Title : Gedichte
Author : Julius Maria Becker
Release date
: June 2, 2016 [eBook #52219]
Most recently updated: October 23, 2024
Language : German
Credits
: Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed
Proofreading Team at http://www.pgdp.net
Julius Maria Becker
Kurt Wolff Verlag · Leipzig
Bücherei „Der jüngste Tag“. Band 72
Gedruckt bei Poeschel & Trepte, Leipzig
Als sich dein Haar den Berg entlang ergoß,
Wogte das Weizenfeld in seinem gereiften Gold.
Kornblumen dunkelten, wo noch eben dein Blick geweilt.
Im silbernen Blütenstaub dämmert dein Odem hinab.
Der Beter vorm Bildstock erfleht noch den Saaten Bestand:
Es tränke sie Tau und der Sturm erachte des Halms.
Dann schließt er auch dich in sein gilbes Gebet.
Saum deines Kleides wehet den Tannen vorbei.
Jetzt bette ich Müdsein in deine eratmete Saat,
Erde ist kühl und dein Leib ist dem Sinne der Erde so nah.
In Küssen beschwörst du den silbernen Abend heran.
Blaß über Wimpern tanzt schon die Sichel des Monds.
Ich halte im Umkreis deiner Verflüchtung mich auf.
Ich weile auch ferne der grenzenden Körperlichkeit.
Ich wandle im blasseren Licht deines Heiligenscheins.
Du stehst im Abend und verdämmerst ganz still hinaus.
Du streifst noch die Sterne und zitterst im Boden fort.
Der Schleier sind viele, sind Wolken und wehen dich hin.
Ich nehme das Beste von dir fern atmend in mich.
Ich tränke mein Erdreich mit deinem durchgoldeten Tau.
Ich helle den Traum mit deinem vergessenen Licht.
Du bist wie zu Hause und weißt auch nicht, wie du mich nährst.
Du senkst deinen Schatten, umwandelst dein Wurzelgerank.
Du blühst und vergehst, doch die Ferne stammelt von dir.
Ich pflanze dein Echo auf einen verewigten Stern.
Ich rette die Strahlung des Bluts in eine bedürftige Nacht.
Ich trage den Hauch, der noch blieb, auf meinem Fittich hinauf.
Dein Wesen ist über alle Welt zerstreut,
An alle Himmel verloren.
Im Kelch von tausend Blumen sammle
Ich dich ein.
Ich werfe meine Netze weit im Meer
Der Nachthimmel aus,
Feierliche Sternbilder, worin dein Blick sich verewigt,
Sammle ich in meinen Netzen.
Ich eile zu gehen:
Zurückholen will ich deinen Blick
Aus allen vier Winden der Rose.
Jedem deiner Gedanken reise ich nach.
Ich behüte mit aufgestellten Windharfen,
Die mein Lied dir brausen,
Geliebte, dein waches, hellwaches Ohr.
Ich will, daß deines Wesens
Volle Pracht in einem heißen
Kuß mich überschütte:
O ja, Geliebte, bleibe in meiner Hand!
Schwinde nicht fort aus meinen
Verdämmernden Horizonten!
Als ich im ersten Viertel des Monds
Ausgestreckt in den Rosen des Hügels lag,
Kamst du — ein wärmender Schatten — heran,
Gossest auf meine Stirne die Schale des Schlafs.
Ich eilte in rötlichen Blätterstürzen — im Herbst
Und war deiner atmenden Nähe schon minder gewiß.
Zeitlosen rahmten die Landschaft der Traurigkeit.
Bei einer Harfe fand ich Zuflucht des Nachts.
Winters, wenn ich den Eiskristall
In das Licht der erstorbenen Sonne hob,
Fremde, erschienest du nicht.
Regenbogen umkreisten den ewigen Kern.
Zierliche Sterne des Schnees
Schmückten das Grab meiner Seele.
Aber im Lenz, bald schwimmt die immergrüne Insel heran.
Leidenschaftliche Sonne wühlt sich aus flimmerndem Gras.
Auftaucht, von rosiger Muschel gehoben,
Die Herbstliche, Nackte im Schaumgekräusel des Sees.
Füllhörner schütten Farben und Blumen über dich hin.
O wer darf dir jetzt
Aus zauberischen Lüften den purpurnen,
Rosenbestickten Mantel der Schönheit reichen?
Auf erhöhtem Wagen ziehst du einher,
An schlanke Deichsel sind gold gezäumte Rosse gespannt,
Schwebende Frauen führen die lockeren Zügel.
Weidenbüsche, die der Lufthauch deines Zuges berührt,
Tönen mit allen Zweigen, Schalmeien gleich.
Orgeln brausen inmitten des Schilfs.
Überall zieht Morgenröte herauf.
O und dein Wagen rast über mich hin.
Um lodernde Achse rollt sprühend das Sonnenrad.
Ich bin von den Bildern blitzender Sprossen umschattet.
Silberner Wegstaub hüllt meinen Jammer ein.
Ich hatte diese Welt schon ganz in meinen Geist genommen
Und sah nach innen, wo im Sphärendrehn
Die düstern Bilder wechselten. — Es war ein stetes Kommen
Von Nachtgestalten — stetiges Vergehn.
