Montague hatten seine Fehler viele Feinde gemacht, und seine Tugenden nicht minder. Starre Formalisten nannten ihn hohnlächelnd einen Schöngeist und Dichter, der allerdings einige Gewandtheit in der Debatte besitze, der aber schon viel höher erhoben worden sei, als seine Leistungen es verdienten und als sein Geist es vertrüge. Es würde thöricht sein, einem so jungen Laffen bloß deshalb, weil er fließend und elegant zu sprechen verstehe, in ein Amt einzusetzen, von dem das Wohl des Königreichs abhänge. Sir Stephan Fox qualificire sich von allen Lords des Schatzes sicherlich am Besten dazu, an der Spitze der Commission zu stehen. Er sei ein Mann in reiferen Jahren, ernst, erfahren, pünktlich und fleißig, und er habe nie in seinem Leben einen Vers gemacht. Der König schwankte ziemlich lange zwischen den beiden Candidaten; aber die Zeit gereichte Montague entschieden zum Vortheil, denn vom ersten bis zum letzten Tage der Session stieg sein Ruhm fortwährend. Die Stimme des Hauses der Gemeinen und der City bezeichnete ihn laut als den geeignetsten ersten Minister der Finanzen. Endlich trat Sir Stephan Fox, wenn auch nicht sehr bereitwillig, von der Concurrenz zurück. Er wünschte es jedoch in der London Gazette angezeigt, daß die Stelle des ersten Lords ihm angeboten, aber von ihm abgelehnt worden war. Eine solche Anzeige wäre eine Beleidigung für Montague gewesen, und Montague, von Glück und Ruhm aufgebläht, war nicht in der Stimmung, sich Beleidigungen gefallen zu lassen. Der Streit wurde beigelegt. Montague ward erster Lord des Schatzes und den erledigten Sitz im Staatsrathe erhielt Sir Thomas Littleton, einer der tüchtigsten und consequentesten Whigs im Hause der Gemeinen. Aus Rücksicht für Fox wurden diese Ernennungen jedoch nicht in der Gazette angezeigt. [101]

Dorset legte seine Stelle als Oberkammerherr nieder, doch nicht mit Unmuth, und zog sich, mit königlichen Gunstbezeigungen beladen, ins Privatleben zurück. Sein Nachfolger war Sunderland, der auch, nicht ohne viel Murren von verschiedenen Seiten, zu einem der Lords Justices ernannt wurde. [102] Von den Tories wurde Sunderland gründlich verab [XXII.60] scheut. Einige von den Whighäuptern hatten seinem einschmeichelnden Wesen nicht widerstehen können, und andre waren dankbar für die Dienste, die er unlängst der Partei geleistet. Doch die Führer vermochten nicht ihre Anhänger zurückzuhalten. Verständige Männer, die der bürgerlichen Freiheit und der protestantischen Religion zugethan waren, die sich außer dem Bereiche von Sunderland’s unwiderstehlichem Zauber befanden und welche wußten, daß er in der Hohen Commission gesessen, bei der Indulgenzerklärung mitgewirkt, als Zeuge gegen die sieben Bischöfe aufgetreten war und die Hostie von einem papistischen Priester empfangen hatte, konnten ihn nicht ohne Unwillen und Beschämung mit dem Stabe in der Hand zur Seite des Thrones stehen sehen. Noch empörender war es, daß einem solchen Manne in Abwesenheit des Souverains die Administration der Regierung anvertraut werden sollte. Wilhelm begriff diese Gesinnungen nicht. Sunderland war ein talentvoller und brauchbarer Diener; er war zwar ohne Grundsätze, aber dies waren alle englischen Staatsmänner dieser Generation, welche unter der unseligen Tyrannei der Frommen die Tugend verachten gelernt hatten und während des wilden Jubels der Restauration in die schmachvollste Lasterhaftigkeit versunken waren. Er war ein ächtes Musterexemplar seiner Klasse, vielleicht ein wenig schlechter als Leeds oder Godolphin und ungefähr eben so schlecht als Russell oder Marlborough. Warum er aus der Heerde vertrieben werden sollte, konnte der König nicht begreifen.

Trotz der Unzufriedenheit, welche Sunderland’s Erhebung erweckt hatte, war England diesen Sommer vollkommen ruhig und in vortrefflicher Stimmung. Jedermann, die fanatischen Jakobiten allein ausgenommen, freute sich über das rasche Wiederaufleben des Handels und über die nahe Aussicht auf Frieden. Auch Irland und Schottland waren nicht minder ruhig.

Zustand Irland’s.

In Irland hatte sich, seitdem Sidney nicht mehr Lordlieutenant war, nichts ereignet, was umständlichere Erwähnung verdiente. Die Regierung hatte die Colonisten ungehindert über die eingeborne Bevölkerung dominiren lassen, und die Colonisten hatten sich dafür der Regierung durchaus unterwürfig bezeigt. Die Verhandlungen der in Dublin tagenden lokalen Legislatur waren in keiner Hinsicht wichtiger oder interessanter gewesen als die Verhandlungen der gesetzgebenden Versammlung von Barbados. Das nennenswertheste Ereigniß in der parlamentarischen Geschichte Irland’s zu jener Zeit war vielleicht ein Streit zwischen den beiden Häusern, welcher durch eine Collision zwischen dem Wagen des Sprechers und dem Wagen des Kanzlers entstanden war. Es gab zwar Parteispaltungen, aber sie entsprangen lediglich aus persönlichen Prätensionen und Animositäten. Die Namen Whig und Tory waren über den St. Georgskanal gebracht worden, hatten aber unterwegs ihre ganze Bedeutung verloren. Ein Mann, der in Dublin ein Tory genannt wurde, würde in Westminster für einen eben so entschiedenen Whig gegolten haben als Wharton. Die Hochkirchlichsten in Irland verabscheuten und fürchteten den Papismus so sehr, daß sie geneigt waren, jeden Protestanten als einen Bruder zu betrachten. Sie erinnerten sich der Tyrannei Jakob’s, der Beraubungen, der Verbrennungen, der Confiscationen, des Kupfergeldes und der Verurtheilungsacte mit bitterem Grolle, und verehrten Wilhelm als ihren Befreier und Erhalter. Ja selbst für das Gedächtniß Cromwell’s konnten sie nicht umhin eine gewisse Achtung zu hegen, denn [XXII.61] was er auch sonst gewesen sein mochte, er war immer der Vertheidiger und Rächer ihres Stammes gewesen. Die Parteispaltungen England’s hatten daher mit den Parteispaltungen Irland’s fast gar nichts gemein. In England gab es zwei Parteien von gleichem Stamme und Glauben, die mit einander kämpften; in Irland gab es zwei Kasten verschiedenen Stammes und Glaubens, von denen die eine die andre mit Füßen trat.

Zustand Schottland’s.

Auch Schottland war ruhig. Die Ernte des letzten Jahres war zwar knapp ausgefallen und es herrschte daher viel Noth. Aber der Muth der Nation wurde durch hochfliegende Hoffnungen aufrechterhalten, die in schmerzliche Enttäuschung ausgehen sollten. Ein schöner Traum von Wohlstand und Herrschaft erfüllte die Gemüther der Leute so vollständig, daß sie die gegenwärtige Noth kaum fühlten. Wie dieser Traum entstand und durch welches schreckliche Erwachen er zerstört wurde, soll nachher erzählt werden.

Eine Parlamentssession in Edinburg.

Im Herbste des Jahres 1696 traten die schottischen Stände in Edinburg zusammen. Die Sitzungen waren spärlich besucht, und die Session dauerte nur fünf Wochen. Es wurde eine Summe von wenig über hunderttausend Pfund bewilligt und zwei Acten zur Sicherung der Regierung angenommen. Die eine von diesen beiden Acten verlangte von allen öffentlichen Angestellten die Unterzeichnung einer Vereinsurkunde ähnlich der, welche im Süden der Insel so allgemein unterzeichnet worden war. Die andre Acte bestimmte, daß das schottische Parlament durch den Tod des Königs nicht aufgelöst werden sollte.

Acte zur Errichtung von Schulen.

Das bei weitem wichtigste Ereigniß dieser kurzen Session war jedoch die Annahme einer Acte zur Errichtung von Schulen. Durch dieses denkwürdige Gesetz wurde, nach schottischer Ausdrucksweise, bestimmt und verordnet ( statuted and ordained ), daß jede Gemeinde im Lande für ein geräumiges Schulhaus sorgen und einen Lehrer mit mäßigem Gehalte anstellen sollte. Die Folgen dieses Gesetzes konnten natürlich nicht sogleich empfunden werden. Aber noch ehe ein Menschenalter verstrichen war, begann es sich unverkennbar zu zeigen, daß das gemeine Volk Schottland’s in der Intelligenz dem gemeinen Volke jedes andren Landes in Europa überlegen war. In welches Land der Schotte auch auswandern, welchem Berufe er sich widmen mochte, in Amerika oder in Indien, im Handel oder im Kriege, überall erhob ihn der Vortheil seiner ersten Schulbildung über seine Concurrenten. Wenn er als Ausläufer in ein Waarengeschäft aufgenommen ward, wurde er bald der erste unter seinen Collegen. Trat er in die Armee ein, so wurde er bald Sergeant. Zu gleicher Zeit machte Schottland, trotz seines sterilen Bodens und seines rauhen Klima’s, im Landbau, im Fabrikwesen, im Handel, in der Literatur, in den Wissenschaften, kurz in Allem was die Civilisation ausmacht, so bedeutende Fortschritte, wie die alte Welt sie nie gesehen und wie sie selbst in der neuen Welt kaum übertroffen worden sind.

Diese wunderbare Veränderung ist, wenn nicht einzig und allein, doch hauptsächlich dem nationalen Unterrichtssystem zuzuschreiben. Den Männern aber, durch welche dieses System eingeführt wurde, ist die Nachwelt keinen Dank schuldig. Sie wußten nicht was sie thaten; sie waren die unbewußten Werkzeuge der Aufklärung des Geistes und der Humanisirung der Herzen von Millionen. Ihr eigner Geist aber war so beschränkt und [XXII.62] ihre Herzen so verhärtet wie die der Familiaren der Inquisition in Lissabon. In dem nämlichen Monate, in welchem die Acte zur Errichtung von Schulen mit dem Scepter berührt wurde, begannen die Häupter der Kirche und des Staats in Schottland mit Nachdruck zwei des zehnten Jahrhunderts würdige Verfolgungen, eine Verfolgung der Hexen und eine Verfolgung der Ungläubigen. Eine Anzahl unglücklicher Weiber, deren einziges Verbrechen darin bestand, daß sie alt und arm waren, wurden des Verkehrs mit dem Teufel angeklagt. Der Geheime Rath schämte sich nicht, ein Decret zur Prozessirung von zweiundzwanzig dieser unglücklichen Geschöpfe zu erlassen. [103] In den Läden der Edinburger Buchhändler wurde strenge Nachsuchung nach ketzerischen Schriften gehalten. Gottlose Bücher, zu denen die Weisen des Presbyteriums Thomas Burnet’s Sacred Theory of the Earth rechneten, wurden aufs Strengste verboten. [104] Aber die bloße Vernichtung von Papier und Schafleder genügte den Bigotten nicht. Ihr Haß verlangte Opfer, welche Gefühl hatten, und sie ruhten nicht eher als bis sie ein Verbrechen verübt, wie es seitdem nie wieder unsre Insel geschändet hat.

Der Prozeß Thomas Aikenhead’s.

Ein achtzehnjähriger Student, Namens Thomas Aikenhead, von großem Fleiß und tadelloser sittlicher Führung, war im Verlaufe seiner Studien auf einige von den gewöhnlichen Argumenten gegen die Bibel gestoßen. Er glaubte einen der übrigen Menschheit verborgenen Weisheitsschatz entdeckt zu haben und theilte seine Entdeckung mit dem eitlen Stolze, von dem lebhafte junge Leute selten frei sind, vier oder fünf seiner Stubengenossen mit. Dreiheit in der Einheit, sagte er, sei ein eben so großer Widerspruch wie die Quadratur des Zirkels. Esra sei der Verfasser des Pentateuchs. Die Apokalypse sei ein allegorisches Buch über den Stein der Weisen. Moses habe in Egypten Zauberei gelernt. Das Christenthum sei eine Täuschung, die nicht bis zum Jahre 1800 dauern würde. Wegen dieses albernen Geschwätzes, dessen er sich wahrscheinlich noch lange vor seinem fünfundzwanzigsten Jahre geschämt haben würde, wurde er von dem Lordadvokaten in Anklagestand versetzt. Der Lordadvokat war jener James Stewart, der so oft ein Whig und so oft ein Jakobit gewesen war, daß es schwer ist, seine Abfälle zu zählen. Er war jetzt zum dritten, wenn nicht zum vierten Male ein Whig. Nach dem schottischen Gesetz hätte Aikenhead allerdings mit Gefängniß bestraft werden können, bis er seine Irrthümer widerrufen und vor der Congregation seines Kirchspiels Abbitte gethan haben würde, und jeder Verständige und Humane würde dies als eine hinreichende Strafe für das Geschwätz eines vorlauten Knaben betrachtet haben. Stewart aber, der eben so grausam als schlecht war, verlangte Blut. Es gab unter den schottischen Gesetzen eines, das Schmähungen oder Verwünschungen des höchsten Wesens oder einer Person der Dreieinigkeit zu einem Kapitalverbrechen stempelte. Von dem, was Aikenhead gesagt hatte, konnte jedoch nichts in den Bereich dieses Gesetzes gebracht werden, ohne seinen Worten den gewaltsamsten Zwang anzuthun. Aber der Lordadvokat bot seine ganze Spitzfindigkeit auf. Der arme junge Mann hatte keinen Vertheidiger und [XXII.63] er war durchaus unfähig, sich selbst zu vertheidigen. Er wurde für schuldig befunden und dazu verurtheilt, gehängt und am Fuße des Galgens begraben zu werden. Umsonst widerrief er mit Thränen in den Augen seine Irrthümer und bat kläglich um Gnade. Einige von Denen, die ihn im Kerker besuchten, hielten seinen Widerruf für aufrichtig, und es ist auch keineswegs unwahrscheinlich, daß bei ihm wie bei vielen anderen vermeintlichen Philosophen, welche die Religion ihrer Kindheit völlig abgestreift zu haben wähnen, die nahe Aussicht auf den Tod eine totale Umwandlung in seinen Ansichten bewirkt hatte. Er reichte bei dem Geheimen Rathe das Bittgesuch ein, daß, wenn ihm das Leben nicht geschenkt werden könnte, man ihm wenigstens eine kurze Frist bewilligen möchte, damit er sich mit Gott, den er beleidigt habe, aussöhnen könne. Einige Staatsräthe waren für Gewährung dieser kleinen Nachsicht. Andere meinten, sie dürfe nur dann bewilligt werden, wenn die Edinburger Geistlichen sich verwendeten. Die beiden Parteien hielten einander die Wage und die Frage wurde durch die den Ausschlag gebende Stimme des Kanzlers gegen den Angeklagten entschieden. Der Kanzler war ein Mann, der im Laufe dieser Geschichte häufig, aber nie mit Ehren erwähnt worden ist. Es war jener Sir Patrick Hume, dessen streit- und parteisüchtiges Wesen der Unternehmung Argyle’s zum Verderben gereicht und der Regierung Wilhelm’s nicht wenig zu schaffen gemacht hatte. In dem Club, der dem Könige getrotzt und über das Parlament dominirt, hatte es keinen lärmenderen Republikaner gegeben. Aber ein Titel und ein Amt hatten eine merkwürdige Bekehrung herbeigeführt. Sir Patrick hieß jetzt Lord Polwarth, er hatte das große Siegel Schottland’s in Verwahrung, führte den Vorsitz im Geheimen Rathe, und so lag es in seiner Macht, die schlechteste That seines schlechten Lebens zu begehen.

Es blieb nun noch übrig zu sehen wie die Edinburger Geistlichkeit handeln würde. Man sollte es kaum für möglich halten, daß Geistliche gegen das Flehen eines reumüthigen Verbrechers, der nicht Begnadigung, sondern nur ein wenig Zeit verlangt, um ihre Belehrungen zu empfangen und den Himmel um die Gnade zu bitten, die ihm auf Erden nicht gewährt werden kann, taub bleiben konnten. Dennoch war es so. Die Geistlichen verlangten nicht nur seine Hinrichtung, sondern seine sofortige Hinrichtung, mochte es auch sein ewiger Tod sein. Selbst von den Kanzeln herab forderten sie seine Abschlachtung. Es ist wahrscheinlich, daß der eigentliche Grund, warum sie ihm eine Frist von einigen Tagen verweigerten, die Besorgniß war, daß die Umstände seines Prozesses nach Kensington berichtet und daß der König, der bei Ablegung des Krönungseides vom Throne herab erklärt hatte, kein Verfolger sein zu wollen, den bestimmten Befehl geben könnte, das Urtheil nicht zu vollstrecken. Aikenhead wurde zwischen Edinburg und Leith gehängt. Er zeigte aufrichtige Reue und erlitt den Tod mit der Bibel in der Hand. Die Bevölkerung von Edinburg wurde, obgleich durchaus nicht geneigt, sein Vergehen leicht zu nehmen, durch seine Jugend, seine Reue und die grausame Eile, mit der man ihn aus der Welt beförderte, zu Mitleid gerührt. Man schien zu befürchten, daß ein Versuch zu seiner gewaltsamen Befreiung gemacht werden möchte, denn ein starkes Corps Füseliere stand unter den Waffen, um die Civilgewalt zu unterstützen. Die Priester, welche die eigentlichen Mörder des jungen Mannes waren, umgaben den Galgen und beleidigten während seines letzten Todeskampfes den Himmel durch Gebete, welche [XXII.64] ärgere Blasphemien waren als Alles was der arme Mensch je gesagt hatte. Wodrow hat keine größere Abscheulichkeit von Dundee erzählt. [105]

Militärische Operationen in den Niederlanden.

Im Ganzen genommen waren die britischen Inseln seit zehn Jahren nie so frei von inneren Unruhen gewesen als in dem Augenblicke wo Wilhelm, Ende April 1697, nach dem Continent aufbrach. Der Krieg in den Niederlanden wurde ein wenig, aber auch nur ein wenig lebhafter betrieben als im vorhergehenden Jahre. Die französischen Generäle eröffneten den Feldzug mit der Einnahme der kleinen Stadt Aeth. Hierauf faßten sie eine bei Weitem wichtigere Eroberung ins Auge. Sie machten einen plötzlichen Angriff auf Brüssel, und ohne Wilhelm’s Umsicht würde ihr Vorhaben wahrscheinlich gelungen sein. Er campirte auf einer Stelle in unmittelbarer Nähe des Löwen von Waterloo, als er spät Abends die Nachricht erhielt, daß die Hauptstadt der Niederlande in Gefahr sei. Er setzte unverzüglich seine Truppen in Bewegung, marschirte die ganze Nacht und nachdem er die Ebene, welche hundertachtzehn Jahre später eine schreckliche Berühmtheit erlangen sollte, sowie die langen Defilés des Waldes von Soignies passirt hatte, erschien er am Morgen auf dem Punkte, von wo aus Brüssel zwei Jahre früher bombardirt worden war und aufs Neue bombardirt worden sein würde, wenn er nur drei Stunden später angekommen wäre. Hier umgab er sich mit Verschanzungen, welche der Feind nicht anzugreifen wagte. Dies war das wichtigste militärische Ereigniß, das während dieses Sommers in den Niederlanden stattfand. Man war in beiden Lagern nicht geneigt, am Vorabend eines allgemeinen Friedensschlusses viel aufs Spiel zu setzen.

Von Frankreich offerirte Friedensbedingungen.

Ludwig hatte zu Anfang des Frühjahrs zum ersten Male seit seiner langen Regierung aus freiem Antriebe seinen Feinden billige und ehrenvolle Bedingungen angeboten. Er hatte sich bereit erklärt, die Eroberungen, die er im Laufe des Kriegs gemacht, zurückzugeben, Lothringen seinem eigenen Herzoge abzutreten, Luxemburg an Spanien, Straßburg an das deutsche Reich zurückzugeben und die bestehende Regierung England’s anzuerkennen. [106] Wer sich der großen Leiden erinnerte, die sein wortbrüchiger und erbarmungsloser Ehrgeiz über Europa gebracht hatte, konnte mit gutem Grunde vermuthen, daß diese ungewohnte Mäßigung nicht Gefühlen der Gerechtigkeit oder Humanität zuzuschreiben sei. Aber was ihn auch bestimmt haben mochte, solche Bedingungen anzubieten, es war offenbar das Interesse und die Pflicht der Conföderation, sie anzunehmen. Denn man hatte in der That wenig Hoffnung ihm durch Krieg größere Zugeständnisse abzuzwingen, als die, welche er jetzt freiwillig als Friedenspreis anbot. Die sanguinischsten seiner Feinde konnten schwerlich eine lange Reihe so glücklicher Feldzüge wie der von 1695 erwarten. Und selbst in einer langen Reihe ebenso glücklicher Feldzüge wie der von 1695 würden die Verbündeten schwerlich im Stande gewesen sein, Alles das wiederzuerobern, was er jetzt zurückzugeben sich bereit erklärte. Wilhelm, der, wie gewöhnlich, eine klare und staatsmännische Ansicht von der ganzen Situation faßte, stimmte jetzt eben so entschieden für Friedensschluß, als er in früheren [XXII.65] Jahren für energische Fortsetzung des Kriegs gestimmt hatte, und er wurde durch die öffentliche Meinung England’s sowohl als Holland’s unterstützt. Leider aber begannen gerade in dem Augenblicke, wo die beiden Mächte, welche allein unter den Mitgliedern der Koalition in dem langen Kampfe treulich ihre Pflicht gethan hatten, anfingen sich in der nahen Aussicht auf Ruhe zu erfreuen, einige von den Regierungen, welche niemals ihre vollen Contingente gestellt hatten, welche nie zur rechten Zeit schlagfertig gewesen waren, und die zum Dank für empfangene Subsidien stets Entschuldigungen geschickt hatten, Schwierigkeiten zu erheben, welche die Drangsale Europa’s bis ins Unendliche zu verlängern drohten.

Verhalten Spanien’s.

Spanien hatte, wie Wilhelm in seinem Unmuth an Heinsius schrieb, für die gemeinsame Sache nichts beigetragen als Rodomontaden. Es hatte keine energische Anstrengung gemacht, auch nur sein eignes Gebiet gegen Einfälle zu vertheidigen. Ohne die englischen und holländischen Armeen würde es Flandern und Brabant verloren haben. Ohne die englischen und holländischen Flotten würde es Katalonien verloren haben. Das Mailändische hatte es nicht durch Waffengewalt, sondern dadurch gerettet, daß es trotz der Vorstellungen von Seiten der englischen und holländischen Regierungen einen schimpflichen Neutralitätsvertrag abschloß. Es besaß kein einziges Kriegsschiff das einen Windstoß hätte aushalten können. Es besaß kein einziges Regiment, das nicht schlecht bezahlt und schlecht disciplinirt, schlecht gekleidet und halb verhungert gewesen wäre. Dennoch hatte es in den letzten zwei Jahren sowohl Wilhelm als die Generalstaaten mit einer Impertinenz behandelt, welche bewies, daß es seine Stellung unter den Staaten gänzlich verkannte. Es wurde jetzt über die Maßen anspruchsvoll, verlangte von Ludwig Concessionen, die es nach dem Verlaufe des Kriegs nicht zu erwarten berechtigt war, und schien es hart zu finden, daß Verbündete, die es fortwährend unwürdig behandelte, keine Lust hatten, ihr Blut und Geld noch weitere acht Jahre für ein solches Land zu opfern.

Verhalten des Kaisers.

Das Verhalten Spaniens ist lediglich der Arroganz und Thorheit zuzuschreiben. Aber die Abgeneigtheit des Kaisers, selbst in die billigsten Friedensbedingungen zu willigen, war eine Wirkung selbstsüchtigen Ehrgeizes. Der katholische König war kinderlos und kränklich, sein Leben war keine drei Jahre mehr werth, und wenn er starb, so wurden seine Besitzungen der Zankapfel für eine Menge Prätendenten. Das Haus Oesterreich sowohl als das Haus Bourbon hatten Ansprüche auf diese große Erbschaft. Es lag offenbar im Interesse des Hauses Oesterreich, daß der bedeutungsvolle Tag, mochte er kommen wann er wollte, eine große europäische Coalition gegen das Haus Bourbon gerüstet fände. Der Zweck des Kaisers war daher, daß der Krieg so wie er bisher geführt worden, mit geringen Kosten für ihn selbst und mit großen Kosten für England und Holland fortgeführt werde, nicht bis billige Friedensbedingungen erlangt werden könnten, sondern einfach bis zum Tode des Königs von Spanien. „Die Minister des Kaisers,” schrieb Wilhelm an Heinsius, „sollten sich ihrer Handlungsweise schämen. Es ist unerträglich, daß eine Regierung, die alles Mögliche thut, um den Erfolg der Unterhandlungen zu hintertreiben, nichts zur gemeinsamen Vertheidigung beiträgt.” [107]

[XXII.66]

Es ist kein Wunder, daß unter solchen Umständen das Friedenswerk geringe Fortschritte machte. Das Völkerrecht hat, wie jedes andre Recht, seine Chikanen, seine Spitzfindigkeiten, seine technischen Formen, welche nur zu leicht dazu angewendet werden können, es unwirksam zu machen. Es wurde daher denjenigen streitenden Theilen, welche den Streit nicht bald beendigt zu sehen wünschten, nicht schwer, Verzögerungen herbeizuführen. Es wurde lange über den Ort disputirt, wo die Conferenzen gehalten werden sollten. Der Kaiser schlug Aachen vor. Die Franzosen machten Einwendungen und schlugen den Haag vor. Dagegen machte der Kaiser wieder Einwendungen. Endlich kam man dahin überein, daß die Gesandten der verbündeten Mächte im Haag und die französischen Bevollmächtigten fünf Meilen davon in Delft zusammenkommen sollten. [108] Nach Delft begaben sich demgemäß Harlay, ein Mann von ausgezeichnetem Geist und feiner Bildung, Crecy, ein schlauer, geduldiger und fleißiger Diplomat, und Cailleres, der, obgleich er in den Accreditiven als Dritter genannt war, über alle Punkte, welche voraussichtlich zu berathen waren, viel besser unterrichtet war als jeder seiner beiden Collegen. [109] Im Haag befanden sich der Earl von Pembroke, und Eduard, Viscount Villiers, welche England repräsentirten. Prior begleitete sie in der Eigenschaft eines Sekretärs. An der Spitze der kaiserlichen Gesandtschaft stand Graf Kaunitz, an der Spitze der spanischen Don Francisco Bernardo de Quiros; die Gesandten untergeordneten Ranges aufzuzählen würde ermüdend sein. [110]

Congreß von Ryswick.