Von Gram gebleicht, von Last gekrümmt und mit zerquerter Stirne
So hing ich über diesem tiefsten See.
Aus Spiegelquellen wuchs mein Wolkenhaupt wie Glanz der Firne.
Die Wirbel kreisten um ein Tausend-Weh.
Da kam der Tag. Mich rief ein Lied. Da war’s, als hell im Frühen
Sich diese Welt in deine Augen schwang.
Da brach aus jedem Ding sein Kern des Lichts im Fächerblühen,
Aus allen Wipfeln brauste der Gesang.
So werd ich diese Nacht der Welt durch deinen Himmel tragen
Und Träume sind der Möven Silberflug.
Des bangen Tags Geschehen ist ein lautlos Ruderschlagen.
Doch Güte kniet in Lämmern, sich genug.
Sie sind im Licht der Tagessonne
Der Leiber zwei, der Seelen zwei,
Sie streben sonder Wort und Wonne
In weiten Kreisen sich vorbei.
Er zieht mit jedem roten Morgen
Die wachen Pfade streng hinauf;
Im Köcher ist der Pfeil geborgen,
Es ruht die Hand an Schwertes Knauf.
Des Weibes Tag ist stiller Wandel
Der Sonne um umlaubtes Haus,
Ein ferner, süßer Duft von Sandel,
An seinem Weg ein Blütenstrauß.
Doch mit der Sonne Lichtvergluten
Fällt beider Kreis aus ihrer Kraft
Und dunkel muß zusammenfluten,
Was tags sein Einzelsein erschafft.
Baum, Strauch und Turm zerfließt ins Schweigen,
Der Strom verebbt im weiten Tal;
Der Himmelszeichen goldner Reigen
Geht ein in diesen Sternensaal.
Nichts will nun beide mehr umragen,
Ein Grauen zwingt den Mann zum Weib.
Von eines Odems Maß getragen,
Durchblüht die Nacht ein Sein, ein Leib.
Dein Blick ist unsterblich in mir.
Er hat ja erst wie ein Sonnenstrahl
Mein dumpf-unseiendes Leben erweckt.
Er hat ja erst die Sehnsucht erweckt.
Dein Blick ist unsterblich in mir.
Wir sanken, Glieder an Glieder gepreßt
Und Mund an Mund
Als Leib, lustvergessen ein Leib, ins Gras;
Und tief der Himmel mit tausend Sternen
Sank und deckte uns zu.
O Himmel der Lust! O Grab der Lust!
Aber dein Blick ist unsterblich in mir.
Und, die du gebärst, die Kinder kreisen
Als Sonnen auf eigen-beschriebener Bahn:
Ein neues System. Ich hab es erregt.
Nein, dein Blick hat es erregt.
Und dein Blick ist unsterblich in mir.
Unsterblicher als die Geschlechter nach mir.
In meiner Seele, wenn alles, was Staub war,
Staub wieder ist, lebt noch dein Blick,
Ihr sphärisches Sein durchleuchtend mit mildem Strahl,
Unsterblich ist dein Blick in mir.
So wird meine Seele die Sehnsucht hegen,
Wie tief ich gestorben, nach Leben im Fleische,
Um voller zu fassen das schwebende Leben
Im Blicke von dir zu mir,
Unsterblich ist dein Blick in mir.
Nun muß ich nächtelang
Vergeblich am Scheideweg der Milchstraße auf dich warten,
Im Abenddämmern zwischen den Jahren
Säumte ich drüben als der Mann im Mond.
Früher konnte ich dich in den verzweigten Tälern
Der Erde noch suchen gehn.
Im bläulichen Frostlicht des Monds
Schliefen die Hütten, im Schatten zerstreut.
Doch irgendwo, drinnen, dein kristallener Atem
Zeichnete Orchideen auf silberne Scheiben.
Eisblumen — die schönsten auf gläsernen Beeten der Nacht —
Zeigten den Weg zum wärmenden Licht deines Kusses.
Nun weiß ich dich nirgends zu finden.
Ich suche die Träume der Jünglinge auf.
Ich weiß es, in Nächten des klirrenden Siebengestirns
Träumen sie immer nur dich,
Träumen dich mit all deinem Lächeln, farbig im stillen
Gedenken an mich.
Nur in den Träumen Verliebter finde ich nochmals zu dir zurück.
Abends wissen wir, wenn jach das erste Viertel
Kalten Monds im Oberlichte reift,
Wenn um silberisch Gewand den Sternengürtel
Naher Abend zart mit Händen streift,
Daß der Adler nun sein Nest
Giererwacht, die Nacht auf Schwingen,
Nacht zu bringen,
Flügelgroß verläßt.
Leises Rollen wie bei düstern Nachtgewittern
Kündet, daß der fremde Vogel naht.
Diesen Kranken dann befällt ein heftig Zittern
Und er rüstet sich zur schwersten Tat,
Atmet hart; und fast erstickt
Ruft er Hilfe, wehrt mit Händen,
Abzuwenden
Unheil, blind geschickt.
Durch geschlossene Fenster, schmal durch Schloß und Riegel,
Sichtbar nur dem heißen Fiebertraum,
Schlägt’s wie Schwefelflammen, bricht’s wie Aschenflügel,
Spreitet sich wie Fächer, Krone, Baum,
Stürzt dem Kranken auf die Brust,
Krallt sich fest mit krummen Klauen,
Hell in blauen
Augen thront die Lust
Mit dem Schnabel dieses Kranken Fleisch zu spalten.