Auf halbem Wege zwischen Delft und dem Haag liegt ein Dorf, Namens Ryswick, und in der Nähe desselben stand damals, in einem von geradlinigen Kanälen umgebenen, in regelmäßige Gehölze, Blumen- und Melonenbeete eingetheilten rechtwinkeligen Garten ein Landhaus der Prinzen von Oranien. Das Haus war wie geschaffen für eine Gesellschaft von Diplomaten, wie sie hier zusammenkommen sollte. Im Centrum befand sich ein von Honthorst gemalter Saal. Zur Rechten und Linken waren genau correspondirende Seitenflügel angebaut. Zu jedem der beiden Flügel führte eine besondere Brücke, ein besonderer Eingang und eine besondere Avenue. Der eine Flügel wurde den Verbündeten, der andre den Franzosen, der Saal im Centrum dem Vermittler angewiesen. [111] Einige Vorfragen der Etikette wurden nicht ohne Mühe erledigt, und endlich, am 9. Mai, näherten sich eine Menge sechsspänniger Equipagen, von Läufern, Bedienten und Pagen begleitet, von verschiedenen Seiten dem Schloß. Der schwedische Gesandte stieg am Haupteingange aus. Der Zug vom Haag kam durch die rechte Seitenallee an; der Zug von Delft durch die linke Seitenallee. Bei der ersten Zusammenkunft überreichten die Vertreter der kriegführenden Regierungen ihre Vollmachten dem Vermittler. Beim zweiten Zusammentreffen, [XXII.67] achtundvierzig Stunden später, vollzog der Vermittler die Ceremonie der Auswechslung dieser Vollmachten. Dann wurden mehrere Zusammenkünfte damit hingebracht, die Zahl der Wagen, Pferde, Lakaien und Pagen festzustellen, welche jeder Gesandte nach Ryswick mitzubringen berechtigt sein sollte, ob die Dienstleute Stöcke tragen sollten, ob sie Degen tragen sollten, ob sie Pistolen in den Halftern haben sollten, wer bei den Ausfahrten den Vorrang haben und wessen Equipage auf den Straßen ausweichen sollte. Es zeigte sich bald, daß der Vermittler nicht allein zwischen der Koalition und den Franzosen, sondern auch zwischen den verschiedenen Mitgliedern der Coalition zu vermitteln haben würde. Die kaiserlichen Gesandten beanspruchten das Recht, am Berathungstische obenan zu sitzen. Der spanische Gesandte wollte dieses Recht nicht anerkennen und versuchte sich zwischen zwei von jenen einzudrängen. Die kaiserlichen Gesandten wollten die Gesandten von Kurfürsten und Republiken nicht Excellenz tituliren. „Wenn ich nicht Excellenz genannt werde,” sagte der Minister des Kurfürsten von Brandenburg, „so wird mein Gebieter seine Truppen aus Ungarn zurückziehen.” Die kaiserlichen Gesandten verlangten ein Zimmer für sich im Gebäude und einen besonderen Platz im Hofe für ihre Equipagen. Alle anderen Gesandten der Conföderation erklärten dies für ein durchaus ungerechtfertigtes Verlangen, und eine ganze Sitzung wurde mit diesem kindischen Streite verschwendet. Man wird leicht glauben, daß Verbündete, die in ihrem Verkehr unter sich so kleinlich waren, aller Wahrscheinlichkeit nach in ihrem Verkehr mit dem Feinde nicht sehr gefällig sein würden. Die Hauptbeschäftigung Harlay’s und Kaunitz’ bestand darin, gegenseitig ihre Füße zu beobachten. Keiner von ihnen hielt es für verträglich mit dem Ansehen der Krone, der er diente, sich dem Andren mit rascheren Schritten zu nähern, als der Andre sich ihm näherte. Wenn daher der Eine bemerkte, daß er aus Versehen zu rasch gegangen war, kehrte er bis zur Thür zurück, und die steife Menuett begann von neuem. Die Gesandten Ludwig’s setzten einen Vertragsentwurf in ihrer Muttersprache auf. Die deutschen Staatsmänner protestirten gegen diese Neuerung, gegen diese Beleidigung der Würde des heiligen römischen Reichs, gegen diesen Eingriff in die Rechte unabhängiger Nationen und wollten nicht eher etwas von dem Entwurfe wissen, als bis er aus gutem Französisch in schlechtes Latein übersetzt war. Schon Mitte April wußte Jedermann im Haag, daß Karl XI., König von Schweden gestorben und daß sein Sohn ihm auf den Thron gefolgt war; aber es widerstritt der Etikette, daß irgend einer der versammelten Gesandten die Kenntniß dieses Ereignisses äußerte, bevor Lilienroth es förmlich annoncirt hatte; nicht minder widerstritt es der Etikette, daß Lilienroth diese Anzeige machte, bevor seine Equipagen und seine Dienerschaft in Trauer gehüllt waren, und es vergingen einige Wochen, bis seine Wagenbauer und Kleidermacher ihre Aufgabe vollendet hatten. Endlich, am 12. Juni, kam er in einem schwarz ausgeschlagenen und von Bedienten in schwarzer Livree begleiteten Wagen nach Ryswick und kündigte hier in vollem Congreß an, daß es Gott gefallen habe, den großmächtigsten König Karl XI. zu sich zu nehmen. Sämmtliche Gesandten bezeigten ihm hierauf ihre Theilnahme an der betrübenden und unerwarteten Nachricht und begaben sich dann nach Hause, um ihre Stickereien abzulegen und sich in Trauer zu kleiden. Unter solchen feierlichen Tändeleien verging eine Woche nach der andren, und es wurde kein reeller Fortschritt gemacht. Lilienroth hegte keineswegs [XXII.68] den Wunsch, die Sache zu beeilen. So lange der Congreß dauerte, nahm er eine hochangesehene Stellung ein. Er wäre gern beständig Vermittler geblieben, und er hätte aufgehört dies zu sein, wenn die Parteien zu seiner Rechten und Linken aufhörten, mit einander zu hadern. [112]

Im Juni begann die Hoffnung auf Frieden zu sinken. Man erinnerte sich, daß der vorige Krieg noch Jahre lang fortgedauert hatte, während ein Congreß in Nymwegen tagte. Die Vermittler hatten im Februar 1676 ihren Einzug in diese Stadt gehalten, und erst im Februar 1679 war der Vertrag unterzeichnet worden. Indessen waren die Unterhandlungen von Nymwegen nicht langsamer von Statten gegangen als die Unterhandlungen von Ryswick. Es war nur zu wahrscheinlich, daß noch das 18. Jahrhundert große Armeen einander am Rhein und der Maas gegenüberstehend, betriebsame Bevölkerungen durch Steuern zu Boden gedrückt, fruchtbare Provinzen verwüstet, die Schifffahrt auf dem Ocean durch Corsaren beunruhigt und die Bevollmächtigten Noten wechselnd, Protokolle aufnehmend und sich über den Platz, wo dieser Minister sitzen und über den Titel, der jenem Minister bewilligt werden sollte, streitend finden würde.

Wilhelm eröffnet eine bestimmte Unterhandlung.

Wilhelm hatte sich jedoch fest vorgenommen, dieser Komödie bald ein Ende zu machen. Er wollte entweder Frieden oder Krieg. Jedes von beiden war seiner Ansicht nach besser als dieser interimistische Zustand, der die Nachtheile beider in sich vereinigte. So lange die Unterhandlungen dauerten, konnten die Lasten, die sein Volk drückten, sich nicht vermindern, und doch konnte er von seinen Verbündeten kein energisches Handeln erwarten. Wenn Frankreich wirklich geneigt war, einen Tractat unter billigen Bedingungen zu schließen, so sollte dieser Tractat trotz der Bornirtheit des katholischen Königs und trotz der selbstsüchtigen Arglist des Kaisers zu Stande kommen. Meinte es Frankreich nicht aufrichtig, dann war es um so besser, je eher die Wahrheit bekannt wurde, je eher die in Ryswick spielende Posse aufhörte, je eher die Bevölkerungen England’s und Holland’s — denn von ihnen hing Alles ab — erfuhren, daß sie sich zu großen Anstrengungen und Opfern entschließen mußten.

Pembroke und Villiers konnten, obgleich ihnen jetzt ein diplomatischer Veteran, Sir Joseph Williamson, zur Seite stand, wenig oder nichts zur Beschleunigung der Congreßverhandlungen thun. Denn obwohl Frankreich versprochen hatte, den Prinzen von Oranien als König von Großbritannien und Irland anzuerkennen, sobald der Friede zu Stande käme, hatte es ihn doch noch immer nicht anerkannt. Seine Gesandten verkehrten daher nicht direct mit Harlay, Crecy und Cailleres. Wilhelm beschloß mit der Weisheit und Entschlossenheit eines ächten Staatsmannes durch einen der in den Niederlanden commandirenden französischen Marschälle mit Ludwig in Unterhandlung zu treten. Der Marschall Villeroy stand unter ihnen am höchsten im Range. Aber Villeroy war schwach, vorschnell, hochmüthig und empfindlich. Von einem solchen Unterhändler war weit eher zu erwarten, daß er die Dinge verwirren, als daß er sie zu einer gütlichen Ausgleichung bringen werde. Boufflers hingegen war [XXII.69] ein Mann von Einsicht und Mäßigung, und zum Glück hatte er während der wenigen Tage, die er nach dem Falle Namur’s in Huy zugebracht, unter der Obhut Portland’s gestanden, der ihn mit der größten Artigkeit und Freundlichkeit behandelt hatte. In Folge dessen hatte sich ein freundschaftliches Verhältniß zwischen dem Gefangenen und seinem Hüter gebildet. Beide waren tapfere Soldaten, ehrenhafte Cavaliere und treue Diener. Wilhelm glaubte daher mit Recht, daß sie viel eher zu einer Verständigung kommen würden als Harlay und Kaunitz selbst mit dem Beistande Lilienroth’s. Portland besaß in der That alle wesentlichen Eigenschaften eines vorzüglichen Diplomaten. In England war das Volk gegen ihn eingenommen, weil er ein Ausländer war; sein Earltitel, sein Hosenbandorden, seine einträglichen Stellen, sein rasch zunehmender Reichthum erweckten Neid; man verstand seinen Dialect nicht, seine Manieren waren nicht die der großen Herren, welche in Whitehall gebildet waren. Daher wurden seine Talente bei weitem nicht gebührend gewürdigt; man pflegte ihn einen Dummkopf zu nennen, der zu nichts tauge als zum Ueberbringen von Botschaften. Auf dem Continent aber, wo er ohne Uebelwollen beurtheilt wurde, machte er einen ganz andren Eindruck. Es ist ein bemerkenswerthes Factum, daß dieser Mann, der in den Gesellschaftszirkeln und Kaffeehäusern London’s ein plumper einfältiger Hogan Mogan [113] — dies war die gebräuchliche Redensart — genannt wurde, in Versailles für einen außerordentlich fein gebildeten Hofmann und einen höchst gewandten Unterhändler galt. [114] Seine empfehlendste Eigenschaft war jedoch seine unerschütterliche Rechtschaffenheit. Es war gewiß, daß die seiner Fürsorge anvertrauten Interessen ihm eben so theuer sein würden als sein Leben und daß jeder Bericht, den er seinem Gebieter abstattete, buchstäblich genau sein würde.

Zusammenkünfte Portland’s mit Boufflers.