Eine Sichel bohrt sich tief hinein,
Wühlt hinab; das Herz in zuckenden Gewalten
Blutet Funken, sprüht wie Feuerstein.
Sieben Stunden währt die Not
Und den Kranken hört man stöhnen,
Gott verhöhnen
Und er liegt wie tot.
Heiße Tränen seh ich ihn aufs Kissen weinen,
Das ihn wie ein Felsgeklüft umfängt,
Und wir andern um sein Lager, Kinder, scheinen
Steinernes Gebirg, das ihn bedrängt
Und so wie Gebirge schweigt,
Da wir ganz in Schmerz erstarrten,
Zählen, warten,
Bis der Morgen steigt.
Unsre Blicke bohren sich ins Fensterdunkel,
Unsre Blicke suchen morgenwärts.
„Endigt, Venus, endigt nicht dein Lichtgefunkel?
Findet Ruhe endlich nicht dies Herz?“
Und ins Licht noch ganz versteckt,
Mündet Glanz der blassern Sterne.
Wolkenferne
Kühn der Tag sich reckt.
Sei zufrieden! Schon ringt sich der Abendstern aus totem Sonnenrot.
Schmale Sichel des Monds schwimmt am gotischen Fenster vorbei.
Das farbige Traumbuch des Tags entblättert im Wind.
Atem des schlafenden Kinds eilt den Sternbildern voraus.
Siehe, ich harre der göttlichen Huld dieser Nacht,
Denn sie löst mir von Gliedern der trotzigen Ketten Geklirr
Und ich wandre im schneeigen Licht vormitternächtigen Schlafs
Lämmerumtanzt zu den äußersten Küsten der Seele.
Überm veilchenfarbigen Segel am Fährenrand
Dehnt sich im Sternengewoge das Meer der Unendlichkeit.
Meine Harfe am schäumenden Kiel erbraust in die Nacht.
Eure Hände, Geliebten, die einst ihr wart,
Mischen sich still in atmender Saiten Geflecht.
Nachtviolengeranke, so flicht sich der Sang um das Boot
Und mich besitzt die Gemeinschaft der Erdeentschwerten.
Aber schon dringen vom anderen Ufer Geräusche, erwacht,
Helios schirrt die blendenden Rosse zur morgigen Sonnenfahrt.
Und ich erwache zum Wissen der ärmlichsten Traurigkeit.
Langsam wachse ich wieder ins Kettengefüge des leiblichen Tags.
Ich komme aus meinen Träumen euch zugereist.
Ich habe meine Hände voll Glanz,
In meinen Augen ist Licht des fernsten Gestirns.
Ich will euch die Farben des Regenbogens bringen,
Denn ihr seid ja so aschengrau,
So erdgebrannten Gesichts.
Ihr säuselt an Krankenbetten als Echo der giftigen Seufzer,
Sterbet zehnmal des Tags und werdet
Mit blechernen Trauermärschen zehnmal des Tags zu Grabe gebracht.
Auswendig kennt ihr die Inschrift auf spiegelndem Marmor in Gold,
Den ewigen Grabstein schleppt ihr auf Rücken das Leben entlang.
Ihr sitzet am Schachbrett und haltet gedrechselten Läufer,
Schwimmt auf dem Rauch des Cafés
In euer brodelndes Nichts hinab,
Gespenster, hört mich, Gebannte ins schattenzerworfene
Nachttal der Erde:
Ich komme aus meinen Träumen euch zugereist,
Ich zünde nun farbige Feuer,
Lasse die Girandolen kreisen,
Eröffne das Lichtfest der Sterne,
Wehe mit farbigen Phönixflügeln heran.
Farbige Flügel mit Federn der trunkenen Asia
Dehnen sich zwischen den Säulen im morgenrötlichen Tempel.
O ich jage euch Sonnen über die Erde hin,
Ihr sehet an blühenden Himmeln weit
Lilienhände im Spiel der klingenden Saiten;
Ihr sollt euch nach Blumen bücken, hört ihr!
Kinder emporheben in den goldenen Stromfall des Lichts.
Sehnen soll euch erfassen
Nach dem göttlichen Tod im entflammtesten Kuß!
So haben mich die Jahrtausende gesehn:
Hochgebäumt über brodelndem Menschen-Weh.
Ich war ein Springquell, mein Blutstrahl fiel
In die tönende Muschel der Erde hinab.
Deingedenken doch war das Rot am Abendhimmel der Schlacht,
War im zehnfachen Tod die tastende Ewigkeit.
Komm und brich den Glanz deiner Schönheit
Lächelnd im Stromfall, wenn ich mich erdwärts ergieße!
Denn so wird die Welt den fliehenden Augenblick schön
Und ihr Abglanz spiegelt im Antlitz der Engel sich fort.
Stürze sie ab!
Geläuterter Widerschein sind wir, der entflieht.
Auf euere Neroschädel treffe dieser Fluch!
Euch war der Brudermord die beste Konjunktur,
Euch war der Börsenzettel die präzise Uhr,
Das Manometer, wo ihr grinsend — o verrucht —
In Ledersesseln mit umpolsterten Gesäßen
Den letzten Stand der Blut-Flut lächelnd abgelesen.
Ach, meine neue Welt, ich weiß ja keine Qual,
So tief an tiefer Zeit, so weit an weitem Raum
Und meinen großen Fluch, o Fluch! erreicht sie kaum.
Denn schnürte ich euch auch an jeden Marterpfahl
Und bräch mein heilig Zorngefäß an euch in Scherben,
In tausend Blitzen könnt ihr doch nur einmal sterben!
Drum seiet ihr — ich will’s! — der Ewigkeit erwählt!
Daß immer neu die Rache in Erfüllung geht,
Sei euch der Tod die Stunde, wo ihr aufersteht
Zu einem Leben, das gleich tausend Leben zählt.
Aus jedem Euter sollt ihr euch das Sterben melken.
Mit jedem Grashalm, jedem Blatt sollt ihr verwelken!
Ich schmeiße euern Balg in jeden Erdvulkan,
Ich warte, bis sein Ekel ihn zu Rande speit,
Ich stürz ihn neuerdings in Glut und Flammenleid,
Laß ihn hinab, zieh ihn empor wie Last am Kran
Und will mich höhnisch in ekstatischem Ergötzen
An seinen Tantalqualen tausend Jahre letzen.
Ihr trankt der Brüder Blut aus tausendfachem Kelch,
Verspeistet auch sein Herz und wurdet fett.
Nun reiß ich’s euch aus klirrendem Skelett
Und werf es weit im Schnee der Arkten vor den Elch,
Damit er’s schlinge; daß im Gallenschleim es ende.
Vielleicht auch findet es den Weg der Exkremente.
Ich denke mir die Quellenstollen tief genug;
Zehn Menschenalter sein sie finsterstes Verließ,
Worin euch meine Faust von Schacht zu Schächten stieß,
Erschaffend euch in jeder Ferne einen Trug
Von Luft, Eratmung, hellem Glanz der Tageslichter:
Doch meine Schlangen gürten eure Brüste dichter.
Auf jedes Rad, wenn sich’s im Staub der Rosse bäumt,
Sei euer morscher Leib mit Strippen festgespannt,
Aus jeder Rille, Hufesspur, dem Tritt im Sand
Aufquelle euch ein Born von Blut, das schäumt,
Und fülle eure Mäuler, peste auch in Nasen:
So will ich mit euch durch die neuen Welten rasen!
Nimm doch zurück, o Gott, in deine Stadt
Von Jaspismauern, Häusern roten Golds,
In heiliges Gezelt aus schmiegsam Zedernholz,
So uns dein Grimm, o Gott, gesendet hat:
Der Kräfte, Mächte, Engel Siebenzahl,
Die auf uns geußen Schalen wilder Qual.
Sieh, unsre Scheitel flammten auf und aschten grau!
Was je in Schmerz geboren aus dem Weib,
Wir decken ja mit blutbeströmtem Leib
Das Kraterland der Erde; Blut ist Tau,
Der alle Kelche füllt, aus Keltern träuft.
Geschlecht der Sünde ward zum Tod gehäuft.
Wo ragt das Schloß, das du erbauen wirst
Aus Schläfenquadern: Haus der Menschheitsnot?
Auf kahlen Straßen treibt der Kärrner Tod
Den Maultierkarren, der von Schädeln birst.
O düsterer Karren Karawanenzug!
Der Krähen Volk zieht mit, die Nacht im Flug.
In Höllengängen, wo Entsetzen Odemgift
Aus dickverknäulten Brüdermassen zeugt,
Im Rumpf des Schiffes, das dein Wehen beugt,
In Tempeln ist es, wo dein Schwertstreich trifft.
Wir finden auf der Erde, die wir groß geglaubt,
Nicht ein Versteck für dieses Dornenhaupt.
Kein Baum, wo im Geäst nicht wehend trieb
Ein Absalon im letzten Stolz, kein Stein,
Darunter nicht im Dunkeln das Gebein
Der Mensch-Skorpione dorrte. Warum schrieb
Dein Finger eine Sichel nur ans Firmament?
Zulang die Ernte! — Ende ohne End.
Wie würgten Adler, Löwe ja und Stier
In uns, o Gott, und knieen vor dem Lamm,
Der weißen Wolke, die aus Nacht herfür
Die Sonne deckte am gekreuzten Stamm!
In zwanzig Zungen, Menschheit schreit zum Herrn:
Auf reiner Schale reiche uns den Morgenstern!
Herzschlag ist nirgends, doch Pochen der Maschine, doch Stundenschlag.
Odem ist nirgends, doch Qualm der Fabrik, doch Giftgas.
Sklavenrücken auf Schweißspuren mürrisch geschleppter Last
Tragen den Fluch in Wüsten, ferne den Tempeln, hinaus.
Dein Urgrund, o Mensch, ist Saatacker voll Unkraut und Moorsumpf,
Ist Kammer voll Lava,
Ist Bergwerk gestauter Nacht,
Ist Tümpel des Drachen, ist Einöde der Schlange —
Und Herdes Dumpfheit entsendet im Rauch
Heillose Wechselgestalt des Seins.
Sein, das in Kerkern liegt, treibt alpdrückenden Traum aus Licht.