Gegen Ende Juni ließ Portland Boufflers freundlich um eine halbstündige Unterredung bitten. Boufflers schickte sogleich einen Expressen an Ludwig und erhielt in der kürzesten Zeit, die ein Courier brauchte, um nach Versailles und wieder zurück zu eilen, Antwort. Ludwig befahl dem Marschall, Portland’s Wunsch zu erfüllen, so wenig als möglich zu sagen, und so viel als möglich zu erfahren. [115]

Am 28. Juni nach altem Style, fand in der Nähe von Hal, einer ungefähr zehn Meilen von Brüssel auf der Straße nach Mons liegenden [XXII.70] Stadt die erste Zusammenkunft statt. Nachdem die ersten Begrüßungen gewechselt waren, stiegen Boufflers und Portland ab, ihre Begleiter zogen sich zurück und die beiden Unterhändler blieben in einem Garten allein. Hier gingen sie zwei Stunden lang auf und ab und erledigten in dieser kurzen Zeit mehr als die Bevollmächtigten in Ryswick in eben so vielen Monaten zu erledigen vermochten. [116]

Bis dahin hatte die französische Regierung den zwar natürlichen, aber durchaus irrigen Verdacht gehegt, daß Wilhelm den Krieg in die Länge ziehen wolle, daß er sich nur deshalb dazu verstanden habe zu unterhandeln, weil er es nicht wagen dürfe, sich der öffentlichen Meinung England’s und Holland’s zu widersetzen, daß er aber das Scheitern der Unterhandlungen wünsche, und daß das eigensinnige Verhalten des Hauses Oesterreich und die Schwierigkeiten, die in Ryswick entstanden waren, hauptsächlich seinen Machinationen zuzuschreiben seien. Dieser Verdacht war jetzt beseitigt. Kalte und ernste, aber achtungsvolle Artigkeiten wurden zwischen den beiden großen Fürsten gewechselt, deren Feindschaft Europa seit einem Vierteljahrhundert in beständiger Aufregung erhielt. Die Unterhandlungen zwischen Boufflers und Portland schritten so rasch vorwärts als die Nothwendigkeit häufiger Referate nach Versailles es gestattete. Ihre fünf ersten Conferenzen wurden unter freiem Himmel gehalten; bei der sechsten aber zogen sie sich in ein kleines Haus zurück, in welches Portland Tische und Schreibmaterialien hatte bringen lassen, und hier wurde das Ergebniß ihrer Arbeiten zu Papier gebracht.

Die zu erledigenden Hauptpunkte waren vier an der Zahl. Wilhelm hatte zuerst zwei Zugeständnisse von Ludwig verlangt, und Ludwig hatte zwei Zugeständnisse von Wilhelm verlangt.

Wilhelm’s erste Forderung war, daß Frankreich sich verpflichten sollte, keinem Versuche, den Jakob oder seine Anhänger machen könnten, um die bestehende Ordnung der Dinge in England zu stören, direct oder indirect Beistand oder Vorschub zu leisten.

Wilhelm’s zweite Forderung war, daß Jakob nicht mehr gestattet sein sollte, an einem England so gefährlich nahen Orte wie Saint-Germains zu wohnen.

Auf die erste dieser Forderungen entgegnete Ludwig, daß er vollkommen bereit sei, sich auf das Feierlichste zu verpflichten, keinem Versuche zur Störung der bestehenden Ordnung der Dinge in England in irgend einer Weise Unterstützung oder Vorschub zu leisten, daß es aber mit seiner Ehre unverträglich sei, daß der Name seines Vetters und Gastes in dem Vertrage genannt werde.

Auf die zweite Forderung entgegnete Ludwig, daß er einem unglücklichen Könige, der in seinem Lande eine Zufluchtsstätte gesucht habe, seine Gastfreundschaft nicht versagen und daß er nicht einmal versprechen könne, den Wunsch zu äußern, Jakob möchte Saint-Germains verlassen. Aber Boufflers gab, als ob er seine eigne Idee ausspräche, obgleich er ohne Zweifel nichts sagte, was nicht mit den Wünschen seines Gebieters übereinstimmte, zu verstehen, daß die Sache sich wahrscheinlich arrangiren lassen werde, und nannte Avignon als einen Ort, wo die verbannte [XXII.71] Familie residiren könnte, ohne der englischen Regierung Grund zu Besorgnissen zu geben.

Ludwig verlangte dagegen seinerseits erstens, daß den Jakobiten eine allgemeine Amnestie gewährt werden, und zweitens, daß Marie von Modena ihr Leibgedinge von funfzigtausend Pfund jährlich erhalten sollte.

Die Bewilligung der ersten von diesen beiden Forderungen verweigerte Wilhelm entschieden. Er werde stets bereit sein, die Vergehen von Männern zu verzeihen, welche den Willen zeigten, in Zukunft ruhig unter seiner Regierung zu leben; allein er könne sich nicht dazu verstehen, die Ausübung seines Begnadigungsrechtes zum Gegenstande eines Uebereinkommens mit einer auswärtigen Macht zu machen. Das von Marien von Modena beanspruchte Jahrgeld werde er gern bezahlen, wenn er die Gewißheit habe, daß es nicht zu Machinationen gegen seinen Thron und seine Person, zur Unterhaltung eines neuen Etablissements an der Küste von Kent wie das Hunt’s oder zum Ankauf von Pferden und Waffen zu einem neuen Attentate wie das von Turnham Green verwendet werden würde. Boufflers habe von Avignon gesprochen. Wenn Jakob und seine Gemahlin dort ihren Aufenthalt nähmen, so sollten wegen des Jahrgeldes keine weiteren Schwierigkeiten gemacht werden.

Die Friedensbedingungen zwischen Frankreich und England werden festgesetzt.

Endlich waren alle streitigen Punkte geordnet. Nach langen Discussionen wurde ein Artikel aufgesetzt, in welchem Ludwig sein Ehrenwort gab, daß er keinen Versuch zum Umsturz oder zur Beunruhigung der bestehenden Regierung England’s irgendwie begünstigen werde. Dagegen versprach auch Wilhelm, kein Unternehmen gegen die Regierung Frankreich’s zu begünstigen. Dieses Versprechen hatte Ludwig nicht verlangt und er schien daher anfangs geneigt, es als eine Beleidigung zu betrachten. Sein Thron, sagte er, stehe vollkommen fest und Niemand bestreite sein Recht auf denselben. Es gebe in seinem Lande keine Eidverweigerer, keine Verschwörer, und er halte es für unvereinbar mit seiner Würde, einen Vertragspunkt zu genehmigen, in welchem zu liegen scheine, daß er Complots und Aufstände befürchte, wie sie eine aus einer Revolution hervorgegangene Dynastie naturgemäß fürchten müsse. Er gab jedoch in diesem Punkte nach, und man kam überein, daß die Verpflichtung streng gegenseitig sein sollte. Wilhelm verlangte nicht mehr, daß Jakob’s Name genannt werde und Ludwig verlangte nicht mehr, daß den Anhängern Jakob’s eine Amnestie bewilligt werde. Es wurde festgesetzt, daß in dem Vertrage weder über den Aufenthaltsort des verbannten Königs von England, noch über das Leibgedinge seiner Gemahlin etwas erwähnt werden sollte. Aber Wilhelm autorisirte seine Bevollmächtigten beim Congresse, zu erklären, das Marie von Modena das haben solle, worauf eine vorzunehmende Untersuchung ihren rechtmäßigen Anspruch darthun werde. Auf was sie rechtmäßigen Anspruch hatte, war eine Frage, deren Beantwortung ganz Westminsterhall in Verlegenheit gesetzt haben würde. Doch es war ausgemacht, daß sie ohne Sträuben so viel erhalten würde, als sie nur irgend verlangen konnte, sobald sie sich mit ihrem Gemahl in die Provence oder nach Italien zurückgezogen haben würde. [117]

[XXII.72] Schwierigkeiten, durch Spanien und den Kaiser veranlaßt.

Vor Ende Juli war Alles geordnet, soweit Frankreich und England betheiligt waren. Inzwischen erfuhren die in Ryswick versammelten Gesandten, daß Boufflers und Portland wiederholte Zusammenkünfte in Brabant gehalten und daß sie in höchst regelwidriger und un [XXII.73] passender Weise, ohne Beglaubigungsschreiben, ohne Vermittelung, ohne Noten, ohne Protokolle, ohne gegenseitig ihre Schritte zu zählen und ohne einander Excellenz zu nennen, mit einander unterhandelten. Sie waren so barbarisch unerfahren in den ersten Anfangsgründen der edlen Wissenschaft der Diplomatie, daß sie das Werk, der Christenheit den Frieden wiederzugeben, beinahe zu Stande gebracht hatten, während sie unter einigen Aepfelbäumen umhergingen. Die Engländer und Holländer zollten Wilhelm’s Klugheit und Entschiedenheit lauten Beifall. Er hatte den Knoten zerhauen, den der Congreß nur verwirrt und zusammengezogen hatte. Er hatte in einem Monate gethan, was die im Haag versammelten Formalisten und Pedanten nicht in zehn Jahren zu Stande gebracht haben würden. Auch die französischen Bevollmächtigten waren nicht unzufrieden. „Es ist interessant,” sagt Harlay, ein geistreicher und verständiger Mann, „daß, während die Gesandten sich bekriegen, die Generäle Frieden schließen.” [118]

Aber Spanien behielt die nämliche Miene arroganter Sorglosigkeit bei, und die Gesandten des Kaisers, welche offenbar vergaßen, daß ihr Gebieter wenige Monate früher, ohne Wilhelm zu fragen, einen Neutralitätsvertrag für Italien abgeschlossen hatte, schienen es höchst auffallend zu finden, daß Wilhelm sich erdreistete zu unterhandeln, ohne ihren Gebieter zu fragen. Es zeigte sich mit jedem Tage deutlicher, daß der Wiener Hof es darauf anfing, den Krieg in die Länge zu ziehen. Am 10. Juli proponirten die französischen Gesandten nochmals billige und ehrenvolle Friedensbedingungen, setzten aber hinzu, daß wenn diese Bedingungen bis zum 21. August nicht angenommen wären, der Allerchristlichste König sich nicht an sein Anerbieten gebunden erachten würde. [119] Wilhelm ermahnte umsonst seine Verbündeten vernünftig zu sein. Alle Argumente prallten an dem unsinnigen Stolze der einen Linie des Hauses Oesterreich, und an der selbstsüchtigen Politik der andren ab. Der 21. August kam und verging, und der Tractat war nicht unterzeichnet; es stand Frankreich somit frei, seine Forderungen zu steigern, und es that dies. Denn gerade um diese Zeit traf die Nachricht von zwei harten Schlägen ein, welche Spanien betroffen hatten, der eine in der alten, der andre in der neuen Welt. Ein französisches Armeecorps unter Vendome’s Befehlen hatte Barcelona genommen. Ein französisches Geschwader war heimlich aus Brest ausgelaufen, hatte die verbündeten Flotten umgangen, war über das Atlantische Meer gefahren, hatte Carthagena geplündert und war mit Schätzen beladen nach Frankreich zurückgekehrt. [120] Die spanische Regierung sprang mit einem Male von übermüthiger Apathie zu niedriger Angst über und war bereit jede Bedingung anzunehmen, die der Sieger vorschreiben würde. Die französischen Bevollmächtigten kündigten dem Congresse an, daß ihr Gebieter entschlossen sei, Straßburg zu behalten, und daß, wenn die von ihm angebotenen Bedingungen in so modificirter Gestalt bis zum 10. September nicht angenommen wären, er sich [XXII.74] für berechtigt halten würde, auf weiteren Modificationen zu bestehen. Noch nie war Wilhelm’s Geduld auf eine härtere Probe gestellt worden. Er wurde sowohl durch den Starrsinn seiner Verbündeten, wie durch die gebieterische Sprache des Feindes gereizt. Nicht ohne schweren Kampf und heftige Seelenqual entschloß er sich, in das zu willigen, was Frankreich jetzt vorschlug. Aber er fühlte, daß es ganz unmöglich sein würde, selbst wenn es wünschenswerth gewesen wäre, das Haus der Gemeinen und die Generalstaaten zu bewegen, den Krieg zu dem Zwecke fortzusetzen, um Frankreich eine einzelne Festung zu entreißen, eine Festung, an deren Schicksal weder England noch Holland ein unmittelbares Interesse hatten, eine Festung, die dem Reiche nur durch die unverständige Hartnäckigkeit des kaiserlichen Hofes verloren gegangen war. Er beschloß, die modificirten Bedingungen anzunehmen und ließ seinen Gesandten in Ryswick die Weisung zukommen, daß sie an dem festgesetzten Tage unterzeichnen sollten. Die Gesandten Spanien’s und Holland’s erhielten ähnliche Instructionen. Es unterlag keinem Zweifel, daß auch der Kaiser trotz seines Murrens und Protestirens dem Beispiele seiner Bundesgenossen bald folgen würde. Um ihm Zeit zur Ueberlegung zu lassen wurde festgesetzt, daß er in den Tractat aufgenommen werden solle, wenn er seinen Beitritt bis zum 1. November anzeigte.

Versuche Jakob’s, einen allgemeinen Friedensschluß zu verhindern.