Völkerwanderungen, Untergänge, Sturz der Babeltürme, Fluten
Geschlagener Heere auf Straßen, die Bäche des Blutes entlang:
Dumpfer Widerstreit deiner Triebe gebiert die Phantome der Schlacht.
Maschinengespenster mit hurtigem Arm: es schuf sie die Angst.
Gier stiebt auf in den Mückenschwärmen der Pest.
Aus rotem Blut hat dein Traum die Fahnen des Aufruhrs gehißt.
Tempelwinkel der Seele aber, Altartiefe sollst du mir enthüllen,
Verlorenen Weihrauchduft und zerbrochenen Heiligenschein,
Vergessene Heimlichkeit, Kniebeugen der Sehnsucht, die Liebe,
Dein Göttliches, deine stille Morgenschönheit, deine Psalmmelodie,
Das Schneeskleid deiner Lammesgüte, den Blumenhauch, dein Herz!
Erde, o Erde,
Wer hieß uns wandeln auf Blutäckern, auf Leichengefild,
Wer hat uns zum Dünger bestellt
Für Saatfrucht des Morgen, die eigenem Samen entsprießt?
Zackiger Flügelschlag des Drachen
Und sein Doppelstrahl aus goldenen Nüstern,
Purpurbeschlagener Rachen des Löwen und Tigersprung,
Schillernd herkriechende Schlangennähe und Ebers Zahn,
Brüllende Zorngiere gehörnter Ure, Auswurf verschmitzten Lamas
Und plattfüßig gewälzte Wucht der Bäre,
Und Stachel und Biß und Hieb und Hinterhalt,
Wurf, Stich, Überfall, Angriff — Erde, o Erde:
So drohet die Geste, mit der du dich gegen uns Schollensöhne erhobst,
So sengt, brennt, giftet das Kleid deiner Feindschaft,
So zündet der Glanz deines Harnischs, in Bilder der Angst zerträumt.
Heillosestes Bild, du bist es uns — Mensch! — —
Da schält uns Sonne aus Mitleidshüllen des Schlafs
Und zieht uns im Strahlglanz aufs Festland der üppigsten Schlacht.
Von Wunden löst sie das leichthin getrocknete Siegel
Und zahllos — im Bogen gekreuzt —
Ergießt sich heiliger Springquell des Bluts.
Erde, o Erde,
Wo retten wir hin
Ärmliches Unsgehören des Schlafs?
O nähme Wipfel der Esche uns auf,
Daß Sterne fielen in heiter beruhigten Traum
O bettete See uns kühl, wo hoch die Glocken
Aus Türmen läuten im grünen und goldenen Strom,
O schliefen wir fort an Brüsten der seligsten Frau,
Von Kindheitsliedern unendlich gewiegt! —
Doch sollen wir träumens noch wissen,
Wie grimmig wir tags uns mähten
Zu Dünger — zu Speise des Kots.
Aus Tiefen grellt auf
Funke gezückten Schwerts.
Schlachtlärm tost in der heulenden Schnecke des Ohrs
In Augen bricht nieder
Stützen von Leibern quer weg über Lanzen
Und Rücklingsbäumen von Pferden mit schmerzhaft geblecktem Gebiß.
Erde, o Erde!
Blut ist dein Trank,
Fleisch ist hehre Speise deinem Mund.
Dein Glanz, das Weltall durchdämmernd,
Ist Glanz der Schwerter, geschwungen von Menschenhand.
Dein Brausen auf blauer Sonnenbahn
Ist Donner der niebeendeten Schlacht.
Im Säulendrehn dein goldener Himmelsrauch
Ist Opfergruß des getränkten Altars.
Warum fällt denn nicht die Sonne, Herr, aus deiner Hand?
Warum stürzen nicht im Strom der Falten
Weithin klirrend die Gestirne nieder?
Warum zittern nicht die fluchverwiesnen Erden,
Dunkeln blutbeströmt beschämte Monde nicht?
Warum welken nicht, vom Aschenatem angeweht,
Bäume, Gräser, wie vom Wurzelwurm zernagt?
Warum lodert nicht der Liebe Kuß verzehrend
Flammend auf?
Warum dorrt die Frucht im Kelch der Frauen nicht?
Warum stirbt denn nicht im Tröstermund dein Gotteswort?
Gott der Wüsten, du bist überlistet!
Hast du nicht die sieben Farben einst ans Firmament gesetzt,
Kündend, daß die Flut nie wiederkehre! —
Doch es war nicht ausgemacht, ob Wassers, ob des Bluts,
Und wir haben dich mit unserm Blut betrogen, Herr!
Sieh, aus Flüssen, aus Kanälen quillt’s,
Aus den Ritzen des Planeten wie aus dorngekröntem Haupt!
Denn gespiegelt sieht, o Herr, dein Ebenbild
Lauernd Mensch im andern und sein Haß auf dich
Treibt verwirrten Triebes splitternd zu zerschlagen
Jenen Spiegel, fortzuscheuchen
Schreckendes Phantom.
O er trug ja welke Last des Daseins lang auf Schultern,
Tempelschüler war er aller abgelebten Alter,
Ward gelangweilt, ach, mit deiner Götzen
Pfauenäugig bunter, ungezählter Schar,
Ward von jedem grauen Wahn in Schlangenkreisen
Tausend Jahre lang umhergenarrt.
Hoch auf Wolken türme sich, o Gott, dein nah Gericht!
Wehe Völker recken tausend Arme
Brünstig deinem flammennahen Blitz entgegen,
Gieren Nacht und Tag um Gnade der Zerstörung,
Auszutilgen, was sich selbst mit Gram belud,
Auszurotten, was sich selbst sein Gift gebar,
Auszulöschen, was sein eignes Fleisch geschändet.
Schall des Endes, wenn erhobene Posaunen
Aus vier Winden letzten Gang verkünden:
Töne bald und breche berstend in den Chor
Dröhnenden Gemordes, ins Gebraus
Dunklen Blutes, das an Säulen brandet
Morschen Tempels
Totgeglaubten Gotts.
Es werden sich die Posaunen des Gerichts erheben.
Aus einer Wolke, die sich erdwärts neigt,
Ragen die schlanken, zuckenden Rohre —
Tausend sind es an der Zahl —.
Ihr Schall trifft lanzensteil, schwertschlank,
Die Gewänder der Bläser bauschen sich im Erzgebraus
Rund auf wie Schwanengefieder.
Über der Erde aufgeworfenes Hügelland
Ist wimmelnd hingebreitet alles Fleisch.
Ganze Völker, Sippen, Jahrtausende reihen sich hügelan,
Schultern von Frauen glänzen rhythmisch wie Wellenkämme im Meer.
Haar stammt auf. Blicke dämmern in violettener Nacht.
Und Schall der Posaunen nimmt sie auf stählernen Rücken,
Die Zonen der Luft sind angefüllt von sanfthinschwebenden Leibern.
Manche sind leicht, es trägt sie verschwimmendes Wolkenrot wie Rosenblätter;
Andere hanteln an flatternden Tüchern sich hoch.
Mütter bergen die Kinder in schützendem Arm,
Nackthineilende Frauen decken mit schattenden Händen
Die Scham.
Augen sind, in denen die Welt wie berstender Sternhimmel ineinanderstürzt,
Augen voll Schuld und traumvergessener Angst,
Greller, tagheller Wiederkehr verjährtester Tat.
Und keiner möchte
Der Erste sein vor dem Blitz aus der goldenen Wolke,
Männer mit Würdebärten drängen sich vor, weichen voll Zagens zurück.
Es stauen sich Völker, Mauern des Fleischs
Und Leiber sind angstvoll vermischt
Im Mantel der ungewissesten Qual.
Jenseits aber ist Stürzen in klaffende Tiefen,
Girlanden aus wirrvoll verschlungenen Körpern
Ranken aus helleren Tiefen ins Dunkel hinab.
Sünder haben die Hände vors schreiende Antlitz geschlagen,
Knie zerbersten, Rücken zerbrechen im schwindelnden Fall.
Loderndes Haar flammt züngelnd dem Feuer entgegen.
Sie stürzen mit Köpfen voraus.
Aus Mündern dünstet die bläuliche Wolke des Fluchs.
Wenn drunten dunkel die Posaunen brausen,
Als Sonnenstäubchen werde ich zum Lichtquell aufwärtsstreben.
Von feinen Händen fühl ich unter Schultern mich gefaßt,
Mich trägt ein Schwanenflügelpaar,
Der goldne Odem eines Engels überströmt mich warm.
Noch bin ich ganz von Schollenlast betäubt,
Noch kreisen Regenbogen hinter wehgeschlossnen Lidern
Glanzlichternd gleitet noch die grüne Schlange der Verwesung
Um meinen marmorn-abgekühlten Leib.
Ein Wiegenlied — unendlich tief, verschlafen —
Von Äolsharfen weit aus Pappelwipfeln hergeflockt,
Träumt mir im Ohre nach.
Ich schwimme müd-gestreckt im Fluß der Sonne.
Da fällt mich, den sein Schutzgeist trug,
Ein Nachtgespenst, ein fledermausgeflügelt Untier an.
Der Krallen Zwölfzahl — Monde sind’s, die aneinanderklirren —
Stürzt sich gleich Sicheln in mein trübes Fleisch.
Die Nüstern qualmen stinkendes Gewölk,
Das Maul bespeit mich frech mit Eiter, Schleim und Galle;
Erschrocken sehe ich in grausem Hundsgesicht,
In Augen, die wie Licht im Wind verflackern,
Die schlankgestreckte Landschaft meiner Sünden, Frevel Süchte.
Um mich tobt der Zweikampf.
Manchmal sinke ich hinab, es stürzt mit geiler Wucht
Des Bösen lastendes Gewicht auf mich;
Dann steige ich empor, vom guten Geist emporgerafft,
Sein silbern Flügelpaar verebbt in müder Luft.
Die müde Luft erklingt von hellem Kampf.
Um die Erstandnen rast die Schlacht entzweiter Mächte.
In sich verbissne Knäuel schweben hin.
Stürzt jetzt die Last in enger Krallenhaft zur Erde.
Schwebt sie mit ihrem Engel siegend auf?
Ich bin der Kräfte Spiel im schalldurchbrausten Meer.
Nun muß ich wie ein lastgebückter Riese
Die Trümmer meines Ichs von dannen schleppen;
Roll sie ins Meer, zerstreue sie in Steppen,
Daß keiner käme, meine Torheit priese.