Inzwischen erregte Jakob durch seine Klagen und Drohungen die Heiterkeit und das Mitleid von ganz Europa. Er hatte vergebens sein Recht geltend gemacht, als der alleinige wirkliche König von England einen Gesandten zu dem Congresse zu schicken. [121] Er hatte umsonst an sämmtliche römisch-katholische Fürsten der Conföderation eine Denkschrift gerichtet, in der er sie beschwor, sich mit Frankreich zu einem Kreuzzuge gegen England zu verbinden, um ihn wieder in sein Erbe einzusetzen und die gottlose Rechtsbill zu annulliren, welche Mitglieder der wahren Kirche vom Throne ausschloß. [122] Als er sah, daß diese Aufforderung unbeachtet blieb, erließ er einen feierlichen Protest gegen die Gültigkeit jedes Vertrags, an welchem die bestehende englische Regierung sich betheiligen würde. Er erklärte alle Verpflichtungen, die sein Königreich seit der Revolution eingegangen war, für null und nichtig und kündigte an, daß, wenn er wieder zur Gewalt gelangen sollte, er sich an keine dieser Verpflichtungen gebunden erachten würde. Er gab zu, daß er durch die Nichtachtung dieser Verpflichtungen große Calamitäten sowohl über seine eigenen Lande als über die ganze Christenheit bringen könne; aber er erklärte, daß er sich wegen dieser Calamitäten weder vor Gott noch vor den Menschen für verantwortlich halten werde. Es scheint fast unglaublich, daß selbst ein Stuart, ja der schlimmste und beschränkteste aller Stuarts wähnen konnte, das es die erste Pflicht nicht nur seiner Unterthanen, sondern der ganzen Menschheit sei, seine Rechte zu vertheidigen; das Franzosen, Deutsche, Italiener und Spanier ein Verbrechen begingen, wenn sie nicht Jahr auf Jahr für ihn ihr Blut vergössen und ihr Geld opferten; daß die Interessen der sechzig Millionen Menschen, [XXII.75] für welche der Friede ein Segen gewesen wäre, im Vergleich mit den Interessen eines Einzelnen von gar keinem Gewicht seien. [123]

Der Tractat von Ryswick unterzeichnet.

Trotz aller seiner Proteste rückte der Tag des Friedensschlusses heran. Am 10. September versammelten sich die Gesandten Frankreich’s, England’s, Spanien’s und der Vereinigten Provinzen in Ryswick. Es waren drei Verträge zu unterzeichnen, und man stritt sich lange über die wichtige Frage, welcher zuerst unterzeichnet werden sollte. Es war ein Uhr Morgens, als man sich endlich dahin einigte, daß der Tractat zwischen Frankreich und den Generalstaaten den Vorzug haben sollte, und erst bei Tagesanbruch waren sämmtliche Instrumente vollzogen. Dann beglückwünschten die Bevollmächtigten einander unter vielen Verbeugungen, daß sie die Ehre gehabt hatten, zu einem so großen Werke etwas beizutragen. [124]

Eine Schaluppe erwartete Prior. Er eilte an Bord und nachdem er einen Aequinoctialsturm überstanden, landete er am dritten Tage an der Küste von Suffolk. [125]

Spannung in England.

Selten hatte in England eine größere Aufregung geherrscht als während des letzten Monats vor seiner Ankunft. Wenn der Westwind die holländischen Packetboote zurückhielt, stieg die Spannung des Volks aufs Höchste. Jeden Morgen standen Hunderttausende mit der Hoffnung auf zu hören, daß der Tractat unterzeichnet sei, und jede Post, welche ankam, ohne die gute Nachricht mitzubringen, verursachte bittere Enttäuschung. Die Mißvergnügten versicherten sogar laut, daß der Friede gar nicht zu Stande kommen und die Unterhandlungen noch in dieser späten Stunde abgebrochen werden würden. Einer von ihnen hatte Jemanden gesprochen, der eben von Saint-Germains angekommen war; ein Andrer hatte ein eigenhändiges Schreiben Ihrer Majestät gelesen, und Alle waren überzeugt, daß Ludwig den Usurpator niemals anerkennen werde. Viele von Denen, welche diese Sprache führten, waren so verblendet, daß sie auf die Richtigkeit ihrer Meinung hohe Wetten machten. Als die Nachricht von dem Falle Barcelona’s eintraf, waren alle hochverrätherischen Tavernen mit eidverweigernden Priestern angefüllt, welche lachten, laut sprachen und einander die Hände schüttelten. [126]

Ankunft der Friedensnachricht in England.

Endlich, am Nachmittag des 13. Septembers, erhielten einige Spekulanten in der City auf Privatwegen die gewisse Nachricht, daß der Tractat am Morgen des 11. vor Tagesanbruch unterzeichnet worden sei. Sie hielten die Sache geheim und beeilten sich, sie zu ihrem Vortheile zu benutzen; aber ihre eifrigen Bemühungen Bankactien zu kaufen, und die hohen Preise, die sie dafür boten, erweckten Verdacht, und man glaubte allgemein, daß am folgenden Tage etwas Wichtiges angezeigt werden würde. Am folgenden Tage erschien denn auch Prior mit dem Tractate vor den Lords Justices in Whitehall. Es wurde sogleich eine Fahne auf der Abtei, eine andre auf der Martinskirche ausgesteckt und die Kanonen des Towers verkün [XXII.76] deten die frohe Botschaft. Alle Kirchthürme und befestigten Schlösser von Greenwich bis Chelsea antworteten. Es war keiner von den Tagen, an welchen die Zeitungen gewöhnlich erschienen; aber zum ersten Male wurden Extrablätter mit großgedruckten Ueberschriften in den Straßen ausgerufen. Der Cours der Bankactien stieg rasch von 84 auf 97. In wenigen Stunden begannen sich auf einigen Plätzen Triumphbögen zu erheben, während auf anderen mächtige Freudenfeuer emporloderten. Der holländische Gesandte schrieb an die Generalstaaten, daß er versuchen werde, seine Freude durch ein der Republik, die er vertrete, würdiges Feuer an den Tag zu legen, und er hielt Wort, denn eine solche Flamme hatte London noch nie gesehen. Hundertvierzig Fässer Pech prasselten und leuchteten vor seinem Hause am St. James Square und bildeten ein Feuer, das Pall Mall und Piccadilly so hell machte wie am Tage. [127]

Schrecken der Jakobiten.

Der Schrecken unter den Jakobiten war groß. Einige von Denen, welche auf Ludwig’s Festigkeit hoch gewettet hatten, ergriffen die Flucht. Ein unglücklicher Zelot des göttlichen Rechts ertränkte sich. Doch bald faßte die Partei wieder Muth. Der Tractat war zwar unterzeichnet, aber ratificirt wurde er gewiß nie. In Kurzem kam die Ratification, der Friede wurde feierlich durch die Herolde proklamirt und auch die hartnäckigsten Eidverweigerer begannen zu verzweifeln. Einige Geistliche, welche Jakob acht Jahre lang treu geblieben waren, leisteten jetzt Wilhelm den Huldigungseid. Wahrscheinlich waren es Männer, welche, wie Sherlock, der Ansicht waren, daß eine feststehende, wenn auch in ihrem Ursprunge illegitime Regierung Anspruch auf den Gehorsam von Christen habe, die aber geglaubt hatten, daß die Regierung Wilhelm’s nicht wirklich feststehend genannt werden könne, so lange die größte europäische Macht sich nicht nur weigerte, sie anzuerkennen, sondern sogar ihren Rivalen kräftig unterstützte. [128] Die heftigeren und entschlosseneren Anhänger des verbannten Königshauses waren wüthend auf Ludwig. Er habe Die, welche ihn um Hülfe angefleht, hintergangen und verrathen. Man solle nicht von dem Elende seines Volks sprechen. Man solle nicht sagen, daß er jede Einnahmequelle erschöpft habe und daß in allen Provinzen seines Reichs das Landvolk in Lumpen gehüllt einhergehe und sich nicht einmal mehr mit dem gröbsten und schwärzesten Brode sättigen könne. Seine erste Pflicht sei die, welche er gegen die königliche Familie von England habe. Die Jakobiten sprachen und schrieben gegen ihn eben so absurd und fast eben so gemein, als sie lange gegen Wilhelm gesprochen und geschrieben hatten. Eines ihrer Libelle war so unanständig, daß die Lords Justices die Verhaftung des Verfassers anordneten. [129]

Allgemeine Freude.

Aber die Wuth und der Aerger beschränkten [XXII.77] sich auf eine sehr kleine Anzahl. Seit dem Restaurationsjahre hatte man nie ähnliche Kundgebungen der allgemeinen Freude gesehen. In allen Gegenden des Reichs, wo der Friede proklamirt wurde, äußerte sich die Volksstimmung durch Bankets, feierliche Aufzüge, loyale Toaste, Salven, Trommelwirbel, Trompetenschall und Aufschlagen von Biertonnen. An einigen Orten begab sich die ganze Bevölkerung unaufgefordert in die Kirchen, um dem Himmel zu danken. An anderen fanden Aufzüge von weißgekleideten und mit Lorbeer bekränzten Mädchen statt, welche Fahnen mit der Inschrift: God bless King William trugen. In jeder Grafschaftshauptstadt begleitete eine lange Cavalcade der angesehensten Gentlemen aus einem Umkreise von vielen Meilen den Mayor zum Marktkreuze. Ein Festtag genügte noch nicht zur Aeußerung so vieler Freude. Am 4. November, dem Geburtstage des Königs, und am 5., dem Jahrestage seiner Landung in Torbay, erneuerten sich das Glockengeläute, der Jubel und die Illuminationen in London wie im ganzen Lande. [130] An dem Tage, an welchem er in seine Hauptstadt zurückkehrte, wurde in den zweitausend Straßen dieses ungeheuren Marktes keine Arbeit gethan und kein Laden geöffnet. Die Hauptstraßen waren für diesen Tag mit Sand bestreut worden; alle Innungen hatten sich neue Fahnen, alle Magistratspersonen neue Amtskleider angeschafft. Zwölftausend Pfund Sterling waren auf Veranstaltung von Feuerwerken verwendet worden. Große Massen Volks aus allen benachbarten Grafschaften waren herbeigeströmt, um das Schauspiel mit anzusehen. Die City war nie in einer loyaleren oder heiterern Stimmung gewesen. Die schlimmen Tage waren vorüber. Die Guinee war auf einundzwanzig Schilling sechs Pence gefallen, die Banknote war auf Pari gestiegen. Die großen, schweren und scharf geprägten neuen Kronen und halben Kronen klangen auf allen Ladentischen.

Einzug des Königs in London.

Nach einigen Tagen ungeduldiger Erwartung erfuhr man am 14. Nov., daß Se. Majestät in Margate gelandet sei. Am 15. spät Abends erreichte er Greenwich und stieg in dem prächtigen Gebäude ab, das unter seinen Auspicien aus einem Palast in ein Hospital verwandelt wurde. Am nächsten Morgen, einem heiteren und warmen Morgen, schlossen sich achtzig sechsspännige Equipagen mit Edelleuten, Prälaten, Geheimräthen und Richtern seinem Zuge an. In Southwark wurde er von dem Lordmayor und den Aldermen mit allem Pomp empfangen. Der Weg durch diesen Stadttheil bis zur Brücke war von der Surreymiliz, der Weg von der Brücke bis Walbrook von drei Regimentern der Citymiliz besetzt. Durch ganz Cheapside hatten sich die Wahlbürger zu beiden Seiten mit ihren Innungsfahnen aufgestellt. Am östlichen Ende des St. Pauls-Kirchhofes standen die Knaben der Schule Eduard’s VI. in der Tracht des 16. Jahrhunderts, die sie noch jetzt tragen. Um die Kathedrale herum, Ludgate Hill und Fleet Street entlang waren drei weitere Regimenter Londoner aufgestellt. Von Temple Bar bis zum Eingangsthore von Whitehall standen die Milizen von Middlesex und die Fußgarden unter Waffen. Auf der ganzen Strecke waren alle Fenster mit Teppichen, Bändern und Fahnen geschmückt. Den schönsten Anblick aber gewährte die unzählige Masse der Zuschauer, alle in ihren Sonntagskleidern, und in solchen Kleidern, wie sie in anderen Ländern nur die [XXII.78] höheren Klassen tragen konnten. „Nie,” schrieb Wilhelm diesen Abend an Heinsius, „habe ich eine solche Menge wohlgekleideter Leute gesehen.” Nicht minder angenehm berührten den König die Aeußerungen von Freude und Zuneigung, mit denen er vom Anfang bis zum Ende seines Triumphzuges begrüßt wurde. Von dem Augenblicke an, wo er in Greenwich in seinen Wagen stieg, bis zu dem Augenblicke, wo er im Hofe von Whitehall wieder ausstieg, war er von endlosen Lebehochrufen begleitet. Kaum war er in seinem Palaste angekommen, so wurden ihm Beglückwünschungsadressen von allen großen Corporationen des Landes überreicht. Man bemerkte, daß unter diesen Corporationen die Universität Oxford die erste war. Die beredte Ansprache, in welcher diese gelehrte Körperschaft die Weisheit, den Muth und die Energie Sr. Majestät pries, wurde von den Eidverweigerern mit heftigem Verdrusse, von den Whigs mit Entzücken gelesen. [131]

Der Tag des Dankgottesdienstes.

Die Freudenbezeigungen waren noch nicht zu Ende. In einer Staatsrathssitzung, welche einige Stunden nach dem öffentlichen Einzuge des Königs gehalten wurde, ward der 2. December zur Abhaltung eines Dankgottesdienstes wegen des zu Stande gekommenen Friedensschlusses bestimmt. Das Kapitel von St. Paul beschloß, daß an diesem Tage seine stolze Kathedrale, die sich langsam auf den Trümmern einer Reihenfolge von heidnischen und christlichen Tempeln erhoben hatte, dem öffentlichen Gottesdienste übergeben werden sollte. Wilhelm that seine Absicht kund, an der Eröffnungsfeier theilzunehmen. Man stellte ihm jedoch vor, daß, wenn er in diesem Vorhaben beharrte, dreihunderttausend Menschen herbeiströmen würden, um ihn zu sehen, und daß dann alle Pfarrkirchen London’s leer bleiben würden. Er wohnte daher dem Gottesdienste in seiner Kapelle zu Whitehall bei und hörte Burnet eine Predigt halten, die für den Ort etwas zu lobhudelnd war. [132] In der St. Paulskirche erschien die Magistratur der City in all’ ihrem Pompe. Campton bestieg zum ersten Male einen mit Schnitzwerk von Gibbons reich verzierten Thron und sprach auf demselben zu der zahlreichen und glänzenden Versammlung. Seine Rede ist uns nicht erhalten worden, aber man kann den Inhalt derselben leicht errathen, denn er predigte über den herrlichen Psalm: „Ich freue mich deß, das mir geredet ist, daß wir werden ins Haus des Herrn gehen.” Er erinnerte ohne Zweifel seine Zuhörer, daß sie als Londoner, außer der Dankbarkeitsschuld, die sie mit allen Engländern theilten, noch besondere Ursache hätten, für die göttliche Güte dankbar zu sein, die ihnen gestattet habe, die letzte Spur der Verheerungen des großen Feuers zu verwischen und sich nach so langen Jahren endlich wieder an dieser durch die Andacht von dreißig Generationen geweihten Stätte zu Gebet und Lobpreisung zu versammeln. In ganz London und in allen Theilen des Landes, bis in die entferntesten Kirchspiele von Cumberland und Cornwallis, waren die Kirchen am Morgen des Tages gefüllt und der Abend war ein Abend festlicher Vergnügungen. [133]

[XXII.79]

Man hatte aber auch Ursache, sich zu freuen und dem Himmel zu danken. England hatte schwere Prüfungen überstanden und war mit verjüngter Kraft und Gesundheit aus denselben hervorgegangen. Zehn Jahre früher hatte es den Anschein gehabt, als ob jene Freiheit und Unabhängigkeit vernichtet seien. Seine Freiheit hatte es durch eine gerechte und nothwendige Revolution behauptet. Es hatte die durch die Rechtsbill festgestellte Ordnung der Dinge siegreich gegen die mächtige französische Monarchie, gegen die eingeborne Bevölkerung Irland’s, gegen die erklärte Feindschaft der Eidverweigerer und gegen die noch gefährlichere Feindschaft von Verräthern vertheidigt, welche bereit waren, jeden Eid zu leisten und die kein Eid binden konnte. Seine offenen Feinde hatten auf vielen Schlachtfeldern gesiegt. Seine versteckten Feinde hatten seine Flotten und Heere befehligt, seine Arsenale verwaltet, an seinen Altären fungirt, auf seinen Universitäten gelehrt, seine Amtsbureaux gefüllt, in seinem Parlamente gesessen und im Schlafzimmer seines Königs geheuchelt und geschmeichelt. Mehr als einmal hatte es unmöglich geschienen, daß etwas eine Restauration abwenden könnte, welche unvermeidlich zuerst Proscriptionen und Confiscationen, die Verletzung der Grundgesetze und die Verfolgung der Landeskirche, und dann eine dritte Erhebung der Nation gegen das Fürstenhaus, das eine zweimalige Entthronung und eine zweimalige Verbannung nur hartnäckiger im Bösen gemacht hatte, in ihrem Gefolge gehabt haben würde. Zu den Gefahren des Kriegs und den Gefahren des Verraths hatten sich neuerdings die Gefahren einer schweren Finanz- und Handelskrisis gesellt. Aber alle diese Gefahren waren vorbei. Außen und innen war Friede. Das Königreich hatte nach vielen Jahren einer schmachvollen Vasallenschaft seinen früheren Platz in der vordersten Reihe der europäischen Mächte wieder eingenommen. Viele Anzeichen berechtigten zu der Hoffnung, daß die Revolution von 1688 unsre letzte Revolution gewesen sein würde. Die alte Verfassung schmiegte sich durch eine natürliche, eine allmälige, eine friedliche Entwickelung den Bedürfnissen einer neueren Gesellschaft an. Die Freiheit des Gedankens und die Freiheit der Rede bestanden schon in einem Umfange, wie ihn kein früheres Zeitalter gekannt hatte. Die Valuta war wieder hergestellt. Der öffentliche Credit war wieder befestigt. Der Handel lebte wieder auf. Die Schatzkammer war zum Ueberströmen voll. Allenthalben, von der Börse bis zum entlegensten Dorfe in den Gebirgen von Wales und den Sümpfen von Lincolnshire äußerte sich ein Gefühl der Erleichterung. Die Landbauer, die Hirten, die Bergleute der Kohlengruben von Northumberland, die Arbeiter, die sich an den Webstühlen von Norwich und an den Amboßen von Birmingham abmühten, empfanden die Veränderung, ohne sie zu verstehen, und das heitere Gewühl in jedem Seehafen und in jeder Marktstadt verrieth nicht undeutlich den Anfang einer glücklicheren Zeit.

[XXII.80]

Fußnoten

[1] London Gazette vom 4. Mai 1696.

[2] London Gazette vom 12. und 16. März 1696 und Monthly Mercury, März 1696.

[3] Die Acte bestimmte, daß das beschnittene Geld vor dem 4. Mai eingezahlt werden müsse. Da der 3. ein Sonntag war, so war thatsächlich der 2. der letzte Tag.

[4] L’Hermitage, 5. (15.) Mai 1696; Londoner Neuigkeitsbrief vom 4. und 6. Mai. In dem Neuigkeitsbriefe wird der 4. Mai als „der Tag bezeichnet, der wegen des allgemeinen Interesses, das die Leute daran hatten, so oft genannt wurde.”

[5] Londoner Neuigkeitsbrief vom 21. Mai 1696; Old Postmaster vom 25. Juni. L’Hermitage, 19. (29.) Mai.

[6] Haynes’s Brief Memoirs, Lansdowne Mss. 801.

[7] Siehe die Petition von Birmingham in den Protokollen der Gemeinen vom 12. Nov. 1696, und die Petition von Leicester vom 21. Nov.

[8] „Geld ungemein rar, so daß weder welches bezahlt noch eingenommen wurde; aber Alles ging auf Credit.” Evelyn, 13. Mai. Dann wieder unterm 11. Juni: „Mangel an Courantgeld, um auch nur die kleinsten Bedürfnisse zu bezahlen, selbst für die täglichen Markteinkäufe nicht ausreichend.”

[9] L’Hermitage, 22. Mai (1. Juni). Siehe auch einen Brief von Dryden an Tonson, den Malone mit großer Wahrscheinlichkeit für damals geschrieben hält.

[10] L’Hermitage an die Generalstaaten, 8. (18.) Mai; Gazette de Paris vom 2. (12.) Juni; Trial and Condemnation of the Land Bank at Exeter Change for murdering the Bank of England at Grocers’ Hall, 1696. Den „Letzten Willen” und die „Grabschrift” findet man in vorstehendem Pamphlet.

[11] L’Hermitage, 12. (22.) Juni 1696.

[12] Ueber diesen Gegenstand sehe man die Short History of the Last Parliament, 1699; Narcissus Luttrell’s Diary; die Zeitungen von 1696 und die Briefe L’Hermitage’s an verschiedenen Stellen. Ferner auch die Petition der Buchhändler von Gloucester in dem Protokolle der Gemeinen vom 27. Nov. 1696. Oldmixon, der selbst Verluste hatte, schreibt darüber mit noch mehr als gewöhnlicher Bitterkeit.

[13] Siehe L’Hermitage, 12. (22.) Juni, 23. Juni (3. Juli), 30. Juni (10. Juli), 1. (11.) Aug., 28. Aug. (7. Sept.) 1696. Der Postman vom 15. August erwähnt den großen Nutzen der Schatzkammerscheine. Der Pegasus vom 24. August sagt: „Die Schatzkammerscheine erwerben sich die Gunst des Publikums immer mehr, und das ist kein Wunder.” Der Pegasus vom 28. August sagt: „Sie gehen als Geld von Hand zu Hand, und man bemerkt, daß Diejenigen, welche dagegen eifern, der Regierung nicht hold sind.” — „Die Erfahrung,” sagt der Postman vom nächstfolgenden 7. Mai, „hat sie als höchst nützlich für die Kaufleute und Krämer der City von London wie aller Gegenden des Landes erwiesen.” Ich will eine Probe von den unmetrischen und fast unverständlichen Knittelversen anführen, welche die jakobitischen Dichter über diesen Gegenstand veröffentlichten:

„Ich bitte, Sir, hörten Sie schon von den neuen Patenten,
Papiergeld als Zahlmittel unter die Nation zu senden?
Ja, Sir, ich hörte davon, es sind Montague’s Noten,
Gefärbt und bemalt mit den Parlamentsvoten.
Doch ’s ist klar, für das Volk sind sie nur ein Toast,
Sie kommen mit dem Fuhrmann und gehen mit der Post.”

[14] Commons’ Journals, Nov. 25. 1696.

[15] L’Hermitage, 2. (12.) Juni 1696; Commons’ Journals, Nov. 25.; Postman vom 5. Mai, 4. Juni und 2. Juli.

[16] L’Hermitage, 3. (13.), 10. (20.) Juli 1696; Commons’ Journals, Nov. 25; Pariser Gazette vom 30. Juni und 25. August; Old Postmaster vom 9. Juli.

[17] Wilhelm an Heinsius, 30. Juli 1696; Wilhelm an Shrewsbury, 23., 30., 31. Juli.

[18] Shrewsbury an Wilhelm, 28., 31. Juli und 4. Aug. 1696; L’Hermitage, 1. (11.) August.

[19] Shrewsbury an Wilhelm, 7. Aug. 1696: L’Hermitage 14. (24.) Aug.; London Gazette vom 13. August.

[20] L’Hermitage, 18. (28.) Aug. 1696. Unter den Acten der Bank befindet sich ein Beschluß der Directoren, welcher die Worte vorschreibt, deren sich Sir Sohn Houblon bedienen sollte. Wilhelm’s Ansicht über den Dienst, den die Bank bei dieser Gelegenheit leistete, ist in seinem Briefe an Shrewsbury vom 24. August (3. Sept.) ausgesprochen. Einer der Directoren sagt in einem 1697 gedruckten Briefe bezüglich der Bank: „Die Directoren würden es vor den Actionären nicht haben verantworten können, hätte es sich um etwas Geringeres als um die Erhaltung des Königreichs gehandelt.”

[21] Haynes’s Brief Memoires; Lansdowne Mss. 801. Montague’s freundschaftlicher Brief an Newton, worin er diesem seine Ernennung anzeigt, ist mehrmals gedruckt worden. Er trägt das Datum 19. März 1695/96.

[22] Ich führe mit großem Vergnügen die Worte Haynes’ an, eines geschickten, erfahrenen und praktischen Mannes, der mit Newton vielfach zu thun hatte. Sie sind meines Wissens nie gedruckt worden. „Mr. Isaak Newton, öffentlicher Professor der Mathematik in Cambridge, der größte Philosoph und einer der besten Menschen dieses Jahrhunderts, war durch einen großen und weisen Staatsmann der Berücksichtigung des vorigen Königs für den Posten eines Oberaufsehers der königlichen Münze und Auswechslungskasse empfohlen worden, wozu er sich wegen seiner außerordentlichen Fertigkeit im Rechnen und wegen seiner großen Rechtschaffenheit ganz vorzüglich eignete, denn mit Hülfe der ersteren übersah er sogleich beim Antritt seines Amts die Rechnungen und den Geschäftsgang der Münze vollständig und die letztere — ich meine seine Rechtschaffenheit — wurde alsbald ein Vorbild zur Nachahmung für alle bei der Münze angestellten Beamten. Gut wäre es für den Staat gewesen, wenn er schon vor einigen Jahren dieses Amt übernommen hätte.” Es ist interessant, dieses Zeugniß eines Mannes, der das Münzwesen gründlich verstand, mit dem kindischen Geschwätz Pope’s zu vergleichen. „Sir Isaak Newton,” sagt Pope, „war zwar ein ausgezeichneter Kenner der Algebra und Differentialrechnung, konnte aber bei alledem keinen gewöhnlichen Rechnungsabschluß machen und pflegte daher, während er Münzmeister war, Jemanden anzunehmen, der ihm die Rechnungen anfertigte.” Einige von den Staatsmännern, mit denen Pope verkehrte, hätten ihm sagen können, daß Leute, die an der Spitze wichtiger Verwaltungszweige stehen, nicht immer aus Unkenntniß der Arithmetik untergeordneten Beamten das Zusammenrechnen von Pfunden, Schillingen und Pence überlassen.