Nun muß ich wie ein lastgebückter Riese
Die Trümmer meines Ichs von dannen schleppen.
Mein Babelturm ließ seine Wolkenfahne
Im Wirbelwehn der Sterne wütend kreisen.
Gewundne Treppen wollten aufwärtsweisen,
Dem wachen Hochmut seinen Himmelssteig zu bahnen.
Mein Turm des Ichs ließ seine Wolkenfahne
Im Wirbelwehn der Sterne wütend kreisen.
Doch fiel in müdern Stunden, sollt ich rasten,
Der Turm mit Schattenmacht auf Haupt und Glieder
Und beugte meinen Schlaf und warf mich nieder.
In meine Träume stürzt er seine Quaderlasten.
Es fiel in müdern Stunden, sollt ich rasten,
Der Turm mit Schattenmacht auf Haupt und Glieder.
Geschaffne Mauern wölbten mir den Kerker,
Doch oben brannten Sterne in den Haaren.
Wie sollte ich mein blassres Licht bewahren?
Kein Wirbelsturm der Täler tobte ärger.
Geschaffne Mauern wölbten mir den Kerker,
Doch oben brannten Sterne in den Haaren.
Da war ich’s selber, der auf der Altane
Mit schwurerhobner Hand den Blitz gerufen.
Er zückte nieder. Erker barsten, Stuben.
Zerworfner Schutt begrub die Wolkenfahne.
Da war ich’s selber, der auf der Altane
Mit schwurerhobner Hand den Blitz gerufen.
Nun muß ich wie ein lastgebückter Riese
Die Trümmer meines Ichs von dannen schleppen;
Roll sie ins Meer, zerstreue sie in Steppen,
Daß keiner käme, meine Torheit priese.
Nun muß ich wie ein lastgebückter Riese
Die Trümmer meines Ichs von dannen schleppen.
Es sind auch nicht all, o Gott, deine Gedanken
Nur Lämmer, von gütlicher Wärme beschneite,
Und dehnen nicht all sich
Nach seligem Tanz an Hängen von Klee
In süßen Schalmeiton des schläfrigen Monds.
In Pfauen auch denkst du
Und starrst in gespreizter Eitelkeitsgier
Aus Augen, in Fächern,
Vom Tempelteppich gewirkten Allsehens
In ewige Brunst des Lichts hinein.
In Tigers Kraft selbst dunkelt dein Groll,
Entflammt im Zinnober des Rachens noch Gier.
In Schlangen wirft Hinterlist metallischen Schimmers
So giftigen Ring vor ein ärmer Geschöpf.
Auch bist du ja Flamme und Lohe und Feuersbrunst,
Getümmelte Wogenherde, Zentaurenschar, Schlund,
Bist Zickzack und Blitz, Erdbeben, Vulkanausbruch,
Zusammenprall der Planeten, bist Untergang.
Doch wie du es bist, Gott: auch ich muß es sein.
O wandle mich denn in schwindenden Formen ab!
Denn Flamme schon war ich und Lohe und Feuersbrunst,
Erd-Erbeben — Vulkanausbruch — Untergang.
Als Tiger der Dschungeln ich trug
Im Nacken gefiederte Pfeile hinab,
Schweifte als Pfau an Tempelsäulen der Juno vorbei,
Lag lauernd geschmiegten Schlangenleibs
Im Schatten der lehmigen Diele zur Nacht. —
Gib Güte nun endlich,
Wärme des schneeigen Lämmerkleids!
Hülle mein Herz, o Gott,
In Sehnsucht der Hirtenschalmei!
Aus Unform, Irrform, Wirrform,
Aus Zwitterform und Aberform der Zeit
Schreitet in banger Zuversicht der neue Mensch.
Die Brodemnebel veraschter Leichenhügel
Sind unter ihm.
Die Meere gekelterten Bluts, die Ströme, die Schaum krönt,
Sind unter ihm.
Die Babeltürme versteinter Irrtümer
Sind unter ihm.
Er schreitet: mehr Stirne als Kinn, mehr Gott als Tier.
Im Zackengeklüfte der Felsen
Nur manchmal hört er das Echo
Verworrenen Brudermords, verjährten Totschlags.
Denn jung war er noch, als Donner verzückter Kanonen
Die alten Jahrtausende pomphaft zu Grabe geläutet.
Das war einmal:
Schwertertag und Lorbeersieg,
Klirrender Klingenkampf und Triumphglanz,
Das war einmal:
Irgendwo, fern, irgendwann.
Er schreitet in nacktem Verzicht.
Er badet sich rein
Im weißen Quell des Gedankens.
Er nimmt — lächelnd, großmütig und gütig —
Den armen Planeten in warme, umgitternde Hände
Und hebt ihn hinauf in den läuternden
Lichtstrom der Sonne, bettet ihn sanft in die kühlen
Heilenden Rosen der Morgenröte und wartet
Des dämmernden Tags.
Nicht wissen durchaus will er des Gestern.
Denn Gestern: Das ist ja gesammelter Fluch,
Geballtes Verhängnis, genetztes, tausendmaschig
Gefädeltes Schicksal. Nicht wissen will er des Gestern.
In Schutt sieht er stürzen
Dorische Säulen, Akanthus und gotische Fenster,
Gemauerte Schreie des Gottwahns verblichener Zeiten
Er fället der Götzen glanzbäuchige Hochmut
Und glüht in den Bränden des Alten sein jugendlich Herz,
Dies Pfand der Allmacht,
Die brausende Mitte des neuen, schaffenden Seins.
Und also weiß er zu beten: — Nichts über mir!
Im Anfang war ich. Ich werde im Ende sein,
Bin ich doch Tempel, Gott, Beter zugleich
Und krümme den Rücken so wenig der mummenumschanzten Hoheit
Als Lasten, die fremder Wille mir auflädt.
Ich bin so berechtigt als irgend ein Mensch.
Nichts über mir!
Frauen will ich nicht suchen gehn. Sie nahen allein!
In ihrem Lächeln der Wollust
Einschleichend wälzen sich früheste Alter der Erde
In unseren kornreifen, ausgeglätteten Sommertag.
Die List ihrer Buhlschaft reicht uns die rostigen Schwerter
Hellbrünstigen Zweikampfs. Besitzgier und Eifersüchte
Spornen in uns nichtigen Krämergeist, Hamstersorge.
Wütendes Morden des Fleischs,
Wer stiftet es anders, als die es gebar: Helena,
Die maskenschöne Mutter der irdischen Kriege?
Wer säh sich nicht vor!
Offenem Lichtkreis, neuem Sonnejahr
Rollt steuernder Kiel der Erde entgegen.
Noch sind alle Segel von blutendem Abend rot;
Im Brackwasser ertrinkt in tausend Rubinen zerstäubter Komet.
Tief-Schlummernder bin ich,
Da scheucht erster Strahl den Alpdruck der engen Kabine.
Mitternächtiger Wintertraum unter Dächern des Schnees
Kleidet vergessene Spiegel mit jauchzendem Lenzgrün aus,
Tollt mit zerfetztem Haar im Glanz die Alleen entlang,
Jubelt im Birkenwipfel des Hügels ein harfenes Lied,
Sinkt als Frühtau mit kreisenden Himmeln die Kelche hinab.
Im Golfstrom des Lichtes saust glühende Erde empor.
Mit herzhafter Kraft umgürtet die Sonne das taumelnde Rund.
Ihr Licht trinkt die haftenden Dämpfe des Blutes hinweg,
Ihr heilender Atem saugt Pestgift und Brandhauch in sich.
Nun steig ich hinauf,
Letzte Wendeltreppen,
Schattenlabyrinthe hinauf!
Trunkener Aufstieg peitscht schon die tummelnden Wogen des Herzens voraus.
Und ich stehe an höchstem Bord, auf fliegender Brücke am Steuerrad
Und winke die farbigen Vögel heran
Und winke Delphine heran
Und Fische mit silbernen Schuppen, mit güldenen Flossen
Und Haie und Wale und Robben und Rosse
Und alle geschäumten Wogen, die von den Polen schießen,
Und alle Sternbilder, auf schaukelnden Wassern an Bord gewiegt.
Der neue Mensch hält auf die Sonne zu.
Sein Herz umfaßt mit dem Strahlglanz den magischen Spiegel der Welt
Und jeglicher Atem strömt in den goldenen Becher zurück.
Mit ihm wird die Erde das fährliche Kap der Nächte umschiffen,
Krieg, Krankheit, Entzweiung, Verzweiflung umschiffen
Und Ekel der Wollust
Und Blutgier
Und Brunst.
Zermürbte Monde schon decken die Schädelstätte entfremdeter Nacht.
Träume versinken im Blachfeld der Not.
Alpdruck und Nachtmahr gurgeln im Sumpf hinab.
Denn offenem Lichtkreis, neuem Sonnejahr
Rollt steuernder Kiel der Erde entgegen.
All-Lebendes wandelt im Goldtau sein Herz
Und trägt es mir zu. Aus Palmenwipfeln
Wiegt sich fasanenbeschwingte Sehnsucht heran,
Aus Ranken der Beere dehnt es sich nah,
Zinnoberne Schnecken herkriechen auf silberner Spur.
Die Fahrt ist im Gang,
Die Erde im Brausen tönt selber Triumphgesang.
Folgt alle!
Ich steure die Arche auf goldener Flut!
Schon ist die Taube auf Wegen zu Gott voraus!
Johanni | 5 |
Ich — Du | 6 |
Dein Wesen ist über alle Welt zerstreut — | 7 |
Als ich im ersten Viertel des Monds — | 9 |
Es werde Licht | 11 |
Lied | 12 |
Liebesode | 13 |
Im Abenddämmern zwischen den Jahren — | 14 |
Der Kranke | 15 |
Nacht | 18 |
Ich komme aus meinen Träumen — | 20 |
So haben mich die Jahrtausende gesehn — | 22 |
Fluch | 23 |
Apokalyptisches Gebet | 25 |
Altartiefe sollst du mir enthüllen — | 27 |
Erde — o Erde | 29 |
Warum fällt denn nicht — | 32 |
Es werden sich die Posaunen des Gerichts erheben — | 34 |
Wenn drunten dunkel die Posaunen brausen — | 36 |
Trümmer | 38 |
Trost | 40 |
Der neue Mensch | 42 |
Die Fahrt | 45 |
Anmerkungen zur Transkription
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