[23] „Ich liebe es nicht,” schrieb er an Flamsteed, „bei jeder Gelegenheit meinen Namen gedruckt zu sehen und noch weniger, von Fremden mit mathematischen Gegenständen behelligt und gequält zu werden, und bei unseren Landsleuten in den Verdacht zu kommen, als vertändelte ich meine Zeit mit Jenen, während ich für den König zu thun habe.”

[24] Hopton Haynes’s Brief Memoires; Lansdowne Mss. 801.; Old Postmaster vom 4. Juli 1696; Postman vom 30. Mai, 4. Juli, 12., 19. Sept. und 8. Oct.; L’Hermitage’s Depeschen von diesem Sommer und Herbst an verschiedenen Stellen.

[25] Gazette de Paris vom 11. August 1696.

[26] Am 7. August bemerkte L’Hermitage zum ersten Male, daß das baare Geld reichlicher vorhanden zu sein schien.

[27] Vergleiche Edmund Bohun’s Brief an Carey vom 31. Juli 1696 mit der Pariser Gazette von dem nämlichen Tage. Bohun’s Schilderung des Zustandes von Norfolk ist allerdings durch sein von Haus aus mürrisches Temperament und durch das Gefühl mit dem er begreiflicherweise das Haus der Gemeinen betrachtete, verdüstert. Seinen statistischen Angaben ist nicht zu trauen und seine Prophezeiungen erweisen sich als auffallend unrichtig. Seinen Erzählungen einfacher Thatsachen, die in seiner unmittelbaren Nähe vorgingen, kann man Glauben schenken.

[28] Ueber Grascombe’s Character und über die Meinung, welche die ehrenwertheren Jakobiten von ihm hatten, sehe man die Lebensgeschichte Kettlewell’s, Bd. III . Section 55. Lee, der Compilator dieses Werks, erwähnt mit wohlverdientem Tadel einige von Grascombe’s Schriften, übergeht aber die schlimmste von allen, den Account of the Proceedings in the House of Commons in Relation to the Recoining of the Clipped Money, and Falling the price of Guineas, mit Stillschweigen. Daß Grascombe der Verfasser war, wurde vor einem Ausschusse der Gemeinen bewiesen. Siehe die Protokolle vom 30. Nov. 1696.

[29] L’Hermitage, 12. (22.) Juni, 7. (17.) Juli 1696.

[30] Siehe die Antwort gegen Grascombe, betitelt: Reflections on a Scandalous Libel .

[31] Gazette de Paris vom 15. Sept. 1696.

[32] L’Hermitage, 2. (12.) Oct. 1696.

[33] Die Monthly Mercuries; Correspondenz zwischen Shrewsbury und Galway; Wilhelm an Heinsius, 23., 30. Juli 1696; Denkschrift des Marquis von Leganes.

[34] Wilhelm an Heinsius, 27. Aug. (6. Sept.), 15. (25.) und 17. (27.) Nov. 1696; Prior an Lexington, 17. (27.) Nov.; Villiers an Shrewsbury, 13. (23.) Nov.

[35] Meine Darstellung des Versuchs, Porter zu bestechen, ist seinem Verhör im Hause der Gemeinen am 16. Nov. 1696 und folgenden Quellen entnommen: Burnet II . 183; L’Hermitage an die Generalstaaten, 8. (18.), 12. (22.) Mai 1696; Postboy vom 9. Mai; Postman vom 9. Mai; N. Luttrell; London Gazette vom 19. Oct. 1696.

[36] London Gazette; N. Luttrell; L’Hermitage, 12. (22.) Juni; Postman, 11. Juni.

[37] Life of William III. 1703; Vernon’s Zeugenaussage im Hause der Gemeinen, 16. Nov. 1696.

[38] Wilhelm an Shrewsbury, von Loo den 10. September 1696.

[39] Shrewsbury an Wilhelm, 18. Sept. 1696.

[40] Wilhelm an Shrewsbury, 25. Sept. 1696.

[41] London Gazette vom 8. Oct. 1696; Vernon an Shrewsbury, 8. Oct.; Shrewsbury an Portland, 11. Oct.

[42] Vernon an Shrewsbury, 13. Oct. 1996; Somers an Shrewsbury, 15. Oct.

[43] Wilhelm an Shrewsbury, 9. Oct. 1696.

[44] Shrewsbury an Wilhelm, 11. Oct. 1696.

[45] Somers an Shrewsbury, 19. Oct. 1696.

[46] Wilhelm an Shrewsbury, 20. Oct. 1696.

[47] Vernon an Shrewsbury, 13. und 15. Oct.; Portland an Shrewsbury 20. Oct.

[48] L’Hermitage, 10. (20.) Juli 1696.

[49] Lansdowne MS. 801.

[50] Ich entnehme meine Darstellung dieser Vorgänge aus den Protokollen der Gemeinen, aus den Depeschen Van Cleverskirke’s und L’Hermitage’s, an die Generalstaaten und aus Vernon’s Brief an Shrewsbury vom 27. October 1696. „Ich wüßte nicht,” sagt Vernon, „daß das Haus der Gemeinen je mit größerer Einmüthigkeit gehandelt hätte als dies gegenwärtig der Fall ist.”

[51] Vernon an Shrewsbury, 29. Oct, 1696; L’Hermitage, 30. Oct. (9. Nov.). L’Hermitage nennt Howe Jacques Haut. Ohne Zweifel hatte er ihn immer Jack nennen hören.

[52] Postman vom 24. Oct. 1696; L’Hermitage, 23. Oct. (2. Nov.). L’Hermitage sagt: „On commence déjà a ressentir des effets avantageux des promptes et favorables résolutions que la Chambre des Communes prit Mardy. Le discompte des billets de banque, qui estoit le jour auparavant à 18, est revenu à douze, et les actions ont aussy augmenté, aussy bien que les taillis.”

[53] Wilhelm an Heinsius, 13. (23.) Nov. 1696.

[54] Actes et Mémoires des Négociations de la Paix de Ryswick, 1707; Villiers an Shrewsbury, 1. (11.) 4. (14.) Dec. 1696; Brief an Heinsius, angeführt von Sirtema de Grovestins. Von diesem Briefe besitze ich keine Abschrift.

[55] Vernon an Shrewsbury, 8. Dec. 1696.

[56] Wharton an Shrewsbury vom 27. Oct. 1696.

[57] Somers an Shrewsbury, 21. (31.) Oct. 1696; Vernon an Shrewsbury; 31 Oct.; Wharton an Shrewsbury, 10. Nov. „Ich möchte glauben,” sagt Wharton, „daß nichts eine größere Geschicklichkeit erforderte, als die Erreichung dieses Zweckes.”

[58] Siehe zum Beispiel ein Gedicht auf den letzten Schatzamts-Tag zu Kensington, März 1696/97.

[59] Somers an Shrewsbury, 31. Oct. 1696; Wharton an Shrewsbury von dem nämlichen Datum.

[60] Somers an Shrewsbury, 3. Nov. 1696. Die Unlust des Königs, Fenwick zu sehen, ist in Somers Brief erwähnt.

[61] Vernon an Shrewsbury, 3. Nov. 1696.

[62] Die Umstände von Goodman’s Flucht wurden drei Jahre später von dem Earl von Manchester ermittelt, als er Gesandter in Paris war, und von ihm in einem vom 25. Sept. (5. Oct.) datirten Briefe Jersey mitgetheilt.

[63] London Gazette vom 9. Oct. 1696; Vernon an Shrewsbury vom 3. Nov.; Van Cleverskirke und L’Hermitage von dem nämlichen Datum.

[64] Die Darstellung der Vorgänge dieses Tages habe ich den Protokollen der Gemeinen, dem werthvollen Werke: Proceedings in Parliament against Sir John Fenwick, Bart. upon a Bill of Attainder for High Treason, 1696, Vernon’s Brief an Shrewsbury vom 6. Nov. 1696 und Somers’ Brief an Shrewsbury vom 7. Nov. entnommen. Aus diesen beiden Briefen geht klar hervor, daß es den Whigführern sehr schwer wurde, Godolphin’s Freisprechung zu erlangen.

[65] Commons’ Journals, Nov. 9. 1696; Vernon an Shrewsbury, Nov. 10. Der Herausgeber der State Trials ist der irrigen Meinung, daß das Citat aus Cäsar’s Rede in der Debatte vom 13. vorkam.

[66] Commons’ Journals, Nov. 13, 16. 17.; Prozeß gegen Sir John Fenwick.

[67] A Letter to a Friend in Vindication of the Proceedings against Sir John Fenwick, 1697.

[68] Diesen Vorfall erwähnt L’Hermitage.

[69] L’Hermitage sagt uns, daß solche Dinge in diesen Debatten wirklich vorkamen.

[70] Lords’ Journals, Nov. 14. 30. Dec. 1. 1696.

[71] Wharton an Shrewsbury, 1. Dec. 1696; L’Hermitage von dem nämlichen Datum.

[72] L’Hermitage, 4. (14.) Dec. 1696; Wharton an Shrewsbury, 1. Dec.

[73] Lords’ Journals, Dec. 8. 1696; L’Hermitage von dem nämlichen Datum.

[74] L’Hermitage, 15. (25), 18. (28.) Dec. 1696.

[75] L’Hermitage, 18. (28.) Dec. 1696.

[76] Lord’s Journals, Dec. 15. 1696; L’Hermitage, 18. (28.) Dec.; Vernon an Shrewsbury, 15. Dec. Hinsichtlich der Zahlen weichen Vernon und L’Hermitage unbedeutend von einander ab. Ich habe mich an Vernon gehalten.

[77] Lord’s Journals, Dec. 18. 1696; Vernon an Shrewsbury, 19. Dec.; L’Hermitage, 22. Dec. (1. Jan.). Die Zahlen entnehme ich Vernon.

[78] Lord’s Journals, Dec. 25. 1696; L’Hermitage, 26. Dec. (4. Jan.). In der Vernon Correspondence befindet sich ein Brief von Vernon an Shrewsbury, der einen Bericht über die Vorgänge dieses Tages giebt; aber er ist irrig vom 2. December datirt und diesem Datum gemäß eingereiht. Dies ist nicht der einzige derartige Fehler. Ein offenbar am 7. November 1696 geschriebener Brief von Vernon an Shrewsbury ist vom 7. Januar 1697 datirt und auch demgemäß eingereiht. Die Vernon Correspondence ist von großem Werthe, aber ihre Herausgabe ist so schlecht besorgt, daß man sie nur mit großer Vorsicht und unter beständiger Vergleichung mit anderen Quellen benutzen kann.

[79] Vernon an Shrewsbury, 24. Dec. 1696.

[80] Dohna, der Monmouth genau kannte, schildert ihn folgendermaßen: „Il avoit de l’esprit infiniment, et même du plus agréable; mais il y avoit un peu trop de haut et de bas dans son fait. Il ne savoit ce que c’étoit que de ménager les gens; et il turlupinoit à l’outrance ceux qui ne lui plaisoient pas.”

[81] L’Hermitage, 12. (22.) Jan. 1697.

[82] Lords’ Journals, Jan. 9. 1696/97; Vernon an Shrewsbury von dem nämlichen Datum; L’Hermitage, 12. (22.) Jan.

[83] Lords’ Journals, Jan. 15. 1696/97; Vernon an Shrewsbury von dem nämlichen Datum; L’Hermitage desgleichen.

[84] Postman vom 29. und 31. Dec. 1696.

[85] L’Hermitage, 12. (22.) Jan. 1697.

[86] Van Cleverskirke, 12. (22.) Jan. 1697; L’Hermitage, 15. (25.) Jan.

[87] L’Hermitage, 15. (25.) Jan. 1697.

[88] Lords’ Journals, Jan. 22, 26. 1696/97; Vernon an Shrewsbury, 26. Jan.

[89] Commons’ Journals, Jan. 27. 1696/97. Die Eintragung in die Protokolle, welche leicht der Beachtung entgehen könnte, wird durch einen Brief L’Hermitage’s vom 29. Jan. (8. Febr.) erläutert.

[90] L’Hermitage, 29. Jan. (8. Febr.) 1697; London Gazette vom 1. Febr.; Gazette de Paris; Vernon an Shrewsbury, 28. Jan.; Burnet II. 193.

[91] Commons’ Journals, Dec. 19; Vernon an Shrewsbury; 28. Nov. 1696.

[92] Lords’ Journals, Jan. 23. 1696/97; Vernon an Shrewsbury, 23. Jan.; L’Hermitage, 26. Jan. (5. Febr.).

[93] Commons’ Journals, Jan. 26, 1696, 97. Vernon an Shrewsbury und Van Cleverskirke an die Generalstaaten von dem nämlichen Datum. Es ist merkwürdig, daß der König und die Lords einen der fünf Punkte der Volkscharte so nachdrücklich gegen die Gemeinen vertheidigten.

[94] Commons’ Journals, April 1. 3. 1697; Narcissus Luttrell’s Diary; L’Hermitage, 2. (12.), 6. (16.) April. L’Hermitage sagt: „La plupart des membres, lorsqu’ils sont à la campagne, estant bien aises d’estre informez par plus d’un endroit de ce qui se passe, et s’imaginant que la Gazette qui se fait sous la direction d’un des Sécrétaires d’Etat, ne contiendroit pas autant de choses que fait celle-cy, ne sont par fâchez que d’autres les instruisent.” Die Zahlen bei der Abstimmung entnehme ich L’Hermitage. Sie finden sich nicht in den Protokollen. Diese wurden allerdings damals nicht so sorgfältig geführt als jetzt.

[95] Narcissus Luttrell’s Diary, June 1691, May 1693.

[96] Commons’ Journals, Dec. 30. 1696; Postman vom 4. Juli 1696.

[97] Postman vom 22. April 1697; Narcissus Luttrell’s Diary .

[98] London Gazette vom 26. und 29. April 1697.

[99] London Gazette vom 29. April 1697; L’Hermitage, 23. April (3. Mai).

[100] London Gazette, vom 26. und 29. April 1697; L’Hermitage, 23. April (3. Mai).

[101] Die Ansicht des Publikums erfahren wir aus einem unmittelbar nach Godolphin’s Rücktritt geschriebenen Briefe L’Hermitage’s vom 3. (13.) Nov. 1696. „Le public tourne plus la veue sur le Sieur Montagu, qui a la seconde charge de la Trésorerie que sur aucun autre.” Das sonderbare Schweigen der London Gazette wird durch ein Schreiben Vernon’s an Shrewsbury vom 1. Mai 1697 erklärt.

[102] London Gazette vom 22. und 26. April 1697.

[103] Postman vom 26. Jan., 7. und 11. März 1696/97, und 8. April 1697.

[104] Postman vom 29. Oct. 1696.

[105] Howell’s State Trials; Postman vom 9. (19.) Jan. 1696/97.

[106] Siehe das Protokoll vom 10. Febr. 1697 in den Actes et Mémoires des Négociations de la Paix de Ryswick, 1707 .

[107] Wilhelm an Heinsius, 11. (21.) Dec. 1696. Aehnliche Aeußerungen finden sich auch in anderen Briefen, welche der König um diese Zeit schrieb.

[108] Siehe die in Wien aufgesetzten, vom 16. Sept. 1696 und 14. März 1697 datirten Schriftstücke. Ferner auch das am 18. (28.) März 1697 im Haag aufgenommene Protokoll. Man findet diese Dokumente in den Actes et Mémoires des Négociations de la Paix de Ryswick, 1707 .

[109] Characteristiken aller drei französischen Bevollmächtigten giebt Saint-Simon.

[110] Actes et Mémoires des Négociations de la Paix de Ryswick.

[111] Eine Abbildung und ein Grundriß des Schlosses befinden sich in den Actes et Mémoires .

[112] Wer sich genauer über die müßigen Streitereien und Possen unterrichten will, mit denen der Congreß die Zeit vergeudete, lese die Actes et Mémoires nach.

[113] Von „Hochmögend,” dem Titel der holländischen Generalstaaten. — D. Uebers.

[114] Saint-Simon war gewiß ein eben so guter Beurtheiler der Menschen als irgend einer der tadelsüchtigen Engländer, welche Portland einen Dummkopf und Bauer nannten. Auch hatte Saint-Simon die beste Gelegenheit, sich ein richtiges Urtheil über ihn zu bilden, denn er sah Portland in einer höchst schwierigen Situation, und er sagt an einer Stelle: „Benting, discret, secret, poli aux autres, fidèle à son maître, adroit en affaires le servit très utilement;” an einer andren: „Portland parut avec un éclat personnel, une politesse, un air de monde et de cour, une galanterie et des grâces qui surprirent: avec cela beaucoup de dignité, même de hauteur mais avec discernement et un jugement prompt sans rien de hasarde.” Auch Boufflers rühmt Portland’s Bildung und Takt. Boufflers an Ludwig, 9. Juli 1697. Dieser Brief befindet sich im Archive des französischen Ministeriums des Auswärtigen. Eine Uebersetzung desselben findet man in der von Grimblot herausgegebenen werthvollen Sammlung.

[115] Boufflers an Ludwig, 21. Juni (1. Juli) 1697; Ludwig an Boufflers, 22. Juni (2. Juli); Boufflers an Ludwig, 25. Juni (5. Juli).

[116] Boufflers an Ludwig, 28. Juni (8. Juli), 29. Juni (9. Juli) 1697.

[117] Meine Mittheilungen über diese Unterhandlung habe ich hauptsächlich den Depeschen im französischen Ministerium des Auswärtigen entlehnt. Uebersetzungen von diesen Depeschen hat Grimblot veröffentlicht. Siehe auch Burnet II. 200, 201.

Es ist oft behauptet worden, Wilhelm habe versprochen, Marien von Modena funfzigtausend Pfund jährlich zu bezahlen. Wer sich jedoch die Mühe nimmt, das Protokoll vom 10. (20.) Sept. 1697 in den Acten des Friedens von Ryswick zu lesen, wird sehen, daß meine Angabe richtig ist. Prior verstand das Protokoll offenbar ebenso wie ich es verstehe, denn er sagt in einem Briefe an Lexington vom 17. Sept. 1697: „No. 2 ist der Punkt, in dem der König bezüglich der Dotation der Königin Marie einwilligt. Es wird ihr dadurch ehrlich soviel gegeben als das Gesetz ihr zugesteht. Der Vermittler soll diese Schrift den Franzosen dictiren und sie in sein Protokoll aufnehmen, und so denke ich, werden wir über diesen Artikel à bon marché hinwegkommen.”

Es hieß damals (siehe Boyer’s History of King William III. 1703 ) Portland und Boufflers seien über einen geheimen Artikel übereingekommen, durch welchen stipulirt gewesen sei, daß nach Wilhelm’s Tode der Prinz von Wales auf den englischen Thron kommen solle. Diese Fabel ist oft wiederholt worden, aber sie hat bei verständigen Männern nie Glauben gefunden und seit der Veröffentlichung der Correspondenz zwischen Ludwig und Boufflers wird auch der Beschränkteste sie schwerlich noch glauben. Dalrymple und andere Schriftsteller glaubten im Life of James (II. 574, 575) Beweise dafür gefunden zu haben, daß die Geschichte von dem geheimen Artikel wahr sei. Die Stelle, aus der sie dies schlossen, war jedoch sicherlich weder von Jakob selbst, noch unter seiner Leitung geschrieben; und die Autorität derjenigen Stelle seiner Lebensgeschichte, welche nicht von ihm oder unter seiner Leitung geschrieben wurden, ist nur gering. Bei genauer Untersuchung jener Stelle werden wir überdies finden, daß sie die Geschichte von dem geheimen Artikel nicht nur nicht bestätigt, sondern sie sogar geradezu widerlegt. Der Compilator der Lebensgeschichte sagt uns, daß, nachdem Jakob erklärt hatte, er werde sich nie dazu verstehen, durch Aufgaben seiner eigenen Rechte den englischen Thron für seine Nachkommen zu erkaufen, nicht weiter von dem Gegenstande gesprochen wurde. Nun ist es aber ganz gewiß, daß Jakob in seiner im März 1697 erschienenen Denkschrift, einer Denkschrift, die sich sowohl in der Lebensgeschichte ( II . 566.) als auch in den Acten des Friedens von Ryswick findet, vor ganz Europa erklärte, daß er sich nie in einer so niedrigen und unwürdigen Handlung herablassen werde, dem Prinzen von Oranien unter der Bedingung, daß der Prinz von Wales ihm auf den Thron folgen solle, die Regierung zu gestatten. Daraus folgt, daß nach dem März 1697 von diesem Gegenstande nicht mehr die Rede gewesen sein kann. Es kann daher auch in den Konferenzen zwischen Boufflers und Portland, welche erst spät im Juni begannen, nicht davon gesprochen worden sein.

Hatte denn aber die Geschichte gar keine Grundlage? Ich glaube es gab eine solche, und ich habe bereits die Facta erzählt, auf denen dieses Gebäude von Erdichtung basirte. Es steht fest, daß Ludwig im Jahre 1693 durch die schwedische Regierung den Verbündeten die Hoffnung ausdrücken ließ, es möge ein Auskunftsmittel zur Versöhnung der Fürsten gefunden werden, die auf die englische Krone Anspruch machten. Er meinte mit diesem Auskunftsmittel ohne Zweifel, daß der Prinz von Wales Wilhelm und Marien auf dem Thron folgen sollte. Es ist möglich, daß, wie der Compilator der Lebensgeschichte Jakob’s sagt, Wilhelm „keine große Abgeneigtheit” gegen dieses Arrangement zeigte. Er hatte weder einen öffentlichen, noch einen privaten Grund, seine Schwägerin seinem Schwager vorzuziehen, wenn sein Schwager protestantisch erzogen wurde. Aber Wilhelm vermochte nichts ohne die Mitwirkung des Parlaments, und es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, daß er sowohl als das Parlament je eingewilligt haben würde, die englische Thronfolge zum Gegenstande eines Uebereinkommens mit Frankreich zu machen. Was er jedoch gethan oder nicht gethan haben würde, können wir nicht mit Gewißheit sagen. Denn Jakob erwies sich als unbeugsam. Ludwig gab daher jeden Gedanken an das Zustandebringen eines Vergleichs auf und versprach, wie wir gesehen haben, Wilhelm „ohne Schwierigkeit, Beschränkung, Bedingung oder Vorbehalt” als Königs von England anzuerkennen. Es scheint gewiß, daß nach diesem im December 1696 gegebenen Versprechen der Prinz von Wales in den Unterhandlungen nicht wieder erwähnt wurde.

[118] Prior MS.; Williamson an Lexington, 20. (30.) Juli 1697; Williamson an Shrewsbury, 23. Juli (2. Aug.).

[119] Die Note des französischen Gesandten, datirt 10. (20.) Juli 1697, findet man in den Actes et Mémoires .

[120] Monthly Mercury, August und September 1697.

[121] Life of James, II. 565.

[122] Actes et Mémoires des Négociations de la Paix de Ryswick; Life of James, II. 566.

[123] Jakob’s Protest findet man in seiner Lebensgeschichte II . 572.

[124] Actes et Mémoires des Négociations de la Paix de Ryswick; Williamson an Lexington, 14. (24.) Sept. 1697; Prior-Manuscript.

[125] Prior-Manuscript.

[126] L’Hermitage, 20. (30.) Juli, 27. Juli (6. Aug.), 24. Aug. (3. Sept.), 27. Aug. (6. Sept.), 31. Aug. (10. Sept.) 1697; Postman vom 31. Aug.

[127] Van Cleverskirke an die Generalstaaten, 14. (24.) Sept. 1697; L’Hermitage, 14. (24.) Sept.; Postscipt zum Postman von dem nämlichen Tage; Postman und Postboy vom 19. (29.) Sept.; Postman vom 18. (28.) Sept.

[128] L’Hermitage, 17. (27.) Sept., 24. Sept. (4. Oct.), 19. (29.) Oct. 1697; Postman vom 20. Nov.

[129] L’Hermitage, 21. Sept. (1. Oct.), 2. (12.) Nov. 1697; Gazette de Paris vom 20. (30.) Nov.; Postboy vom 2. Nov. Es erschien damals ein Pasquill, betitelt: A Satyr upon the French King, written after the Peace was concluded at Reswick, anno 1697, by a Non-Swearing Person, and said to be drop’d out of his Pocket at Sams’ Coffee House .

[130] London Gazette; Postboy vom 18. Nov. 1697; L’Hermitage, 5. (15.) Nov.

[131] London Gazette vom 18. und 22. Nov. 1697; Van Cleverskirke, 16. (26.), 19. (29.) Nov.; L’Hermitage, 16. (26.) Nov.; Postboy und Postman vom 18. Nov.; Wilhelm an Heinsius, 16. (26.) Nov.

[132] Evelyn’s Diary, Dec. 2. 1697. Die Predigt ist noch vorhanden, und ich muß gestehen, daß sie Evelyn’s Tadel verdient.

[133] London Gazette vom 6. Dec, 1697; Postman vom 4. Dec.; Van Cleverskirke, 2. (12.) Dec.; L’Hermitage, 19. (29.) Nov.

Stereotypie und Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig.

Anmerkungen zur Transkription

Eigentümliche und falsche Schreibweisen des Autors wurden belassen, wenn sie durchgängig benutzt wurden, wie beispielsweise: Beredtsamkeit, erwiedern, Schaffot, Wiederhall.

Inkonsistenzen wurden nicht geändert, wenn beide Schreibweisen gebräuchlich waren, wie: Die folgenden Korrekturen wurden vorgenommen: