The Project Gutenberg eBook of Lustreise ins Morgenland, Erster Theil (von 2)

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Title : Lustreise ins Morgenland, Erster Theil (von 2)

Author : Titus Tobler

Release date : April 19, 2017 [eBook #54573]
Most recently updated: October 23, 2024

Language : German

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The Project Gutenberg eBook, Lustreise ins Morgenland, Erster Theil (von 2), by Titus Tobler

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Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der 1839 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Ungewöhnliche, altertümliche und inkonsistente Schreibweisen wurden, auch bei Eigennamen, beibehalten, insbesondere wenn es sich um Übertragungen fremdsprachlicher Begriffe handelt oder diese im Text mehrfach auftreten. Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert.

Das gesamte Inhaltsverzeichnis beider Bände sowie die Liste der Verbesserungen befinden sich in der Originalausgabe lediglich am Ende des zweiten Buches. Der Übersichtlichkeit halber wurde das Verzeichnis des betreffenden Bandes an dessen Anfang gestellt, das Inhaltsverzeichnis des jeweils anderen Bandes dagegen an das Ende des Buches. Die Verbesserungen erscheinen am Ende des jeweiligen Bandes; diese sind, soweit sie vom Autor als relevant eingestuft wurden, bereits in das vorliegende Buch eingearbeitet worden.

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Original-Umschlag

Lustreise ins Morgenland.

Lustreise
ins

M o r g e n l a n d .


Unternommen und geschildert

von

Dr. Titus Tobler.

Erster Theil.


Z ü r i c h ,

bei Orell, Füßli und Compagnie.

1 8 3 9 .


Inhalt des ersten Bandes .

Seite
Reise nach Triest 1.
Mein Aufenthalt auf dem Eilande Lossin oder Ossero 10.
Fahrt nach Alexandrien 25.
Alexandrien.
Lage 58.
Gebäude 59.
Krankenhäuser 67.
Auch das Observazionsspital oder die Observazionshütten 70.
Die Katakomben und der Pferdestall 78.
Die Nadeln der Kleopatra und der Flohfänger 80.
Die Pompejussäule und die Schandsäule 82.
Die Nachgrabungen 85.
Leute. Bevölkerung 88.
Der Ritt zur Beschneidung 91.
Primarschule 92.
Die Zeichenschule 93.
Weiberhändel 95.
Geld und Geldnoth 97.
Das Schiff der Wüste 99.
Anleitung für den Reisenden 100.
Die Nilfahrt nach Kairo 104.
Kairo.
Lage der Stadt, Strich des Himmels und Gesundheitszustand der Menschen 134.
Die Stadt nach ihrer Bauart 140.
Das Schloß, der Jussufsbrunnen und die Grabmale von Kâyd-Bei 148.
Das Militärkrankenhaus 155.
Die Narrenmenagerie 157.
Die Stadt der Einäugigen und der Blinden 162.
Das öffentliche Bad 163.
Wie die Egypzier im sechszehnten Jahrhundert die Bäder gebrauchten 168.
Der Sklavenmarkt 173.
Das Katzenstift 177.
Gärten 181.
Die Esbekieh 183.
Physiologischer und psychologischer Karakter der Einwohner 184.
Tracht 194.
Speisen und Getränke 198.
Kaffeehäuser 204.
Schneller Justizgang 208.
Der egyptische Tanz 210.
Der Brautzug 213.
Der Leichenzug 216.
Der Straßensänger 218.
Der Versteigerer 219.
Der Barbier 220.
Der Lagerstellenmacher 221.
Der Glaser 222.
Der Schuhmacher 223.
Der Töpferwaarenflicker 224.
Die Missionarien 226.
Die Renegaten 228.
Müsterchen von Europäern in Egypten, oder ein Porträt über Kairo aus Europa 230.
Undank für treue Liebe 233.
Unter österreichischer Protekzion 235.
Meine Wohnung 236.
Meine Nahrung und Getränke 238.
Umgebung von Kairo:
Todtenstadt el-Seydeh Omm Kâsim 242.
Die Wasserleitung 244.
Altkairo und das armenische Kloster 246.
Das griechische Kloster und der Altar der h. Frau im koptischen Kloster 247.
Der Tempel A’mrus 250.
Der Garten Ibrahim-Paschas und der Nilometer auf der Insel Ruda 253.
Ausflug nach Heliopolis und Abusabel 258.
Geschichtlicher Rückflug nach Mattarieh 280.
Abenteuerlicher Ritt nach den Pyramiden von Gizeh 281.
Wegweiser in und um Kairo 295.
Rückblick auf Kairo 297.
Reise durch die Wüste nach El-Arysch 297.
Die Quarantäne in El-Arysch 321.

[S. v]

Vorwort.

Von manchen Seiten her wurde ich aufgefordert, die Beschreibung meiner Lustreise in das Morgenland der Presse zu übergeben. Ich hätte es vielleicht nicht thun sollen, — ich entsprach der Aufforderung. Wohl wäre es möglich, daß die Sache allzu leicht genommen würde. Es ist viel minder schwierig, zu reisen, als eine Reise, zum Behufe öffentlicher Mittheilung, zu beschreiben. Wer einzig zur Erholung herumwandern will, ferne vom Vorsatze, etwaige Wahrnehmungen, [S. vi] Beobachtungen und Erfahrungen ans Tageslicht zu ziehen, darf sich nur den Paß und dessen goldenen Rahmen verschaffen; legt er den Wanderstab hin, so verlangt man von ihm im Ernste kaum Rechenschaft darüber, ob er viel oder wenig, richtig oder unrichtig aufgefaßt habe. Umgekehrt verhält es sich mit dem Reisenden, der eine Beschreibung durch den Druck bekannt macht; das Wort ist nicht mehr sein eigen, sondern Gemeingut der Leser, der Gewährsmann wird in die Schranken des öffentlichen Gerichtes gerufen.

Ich sehe gut die weithin langenden Folgen meines Versprechens, und gleichwohl rücke ich heraus mit meinen Tageblättern. Wenn ich die Aufforderung recht verstanden habe, so will man, ohne meine wirklichen Mühseligkeiten, im Geiste mir nachreisen; man erwartet keine neue Entdeckungen weder aus der Vor-, noch Mitwelt, weder in Beziehung auf die Kenntniß des Himmels, noch der Erde, weder ihrer Bewohner, noch Hervorbringnisse; man will Bekanntes in einem traulichen Kreise zusammenplaudern; man denkt billig genug, [S. vii] daß ein Lustreisender, der in einer Spanne Zeit drei Welttheile berührt, der Wissenschaft keine Dienste leistet. Ich rücke darum mit meinen Tageblättern heraus, weil die Erwartungen nicht über meine geringen Ansprüche hinaufreichen .

Aber warum wurde denn die Beschreibung nicht zeitungswarm geliefert? So höre ich die Frage an mich richten. Mit einer Antwort bin ich keinesweges verlegen. Ich mochte nun einmal nicht in den bestaubten Reisekleidern unter so anständige Leute treten. Weil es anders nicht schicklich gewesen wäre, so begann ich den egyptischen und palästinischen Staub herauszubürsten. Freilich da merkte ich bald, daß in meinem Heimathlande nicht mehr die stillen Klostermauern mich umfangen; ein Hinderniß häufte sich auf das andere. Das Reise-Tagebuch lag neben meinem Krankenbuche, und Jedermann weiß, daß die Leidenden in der Regel durch etwas ganz Anderes genesen, als durch Schildereien aus dem Leben eines Pilgers. Kurz, ich stellte die Reisebogen in den Hintergrund, und [S. viii] widmete meine Feder vorzüglich den Tageblättern für meine Kranken. Doch nach und nach schaffte ich, so gut es in der vielzersplitterten Muße gehen wollte, wenigstens einige Ordnung, daß ich nun endlich die Schwelle des Hauses verlasse, um — der Geneigtheit und Nachsicht der Leser mich zu empfehlen.

Lutzenberg , im Appenzeller-Lande,
an Ostern 1839.


[S. 1]

Reise nach Triest

Am 22. August 1835 trat ich, vom schweizerischen Kanton Appenzell aus, meine Reise an. Sie nahm ihre Richtung über den Arlberg, über Insbruck, Bozen, Trient, Vicenza, Padua und Venedig nach Triest. Ich werde diese Reise durch eine Gegend, welche, so zu sagen, nur einen Sprung weit von meinem Heimatlande entfernt ist, nicht näher berühren. Ich erwähne bloß, daß ich dießmal mit ungleich mehr Zufriedenheit durch diesen Theil Welschlands reisete, als im Jahre 1826, wohin ich von Wien aus einen Abstecher gemacht hatte. Ich wählte vorzüglich italienische Wirthshäuser, und die Wahrheit heischt von mir das Bekenntniß, daß ich nicht den mindesten Grund zu Klagen über Betrügereien in denselben fand. Niemals handelte ich mit den Wirthsleuten zum Voraus die Mahlzeit ab. Bei deutschen Wirthen dieses Landes befand ich mich eher schlimmer. Zank und Streit mit zwei Vetturini waren ganz unsere Schuld, oder vielmehr die meines Reisegefährten, eines Kroaten, der weniger bezahlen wollte, [S. 2] als wir bereits schon übereingekommen waren. Es bot ein rührendes Schauspiel dar, wie ein Vetturino nur das Seinige verfechten mußte. Wenn die Deutschen oder wenigstens die deutsch Redenden auf diese Weise fortfahren, es dürften sich traun die italienischen Vetturini brüsten, um dem deutschen Uebermuthe die Flügel zu stutzen. Die Deutschen, welche nach Italien reisen wollen, hauen darum leicht über die Schnur, daß sie auf erster Linie mit den Schlechtigkeiten der Italiener allzusehr sich vertraut machen, statt daß sie es sich angelegen sein lassen, die Gedanken in ihrer Sprache auszutauschen. Der Deutsche, gewohnt, beinahe in jedem schlechten italienischen Gewande eine schlechte Seele zu suchen, richtet auch nach dieser, über das Gebirge geschleppten vorgefaßten Meinung, die Behandlung des Italieners. So wie aber dieser wahrnimmt, daß der Fremde an ihm keinen grünen Zweig erblickt, mag es ihn freuen, daß der Reisende sich ja nicht täusche.

Den 29. August.

Ich langte in der überaus lebhaften Handelsstadt Triest an. Meine Empfehlungen an dasige Häuser thaten erwünschte Wirkung. Ein Landsmann gab Anleitung zum Einkaufe der für die Seereise nöthigen Effekten. Ein jüdisches Haus kam mir zuvor, um später den Aufenthalt in [S. 3] Alexandrien mir angenehm zu machen, und versah mich mit Schreiben, damit mir die Reise nach Egypten in finanzieller Beziehung gesichert werden sollte.

Sechs Tage mußte ich warten, bis ein Schiff unter Segel ging. Mein Vertrag mit dem Kapitän, Herrn Simon Budinich aus Lossin, wurde doppelt ausgefertigt, und in demselben ausdrücklich bemerkt, daß ich freie Hand behalten wolle, wenn zur bestimmten Frist die Abfahrt nicht erfolgen würde. Der Vertrag beschlug übrigens, um nach Landart zu sprechen, nicht bloß Logis, sondern auch Kost.

Donnerstag den 3. September.

Ich ließ mein Bett, (ein Kissen, eine Stramatze [ Stramazzo , Matratze], eine Wolldecke, [Kotze], zwei Leintücher) und meine übrigen Effekten an Bord bringen. Vom Kai holten sie unsere Matrosen ab, ohne daß ich mich vor der Hand weiter darum bekümmerte. Abends neun Uhr rief ich den Matrosen unsers Schiffes, il Giusto . Gleich ruderten sie mir entgegen, und ich nahm Abschied vom Lande. Frohmüthig bestieg ich meine neue Behausung. Mein Auge weidete sich zuerst an dem Walde von Mastbäumen und an dem sternenreichen Himmel; dann trat ich in die Kajüte, wo ich meine Effekten in Ordnung fand. Ein fester Bursche, der Buchhalter ( scrivano ), saß eben [S. 4] an einer wohlbesetzten Tafel; ein mit rothem Wein gefülltes Glas wurde nicht selten von seinem Munde magnetisch angezogen. Derselbe plauderte an Einem fort anmuthig und offenherzig; er nannte ohne Umschweif die Regierung von Triest eine strenge. Als er inne ward, ich sei ein schweizerischer Republikaner, gab er Freude zu erkennen. Im Politischen faßte ich mich kurz. Ich suchte darzuthun, daß die Regierungsform nicht immer wesentlich die Wohlfahrt eines Volkes untergrabe oder begründe, und fügte hinzu, daß die Schweizer im Allgemeinen zufrieden leben. Ich sprach mit einer Mäßigung und Zurückhaltung, daß kein Schein da war, als wolle ich den Republikanismus außer meinem Vaterlande verkündigen.

Die Kajüte gefiel mir; blau angestrichen und geräumig; in der Mitte ein Tisch, ringsum Stühle und ein Kanape von hartem Holz. Zum Ueberflusse eingerahmte Bilder: hier das Sinnbild der Dreieinigkeit; dort ein pausbäckiger Zweimaster mit österreichischer Flagge; ferner weibliche Schönheiten aus allen vier Welttheilen. In einer Ecke ein Käfich mit zwei Kanarienvögeln. Für mein Lager war zur Seite der Kajüte ein Kasten, den man cuccietta nennt, und der durch zwei Flügelthürchen verschlossen werden kann. Der Kapitän hatte noch ein besonderes Schlafgemach, welches durch Thüre und Vorhang von der Kajüte getrennt war.

[S. 5]

Um zehn Uhr sollte der Kapitän ankommen; allein die Vergnügungen auf dem Lande fesselten ihn über die Zeit. Mich überfiel Schläfrigkeit; ich begab mich zu Bette, nicht ohne einige Besorgniß, auf einem Lager, welches durch seine Weichheit sich nicht zum Besten empfahl, nur mit Mühe den Schlaf zu finden. Bald langte der Hauptmann mit meinem Reisegefährten an. Es dauerte nur noch kurze Zeit, und ich schlief.

Den 4. September.

Nach Mitternacht hörte ich lautes Getrampel. Die Matrosen waren beschäftigt, das Schiff in segelfertigen Stand zu stellen. Erst in der Frühe wurden die Segel dem Winde gegeben. Doch wir mußten zuerst laviren; denn einiger Proviant und das unter polizeilicher Aufsicht gelegene Schießpulver waren noch nicht eingetroffen.

Ein zureichender Grund bewegt mich, meinen Reisegefährten Cesare nicht bei seinem Familiennamen in den Kreis meiner Leser einzuführen. Aus einem großen Dorfe bei Mailand gebürtig, studirte er in Pavia, hielt sich als Apothekergehülfe in Venedig, und die letzten vierthalb Jahre in Triest auf. Er theilte mir, auf verdankenswerthe Weise, eine Reisebeschreibung, Viaggio in Siria e nella Terra Santa von Giovanni Failoni ( Verona, 1833, Pietro [S. 6] Bisesti ), mit. Ein anderer Passagier blieb zu nicht geringem Verdrusse des Schiffmäcklers aus, wiewohl er sein Jawort zur Abreise gegeben hatte. Er war ein Deutscher, dem Vermögen nach unabhängig, und nur Reiselust entzog ihn seinem Familienschooße. Wenige Tage vor meiner Abreise erhielt er aus Kairo Nachricht vom 31. Juli, daß dort die Cholera herrsche, und eines Mehrern bedurfte der bewegliche Mann nicht, um den Reiseplan vorläufig auf sich beruhen zu lassen. Mittlerweile lief noch denselben Tag, auf welchen unsere Abreise festgestellt war, ein Schiff von Alexandria ein, mit der günstigen Zeitung, daß der Gesundheitszustand in Egypten befriedigend sei. Von Hezels arabische Grammatik, aus der freigebigen Hand des zurückgebliebenen Deutschen, war wohl ein geringer Ersatz für eine Gesellschaft, auf die ich vergeblich mich so lebhaft freute.

Der Kapitän, ein starkbärtiger Mann, von gedrungenem Körperbau, noch nicht dreiundzwanzig Jahre alt, war nicht ohne Bildung. Er sprach etwas Französisch, benahm sich Anfangs zuvorkommend, und beantwortete willig die Fragen, welche dem Reisenden auf der Zunge liegen. Die ganze Bemannung des Schiffes machte keinen widrigern Eindruck, als die Floßknechte, mit denen man auf der Isar und Donau von München nach Wien reist.

[S. 7]

Der erste Ort, der mir an der Küste auffiel, war das Kap von Istrien ( Capo d’Istria ). Ein langes Gebäude bezeichnet das Gefängniß. Dann Isola auf einer Landzunge; la Punta del Salvore. Die Nacht war herrlich; der Mond verbreitete sanft seinen himmlischen Glanz über das schweigende Meer. Triest war noch nicht verschwunden; man erblickte immer noch seinen Leuchtthurm.

Den 5. September.

Endlich sieht man nichts mehr von Triest. Die Luft regt sich ein wenig, und wir machen dabei einige Fortschritte. Das Schaukeln des Schiffes vermochte mir leichten Schwindel zu verursachen, der sich nach einem Trunk mit Rhum vermischten Wassers sogleich verminderte. Ich glaube, die sattelfestesten Legitimisten könnten auf dem Meere Schwindelköpfe werden. Mittags kehrte mein Taumel zurück, und ich fand für gut, mich während des Mittagessens mit der einen Hand am Tische zu halten. Uebrigens schmeckte mir die Suppe vortrefflich, und gleichzeitig erging sich mein Auge an den Mehlperlen, weßwegen sie Paternoster genannt wird; auch mußte ich über die Suppe lachen, daß sie, in allem Ernst, mir im Teller die Ebbe und Fluth des Meeres anschaulich machte. Unsern Cesare wollte der Schwindel ebenfalls übernehmen, er verließ den wohlbedeckten Tisch, [S. 8] und begab sich auf das Verdeck. Der Sirocco (Südostwind), der heute ziemlich stark blies, rieth uns, von der Küste sich mehr zu entfernen, so daß man den Küstensaum in Osten, als einen Spiegelrahmen, wohl wahrnehmen, aber keine Ortschaften unterscheiden konnte.

Den 6. September.

Ein eingetretener Nordostwind brachte uns über Nacht beträchtlich weiter. Wir näherten uns ziemlich dem Ufer. Des Morgens erblickte man zur Linken, uns gerade gegenüber, den hoch über die Hügel emporragenden Berg Caldiera; dann südöstlich das Promontore, wo bei Nacht den Seeleuten eine Laterne leuchtet, und wo wir bald vorbeigeschifft waren; ferner deckte den Hintergrund, in der gleichen Richtung, der Monte d’Ossero, eine breite Bergkuppe, der erhabenste Punkt des Eilandes Lossin. Jenes Promontore bildet den südwestlichen Grenzwinkel des Festlandes, von Istrien. An dem Promontore vorbei; und es beginnt das Mare Ouarenaro, an dessen Ende die Stadt Fiume liegt; auf diesem Meere schlugen die Wellen wilder gegen das Schiff. Nach dem Zeugnisse der Seemänner macht das Ouarenaromeer, im Winter, wenn der Nordwind ( tramontana ) brauset, die Schifffahrt sehr schwierig. Ich genoß kaum je in meinem Leben so entzückende Augenblicke, [S. 9] als an diesem Morgen. Majestätisch jagte unser Giusto die tobenden Wellen aus einander, die selbst auf das Verdeck stoben. Der Anblick der entstehenden und gleich wieder verschwindenden kleinen Hügel und Thäler war zu köstlich. Süß verschmolzen vaterländische Erinnerungen in den wirklichen Genuß der Seereise.

Ich vernahm, daß in der Nähe des Promontore eine alte griechische Kolonie ihre Sprache und Sitten beibehalten habe. Ich gedenke dessen nicht, weil ich glaube, etwas Neues zu schreiben, sondern weil es mich nicht minder ansprach, als die Thatsache, daß, in der Nähe von Verona, die Bewohner der Sette comuni, als Abkömmlinge deutscher Auswanderer, noch ein deutsches Sprachgerippe reden, obschon sie von der italienischen Sprache umringt sind.

Wir geriethen in eine Inselgruppe: zur Linken Unie, Canidole, zur Rechten die kleine, jedoch nicht minder merkwürdige Insel Sansego, weil sich auf ihr keinerlei Gestein findet, während der Archipel gleichsam nur Steinhaufen vorstellt. Aus Sand und wenig Erde bestehend, wird diese Insel von ungefähr fünfhundert Einwohnern zum Weinbau benutzt, die sich in der Zwischenzeit mit dem Fischfang abgeben.

Den 7. September.

Nach dem Erwachen stellte sich zur Rechten die Insel [S. 10] Pietro di Nembo, und östlich im Hintergrunde eine bergichte Küste dar, welche zu Kroazien gehört. Noch Vormittag erreichten wir den sogenannten Hafen von Lossin grande.

Mein Aufenthalt auf dem Eilande Lossin oder Ossero.

Lossin interessirte mich ungemein, weil mein Auge so viel Fremdartigem begegnete. Das ganze Eiland besteht aus Kalkstein, der an den meisten Orten nackt hervorguckt. Er lagert sich schief von Westen nach Osten, und öffnet kleine Buchten oder, mit andern Worten, natürliche Häfen in Menge. Derjenige in Lossin grande gewährt ziemliche Sicherheit vor dem Ungestüm des Windes, faßt aber bloß drei größere Schiffe ( bastimenti ). Um so geräumiger dagegen ist der Hafen von Lossin piccolo, der wenig zu wünschen übrig läßt. Zwischen den so zahlreichen Steinblöcken, welche der Insel ein ziemlich ödes Ansehen verleihen, erscheint hie und da eine röthliche Erde, welche, obwohl sie nie gedüngt wird, leicht hervorbringt. Die Vegetazion überraschte mich besonders. Fast überall stark- und wohlriechende Pflanzen, welche den freigebigen Süden begleiten. Wenn ich ausging, so war es meine Wonne, einen wohlriechenden Strauß zu pflücken. Die Einwohner selbst scheinen durch die Gewohnheit für die Genüsse, welche [S. 11] die Flora darbietet, unempfänglich geworden zu sein. Nirgends sah ich auch nur einen Blumentopf; nirgends ein Mädchen mit einer Blume oder einem Strauße geschmückt. Unter den angebauten Gewächsen stehen der Oelbaum, der Feigenbaum und die Rebe oben an. Beinahe so oft ich den Oelbaum betrachtete, trug die Phantasie mich in das gelobte Land, wovon das Buch aller Bücher so viel Denkwürdiges erzählt. Vor allen andern ein zahlreich gepflanzter Baum, bemüht er sich an den Abdachungen Lossins, von den Steinen den Charakter der Traurigkeit auszulöschen. Das Lossiner-Baumöl ist sehr gut, und soll selbst demjenigen von Lucca nicht nachstehen. Hundert Pfund (zu 16 Unzen) Oliven geben beiläufig vierzig Pfund Oel. So rechnen die Leute. Außer, daß die Feige frisch gegessen wird, vermengt man sie auch mit Gewürz und bereitet eine Art Teig, der in etwa vier Zoll hohe Kegel geformt und dann an der Sonne getrocknet wird. Man nennt diese Mischung Feigenbrot ( pane di fichi ), und wird im Winter als Leckerbissen genossen. Auf die Rebe wird möglichst wenig Sorgfalt verwendet; man enthebt sich der Mühe, sie zu pfählen; nur an wenigen Orten wird sie etwa an einer Mauer aufgezogen; sie kriecht daher auf dem Boden fort, wie der Himbeerstrauch. Bei meiner Anwesenheit war die Weinlese zum Theile schon vorüber. Die gesammelten Trauben bringt [S. 12] man in einen Schlauch, von der Gestalt eines mißgeborenen, ausgestopften Kalbes. Es ist recht drollig zu sehen, wie die Weiber solche Mißgestalten auf ihren Köpfen tragen. Der Sack ist in der That nichts Anderes, als das Fell eines Ziegenbockes, welches ganz nahe geschoren, gleich hinter den Vorderbeinen ringsum abgeschnitten und dann umstülpt wird. Die den Hinterbeinen und dem Schweife entsprechenden Oeffnungen zugebunden, wird das abgezogene Fell bloß mit dem Athem aufgeblasen und an der Luft getrocknet. Hierin liegt alle Kunst der Sackbereitung. Der Wein ist stark, aber herbe, schwer, etwas bitterlich. Es gibt auch sehr guten, süßen und geistigen Wein, dessen Bereitung aber auf besonders delikate Weise geschieht, und der nur auf die Tafel fashionabler Lebeleute gesetzt wird. Als Seltenheit wächst auch der Dattel-, Granat-, Zitronen- und Pomeranzenbaum.

Lossin grande wie piccolo bieten kein übles Aussehen. Die Häuser sind von Stein gebaut; das Wenigste daran von Holz. Die Dächer bestehen aus Hohlziegeln. An einigen Häusern Rinnen, durch welche das Wasser ins Innere der Wohnungen zum Hausgebrauche geleitet wird. Von andern aber rieselt das Wasser in der Rinne, wenn es nicht in Kübeln aufgefangen wird, auf die Straße herunter, wo es fortfließt, um bei starkem Regen ein ordentliches Bäch [S. 13] lein zu bilden. Auf Brunnenquellen würde man sich umsonst trösten. Ihre Stelle vertreten Ziehbrunnen. Nicht von allen Häusern erheben sich Kamine. Im Freien, an den Eckmauern der Wohngebäude sah ich an vielen Orten eine Art Herd. Die Mauern schienen mir sehr fest, wozu sich der harte Kalkstein vortrefflich eignet, und der Mörtel zeichnet sich durch Güte aus. Ueberhaupt mögen hier die Mauern viel länger halten, als in nördlichen Gegenden, wo die Kälte unermeßlichen Schaden anrichtet, wie besonders das Jahr 1830 bezeugen kann. Um Gassen anzulegen, wurde an vielen Orten nur der Kalkfelsen ein wenig ausgeebnet. Sie werden länger dauern, als anderwärts die auf’s kunstreichste und kostbarste gepflasterten Straßen. Allein sie laden eben nicht am freundlichsten ein. Die spitzigen Geschiebsteine schneiden beinahe in das Leder der Schuhe, und leicht gleitet man auf den Flächen des Felsen — nicht in den Himmel, wohl aber auf den Boden. Besonders mühsam wird das Gehen außer den Dörfern. Wer einmal in der Schweiz einen recht steinigen, doch bessern Bergweg wandelte, kann sich das Gehen auf den hiesigen Landwegen gar leicht vorstellen. Ueber große Unreinlichkeit auf Plätzen, Wegen u. s. f. könnte man gerade nicht klagen. Keine Misthaufen. Das Vieh ist aber nicht zahlreich; wenig Kühe werden gehalten; am meisten noch Schafe und [S. 14] Ziegen. Letztere haben lange, seidenartige Haare und liefern einen schmackhaften Käse. Nur ein einziges Pferd nahm ich wahr; es ritt darauf eine kranke Frau, sich Bewegung zu verschaffen. Ein Fuhrwerk rollte schon gar nicht vorüber. Es zieht sich zwar eine schmale Straße von dem großen Lossin nach dem kleinen, die allerdings fahrbar wäre, wenn man auf eine Lustfahrt Verzicht leisten wollte. Es darf übrigens nicht unerwähnt bleiben, daß auch hier die französischen Umwälzungsmänner eine Spur ihres Wirkens zurückließen, indem sie diese Straße bauten. Andere, als solche Thiere, welche der Hauswirthschaft, so zu sagen, angehören, sind selten.

Um die Bewohner zu beobachten, war mir Mariens Geburtstag willkommen. Soll ich im Namen Lossin grande beklagen, daß die dortigen Frommen die obere Kirche nicht ausfüllten? Wie ich in das Gotteshaus trat, spielte eine Musik, die hätte zum Tanze ermuntern können. Erst als die Orgel ertönte, hob eine ernstere Melodie an. Die Frauen knieten bald auf den Boden, bald ließen sie sich auf die Fersen nieder, andere saßen auf dem Boden, indem sie die Füße auf einer Seite an sich zogen, noch andere kauerten bloß auf einer Ferse, und streckten den andern Fuß vorwärts, daß das Bein der Länge nach auf dem Boden ruhete. Uebrigens wußten sich alle gar züchtig niederzu [S. 15] setzen. Man durfte wenigstens drei Viertheile Frauen auf nur einen Viertheil Männer annehmen: ein Mißverhältniß der Leute beiderlei Geschlechtes, das später klar wird. Ein ziemlicher Theil Frauenzimmer war gar schön aufgeputzt, und ihre Andacht spendete dann und wann einen Blick auf die Seite in die Welt, und vermochte ein weltliches Schmunzeln nicht zu überwinden. Die Zahl der Priester fiel mir auf. Das große Lossin zählt zu seinen 2400 Einwohnern vierzehn Priester, darunter vier, welchen die eigentliche Seelsorge obliegt. Einige Male traf ich einen alten, gutmüthigen Priester auf der Straße: seine Kleidung lieferte einen ansehnlichen Beitrag zu Löchern und Lappen, das heißt, zur Bescheidenheit und Demuth.

Die Leute kleiden sich wohl. Selbst in der Hitze des Tages umgibt die Jacke den Oberleib. Von der Kleidung der Männer springt nichts Besonderes in die Augen. Dem weiblichen Geschlechte gebührt das Lob oder der Tadel eines eigenthümlichen Kopfputzes. Ein Flor von Musseline bildet auf jeder Seite einen Ring, ohne den Kopf zuzudecken. Wer möchte diesen Rückprall einer Kinderei schön nennen?

Die Lossiner thun sich durch Körpergröße hervor. Man muß zwei Menschenschläge unterscheiden, einen italienischen und slavischen. Die Venezianer eroberten zu seiner Zeit [S. 16] die Insel. Vom italienischen Schlage sind sowohl reine, als mit dem slavischen vermischte Sprößlinge vorhanden. Auf den Leuten vom italienischen Schlage ruht der Zug der Schönheit, von etwas Edlem, von Stolz, welcher Zug sich in der Regel charakteristisch beim Herrscher ausspricht. Das pechschwarze Haar und die Gluth der schwarzen Augen könnten uns in die Mauern Padua’s versetzen. Die Bewohner vom slavischen Schlage, weitaus die Mehrzahl, zeichnet ein breites Gesicht, hervorstehende Backenknochen (selten volle Backen), eine etwas ausgebogene Nase, üppiges, bräunliches oder blondes Haar aus. Wie es zwei Schläge gibt, so zwei Sprachen. Der Sieger brachte das Italienische, welches jetzt noch in den Kreisen der Wohlhabendern geredet wird; bei den Uebrigen das Kroatische, welches vorherrscht, oder die eigentliche Landessprache ist.

Die Leute beschränken sich in ihren Beschäftigungen nicht bloß auf Viehzucht, Ackerbau, die Weiber auf Spinnen, Sticken u. dgl., sondern die Lossiner beziehen ihre Nahrung auch vom Fischfang, und, die Hauptsache, ein bedeutender Theil verlegt sich auf die Schifffahrt. Die Lossiner bilden mit den Bocchesen den Kern der österreichischen Seemacht. Lossin piccolo nennt mit Stolz allein über achtzig größere Kauffahrteischiffe ( bastimenti ). Da stößt man auf eine Menge Kapitäne, welche die Meere durchsegelten, und von [S. 17] Konstantinopel, Alexandrien, Algier, London u. s. f. erzählen, nur nicht von Stürmen, als etwas Abgedroschenem. Bewog Liebe zu ihren Ehemännern selbst Frauen, sich auf unsichern Fluthen zu entfernen, um zugleich angenehme Berührungen mit den berühmten Städten der Welt herüber zu nehmen.

Der Vater des Kapitäns, Podestà (Gemeindspräsident) Budinich , empfing uns mit vieler Gewogenheit. Am zweiten Tage nach der Ankunft in Lossin wurden Cesare und ich von ihm zu einem Mittagsmahle eingeladen. Gern entsprachen wir der Einladung. Zwei Familien vereinigten sich, um sich und uns Gesellschaft zu leisten; die Menge Kinder dabei lachte, lärmte, befahl u. dgl., so daß Einem die Zeit nicht lange werden konnte. Das Gespräch verbreitete sich größtentheils über Seereisen. Ich wurde als Mann mit deutscher Zunge auf recht schonende Weise behandelt. Einmal sagte der Signor’ Patrong’ zu Cesare , als dieser nicht trinken wollte: Italiani , Sociani . Er sagte es in so gutem, so wenig exkommunizirendem Tone, daß ich es ihm nicht im mindesten übel nehmen durfte. Die Tafel war üppig bestellt, und deßwegen schon ein Dorn in meinem Auge, um mich an einem andern Tage nochmals zu ihr hinzusetzen. Der freundliche Ton der Familien gefiel mir unaussprechlich. Ich möchte behaupten: [S. 18] Familienliebe ist eines der erhabensten religiösen Gefühle. Unser Hauptmann saß neben dem Vater, bescheiden und wenig redend, der innigsten Liebe Blicke brüderlich erwiedernd, welche auf ihn die daneben sitzende Schwester heftete; für ihn plauderte der erfahrnere Vater; der Sohn gebot auf dem Schiffe, wo er an seinem Platze war.

Der Umstand, daß wir wider Erwarten lange nicht in die See stechen konnten, trug dazu bei, daß ich die Insel noch genauer kennen lernte. Die Lebensmittel sind zum Theile sehr wohlfeil. Ein Seidel Wein, d. h. ein Viertel eines Triestiner-Pokale, kostet nicht einmal 5 Pfenninge R. V. So wenig haushälterisch geht man mit den Trauben um, daß solche hie und da auf den Wegen herumliegen. Dagegen ist die Milch überaus theuer. Ein Pokale Schaf- oder Ziegenmilch kostet 12 Kr. R. V., also über die Hälfte mehr, denn so viel Wein.

Als ich eines Nachmittags nach dem kleinen Lossin ging, zog eine Weberin meinen Blick auf sich. Ich trat sogleich in das Zimmer. Eine alte Frau, mit einer Brille auf der Nase, jagte mühsam das Schiff durch die Kette. Der Webstuhl war sehr einfach, klein und so eingerichtet, daß er mit leichter Mühe an einen andern Ort gebracht werden kann. Das Weib wob grobes Tuch. Indem es mit beiden Füßen zugleich, jetzt auf die einen zwei, dann auf [S. 19] die andern zwei Schemmel, überhüpfte, setzte es diese in Bewegung. Gleich hernach nahmen meine Aufmerksamkeit dem Webstuhle gegenüber sich befindende zwei Steine in Anspruch. Es waren Mühlsteine, die von Menschenhand herumgedreht werden, um das Speisemehl zu bereiten. Solche Mühlsteine trifft man in den meisten Bauernhäusern. Dürftigkeit ruft der Einfachheit. Auch dieses Mahl-, Web-, Wohnzimmer u. s. f. war etwas sparsam durch das Fenster beleuchtet, und das meiste Licht trat durch die Thüre. Das Nämliche gilt auch von vielen andern Häusern. So sah ich ein Mädchen nicht ohne Kunst auf einem Rahmen nähen; um aber die, die Augen etwas mehr anstrengende Arbeit verrichten zu können, mußte es sich an die Thüröffnung setzen.

Lossin grande kann sich eines Kalvarienberges rühmen, dessen Aussicht das Meer ringsumher beherrscht. Im Hintergrunde des Ostens steigt das Küstenland Kroaziens himmelan. Doch welch öder Anblick! Fast nichts als Stein oder Felsen bieten sich dem Auge dar. Wenn der Himmel recht hell sei, soll man im Westen selbst Ankona sehen. Da die Bewohner von Lossin keine tiefe Erde aufzuweisen vermögen, so leuchtet bald ein, daß sie keine Gottesäcker, dafür aber Todtengrüfte besitzen. In Lossin grande öffnet sich gleich neben der untern Kirche eine Gruft. Durch [S. 20] eine der fünf Oeffnungen wird die Leiche an Stricken in dieselbe versenkt. Ein Sarg würde zu viel Raum einnehmen, und so werden die sterblichen Ueberreste bloß in ein Tuch gewickelt, um sie beizusetzen. Es kann sich bisweilen ereignen, daß eine Leiche auf eine andere geschichtet wird; doch sucht man dieß bestmöglich zu vermeiden. Die Oeffnung wird nach jeder Beisetzung durch eine Steinplatte geschlossen und zugemauert, damit die kadaverösen Aushauchungen der Gesundheit keinen Schaden zufügen. Der Boden der Gruft ist siebartig durchlöchert, und deckt eine andere Höhle, welche mit dem Meere in Verbindung steht. Durch dieses Sieb finden nun diejenigen Theile des menschlichen Körpers, welche der Verwesung zufallen, einen Ausweg, und das bloße Gerippe bleibt am Ende zurück. Wehe einem Scheintodten, welcher in einer solchen Gruft wieder lebendig würde. Grauenvolleres könnte man sich kaum vorstellen, als das Leben unter faulen, stinkenden Leichen, wo die Aussicht, dasselbe zu retten, so gut, als ganz abgeschnitten wäre. Ich bedaure es, daß ich die Gruft selbst nicht sah. Wohl nahm ich in der Kirche einen ausgesetzten, nur mit einem dünnen Tuche verhüllten Leichnam wahr. Im Hause des Herrn Marco Sopranich zeigte man mir einen Sarg, worin Wachskerzen aufbewahrt werden, auf den Fall, daß im Hause Jemand sterbe.

[S. 21]

Die Festtage scheinen die Lossiner nicht so strenge zu feiern, als die Katholiken der deutschen Lande. In Lossin piccolo war an Mariä Geburt die Fleischbude offen, und Einer blies so eben das Fell eines Ziegenbockes auf. Lumpige und unreinliche Leute trugen sich auch an diesem Tage nicht anders, als an Werktagen. Einen großen Theil des Volkes soll die Armuth in hohem Grade drücken. Es ist voreilig, wenn man von vielen Reichen gleich auf den Wohlstand der Bewohner eines Landes im Allgemeinen schließt. Wenn allerdings unter den Lossinern manche sich ansehnlicher Schätze erfreuen, so muß man indeß bedenken, daß das Eiland der See eine Menge Matrosen liefert, welche zu Hause ein Weib mit Kindern unterhalten müssen, und wie unterhalten? Kärglich.

Es war am 10. Abends, als ich dem Podestà, dem Vater des Kapitäns, meine Aufwartung machte, weil die Abfahrt des Schiffes auf den 11. bestimmt war. Ich wurde dießmal über das Befinden der Frau Podestà befragt, und Tages darauf sollte ich mehrern Frauen von Lossin meinen ärztlichen Rath ertheilen. Ich entsprach dem Ansuchen um so lieber, einerseits, als die Wiederaufnahme meiner Geschäfte, wenn auch nur auf kurze Zeit, am ehesten geeignet war, den entstehenden Ueberdruß zu verscheuchen, und um so lieber andererseits, als ich wußte, daß [S. 22] der Arzt mit Dingen in Berührung kommt, die andern Reisenden leichter entgehen. Darf ich mir ein Urtheil zutrauen, so läßt man sich auch in Lossin viel verschreiben, um wenig zu nehmen; man will die Aerzte aushorchen, um aus ihren Ansichten diejenigen zu wählen, die gleichsam am meisten schmeicheln, um nicht zu sagen — die Bequemlichkeit am wenigsten stören. Die alten Frauen zeigten ungemein viel Lebhaftigkeit in der Rede, wie im Benehmen; ich hörte nicht den leisesten Ton der Klage. Die Sprache legte dem Krankenexamen einige Hindernisse in den Weg. Da ich mich im Italienischen nur mit vieler Mühe ausgedrückt haben würde, so begleitete mich der Kapitän, und übersetzte meine in französischer Sprache gestellten Fragen ins Italienische, und bei einer Magd mußte dieses dann erst noch ins Kroatische übertragen werden, weil der Hauptmann von seiner Landessprache zu wenig verstand.

Ein alter Schiffseigenthümer, der an einem Lippenkrebse litt, kam zu mir an Bord, um ärztliche Hülfe zu suchen. Ich hielt deßwegen mit dem achtungswerthen Dr. Boselli , welcher in Lossin piccolo niedergelassen ist, eine Konsultation. Es wurde diese am Borde gepflogen, weil ich wegen der Ruhr nicht ausging, die mich seit zwei Tagen plagte.

[S. 23]

Den 14. Herbstmonat.

Dem Eigenthümer des Schiffes, einem reichen Manne, machte es Vergnügen, den Giusto in dem Hafen zu sehen, und so konnten wir einmal wegen dieses fatalen Vergnügens nicht weg. Doch heute war es ihm selbst daran gelegen, daß die Abreise nicht länger verzögert werde. Indessen hatten unglücklicher Weise der Herr Marco und der Himmel ungleiche Launen. Man wollte die Brigg aus dem engen Hafen herausbugsiren; allein der Wind blies so widerlich, daß man den Versuch aufgeben mußte.

Mittlerweile umgab uns Gesellschaft. Der Vater des Kapitäns nebst seiner Gattin und einer hübschen Anzahl Kinder waren am Borde — im Abschiedsgeleite und auf dem Wege zum Landgute. Mich freute es, dießmal die Familie in alltäglichem Putze zu sehen. Der Podestà, ein ziemlich betagter Mann, mit kahlem Kopfe, von fettem Leibe, trug eine hinten breit abgeschnittene Jacke, an der hie und da die Naht von einander gähnte; die schwarze Weste war mit hellbraunem Tabake übersäet; die Schuhe roth, ordentlich schuppig, ein langes Register von Lobsprüchen auf den Schuhflicker. Der gute Mann war stets aufgeräumt; die alltäglichste Frage pflegte er zu deklamiren; er plünderte gerne Stellen aus französischen Schriften, besonders aus Rousseau , welcher so unbarmherzig die Geißel über die [S. 24] Aerzte schwang. Der französischen Sprache keineswegs fremde, überwarf er sich leicht in der Aussprache; z. B. but statt bü ( but ). Sogar mit lateinischen Brocken sättigte er zuweilen das Gespräche. Auf dem geschichtlichen Felde spielte er am liebsten und beßten. Auf echt italienisch erzählte er, daß Lossin, die Absorus der Alten, früher bevölkert worden sei, als Rom. Die Italiener führen den Adel auf ihre Urväter zurück, wie die wirklichen Adelichen auf den Wipfel ihres hohen Stammbaumes hinauf. So lange die heutigen Italiener nicht mehr leisten, erscheint ihr Adel possirlich genug. Madame, eine Frau von Geist und sehr eingezogenem, stillem Karakter, übernahm die Rolle als Kranke. Während des Mittagmahles setzten ihr die Bewegungen des Schiffes so zu, daß ich nicht eilig genug mein Felleisen öffnen, und ein Fläschchen herausziehen konnte. Die verheirathete Tochter, eine fette, große Gestalt, mit der Adlernase, mit Haaren, deren Farbe am wenigsten gefällt, von Ansehen überaus gutmüthig, in der Rede äußerst nachläßig, schien das größte Wohlgefallen am Lachen zu finden, auf daß sie ihre blendend weißen Zähne weisen könne. Es fiel mir auf, daß die Kinder ihren Vater Signore und ihre Mutter Signora titulirten. Uebrigens will der Titel mit größerem Recht einen Platz, wenn man Jemandem Herr sagt, der mehr [S. 25] oder weniger über Einen herrscht, als einem Andern, dessen Herrschaft man sich gelindestens verbitten würde.

Hatte der Herr Podestà sich satt gegessen, wozu, als zu einem Lieblingsthema, er sich recht Zeit nahm, so suchten wir Unterhaltung im Spiele. Ich konnte ihm die entzückenden Lorbeeren des Gewinnes leicht gönnen, weil ich das Damenspiel auf italienische Weise erst lernen mußte. Mit den Damen wechselten noch das Karten- und Dominospiel.

Ich vernahm, daß die ganze Familie, mit Ausnahme der verheiratheten Tochter, die Nacht am Borde zubringen werde. Das wird wunderlich hergehen, dachte ich bei mir selbst. Doch schickte sich die Sache ziemlich gut. Matratzen wurden auf den Boden ausgebreitet, und nach langem Aufbleiben legte sich Alles bunt darauf, der Dorfschulze, versteht sich, am breitesten, Cesare und ich steckten uns ohne Komplimente in unsere Bettkasten ( cuccietta ).

Den 16. Herbstmonat.

Gestern wurden vergebens Versuche gemacht, um die offene See zu erreichen. Die Familie blieb am Borde, essend, trinkend, gähnend, schlafend, strickend, spielend, plaudernd, ganz wie den Tag vorher.

In aller Frühe hörte man Lärm auf dem Verdecke. [S. 26] Man bereitete sich vor, das Schiff flott zu machen. Am Eingange des Hafens scheiterten wieder alle Versuche, den Giusto weiter zu bugsiren. Unter einem azurblauen Himmel, der von keiner Wolke getrübt war, durften wir wieder liegen bleiben. — Alles in majorem gloriam einer Laune.

Es war Mittag, der Tisch gedeckt, das Mahl bereitet. Der Scrivano kam zu melden, daß ein wenig Windstille eingetreten sei, welche die Ausfahrt erlauben dürfte. Sogleich Lärmen und Laufen. Endlich gelang die Zangengeburt. Neun Tage mußten wir uns in dem Hafen von Lossin grande aufhalten. Bei der Ausfahrt pikirte mich eine alte Figur von neunzig Jahren. Es war ein etwas lumpig gekleideter, ehrwürdig aussehender Chorherr, der in einem Kahne herumfischte. So muß die Uebermenge Priester hier ihr Brot verdienen.

Bald erhielt unser Podestà einen Besuch am Borde von seinem Stellvertreter. Ich möchte wohl um keinen Preis dessen Kupfernase gekauft haben, aus lauter Besorgniß für einen Trinker, Notabene für keinen Wassertrinker, gehalten zu werden.

Abends verließ uns die Familie Budinich , welche sich auf ihr Landgut begab. Der Podestà drückte mir zwei Küsse auf den Mund, und der Anstand forderte von mir [S. 27] ein Gleiches. Nichts widersinniger, als daß die Männer sich küssen, und dabei die Bärte aneinander reiben. Mein Urtheil über diese Familie fällt mit Entschiedenheit günstig. Tugendhaftigkeit, Religiosität, die von Bigottismus weit abliegt, hinderten jedoch keinesweges, daß mehr Ordnungsliebe noch eine äußere Zierde wäre. Unsere Matrosen ruderten, vom Kapitän begleitet, die Gäste ans Land, und nach anderthalb Stunden setzten wir unsere Seereise fort. Diesen Tag ergötzten mich zwei Delphine, die drollig davon schwammen.

Den 17.

Links endete der Gebirgszug von Kroazien. Dort in der Nähe liegt Sarah. Südwestlich erblickten wir den Berg von Ankona, dem wir, vom Sirocco genöthiget, uns immer mehr näherten. Der Wind nahm Abends so zu, daß es stürmte.

Den 18.

Diese Nacht brauste der Meeressturm, welcher uns zur Rückkehr zwang. Die Wuth des Meeres vergönnte mir keinen Schlaf, und ich mußte mich selbst in der Cuccietta halten, um nicht von einer Seite auf die andere geworfen zu werden. In der Kajüte purzelte bald dieses, bald anderes Geräthe. Des Morgens wollte ich auch Zeuge des Schauspieles sein. Ich möchte es nicht beschreiben, [S. 28] weil es zu gewöhnlich ist, und beinahe in alle Schilderungen von Seereisen, manchmal selbst da, wohin es im Ernste nicht gehört, als Würze eingestreut wird. Auf dem Verdecke fragte mich der Hauptmann: Wie gefällt es Ihnen? Das ist sehr schön, antwortete ich, hingerissen vom Anblicke. Doch die angenehmen Momente dauerten nicht lange. Auf die Einladung des Hauptmanns ließ ich mich am Steuerborde nieder, im tröstlichen Glauben, daß ich von diesem, wie von einer Brustwehr, geschützt würde. Kaum war ich recht festgesessen, als eine Welle über Bord schlug, mich zudeckte und durch und durchnäßte. Ich legte mich zu Bette um darin das Ende der Szene zu erwarten.

Kurz nach Mittag warfen wir im Hafen San Pietro di Nembo Anker, wo wir schon gestern Abends vorbeigesegelt waren. Unangenehme Gefühle bemächtigten sich meiner, weil das Schicksal mir nicht besser zum Vorwärtskommen dienen wollte.

Den 19.

Wir begaben uns zur Kirche von San Pietro di Nembo. Ohne Thurm, ungemein ärmlich und klein ist sie. Unter einem Dache vereinigen sich brüderlich das Wirths- und Pfarrhaus. Dieses nämlich stellt eine Kammer im obern Stocke vor. Cesare und ich besuchten den Pfarrer. Ein fetter Herr mit einer Perrücke, wußte er über sein Elend [S. 29] viel zu klagen. Er beseufzete sein Schicksal das ihn der Carità unterwerfe. Es sei nicht zu unserer Ehre gesagt, daß die Börse dabei nicht das mindeste Mitleid empfand. Lateinisch verstand der Mann Gottes nicht; höchstens mag ihm das Latein bei der Messe verständlich sein. Auf meine Frage: Quomodo nominatur haec insula? erwiederte er: Ego sum parocho hic. Dieser Mann kann sich, wie der Anschein lehrt, in einer Gemeinde, die nur etwas mehr denn zweihundert Seelen zählt, fett essen.

Ich rede mit meinen Lesern wohl ab. Es ist ebensosehr meinen Ansichten, als meinen Neigungen entgegen, konfessionistische Plänkeleien zu eröffnen. Ich ehre die katholische Religion, aber nicht alle ihre Bekenner, nicht alle ihre Priester. Ich habe es mit Personen zu thun, aber nicht mit der Dogmatik . So sehr ich dem Zartgefühl gegen Andersdenkende und Andersgläubige Rechnung trage, so wenig nehme ich Anstand, ein freies Wort über Personen, ohne Unterschied ihres Glaubensbekenntnisses, zu führen.

Nachmittags besuchte ich die Wohnungen auf der südlich gelegenen Insel San Pietro di Nembo. Dieses Eiland ist im Allgemeinen sehr gedeihlich, und dem größten Theile nach ein Weingarten köstlich schmeckender Trauben. Die Feigen wachsen üppig neben den Oliven. Würde der [S. 30] Bischof in Veglia, Giovanni Antonio , welchem das Eiland angehört, diesem mehr Aufmerksamkeit zulenken, es müßte beinahe zu einem Paradiese erblühen.

Die Wohnungen theilen mit dem Lande nicht das gleiche Lob. Wie die ungarischen, in die Länge gebaut, haben sie nur ein Erdgeschoß; den Kamin trifft man zur Seltenheit, und seine Stelle vertritt die Thüre oder eine Queröffnung im Dache. Nicht minder selten sind die Fenster; ich sah nicht ein einziges. Des Sommers tritt genug Licht durch die Thüre, und wenn, was selten, im Winter die Kälte es nicht erlaubt, die Thüre offen zu halten, so macht man auf dem Herde ein Feuer an, und umlagert dieses, sich zu wärmen. Ich erinnere mich, des Sommers auf Schweizerbergen mich aufgehalten zu haben, da es schneite, und da es nicht weniger kalt war, als es in San Pietro di Nembo mitten im Winter sein dürfte. Ich litt auf dem Berge von der Kälte sehr wenig. Ich setzte mich ans Feuer, oder legte mich ins Bett, wie auch die Hirten zu thun pflegen. Die Häuser von San Pietro di Nembo sind von Stein gebaut und mit Hohlziegeln gedeckt. Anstalten für Bedürfnisse, die ich nicht weiter bezeichne, nahm ich nicht wahr. Das Feld sei ja thätig genug, mögen die Leute denken, indem sie die Reinlichkeit zu niedrig anschlagen. Man suche in San Pietro keine [S. 31] eigentliche Backhäuser. Als ich einem Haufen Steine begegnete, schaute ich hinein, und siehe, es war ein Backofen mit kleinen Broten angefüllt; er mußte wohl zu dem etwas weiter unten stehenden Häuschen gehören. Besonders zog meine Aufmerksamkeit ein Haus auf sich, dessen Mauern bloß aus übereinandergelegten Steinen bestanden, ohne daß sie mit Mörtel verbunden gewesen waren. Ich ging mit buona sera hinein, und fand zwar, daß das Innere der Mauern übermörtelt war. Wer aber hätte hier einen Keller, eine Kammer, eine Küche, eine Stube, eine Mühle gesucht? — Um das Maß der Wirthschaft zu füllen, gleich außen an der Mauer fand sich ein Backofen. Die Gesetze sind gegen die Winzer nachsichtig. Jedes Häuschen verkauft sein eigen Gewächs, und so besteht das Dörfchen aus lauter Schenkhäusern.

Die Bewohner, nicht ausgezeichnet groß, nicht schön, sind meist von heller Farbe. Uebrigens sehen sie lebhaft und fröhlich aus. Zwei Weibspersonen fanden gar großes Vergnügen, mit den Füßen im Meere, den Saum ihrer Röcke, die sie trugen, zu waschen, und ihr schallendes Gelächter bei diesem Geschäfte konnte sogar mich ergötzen. Was die Leute indeß auszeichnet, ist die Unreinlichkeit und Lumpigkeit. Es ging ein Weib vor mir her, an dem ich nichts unbegreiflicher fand, als daß es einen Rock trug; [S. 32] denn dieser war so in aller Aufrichtigkeit voller Löcher, daß — —. Ich sah größere Kinder, die halb entblößt umher gingen. Wegen des Schmutzes konnte man an vielen Kleidern, und unter den Kindern an vielen Gesichtern die Farbe nicht gehörig erkennen. Nur das Auge sah man rein, schön, unschuldig; wäre es aber möglich gewesen, auch dieses zu verunreinigen, man würde es sonder Zweifel gethan haben.

Von diesen unzierlichen Leuten kommt ein guter Wein in den Handel. Es war eben die Weinlese vorüber, als ich das Eiland besuchte, und mich belustigte die einfache Bereitung des Nektars. Ein Böttcher hämmert in dem dunkeln Häuschen die Fässer zurecht, und ein Mann steht im Fasse, um Trauben herauszuschöpfen. Man wird da nichts weiter sehen; man gehe nur gleich auf die Seite des Häuschens. Da zertritt und zerdrückt ein Mann, im Freien tanzend, die Trauben. Sie stehen über einem Brete, in einem hölzernen walzenförmigen Käfiche. Wenn der Treter darin keinen Saft mehr auszupressen vermag, so wird derselbe weggehoben; der Treber mit einem dicken Seile schneckenartig umwunden, und dann, einen Deckel darüber, gekeltert. Wo man hinblickte, überall Weinfässer. Hier, wo die Einfachheit ihren Sitz aufschlug, hat doch der Bauer seine Fässer voll Wein, und würzt damit [S. 33] täglich seine Gerichte; hier, wo Unzierlichkeiten allen Anstand auslachen, findet man wohl noch einen Mörser oder eine Bank von Marmor. Doch allenthalben wenigstens einiger Kontrast!

Ich wollte die Schafmilch kosten; allein die Schafe werden bloß im Frühjahre gemolken.

Es gibt Leute, welche die Schulen mit schelen Augen ansehen. Sie werden sich freuen, daß die San-Pietrianer einer Schule entbehren. Der Bischof gehört nicht zu manchen edeln Bischöfen der katholischen Kirche, die es sich zur Gewissenssache machen, für die Geistesbildung und Herzensveredlung alle Sorge zu tragen.

Sonntags, den 20. Herbstmonat.

Der Nordwind stellte endlich sich ein. Wir lichteten die Anker. Allein um den Kapitän abzuholen, mußten wir rückwärts steuern, in kräftigem Kampfe gegen denjenigen, der uns für die Fahrt nach Alexandrien nicht mehr Gunst hätte erweisen können. Der Kapitän ließ uns zudem beinahe ans Ufer segeln, und damit Alles ja recht langsam und zeremoniös hergehe, sich von seiner ganzen Familie bis an Bord begleiten. Durch die Schuld des Hauptmanns verloren wir fünf der günstigsten Stunden. Dießmal wich von mir die Geduld, und auf meiner gan [S. 34] zen bisherigen Reise hatte ich keine trübern Augenblicke. Ich lasse mir die Geduld gerne gefallen, wenn ein ungünstiger Wind, dem kein Mensch den Lauf befiehlt, die Fahrt hemmt; wo aber diese rein vom menschlichen Willen abhängt, erscheint die Sache in einem andern Lichte. Es wäre Pflicht des Kapitäns gewesen, an Bord zu bleiben, und er hätte beherzigen sollen, daß, nachdem bereits fünfzehn Tage auf der kleinen Reise von Triest nach Lossin verstrichen waren, jeder günstige Augenblick für den Reisenden ein goldener sein mußte. Ich kann diejenigen, welche von Triest aus das adriatische Meer in seiner Länge befahren, nicht genug warnen, daß sie sich einem Kapitän von Lossin grande anvertrauen, darum schon, weil es sehr schwer hält, bisweilen gar unmöglich ist, aus dem Hafen zu dringen, selbst beim günstigsten Winde.

Links sah ich die Isola grossa, welche Dalmatien angehört.

Den 21.

Bei der Isola grossa vorbei; die Eiländer San Andrea und Lissa.

Den 22.

Windstille und schönes Wetter.

[S. 35]

Den 23.

Vor dem Winde. Meist sah ich nichts, als Himmel und Wasser. Es ist fürwahr ein eigener Anblick. Das Meer bildet eine Scheibe, dessen Mittelpunkt das Schiff ist. Der Himmel wölbt sich wie ein Deckel über die Wasserscheibe. Das ist nun freilich Alles, was man sieht.

Der Abend war ungemein lieblich und angenehm. Keine herbstliche Kühle, kein Nebel. Nach dem Untergange der Sonne schien der Horizont auf der Abendseite lange wie glühend. Als ich mich zu Bette legte, fühlte ich ungefähr die nämliche Wärme, wie bei uns mitten im Sommer.

Den 24.

Albaniens Gebirge unterbrachen das Einerlei von Himmel und Wasser. Eine frohe Stimmung entströmte dem Gedanken, daß ich schon einen Theil der Türkei erblicke. Bisher sah ich keine andere, als christliche Länder. Auf einmal drängten sich in meiner Phantasie die eigenen Religionsgebräuche, die Moscheen, der Halbmond, der Turban vor. Begreiflich wurde meine Sehnsucht nur um so reger, einmal das Land der Mohammetaner zu betreten. — Bis Abend waren wir so weit vorgerückt, daß auch die Küste von Italien, gegen Otranto hin, als ein schmaler, unansehnlicher Streifen dem Auge sich darstellte, indeß [S. 36] das türkische Gebirge, der Monte della Pegola (Pechberg, weil dort Schiffspech ausgebeutet wird), nunmehr sich in die Ferne verbarg.

Ich bestätige die Erfahrung manches Reisenden, daß man mit den natürlichsten Fragen die Seemänner leicht in Unmuth bringt. Als ich dem Kapitän einen konditionellen Satz über den Wind mittheilte, brummte er beinahe kopfschüttelnd: Wenn sagt alle Welt. Er schimpfte früher auf die Trockenheit der Engländer, und ich ergriff diesen Anlaß, ihm zu erwiedern: Es wäre mehr, als englische Trockenheit, wenn man sich der Wenn fürder enthalten wollte. Ich überzeugte mich, daß ich anderwärts einlenken müsse. Meine Neugierde fand Mittel. Theils waren die Matrosen mittheilender, wenn ich den Namen eines Landes, das ich eben erblickte, erfragen wollte, theils sah’ ich dem Tagebuchhalter ( scrivano ) nach, wenn er täglich den Standpunkt in Bezug auf geographische Länge und Breite; wenn er die Richtung, welche der Wind und das Schiff nahm, wenn er den stündlich zurückgelegten, in Seemeilen ausgedrückten Weg in das Buch eintrug. Was wollte ich mehr? Denn durch die Güte des Kapitäns stand mir doch die hydrographische Karte und der Teleskop zu Gebote, daß im Grunde nichts mehr zu wünschen übrig blieb. Nur das Gespräch ging ab, und wollte ich es er [S. 37] zwingen, mußte ich meine Seele in zwei Theile spalten, damit wenigstens meine Seelenhälften mit einander plaudern können. Die Zukunft entzifferte der Kapitän in der That nicht viel besser, als ich und unsere Wetterpropheten, welche auf ein Jahr in den Himmel hineingucken, um die Kalender zu schreiben.

Schon früher verlangte mich, die Apotheke des Kapitäns zu sehen. Nun keine erwünschtere Gelegenheit, als heute. Der Kapitän benutzte die Anwesenheit des Pharmazisten, um mit ihm die Arzneien durchzugehen, ob sie noch brauchbar und ob sie richtig angeschrieben seien oder nicht. Ich hätte meine Ohren zustopfen mögen, so sehr wurde gequacksalbert und in den Markt geschrieen. Auch in der Arzneikiste des Kapitäns spielt le Roi, und ich vergesse nie den Fanatismus, mit dem ein Deutscher in Triest für diesen Arzt sprach, ihn den einzigen wahren Heilkünstler nannte, und ihn als Heiland der Medizin nicht genug preisen konnte. Ich glaubte, die Geschichte könnte uns vor Thorheiten solcher Art schützen; aber nein, immer kehren sie zurück, und selbst in unserm zu oft aufgeklärt genannten Jahrhunderte, nistet der tollste Unsinn, nicht etwa bloß in den untern, sondern auch in den höhern Kreisen der menschlichen Gesellschaft.

Vor Mitternacht noch verließen wir das adriatische [S. 38] Meer. Es endet auf der türkischen Seite in Valona, und in Otranto auf der italienischen Küste.

Den 25.

Immer guter Wind. Wir waren so fern, daß ich von der Insel Korfu ( Corcyra ) das Gebirge undeutlich erblicken konnte. Ich sah heute zum ersten Male das mittelländische, oder, wenn man näher will, das jonische Meer; aber Wasser ist Wasser. Abends die Luft so warm, als an unsern Sommerabenden. Ich durfte, bei offener Kajüte, mich nur mit einem Leintuche bedecken.

Den 26.

Ich erblickte in der Ferne Santa Maura ( Leucadia ), etwas näher Cephalonien ( Cephallenia ) und südöstlich das Eiland Zante ( Zacynthus ). Cephalonien lag deutlich vor den Blicken. Wie blau gefärbt erhoben sich die Berge im Süden. Abends gab die hinuntersinkende Sonne diesem Eilande ein besonders malerisches Aussehen. Jedes Uebel hat wieder sein Gutes. Wäre mir nicht der köstliche Ausblick entzogen worden, wenn guter Wind unsere Segel geschwellt hätte?

Sonntags, den 27. Herbstmonat.

Cephalonien stellte sich in den Hintergrund; dafür breitete Zante sich immer mehr aus. Neben vielen Einkerbungen des Landes unterschied ich Wohnungen der Zanteser. [S. 39] Ausgezeichnet schön konnte ich die mir zugewendete Seite der Insel nicht finden.

Endlich tauchte aus dem Meere ein Theil vom griechischen Festlande, der Peloponnes der Alten, das heutige Morea . Gefühle der Bewunderung für die alten Griechen, waren die ersten, die mich ergriffen. Der Bewunderung folgte dann Freude, daß ich so glücklich war, einen Theil ihres Landes zu sehen. Ach, als ich die Feldherren des Kornelius Nepos las, deren Beschreibung mein junges Gemüth so lebhaft anzog, wie hätte ich damals glauben dürfen, daß mein Auge es erreiche? So ungefähr dachte ich beim Anblicke der griechischen Halbinsel.

Abends erkannte man das Licht des Leuchtthurms auf der Insel Stanfagni. Hier soll auch ein griechisches Kloster stehen.

Den 28.

Heftiger Gegenwind, der üble Sirocco hielt mich den ganzen Tag gefangen im Bette. Wir mußten laviren.

Den 29.

Zum Glücke wieder Abendwind, daß die Wellen sich aufbäumten. Er blies uns hübsch weiter.

Für das Auge nur Himmel und Meer.

[S. 40]

Abends lief ein Schiff in unsere Nähe. Die Flaggen wurden beiderseits aufgezogen. Durch ein kurzes Sprachrohr ward zu einander gesprochen. Aus den Fragen ergab sich, daß der Hauptmann, mit Reisenden am Borde, von Alexandrien den Weg nach Marseille nehme, und daß in Alexandrien Pest und Cholera herrschen . Diese Nachricht schlug meinen Reisegefährten Cesare ganz nieder, weil er keine Rezepte für die Cholera mitgebracht habe. Der Kapitän seufzte aus Besorgniß, daß die Schiffsladung schwer halten werde. Hat doch ein Jeglicher seinen Grund. Es ist etwas Angenehmes, auf der Wasserwüste Leuten zu begegnen. Der entzückende Abend bewog uns, auf dem Verdecke zu speisen.

Den 30.

Heute fühlte ich zum ersten Male so völlig, daß ich unter einem ganz andern, dem schönsten blauen, aber heißen Himmel lebe. Von der Hitze litt ich zwar nicht, weil ich den Schatten sorgfältig aufsuchte. Schon waren wir über den 36ten Grad nördlicher Breite hinausgerückt.

Den 1. Weinmonat.

Schöne Witterung fuhr fort. Morgens schon erspähete ich einen Gebirgsstreifen von Kandien, welcher über Wolken oder Nebel emporragte. Bescheiden trat die winzige Insel Gozzo auf. Wir wurden bisweilen von Schwalben besucht.

[S. 41]

Den 2.

Windstille. Heerrauch, so daß man nicht immer Kreta (Kandien) erblickte. Das Farbenspiel beim Untergange der Sonne gewährte ein herrliches Schauspiel. Westwärts bis zum Schiffe schien das Meer in flüssiges Gold verwandelt. Der Spiegel war glatt, außer den sanften langsamen Wallungen. Das Wasser zeigte sich so liebsam, als lüde es ein, mit ihm den Abschied der Sonne zu verherrlichen. Doch unter dieser gefälligen Schminke grausiger Abgrund. Die Sonne selbst, wie glühendes Erz, goß eine helle, lodernde Säule in das Meer — uns zu. Als die Spanier nach Amerikas Schätzen dürsteten, konnten sie das Gold nicht schöner, nicht reizender sich vorstellen, als es mir vor Augen schwebte.

Den 3.

Windstille. Mittags erhob sich ein leiser Wind, und die Focklee-, so wie die Vormarsleesegel rechterseits bekamen Pausbacken. Indeß stand die Kandia immer noch nahe, und Abends zeigte sich der weitherumschauende Idaberg in seiner ganzen Pracht.

Sonntags den 4. Weinmonat.

Ein wenig Wind. Das schönste Wetter, so warm und so heiter, als in unsern Heumonaten. Der Gedanke erfüllte mich sehr oft mit Freude, daß ich die sommerlichste Witterung genieße, während es zu gleicher Zeit bei uns [S. 42] kalte Morgen und Abende, unfreundlichen Regen und Nebel gebe. Das Land war entschwunden aus dem Gesichtskreise.

Den 5.

Schöne Witterung; wenig Wind. Abends spannte mich die lange Weile so recht auf die Folterbank; doch unberechnete Umstände können sie oft schnell verscheuchen. So flog eine Schwalbe daher, müde, schläfrig und so kirre, daß ich sie schmeichelnd streicheln konnte, zu meiner innigsten Freude. Endlich fing ich sie ohne Mühe mit der Hand. Die Philosophie wappnete und wehrte sich vergebens gegen die Langeweile, und ein kleiner Vogel machte allen Kampf der erstern zu Schanden.

Den 6.

Zum ersten Male waren wir überall vom Nebel eingeschlossen, doch nur auf sehr kurze Dauer. Was hat ein Haus auf dem Lande zu rühmen, wenn Nebel es umgibt? Man sieht Haus und — Nebel; hier sehe ich Schiff und Nebel, und doch noch zur Unterhaltung das frohe Spiel des Windes an den Segeln — — —.

Endlich fing Mittags an ein frischer Nordwest zu blasen, der unser Schiff beflügelte.

Seit zwei Tagen steuerte ein Schiff hinter uns. Wir waren 200 Seemeilen von Alexandrien entfernt, als es die Flagge aufsteckte, zum Zeichen, daß es der Hülfe be [S. 43] dürfe. Das Nothzeichen besteht darin, daß die große Flagge gehißt und in die Quere zusammengezogen wird. Wir segelten dem Schiffe, das wir früher für ein griechisches hielten, sogleich entgegen und bald bekamen wir es in die Schußweite. Welch ein Anblick für mich. Die Flagge ganz roth; am Borde Barbaresken, welche nach Mekka zu wallfahrten vorhatten. Der Kapitän, ein Alexandriner, mit seinem schwarzen Gesichte, dem Turban und den Pluderhosen war ein gar rühriges, lebhaftes Wesen. Ein Matrose mit einem türkischen Bunde bestieg behende die Strickleiter. Unser Schiffshauptmann entsandte jenem auf italienisch den Gruß: Guten Abend. Er wurde von dem alexandrinischen Kapitän in der gleichen Sprache erwiedert. Was verlangen Sie? fragte unser Hauptmann. Er versetzte, daß er Mangel an Wasser bekommen werde, und wenn solches unter den Pilgern ruchbar würde, eine Empörung im Schiffe zu besorgen stände. Unser Hauptmann fragte ihn weiter, ob er keine Krankheit am Borde hätte? Nein, antwortete er, es ist Alles sauber. Budinich versprach ihm Wasser, doch wolle er Windstille abwarten, weil sonst die Fahrt zu viel einbüßen müßte. Um zu beurtheilen, mit wie viel nautischen Kenntnissen der arabische Seemann ausgerüstet ist, genügt einzig noch zu wissen, daß der Reis (Kapitän) die Frage stellte, wie weit [S. 44] es bis Alexandrien wäre? Als er dann die Entfernung erfuhr, erschien er hoch erfreut, und fügte hinzu, daß wir morgen in Alexandrien einträfen. Der Auftritt ergötzte mich ungemein. Ich besah mit bewaffnetem Auge die hingehockten Hadschi (Pilger) in die Runde. Unser Kapitän hatte keinen Gedanken an einen Streifer (Korsar). Ich wußte es nicht, und vertraute dem Hauptmann und — unsern Kanonen.

Den 7.

Vor gutem Winde. Obschon unsere Brigg nicht der beßte Segler war, blieb das egyptische Fahrzeug dennoch zurück, so daß wir es ganz aus den Augen verloren. Unter solchen Umständen wäre es überaus schmerzlich gewesen, einige Segel einzuziehen, bis der Araber uns eingeholt haben würde. Was werden aber die ohne Hilfe zurückgebliebenen Mohammetaner von der christlichen Liebe denken? Als es gestern hieß, daß ein Schiff auf der weiten, hohen See Hilfe begehre, so entzückte mich der Gedanke, daß man selbst auf diesem treulosen Elemente nicht ganz verlassen sei, und ich sagte zum Hauptmann, es sei Christenpflicht, Andern in der Noth zu helfen. Nein, entgegnete er, es sei moralische Pflicht. Noch besser. Denn wenn es bloß Christenpflicht wäre, dem Nebenmenschen beizustehen, was wollten die Mohammetaner, nothleidenden Christen [S. 45] gegenüber, thun, jene Andersgläubigen, welche die christliche Pflicht als solche nicht kennen? Es muß also eine allgemeinere, als bloße Christenpflicht geben. Es ist Menschenpflicht, Andern in der bedrängten Lage hilfreiche Hand zu reichen.

Nun ein weiteres Wort über meinen Hauptmann und den Gefährten Cesare . Jenem macht die Gutmüthigkeit Ehre, die Launenhaftigkeit Mühe, das jugendliche Alter Belehrung fühlbar. Der Pharmazist, eine lange, hagere Gestalt mit glänzend schwarzen Haaren, mit einer schmalen, kurzen Stirne, einer vollen Baßstimme, ist ein seltenes Muster von einem rechthaberischen, anmaßenden Menschen [1] . Selbst über arzneiwissenschaftliche Dinge mußte ich ihm Recht lassen, nur um unangenehme Auftritte zu vermeiden. Qualvoller kann man sich die Lage eines Arztes kaum denken, als die meinige war. Wo nur etwas Weniges haperte, war Cesare mit Arzneien, z. B. mit einem Abführmittel, bereit. Er zeigte sich unerschöpflich, dem Hauptmann Rezepte zu diktiren. Ich schwieg, weil ich zu gut einsah, daß die Quacksalberei ihr Hauptlager hier aufgeschlagen hatte. Von solchen Querköpfen als Arzt anerkannt zu werden, konnte mich nicht begierig machen. Be [S. 46] trübend und ergötzlich war es zu gleicher Zeit für mich, wahrzunehmen, daß die Quacksalberei im Ganzen wenig Segen hatte. Der Kapitän befand sich erst besser, als er auf das Einnehmen der Arzneien Verzicht that. Ich suchte ihm begreiflich zu machen, daß man der Natur mehr vertrauen müsse, und daß, bei fortwährendem Verschlucken von Arzneistoffen, bisweilen der Körper in einem Grade von Abhängigkeit sich daran gewöhne, wofern jene ihn nicht ganz zerrütten. Cesare selbst litt nicht am wenigsten, vielleicht nicht am unverdientesten. Um durch ein Beispiel anschaulich zu machen, was für seichte Gespräche mitunter geführt wurden, so zankten sich die Helden lange, indem Cesare behauptete, daß Egypten, so zu sagen, in Europa liege. Er las in dem Universo pittoresco , einem, aus dem Französischen ins Italienische übersetzten Werke, daß Egypten, zwischen Asien und Afrika, von den Geographen bald zu jenem, bald zu diesem Welttheile gezählt werde. Er faßte die Stelle unrichtig auf, und behauptete, daß es heiße, Egypten gehöre weder Asien , noch Afrika an. Nun schloß er, es müsse Europa zufallen. Cesare wandert nach Egypten, um sich Schätze zu sammeln. In wie weit ihn edle Gründe leiten, konnte ich nicht erschauen; so viel wurde mir klar, daß er ein überspannter Glücksritter war. Als er in der gleichen Schrift las, daß, nach Pa [S. 47] riset , der Verbreitung der Pest durch Verbrennung der Leichen, wie vor Alters, ein Ziel gesetzt werden könne, gerieth er in gänzliche Wallung, und äußerte sich, daß man dieses Mittel ausführen sollte, ja ausführen müsse, weil er an die Untrüglichkeit schon glaubte. Je mehr dem Menschen an gründlichem Wissen gebricht, desto mehr läuft er Gefahr, eine Beute der Leichtgläubigkeit zu werden.

Seit einigen Nächten fühlte ich eine Plage, die ich früher nie kannte. Ich mag die neue Auflage lebendiger Pfennige nicht nennen.

Den 8. Weinmonat.

Diesen Morgen entdeckte der Hauptmann auf dem Mastkorbe Alexandrien. Ich fühlte keine besondere Freude bei der Mittheilung dieser Nachricht, einestheils, weil die Witterung in der letzten Zeit, seit mehr denn drei Wochen, die schönste war, die je mein Leben erheiterte, anderntheils, weil ich die Zeit recht leicht mit Lesen, Schreiben, z. B. mit Uebersetzen aus dem Italienischen, mit der Tagebuchhaltung, früher auch mit Spiel, hinbringen konnte, so daß mich nur wenige Stunden eigentliche Langeweile folterte, — dann auch, weil das Landen an einem Orte mit zwei Pestilenzen einige unangenehme Gefühle erregte, so sehr das Interesse der Wissenschaft die Resignazion vorbereiten mochte.

[S. 48]

Daß ich ruhrkrank wurde, habe ich oben erwähnt. Es entging mir nicht, daß die Ruhr einen ernsthaftern Karakter hätte annehmen können. Ich hege die Ueberzeugung, daß ich die schnelle Wiederherstellung vorzüglich einer ganz geregelten Lebensart, namentlich dem Aufenthalte im Bette, verdanke. Bei den Worten, daß ich leide, rief Cesare aus: Corpo di Dio , er macht mit der ganzen Krankheit die Reise. Ein Matrose setzte kaltblütig hinzu: Er wird bald abreisen. Das war richtig der Fall, aber in einem andern Sinne. Ich konnte so ganz bequem zuhören. Ich widerlegte den falschen Propheten damit, daß ich mich mindestens bald eben so gut befand, als zu Hause.

Die Seekrankheit konnte mir so wenig etwas anhaben, als Cesare . Wenn die See hoch ging, bekamen wir höchstens einen schweren, schwindlichten Kopf, und die Eßlust verminderte sich, welche bei mir sonst sich sehr lebhaft ankündigte. Ich verzichtete auf ein einziges Nachtessen.

Die Beschwerden zur See entspringen unstreitig aus den unordentlichen Bewegungen des Schiffes. Der wärmere Wind trägt das Seinige bei, um dieselben zu vermehren; allein die sogenannte Seekrankheit hervorzubringen, wird er kaum vermögen. Ich sage mit Fleiß: unordentliche Bewegungen; denn die gleichmäßigen würden wenig zu bedeuten haben, und das Schaukeln bald hin und her, [S. 49] der Länge und Breite nach, bald auf- und abwärts, zumal das stoßweise , kommt in Anklagezustand. Das Schaukeln zur See läßt sich platterdings nicht mit dem Schaukeln zu Lande auf gleiche Linie stellen. Andere Beschwerden rühren offenbar vom übeln Geruche faulender Stoffe, z. B. des faulenden Wassers im Schiffsraume, her, einem Geruche, welcher um so stärker wird, je unordentlicher das Schiff bewegt wird. Ich hörte selbst den Hauptmann oft über die sentina klagen, welche ihm Kopfweh verursachte.

Man rühmt gegen die Seekrankheit Limonade, oder schwarzen Kaffee mit Zitronensaft, ohne Zucker. So lange die Ursache, das Schaukeln oder der üble Geruch, dauert, leisten wohl wenig Mittel viel . Essen, wenn man sogar vom Appetite nicht eingeladen wird, schadet nichts, es nützt eher, wie ich aus Erfahrung weiß. Wenn die Witterung es zuläßt, begibt man sich am beßten auf das Verdeck, und statt zu liegen oder zu sitzen, steht man, indem man trachtet, den Bewegungen des Schiffes auszuweichen, und den Körper in möglichst senkrechter Stellung zu erhalten. Zudem zügle man die Einbildungskraft. Wer sich in den Kopf setzt, daß er speien müsse, kann es leicht dahin bringen. Man erwägt zu wenig, welcher Menge von Uebeln die Selbstherrschaft vorbeugt.

[S. 50]

Ich habe von der Seekrankheit der Thiere wenig gelesen. Sie werden zuversichtlich von derselben nichts Großes sich vorstellen. Daß den Thieren das Unglück zu Theil ward, keine Vernunft zu besitzen, genießen sie andererseits das Glück, sich nicht durch Vormalung einer unglücklichen Zukunft, mittelst der Vernunft, die Tage des Lebens zu beunruhigen. An unsern Thieren, den Kanarienvögeln, Katzen, Ratten, Hühnern, nahm man keine Störung durch den Aufenthalt auf dem Schiffe wahr. Man sieht — doch, daß wir in guter Gesellschaft lebten. Wir hatten gebetene und ungebetene Gäste.

Schon seit der Frühe sah ich das Wasser des Meeres rothgelblich, trüber. Es war mit dem Nilwasser getränkt. Es fing an von Schiffen und Vögeln belebter zu werden. Erst um neun Uhr ungefähr erblickte ich mit bewaffnetem Auge Alexandrien, nämlich den Palast des Pascha — freilich nur geometrische Linien, ein todtes, vom Meere auftauchendes Viereck im Sonnenglanze. Wir waren bloß noch zehn Seemeilen von Alexandrien.

Bald näherte sich die Küste, die rechts, ein röthlicher, wenig erhabener Sandhügel, sich gleichsam ins Meer verlor; Häuser, deren Umrisse undeutlich waren, erhoben sich immer zahlreicher; im Hintergrunde aber, wie auf einen Hügel gepflanzt, strebte die Pompejussäule und, ein wenig [S. 51] links, der Obelisk der Kleopatra empor. Alles schien eine Insel zu sein, und hatte so wenig Ungefälliges, daß man hätte glauben mögen, von Lido aus Venedig sich zu nähern.

Es fuhr ein Schiff in solcher Entfernung an uns vorüber, daß wir es beinahe hätten entern können; seine Flagge trug das Zeichen des Halbmondes. Alles überraschte mein Auge, ausgenommen das Schiff. Wir waren schon so weit vorgerückt, daß wir den Lothsen, das ist der Wegweiser für unser Schiff, erwarteten. Endlich wimmelte ein schwarzer Punkt, der fortan größer wurde, bis man die Ruderknechte unterscheiden konnte. Doch wurden sie bisweilen von einer Wellenwand fast ganz verborgen. Weil die Einfahrt wegen der Bänke gefährlich ist, so sind Lothsen unerläßlich. Schon hat der Lothse uns eingeholt. Wir fragten nach dem Gesundheitszustande. Es steht gut, antwortete er, weder Pest, noch Cholera. Das Gespräch wurde auf italienisch geführt. Der Araber, ein großer Mann von tiefbrauner Gesichtsfarbe, mit großer Bognase, schwarzem Barte, und von etwas stolzer Haltung, sprach fertig fränkisch , wie man das Gemisch von Italienischem und wenig Morgenländischem in der Levante nennt. Er saß auf dem spitzigen Hintertheile seiner Barke, so daß die Füße von den aufliegenden Oberschenkeln bedeckt waren. Mit einer Hand lenkte [S. 52] er das kleine Steuer wie im Zauber. Nachdem sein Kahn an das Schlepptau unserer Brigg genommen war, erhielt er das Kommando, und unser Kapitän durfte es nur wiederholen [2] .

Bald flog ein anderer Kahn mit zwei lateinischen Segeln daher. Er war mit vielen Männern besetzt. Eine dicke Figur mit einem Schulzenbauche, einem langen Schnurrbarte und einer rothen Mütze, von deren Mitte eine große Troddel herunterschwabbelte, fiel mir am meisten auf, kaum aber die bedenkliche Hintansetzung der Etikette, daß er einen Fuß auf der Bank, den andern unten hatte. Beim Anlegen schlugen die Wellen hoch auf, und er runzelte, nicht gegen diese, sondern gegen die heiße Sonne die Stirne. Es war ein Polizeikommissär. Neben ihm stand ein junger Dolmetsche, der nach dem Namen des Kapitäns und des Schiffes, nach der Zahl der Passagiere, nach dem Orte der Abfahrt, der Dauer der Reise und nach der Befrachtung fragte. Er zog eine Bleifeder und ein vielfach in das [S. 53] Viereck zusammengelegtes Papier heraus, welches er auf den Handteller nahm, darauf etwas zu schreiben. Weil wir der Angabe des Lothsen über den Gesundheitszustand wenig Glauben beimaßen, so wurde die gleiche Frage wiederholt, und eben so befriedigend beantwortet. Schon stieß der lateinische Segler von hinnen. Wie eine eben sich öffnende Blüthenknospe erschloß sich die Freude sichtbar auf den Antlitzen unserer Leute. Cesare , welcher seit wenigen Tagen gegen mich den Stummen machte, bekam die Sprache auf einmal wieder. Nimmersatt am Sehen, so sehr reizte Alles meine Aufmerksamkeit, vergaß ich das Geschehene, und wir fanden den Faden der Mittheilung, — — durch die merkwürdigen Araber angeknüpft. Freude und Leid sind oft Bindemittel, indem vor ihrer mächtigen Erschütterung kleinere Erscheinungen auf dem Gebiete des Gemüths leichter und standloser als Flaum entfliehen.

Bald fuhr in einer andern Barke ein mit einem Hute bedeckter, wohlgekleideter Mann einher. Aehnliche Fragen wie früher. Noch ein Kahn mit einem hübschen Manne, der einen Hut trug, stieß gegen unser Fahrzeug. Dieser Herr erkundigte sich über den Gesundheitszustand. So weit bekümmern sich die Mohammetaner, oder doch Andere in ihrem Namen. Die Antwort lautete freilich sehr wohl. Unser Kapitän übergab sofort eine Ausweisschrift, welche [S. 54] nicht ohne Beobachtung der Gesundheitsvorschriften angenommen wurde. Der Steuermann des Gesundheitsbeamten hob nämlich auf einmal eine große, weißblechene, viereckige, offene Büchse empor, und in diese ließ unser Kapitän seine Schrift fallen. Der Gesundheitsbeamtete selbst ergriff mit einer Hand ein Stückchen Holz, mit der andern ein vorne abgerundetes Messer, das einen hölzernen Griff hatte, er wendete dann die zusammengelegte Schrift mit diesen Werkzeugen um, bis sie entfaltet vorlag. Nach Lesung der Schrift wurde die Strickleiter erstiegen, und auf der Stelle eröffnete sich freier Verkehr an unserm Borde. Es war, wie wenn man aus dem Regen in die Sonne tritt, wie wenn den eingesperrten Bienen im Korbe Luft gemacht wird. Ein Araber, der an einer Traubengeschwulst des Auges litt, erinnerte mich bei Zeiten an die egyptische Augenplage.

Aber schon sind wir im Hafen, und noch hoch am Tage, sinkt der Anker. Rechts von den Ruinen bewegen sich in langsamen Kreisen zierliche Windmühlen, dreißig bis vierzig an der Zahl; links preiset der stattliche Palast des Statthalters europäischen Geschmack; die Mitte der Schaubühne schließt ein Gesäe unansehnlicher Häuser hinter einem Walde von Masten. Man mußte von dem Gedanken durchdrungen werden, daß man in einem andern Welttheile athme, und [S. 55] sah man bloß ins Meer, so fragte man sich neugierig über das trübe, in der Sonne rothgelblich schillernde Wasser, worüber ein Schwarm Vögel flatterte.

Ich schickte mich an, ans Land zu gehen. Neben mir Kriegsschiffe, über deren Größe ich erstaunte; vorwärts wieder Halbmonde auf den Flaggen; dort eine Barke mit trommelnden Soldaten; hier guckt eine Europäerin aus der Kajüte heraus, und fragt nach Neuigkeiten; dort ein Morgenländer mit der Pfeife im Munde, hinter einer behaglich auf dem Schiffsrande hockenden, den Schweif um die Beine niedlich windenden Katze, und hinter dem Netze von Tauen; ein englisches Dampfboot; ein hellenisches Schiff, dessen Name mit großen griechischen Buchstaben geschrieben war; kurz, eine Menge Fahrzeuge, rechts und links, vorwärts und rückwärts, ein bewohntes Meer. Ich höre Musik, vom Lande her Lärm, als wäre ich einer Kirmes nahe. Hurtig stieg ich auf den breternen Steg, und wenig Schritte, ich war zu Land, auf Sand, in Afrika, in Egypten, in Alexandrien . Unbeschreibliche Freude erfüllte mein Gemüth. In Deo gratias ergoß sich beinahe unwillkürlich das Herz, — meine ersten Worte in Afrika. Die mir nächste Person auf dem Lande war linker Hand ein halb entblößter Mensch von ungefähr dreißig Jahren und schwarzbrauner Farbe. Er lag abwechselnd auf den Knien und [S. 56] warf sich auf den Staub nieder, faltete manchmal die Hände, verdrehte oft die Züge des Gesichtes. Das ist ein Verrückter, dachte ich, und wenn er es nicht ist, so verwendet er doch seine gesunde Vernunft zur Verrücktheit. Was soll ich sagen? Er verrichtete, nach dem Gesetze Mohammets, das dritte Gebet zwischen Sonnenhöhe und Sonnenuntergang (el-Asser); aber ich sehe ein, daß ich mit meinem verwerfenden Urtheile zurückhalten muß. Die religiöse Mimik will tiefer gewürdiget sein. Hat denn, frage ich, das Zusammenstrecken der zehn Finger bei den Protestanten mehr Bedeutung, als die Niederwerfung vor Gott bei den Morgenländern, oder das Niedersinken auf die Knie bei den römischen Katholiken?

Der alte Hafen ist jetzt den Europäern direkte geöffnet, und, außer den wiederholten Anfragen, deren gedacht ward, gibt es keinerlei Umstände, um in denselben zu gelangen. Wie vieles hat sich nun seit fünfzig Jahren umgestaltet. Das Traurigste aber ist, daß das türkische Regierungssystem auf keine sichere Grundlage sich stützt, da beinahe mit jeder neuen Besetzung eines Paschaliks (Statthalterschaft) eine neue, bald vor-, bald rückwärts schreitende Ordnung der Dinge eingeführt wird.

Ich miethete in der Stadt ein Zimmer, und begab [S. 57] mich wieder an Bord, an welchem ich die letzte Nacht hinbringen soll.

Ich konnte vor Freude über den jetzigen Aufenthalt den Schlaf kaum finden. Indessen bemerkte ich, daß es etwas kühler wurde, mein Kopf unbedeckt war, und die Frische, die ich an jenem fühlte, meinen Schlaf verhindere. Ich zog das Oberleintuch herauf und machte eine Kaputze. In wenig Minuten war ich eingenickt. Lärm weckte mich.

Den 9.

Schon in aller Frühe. Ich hörte zwar nicht mehr das Geklingel im Hintertheile des Schiffes und die antwortenden Glockenschläge über der Kajüte der Matrosen, zum Zeichen, wie lange das Geschäft des Ruderbesteurers dauere; ich hörte nicht mehr: Rende la guardia al timone, a che tocca la (terza) ; in dem Kastenbette hörte ich nicht mehr den Wellenschlag neben mir an der Wandung, oder das Kollern, oder bei günstiger Fahrt das Gezische, ähnlich demjenigen beim Pumpen des dicker gewordenen Rahms: aber das taktmäßige, weinerliche Rufen und Singen ganz eigener Art erklang noch, der Losungsruf der Matrosen, daß sie vereint und gleichzeitig große Kraft anwenden, z. B. um eine Last zu heben, aber das monotone, grelle Pfeifen der egyptischen Seetruppen tönte jetzt herüber. Wie ich den Matrosenruf zum ersten Male vernahm, machte er [S. 58] einen höchst unangenehmen Eindruck auf mich, welchen nur nach und nach die Gewohnheit mildern konnte. Unser ragazzo (Schiffsjunge), beinahe immer auf dem Meere, ohne viel Anderes singen zu hören, trillerte das Geleier der Matrosen zu seiner Ergötzung daher.

Endlich hieß es: eingepackt, und ich setzte Fuß ans Land, um mit meinem Gepäcke das Zimmer zu beziehen.

Ohne Tagesordnung bringe ich verschiedene Denkwürdigkeiten von Alexandrien.

Alexandrien.

Lage.

Die Stadt Alexanders (Skanderun) liegt auf einer Landzunge, die in der Richtung gegen Nordwest ins Meer sich verliert. Die Spitze verläuft in einen Lappen, der sich südwestlich umbiegt, und in einen Faden, der sich in entgegengesetzter Richtung bis zu einer kleinen Festung ausdehnt. Hier, an der Stelle dieses Vertheidigungswerkes, soll einst der Pharus gestanden haben. Der westliche Zungenrand begränzt den alten Hafen und der östliche den neuen , welcher letztere indeß wegen seiner Untiefe, durch die gränzenlose Nachlässigkeit der jetzigen Beherrscher Egyptens, sehr wenig belebt ist, immerhin aber sich sehr hübsch herausstellt. Auf der Wurzel der Zunge hatte sich das alte Alexandrien ausgebreitet, und dieselbe ist jetzt nur wenig [S. 59] angebaut. Dagegen strotzt es gleichsam von Ruinen, sobald man den Schutt weghebt. Die schönsten Marmorsäulen sind von diesem bedeckt, und eben grub man eine hervor. Unlängst zog man auch ziemlich viel Goldmünzen heraus.

Man kann heutzutage nicht mehr behaupten, daß die Stadt landwärts von einer Wüste umgeben sei. Gegen Mittag schließen sich schöne Gärten an, woraus die Dattelpalme den neu angekommenen Europäer dem Afrikaner willkommen heißt. Der am nördlichen Ufer des Mareotis angelegte Garten des Ibrahim-Pascha verdient vor andern Lob. In der Nähe desselben übernimmt ein Strich angebauten Landes die versöhnende Rolle zwischen dem üppigen Garten und dem kahlen Sandmeere der Sahara. Der Mareotissee selbst, mit seinen wenig aufragenden, wüsten, gelbsandigen Ufern, sieht eher einem Sumpfe gleich, und gewährt daher keinen angenehmen Anblick.

Gebäude.

Die Moscheen sind meistens häßlich; die Minarets oder Thürme steigen nicht hoch empor. Beide weiß, überkalkt, ohne Schmuck, ohne ein Bild, mit dem Gepräge des Zerfalles. Antike Säulen tragen hie und da den Söller (Decke) des Tempels oder den Thurm. Der Zerstörungswuth, die vor Zeiten den Ton angegeben hatte, entgingen doch zum [S. 60] Theile die Säulen, und als brauchbare Baustoffe trifft man sie auch an andern Gebäuden. Indeß liegen Säulenstücke noch müßig herum. Eine einzige Moschee erspähete ich, die man schön nennen darf.

Der Sommerpalast des Vizekönigs liegt auf dem bezeichneten Zungenlappen (Ras-el-tin), vortheilhaft für das Auge. Auf der Morgenseite trat ich durch ein bewachtes Thor der Umfangsmauer, und ich gelangte auf einen schönen, geräumigen Platz. Mit gespanntem Gemüthe richtete ich meinen Blick umher, rechts auf das einstöckige, statt der Glasfenster — mit hölzernem Gitterwerke versehene Harem, links auf den Palast des Pascha, der, ebenfalls nur ein Geschoß hoch, in einen Giebel sich aufdachet. Das Wohn- oder Audienzzimmer des Vizekönigs schaut gegen den Hof oder gegen Mitternacht. Diese Lage erklärt sich leicht, da unter einem so heißen Himmel die Sonne geflohen und der Schatten gesucht wird. Den Eingang in den Palast bildet eine Halle, welche schöner, weißer Marmor auskleidet. Hier immerwährender Schatten, angenehme Kühlung. Da sieht man Höflinge in ihren orientalischen Prachtgewändern ein- und ausgehen, um nicht zu sagen, ein- und ausschlendern. Die Hoflakaien warten ihrer Herren. Stolze Hengste stehen an einer Reihe gesattelt in Bereitschaft. Das Roß des Pascha, mit nicht sehr ausgezeichnetem [S. 61] Schmucke, wird vom Sattel nie befreit, auf daß es immer gerüstet sei, seinen Herrn von hinnen zu tragen.

Ich sah eben eine Truppe Araber in ihren mitunter schmutzigen Mänteln einherschreiten, denen man zwar Fassung genug, aber doch so viel ansah, daß sie sich zu einer Vorstellung vorbereiteten, indem sie die Mäntel etwas zurecht legten und ihre Köpfe zusammensteckten. Die Truppe zog festen und weidlichen Schrittes die breite Marmorstiege hinauf. Als sie vor dem Pascha erschien, erblickte ich diesen vom Hofe aus; denn das Fenster war offen. Mehemet-Ali imponirte durch seine Haltung, trug eine rothe Mütze, einen auf die Brust herabwallenden, dichten, grauen Bart, und hatte das schöne Aussehen eines muntern Greises. Ich schaute neugierig hinauf, und keine Seele hinderte mich daran. Man sagte mir später, daß ich hätte hinaufgehen und an der Thüre des Audienzzimmers zusehen dürfen. Solche Dinge geschehen im Morgenlande weniger geheim, als in Europa. Freilich darf man nicht unberücksichtiget lassen, daß die physische Kälte die Europäer so oft zum Schließen der Fenster und Thüren nöthiget. Die Leibwache des Pascha ist mit blauem Tuche, einer rothen Mütze und mit gelben, plumpen Schuhen bekleidet. Ein Wachposten kam aus dem Palaste, die Füße ungleich bewegend, die Schuhe gleichsam nachschleppend, lachend, beinahe spielend. [S. 62] Bei aller Leichtigkeit des Karakters fällt es dem französischen Militär doch nie ein, am Posten oder unterwegs von einem Posten zum andern Spaß zu treiben. Selbst unsere Knaben von acht bis vierzehn Jahren benehmen sich ernster, wenn sie sich in den Waffen üben.

Die Häuser sind von dreierlei Art: europäische, türkisch-egyptische und die Hütten.

Die europäischen Häuser liegen im Frankenviertel. Ein Theil derselben hat flache Dächer oder Söller. Ibrahim-Pascha ließ ansehnliche aufbauen — um einen sehr geräumigen Platz. Ibrahim (Abraham) thut wirklich zur Verschönerung und Belebung der Stadt sehr viel, wobei er durch Beziehung schwerer Hauszinse seine Rechnung recht gut findet. Die Konsulatsgebäude stehen nahe beisammen. Hoch über ihren Dächern flattern die Flaggen, welche dem Abendländer einen sehr wohlthuenden Anblick gewähren, und ihm gleichsam Schutz und Sicherheit zulispeln. Wenn ein Schutzempfohlener stirbt, so wird eine besondere Flagge, doch minder hoch gehißt. Den Söller der hohen fränkischen Häuser heißt man Terrasse , auf der man sich angenehm aufhält. Von derselben erhebt sich ein offenes Thürmchen, Belvedere genannt, und mit Recht, da man darauf eine schöne Aussicht genießt. Man kann auf einem Thürmchen die ganze Stadt und die Häfen [S. 63] übersehen. Die Flachheit der Dächer beklagen manche Europäer. Während der Regenzeit dringt durch das Deck Wasser, welches das Wohnen nicht weniger unangenehm, als ungesund macht.

Man will behaupten, daß der Regen, welcher im Winter tageweise und in starken Güssen anhalte, in Alexandrien von Jahr zu Jahr häufiger falle, und man schreibt dieß den im Weichbilde angepflanzten Bäumen zu. In der That ist der Regen in Mexiko seltener geworden, seit der in seiner Nähe belegene Wald ausgehauen ist. Die Franken scheinen sich zu überzeugen, daß geneigte Dächer zum Bedürfnisse gehören, und während meiner Anwesenheit zog man einen Kanal durch die Frankengasse, um das Regenwasser abzuführen. Weil ohnehin in der Stadt keine Gasse gepflastert ist, so wird der Schmutz, bei starkem Regen, tief und lästig. Ich vermuthe aber, daß man von rascher Abänderung des Klima und vom jährlich zuwachsenden Regen ein wenig träume, wie denn auch die Vorstellung von der sengenden Gluth der egyptischen Sonne bei Manchen übertrieben sein mag. Ich könnte den Doktor Prosper Alpinus [3] , der vor zwei Jahrhunderten Egypten [S. 64] bereiset hat, zum Zeugen anrufen. Er bemerkt, daß in einem Theile dieses Landes, wie in Kairo, der Regen eine seltene Erscheinung sei, wogegen es an der Meeresküste, in Alexandrien und Damiat, oft und sehr stark regne. Wenn auch, vor Christo , Pomponius Mela das wahrscheinlich viel baumreichere Egypten ein regenloses Land („ terra expers imbrium “) nennt, so darf man wohl immerhin nicht glauben, daß dieß zur Zeit des Autors durchhin wahr sein mochte, sondern vielmehr, daß er die Regenlosigkeit auf einzelne Gegenden bezogen, und diese für das Ganze genommen hat.

Mischten die Egypzier sich nicht in das Schauspiel, wenn man in das am neuen Hafen liegende Frankenquartier kommt, man würde gerne läugnen, daß man den Boden Afrikas unter den Füßen hätte, so sehr ist Alles über den europäischen Leisten geschlagen. Laden an Laden, Kaffeehäuser und zwei Wirthshäuser sorgen für die Bequemlichkeiten der Europäer. Alexandrien ist halb europäisch, halb afrikanisch, und darum erscheint es dem europäischen Ankömmlinge eben so freundlich, als merkwürdig.

Die türkischen Häuser , in der Regel ziemlich niedrig, haben gegen die Gasse einen großen Vorsprung oder Erker, worin man zu faulenzen pflegt; die Fenster werden meist von einem niedlich gearbeiteten engen Holzgitter ver [S. 65] sehen. Solches kann unter einem milden Himmel gut angehen; allein es dürften nur Kälte und Regen stärker werden, so würden die empfindsamen Bewohner unfehlbar leiden. Manchen Häusern verleiht der Kalk ein schneeichtes Weiß.

Die Hütten zeugen von Einfachheit und Elend. Von der Form eines unordentlich kantigen Würfels, enthält die Hütte bloß ein Gemach, und in dieses führt eine einzige Oeffnung zur Aufnahme der Thüre, welche mit einem hölzernen Schlosse gesperrt werden kann. Wenn man nicht mehr als das Hausgeräthe auf arabisch nennen müßte, so würde man im Nu arabisch verstehen. Der Boden dient als Sessel, als Tisch, als Bettstelle u. dgl., und ist somit ein wahres Wunderding. Mann und Weib, Kinder, Freunde und Verwandte legen sich neben einander, und füllen, wenigstens auf dem Boden, den Raum der Hütte. Die Kleider, womit Manche sich des Tages bedecken, sind im guten Falle die einzige Bettung für die Nacht, und die Leute entkleiden sich in der Regel nur dann, wenn sie der allzu dienstfertigen Kreaturen auf die anständigste Weise los werden wollen. Es soll die Armuth eines Theiles der Alexandriner so groß sein, daß nicht beide, welche eine Hütte bewohnen, ausgehen können, weil sie nur ein Kleid besitzen. Darum warte der eine Elende nackt in der Hütte, [S. 66] bis der andere in dem gemeinschaftlichen Kleide zurücktreffe. Die Hütten sind von Erde aufgeführt und von Farbe schwarzgrau. Sie vermögen lange andauernden Regen nicht zu bestehen. Es ist nicht lange her, daß in einer kalten Regennacht viele Hütten einstürzten; eine Menge obdachloser Bewohner erkrankte und starb. Erst jetzt mochten die Leute den Segen ihres Himmels dankbarer erkennen. Wie viel Schweißtropfen rinnen über die Stirne herunter, bis der Europäer sein Heizungsholz, seine Strümpfe, Schuhe, seine Winterkleider zusammengebracht, bis er seine Wohnung mit allem Nöthigen ausgerüstet hat. Ein Theil der Hütten gefällt sich in der Nähe des vizeköniglichen Palastes. Dort bietet sich die beste Gelegenheit dar, über den schroffsten Gegensatz von „Herr und Unterthan“ Betrachtungen anzustellen. Eine andere Abtheilung von Hütten besetzt den Süden der Stadt, neben den vielen schönen Zisternen des Alterthums, und verspottet die Ruinen, jene Mauern, welche Jahrtausenden widerstanden, und noch die baufälligen Hütten unserer Tage tragen müssen.

Das sind die polsterarmen Hütten, und werden so viele Alexandriner darin geboren, und wo anders strecken sich diese auf das Sterbelager? Und doch werden die polsterreichen Europäer mit nicht minder Schmerzen geboren, und [S. 67] doch müssen sie auch sterben, todt werden müssen sie trotz ihrer Eiderdunen.

Krankenhäuser.

Das europäische, das am Mahmudiehkanal, das auf dem Ras-el-tin und die Observationshütten.

Das europäische Krankenhaus ist für die Europäer bestimmt, wie schon der Name bezeichnet. Es liegt, von kleinen Araber-Hütten auf der einen Seite umgeben, unweit des Frankenquartiers. Das Gebäude, nach europäischem Geschmack, nimmt sich für das Auge recht gut aus [4] . So weit mir ein Blick in das Krankenhaus, das wenigstens eine gute Verwaltung ankündigt, vergönnt war, schöpfte ich die Ueberzeugung, daß der Europäer in seinen kranken Tagen hier gut verpflegt wird, und in dieser Beziehung Europa ihn nicht mit schmerzlichen Erinnerungen quält. Diejenigen, welche mehr (täglich einen levantischen [S. 68] Thaler) bezahlen, bekommen ein eigenes Zimmer, damit ihren Wünschen noch besser entsprochen werden könne. Was vielleicht am hemmendsten auf die Unternehmung einer Reise ins Morgenland wirkt, ist die Vorstellung von der Verlassenheit und den Scheusalen in den kranken Tagen; die Bemerkungen über die Krankenanstalt aber können kaum verfehlen, diese irrige Vorstellung zu verdrängen.

Das Mahmudiehkrankenhaus steht nahe am Mahmudiehkanale, den großen Baumwollenmagazinen gegenüber. Ehe man zum Gebäude kommt, geht man durch ein Gitterthor, womit eine Art Verschlag oder ein Pfahlzaun geschlossen wird. Der Eintritt durch diesen ist Jedermann gestattet. Von der Gitterthüre bis zum Krankenhause beträgt die Entfernung nur wenige Schritte. Den Zwischenraum kleiden, dem Auge sehr wohlthuend, Garten- und Wildgewächse. Am Thore des Krankenhauses selbst stieß ich auf Schwierigkeiten. Der Soldat, welcher Wache hielt, wies mich zurück, doch nicht unsanft. Ich wurde eben einen Mann gewahr der schrieb, und der mir ein Arzt zu sein schien. Ich redete ihn in französischer Sprache an. Es war ein französischer Arzt, mit Namen Etienne , der mir sogleich die Gefälligkeit erzeigte, mich im Krankenhause herumzuführen.

Von allen Krankheiten interessirte mich am meisten die [S. 69] egyptische Augenentzündung. Die daran Leidenden füllen mehrere Säle. Sie ist beinahe ein größeres Uebel zu nennen, als Pest und Cholera. Denn entweder genesen die an diesen beiden Krankheiten Leidenden, wie meistens, ganz, oder sie sterben — ganz. Der letztere Fall kann für die Betreffenden im Grunde nicht unglücklich sein. Welch ein Uebel dagegen ist es, völlig blind zu werden. Von zehn Arabern wird man einen entweder Halb- oder Ganzblinden finden. Ich sah weniger blinde Weiber, als blinde Männer, und die Krankheit scheint den Erwachsenen feindlicher als den Unerwachsenen.

Aus den Krankenzimmern trug ich die Ueberzeugung, daß die Leidenden, wo nicht auf eine glänzende, doch auf eine befriedigende Weise behandelt werden. Meine Erwartung ward übertroffen. Mag ein Anderer das Krankenhaus eine Nachäfferei der europäischen heißen, es wird in demselben so zu sagen Alles geleistet, was sich unter den obwaltenden Umständen thun läßt. Davon, wie Diät und Regimen gehalten wird, kann ich übrigens nichts mittheilen, wenn nicht das Wenige, daß in der Küche Reinlichkeit und guter Geruch mich bewillkommten. Das Haus ward von etlichen neunzig Kranken bewohnt. Beiläufig erwähne ich, daß diejenigen, welche außer dem Bette sich aufhielten, Achtung für Etienne erwiesen, indem sie mi [S. 70] litärisch sich stellten. Ich konnte nicht umhin meine Glossen zu machen, wenn der Eingeborene gegen den Fremden sich so unterwürfig geberdete.

Geht man zu dem Palaste des Vizekönigs, so sieht man rechts, in der Nähe des Residenzschlosses, ein dem Umfange nach großes, aber niedriges, einstöckiges Gebäude, das von Pallisaden umzingelt ist: wie das letzte, ein Militärspital. Es ist das Krankenhaus auf dem Ras-el-tin (Feigenkap) oder das Tasikispital. Früherhin eine Kaserne, bildet es mehrere Höfe, und ich konnte keine regelmäßige Bauart wahrnehmen. In der Bade- und Dampfbadeanstalt, deren Pracht mich überraschte, begegnet das Auge allenthalben weißem, geschliffenem Marmor bis an die Kuppeln, welche von zahlreichen, runden, mit Glasscheiben verstopften Oeffnungen zum Einlassen des Lichtes durchbrochen sind. Auch dieses Krankenhaus erfreut sich einer Einrichtung, welche den Bedürfnissen abhelfen dürfte.

Das Observazionsspital oder die Observazionshütten.

Ich ritt eines Nachmittags dahin; allein der Arzt war noch nicht eingetroffen. Ich ging unterdessen zum Mahmudiehkrankenhause, welches, dem Meere etwas näher, [S. 71] den Observazionshütten gegenüber liegt. Dr. Etienne ritt eben auf einem Esel daher. Kaum unterhielt ich mich mit ihm, als ein Kranker plötzlich umfiel. Ich sagte: Es ist ein Cholerakranker. Dr. Etienne verneinte, wahrscheinlich weil er glaubte, er könne mir einen Schrecken ersparen. Seine Geschäfte riefen ihn hinweg, und ich begab mich zu den Observazionshütten. Hören wir später das Weitere.

Diese Hütten sind mit einer Pallisadirung umgeben. Man lasse aber den Pinsel der Einbildung fallen, welcher schöne Gemälde entwirft; zur Seltenheit ist ein Pfahl genau so dick, und so hoch wie der andere. Die Pallisadirung fesselt durch ihre Unordentlichkeit schon von weitem das Auge, und wenn ein Europäer das Militär noch nicht kennte, welches, mit dem schwarzbraunen Gesichte, zwar einen Säbel und ein Kleingewehr trägt, aber sonst in Wenigem einem der europäischen Krieger gleich, oder auch bloß ähnlich sieht, so würde er schlechterdings die Hütten für Alles eher, als für ein Staatsgebäude erklären. Die Pallisadirung wird vom Militär bewacht, und dieses läßt Niemand, wenigstens den Europäer nicht, durchschlüpfen. Ich wartete wenige Minuten am Gatter der Observationshütten, und es kam der Arzt, Herr Gallo , ein Grieche, auf dem Esel geritten. Ich machte schon in einem gesel [S. 72] ligen Kreise seine Bekanntschaft, und so durft’ ich auf seine wohlwollende Aufnahme zählen.

So eben trug man einen Kranken daher über die Gatterschwelle. Plötzlicher Lärm entstand. Die Wärter eilten mit Pestzangen herbei, seinen Träger zurückzustoßen. Nun wurde der Kranke auf den Boden gestellt; allein zu schwach, um sich aufrecht halten zu können, sank er auf die Erde nieder: Der nämliche Kranke, welchen ich an der Pforte des Mahmudiehkrankenhauses umfallen sah. Er war wirklich cholerakrank.

Die Observazionshütten sind nichts, als Hütten, und zwar elende, fensterlose, schlecht ausgezimmerte, daß zwischen den Bretern, woraus die Wände bestehen, Licht eintrat, und zu einer andern Zeit unzweifelhaft Wind und Regen eindringen werden. Die Thüren werden mit einem Vorlegeschlosse gesperrt. Der Boden ist die nackte Erde, und Brutus hätte nur den Spitalboden küssen dürfen, um den Götterspruch von Delphi zu erfüllen. Das Ganze stellt eine Art Dörfchen vor. Die Hütten sind dazu bestimmt, eines pestartigen Uebels verdächtige Fälle, Pest- oder Cholerakranke, so wie auch kranke Sträflinge aufzunehmen. Einen schauderhaften Anblick für mich erregte die Kette, welche von einem Krankenbette zum andern, von einem Leidenden zum andern in gesenktem [S. 73] Halbbogen hinüberlangte. Die Bettstellen sind ein hölzerner Käfich, welchen ich zum ersten Male im Krankenhause auf dem Ras-el-tin wahrnahm. Wenige lagen nur auf einem Strohteppich, und auf etwas Wollenzeug, welche die Blöße der Erde zudeckten.

Die erste Hütte, in die ich geführt wurde, war zur Observazion bestimmt. Nicht Bettstellen darf man hier suchen, noch Sönderung. Cholerakranke und ein von Wechselfieber Befallener waren neben einander auf nackter Erde ausgestreckt; einer der erstern kreuzte seine Beine über den andern. Im Ganzen fanden sich drei neu hereingebrachte Kranke zur Observazion, wovon einer als nichtcholerisch erklärt wurde. Ueberdieß sah’ ich noch etwa sechs andere Choleristen.

Ich nahm die Weltcholera in den Hütten zum ersten Male wahr, und ich werde nun bei dieser Seuche ein wenig mich aufhalten. Man setzt in denselben voraus, daß die Cholera sich durch einen Ansteckungsstoff fortpflanze, und es werden gegen sie ungefähr die nämlichen Maßregeln ausgeführt, wie gegen die morgenländische Pest. Ehe Herr Gallo einem Kranken den Puls fühlte, ließ er sich die Hände mit Baumöl begießen, ohne daß jedoch die Schuhsohlen beölt worden wären.

Das Bild der Cholera ist dasselbe wie in Europa. [S. 74] Gänzliche oder fast gänzliche Abwesenheit des Pulses an der Hand, die Haut kalt, über den Phalangen schrumpfig, wie bei einer Wäscherin, der Abgang einer wässerigen, weißlichen Flüssigkeit sursum et deorsum , das Auge gläsern, wie erstorben, der Blick stier und bedeutungslos, die Nase dünn und spitzig, die Löcher mit Staub, die Lippen trocken und bläulich, die Zunge beinahe starr und wird vom stoßweise Lallenden nur mit Mühe gezeigt, die Backen zu eckigen Vertiefungen eingefallen u. s. f. Kurz, im höhern Grade der Krankheit hat man einen lebendigen Todten vor sich. Der Anblick von Cholerakranken ergriff mich nicht besonders; denn die schwarzbraune Farbe der Araber ist nach europäischen Begriffen ohnehin widerlich, und sie veränderte sich nicht bedeutend, außer daß sie schmutziger wurde. Die Kranken schienen mir keineswegs auffallend zu leiden; sie gaben kein Gestöhne oder irgend einen Schmerzlaut von sich. Die asphyktisch Cholerischen waren vom tiefen Schlafe trunken. Diejenigen, welche in den Hütten untergebracht werden, ziehen beinahe Alle das traurige Loos eines frühzeitigen Todes.

So angenehm das Mahmudieh- und Ras-el-tin-Krankenhaus meine Erwartungen übertrafen, so sehr ich auch geneigt wäre, ein günstiges Urtheil zu fällen, so wenig kann ich der Observazionsanstalt Lobsprüche ertheilen. Es [S. 75] stellt sich in der That zwischen einer solchen und keiner Anstalt wenig Unterschied heraus. Dagegen lauten die Forderungen, daß gerade das Pestlazareth auf dem humansten Fuße stehe. Wo ist die Hülfe dringender, als bei Pest und Cholera? Wo ist es für einen Kranken, mag er selbst ein gefesselter Sträfling sein, peinlicher, als zwischen oder doch in der Nähe solcher Kranken, welche der ganze Rüstzeug der Regierung und die öffentliche Meinung der Franken für ansteckend ausgibt? Wie leicht werden die Erkältungen in der Regenzeit. Es ist für den Ruhm nicht genug gesorgt, daß man einen Obersten des Landes reich besolde, oder einen fremden Marschall mit Ehrenbezeugungen überhäufe, so lange die Noth armseliger und beladener Unterthanen aus einem Krankenstalle schreit.

Nach der einmal gefaßten oder vorgefaßten Meinung von dem ansteckenden Karakter der Cholera sperren sich die meisten Europäer in Alexandrien gegen diese Seuche, wie gegen die Pest, ab. Ich kann nicht umhin, das völlig umgekehrte Verfahren der Kontagionisten in Europa, ins Gedächtniß zurückzurufen, nach welchem die Kranken selbst isolirt werden. Ein sicheres und das beste, aber das inhumanste, die Pflichterfüllung und Berufstreue schnurstracks verhöhnende Mittel, sich vor der Cholera zu schirmen, ist die zeitige Entfernung vom Orte, wo [S. 76] die Krankheit herrscht, an einen solchen, welcher davon frei ist .

Ebenso betrachten die europäischen Alexandriner die Pest durchaus als kontagiös. Sie schließen sich ihretwillen ein, doch nicht überall so, daß gar nicht mehr ausgegangen wird. So besorgte ein Handelsmann die Geschäfte außer dem Hause, in welchem seine Mitarbeiter und das Gesinde stets eingesperrt waren. Er stülpte unten die Beinkleider auf, beölte die Schuhsohlen und, mit einem großen Stocke bewaffnet, machte er sich auf der Gasse Bahn, damit ihn Niemand berühre. Der Araber weicht ohne Anstand aus. Jener Mann, den ich zum Beispiele wählte, rettete sich durch die Pestzeit [5] .

Wenn sonst auf der Straße die häßlichsten Weiber jeden Augenblick erhaschen, ihr Antlitz vor dem Europäer zu verhüllen, so überraschte es mich, in einer der Pesthütten kranke Weiber unverschleiert zu sehen. Sie verriethen beim Erscheinen des Arztes, seines Assistenten und [S. 77] meiner Person nicht die mindeste Verlegenheit, und rollten ihre schwarzen Augen rechts und links, so oft es sie gelüstete. Unter den Kranken befand sich, wie sich etwa der Pariser vornehm ausdrücken würde, auch eine Galante.

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Die Gesundheitspolizei würde in der Stadt noch Manches aufzuräumen haben. Dem Garstigsten vom Menschen begegnet man an den meisten Orten. Ueber dem Bassar, nämlich auf den Deckbretern, häufen sich Unreinigkeiten fast jeder Art, die wohl selten weggeschafft werden. Aeser erblickte ich wenige. Wie dem auch sei, so werden immerhin einige Gassen gekehrt und etliche Plätze mit Wasser besprengt [6] . Gleichwie die Unreinigkeiten am Gesichte auf Nachlässigkeit und schlechte Gesundheitspolizei des Mikrokosmus schließen lassen, so zeigen die Unreinigkeiten an den Gebäuden und auf den öffentlichen Plätzen mit der Gewißheit der Uhr an, wie wenig sich der Staat um das öffentliche Gesundheitswohl bekümmere.

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Die Katakomben und der Pferdestall.

Hat man den Mahmudiehkanal überschritten, und ist man an den großen Baumwollenmagazinen vorüber, so leitet der Weg durch eine wüste Gegend, und bald gelangt man zu den Katakomben, welche, südwestlich von Alexandrien, an der Seeküste sich hinziehen. Wo das Meer in Gemächer fließt, heißen diese die Bäder Kleopatra’s . Sie waren es auch wahrscheinlich, und jetzt noch könnte man hier mit Bequemlichkeit Seebäder gebrauchen. Von da ging ich in eine der vielen Oeffnungen. Der Eingang bildet eine geräumige Höhle, welche jetzt als Pferdestall dient. Am Lichte der Fackel wendete ich mich links. Ich trat in einen Tempel, welcher, mit sorgfältiger Hand in den Felsen ausgehauen, durch seinen einfachen und edeln Styl mir ungemein gefiel. Weiter kam ich in eine Menge viereckiger, kleinerer und größerer Gemächer. Bald durfte ich aufrecht gehen, bald mußte ich durch eine Oeffnung oder einen Gang geduckt mich durchhelfen; selbst war ich genöthiget, durchzuschlüpfen oder durchzukriechen. Ich hatte mich wie in einem Labyrinthe verloren. Der Araber, die einzige Seele mit mir, hätte mich an den Ort des Verderbnisses führen können, ich würde ihm nachgegangen oder nachgekrochen sein, wenigstens bis an die [S. 79] Schwelle. Die Größe der unterirdischen Arbeit beschäftigte in diesem Augenblicke am meisten meinen Geist. Ich vergaß der Schakals und Hyänen, die Herr von Prokesch in den Katakomben hausen läßt. Denn ich sah nichts Böses, nur Alles leer, öde, ausgestorben, höchstens einige Gebeine herumliegen, oder ein Käuzlein auffliegen [7] . Ich athmete bei meinem unterirdischen Spazierengehen und Spazierenkriechen keine erstickende Luft, wie Herr von Prokesch (I. 23). Allerdings fühlte ich Hitze, doch keine drückende. An den Wänden konnte ich weder Zeichen, noch Farben finden.

Wer mochte wohl die Katakomben geleert, geraubt, entweiht haben? Wie sehr sind die Religionsformen der Wandelbarkeit unterworfen. Mit saurer Mühe brach man einst die Zellen in den Felsen, mit religiöser Verehrung setzte man die Todten bei; nun ist Alles Heilige aus den heiligen Oertern entwichen, und es fehlt dem Araber nur noch der Geldreiz, daß er seinen Auswurf nicht in den Zellen aufhäuft. Mich beschämte der Gedanke, wie viel [S. 80] mehr Ehre die Alten den menschlichen Ueberresten erwiesen haben, als unsere Zeitgenossen bezeugen. Vielleicht würden sie, wenn sie wieder lebendig wären, uns der Unmenschlichkeit oder des Barbarismus beschuldigen, weil wir den Leichen so wenig Rechnung tragen, daß sie in unlanger Zeit spurlos verschwinden, und auch nicht einen Haltpunkt des Andenkens darreichen, etwa mit Ausnahme der Leichenbeine, welche, unter Zerstörung des Individualitätswerthes, herumgeworfen, oder in der größten Unordnung aufgestapelt werden.

Die Nadeln der Kleopatra und der Flohfänger.

Hart am neuen Hafen sieht man die Nadeln oder Obelisken der Kleopatra , den einen stehen und den andern liegen. Ich näherte mich dem stehenden Obelisken von der Südseite. Ich erblickte einen verwitterten Stein. Ich wendete mich um, die Ostseite zu besehen. Gleicher Anblick. Wie ich mich gegen die Nordseite wendete, siehe, da saß am Schatten des Obelisken ein nackter, erwachsener Mann, welcher die Nähte seines Hemdes durchspionirte und an dem Todschlage oder Toddrucke eines gewissen Missethäters wahrscheinlich eben so sehr sich ergötzte, als ich mich an den Obelisken. Daß es ernsthaft zuging, mußte ich daran merken, daß der neue Adam kaum auf [S. 81] schaute, und ein daneben sitzendes Mädchen in aller Unschuld ihn in seinen Bestrebungen bestens unterstützte.

Ist es nicht eine halbe Gotteslästerung, daß man vor einem so erhabenen Denkmale, welchem die Seele in edler Begeisterung zugelenkt wird, ein Scheusal von Prosa auskramt? In der Natur ist aber überall Gegensatz — neben dem Erhabenen das Niedrige, neben dem Edeln das Unedle. Wenn wir uns dergleichen erhabene Monumente vorstellen, so dichtet freilich unsere Einbildungskraft Allem um sie herum den Anstrich des Erhabenen an; es dürfen keine lumpige oder entblößte Leute in ihrer Nähe herumstehen, herumwandeln oder herumsitzen, sondern nur edle, halbverklärte Geister müssen herumschweben. Wie denn von jeher das Große, Erhabene und Edle seine Verächter und Spötter fand, so wiederholt sich diese Verachtung und dieser Spott im Angesichte der Obelisken. Kann man sich wohl eine größere Verachtung oder einen ironischern Spott auf ein Werk, welches die vereinte Anstrengung so vieler Menschen kostete, denken, als einen Flohfänger, der von aller Pracht nichts wollte, als den Schatten ? Ein solches Schauspiel gewinnt selbst höhern Sinn in poetischer und politischer Beziehung.

Schon beherrscht mein Auge die Nordseite des Obelisken. Diese hat sich mit den Hieroglyphen noch in gu [S. 82] tem Zustande erhalten; so auch die Westseite. Der Obelisk besteht aus rothem Granit und erhebt sich siebzig Pariserfuß. Nicht durch seine Größe, noch durch seine Form macht er Eindruck, sondern man betrachtet diesen Stein erst mit rechter Aufmerksamkeit, wenn man weiß, daß er ein einziges Stück und ein sehr altes Geschichtbuch ist. Die Sache beim Lichte besehen, bewundern wir nicht den Stein selbst, sondern einzig den ihm aufgeprägten Geist der Menschen. Sonst dürften wir jede Handvoll Erde, die so gut ein Alterthum ist, wie der Obeliskenstein selbst, in die Liste der Denkwürdigkeiten aufzeichnen.

Der zweite Obelisk liegt gleich neben dem stehenden. Die Hälfte bedeckt der vielmächtige Sand; die andere verzeigt Hieroglyphen. Die Engländer sollen ihn umgestürzt haben, in der Absicht, denselben nach ihrem Vaterlande zu bringen, wovon sie bloß die Berechnung des kostspieligen Transportes abgehalten hätte. Der Luxor wurde in der That von den Franzosen freundlicher behandelt.

Die Pompejussäule und die Schandsäule.

Man hat mir so viel von der Pompejussäule vorgeschwatzt, daß ich sie zuerst nicht sehen wollte. Ich stand lieber still bei den Kameelen, in dem Bassar und zu auf [S. 83] merksam bei den elenden, beinah mehr mit Ketten, als mit Kleidern bedeckten Sträflingen.

Die Säule wurde zu Ehren des Kaisers Diokletian errichtet. Die Statue steht nicht mehr. Die Engländer, welche 1776 den Schaft bestiegen, und auf dem Fußgestelle eine Schale Punsch tranken, entdeckten noch einen Fuß. Die Säule ruht auf einer vortheilhaft erhobenen Stelle im Süden der Stadt. Gleich an ihrem Fuße breitet sich ein Leichenacker aus, auf welchem ich die Turbane durchmusterte. So eben lag eine, in ein blaues Tuch gewickelte Leiche auf einer Bahre, neben Weibern ohne Klage, während gegraben wurde. An manchen Orten Europens hat man das Grab im Vorrathe, und hier muß die Leiche darauf warten. Um keine Verletzung der Sitten und Gebräuche mir zu Schulden kommen zu lassen, stieg ich vom Esel und ging zu Fuß querein durch den Leichenacker. Der Treiber wollte den Esel mir nachführen; allein er wurde angewiesen, mit dem Thiere den Weg um das Leichenfeld einzuschlagen. Man mußte dießmal von der Ansicht geleitet worden sein, daß der Esel nicht würdig wäre, auf den Gräbern der Menschen zu wandeln. Mit dem Purismus ist es aber eine kitzliche Sache; immer und immer wirft er den Fallstrick des Widerspruchs vor. Läßt man jetzt den Esel nicht über die Gräber traben, so ver [S. 84] senkt man vielleicht später Ungeziefer in die Gräber. Ich muß es ganz herausbrocken; sonst haben die Worte keine Kraft.

Vom Leichenacker aus gesehen, prangt die Säule des Pompejus als ein großartiges Denkmal, auf welchem das Auge mit Lust weilt. Die ganze Höhe der Säule, nämlich des Schaftes mit Knauf und Piedestal, mißt 98 Pariserfuß. Der Schaft besteht aus einem einzigen Stücke rothen Granits. Billig staunt man darüber, wie ein 68 Pariserfuß langer und 7 bis 8 Fuß im Durchmesser haltender Stein (der Schaft) gebrochen, fortgeschafft, ausgearbeitet und aufgestellt werden konnte.

Das Verdienst, daß die Säule noch aufrecht steht, verdankt sie dem Umstande, daß sie von stummem Stein und schwer ist. Wäre sie mit D. O. M. überschrieben gewesen, so würde sie wahrscheinlich zerstört worden sein, wie die Alexandriner-Bibliothek, deren Verlust einer der unersetzlichsten für die Menschheit genannt werden darf. Es erregt Abscheu im höchsten Grade, daß die Leidenschaften der Menschen schadenfroh zerstören, was Andere Schönes und Erhabenes mühsam zu Stande brachten, und nichts vermag mehr, den Hochmuth unseres Zeitalters zu beugen, als die Betrachtung, daß die gleichen Leidenschaften den [S. 85] Krieger ohne Aufhören in den barbarischen Kampf rufen, in welchem so manches unschuldige Leben verblutet.

Reisende, welche die Säule bestiegen, bezeichneten diese mit ihren Namen. So viel Namen; so viel Entweihungen, so viel Beschuldigungen der Eitelkeit, so viel Stoff zum Aergernisse. Man würde sich scheuen, einen altrömischen Kriegsmann in eine Pariser-Jacke zu zwingen, aber die gleiche Thorheit an der alten, ehrwürdigen Säule zu begehen, trägt man kein Bedenken.

Bei der Pompejussäule genießt man eine schöne Aussicht auf Stadt und Land, Gärten und Wüsten, Hafen und Meer.

Die Nachgrabungen.

Wenn auch nicht das wissenschaftliche, so regt sich ein anderes Interesse, welches die Nachgrabungen im Schutte veranlaßt. Ibrahim-Pascha will neue Bauwerke, und so läßt er die von den längst entschwundenen Vorfahren gemeißelten Bausteine aus dem Schutte heraufholen. Daher sieht man an den im modernen Style sich erhebenden Gebäuden Steine aus der grauen Vergangenheit, die man bloß zurechtsägt, damit sie sich desto besser in die lästige Gegenwart fügen.

[S. 86]

Ich sah zwei Schachte, in denen man Nachgrabungen anstellte, und meine Aufmerksamkeit wurde doppelt angespannt: in den Rahmen der neuen Welt waren die Arbeiter und die Behandlung derselben, so wie die Art und Weise in Verrichtung der Arbeit u. s. f., in denjenigen der alten Welt die Antiquitäten gefaßt. Wenn die lebensreiche Jetztwelt mich mit größerer und unwiderstehlicherer Macht zu ihr hinreißt, so wolle der Vorweltler mir nach Herzenslust grollen, aber nur nicht eher, als bis er sich den Alterthumsschlaf aus den Augen gerieben hat. Es standen zwei Aufseher da, ein Grieche, ein dem Anscheine nach unwissender Mensch, und ein farbiger Mohammetaner. Beide hielten Peitschen in den Händen. Mich empörte es, wie der letzte ein etwa zwanzigjähriges Mädchen, welches eine ungemeine Lebhaftigkeit zeigte, und seine Arbeit mit Gesang begleitete, liebkosete, und später ihm mit der Peitsche aufmaß, so daß es entsetzlich schrie, freilich nicht ohne Verstellung. Mehr noch, als das Schlagen ärgerte mich, daß man es duldet. Schimpft nicht auf die Tyrannen, aber auf diejenigen, welche sie leiden. Wenn die Leute nicht in eine Art thierischer Unterwürfigkeit versunken wären, wenn bei ihnen die Selbstachtung nicht gleichsam erloschen wäre, so würde bald eine andere Saite aufgezogen sein. Die Europäerin meint nun zum allermindesten, daß jenes [S. 87] egyptische Mädchen vom bittersten Zorne und Hasse gegen den Aufseher ergriffen wurde. Nichts weniger, als dieß. Kaum schien der Schmerz ausgesumset zu haben, so kehrte die frühere Fröhlichkeit zurück, und man konnte aus dem freundlichen Benehmen des Aufsehers gegen das ihm wieder freundlich zulächelnde Mädchen deutlich schließen, daß nach der Arbeit zwischen diesen zwei Leutchen ein herzlicheres Verhältniß obwalten müsse.

Fast ganz nackte Männer hoben den Schutt hervor; man dürfte wohl sagen, ganz nackte, weil so nichts vor den Blicken verborgen war, indem die Lumpen bald diesen, bald jenen Theil kümmerlich verhüllten. Ich war an den Anblick solcher Leute noch nicht gewöhnt; allein die kleineren und größern Mädchen schienen das nicht zu beachten, was in der Meinung des Europäers die Wohlanständigkeit so tief verletzen würde. Der Schutt wurde in, aus Dattelblättern geflochtene, kleine, runde Körbe geworfen, und so auf dem Kopfe weggetragen. Zugleich richteten es die Lastträger, um sie scherzweise so zu nennen, gar fein ein, dergestalt, daß der eine auf den andern warten konnte, damit ja wieder einige Augenblicke in süßem Nichtsthun dahinfließen. Man las auf den Gesichtern der Arbeiter, und auch alle ihre Bewegungen verriethen es, daß nicht die mindeste Lust zur Arbeit sie beseelte, und daß sie ledig [S. 88] lich aus Furcht vor der Gewalt oder aus Zwang sich dazu anschickten. Viele in Alexandrien wohnende Europäer hegen die Ueberzeugung, daß ohne Peitsche und Stock der Araber von seinem Hange zum Müßiggange nicht loszurütteln und zur Arbeit zu bewegen wäre. So bald er etwas erspart habe, behaupten sie, lege er sich auf die Bärenhaut, und verthue oder vergeude wieder Alles. Uebrigens sorgt der Pascha mit väterlicher Theilnahme dafür, daß die Arbeiter nicht zu viel Geld in die Hände bekommen; denn die 30 bis 40 Para, welche er ihnen täglich in die Hand preßt , reichen kümmerlich für die allernothwendigsten Bedürfnisse hin. Würden Mehemet-Ali und Mahmud den abendländischen Fürsten darin nachahmen, daß sie, statt der Chiffres, ihre Köpfe auf der Silbermünze abprägen ließen, sie dürften gewiß nicht besorgt sein, daß sie in den Händen dieser egyptischen Arbeiter rothe Backen bekämen.

Leute. Bevölkerung.

Auf den Straßen ist es ungemein lebhaft. Die Budengassen (Bassar) sind theilweise gedrängt voll. Man darf sich mit Recht wundern, daß, bei allem Gedränge, die in ein bloßes Hemde gekleideten mohammetanischen Weiber den Franken selten berühren. Die bunte Kumpanei von so verschiedenen Menschen mit ihren abweichenden Sitten [S. 89] und Religionsformen, der bunte Wechsel von so verschiedenen Thierarten, als von Kameelen, Büffeln, Eseln, Pferden, hin und wieder das Knarren von Lastkarren (welche der Regierung gehören) wirkt beinahe betäubend. Nirgends traf ich mehr Getriebe und mehr Rührigkeit, als im Arsenale und in den Schiffswerften. Tief in die Nacht dauert der Lärm, und wenn das Getümmel der Menschen verstummt, so erhebt sich das Gebell der herrenlosen Hunde. Schwerlich wird dem Schlaflosen je eine feierliche Stille vergönnt.

Der arabische Alexandriner ist eine wahre Lärmtrompete. Er lernt laut; arbeitet er, so singt er. Wenn dreißig bis vierzig Arbeiter eine Last heben, so tönt nicht unangenehm für das Ohr der Chor der Menge, welcher dem Solo des Kommandirenden antwortet. Alle die Lärmereien sollen eine religiöse Bedeutung haben. So rufen die Mohammetaner gar oft ihren Propheten an, der auch Hamma heißt.

Ueber die Bevölkerung der Stadt konnte ich nichts Zuverlässiges in Erfahrung bringen. Jährlich sollen, nach einem eben so gut unterrichteten, als angesehenen morgenländischen Bewohner Alexandriens, im Durchschnitte dreitausend Menschen sterben. Es leidet kaum einen Zweifel, daß die Sterblichkeit in Alexandrien, dessen Lage allgemein [S. 90] für ungesund gehalten wird, groß ist. Lassen wir, wie in Rußland, den fünfundzwanzigsten Theil der Bevölkerung jährlich sterben, so erhalten wir eine Gesammtheit von fünfundsiebzigtausend Menschen. Jedenfalls steigt die Einwohnerzahl weit höher, als man sie in Europa glaubt. Uebrigens hat sie durch die letzte Pest (1834/5) bedeutend abgenommen, obwohl man, wie man mich versicherte, am Gedränge in den Gassen keinen Unterschied bemerke. Nach den Einen sollen unter dem Todesstreiche der letzten Pest 13,000, nach Andern selbst 20,000 Menschen gefallen sein. Man muthmaßt, daß die Regierung geflissentlich die Zahl der Gestorbenen minder groß (etwa 11,000) angab, und man will bestimmt wissen, daß manche in den Hütten an der Pest Verstorbene gleich unter denselben in die Erde verscharrt wurden, weil die Gesundheitspolizei gegen verpestete Hütten sogleich zu Maßregeln schritt, welche den Araber belästigten. Die Bevölkerung Alexandriens gleicht einem Polypen. Schneidet man ein Stück davon, alsbald wird das Verlorene wieder ergänzt. Wenn die arabische Bevölkerung der Stadt auch viel einbüßt, so wird der Verlust doch wieder in kurzer Zeit ersetzt, theils weil das arabische Weib gerne und leicht Kinder bringt, theils weil vom Lande immerfort Lückenbüßer einrücken. Es mag nebenbei die Bemerkung nicht überflüssig erscheinen, daß der [S. 91] Pascha seine Stärke in der größtmöglichen Vermehrung seiner Unterthanen sucht. Er thut ihr daher jeden Vorschub. So darf ein Seesoldat nicht ans Land gehen, wenn er kein Weib nimmt. Wie wenig wurzelfest ein solches Prinzip sei, könnte er von unsern Lehrern der politischen Oekonomie lernen. Hohl und trügerisch ist der Gewinn für das Ganze, wenn die Zunahme und der Verlust der Bevölkerung in gleichem Grade steigen. Eine klein scheinende Sache ist manchmal von großer Wichtigkeit, und hier die Erhaltung der Bevölkerung , und wollte der Pascha nach diesem Ziele ringen, so könnte er nicht nur über die gleiche, sondern selbst über eine intensiv stärkere Bevölkerung gebieten, sich nicht nur einen Theil seiner Laufbahn von Dornen säubern, sondern auch Andern tausend Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten, tausend Kümmernisse und Seufzer ersparen.

Der Ritt zur Beschneidung.

Was ist das für ein Reuter dort auf stolzem Rosse, den Bassar durchziehend? Was für eine gellende Musik? Was für ein rufendes, wogendes Menschengedränge, aus dem — Salz gegen das Roß anstäubt? Ach, eine Komödieankündigung; mit solchen Ausposaunungen füllt man die Ohren in allen Krähwinkeln der Welt. O Wahnsinn, [S. 92] welcher dergleichen verdeutet! Das wohlaufgeputzte Kind, welches der Reuter auf dem Schooße hält, ist ein mohammetanischer Knabe, mit dem man an den Ort reitet, wo die Beschneidung vorgenommen werden soll . Freilich soll , muß u. s. f., mögen nun seine Augen triefen von Krankheiten und naß sein vor Wehmuth. Was — Wehmuth? Sein Weinen hört man ja nicht, weil das Ohr von Pauken und Tambour und Schalmeien übertäubt wird.

Die Mohammetaner halten auf der Beschneidung sehr viel. Erst wenn der Knabe beschnitten, ist er ein Moslim (Rechtgläubiger). Die Großen begleiten dieselbe mit sehr viel Gepränge. Die Beschneidung des nachherigen Sultans Mehemet dauerte vom 21. Mai bis zum 30. Brachmonat 1582. Die abgeschnittene Vorhaut wurde in einer goldenen Schale der Mutter des Sultans, und das Barbiermesser blutig der Großmutter zugeschickt. Wenn man damit zugleich die Rohheit der türkischen Sitte bezeichnen möchte, so versteht sich von selbst, daß auch Sauls Forderung (1. Samuel , 18, 26 und 27) in der Vorderreihe roher Sittenzüge steht.

Primarschule.

Du gehst auf den Gassen. Du hörst einen Lärm, ein Brumsen und Sumsen. Auf einmal erblickst du eine Menge [S. 93] Kinder, die in einer offenen, über die Gasse nur wenig erhöheten Bude hocken [8] , den Körper vor- und rückwärts bewegen, eine weiß bemalte, hölzerne Schreibtafel in der Hand halten. An einer Wand hockt der Schulmeister, und macht mit seinem Körper eben so komische Bewegungen. Er lehrt und ißt Bohnen zu gleicher Zeit.

Das ist eine Kinderschule. Nirgends sah ich die fröhliche Ausgelassenheit der Kleinen in höherm Grade als hier.

In Alexandrien gibt es mehrere Schulen. Ich glaube nicht, daß sie gesetzlich bestehen. Weil in den Schulen die Religion nach dem Koran gelehrt wird, so schickt der Mohammetaner aus religiösem Eifer die Kinder in dieselben. Der Schreiber wird unter dem Volke sehr geachtet. Mädchen nahm ich unter den Schülern nicht wahr.

Die Zeichenschule.

Ich begegnete im Arsenale einem Europäer, den ich um Auskunft fragte. Sein Aeußeres wollte eben nicht viel [S. 94] versprechen. Mit zuvorkommender Gefälligkeit führte er mich in ein Zimmer, wo etwa zwanzig ältere Zöglinge zeichneten, davon mehrere schon an zwei Weiber verheirathete. Mein Führer, aus Marseille gebürtig, stand der Schule, die er erst vor kurzem gegründet hat, selbst vor. Die Araber saßen auf Bänken vor Tischen, und die Muster lagen oder hingen vor ihnen. Mir schienen die Zöglinge Eifer an den Tag zu legen, und ihre Arbeiten, Laub- und Blumenwerk, z. B. für Tapeten, geriethen nicht übel. Der Zeichenlehrer eröffnete mir, daß der Araber viel Talente besitze, daß er aber zu sehr Schlaraffe sei, um sie anbauen zu wollen. Er bestätigte, was ich von Andern vernahm, daß er denselben nur durch strenge Zucht zur Arbeit und zum Fortschritte bringe. Von Stockschlägen faselte der Franzose ganz geläufig, als wäre er mit ihnen aufgewachsen. Der Mangel gründlicher Kenntniß in der arabischen Sprache stellt dem Lehrer viele Hindernisse in den Weg. Indessen bemüht er sich eifrig, diese Sprache in seinen Besitz zu erlangen, damit seine Mittheilungen leichter werden. Da der Lehrer selbst nicht gar viel Zeit im Schulzimmer zubringt, so sucht er sich durch eine Art Lancasterschen Unterrichtes zu helfen. Während seiner Abwesenheit vertritt der beßte Zögling die Stelle eines Lehrers. Die Lehrlinge werden im Ganzen strenge gehalten. [S. 95] Des Mittags dürfen sie nicht ausgehen, und sie speisen im Zimmer. Eben hockten zwei auf dem Boden, und langten mit ihren Fingern eine Art Brei aus einem großen Teller heraus.

Der Pascha verbindet mit dieser Schule offenbar den Zweck, sich von dem Abendländer mehr und mehr unabhängig zu machen. Vielleicht sind die goldenen Tage des letztern in Egypten vorüber, so bald er den Pascha und seine Leute einen solchen Schatz gelehrt haben wird, daß die Anleitung und die Mithilfe des Fremdlings entübrigt werden können.

Weiberhändel.

Zum Troste der Europäerinnen gibt es auch in Afrika Weiberhändel.

Ich lag unter dem Fenster, über einem Bassar. Auf einmal wendete sich eine Mohrin kreischend und, mit einem Schäufelchen drohend, rasch gegen einen Türken. Das Weiße des Auges gegen die Schwärze der Haut, wie das Licht gegen den Schatten, abstechend, warf den lebhaften Glanz der Gemüthsbewegung. Der Türke stand in stolzer Ruhe; fest heftete er seinen Blick an das Weib. Auf einmal fiel ein minder schwarzes Weib der ersten in diejenige Hand, welche das Schäufelchen hielt. Die Weiber wett [S. 96] eiferten mit Lärmen. Was für ein Ende wird der Auftritt noch nehmen? Wie treffen doch die zierlichen Europäerinnen und die plumpen Afrikanerinnen den gleichen Punkt, ob auch nicht so haargenau ; denn in Europa raufen sich Weiber die Haare, hier dagegen greifen sie nicht nach dem Kopfe, sondern halten sich einander die Hand, oder kneipen und reißen an den Kleidern. Daß die auf einander erbosten afrikanischen Damen mehr nach dem in der Gemüthsaufwallung gepreßten Herzen greifen, ist es etwa instinktmäßiger? Ich glaube nicht, daß, wenn es keine Männer gäbe, die Welt aussterben, sondern bloß, daß die übrig bleibenden Weiber von einander aufgerieben würden, nämlich zuerst die guten von den bösen, dann die bösen von den bösesten. Und das habe ich nicht nur schon im Stillen gedacht, sondern ich wollte es auch vor Männiglich sagen, wozu es freilich keines Muthes bedarf; denn sollte ich mit meinem harten Urtheile irgend eine Schöne zum Zorne aufregen, so bin ich überzeugt, daß sie sich selbst, im Schmucke desselben, vor dem Mann mißfiele, und daß sie ihn viel lieber an einer schwachen Mitschwester entlüde.

Es kam, um zu unserm Spektakel zurückzukehren, Polizei dazwischen, und so nahm der Handel flugs ein Ende. Natürlich wurde ich an der Fortsetzung meiner nicht ganz unangenehmen Beobachtung gestört.

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Geld und Geldnoth.

Eine englische Guinee gilt 100 Piaster (Krusch); 40 Para (Medi) machen einen Piaster aus. Beiläufig 8 Piaster kommen einem Gulden Reichswährung gleich. Die egyptischen Goldmünzen sind 10, 9, 4 und 3 Piasterstücke. Diese letztern empfehlen sich wegen ihrer Kleinheit wenig. Man darf ordentlich auf der Hut sein, um sie nicht zu verlieren. Die Silbermünzen sind 1, ½, ¼ und ⅛ Piaster, selbst ein Para. Es gibt übrigens auch ¼, ¼ Piaster und 1 Parastück in Kupfer. Dieß die Hauptmünzen. Man könnte wohl noch mehr angeben, wenn man weitläufiger sein wollte.

In Alexandrien ist Noth an Scheidemünze, so daß bisweilen für das Wechseln von 4 Piaster in Gold ohne Anstand 10 Para abgezogen werden. Ich war einmal genöthigt, einem Araber, der meine Sprachen nicht besser als ich seine verstand, so viel Para zu bezahlen. Anfänglich glaubte ich freilich hintergangen worden zu sein, weil eine so beschaffene Ordnung von Unordnung mich allzusehr befremdete. In Kaffee- und Wirthshäusern tritt gewöhnlich der Fall ein, daß man nicht quitt rechnet. Bald bleibt der Wirth, bald der Gast schuldig. Einmal konnte der Wirth mir keine kleine Münzen zurückgeben, und erklärte, mit An [S. 98] nahme der Zahlung zu warten. Wie staunte ich über das gastwirthliche Zutrauen, welches das Morgenland so lieblich verkündiget. Man fasse sich wohl, dieses Zutrauen ging auf den Stelzen der Münznoth. Ein andermal blieb ein Kaffeewirth, aber ein Grieche, mir eine Kleinigkeit schuldig. Die Begehr nach Scheidemünze fällt, wenigstens dem Fremden, ungemein beschwerlich; man muß gleichsam auf dieselbe Jagd machen, indem man jede Gelegenheit auffängt, um eine größere Münze auszugeben, die beim Umwechseln kleinere zurückwirft. Dazu kommt noch eine andere Unbeliebigkeit, daß schwierig zu erkennende falsche, oder gebrochene und beschädigte Münze im Umlaufe ist, welche nicht angenommen wird.

Zählen wir doch nichts zu den Unmöglichkeiten. Vielleicht rührt die Scheidemünznoth vom Kometen her, den ich in Egypten gerade zum ersten Male, als einen hübschen, langen Schweif, in der nördlichen Himmelsgegend zur Sicht bekam. Im Kaffeehause erregte diese Erscheinung plötzlich ernstes Rufen, lautes Lärmen, eiliges Laufen, anders nicht fürwahr, als wäre Feuer ausgebrochen. Wenn der Schwanzstern nun dieses zu bewirken, und, wie es denn bekannt ist, Krieg und Pest heraufzubeschwören vermag, wie soll er die Leute nicht auch in die Klemme des kleinen Geldes treiben können? Uebrigens bin ich selbst froh, daß die [S. 99] Sterngucker den Spaß dort ungefähr errathen haben; denn mich bangte nicht wenig, der Komet werde gar ausbleiben, dieweil er aus dem Wirrwarr der Himmelspropheten sich etwa nicht herauszufinden wisse, die in der Festsetzung des Tages oder der Nacht für das Stelldichein so nicht einig werden wollten oder konnten.

Das Schiff der Wüste.

Auf Alexandriens Boden reichten auch die vielen Kameele meiner Neugierde Nahrung dar. Zu Lande werden meist auf dem Rücken dieser Vierfüßer die Lasten fortgeschafft. Wie ein Faden spinnt sich eine lange Reihe von Kameelen oft mitten durch das Menschengedränge in den Gassen, eines hinter das andere gebunden. In ein weitfenstriges Netz von Stricken werden größtentheils die Lasten aufgeladen; so Steine, so Säcke, so Anderes. Das hohe Kameel bewegt sich in gemessenen langen und eher langsamen Schritten, während der niedrige Esel mit seinen kurzen Füßen trippelt. Der Fuß des Kameels ist wie das Pendul einer Thurmuhr, der Fuß des Esels wie dasjenige einer Taschenuhr. Und noch mehr Gegensatz. Das Kameel ernst, der Esel flatterhaft; das Ohr des großen Kameels klein, des kleinen Esels groß. Es macht Spaß, diese zwei Thiere neben einander zu sehen.

[S. 100]

Anleitung für den Reisenden.

Langt man im Hafen an, so fährt der Kapitän in seiner Schaluppe ans Land. Ergreift man nicht gleich diese Gelegenheit, so holt man später auf einer der Barken, die im Hafen jederzeit bereit liegen, die Effekten, höchstens für einen Piaster. Zu Lande wird das Gepäcke von den Mauthbeamteten untersucht, welche einen Piaster von mir forderten. Ein Lastträger bringt für einen Piaster das Gepäcke bis ins Logis. Eine größere Last würde man am beßten auf Esel oder auf Kameele laden, und auch auf letztern kostet die Fortschaffung des Gepäckes nicht viel. Ehe ich das Zimmer im Wirthshause zu den drei Ankern (welches sonst dem kostspieligeren zum goldenen Adler nachgesetzt wird) bezog, fand ich mich mit dem Wirthe ab. Das Zimmer war geräumig, mit der Aussicht auf einen Bassar, das Bett rein; die Flügelthüren mußten mit einem Vorlegeschloß gesperrt werden.

Mein Paß war von der Polizei in Triest mit nicht mehr Umständlichkeiten nach Alexandrien visirt, als reisete ich von dort nach Venedig, und der Kapitän händigte am Orte der Bestimmung ihn selbst dem österreichischen Konsul ein. An das Reisen nach Egypten binden sich überhaupt keine polizeiliche Schwierigkeiten. Nachdem mein Paß in [S. 101] meinem Kantone ausgefertigt war, wurde er einzig dem österreichischen Gesandten bei der schweizerischen Eidgenossenschaft zum visiren übersandt, weil ich in Europa keinen andern als österreichischen Boden beschreiten wollte. Die Polizei abgerechnet, fiel er hier weder in die Hände eines Konsuls, noch sonst Jemandes. Als ich mich beim österreichischen Konsulate in Alexandrien anmeldete, eröffnete es mir, daß es mir den Paß nach Kairo unterschreiben werde, wenn ich hinauf reisen wolle, und daß ich ihn dann abholen könne. Das Visum erhielt ich „gratis“, und ich mußte nur einem egyptischen Angestellten, welcher sich auf der Konsulatskanzlei befand, für einen Vorweis bei der Douane am Mahmudiehkanale einen oder zwei Piaster, so wie den Douaniers selbst, welche auf eine den Fremden sehr belästigende Weise die Effekten durchsuchen, wiederum einen kleinen Tribut bezahlen. Manche bedecken den Statthalter mit Ruhm wegen seiner Liebe zu den Abendländern, und die gleichen Abendländer dürfen bloß den Fuß auf Egypten setzen, und er benützt, wie es am Tage liegt, jede Gelegenheit, um ihnen das Geld aus der Tasche herauszudrücken. Als Arzt hatte ich nur meine nothwendigsten Effekten mit einer Zugabe weniger Arzneien bei mir, und demungeachtet mußte ich den Inhalt des Felleisens in Alexandrien zweimal untersuchen lassen.

[S. 102]

Wer sich mit Empfehlungsschreiben versieht, thut wohl daran. Die meinigen leisteten mir wesentliche Dienste, was ich auch dankbar anerkenne. Ich stellte mir etwas schwer vor, daß ich, als Ankömmling auf Afrika, in Mitte arabischer Zungen mich zurecht finden werde. Mein Erstes war, durch einen Araber geführt, meine Empfehlungsschreiben an einen Schweizer aus Schaffhausen abzugeben. Ich fand ihn — einen Freund; ich fühlte mich in seiner Nähe so traulich wie zu Hause. Er ertheilte mir zu Allem Anweisungen, deren ich so sehr bedurfte. In der Gesellschaft der Herren Ott , Wehrli , Wyß , Korvettenkapitäns Baumgartner , welche Schweizer sind, und des Oberarztes der Marine, Dr. Koch aus München, hatte ich erfreuliche Gelegenheit, die nöthigen Erkundigungen einzuziehen.

Wenn man einen entferntern Gegenstand besehen will, so bedient man sich am beßten eines Esels. Fiacres gibt es gar nicht und im Ganzen äußerst wenig Gefährte. Man kann aber auch zu Fuß gehen, was ich meistens that, und selten wurde ich von den Eseltreibern bestürmt. Diese fangen eigentlich nur an, in Jemand zu dringen, oder sich in den Weg zu stellen, und ihn so aufzuhalten, wenn sie ihm anmerken, daß er einen Esel sucht. Alsdann ist er augenblicklich von zwölf- bis zwanzigjährigen Leuten umringt, [S. 103] welche, laut lärmend, sich anbieten und so nahe sich andrängen, daß sie Einem die Kleider verunreinigen. Das unverschämte Andrängen war mir immer höchst widerlich, selbst wenn ich dadurch im beengten Raume nicht gehindert worden wäre, den mir beliebigen Esel und Treiber auszuwählen. Man schwingt sich endlich auf ein Thier, bloß um die Stürmer los zu werden; denn sobald man auf dem Esel sitzt, ändert sich die Szene, als wäre ein Licht ausgeblasen, — gänzliche Stille tritt plötzlich ein. Außer dieser Kriegslist schützt auch noch die Peitsche vor der Unverschämtheit. Einige Male folgten mir Eseltreiber, Esel voran, mit dem ermüdenden: Volete un’ buon’ burrico? weit nach. Ich kehrte rasch um, und dann wandelte ich wieder vorwärts. Es half wenig. Die Drohung mit der geballten Faust wies zu guter Letze die Meister in der Zudringlichkeit zurecht.

In einem halben Tage kann man das Sehenswürdigste finden. Man reitet zuerst zu den Katakomben, wo Leute aus den arabischen Hütten den Wißbegierigen unter die Erde führen. Von da zu dem Garten Ibrahim-Paschas , mit den Blicken über den See Mareotis. Weiter zu der Pompejussäule, zu den Obelisken und zuletzt zum Pharus. Für den Ritt nach den Katakomben, zur Pompejussäule und zu den Nadeln Kleopatras gibt sich der [S. 104] Eseltreiber mit vier Piaster zufrieden. Vielleicht verdienen auch die Ruinen der Athanasiuskirche und der Katharinakirche besehen zu werden.

Die Nilfahrt nach Kairo.

Linkische Lastträger; seichter Kanal; licentia poetica ; Kornspeicher; Fruchtbarkeit des Nilthals; possirlicher Hühnerhandel; eine Abendunterhaltung; das Schlachten eines Lammes; Gewandtheit der Barkenknechte; die reisende Familie; Truppe nackter Kinder; Einerlei der Aussicht; Kaffeewinkel; Bewässerung des Landes; seltsame Schiffsladung; Pyramidenanblick; Telegraphen; Bulak; hôtel de l’Europe .

Freitags den 16. Weinmonat.

Ich schied von Alexandrien. Aus Rücksicht für die gute Gesellschaft mit einem Dragoman der französischen Regierung und einem jungen, piemontesischen Kaufmanne reisete ich nicht eher ab, wie ich vorhatte, ja ich ließ mich sogar lieber während dieses Tages bis gegen Abend ins Wirthshaus einsperren. Denn da die Cholera immer weiter um sich griff, und der Wirth keine Maßregel dagegen versäumen wollte, so unterstellte er sein ganzes Haus der Quarantäne. Ich weiß nicht, wie ich sagen soll, ob die neue Ordnung der Dinge, z. B. der Einkauf von Lebensmit [S. 105] teln, das Parlamentiren vom Rastelle aus bei dem Besuche eines Freundes, mich mehr betrübte oder belustigte. Noch wunderlicher kam es mir vor, wie der italienische Wirth mich als Verpesteten behandelte, weil ich über Nacht Brechen und Anderes litt, und eine Zeitlang mich wirklich von der morgenländischen Brechruhr ernsteren Grades befallen glaubte. Die mit Reiswasser gefüllte Flasche übergab der kummervolle Italiener nicht mir unmittelbar, sondern mittelst eines vor meiner Zimmerthüre stehenden Geschirres, in welches die Flasche ging. In das Weise der Menschen flicht sich auch manchmal so viel Thörichtes, daß man oft nicht weiß, wo der Verstand aufhört oder anfängt.

Ich sorgte für einen kleinen Vorrath an Lebensmitteln, auch Holz, und zwar kaufte ich dieses nach dem Gewichte. Die eine Fürsorge ist vergeblich, und nur für Leckergaumen räthlich. Ueberall am Nil bekommt man gutes Brot, Hühner, Eier, auch Reis, und in den meisten Dörfern Milch, Alles in geringem Preise. Einzig Zitronen, Zucker und Rhum mögen nebst Kohlen und einem Kochofen dienen. Ich kann voraussetzen, daß der über Meer Gelangte auch ein Bett mit sich schleppe.

Von zwei Arabern wurde mein Gepäcke aus der Ankertaverne nach dem Mahmudiehkanal getragen, aber täppisch oder träge genug, indem dieselben, im Schweiße gebadet, [S. 106] die Bürde bald los- bald zusammenbanden, jetzt niederlegten, dann aufnahmen. Ich traf eben da meine Reisegefährten. Es sollte mein Gepäcke nur noch unter den bekannten Förmlichkeiten die Zolllinie überschreiten; ich bestieg das Fahrzeug, und wir stießen in den Kanal. Der Wind blies günstig. Bald verschwand die Pompejussäule aus unsern Augen — und der Tag.

Den 17.

Die Ufer des Kanals sind niedrig, oft wüst, genußarm. Der Kanal ist schmal, hie und da seicht, und Manche glauben, daß in kurzer Zeit der immer mehr anwachsende Niederschlag des Nilschlammes ihn unschiffbar machen werde. Dergestalt würde das glänzende Unternehmen Mehemet-Alis , den Nil mit der See Alexandriens zu verbinden, in Schatten sinken, nachdem es in aller Welt so hochgepriesen war.

Wir segelten einer französischen Dame voran. Vornehm steckte sie durch einen baufälligen Laden ihren Kopf heraus. Von einem Monsieur unserer Barke wurde sie nur befragt, ob sie des Nachts viele Flöhe gehabt hätte. Das war eine schlechte licentia poetica , aber eine natürliche. Gegenseitige Theilnahme an den Plagen ist wenigstens ein Erguß der Gemüthlichkeit.

Um Mittag langten wir in Atse an. Hier verbindet [S. 107] sich der Kanal mit dem westlichen Arme des Nils. Das Dorf mit seinen elenden, schwarzgrauen Hütten gleicht einem Ameisenhaufen, so viel Leben und Regsamkeit zeigt sich in dem Bassar und an den Stapelplätzen. In der Kornhalle, aber keinem Konterfei der Pariser, liegt das Getreide auf dem Boden an einem Haufen unter freiem Himmel. Der Kornhändler hockt auf dem Kornkegel und schmaucht mit aller Behaglichkeit eine Pfeife. Auf diesen Markt soll man nicht gehen, um Eßlust zu fördern. Solche Getreidemärkte besitzt auch das übrige Egypten. Die Kornspeicher stellen indeß andere Male einen, mit einer Mauer umfangenen, unbedeckten Platz vor. Ich wollte im Bassar eine Limonade trinken; allein den widerlichen Geschmack dieses mit Meth oder Melis zubereiteten Getränkes konnte ich nicht überwinden. Ich war noch nicht so weit in das Reisen eingeschossen, daß ich Alles verschlingen wollte. Im Bassar gewahrte ich eine Höckerin mit einem nackten Kinde, das an den Blattern litt. In Egypten hausen diese auf eine schreckliche Weise.

Billig nahm der Nil mit seinem weißgelblichen Schiller meine Aufmerksamkeit in Anspruch. So habe ich denn ein Ziel meiner Reise erreicht. Mit Recht danken dir, o Nil, die Bewohner des Landes, daß du die von dir überschwemmten Ländereien segnest. An andern Orten schadet im Ge [S. 108] gentheile der Fluß durch Ueberschwemmung. In der Mitte zwischen den Quellen und Mündungen ist der Weltstrom am größten, und an andern Orten wird der Fluß um so größer, je näher er gegen das Meer anströmt. Nicht durch majestätische Größe, mehr aber durch den reißend schnellen Lauf zeichnet sich dieser Nilarm aus. Und welch’ eine Fruchtbarkeit der Nilufer! Alles keimt üppig, und man sieht der Natur an, daß sie mit der größten Leichtigkeit hervorbringt. Sie scheint den Bewohnern zuzurufen: „Nehmet von mir, so viel ihr wollet; denn ich ermüde nicht mit Wiedergeben.“ Der Karakter der Nilgegend ist eigentlich kein schwerer, sondern ein leichter, kein ernster, sondern ein frohmüthiger, ein jugendlicher. Das alte, das schon so oft und oft geerntete Land ist noch ein Kind.

Es war Mittag. Die Sonne brannte durch einen Flor atmosphärischer Dünste. Wir verweilten einige Stunden, weil die Waaren von unserer Barke auf eine andere umgepackt werden mußten. Gepäcke um Gepäcke aus den Händen legend, schrie der das Schiff beladende Araber Zahl um Zahl laut: für mich eine gute Gelegenheit, die arabischen Zahlen zu lernen. Bei diesem und andern Auftritten verging mir die Zeit leicht, doch angenehmer, als gegen Abend ein herrlicher Wind dahersäuselte, die etwas drückende [S. 109] Hitze zu mildern. In Atfe hält sich ein französischer Konsularagent auf, welcher uns besuchte.

Gegen die Neige des Tages stachen wir in den Nil. Die zwei lateinischen Segel schwollen lustig an, wie die Backen der Kinder, welche dem Aeolus ins Handwerk greifen wollen. Bald lagen wir vor der Stadt Fuah, in der ein Thurm am andern emporragt. Jetzt trat Windstille ein. Der Abend war lieblich warm. Die Leute vertrieben ihn mit Spiel und Tanz, und ich glaube zuversichtlich, daß sie wenig Empfänglichkeit für die Lehren unserer Mystiker gehabt hätten, nach denen das lachende Nilthal ein Jammerthal wäre oder hoffentlich werden sollte.

Sonntags, den 18.

Gegenwind. Das Schiff an einem Seile gezogen.

Ich kaufte drei Hühner für etwa 30 Kreuzer R. V. Man darf aber Eines nicht außer Auge setzen: die egyptischen Hühner erlangen keineswegs die Größe der unserigen. Eine Henne sieht aus wie bei uns ein junges Huhn. Es fiel mir zum ersten Male nicht wenig auf, wie eine Gluckhenne (von der Größe eines europäischen, halbausgewachsenen Huhns) sich bemühte, ihre so außerordentlich winzigen Küchelchen mit den Flügeln zu beschirmen. Hätte ein Säugling an die Brust eines zehnjährigen Mädchens sich [S. 110] geschmiegt, es wäre mir kaum spaßhafter vorgekommen. Auch die Eier der egyptischen Hühner sind bedeutend kleiner.

Ich nahm sofort meine angekauften Hühner zur Hand, wendete mich gegen das Nilufer und ging an diesem hinauf, um an einer vortheilhaften Stelle zu warten, wo ich wieder in den Kahn steigen könnte. Auf einmal verfolgte mich ein Weib wehklagend, juh, juh schreiend. Ich wußte nicht recht was es wollte; nur glaubte ich aus seiner Stimme und aus seinen Geberden entnehmen zu müssen, daß es wähne, ich hätte die Hühner ihm gestohlen. Schon umzingelten mich Leute, selbst von der Polizei; ich sollte mein Eigenthum abtreten. Was anfangen? Ich suchte durch Deuten verständlich zu machen, daß ich mich zur Barke begeben wolle, wo man Aufschluß ertheilen werde. Das Glück brachte gerade den Piemonteser. Meine Vermuthung wich der Gewißheit. Er sagte mir, das Weib habe seine Hühner bezeichnet, und ich solle sie ihm zeigen. Ich that es, und die Bestohlene — überzeugte sich sogleich von ihrem Irrthume. Das Weib war wenigstens moralisch so gut, daß es diesen eingestand. Es gehört zur Macht des Irrthums, wie kleine Zwiste, so selbst blutige Kriege zu entzünden, und ich durfte mich [S. 111] in der That glücklich preisen, daß aus diesem Handel nicht gar ein Krieg entsprang.

Wir rückten heute vor bis Mohalèt-Abu-Ali , einem Orte am Ufer des Delta. Nach einem nebelichten Tage war der Abend sehr schön und wie ergötzlich, das will ich in Kürze erzählen.

In diesem Dorfe wohnt eine Art Großer, welchem die Barken des westlichen Nilarms zugehören sollen. Er kannte den Vater des Piemontesen. Wir schickten ihm Rhum, oder er ließ vielmehr holen. Bald beehrte er uns selbst mit seiner Gegenwart, und trank den Rhum vor Aller Augen. Er erfreute die Gesellschaft zugleich mit einer blinden Sängerin. So wurde der Abend mit rauschendem Vergnügen, unter Sang, Tanz und Spiel verbracht. Wenn die Egypzier mit der Schalmei (Surna) und dem Tambur (Deff) spielen, so klatschen sie mit den Händen den Takt, manchmal unter dem Rufe Hamma . Mich belustigte das fröhliche Geberdenspiel. Man versicherte mich, daß die Sängerin ihre Rolle vortrefflich spielte. Es fesselte mich vor Allem das lange Pausiren, die vielen Molltöne und der Liebeston, eine Art Ach (a-a), der letzte, ersterbende Seufzer der Liebe. Dem Dragoman, einem mit den Sitten und der Sprache des Landes vertrauten Manne, schmeckte die Soirée überaus köstlich. Ich genoß dabei im [S. 112] Ganzen wenig. Weil ich die Nachtluft im Freien fürchtete, stellte ich mich bloß dann und wann, kein Vaterunser lang, unter die Thüröffnung der Kajüte. Ein Kind würde kaum scheuer, unter den Polizeiaugen des sparsamen Vaters, in den Honigtopf gelangt sein. Wenn die Araber mich auslachten, so hatten sie — Recht.

Ich lasse nun ein Verzeichniß der an den Nilufern gelegenen Ortschaften in der Reiheordnung folgen, wie wir an ihnen vorübergefahren sind [9] .

[S. 113]

Rechtes Ufer. Linkes Ufer.
Allah-uhu. Sanahbahdieh.
Schurafa. Iluieh.
Salamunih. Kaffer-Schech-Hasan.
Mahalèt-Malèk. Somchroat.
Dissuh. Rachmanieh.
Kaffer-Ibrahim. Margass.
Dimikunum. Miniet-Selamme.
Mahalèt-Abu-Ali.

Den 19.

Es wird ein Schaf von einem Manne auf dem Rücken in die Barke getragen: ein Geschenk von Seite des Barkeninhabers, der uns gestern Abend einen Besuch abstattete. Das schien mir echt morgenländischer Ton. Das Geschenk galt dem Piemonteser. Kurz darnach kam der Barkeninhaber mit seinem jungen Sohne. Sie ließen sich voller Würde am Borde nieder und wurden mit Kaffee bewirthet. Mich wunderte, wie gar der Junge sich so ernst, männlich und geschickt benahm. Mißtrauen wir doch nie dem [S. 114] vielvermögenden Einflüsse des Beispiels in der Erziehung. Vater und Sohn begleiteten uns eine Strecke weit, und ließen sich sodann ans Land tragen.

Bald ward das Schaf geschlachtet und zerhauen. Ein Jeglicher hoffte auf einen guten Bissen. Wir feierten munter die Ostern.

Die Barkenknechte sind Leute von erprobter Geschicklichkeit. Wenn, aus Mangel an Wind, die Barke am Seile geschleppt werden sollte, so nahmen sie die Kleider, wickelten diese zusammen, legten sie über den Kopf, sprangen ins Wasser, schwammen davon, bis sie waten konnten, und, ans Ufer gekommen, zogen sie, bisweilen ohne einen Faden am Leibe, das Schiff. So geschieht es bei Tage, wie bei Nacht, und nicht einmal selten. Auch dem aufsitzenden Fahrzeuge zu Hülfe springen die Amphibien ins Wasser, und heben mit Rücken und Händen die Barke vom Strande. Zu diesem Ende sind sie genöthigt, unterzutauchen, und bemerkenswerthe Zeit bleiben sie manchmal unter Wasser, um die Last zu bewegen.

Wir kamen an einem Landhause des Pascha vorbei.

Unsere Gesellschaft auf der Barke war zahlreich. Stelle man sich vor die gebieterischen Franken und die beugsame Mannschaft des Schiffes, ein Weib mit Kindern und einen alten, magern Kuppler, ein altes Weib neben einem [S. 115] jungen, welches Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, und seinen häßlichen, großen Mund mit Aengstlichkeit verbarg, und man hat das bunte Bild von unserer reisenden Familie. Beinahe aber hätte ich die liebenswürdige Puppe vergessen, welche, eher einer Vogelscheuche ähnlich, einem kleinen Mädchen viel Freude bereitete. Eine Mutter behandelte ihren Säugling mit einer Grausamkeit, welche dem zarten Geschlechte wenig zur Ehre gereicht. Wenn er weinte, so schlug sie ihm mit der Hand fort und fort auf den Mund. Das ist die liebenswürdige Kunst der Egypzierin das Weinen zu zerschlagen. Bei den arabischen Müttern überhaupt nahm ich wenig Zärtlichkeit für ihre kleinen Kinder wahr. Die Brust reichen sie zwar jeden Augenblick, aber, wie es beinahe scheint, mehr aus Gewohnheit und darum, weil sie selbst daran Freude finden, als weil sie solche den Kindern gönnen.

Die Beschreibung meines Zahnwehes dürfte Niemandem angenehm sein. Man wird lieber vernehmen, daß den Araber in der Regel schön weiße Zähne zieren, und daß er selten an Zahnschmerzen leidet. Das zweite Zahnen erfolgt bei den egyptischen Kindern in einem Alter von 6½ Jahren. Sogar ältere Leute erfreuen sich noch weißer Zähne. Es wird allgemein von den Franken behauptet, daß die arabischen Weiber früh altern. Dieß dürfte nicht [S. 116] so durchgängig wahr sein. Eben weil bei ihnen die blendend weißen Zähne lange erhalten werden, so erscheinen sie nicht besonders alt. Die Franken hätten auch bedenken können, daß die geringe Korpulenz, welche so gerne die Jahre multiplizirt, unter den Arabern jedes Alter begleite. Bis Tunup .

Rechtes Ufer. Linkes Ufer.
Dimènki. Kaffer-Osmann.
Kaffer-Megẻr. Sibréchît.
Saffiéh. Maéssra.
Móhalédié. Hali-Dächmèt.
Minidschéhnâ. Sibirîs.
Kaffer-Dówâe. Kaffer-Senâgli.
Génaht. Kaffer-Chadẻr.
Salhadschar. Niklé.
El-Kótabé. Dahrygieh.
Férahstak. Amié.
Mohallèt-el-Läbben. Kaffer-Ibn-Schäet.
Abîtsch. Kaffer-Laihs.
Kufur-Bilsẻ. Schabûr.
Kaffer-Hósâr. Sèlamûn.
Kaffer-Schech-Ali. Kaffer-Harimm.
Manûfur. Chäli-Dächmèt (Hali-Dächmet).
Kaffer-Sajàd.
[S. 117] Tschalgamûn.
Kufur-Haschasch.
Kaffer-Jukûb (Jabobsdorf).
Kaffer-Bâgi.
Kaffer-Tschèddid.
Kaffer-Mischléh.
Mischléh.
Sahyahra.
Tunup.

Den 20.

Am Ufer standen mehrere Bettler, die auch in andern Gegenden von Egypten nicht selten sind. Doch laufen oder rennen sie nicht so unverschämt nach, als in einigen Schweizer-Gauen. Wie in Europa, so spaziren hier die Fliegen auf Zucker. Man jammere nun aber nicht über den Fliegenschwarm, so lange man den Zucker nicht weghebt.

Die Reisebeschreiber erwähnen der Weiber die zahlreich in Krügen aus dem Nile Wasser holen. Ich sah sie sehr selten, und ihre Scheu vor den Männern konnte ich nicht bestätigen. Nichts weniger, als daß sie aus Zartgefühl mit ihren Händen das Gesicht verhüllten. Es muß seit einiger Zeit Manches anders geworden sein. Mich wundert, daß die Reisebeschreiber die ungemein geringe Menge [S. 118] Wassers nicht hervorhoben. Bei uns würde man ein Mädchen ausspotten, wenn es nur einen Krug voll Wasser holte. Man weiß, daß unsere Weibsleute große Gelten voll Wasser auf dem Kopfe oder an den Händen tragen.

An vielen Fellahs (Bauern) würde man vergebens mehr suchen, womit sie ihren Leib bedecken, als eine Lendenschürze. Ich fand jedoch wenig Unanständiges in dieser Kleidungsart, vielmehr etwas Vernünftiges in Beziehung auf die heiße Sonne. Gar viele Kinder, selbst größere, wandeln völlig entblößt herum. Der Anblick einer Truppe nackter Kinder unter freiem Himmel hat immerhin etwas Eigenes. Ihre auffallend großen Bäuche könnten sie wahrscheinlich mit andern Kindern theilen, wenn diese nackt ausgingen, und somit ihre Bäuche den Blicken zugänglicher würden.

Mir thut es leid, den Nilufern nachsagen zu müssen, daß sie, in die Dauer besehen, langweilen. Beinahe immer das nämliche Einerlei. Keine Hügel, keine Berge, keine Seen, dafür flaches Uferland, welches unmerklich in den Horizont verfließt. Selten stützt sich der Himmel auf eine Landlehne. Am Nilufer erblickt man zwar viele Dörfer, aber auch die sehen in der Regel einander beinahe gleich, wie ein Ei dem andern. Aus der Ferne verheißen sie eine seltene Pracht, schon bewundert man antike Pa [S. 119] läste, über welche der schlanke Minaret emporsteigt; die runde Moschee füllt das Maß der Täuschung. Alles scheint in Palmen und Sykomoren gebettet. Ja recht viel Reiz in der Ferne, aber in der Nähe Kothhaufen als Mauern, enge, von armseligen Leuten betretene Gäßchen, krumme Minarets, kärgliche, von schönen Waschhäusern überbotene Moscheen. Nichts schmerzt so sehr, als fortwährend getäuscht zu werden. Einfacheres kaum, als ein Häuschen an den Nilufern. Ein viereckiges Zimmer ohne Fenster, mit einer Thüröffnung über dem Erdboden; das Dach platt; der Baustoff aus einer Art von Backsteinen, welche von Schlamm und Mist geformt und an der Sonne gedörrt werden. So die große Mehrzahl der Häuser. In Ghisahi bieten sie eine andere Gestalt. Sie erheben sich kegelförmig. Diese Zuckerhüte dienen den Tauben zur Wohnung.

Gegen Abend langten wir in Nadîr , einem Marktflecken, an. Hier sprach ich deutsch mit einem Hannoveraner, welcher auf einer andern Barke hergefahren war. In Kaffeewinkeln schienen zwei Frauenzimmer sich wenig zu freuen, daß der Vizekönig das berüchtigte Patent zurückgezogen hat. Der Aufenthalt der französischen Armee in Egypten, während dessen freier Verkehr unter den Leuten beiderlei Geschlechts gestattet war, so wie die vom [S. 120] Pascha ausgefertigten Patente lehren, zu welcher unsäglichen Ausgelassenheit der heiße Himmelsstrich führte. Der Vizekönig hat wohl weniger aus religiösen Gewissensbissen diese Patente zernichtet, als vielmehr aus dem Grunde gesellschaftlicher Ordnung.

Auf unserer Barke wurde mancher Spaß getrieben, mitunter auch solcher, welchen zu beschreiben die Feder sich weigert. Der Reis (Kapitän) schlug z. B. einen Barkenknecht. Er genießt übrigens das Recht, seine Leute zu schlagen, wenn sie sich gegen ihn vergehen. Ein Knabe von etwa zwölf Jahren wurde von Jedem, wer wollte, durchgeprügelt. Er bekommt als Barkenjunge monatlich fünf Piaster zum Lohne. Es gibt europäische Burschen, welche sich für 38 Kreuzer nicht so viel prügeln ließen, geschweige daß sie noch als Zugabe einen Monat lang arbeiten würden.

Die meisten Nächte brachte ich ziemlich gut zu. Das Schiff fuhr selten, und wenn es auch unter Segel ging, so gleitete es so sanft dahin, daß ich keine Bewegung verspürte. Alles, was ich während der Nächte erlauschte, war das Bellen der Schäferhunde, das Krähen der Hähne, das Quacken der Frösche und das eigene Pfeifen der Nachtvögel. Hingestreckt auf mein Bett in einem engen und dunkeln Winkel wurde ich, bei meinen Gedankenausflügen in [S. 121] die weite Ferne, durch die Laute jener Thiere an die Wirklichkeit meiner Lage erinnert.

Wir kamen heute bis Abu-Néschâbe .

Rechtes Ufer. Linkes Ufer.
Gómâsi. Nigil.
Amrûß. Sauüt-èl-Bacher.
Béstâma. Sawaff.
Sanüt-èl-Bagli. Machnîm.
Danasûr. Kóm-Scherîk.
Kaffer-Hédglâsi. Darîeh.
Gésiret-èl-Hagar. Abu-Chaui.
Nadîr. El-Gamm.
Schabschir. Dimischlé.
Dannaléhé. Buratschatt.
Ghisahi. Kaffer-Dahûd (Davidsdorf).
Sónsóft. Térânéh.
Kómmagnuß. Lèchmas.
Abu-Néschâbe.

Den 21.

Man würde irren, wenn man den egyptischen Himmel sich wolkenlos vorstellte. Beinahe alle Tage trübten Wolken den unserigen; einmal warfen sie uns so schwarze Schatten, daß der Europäer gewettet hätte, es müßte aus [S. 122] ihnen Regen platzen. Allein vor Nacht verstrich in der Regel das Gewölke.

Ich höre ein schwerfälliges Geknirre vom Ufer her. Was soll denn das? — Blindgebundene Thiere treiben in ihrem kreisenden Gange ein Wasserrad (Sakyeh). Das Wasser wird entweder mit einem fächerigen Rade oder mit an einem Rade befestigten Krügen aus dem Nile geschöpft und in einen Graben ausgeleert, welcher das Wasser dem Felde zuführt. Man begreift leicht, daß die Fächer oder Krüge unten am Rade aufwärts stehen, um so das Wasser zu schöpfen. Wenn das Rad sich halb um seine Achse gedreht hat, so stellen sich dieselben umgekehrt und gießen das Wasser aus. Das einige Schritte vom Nilufer abliegende Wasserwerk, zu welchem ein Kanal gegraben ist, besteht aber nicht bloß aus dem beschriebenen Schöpfrade, sondern noch aus zwei andern Rädern. Ein wagerechtes greift in ein kleines, perpendikuläres, welches mit dem Schöpfrade eine Achse hat. Das Thier, der Büffel z. B., zieht bloß an einem Stricke, womit das wagerechte Rad in Bewegung gesetzt wird. Diese Wasserräder sind meistens so einfach und mit so wenig Eisen zusammengehalten, daß sie nicht viel ausdauern. Es wird daher manche Zeit nur mit dem Nachbessern verloren. Mag meine Beschreibung des Paternosterwerkes auch ein wenig [S. 123] schwierig zu fassen sein, es ist doch die Wasserschöpfung so einleuchtend und so leicht zu bewerkstelligen. Als Aufseher oder Treiber faullenzt in der Nähe ein Knabe oder Mann, nie ein Weib; bei ihm steht eine kleine Kocheinrichtung. Den Treiber scheint kaum so viel Lust zur Arbeit anzuspornen, daß er beim Stillestehen des Thieres chòh chòh ruft, um es aufzumuntern. Nach den Gesetzen der strafenden Gerechtigkeit fällt dem Faullenzer das Leichte so schwer, als dem Arbeitssamen das Schwerste.

Das Wasser wird überdieß, ohne eine solche Vorrichtung von Menschen aus dem Nile geschöpft. An dem Arme eines Hebebaumes ist ein Gewicht, gegen das Land, — an dem andern der an einem Stricke befestigte Wasserkorb, gegen den Nil. Ein Mann schöpft, und das Gewicht des Hebebaumes hilft ihm den mit Wasser gefüllten Korb heben. Weil das Schöpfen und Ausleeren mit großer Schnelligkeit nach einander geschieht, so verliert dieses enge geflochtene Gefäß wenig Wasser. Gewöhnlich schöpfen, statt eines, zwei Männer neben einander, die Gesichter sich zuwendend, fast nackt, vom Wasser benetzt, von der Sonne gebrannt und so fleißig, daß sie kaum sich umsehen, wenn ein Schiff vorübersegelt. Sie bilden den schroffen Gegensatz zu den Thierhütern an den Wasserrädern und zu andern arbeitsscheuen Arabern. Es geschieht wohl auch, daß, ohne wei [S. 124] tere Vorrichtung, ein Mann mit einem Korbe aus dem Nile Wasser schöpft und in einen Kanal ausschüttet. Wenn die Egypzier freilich so viel Stammholz besäßen, wie die Europäer und Amerikaner, so würden sie unzweifelhaft ihre Körbe an wasserdichte Kübel vertauschen. Eine Menge Wassergräben durchkreuzen netzweise die Feldereien, damit diese überall bewässert werden. Daher die kleinen Feldbeete, ähnlich unsern Gartenbeeten. Gewöhnlich zieht man bei uns Gräben, um das Wasser ab zuleiten, bei den Egypziern aber, um dasselbe zu zuleiten. Es wäre voraus zu sehen, daß die egyptischen Gräben nicht tief sein dürfen, während ihnen in Europa, wo man dem Wasser Abfluß verschaffen will, die entgegengesetzte Eigenschaft zur Tugend angerechnet wird. Wenn man in Egypten das Wasser nicht mehr in ein Beet fließen lassen will, so wird, vermittelst der Hände, der Graben mit Koth und Schlamm zugedämmt. Um einen Begriff zu geben, wie stark die Pflanzen unter Wasser gesetzt werden, so stand der Mais, welcher hier blühte, dort klein war, hie und da einige Zoll hoch in zugeleitetem Wasser.

Die Bewässerung ist die Hauptarbeit, welche der Boden erfordert. Sicher bereitet sich der egyptische Bauer mit Wasser, sofern, im seltenen Falle, der Nil es ihm weder zu reichlich, noch zu sparsam zutheilt, den Feldsegen. Der [S. 125] europäische Bauer schwankt wie der Segelmann. Will dieser glücklich fahren, so muß günstiger Wind wehen; will jener ernten, so muß lauer Regen das Feld netzen. Der Wind aber, wie der Regen, kommen von der unsichtbar waltenden Hand, welche kein Sterblicher zu leiten vermag. Und wenn auch dem europäischen Bauer ein lauer Regen Segen zuwinkt, ach, es muß ihn noch bangen, daß das Wasser des Himmels nicht durch Ueberschwenglichkeit, oder daß kein harter Frost, kein schwerer Hagel die Hoffnung auf Ernte vereiteln. Wenigstens kann kein Hagel die Hoffnung des egyptischen Fellah zernichten.

Neben dem Bewässerungsgeschäfte sind Säen, Hacken oder Pflügen und Ernten die Arbeiten des Ackerbauers. Man machte mir die Mittheilung, daß, wenn das Ueberschwemmungswasser ganz niedrig stehe, bloß der Same auf das Wasser ausgestreut werde. Mit dem Versiegen des Wassers, hieß es, ziehe sich der Same in die Erde, und man dürfe nur die Ernte abwarten. Das erzähle ich einem Franken nach; ich will nun aber dessen gedenken, wovon ich selbst Zeuge war. Ich sah säen und hacken oder pflügen. Sobald das Wasser verschwunden war, wurde der Same mit einer krückenförmigen Hacke oberflächlich unter die Erde gebracht oder viel eher gescharrt. Ich glaube nicht, daß die Hacke sechs Pariser-Zoll tief griff. Der [S. 126] Pflug, welchen ich genauer ins Auge faßte, hatte nur ein Sech, keine Schar. Er ging nicht tief, und ließ eine undeutliche Furche zurück. Es konnte mit diesem Pfluge lediglich bezweckt werden, die Erde etwas durch einander zu wühlen. Zwei Thiere zogen ihn, jedes an einem Stricke, welcher am Halse festgemacht war.

Von den Ackergewächsen erwähne ich einzig des Hanfes und der Baumwollpflanze. Der Hanf wird sehr hoch, ja manneshoch und riecht gewürzhaft. Wegen seines angenehmen Geruchs ist es eine Lust, in der Nähe eines Hanffeldes zu wandeln. Eben bereitete er sich zum Blühen vor. Ohne an mein Vaterland mich zu erinnern, wo die Baumwolle mit vielem Fleiße verarbeitet wird, konnte ich den merkwürdigen Pflanzenstengel nicht betrachten. Dieses Gewächs bedeckt ungeheure Strecken des Delta. Es wuchs gleichsam vor den Augen beinahe durch alle seine Entwickelungsperioden heran: Hier Knospen, dort Blüthen, hüben Kapseln, drüben Wolle, gerade so, als würden alle Aufzüge und Auftritte eines Schauspieles auf einmal sich aufrollen.

Wenn der Herr des Himmels und der Erde ein besonderes Füllhorn des Segens über das Egyptenland ausgegossen zu haben scheint, so wird befremdlich, daß das Wenigste dem Bauer angehört, was er dem Boden abgewinnt. [S. 127] Den Stoff zur Kleidung, welche er sich verfertigt, verkauft er an den Pascha, und dieser gibt ihn um die Hälfte theurer zurück. Der Fellah darf keinen Faden am Leibe tragen, wenn er ihn nicht dem Pascha, dem ersten Kaufmanne in Egypten, abgekauft hat. Die ganze Last von Baumwolle drängt sich in die Hand des Vizekönigs zusammen, welcher damit allein Handel treibt. Kurz, die Bauern sind nur Lehenbauern. Der Pascha ist der Grundherr, der Grundbesitzer des Landes, und dieses Verwaltungssystem bewirkt, daß der Fellah, unter dem Drucke des Monopols, selbst zur frohen Erntezeit seufzet. Es ist seltsam, daß noch kein fränkischer Ulema die Härte des Pascha darum vertheidiget, weil sie dem rechtgläubigen Bauer den Anlaß gebe, sich um so inniger nach den Freuden des ewigen Lebens in dem immergrünen Garten zu sehnen.

Wir begegneten einer Schiffsladung getrockneter Mistfläden. Wo das Holz, wie hier, so theuer ist, läßt man sich selbst den Gebrauch solcher Dinge gefallen; sie dienen als Brennstoff, und kann der Abendländer glauben, daß sogar mit dem Eckelhaftesten vom Menschen geheizt wird? und wenn es der St. Louisianer in Amerika glaubte, würde er sich nicht davor entsetzen, da er nicht einmal die Milch [S. 128] von einer Kuh genießt, welche Gras von einer mit Hausjauche besprengten Wiese fraß?

Ueber Warnâm begann rechts die Düne; links Weideland und Hirtenzelte. Ich erging mich an einer Herde schwarzer Büffel. Dieses Thier ist für Egypten gar nützlich. Der Büffel hält sich sehr gern im Wasser auf, auch liegend und wiederkauend. Es ist kurzweilig, zu sehen, wie er über das Wasser schwimmt, um an den Ort zu gelangen, wo er zu übernachten pflegt. Der behende Hirte schwingt sich wohl auch auf den Rücken des Thieres, das ihn schwimmend ans Land trägt.

Erst von Schmûn aus erblickte ich die Pyramiden von Gizeh. Sie halten mit der aufragenden Düne gleiche Höhe, und ich hielt sie zuerst für Schiffssegel, vielleicht weil ich kurzsichtig ( myops ) bin. — Bis Abu-èl Gheied .

Rechtes Ufer. Linkes Ufer.
Samüt-Rosiéh. Èl-Chatabẻ.
Sagiéh. Bini-Sèlâmé.
Tagwueh. Awlatt-Fèradsch.
Èl-Hamum. Dé-Rîß.
Karfòrtereiné. Wardàn.
Munsi. Abu-Ghalibb.
Èl-Manschîé. Èl-Katta.
Dschures. Gisahijeh.
[S. 129] Abu-Awuali. Niklé.
Sidi-Ibrahîm.
Schmûn.
Tâlié.
Gawâdi.
Èl-Baraniéh.
Èl-Gonamiéh.
Mimèt-èl-Arûß.
Kaffer-Mansûr.
Schaschâ.
Schatanỏff.
Darawû.
Schalakan.
Charabaniéh.
Abu-èl-Gheied.

Donnerstags den 22. Weinmonat.

Die Nachricht, daß wir in der Nacht an der Spitze des Delta vorüberfuhren, betrübte mich zum Theile, weil ich von ihr nichts sah. Des Morgens lagerte ein wenig Nebel, der aber bald sich verzog. Durch die Vereinigung der Nilarme erscheint der Nil kaum breiter, wohl aber geben ihm zahlreichere Schiffe mehr Leben. Der Berg Mokatam, links oben die westliche Kuppe des arabischen Ge [S. 130] birges, der Basanites Lapis der Alten, an dessen Fuße Kairo sich ausbreitet, brachte angenehmen Wechsel in die Aussicht. Seit einiger Zeit mußte ich den Anblick eines höhern Hügels entbehren, und darum ruhte auf jener Kuppe mein Auge mit besonderm Wohlgefallen. Man fühlt eine gewisse Leere in der Seele, wenn liebgewonnene größere Eindrücke auf längere Zeit keine Nahrung finden, und ein neues, erquickliches Aufleben durchzuckt das Innere, wenn liebe alte Eindrücke durch verwandte neue in einem Male aufgeweckt werden. Mittlerweile wuchsen die Pyramiden immer stattlicher heran.

Meine Reise fiel in die Ueberschwemmungszeit. Die Wasser, wiewohl im Fallen, strömten doch noch in ziemlicher Höhe, ein Umstand, der für uns gerade günstig war, da bei niedrigem Wasserstande das Fahrzeug leicht strandet; denn es kostet oftmals viel Anstrengungen, bis es flott wird.

Eine neue Erscheinung für Egypten sind die Telegraphenthürme. Dann und wann unterbrechen sie während der Nilfahrt die Gleichförmigkeit der Aussicht. Für ein Zeichen der höhern Kultur mochte ich sie eben nicht ausgeben, und wahrscheinlich thun sie ihr nicht den leisesten Vorschub. Dem Europäer mögen sie Vergnügen gewähren, indem sie ihn an das Land seiner Väter zurückmahnen, und indem er sich aufs neue der Wahrheit bewußt wird, daß nun Eu [S. 131] ropa mit seinem Tochterlande Amerika den eigentlichen Brennpunkt der Wissenschaften und Künste, der Entdeckungen und Erfindungen bildet. Vielleicht kommen die Telegraphen, die schnellen Ueberbringer oberherrlicher Befehle, in Egypten der seidenen Schnur trefflich zu Statten.

Links sahen wir noch nach Schubbra, welches sich eines vizeköniglichen Gartens von seltener Schönheit rühmt, und an einer Stadt ergötzte sich das Auge schon von Ferne her. Es war Bulâk , in dessen Hafen wir bald einliefen.

Rechtes Ufer. Linkes Ufer.
Galiubb. Burgaschi.
Basûß. Errahauwi.
Mid-Halfé. Òm-dinâr.
Damanhur. Dikelkó.
Schubbra. Èl-Achsâß.
Minièt-èl-Sirik. Dschaladmé.
Gésiret-èl-Batrân. Hassan-inn.
Bulâk. Èl-Górótin-Hin.
Russim.
Sigîl.
Tanâsch.
Gésiret-Mohammet.
Waran.
Embâbé.

[S. 132]

Wir langten in Bulâk eben in der größten Sonnenhitze an, und wir konnten zwischen der großen Menge von Kähnen uns nur mit Mühe Platz verschaffen, auf daß wir das Ufer erreichten. In Atfue zerschmetterten wir beim Anlanden den Hintertheil einer Barke, ohne daß es viel Krieg absetzte.

Unsere Barke war nicht schön, doch gut. Der europäische Holzarbeiter würde an ihr Manches ausgesetzt haben. Dafür leistete sie reichlichen Ersatz mit Mäusen und andern Plaggeistern. Ich wußte mehr als einmal beinahe nicht: Wo wehren? In der Kajüte stand, nach der Uebersetzung des französischen Dragoman, an der Wand auf arabisch, daß man sich den Verordnungen zu unterziehen habe. Etwa den Verordnungen dieser Unholden? Ueber unserer Barke schwebte die dreifarbige Flagge der Franzosen.

Nachdem meine Effekten untersucht waren, wurden sie auf einen Esel gepackt, und einen andern bestieg ich. An hohen Häusern, zwischen denen angenehme Kühlung herrschte, ritt ich vorüber, und bald war ich außerhalb der Stadt. Jetzt, im Freien, erblickte ich das große Kairo , ehedem das Kahira, jetzt das Maser des Arabers. Ergreifendes Schauspiel. Keine halbe Stunde mehr, und ich befand mich in den Ringmauern der Hauptstadt. Da verließen mich die beiden Franken, und, mit einem Eseltreiber allein, [S. 133] zog ich fürbas. Kairo machte gleich Anfangs einen ungemein günstigen Eindruck auf mich. In dem Wirrwarre von Häusern und Gassen folgte ich getrost der Führung des Eseltreibers. Er hätte mich in eine Casa di Diavolo verführen können. Ich wollte freilich nicht dahin, sondern ins Quartier der Franken (el-Musky), die übrigens in Kairo vielmehr zwischen den Mohammetanern zerstreut leben, als in Alexandrien. Lange ritt ich durch Gassen und Gassen, jetzt krumm herum, dann gerade dahin, ohne daß ich einem Abendländer begegnete. Ich war auf dem Punkte, Zweifel zu fassen, daß mein Geleitsmann das Quartier der Franken wisse. Auf einmal bog er um, und ich erblickte Hüte. Ich war richtig im Quartiere; umsonst aber suchte ich die Lokanda, die man mir empfahl. Und kurzen Prozeß, — ich ritt zum ersten besten Wirthshause.

Der Wirth des Hôtel de l’Europe wies mir ein gefälliges und hohes Zimmer an; aber kaum sah ich mich recht um, so fand ich ein Licht ohne Glasfenster. Das fiel mir schwer; denn bei offenem Fenster wollte ich nicht schlafen. Dem Uebel war auch bald geholfen; der Gastgeber eröffnete mir ein anderes Zimmer, welches mit Thüre und Fenster gesperrt werden konnte. Die heimatlichen Gefühle erneuerten sich, als wäre ich in einem Gasthause des Abendlandes; eine Mousquetiere (Vorhang um das Bette, gegen [S. 134] die Stechfliegen) und eine gute, reine Bettung ließen mit Recht eine süße Schlafnacht erwarten. Man lernt den ruhigen Genuß des Schlafes erst recht schätzen, wenn man desselben, sei es durch die Plage des Ungeziefers, oder durch andere störende Einflüsse, eine Zeitlang beraubt war.

Kairo.

Lage der Stadt, Strich des Himmels und Gesundheitszustand der Menschen.

Kairo oder Großkairo liegt fünfzig deutsche Meilen südlich von Alexandrien, unweit vom rechten Ufer des Nilstroms und auf einer Ebene bis an den Hügel Mokatam.

In hohem Grade beneidenswerth sind die Europäer in Alexandrien und Kairo. Die Alexandriner rühmen das Klima von Alexandrien und tadeln dasjenige von Kairo. Die Kairaner dagegen erheben den Himmel von Kairo auf Kosten desjenigen von Alexandrien. Es ist mit besonderer Güte dafür gesorgt, daß die Einen mit dem zufrieden sind, womit die Andern unzufrieden wären.

Kairo streift an den 30. Grad nördlicher Breite. Wenn die Sonne am höchsten steht, brennt sie sehr heftig. Indessen wird die Hitze eines Windes aus der Wüste, von [S. 135] den Pyramiden her, weit weniger leicht ertragen, als die größte Hitze des Sommers. Diesen Wind nennt der Araber Chamsîn , das heißt, Fünfzig ; denn er weht fünfzig Tage und fünfzig Nächte, aber einige Tage und Nächte mit ausnehmender Stärke und Verderben. Er hebt Mitte Aprils an, und treibt viel Staub vor sich hin, so daß vor demselben, auch mit möglichster Sorgfalt, die zubereitete Nahrung auf dem Tische des wohl verschlossenen Zimmers nicht leicht geschützt wird. Im Winter fällt der Regen, doch in der Regel sehr wenig. Gewölke sah ich auch hier zur Genüge, und ich zählte keinen einzigen wolkenlosen Tag. Man will ebenfalls in dieser Gegend von Egypten eine Veränderung des Klimas zu Gunsten des Wasserniederschlages wahrgenommen haben.

Um mich des Gesundheitszustandes einigermaßen zu vergewissern , suchte ich in dem Tauf- und Sterberegister der lateinischen Gemeinde bei den Kapuzinern (Kloster de propaganda fide ) nach. Ich rühme die Freundlichkeit und Bereitwilligkeit, womit der würdige Guardian meine Nachforschungen unterstützte. So wenig meine Erwartung durch die Anlage des Todtenbuches gerechtfertiget wurde, so wäre noch weit minder bei den Mohammetanern auszubeuten gewesen, die auf dem Kissen des Fatalismus gar zu sanft schlafen. Ich möchte das von der lateinischen [S. 136] Gemeinde (die namentlich auch Levantiner zählt) gewonnene Resultat allerdings nicht als Maßstab für die gesammte Bevölkerung von Kairo vorhalten. So viel leidet indessen kaum einen Widerspruch, daß es, weil es eben von Einwohnern dieser Stadt abgezogen wurde, eher im Allgemeinen die Bevölkerung Kairo’s ankündigt, als irgend eine andere. Im jährlichen Durchschnitte starben, mit Ausnahme des Jahres 1831, in den 10 Jahren 1824 bis und mit 1834, 36 Personen, und 47 wurden getauft. Wenn der Getaufte zur Bevölkerung sich verhielte gleich 22 zu 1, wie in dem französischen Finistère-Departement, wo gerade 1 auf 22 geboren wird, so wäre die lateinische Gemeinde 1034 Seelen stark. Jeder Sachkundige sieht ein, daß dieser Schluß um so mehr Mißtrauen erregt, je gewisser die Gemeinde eine sehr zusammengesetzte und wandelbare Bevölkerung enthält. Das Alter der Verstorbenen fand ich bloß in den Jahren 1833 und 1834 genügend verzeichnet. In diesen Jahrgängen fehlt es einzig bei zwei erwachsenen Personen, denen ich willkürlich 20 Jahre gab. Die insgesammt (durch diese zwei Jahre) 114 Verstorbenen hatten zusammen ein Alter von 2180 Jahren, 10 Monaten und 14 Tagen. Die durchschnittliche Lebensdauer beträgt demnach 19 Jahre. Die älteste Person, welche ich im Sterberegister traf, war eine Maria Hadad aus Jerusalem; [S. 137] sie brachte ihr Leben auf 95 Jahre. Prosper Alpinus gibt den Egypziern ein sehr langes, und selbst ein längeres Leben, als den Europäern, ohne jedoch einen Beweis für seine Behauptung anzuführen. In den genannten Jahren starben im Durchschnitte während der Monate Julius und August am meisten, und während des Hornungs am wenigsten. Der Weinmonat gilt als der gesundeste Monat des Jahres. Kaum weniger gesund dürften November, Jenner und Hornung sein, wie die Sterbeliste andeutet.

Die Krankheiten, welche vor den übrigen Schrecken verbreiten, sind Pest und Cholera.

Die Bubonenpest verschonte Egypten in der neuern Zeit seit dem Jahre 1824 bis zum Christmonat 1834, hiemit ein ganzes Jahrzehn. Indessen wüthete sie im Jahr 1824 nicht besonders heftig, und es gingen aus der lateinischen Gemeinde bloß 37 Personen in den Monaten Merz, April und Mai mit Tode ab. Nach ältern Beobachtungen beginnt sie im Jenner oder Hornung, schreitet verheerender während des Chamsîns vorwärts, und wird durch die größte Sonnenhitze gleichsam abgeschnitten. Am St. Johannestage glaubt der Europäer sich sicher. Im ersten Halbjahre und im Monate Julius 1835 verlor die lateinische Gemeinde zweihundert und elf Pesttodte, und zwar weitaus die größte Zahl im April und Mai. Man [S. 138] schätzte die Summe aller in Kairo an der Pest Hingeschiedenen, wohl doch in übertriebenem Maße, auf 100,000. Die Europäer, welchen in der letzten Pestzeit die Mittel zu Gebote standen, sperrten sich ein. Unter alle Eingesperrte schlich sich während der letzten Seuche die Pestkrankheit nie und nirgends ein. In einem Hause brach zwar die Pest aus; allein sie wurde durch einen besonderen Fall eingeschleppt. Aus einem verpesteten Hause ließ man ohne alle Gefährde einen sogenannten Drachen zur Belustigung auffliegen. Ein Kind jenes Hauses befand sich auf dem Söller, der Drache fiel auf dasselbe, und in wenig Stunden erkrankte es und erlag dem Drachen — der Pest. So lange keine Todtenregister geführt werden, dürfen die Sterbeziffern nicht anders, als mit Zweifel betrachtet werden. Dieß gilt namentlich auch von der geschichtlichen Angabe, daß zu Kairo im Jahr 1472 während sechs Monaten 600,000 und, nach Prosper Alpinus , im Jahr 1580, 500,000 Menschen in ebenso viel Zeit an der Pest starben.

In der neuern Zeit erklärten vorzüglich die französischen Aerzte, an ihrer Spitze Clot-Bei , aber auch der besonnenere Gaëtani die Seuche für miasmatisch. Mit einiger Vorsicht öffneten sie viele Leichname und blieben verschont. Mittlerweile verschwanden drei deutsche Aerzte als ein Opfer der Pest. Die Bravour Clots gefiel Mehemet-Ali [S. 139] in so hohem Grade, daß letzterer ihn in den Generalsstand erhob, und der glänzende Halbmond hängt als Ehrenzeichen an der Brust von Clot , wie beim vizeköniglichen Muselmann von Auszeichnung. Die Ansicht der neuen Propheten, daß die Pest nicht anstecke, erfreute sich übrigens zu meiner Zeit keiner Popularität bei den Europäern in Kairo. Diese verwarfen sie vielmehr fortwährend als überspannt. Sie werden mit höchster Wahrscheinlichkeit sich durch den neuen Pestfirman inskünftige am Beobachten der Quarantäne nicht im mindesten stören lassen. Huldigten doch öffentliche Anstalten, wie die Kadettenschule, dem Grundsatze der Sperrung, ungeachtet der Pascha einen Miasmatiker zum Bei adelte.

Die Cholera ist eine frisch gebrochene Geißel Egyptens. In den Monaten August, September und Oktober 1831 zwickte sie aus der lateinischen Gemeinde in Kairo 94 Personen hinweg. Manche Kairaner fürchten die Cholera mehr, als die Pest, weil die Sperre dagegen nichts oder gar wenig vermöge.

Führe ich fort, von andern Krankheiten der Egypzier, wie von den Pocken, den Augenentzündungen, den Ruhren, umständlicher zu reden, manche Abendländer würden einen allzu trüben Gesichtskreis finden, und das Land der Fleischtöpfe als ein Land unnennbarer Plagen ansehen. Ich [S. 140] möchte aber nicht zu Vorurtheilen Stoff darbieten, deren Angel man begierig verschlingt, ohne zu beherzigen, daß man an derselben gefangen und gequält werde. Die Natur vergißt nicht, darüber zu wachen, daß, wo die menschliche Vernunft ihre Aufgabe löset, das Gesetz des Gleichgewichtes erfüllt werde.

Die Stadt nach ihrer Bauart.

Die Häuser bestehen aus Mauern, und das Holz ward dazu ziemlich sparsam verwendet. Daher die Seltenheit der Feuersbrünste in Kairo. Das häufige Brandunglück des hölzernen Konstantinopel kennt das steinerne Kairo nicht. Als vor wenigen Jahren eine Feuersbrunst ausbrach, wurde sie bald gedämpft, ohne einen großen Rüstzeug von Spritzen, Feuerordnungen, Feuerpolizei, Feuerkompagnien u. dgl.

Von Mittag nach Mitternacht bildet die Stadt die längste Linie, und in dieser Richtung wird man den Weg von einem Thore zum andern vor anderthalb Stunden zu Fuße schwerlich zurücklegen. Lange, gerade Gassen gibt es nicht. Sie lenken meist bald um, und verlaufen oft in ein Gewölbe, in eine Art Passage oder Schwibbogen. Manche sind sehr schmal, und in der Judengasse können nicht zwei Personen neben einander gehen, ohne an einander zu streifen. Hier langen die Erker bereits zu der entgegengesetzten [S. 141] Seite der Gasse hinüber. Auch springen dieselben hie und da in andern Gassen, wenigstens über die Mitte in diese, hervor. Dann und wann sieht man eine Brücke über dem Haupte. Manche Gassen sind mit einer Art Dach versehen oder auch zeltartig zugedeckt, zumal die Bassar. Wegen der Enge der Gassen und der Höhe der Häuser herrscht in manchen der ersteren ein gewisses Halbdunkel, das mich nicht unangenehm stimmte. Die Gassen darf man nicht beurtheilen, ohne das Klima in Anschlag zu bringen. Große, offene, gerade Gassen würden in der heißen Jahreszeit den Aufenthalt fast unerträglich machen; wie sie aber wirklich angelegt sind, gewähren sie die möglichste Kühlung, und stehen in einem sehr verständigen Verhältnisse zum Himmelsstriche.

Hier, wo selten Regentage eintreten, und wo kein Wagenrad den Boden durchfurcht, wäre das Straßenpflaster überflüssig. Es ist ungleich angenehmer, auf der hart getretenen Erde dieser Stadt zu gehen, als auf den schönen Pflastersteinen zu Paris und Wien, und der Esel, in leisem Tritte, gleitet beinahe über die Gasse hinweg. Wenn es aber regnet, so werden die Klagen groß, und voraus dem Kameel ist das Gehen beschwerlich. Dann ereignen sich wohl auch Unglücksfälle. Es verdient bemerkt zu werden, daß in den neuntehalb Jahrhunderten seit Er [S. 142] bauung der Stadt die Gassen so wenig ausgetreten worden sind.

Unreinigkeiten eckeln nicht öfter an, als in italienischen Städten. Man glaubt im Anfange nicht, wie schnell ein Theil der Garstigkeiten von der heißen Sonne in Staub verwandelt wird.

Auf Aeser stieß ich nie im Umfange der Mauern, wohl aber zur Seltenheit in der Umgebung der Stadt. Auf dem Wege nach Abu-Sabel labte sich eben ein halb Dutzend herrenloser Hunde an einem todten Thiere.

Ueberall, wo der Mensch lebt, ist ihm beim Baue der Wohnungen die ferne Sonne am Himmel das erste Augenmerk. Bei der Bauart der Häuser von Kairo fasse man, wie bei den Gassen, das Bedürfniß wohl ins Auge. Sie müssen gegen die Hitze schützen, während sie in Europa gegen die Kälte schirmen sollen. Man findet daher die Zimmer in den nördlichern Gegenden gewöhnlich klein, d. h., nicht breit und nicht tief. In Kairo sind die Gemächer umgekehrt sehr geräumig, tief, kapellenartig. Ja es übertreffen viel Zimmer der Stadt an Raum europäische Kirchen. Manches staunte ich mit Wohlgefallen an, theils auch wegen der hohen Bögen und der maurischen Zierathen. Wie dem Fußgänger und Reiter auf der Gasse die hohen, einander nahe gegenüber stehenden Häuser lieblichen [S. 143] Schatten werfen, so beschatten sie einander selbst, und je schattenreicher ein Zimmer ist, desto mehr wird es geschätzt. Die Dächer sind flach oder nur ein Boden (Söller), und das Licht fällt nicht bloß durch Fenster, die über einander sich folgen, herein, sondern auch durch das Dach. Ueber die Oeffnung an diesem wirft sich gegen Mitternacht eine Nase auf, welche geschlossen werden kann. So strömt erfrischende Luft an der Spitze des Hauses bis unten auf den Boden von Erde oder Stein. Die Fensterscheiben selbst sind viereckig, und es wird an einigen Orten Europas keineswegs eine neue Mode eingeführt, wenn man dort auf runde Scheiben verzichtet, um viereckigen Platz zu machen. Viele Häuser sind einstöckig. Ein großes Thor führt durch den Eingang in einen Hof, wo die Küche frei steht; der Hof ist zugleich der Rauchfang. Manches große Thor wird selten geöffnet. Dafür steht in demselben eine kleine Thüre offen, durch die man geduckt und mit hochgehobenem Fuße schreiten muß. Ueber dem Eingange, wenn man will über dem Erdgeschoße, finden sich die Zimmer, welche bis zum Dache 15 bis 25 Fuß sich erheben. Es gibt wohl auch Zimmer, die von ebener Erde an 40 Fuß hoch anstreben. Zweistöckige Häuser gehören zwar immerhin nicht zur Seltenheit, aber drei- und vierstöckige. Der Europäer kann sich sehr leicht täuschen, wenn er die Häuser bloß von [S. 144] Außen besieht. Er stellt sich hohe Gebäude vor, in denen drei Familien über einander wohnen würden. Verschwenderisch birgt hier manchmal nur ein Stockwerk eine Familie. Dieses berücksichtigend, könnte man nicht begreifen, daß etwa 300,000 Menschen in Kairo wohnen oder einst gewohnt haben, sofern man nicht wüßte, daß viele Araber einer Wohnung entbehren. Wandelte ich Nachts nach Hause, so wurde es mir zuerst unangenehm zu Muthe, wenn ich hier auf dem Boden der Gasse, dort auf der Bettstelle an einem Hause einen vermummten Araber ruhen sah. In der offenen Herberge der Gasse brachte er die Nacht hin. Die Milde eines Himmelstriches bettet den Menschen mit wenig Mühe.

An oder in den Häusern verdienen zwei Dinge noch besondere Erwähnung; das Schloß und die Stiege. Die meisten Schlösser sind von Holz. Ein Joch, an der Thüre befestiget, nimmt den Riegel auf. An dem obern Theile der für den Riegel bestimmten Jochöffnung ragen, ohne strenge Ordnung der Entfernung von einander, mehrere drähtene Stifte hervor, die gehoben werden können, und ohne eine hebende Kraft von selber herunterfallen. In den Riegel, als den zweiten Theil des Schlosses, dringt auf einer Seite und an dem einen Ende eine kantige Rinne. Oben besitzt der Riegel den Stiften entsprechende Oeffnun [S. 145] gen, und diese sind in solcher Ordnung angebracht, daß, wenn er vorgeschoben ist, die drähtenen Stifte vom Joche herunterspringen und eingreifen, wodurch der Riegel gesperrt wird. Der Schlüssel, als der dritte Theil des Schlosses und gleichfalls von Holz, ist ebenso einfach, als die vorigen Theile. An einem Ende, das in die Rinne des Riegels läuft, stehen gerade so viel drähtene Stifte unbeweglich herauf, als der Riegel Oeffnungen zählt. Drückt man die Stifte des Schlüssels in diese, so heben sie die Stifte des Joches, und der Riegel kann herausgezogen werden. — Mit der Konstrukzion der Stiegen konnte ich nicht ins Klare kommen. Sie sind von Stein, und von der Gestalt eines gezahnten Rades, wenn dieses keinen Zirkel beschriebe. Sie haben ihre Befestigung nur an einer Seite, an der Mauer des Hauses; im Uebrigen liegen sie ganz frei heraus.

Aus Furcht vor dem gräuelvollen Götzendienste verbietet der Islam die Abbildung von Menschen und Thieren. Es fehlt indessen noch viel, daß dem Verbote von allen Mohammetanern nachgelebt wird. Es wird schon von Selim I. erzählt, daß er dem Sohne Soliman II. sein Bildniß hinterließ, über dem man die Worte las: Sultan Selim Ottoman , ein König aller Könige, ein Herr aller Herren, ein Fürst aller Fürsten, ein Sohn und Kindskind [S. 146] Gottes. Von dem jetzigen Sultan Mahmud II. weiß man, daß er, zum Verdrusse der Gesetzlehrer, sein Porträt dem Pascha zuschickt. Bei Beschneidungsfestlichkeiten im Jahr 1582, zu Ehren des nachherigen Sultan Mehemet , wurde in einem Prachtzuge Zuckerwerk herumgetragen, das verschiedene Arten von Thieren vorstellte, z. B. Elephanten, Löwen, Tiger, Leoparden, Affen, Pferde, Kameele, Giraffen, Syrenen, Falken, Habichte, Sperber, Storchen, Kraniche, Enten, Pfauen, ein Ungethüm von riesenhafter Mannesgröße, nackt und sitzend wie ein Schneider. Kehren wir nach Kairo zurück.

Gemälde trifft man an den Häusern selten, und wenn noch, so lassen sie allenthalben die Schülerhaftigkeit durchblicken. Europäische Primarschüler von acht Jahren würden treuer und geschmackvoller malen. Die Malereien an den Mauern der Häuser stellen meistentheils Laub- oder Blumenwerk dar, das etwa aus schnörkelreichen Töpfen sich entfaltet. Die rothe Farbe herrscht vor. Auch trägt die Mauer einiger Häuser, rechts und links an der Thüre, einen gemalten angebundenen Löwen zur Schau. An einem Hause ist auf ein Thier ein kleines Gebäude gepackt; allein ich konnte nicht errathen, was für ein groteskes Ding es war, weil die Pfuscherei wirklich zu hoch sich überboten hat. An andern Häusern, und zwar an vielen, wech [S. 147] selt einfach die rothe und weiße Farbe, so daß, wenn eine Reihe Quader weiß, die erste darüber roth ist. Hie und da steht über den oben abgerundeten Thüren ein Stern. Mehr, als an Farben versucht sich der Kairaner an Formen, und diese sind es, die seine Geschicklichkeit verkündigen. Wo Holz verbaut ist, da liefert es beinahe durchgängig Beweise von kunstreichen Schnitzarbeiten. Noch triumphirender aber zeigen die Mauern das Gepräge der Kunst. Die Moscheen (Gâma’) empfehlen sich in der Regel durch ihre Pracht, und die hohen Thürme sind bis an die Spitze von lauter Quadern aufgeführt. Die meisten umkrämpen zwei frei herausragende Galerien mit Geländer, und auf dem Helme schießen Arme schief hinauf, um daran, zu Verherrlichung der Festtage, Laternen zu hängen. Auf den Galerien hingegen wird vom Thürmer (Muezeinn) singend der Gläubige zum Gebete ermahnt. Dadurch wird die fehlende Glocke entbehrlich. Ueberall erregten die sarazenischen oder maurischen Werke meine Bewunderung. Obschon ich in meiner Kunsteinfalt einem einfachern Styl mehr Geschmack abzugewinnen vermag, so ergötzte ich mich gleichwohl manchmal an dem Laub- und Blumenwerk, an den bizarren geometrischen Figuren oder Arabesken. Eine Bildsäule würde man vergebens suchen. Es geschieht nicht selten, daß man beim Ausjäten des Unkrautes auch das [S. 148] nützliche Gewächs herausreißt. So hat der Islam, bei Zerstörung der Götzendienerei, die bildende Kunst überhaupt mit Füßen getreten.

Aufschriften in arabischer Sprache liest man ungemein selten. Paris sieht gegen Kairo wie ein aufgeschlagenes geschriebenes Buch aus. Die Tochter Mokatams ist Album. Die europäischen Städte sind Erklärungswörterbücher (Reallexika), belehrend für Kinder und Fremde, ein Cornu Copiae von Pleonasmen für die Unterrichteten. In Italien lernte ich manche Handwerksnamen über den Buden, und Niemand hätte es mir verarget [10] .

Das Schloß, der Jussufsbrunnen und die Grabmale von Kâyd-Bei.

Wollen die Europäer wohin gehen, laufen, reiten, fahren, so werden die gebieterischen Witterungs- Wenn angeknüpft. Morgen, wenn es gut Wetter ist , heißt es. Wenn das Frauenzimmer schon seinen Flitter bereit hielt, wenn Pferde und Wagen bestellt waren, wenn die [S. 149] Liebe und Freude den Schlaf verscheuchten, und wenn dann in der Frühe Wasser oder Schnee vom Himmel fällt; — ach, welch saures Gesicht wird geschnitten, welche Seufzer werden ausgestoßen, wie werden mit beklommenem Herzen die Hände zusammen und über einander gerungen, weil — es regnet oder schneit, und weil der Regen oder Schnee den Gang, den Lauf, den Ritt, die Fahrt hindern. Man darf in Kairo während der sichern Jahreszeit gut Wetter auf morgen so zuversichtlich erwarten, als das Tageslicht selbst. Die europäischen Witterungs-Wenn sind hier daher außer Tagesordnung und werden, Wunder genug, nicht einmal gewünscht, um sich damit zu europäisiren.

Ich lud einen Freund zu einem Spazierritte ein. Ich zählte auf diesen mit einer Sicherheit, welche nicht vom fernsten Zweifel beengt war. Doch haben, daß ich es zu melden nicht vergesse, die Kairaner manchmal ein anderes Wenn und zwar ein noch schlimmeres; ich meine das Pest-Wenn. Du ladest Abends einen muntern Freund auf morgen zu einem Spazierritte ein; ehe der Tag graut, ereilt ihn die Pest mit ihrem tödtlichen Gifte.

Es war Sonntag. Am frühen Morgen trugen uns die Esel im Geschwindschritte durch die Gassen und Bassar. Die Läden waren noch nicht überall offen. Die sarazeni [S. 150] schen Schnörkeleien an den Häusern, Thürmen und Tempeln, die arbeitenden Mohammetaner eigneten sich gleich sehr, die Aufmerksamkeit zu fesseln. Nun etwas bergan. Der Esel schritt immer noch schnell, und der Eseltreiber rannte keuchend nach. Schon erblickte ich das Schloß in der Nähe. Ich verging in Staunen. Wir bogen rechts ein, um auf der günstigsten Stelle die Stadt und ihre Umgebung zu überschauen. Man kommt an stehenden und gestürzten mächtigen Granitsäulen vorbei, welche, wahrscheinlich Trümmer von Memphis, über dem Grabe der Altzeit prangen.

Das ist nun Kairo unter meinen Füßen, seit Jahrhunderten ein Gegenstand der Bewunderung, früher weniger gekannt und von den Europäern nicht selten mit Fabeln angefüllt, von den französischen Heerschaaren bezwungen, von ihren Gelehrten gemessen, beschrieben, gezeichnet bis auf die kleinsten Einzelnheiten; das ist nun Kairo vor meinen Augen, die größte bekannte Stadt in Afrika, die zweitgrößte des osmanischen Reichs, eine der größten der Welt, mit den vierhundert Tempeln, mit den graulichen plattdächigen, kaminlosen Häusern in dem weiten Umkreise, mit den 200,000 Einwohnern [11] . Kaum kann das Auge [S. 151] ausruhen. Südwestlich liegt Altkairo, weiter weg der die Inseln umspülende Nil, dann die hoch aufragenden Pyramiden von Gizeh (Gîsa) und Sakâra, der wüste lybische Hügelstrich, und gegen Morgen der letzte Absenker des arabischen Gebirges. Vor allen Gebäuden zeichnet sich durch Größe der Hassantempel und gegen Sonnenaufgang die vielen Grabmale aus. Wo ist aber Babylon, wo Memphis? Du bist stumm, Maser el-A’tykah, und du, Gelände jenseits des Nilstroms.

Das Schloß stützt sich auf einen Abfall des Berges Mokatam, im Süden der Stadt. Es ist von festem Mauerwerk und sehr groß, so daß es für sich schon eine ordentliche Stadt bildet [12] . Das Stockhaus liegt im Umfange der Burg. Wegen der Schönheit wäre das Harem nicht nennenswerth. In der Nähe desselben standen Ent [S. 152] mannte. Ein ungewöhnlich großer Mohr verrieth durch Haltung und Geberde, durch Stimme und Gesichtszug so völlig das bis zum kindischen unmännliche Wesen, daß der Kontrast sich tief in meine Seele prägte. Dem Auge des Kastraten fehlt der Glanz der Kraft und Liebe. Die ersten Frauenhüter sah ich eben in einem Schloßhofe um ein Pferd stehen, das, mit zusammengebundenen Füßen, auf dem Boden ausgestreckt war. Man schnitt demselben den Schweif ab, brannte dessen Stumpf mit einem Glüheisen, und brühte ihn dann in einer mir nicht bekannten Flüssigkeit. Die Kastraten schienen mit Wohlgefallen der blutigen Operazion zuzusehen. Man kann sich doch nicht bergen, daß man in Kairo leichter und schneller die Rosse englisirt, als die Araber zivilisirt.

Vom Militär, durch welches das Residenzschloß bewacht wird, stellt der Abendländer sicher nichts Geringeres sich vor, als von der orientalischen Pracht geblendet zu werden. Nichts weniger als Luxus. Dafür findet man zerrissene Kleider in Menge.

Wir traten in viele Hallen und Zimmer des Schlosses. Die Kanzlei hatte ganz den orientalischen Zuschnitt; ringsum der Diwan, d. h. eine niedrige, breite Polsterbank, ohne einen Tisch, bloß ein unbemaltes Pult steht einsam in einem Winkel. Die Kanzlei war heute leer, [S. 153] weil die Kanzlisten, koptische Christen, eben den Sonntag begingen. Es klingt in Wahrheit sonderbar, daß in Egypten die Staatskanzlei eines mohammetanischen Fürsten den christlichen Sonntag feiert. An den Werktagen wird der Diwan um und um von den Schreibern besetzt, um nicht zu sagen, belagert.

Was auf dem Schlosse meinen Geist am meisten und mein Gemüth am angenehmsten beschäftigte, war der sogenannte Jussufsbrunnen . Ein mohammetanisches Weib führte mit brennender Kerze mich hinunter. Es war unverschleiert; doch bisweilen schnappte es in das Kopftuch, um das häßliche, schwarzbraune Gesicht zu verhüllen. Zwei Kinder leuchteten mir nach. Der Brunnen, über 280 Fuß tief in den Kalkfelsen gearbeitet, ist viereckig. Man steigt auf einer Felsentreppe hinunter. Die Stufen lassen sich jedoch an vielen Orten wegen der darauf liegenden Erde nicht erkennen. Die innere Wand der Treppe durchdringen an vielen Orten Oeffnungen zum Einlassen des Lichtes. Wenn man zu einer gewissen Tiefe hinabgelangt, endet die Treppe, und mittelst eines Rades wird das Wasser in Krügen, welche an einem Seile befestiget sind und mit diesem umherlaufen, aus der Tiefe geschöpft und hier ausgeleert. Ein zweites Rad findet sich oben, welches mittelst der Krüge das Wasser von der nächsten Stazion [S. 154] heraufholt, um es dort ans Tageslicht zu bringen. Von dem Orte, wo das untere Wasserrad angebracht ist, senkt sich der Brunnen bis zum Wasserspiegel, welcher mit dem Nil die Höhe theilt, so tief, daß einige Sekunden verstreichen, bis man den Fall des hinabgeworfenen Steins vernimmt. Neben dem untern Rade greift eine Kerbe in den Fels, wo ein weiß marmorner Turban, das Grabmal des Jusef Salâh el-Dyn (des berühmten Saladin ), ruht. Man fühlt in der Tiefe eine angenehme Temperatur, und es fällt eben so leicht, als es die Mühe lohnt, Zeuge eines so merkwürdigen Denkmals zu sein. Mich erinnerte dieser Erdenthurm und die Treppe an den Markusthurm und dessen Treppe in Venedig.

Vom Schlosse weg wendeten wir uns, indem wir die auf einen Schutthügel gebauten Batterien zur Linken ließen, gegen den nach Suez führenden Wüstenweg, um die Moscheen und Grabmale der Großen (Turâb Kâyd-Bei) zu durchstreifen. Jener Hügel verdeckte unsern Blicken die Stadt, und das Schloß sperrte die Aussicht nach Süden. Die Grabmale, in einem Thale auf sandigem Grunde, stellen meist Thürme oder Moscheen dar. Von diesen umringt, glaubt man sich mitten in einer Stadt; man ist in einer Leichenstadt. In der Bauart der Grabmale bespiegelt sich offenbar der schmuckselige Sarazene, welcher Fleiß [S. 155] mit Geschmack verband. Große Schätze sind an den unbewohnten ansehnlichen Gebäuden aufgegangen; aber leider zerfallen diese, und lassen den Genossen unserer Tage eine Reihe von Jahrhunderten aus der Urne der Zeit verwünschen, damit er dieselben in dem Zustande der Unversehrtheit bewundere. Beim Anblicke zerstörter oder der Zerstörung entgegeneilender, ausgezeichneter Kunstwerke möchte man beinahe vorziehen, daß sie nie entstanden wären, nur um des bittern Schmerzes über ihren Zerfall überhoben zu werden.

Das Militärkrankenhaus.

In der Esbekieh nimmt ein Krankenhaus den Kriegsmann auf. Für das Zivil würde man eines nach europäischer Einrichtung vergebens suchen, — doch mit Ausschluß der Franken, welche in ihren kranken Tagen allerdings öffentliche Pflege erhalten, indem sie in dem Militärkrankenhause untergebracht werden. Ausnahmsweise hat das arabische Zivil ins Spital ein junges Mädchen geliefert, bei welchem die Steinoperation vorgenommen werden mußte.

Das Gebäude ist massiv von Stein erbaut, und begreift zwei Höfe in sich. Es enthält große Säle; so einen mit 24, einen andern mit 60 Kranken. Die Krankenzim [S. 156] mer sind auch licht; aber in einigen kam dem Eintretenden ein unangenehmer Geruch entgegen, das zuverlässigste Zeichen , daß sie nicht reinlich genug gehalten werden.

Man traut den eigenen Augen kaum, wenn man zu einem Araber geführt wird, welcher mit Arsenik das Gesicht sich raubte, um des Militärdienstes unfähig zu werden. Fälle, daß die Araber in dieser Absicht sich mit Blindheit schlagen, ereignen sich nicht selten. Aus dem gleichen Grunde werden auch Finger verstümmelt, Zähne ausgebrochen u. s. f. Eine Mutter stach ihrem Sohne ein Auge heraus, um ihn nicht verlieren zu müssen.

Die Apotheke des Spitals sieht sehr unscheinbar aus. Es ist merkwürdig, wie hier Leute zu Apothekern geschnellbleicht werden. Ein polnischer Offizier berechnete, daß er als Apotheker besser stehen würde. Er meldete sich an, ist gegenwärtig als Apotheker angestellt, und bildet sich auf seine Kunst sehr viel ein. Unwissenheit und Eigendünkel gehen Hand in Hand. Ein weiland österreichischer Aide-Major hielt sich einst eine Zeitlang in einer Droguerie auf. Er bewarb sich um eine Apothekerstelle, bekam Anstellung, und eben während meines Aufenthaltes in Kairo durchsprang er einen Theil der kurzen Lehrzeit (von beiläufig einem Monate). Dieser Leichtsinn, womit die Stellen im Gesundheitsdienste verliehen werden, erscheint indeß in einem mil [S. 157] dern Lichte, wenn man den großen Mangel geeigneter Subjekte ins Gedächtniß zurückruft. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Regierung der Aufnahme solcher Glücksritter in den Staatsdienst einen Riegel vorschöbe, wenn ihr eine Auswahl zu Gebote stände. Man macht in Egypten, wie anderwärts, aus der Noth eine Tugend.

Die Narrenmenagerie.

Es gibt Leute, die sich an den Namen mehr ärgern, als an den Dingen. Bei solchen besorge ich wohl, daß sie an dieser Ueberschrift Anstoß nehmen. Vorläufig möchte ich sie aber damit beruhigen, daß der Ausdruck, so hart er klingen mag, doch nicht härter ist, als die Sache, die er bezeichnet.

Um dem Eseltreiber verständlich zu machen, wohin ich wolle, ließ ich ihm sagen, daß er mich dahin führe, wo die Narren und die Närrinnen seien.

Ich kam in einen Palast, das berühmte Spital Muristan , welches mit der schönen Moschee gleichen Namens zusammenhängt. Ein geduckter, etwas kleiner Mann mit einem grauen Barte, stand in einem Vorzimmer; er fiel mir zuerst nicht auf. Es war der Menagerieinspektor. Mein Führer eröffnete ihm meine Absicht, — denn ich [S. 158] konnte durchaus nicht arabisch, — und ohne Anstand ward mir der Eintritt bewilliget. Noch aber ließ ich Brote holen, um sie unter die Kranken zu vertheilen. Die Zufriedenheit mit Wenigem ist in der Regel ein Zeichen echter Selbstbeherrschung; die Zufriedenheit mit einem geringen Geschenke zeugt gemeinhin von wahrer Dürftigkeit. Auf diese zählend, hoffte ich mit meinen Kleinigkeiten Liebes zu thun.

Nun wurde die Thüre aufgeschlossen. Ich war nur Auge, nur Ohr. Ein viereckiger Hof, in dessen Mitte ein steinernes Becken, selbst mit dem unlautern Wasser, fürs Auge gute Wirkung macht, zieht voraus den Blick an sich. Der erste Eindruck verspricht Gutes; allein er trügt nur zu gewiß: denn den gefälligen Hof umgeben lauter Käfiche, an Stattlichkeit und Solidität gleich denjenigen für die Thiere, welche zur Schau gestellt werden. Um den Schein einer Menagerie zu vollenden, erheben sich die Krankenzellen bühnenartig. Das Licht und die Speisen gelangen durch ein eisernes Gitter, welches nicht Manneshöhe erreicht. Die Zelle ist schmal, doch hoch. Ich konnte die Zellen und die Kranken nicht zählen; denn der Menagerieinspektor sputete sich zu sehr, weil er vielleicht meinte, daß die Kranken beim Anblicke eines Giaur (Ungläubigen) gewaltig beunruhiget würden. Ich glaube, daß [S. 159] den Hof sechszehn Zellen umfassen. Sie sind sämmtlich von festem Mauerwerk. In den meisten Zellen fand ich einzig einen Kranken, in einer andern aber selbst drei, wovon einer angekettet war. Der letzte nämlich trug ein Halseisen mit einer langen Kette. Diese lief durch das Gitter, und ward so weit unten festgemacht, daß der Kranke mit den Händen die Endglieder derselben nicht ergreifen konnte. Hände und Füße blieben dabei ungefesselt. In Europa würde man bei solcher Anfesselung das Selbsterdrosseln befürchten. Zur Bettung dient dem Kranken im besten Falle etwas Stroh, sonst der harte Boden. Dieß ist nicht das Herbste des Schicksals. Wie der Hunger die Küche bald gut bestellt, so bereitet der Mangel an Schlaf dem schwankenden und trunkenen Haupte ohne Schwierigkeit einen Polster, und am Ende macht sich die Macht der Gewohnheit geltend. Vielleicht werde ich letztern Satz gelegentlich einmal wiederholen, weil dessen Wahrheit beinahe nie genug ausgesprochen und beherziget werden kann. Einige Kranke waren ordentlich gekleidet, andere aber wenig oder fast gar nicht.

Wie ich vor die ersten Käfiche trat, wollte ich das Brot selbst austheilen; allein der Menagerieinspektor wand mir es mit einer Meisterfertigkeit aus der Hand, und mir war klar, was ich thun oder lassen sollte. Meine fränki [S. 160] sche Person schien den Unglücklichen wenig Aergerniß zu geben; sie haschten, wie kleine Kinder, nach dem Geschenke, welches ihre Aufmerksamkeit für den Augenblick verschlingen mochte. Nur ein Andächtiger, der betend auf den Knieen lag, und den Boden anglotzte, nahm von Allem, was vorging, keine Notiz. Dagegen betrug sich sein Nachbar um so rühriger, und er erhob ein betäubendes Geschrei. Der Aufseher warf einen Lappen Brot ihm zu. Das war der Friedensbote, welcher alsobald den Sturm besänftigte, nachdem eine Art Mensch, vielleicht ein Menagerieknecht, vergeblich den Stock über ihn geschwungen hatte. Schlagen sah ich nicht.

Uebrigens hält man mit dem Schlagen oder Peitschen in Egypten keine genaue Rechnung. Jeder Herr peitscht oder prügelt seinen Diener. Das Schlagen des kranken Irren wird in Egypten unzweifelhaft nicht die gleiche Wirkung hervorbringen, welche man sich in Europa versprechen würde, und wenn in diesem Welttheile mit dem verwerflichen, barbarischen Mittel zur Seltenheit Heilungen erzielt wurden, so würde es von dem ans Schlagen beinahe mehr als ans Brotessen gewöhnten Araber mit Gleichgültigkeit, wenigstens mit abprallender Härte ertragen werden.

In der Flüchtigkeit ward ich ruhige Gesichter und gut [S. 161] genährte Leute in den Käfichen gewahr. Es beschwichtiget gewissermaßen zuletzt der gegründete Glaube, daß die Eingekerkerten doch nicht mit Hunger gequält werden.

Als ich schon zur Thüre hinaus war, hörte ich noch den Lärm der Irren, selbst vor dem Geklirre der Ketten. Von der Besorgung der Närrinnen weiß ich weder etwas Rühmliches, noch etwas Tadelnswerthes. Den Männern ist der Eintritt in die Weiberzellen untersagt, wohl aber Knaben bis zum Alter von ungefähr neun Jahren erlaubt.

Bei einem zweiten Besuche vergönnte man mir mehr Zeit. Ich konnte achtzehn Käfiche zählen. Dießmal überzeugte ich mich von der zurückstoßenden Unreinlichkeit. Daß in diesen Krankenställen keinerlei Versuche zur Heilung vorgenommen werden, versteht sich von selbst.

Das kultivirte Europa schaudert wie vor der Einrichtung der Observazionsanstalt in Alexandrien, so vor einer solchen Behandlung unglücklicher Irren. Wie lange her ist es aber, daß dort das Licht der Humanität glänzt? Noch vor einem Jahrhunderte wurden die unschuldigsten Gemüthskranken, gleichwie die schuldigsten Verbrecher, fast durchgehends in Ketten geworfen. Vielleicht werden die bemitleidenswerthen Gemüthskranken an das eiserne Kriegsherz des Pascha klopfen, daß es erweicht wird, und falls er dem gräßlichen Uebelstande wehrt, so flicht er sich schönere [S. 162] Lorbeeren um sein Haupt, als wenn er noch einmal Militärkrankenhäuser, Arzneischulen und andere Anstalten, Pulvermühlen und andere Fabriken ins Dasein riefe, und er bleibt unsterblicher unter den Sterblichen, als wenn auf sein Machtwort der Anbau einer zweiten Baumwolle und eines zweiten Oelbaumes u. dgl. gediehe. Insbesondere die edeln Züge des Zartgefühles für das Wohl und Weh aller Menschen, ohne Ansehung des Standes und des Vermögens, erwartet das aufmerksame Europa von dem schöpferischen und durchgreifenden Vizekönige des Egyptenlandes.

Die Stadt der Einäugigen und der Blinden.

Man nennt wohl keine Stadt in der Welt, worin so viel Einäugige und Blinde wohnen wie in Kairo. In keiner Stadt, würde der Spötter sagen, wird öfter ein Auge zugedrückt, und ist die Liebe blinder. Man ziehe bloß die Gasse hin und her, und bald wird die Aufmerksamkeit von einem Manne gereizt, der mit einem Stocke den Weg befühlt, oder seine Rechte auf den Kopf oder die Schulter einer Person legt, die als Wegweiser vorangeht. Selbst die Blinden wandeln nicht mit Andern wie in Europa, wo sie am Arme geführt werden. Man weiß beinahe nicht, ob man über das Glück Unglücklicher lachen darf, wenn [S. 163] man wahrnimmt, wie etwa drei Blinde einander leiten und leiten können .

Einst schilderte man das Gedränge in der Stadt als so groß, daß man jeden Augenblick Gefahr laufe, Jemand umzubringen oder umgebracht zu werden. Diese Schilderung kann für die jetzige Zeit nicht gelten. Ich sah in einer sehr besuchten und belebten Gasse, gleich vor der Hauptwache über der Brücke, einen blinden Greis allein , freilich in kurzen und furchtsamen Schritten, sich vorwärts bewegen, ohne daß er umgebracht oder auch nur unsanfter berührt wurde. Es ist hinwieder eine natürliche Sache, daß die Sehenden noch gefahrloser ihres Weges gehen, als die Blinden.

Das öffentliche Bad.

Die Südländer haben eine fischartige Natur. Bäder sind ihnen Bedürfnisse.

Ich trete in ein großes, von oben beleuchtetes Zimmer. In der Mitte ein Wasserbecken. Darum ein mit Marmor ausgelegter Boden. An den Wänden eine Bühne; darauf Bettpolster in Menge. Neben der Pforte eine Art Kanzel. Von der Bühne streben jonische Säulen empor. Am Eingange in das Dampfgewölbe eine kleine Kaffeeküche, aussehend wie ein Doppelkästchen mit einem Raume da [S. 164] zwischen [13] . Ich bin im Entkleidezimmer; auf den Polstern der Bühne die Badegäste; auf der Kanzel der Geldeinnehmer.

Der Badende steigt auf die Bühne. Er entkleidet sich. An der flinken Hand des Badeknappen fliegt im Nu ein weißes Tuch ihm um die Lenden. Ein Tuch von bunter Farbe schlägt der Badeknecht ihm über die Brust, und ein anderes über den Rücken, das erste hinten und das letztere vorne bindend. Den Kopf umwickelt er, auf daß ihn ein Turban schütze und ziere. Das die vollkommene Bademontur, es fehlen einzig noch die Kapuzinerschuhe, in die man schlüpft, sobald man von der Bühne herunter gestiegen ist.

Jetzt geht der Badende behutsam davon, damit er nicht auf dem nassen und glatten Marmorboden niederglitsche. Durch einen engen, düstern, gewölbten Gang gelangt er in ein Zimmer: das Ent- und Ankleidezimmer in der kältern Jahreszeit, weil es gewärmt werden kann.

Er kommt durch eine Thüre in ein Gewölbe. Das Licht dringt mühsam und spärlich durch kleine, runde, mit Glas hermetisch verschlossene Oeffnungen von der Kuppel [S. 165] herab. In der Mitte ruht ein Wasserbecken. Aber er weilt dießmal hier nicht.

Durch den warmen Dampf links oder rechts einige Treppenstufen hinauf, er befindet sich in einem kleinen, noch düstrern Gewölbe, worin warmer Nebel ihn umschwebt. In der Mitte ein Wasserbecken, tief bis an das Kinn. Der Knappe entwindet ihm all’ das Badegewand bis an die Lendenschürze. Es ist das Wasser aber allzu heiß, und er taucht nicht unter. Andere scheuen indeß die Hitze minder, und man erblickt, spaßhaft genug, bloß noch ihre Köpfe. Er begnügt sich, neben dem Wasserbecken auf dem harten Marmorboden sich hinzustrecken und daraus auf seinen Körper fleißig Wasser zu schwenken. Ein Araber, nur mit einem Tuche an den Hüften umschürzt, legt ihn zurecht, und, mit einem wollenen Handschuhe versehen, reibt er seine Haut in geschäftigem Hin und Her, doch sanft und ohne wehe zu thun.

Hierauf in das letzte Gewölbe zurück. Hier seift ein Bursche den ganzen Körper ein, und der Badende tritt mit dem schaumigen, seifenweißen Leibe in ein kleines Nebengewölbe, wo zwei Röhren mit Hähnen über ein Becken sich krümmen. Aus der einen Röhre fließt warmes und aus der andern kaltes Wasser. Hier wird die Seife am Leibe abgespült, indem dieser den prallen Strahl der Röhre bricht, [S. 166] und zu guter Letze hilft die Hand dem schwemmenden Brunnen.

Zurück in das gleiche größere Gewölbe der Mitte. Hier hätte der Badende, statt die Stiege hinaufzugehen, in einem Becken an der Wand, wie in einer Badewanne, sitzen können, worein das Wasser mit der beliebigen Wärme geströmt wäre.

Schon ist der Badende ausgedämpft, ausgespült, ausgerieben, ausgewaschen, hoffentlich fix und fertig. Er tritt, allenthalben von trockenen Schürzen und Quehlen umfangen, aus der Dämmerung ans Licht, aus dem Qualm ans Trockene, aus dem heißen Mittag in den kalten Nord. Er besteigt die Ankleidebühne, beinahe vor Kälte schaudernd. Er lagert sich auf dem Polster. Ein Bursche deckt ihn zu. Sanft drückt dieser ihm die trocknenden Hüllen an den Körper. Er will den Badenden an der Fußsohle kitzeln. Dieser kann es nicht leiden, und weigert sich dessen. Er hat Zeit genug, seine Schaulust an Andern zu befriedigen, welche dort eben eintreffen, hier zum Ausgehen sich anschicken. Er ist frei vom Naß, und es fehlt nichts mehr, als daß er sich anziehe und dem Geldeinnehmer eine Kleinigkeit gebe.

Der Dampf in den Gewölben übte weder den beklemmenden Einfluß auf mich, wie auf andere Franken, aus, noch wirkte die kältere Atmosphäre im Ankleidezimmer mit [S. 167] ausnehmend erfrischender Kraft. Ich fühlte mich nach dem Bade allerdings leicht, und damit vertrieb ich eine leichte Unpäßlichkeit, welche ich dem Zurücktreten der Hautausdünstung in einem innern Theil zuschrieb.

Bei dem morgenländischen Bade müssen drei Dinge erwogen werden: der Dampf, das warme oder heiße Wasser und die Reibungen. Es sind dieß so wirksame Agenzien, daß die hohe medizinische Wirksamkeit selbst demjenigen, dem gründlichere Kenntnisse in der Arzneiwissenschaft abgehen, nicht begreiflich gemacht werden darf. Andrerseits will ich nicht verhehlen, daß der schnelle Uebergang aus dem heißen in ein kaltes Mittel, also der rasche, schnelle Wechsel der Temperatur, manchmal Schaden zufügt. Einen solchen Fall nahm auch ich wahr.

Der Apparat des Bades scheint ursprünglich nur die Reinigung des Leibes zum Ziele sich gesetzt zu haben, mithin mehr der Hygieia, als der Heilkunde anzugehören. Diesen Zweck erreicht das Bad mit Leichtigkeit. Nach dem Bade erscheint viel geschmeidiger auch die Haut, von welcher die Unreinigkeiten sich ordentlich abschuppen, so völlig rein wird sie.

Der Dampf wird nicht förmlich bereitet. Er steigt von den heißen Wassern auf, und man wendet bloß Sorgfalt an, ihm jeden Ausweg abzusperren. Es liegt am Tage, [S. 168] daß darunter die Reinheit der Luft leidet. Ich soll übrigens bekennen, daß kein besonders unangenehmer Geruch in den Gewölben mir aufstieß.

Man liest in den Schriften, daß von Seite der Bader, außer dem Kneten der Glieder, auch eine Art Aus- und Einrenken geschehe. Ich ließ diese Manipulation an mir nicht vornehmen, noch sah ich sie an Andern.

Das komplizirte Bad ist so außerordentlich wohlfeil, daß es auch der ärmere Araber benutzen, und dadurch dem Gesetze Mohammets nachleben kann.

Man darf die Badeanstalt des Morgenlandes nicht verlassen, ohne zu bedauern, wie sehr die Hautkultur im Abendlande vernachlässigt wird.

Wie die Egypzier im sechszehnten Jahrhunderte die Bäder gebrauchten.

Ich wähle einen treuen Beobachter, den Doktor Prosper Alpinus , als Führer in die Hallen der Vorzeit. Darf denn der Reisende nicht auch bisweilen einen Schritt in dieselben wagen?

Wie die Nordländer, so überliefert Prosper Alpinus , Vieles zum Wärmen, so haben die Egypzier Vieles zum Kühlen, als: die vielen Brunnen in den Wohnungen, insbesondere aber die Süßwasserbäder, diese jedoch auch zu [S. 169] Verschönerung des Körpers. Zu den Bädern nimmt man einfaches, geläutertes Nilwasser, ohne Beimengung von Medikamenten. Die Badeanstalten sind sehr zahlreich, geräumig und prachtvoll. Das Badehaus besteht aus mehrern von einander geschiedenen Gewölben, worin die Leute schwitzen, gerieben und gewaschen (gebadet) werden. Ungefähr im Mittelpunkte der Badeanstalt steht das An- und Entkleidegemach.

In den verschiedenen Badegewölben herrscht ungleiche Temperatur, nach den Bedürfnissen der Badenden. Die Böden sind mit Marmor zierlich ausgelegt, und jeder abgeschlossene Raum hat zwei marmorne Becken, in welche das Wasser herabfällt. An dem gewölbten Dache sind die Glasscheiben gleichsam eine Zierde, und fügen sich so genau, daß von Außen keine Luft eindringen kann. Die Badegewölbe empfangen ihre Wärme vom Dampfe des in die Marmorbecken fallenden heißen Wassers. Wer da will, kann jederzeit zwischen heißen, lauwarmen und kalten Bädern wählen. Die mäßig warmen sind die gemeinsten.

Weil die Egypzier das ganze Jahr vom Staube umgeben sind, und beständig von Schweiß triefen, so werden sie der Träger vieler Unreinigkeiten, weßwegen sie übel riechen, und an Ungeziefer nichts weniger als Mangel leiden. Darum ist bei den Egypziern das Baden so gebräuchlich, [S. 170] zumal beim weiblichen Geschlechte, das sich mehr angelegen sein läßt, durch Beseitigung der Unreinigkeiten und durch Verscheuchung des übeln Geruches den Körper gefällig zu machen, auf daß es den Männern um so lieber sei. Die Frauenzimmer waschen sehr oft den Körper in den Bädern, und überziehen ihn mit wohlriechenden Salben, die vermöglichen mit solchen von Bisam, Ambra, Aloe. Beinahe unglaublich groß ist der Gebrauch von Salben zu Verbesserung des Geruches und zu Weckung sinnlicher Begierden. Wie aber die Italienerinnen und andere Abendländerinnen allen Fleiß auf den Haarputz und auf die Verschönerung des Gesichtes verwenden, so vernachlässigen die Egypzierinnen wenigstens erstern.

Viele Weibsleute trachten durch das Baden auch fetter zu werden. Je dickleibiger sie sind, desto lebhafter werden sie von den Männern begehrt. Man wird daher eine große Menge ungemein fetter Frauenzimmer antreffen. Es hielt sich in Kairo ein Weib auf, welches in der Kunst, fett zu machen, ihren Broterwerb suchte. Man legt es ordentlich darauf an, fett zu werden. Zu dem Ende baden die Frauenzimmer in lauem Süßwasser viele Tage hinter einander . Indeß sie lange im Bade verweilen, essen und trinken sie darin, und gebrauchen Lavements, die aus verschiedenen fetten Substanzen bereitet werden. Gleichzeitig [S. 171] nehmen sie viele innerliche Medikamente ein. Es steht durch eigene Erfahrung fest, daß mehrere Frauenzimmer durch ein solches Badeverfahren viele Tage hinter einander, in Verbindung mit reichlicher Ernährung durch den Mund, fett wurden. Unter den Speisen wählen die Kandidatinnen der Fettigkeit viel fette Brühen mit Bammia, Melochia und Kulkassia, gewöhnlich eine Suppe von fetten Hühnern, auf egyptisch Maluf . Jedwedes Frauenzimmer trinkt die ganze Suppe von einem Huhne, und verzehrt hernach dieses selbst. Viele dürftige Weiber nehmen das sogenannte Thaine , oder das Oel von indischen Nüssen, oder den Absud von Chinawurzeln, oder den Sesamölkuchen, welcher mit dem Fleische fetter Hühner und mit der indischen Nuß zugleich gekocht wird u. dgl. Allein vor Allem preist man den täglichen Genuß zehn gerösteter, gemeiner Zwiebeln vor Schlafengehen, und zwar etwa fünfzehn bis zwanzig Tage hinter einander. Bei dieser Kur verspüren die Frauenzimmer nicht die mindeste Beschwerde.

In Egypten verläßt Niemand das Bad, ohne gerieben zu werden. Die Reibknechte lassen die Person, welche zuerst beinahe eine Stunde im Bade ausgehalten, und absichtlich gebrochen oder wenigstens geschwitzt hat, auf einen Stuhl sitzen, sie kneten und behandeln alle Körpertheile des Dasitzenden auf verschiedene Weise. Sie fangen bei den [S. 172] Füßen an, und bewegen sie vorwärts, rückwärts und seitwärts, bald dann die Unter- und Oberschenkel nach allen Richtungen; sodann die Hände, jeden Finger besonders, darauf die Arme, die Schulter und ihre Blätter, hernach den Hals, den Kopf, die Brust und den Rücken nach allen Seiten. Es geschehen diese Bewegungen drei- bis viermal.

Darauf heißen die Reibknechte den Badenden auf den Marmorboden rücklings sich legen, und beginnen den ganzen Körper zu reiben. Es gibt dreierlei Reibungen: 1) die sanfte und mittelmaßige, mit der bloßen flachen Hand, welche manchmal mit Sesamöl eingerieben wird, 2) die mittelmäßige und häufige, welche mit roher Leinwand geschieht, und 3) die harte und mittelmäßige, mit rauhem Tuche von Ziegenhaaren. Man fängt, beim Reiben der vordern Körperfläche, an den Füßen an, ihre Muskeln werden der Länge nach gerieben, indem die Hände von oben nach unten fahren — von Gelenke zu Gelenke, was mit großer Geschicklichkeit und Zierlichkeit ausgeführt wird, ohne ein Gelenk zu überhüpfen; dann kommt die Reihe an alle Gelenke und Muskeln der Schienbeine, Wadenbeine, Kniescheiben, Oberschenkel, hernach der Hände, Arme, der Schultern und Schulterblätter, so wie des Gesichtes, des Halses, der Brust, der mittlern Gegend des Abdomens. Nachdem dieses geschehen, wird der Körper auf den Bauch umgelegt, [S. 173] und die hintere Fläche nicht anders behandelt, als die vordere. Die drei Arten von Reibungen werden eine um die andere, von der sanften zur harten ansteigend, vorgenommen.

Nach den Reibungen wird der Körper von der Fußsohle bis zum Scheitel hinauf eingeseift, darauf in heißem Süßwasser abgewaschen und der Schmutz abgestreift. Ueberdieß bringen die Badeknappen die Füße des Badenden in eine gewisse Pflastermasse, welche gegen die feuchten und übel riechenden Füße herrliche Dienste leistet, auch diese orangegelb färbt. Es ist Sitte gemeiner Frauen, die Nägel der Hände und Füße so zu färben.

Der Sklavenmarkt.

Den fühlenden Menschen nimmt nicht leicht etwas lebhafter in Anspruch, als der Sklavenmarkt.

Wie die Welt anfing, zu glauben, daß Gott die Hände und Fäuste nicht derb genug geschaffen habe, womit sie sich plagen und züchtigen könne, entsprangen die Waffen. Diese sind nun die seltsamsten Wappen des Menschenadels. Mit solchen Gedanken betrachten wir die Karbatschen oder Peitschen, die aus der Haut des Nilpferdes gearbeitet sein sollen. Dort werden sie am Eingange eines Hofes verkauft, und deuten den Markt so gut an, als wäre er mit großen Buchstaben überschrieben. Sklaven in einem [S. 174] Hofraume, andere in daran liegenden Zimmern, andere hinwieder oben in Kammern und auf einer Gallerie — das ist das Sklavenokel. Die schwarze Farbe, die Blöße der Weiber bis zu den Lenden herab, das müßige Sitzen oder Liegen der Sklaven auf kleinen Gerüsten (egyptischen Bettstellen) oder auf dem Boden befremden den Ankömmling in gleichem Grade. Ich sah keinen Sklaven weinen, manchen lachen und scherzen. Die meisten waren jung; ein einziges altes Weib erblickte ich. Wie ich das erste Mal in den Sklavenmarkt trat, mochten an zweihundert Sklaven zum Verkaufe ausgestellt gewesen sein. In wenigen Tagen waren davon viele aufgekauft. Die Sklavenverkäufer, welche, mit der Pfeife im Mund, wie ein Krämer auf den Käufer mit gespannter Seele harren, verübten vor meinen Augen keine Grausamkeit an den Sklaven. Einer unter ihnen bemühte sich nicht wenig, ein weißes junges Mädchen, die einzige weiße oder doch halbweiße Sklavin, mir aufzuschwatzen.

Mehrere Weiber besuchten den Markt und waren eben im Kaufe begriffen, ohne daß sie die Sklaven berührten. Diese werden zu sehr ungleichen Preisen losgeschlagen; ein junger Bursche etwa zu 50 bis 60 Reichsgulden und ein ausgewachsenes schwarzes Mädchen zu 120 Gulden R. W. Auch dem Europäer wird der Kauf von Sklaven gestattet. [S. 175] Auch er erzählt mit Freude oder Reue, was für einen guten Handel von Menschen er getroffen habe. Die Polizei mischt sich nicht ein, welche Laster er an den Sklaven, als seinem Eigenthume, abkühlen würde. Ihr gilt völlig gleich, wenn er zwanzig Sklavinnen, zu jedem beliebigen Zwecke, erhandeln sollte, selbst wenn sie sich schon zum Mohammetanismus bekennen.

Jüngere Sklaven zeigten sich noch in ihrer ganzen Nazionaltracht, wie man bei uns die Wilden abgezeichnet findet. Von einem Gürtel um die Hüften hangen etwa einen halben Fuß lange Fransen herunter. Den Hals schmücken Korallen, darunter weiße, welche mit den weißen Zähnen, und dem Weißen im Auge gegen die schwarze Hautfarbe grell abstechen. Unter den Mohren gab es selten einen mit schlechten Zähnen. Mehrere Sklaven waren über und über blatternnarbig; andere litten an einer Art Krätze, welche man Nilkrätze nennt. Die meisten Weibsleute behielten den Haarputz aus ihrem Geburtslande, so viel ich weiß, Nubien oder Abyssinien. Winzig gerollte und ziemlich lange Locken erwecken eine günstige Meinung; allein der Schmutz widert im höchsten Grade an. Manche trugen die Locken scheitelförmig.

Der häßliche Geruch, welchen das Zusammenleben vieler Menschen begleitet, macht den Sklavenmarkt zu einem [S. 176] wenig einladenden Orte. Die Stiege, welche auf die Gallerie führt, deckt das Garstigste, was der Mensch von sich wirft, in dem Maße, daß man ihm kaum ausweichen kann, sofern man jene ersteigen will. Die Unreinigkeiten würden auf dem Sklavenmarkte wahrscheinlich noch mehr sich häufen, wenn nicht das Interesse wohlthätig ins Mittel griffe. Zuviel Nachsicht schadet der Gesundheit — so studirt man praktisch die humaniora — und — — kranke Sklaven gelten minder, und todte verderben den Handel ganz. Es sucht doch allenthalben die Natur an der Unnatur sich zu rächen.

Nirgendwo mag man ernster aufgefordert werden, Betrachtungen über Selbstständigkeit und Freiheit des Menschen anzustellen, als auf dem Sklavenmarkte, dort wo nicht die Vernunft über dem Materiellen, sondern das Geld über der Vernunft steht. Für was Anderes wird denn die Vernunft angesehen, als für etwas grobes Wägbares, wenn man so und so viel Gold oder Silber in die eine und die von Gott verliehene Vernunft in die andere Wagschale legt? Da wird das zerknirschte Herz jubelnd dem Schöpfer danken, daß man frei geboren ist, und daß man nicht, wie das Vieh ohne freien Willen, einem Herrschlinge blinden Gehorsam leisten muß. So lange indeß der Sklavenhandel nicht abgeschafft wird, so lange ist unser jubelnder Dank [S. 177] nicht völlig ungetrübt von Besorgnissen, so lange ist Niemand sicher vor dem traurigen, wiewohl für die große Mehrzahl von Menschen höchst unwahrscheinlichen Schicksale der Knechtschaft. Sowohl Mitleiden, das man für den Nächsten hegen sollte, als der mögliche Fall, daß man selbst in Sklaverei gerathen könnte, fordern so laut die Verstopfung jener unmenschlichen Erwerbsquelle mit einer Festigkeit, daß sie auf immer versiege.

Das Katzenstift.

Wenn man an der schönen Gâma’ (Tempel) el-Muristân vorbeikommt, so lenkt man in eine gewölbte Gasse ein. Im Halbdunkel windet man gleichsam sich fort. Endlich erblickt man ein heiteres Gebäude. Man ist schon im Hofe des Kadi und Mufti, wo die Katzen gefüttert werden. Das Gebäude heißt, meines Wissens, das Muristàn-el-Kadym . Wir waren noch zu frühe, um der Fütterung zusehen zu können; wir mußten el-Asser (etwa viertehalb Stunden nach Mittag) abwarten.

Indeß wir müßig herumstanden, näherte sich uns ein Mann in sehr freundlichem Tone. Weil wir in dem Hofe des Hohenpriesters oder Mufti uns befanden, so meinte er, daß wir unsere christliche Religion abschwören wollen, und er fragte, wer beschnitten zu werden wünsche. Er bot sich [S. 178] an, die Beschneidung für 20 Para zu unternehmen. So verteutschte einer der Franken, wenn diesem anders zu trauen war. Es bedurfte nur eines Jawortes, und wir vier wären sämmtlich, ohne weitern Vorgang, in einer Viertelstunde Moslim geworden. Wie vieles Fragen, Bekennen, Schreiben und Laufen dagegen in Europa, bis man in den Schooß einer andern Kirche treten darf, während doch so viel Zeit aufgeopfert wird, um Andere zu bekehren, welche Zeit der Mohammetaner in der Regel, mit der Pfeife Tabak, auf dem Diwan zubringt.

Wir wollten begreiflich keine Mohammetaner werden. Inzwischen folgten wir der Einladung zum Kadi. Erst traten wir durch den offenen Gerichtssaal, der leer war; dann schritten wir durch die Vorsäle. Ein rother Vorhang vertrat an einem Orte die Thüre. Wir wurden hier durch in den großen Saal geführt, worin sich der Kadi aufhielt. Es gibt nichts Einfacheres, als den Saal. Den weiten Raum schmückt nicht eine einzige Geräthschaft, außer dem Diwan, welcher an den Wänden herumläuft. Daß man keinen Glanz suche. Bloß die Decke des Zimmers war bemalt, doch nicht mit Figuren und ohne Geschmack. Der Kadi hockte auf dem Diwan, in einer Ecke am Fenster, die Pfeife im Munde: ein Mann von etwa vierzig Jahren, mit blassem Angesichte, lieblichem, schwar [S. 179] zem Auge, und schwarzem Bartbusche. Er trug einen dunkelfarbigen Turban und Rock. Kein Buch lag ihm zur Seite. Nur las neben ihm ein Mann für sich ein großes, geschriebenes Blatt.

Wir machten unsere Komplimente, so gut wir konnten. Wir fuhren mit der Rechten auf Brust, Mund und Stirne, und senkten unsere Köpfe, worauf die Mützen fein blieben. Der Kadi lud uns ein, Platz zu nehmen. Wir setzten uns, nach europäischer Art, auf den Diwan. Sogleich wurden wir mit schwarzem, unversüßtem Kaffee bewirthet. Die Diener trugen ihn in kleinen Schalen, welche, von bemaltem Porzellan, in einem goldenen Becher ruhten. Der Kaffee dampfte vor Hitze, wie man ihn in Kairo zu trinken pflegt. Ich befand mich in einiger Verlegenheit, weil ich ihn schnell trinken sollte, und ich mir nicht gerne wehe thun wollte. Trotz meines fleißigen Blasens, als hätte ich verfrorene Hände aufzuwärmen, und trotz meines langsamen Trinkens, so daß ich als der letzte die Schale dem auflauernden Diener zurückgab, brennte ich mich doch ein wenig an der Zunge. Die Gesellschaft fordert allezeit von der Freiheit ein Opfer.

Fragte der Kadi, ob unser Gewissen in Ordnung wäre, ob wir Beruf fühlten, es bei den Mohammetanern gehörig einrichten zu lassen. O nein. Unsere Unterhaltung berührte weltliche Dinge. Er erkundigte sich nach dem Va [S. 180] terland eines Jeglichen von uns. Nachdem wir sodann seine Neugierde und wir mit Herumschauen die unserige befriedigt hatten, wiederholten wir unsere Komplimente und gingen hinweg.

Endlich war Mahlzeit für die Katzen. Ein Knabe rief mit einem eigenen Laute, und plötzlich sammelten sich etwa zwölf Katzen. Er warf ihnen Fleischstücke vor, die sie sogleich verschlangen. Kaum aber lag das Fleisch auf dem Boden, so wurde der Hofhimmel plötzlich lebendig von mehr denn einem Dutzende herumflatternder Raubvögel. Diese erfrechten sich so weit, daß sie das Fleisch zwischen den Katzen wegpickten, und hart an meinem Kopfe vorbeischwirrten. Die Katzen selbst, auf ihre Speisen nicht minder versessen, achteten nicht einmal der fliegenden Räuber. Der Knabe schleuderte einige Male Stücke Fleisch nur ungefähr in die Luft, und sie fielen nicht mehr herunter; denn die Vögel pickten im Fluge sie weg. Es ist nicht ohne Werth, zu beobachten, wie sich auch die Thiere an eine Zeitordnung gewöhnen. Warum sollen denn gewisse Menschen allein so ordnungslos leben?

Eine Frau, unzweifelhaft eine Liebhaberin der Katzen, stiftete, heißt es, ein Vermächtniß zu dem Zwecke, daß Katzen, namentlich auch kranke, gefüttert werden. Somit erklärt sich das Katzenstift. Wahrscheinlich werden die [S. 181] Pfaffen das Vermächtniß so gut verwalten, daß mehr in ihre Magen, als in die Katzenmagen spazirt.

Man trifft auch an andern Orten des Islams, z. B. in Damaskus, Katzenspitäler. „Es ist bräuchlich“, erzählt Salomon Schweigger , „daß die Türken den Katzen und Hunden Almosen geben; denn bei dem Stifte Sultan Mehemet-Jeni in Konstantinopel pflegen sich durchweg um Vesperzeit dreißig oder vierzig elende Katzen zu versammeln, und diesen werfen etliche Türken, die auf demselben Platz vorhanden, etliche Brocken Fleisch oder gebratene Leber vor, die man an kleinen Spießlein herumträgt. Solches wird für ein herrlich Almosen gehalten.“ Es liegt ein eigener Zug in dem Mohammetaner, daß er die Katzen so gütig bepflegt. Es soll daher kommen: Dem Propheten Mohammet warf eine Katze in den Rockärmel Junge. Um diese aber nicht zu beunruhigen, schnitt er den Aermel ab. Daraus schlossen die Mohammetaner, daß ihr Religionsstifter die Katzen verehrte, und darum verehren sie die Katzen bis auf den heutigen Tag.

Gärten.

Einen ziemlich großen Theil der Stadt nehmen Gärten ein [14] . Doch fallen sie wenig auf, und gleichsam ver [S. 182] stecken sie sich, wie die Ochsen darin, welche, phlegmatisch in der gleichen Runde herumtappend, das Wasserrad treiben. Der Europäer geht nicht ohne unangenehme Gefühle in den Garten, worin der General Kleber ermordet wurde. Der von den fränkischen Spaziergängern besuchteste Garten ist der Rosettische . Wenn in den europäischen Gärten die Kunst mehr prangt, mehr Nettheit in der Anordnung, mehr Regelmäßigkeit in der Eintheilung, mehr Fleiß in der Behandlung angetroffen wird, so übertrifft hier die Natur jene weitaus an Pracht und Fülle.

Niemand erwartet einen Roman oder eine Novelle aus einem der Lustgärten, und ich wäre wenig geneigt und, meines Dafürhaltens, nicht berufen, dergleichen zu schreiben. Nur möchte ich den Wunsch äußern, daß ein europäischer Romanschreiber, dessen Kopf einen Bankerott machte, einen Garten von Kairo besuchte. Hier dürfte er einzig seine Augen aufschließen, und dann in seinem Kämmerlein den Bogen füllen, es würde der Roman über manche von Europa den Sieg davon tragen, daß er zugleich die Leserin und den Leser, auf belehrende Weise, in so abweichende Sitten einweihte.

[S. 183]

Die Esbekieh.

Man fühlt sich in den schmalen Gassen, die von hohen Häusern eingemauert sind, manchmal so beengt wie in einer Felsenkluft. Man sehnt sich nach einem geräumigen Platze. Das Auge will unumschränkter sehen, und die Brust freier athmen. Im Freien ist Wonne.

Der berühmte und berüchtigte Platz Esbekieh versöhnt Einen vollkommen. Bei meiner Ankunft in Kairo bot er das Aussehen eines der reizendsten Seen dar. Ich konnte mich beinahe nicht satt an dem Wasserspiegel ergötzen, dessen Rahmen ringsum Häuser vorstellten; weiße neben schwärzlichen malten ihn bunt, hohe neben niedrigen machten ihn vielzackig. Ich wandelte am Ufer hin und her, und fortan ergriff mich die zauberhafte Stelle der Stadt. Ich schwebte in einer Feenwelt. Wo ist eine europäische Stadt, welche dergleichen besitzt? Der Zauber wächst bei dem Gedanken, daß der Grund dieses kurz dauernden Sees, nach der Austrocknung als Spaziergang und Feld benutzt wird. Auf dem gleichen Platze spaltet abwechselnd zu einer Zeit der Schiffskiel das Wasser und zur andern das Feldgeräthe den Wassergrund.

Ich weilte in Kairo gerade zur Zeit, da der Esbekiehsee abnahm und nach und nach fast ganz eintrocknete. [S. 184] Kaum kam der schlammige Boden recht zum Vorschein, als ihn schon das Grün wuchernd überspann, und wenn ich zuerst, die ansehnliche Wasserfläche betrachtend, stutzte, daß darunter in einer andern Jahreszeit die schönsten Feldfrüchte gedeihen sollen, so ward mir nachher klar, da ich mit eigenen Augen sah, wie die nackt hervortretende Erde so bald mit einem grünen Teppiche sich bekleidete.

In Egypten zeigt die Natur, ich möchte sagen, ihre Reize unverhüllt. Im Wesentlichen würde der See nicht gewinnen, wenn der alte Römer seine Kunst und seinen Luxus daran verschwendete; bloß würde so etwas mehr berauschen und dem verwöhnten Geschmacke mehr schmeicheln. Wo aber wäre wohl die Kunst ohne die Natur?

Physiologischer und psychologischer Karakter der Einwohner.

Die Bevölkerung Egyptens ist ein Mischmasch aus Türken und Mamelucken, aus Kopten und Mohren, aus Arabern und Beduinen, aus Juden und Franken und aus andern Fremdlingen. Erstände Adam aus dem Grabe, er würde sich verwundern, daß so viele Enkel von verschiedenen Hautfarben, Religionen und Sprachen im Frieden beisammen wohnen.

[S. 185]

Der Kopte , der wahrscheinliche Abkömmling der alten Egypzier, und noch im Besitze einer eigenthümlichen, wenn auch todten, Sprache, ist nicht groß, aber wohl untersetzt; der Teint weißgelblich; Haupthaare, Augenbraunen und Iris schwarz; das Gesicht voll, kurz, breit; die Stirne breit, nicht hoch; die Augen etwas tief liegend, der Blick mehr brütend, als lebhaft, mehr ernst, als lieblich; die Nase kurz und ausgebogen; der Mund ziemlich weit gespalten und die Lippen dünn; die Zähne senkrecht und schön weiß; der Unterkiefer hervorstehend und stark. Die Koptinnen, so viel ich sah, haben roth gefärbte Fingernägel, und tragen auf der Haut des Kinnes und in der Nähe des Handgelenkes blaue Figuren. Sie treffen, unter uns gesagt, den europäischen Geschmack nicht ganz genau. Man muthmaßt, daß etwa 200,000 Kopten Egypten bewohnen.

Der Araber bildet weitaus die größte Anzahl der Egypzier. Unter diesem letztern Namen sind auch vorzugsweise die Araber begriffen, welche den meisten Boden anbauen. Die Masse der egyptischen Bevölkerung ist daher kein alter eingeborener Volksstamm, sondern ein im Laufe der jüngern Zeit eingewanderter und fremder, der sich selbst als fremde zu betrachten scheint.

Der Araber, in der Regel nicht schön, ist mittelgroß; [S. 186] die Leibesfarbe schwarzbraun oder auch kaffeebraun; das Haar, wenn es nicht wegrasirt wird, klein gelockt (doch nicht wollig) und schwarz; der Schädel nicht geräumig, das Hinterhaupt etwas zugespitzt; die Stirne ziemlich hoch, nicht breit; die Regenbogenhaut schwarz, die Augenlieder meist dick, wie aufgewulstet; die Augenbraunen nicht stark; die Nase kurz, die Flügel weit aus einander gesprengt; der Rücken gerade oder ein wenig konkav, der Rand der Scheidewand etwas aufwärts geneigt; der Mund groß, die Lippen dick und auswärts geworfen; die Zähne ein wenig auswärts stehend, weiß, an einander geschlossen; das Kinn etwas hervorragend, die Kinnbacken stark; das Ohr wulstig; die Linie von der Nase bis zum Kinne lang; der Gesichtswinkel demjenigen der Aethiopen sich nähernd. Das Fleisch ist sehr derbe, der Fettapparat unbedeutend, und die Formen nehmen einen Grad von Niedlichkeit an, welcher bei den europäischen plumpen Gebilden, die noch für Vollkommenheiten gehen, vermißt wird. Also der eigentliche Typus der Araber, welche mit den Weißen unvermischt sind.

Der schwarzbraune Araber hält das Uebergangsglied zu den Mohren. Die Mischung dieses Arabers mit Weißen artet in unzählige Mittelformen aus, welche zuerst den Beobachter verwirren. Des Arabers tiefgelbe Farbe, seine gebogene Nase, seine breite Stirne, sein starker Gesichts [S. 187] winkel u. s. f. zeugen offenbar von der Vermischung und Verwischung der Typen.

Die Weiber werden von den Männern an Schönheit übertroffen, und der häßlichere Theil ist mithin das schöne Geschlecht.

Es gibt Mädchen, die schön genannt zu werden verdienen, allein zu der Lieblichkeit einen eigenthümlichen Schmerz ausdrücken; dieser aber vermehrt nur ihr anziehendes Wesen. Der eigenthümliche Zug, den ich sonst nirgends wahrnahm, liegt in den Mundwinkeln.

Hauptsächlich um die Schönheit zu erhöhen, zeichnen beide Geschlechter, nach alter Sitte, verschiedene blaue Figuren auf die Haut des Vorderarmes und des Handrückens, meist Sterne, z. B. in Zirkelform, manchmal auch im Zikzak laufende Striche, etwa drei an der Zahl. Die Weiber haben überdieß blaue, senkrechte Striche auf dem Kinne, manche — gefärbte Augendeckel. Es gibt Männer, welche auch auf jeder Seite der Brust mit blauen Punkten bezeichnet sind. Alle Zeichnungen auf der Haut erschienen in meinen Augen höchst überflüssig, um nicht zu sagen, sehr häßlich, und niemals konnte ich mich in den sonderbaren Geschmack finden. Das Sprichwort freilich will, daß man über den Geschmack nicht hin- und widerreden dürfe.

[S. 188]

Der Kopf der Männer ist, wie beim Morgenländer überhaupt, bis auf die Haut geschoren. Nur ausnahmsweise tragen gewisse Religiose oder Heilige [15] fliegende Haare auf dem ganzen Kopfe. Die Muselmänner lassen übrigens nicht den ganzen Kopf scheren, sondern auf dem Scheitel eine kleine Scheibe groß Haar wachsen, das manchmal geflochten, bis zum Nacken herabfliegt, und unter der rothen Mütze mitunter hinten hervorguckt. Mit diesem Büschel Haare könnte man genau die Tonsur der römisch-katholischen Priester decken [16] . Ich geißele die Kopfschur als eine abscheuliche Mode, mögen ihre Bequemlichkeit auf dem heißen Erdgürtel immerhin manche Franken aus eigener Erfahrung preisen. Wenn wahr ist, daß das Barbieren unter den Abendländern deswegen aufkam, weil die gütige Natur, die hoch über die Fürsten erhabene, ein [S. 189] mal einem französischen Könige einen Bart zu schenken vergessen hatte, so dürfte man mit eben so viel Recht glauben, daß die Morgenländer ihre Kopfschur einem kahlköpfigen Großen verdanken. Man weiß auch, wie gerne Julius Cäsar seinen Kopf vertauscht hätte, nämlich seinen kahlen an einen haarichten, und wie sehr der große Geist sich abmühte, die ausfallende Kleinigkeit zu ersetzen. Der Bart des Arabers ist schwarz, undicht, und wird nicht lang. Er zerschiert ihn zu den wunderlichsten Dingen. Es lassen die Wenigsten ihn ganz stehen; Andere rasiren bloß einen Halbmond über dem Adamsapfel; die Meisten tragen nur den Schnurrbart und den Bart neben den Ohren und über dem Kinnbacken, den Kinntheil nicht ausgenommen. Dies thut so üble Wirkung, als wenn man einem Hahne den Kragen abschneiden würde.

Die Bewegungen der Araber sind leicht und angenehm, man dürfte beinahe sagen, graziös. Der Mann geht in gerader Stellung und mit Schnelligkeit; ebenso das Weib, welches dabei die gebogenen Arme, mit einer niedlichen Haltung der Finger, ein wenig emporzuheben pflegt. Die antikförmigen Wasserkrüge trägt es sehr leicht und zierlich. Es nimmt keine Lasten auf den Rücken, selten auf die eine Schulter. So darf das Kind ihm wie ein Reiter auf die Achsel sitzen, indem es ein Bein über die [S. 190] Brust, das andere über den Rücken hängen und mit den Händen ihren Kopf umklammern läßt. Von dem Weibe selbst wird das Kleine nicht gefaßt, und ich mußte mich ordentlich wundern, wie sich kleinere Kinder in dieser Stellung gut zu erhalten wußten, während die Tragende davon eilte. Der Kopf ist der eigentliche Träger, und sogar winzige Dinge müssen auf demselben getragen werden. Kauft ein Mädchen in einer Bude für einen Piaster Kaffee, so wird es ihn auf dem Kopfe nach Hause bringen. Es wurde in Alexandrien auf eine Mauer, die man eben aufführte, einmal über das andere so wenig Mörtel und am Orte der Nachgrabungen so wenig Schutt auf dem Kopfe weggetragen, daß fast jede Europäerin sich weigern würde, die Wenigkeit zu tragen. In Kairo wird übrigens so spärlich gebaut, daß man diese Wahrnehmung nicht immer leicht wiederholen könnte. Der Mann schafft die Lasten am liebsten so fort, daß er den Strick über die Stirne anlegt, welcher die Bürde umfängt. Diese liegt am Rücken auf. Er trägt mithin ebenfalls am liebsten auf dem Kopfe, aber zu gleicher Zeit auf dem Rücken. Etwa das Wasser, in ein Ziegenfell aufgefaßt, trägt er über einer Schulter, wie der europäische Jäger seine Waidtasche. Der Lastträger bietet das Eigenthümliche, daß er, außer dem Singen, auch stöhnt. Es ist dieß mit nichten gleichsam das letzte [S. 191] Zeichen der Kraftanstrengung, welches das Mitleiden erregen sollte, sondern der Araber, im Lärmen ein Meister, sucht sich nur durch das Gestöhne das Geschäfte zu erleichtern. Als Lastträger macht sich der Araber eben nicht bemerklich; darin aber thut derselbe es dem Europäer zuvor, daß er leichtere Bewegungen, wie das Gehen oder Laufen, außerordentlich lange ausdauert, ohne daß er Speisen oder Getränke zu sich nehmen muß. Dem Araber sind, wenn ich mich so ausdrücken darf, federleichte Lungen und stählerne Muskelfibern gegeben. Wollte man den arabischen Soldaten nach den nicht selten schlechten Kleidern beurtheilen, man würde zur Einseitigkeit verleitet werden. Zu anhaltenden Märschen, bei kärglicher Nahrung taugt kaum ein Soldat besser, als der arabische. Neben dem Schatten erblickt man immer auch Licht.

Was den psychischen Karakter des Arabers anbelangt, so ist er mohammetanisch finster, und haßt im Grunde seines Herzens den Andersgläubigen. Viele besitzen bemerkenswerthe Geistesfähigkeiten, doch keine ausgezeichnete, wofern man nicht zur Annahme berechtigt ist, daß ein großer Schatz schlummert. Ruhe und Faullenzen geht nicht bloß dem Alexandrinischen- und Deltaaraber, sondern auch andern über Alles. Damit er nicht die Mühe zu denken sich geben müsse, leiert er gedankenlos nach, was seit Jahr [S. 192] hunderten wahrscheinlich schon gesungen war. Er lebt blind in den Tag hinein; blindlings nimmt er Weiber und zeugt Kinder. Wenn ihm die Kunst, durch Ersparnisse eine, wo möglich, sichere Zukunft zu begründen, abgeht, so dürfte man freilich auch anfragen: Wird in einem Lande, wo das Eigenthum vor der Regierung nicht sicher steht, zur Sparsamkeit aufgemuntert? Vielleicht beschleicht den Araber dann und wann der Gedanke, daß er am Ende doch nicht mehr, als Hungers sterben könne. In ihm wohnt eine wahre Diebesseele, aber eine feige. Große Diebstähle begeht er nicht leicht, allein keineswegs aus Gewissensbissen, sondern aus Feigheit oder Trägheit. Am liebsten stiehlt er Eßwaaren; denn, ein Kind des Augenblickes, weiß er, daß dieselben ihm ohne ein Weiteres nützen. Um Anderes als Eßwaaren zu entwenden, wäre schon mehr Ueberlegung erforderlich, z. B. wie man sie an den Mann bringen könnte, um dafür Nahrung zu bekommen. Immerhin schaut man jeden Araber für einen Dieb an, und wenn der Fremde nicht bestohlen werden will, so muß er in Beziehung auf denselben stets auf der Hut sein. Ein ernstes, muthiges, karakterfestes Benehmen hält ihn leicht im Zaum. Im Uebrigen ist er von Natur fröhlich und aufgeräumt; diese Fröhlichkeit und Aufgeräumtheit streift [S. 193] aber mehr an Leichtsinn, selbst an feile, für den Zuschauer ekele Ausgelassenheit.

Ich beobachtete den Beduinen , diesen unsteten Sohn der Wüste, zu wenig ungestört, als daß ich mir erlaube, von ihm ein Karaktergemälde zu entwerfen. Er schreitet oder reitet stolz einher, selten ohne Feuergewehr, Säbel oder Pistolen.

Das Land, wo ein Josef , Moses und Aaron gelebt hatten, zählt immer noch Kinder Israels , aber nicht mehr in jenem Hause der Knechtschaft. Der Mangel an Bekanntschaft mit den Juden Kairo’s nöthigt mich, den Faden eher abzureißen, als mir lieb ist.

Und die Franken in Kairo will ich hie und da, mehr oder minder leise berühren. Bloß mag ich es hier nicht thun; denn da sie überall ihre Besonderheiten, ihr Frankenquartier wollen oder haben, so ist billig, daß ich ihnen auch in diesen Blättern ein Frankenquartier anweise. Einzig die levantischen Christen , welche ich wegen ihres Anzuges zuerst immer für Türken hielt, so wie die Griechen, darf ich, ohne eine große Lücke fühlbar zu machen, mit Stillschweigen übergehen.

[S. 194]

Tracht.

Bei der Tracht der Araber muß diejenige des Mannes von derjenigen des Weibes unterschieden werden.

Der gemeine Araber geht beinahe immer barfuß. Der aufs einfachste gekleidete hat im Sommer und Winter ein grobes, weißes, gegürtetes Hemde an, und eine weiße oder rothe Mütze auf. Andere tragen dieses Hemde und darüber einen grauen, blauen, schwarzen oder weiß und schwarz gestreiften Rock mit weiten Aermeln (Abba). Zu einer zusammengesetztern Kleidung gehören weite Hosen, welche, unmittelbar auf dem Leibe getragen, um den Lenden und unter dem Knie zusammengebunden werden. Diese zusammengesetzte Kleidung ist jedoch nicht echt egyptisch-arabisch. Ueber den Röcken auf dem Rücken trägt der Araber wohl auch ein Thierfell, dessen Pelzseite nach innen gewendet wird. Außer einem Rocke mit weiten Aermeln, hüllt der Araber sich in einen Mantel der nicht umschließt, und der oft über beide, meist aber über die eine oder andere Schulter geworfen wird. Mit diesem Mantel bekommen die Männer ein alttestamentisches Aussehen, und stattlich ging derselbe schon unserm Steuermanne. Die Franken in ihren engen Kleidern erscheinen gegen so gekleidete Araber als närrische Fratzen. Mich belustigte oftmals, [S. 195] wie der Araber den Mantel in so verschiedenen Gestalten umhängen konnte. So wenig ich darin etwas Spaßhaftes oder Spotthaftes fand, so konnte ich mich dennoch der Vergleichung mit dem geschmeidig die Gestalt wechselnden Hute eines Harlekins nicht erwehren. Dieser Mantel oder Ueberrock leistet den Arabern die besten Dienste. Brennt die Sonne, so legen sie sich nieder, und beschatten damit ihr Angesicht; vor dem Regen schützt er nicht minder wohlthätig, und Nachts sinkt das müde Haupt auf dieses unentbehrliche Gewand. Die Kopfbedeckung hält sehr warm. Wer nur die Kosten zu bestreiten vermag, tragt unmittelbar über dem Kopfe eine weiße Mütze, welche sich zum Waschen eignet. Diese wird von einer rothen mit einer blauen Troddel (Fẻs) bedeckt, welche der Turban, eine Auszeichnung des Orientalen, umfängt. Den kleinen Finger schmückt der Araber mit einem Ringe, z. B. von Silber.

Die einfachste Kleidung der Weiber ist ein blaues weites Hemde mit einem Schlitze über der Brust, so daß diese selten vor den Blicken sich verbirgt; dazu noch ein Kopf- und Gesichtstuch. Die zusammengesetztere Kleidung erfordert Hosen, die, um die bloßen Lenden geschürzt, in der Mitte geschlitzt, dabei weit sind und um den Knöcheln enden, wo sie fest gebunden werden. Das Kopftuch ist [S. 196] viereckig und eine Art Schleier. Damit wird der ganze Kopf bis zu den Augenbraunen verhüllt, ohne daß es den übrigen Theil des Gesichtes berührt. Dafür fällt es in zierlichen Falten über Schultern und Rücken, beinahe bis zu den Fersen herunter. Dieser Kopfschleier ist nicht immer blau, am Rande oft buntfarbig gestreift und mit Fransen besetzt. Ein anderes Kleidungsstück, vielleicht das überflüssigste von allen — — das Gesichtstuch oder der Gesichtsschleier. Diesen stellt ein einige Zoll oder die Breite des Gesichts haltender schwarzer Lappen vor, welcher nichts als die Augen frei läßt, abwärts aber das ganze Gesicht verhüllt, ja manchmal, schmäler werdend, bis zu den Füßen reicht. Was der offene Brustschlitz des Hemdes unbedeckt läßt, wird bisweilen mehr oder minder kümmerlich von diesem Gesichtstuche verschleiert. Es wird durch zwei Bänder befestigt: durch eines, welches in der Quere um den Kopf herumläuft, und durch ein anderes, welches zwischen den Augen gerade zum Kopfschleier hinaufsteigt. Das letztere Band wird oft auch durch eine Kette oder Spange vertreten. Hier schlägt eigentlich der Putz seinen Hauptsitz auf. Goldstücke, eines unter dem andern, sind in gerader Linie mitten auf das Gesichtstuch genäht. Diese Goldstücke, oft christliche Münze, Dukaten z. B., besetzen meist die ganze Länge der Gesichtsklei [S. 197] dung. Die Araberin lockt die Aufmerksamkeit des Mannes auf das Gold über dem Gesichtstuche, als wollte sie damit andeuten, daß unter demselben noch mehr Gold glänze. Die Mehrzahl der Weiber trägt keine Schuhe. Mit Ringen schmücken die Araberinnen Finger und Ohren. Auch sah ich zwei Weiber mit einem großen Ringe am rechten Nasenflügel. Es ist ein seltsam Sprichwort: Circulus aureus in naribus ejus mulier pulchra.

Die Jüdinnen tragen sich ganz levantisch. Ich konnte sie von den Türkinnen nicht erkennen. Die Franken sind am launigsten. Viele richten sich nach der Tracht der Morgenländer; Andere halten steif an dem Europäer, wieder Andern beliebt ein profosmäßiges Durcheinander. Wenige lassen den Bart ganz wachsen, wie hauptsächlich die Trümmer des Saint-Simonismus. Klage man noch nicht über die Flatterhaftigkeit des Franken in seiner Kleidungsart. Die Tracht ist ein Spiegel der Seele. Jeden Weg, welcher in diese führt, muß der Beobachter willkommen heißen. Wenn wir gerecht sein wollen, müssen wir im Allgemeinen die Flatterhaftigkeit des Frankengeistes anklagen, der als ein wahrer Proteus erscheint. — Die Griechen verläugnen sich ungleich weniger, als die Franken.

[S. 198]

Speisen und Getränke.

Das Brot macht eine Hauptspeise auch der Araber aus. In Alexandrien findet man recht schön weißes und schmackhaftes (gesäuertes) Brot ( pane Francese ), welches aber vom Araber bloß als Leckerbissen genossen wird. Sein gewöhnliches Brot ist von schlechter Beschaffenheit. Er nimmt zermahlene Gerste oder anderes Mehl, knetet bloß mit Wasser einen Teig in einem großen, dicken Napfe, und bäckt denselben, in Form eines großen, flachen Kuchens, in der heißen Asche. Dieser Kuchen wird für eine Mahlzeit gebacken und meistens warm genossen. Er ist nicht unschmackhaft, doch etwas schwer verdaulich. Besser, als dieses grobe Hausmannsbrot, aber minder fein und weiß als das pane Francese , ist jenes egyptische Brot, welches arabische Weiber, z. B. in Alexandrien, mittelst einer breiten Unterlage auf dem Kopfe in den Gassen herumtragen, und unter Anpreisungen: „Kauf Brot, es ist schön und gut“, feil bieten.

Die eigentliche Hauptnahrung der dürftigern Klasse sind Datteln, Feldbohnen (Fûl) und Mais, letzterer als Sange, indem er ohne Weiteres, wo es angeht, in dem Ofen gesengt (geröstet) und dann abgespeist wird. Als eine häufige Nahrung dienen auch Zwiebeln und Rüben oder Ret [S. 199] tiche. Beide werden frisch genossen. Alpinus nennt vor allen Speisen saure Milch und das gekochte Zuckerrohr.

Wenn man delikater essen will, so greift man nach Gallerte (Sulze), viereckigen oder runden, fetten Kuchen, auch nach kleinen Stücken fetten Fleisches, die, mit Petersilie durchwürzt, über dem Feuer geröstet werden u. dgl. Hühner werden viel gegessen [17] . Die Würste sind von schlechtem Geschmacke, die Zuckerbrote dagegen vortrefflich. Von Pillau (in kochendem Wasser erweichter und dann mit Butter gewürzter Reis) hörte ich, wo nicht selten, doch nicht häufig. Der inländische Reis enthält zugleich viel beigemischtes Salz, entweder des Gewichtes, oder der bessern Erhaltung willen. Man muß ihn daher, vor dem Kochen, [S. 200] fleißig schwemmen, und wäscht man das ausgeschwemmte Salz, so nimmt dieses eine sehr schöne weiße Farbe an, und eignet sich vortrefflich zum Gebrauche. Das käufliche Salz ist von schmutzig gelber Farbe und unrein. Die Milch ist gut; die Abendländer aber behaupten, daß sie zu fett für sie sei. Häufig wird Milch genossen, nachdem sie künstlich gesäuert, und zum Schlottern gebracht worden. Die Butter schmeckt gut; man darf nur das Salz auswaschen, ehe man sie genießt. Wie bei uns der Maibutter, so wird in Egypten der Christmonat- oder Jennerbutter der Vorzug eingeräumt. Der Käse mürbe, schmackhaft, aber übersalzen.

Der Araber ißt im Ganzen wenig und frugal, sagten die Alten, und diese Frugalität hat sich bis auf heute erhalten. Das Rauchen bleibt immer seine Hauptsache. Gebietet er über die volle Pfeife, so gibt er sich zufrieden, wenn er vor dem Einschlafen nur wenige Rettiche zu zerbeißen hat. Die meisten Speisen werden kalt genossen, ohne Löffel und Gabel. Die gelenkigen Finger müssen diese ungelenken Werkzeuge vertreten. Man darf die Einfachheit tadeln; aber man muß dann zugleich die vielfältigen Bedürfnisse und ihre strenge Herrschaft loben. Wenn irgend eine Regel sich aufstellen ließe, so speist der Araber bei [S. 201] Sonnenaufgang, bei Sonnenhöhe und nach Sonnenuntergang.

Unter den Getränken steht das schlammige Nilwasser oben an. Es wird aus dem Nile geschöpft, und in Menge getrunken, ohne vorher gereinigt zu werden. Es war zur Zeit meines Aufenthaltes, nämlich zur Ueberschwemmungszeit, im Glase gelblichweiß. Filtrirt man es, was bei den Großen geschieht, so wird es lauter und farblos. Es gibt in vielen Häusern Krüge (Bardâka), welche, von einer besondern Erde gebildet, die Eigenthümlichkeit besitzen, daß sie das Wasser langsam durchsickern lassen. Dadurch wird es kühl und angenehm. Das Nilwasser wird aus dem Flusse auf dem Rücken der Kameele in die zahlreichen Zisternen Kairo’s geschafft, und aus diesen können es die Einwohner unentgeltlich holen [18] .

[S. 202]

Man wähne übrigens nicht, daß die Araber sich des berauschenden Getränkes gänzlich enthalten. Ein solches heißt Bỏsa oder Busa , eine Art Bier, das aus Getreide gegohren wird. Es ist von Farbe weißgrau und schäumt wie Bier, wenn man es rasch rüttelt. Mit dem Bỏsa berauschen sich Viele. Salomo Schweigger sagt vom „Bỏsa“, daß es ein gedörrtes, mit Wasser angerührtes Griesmehl sei, und von Türken, wie Egypziern getrunken werde. Nach Prosper Alpinus ward „Bỏsa“ aus Lülchmehl ( farina loliacea ), aus Hanfsamen und Wasser zu einem Getränke oder zu einem Teige bereitet, und es soll in einem gleichen oder noch höhern Grade als Hanfkraut (Assis) einen Zustand der Berauschung, der Entzückung und süßer Träumereien herbeiführen. Zum feierlichen Konstantinopler-Umzuge vom Jahre 1582 gehören die Bosatschi , so einen graulichen Trank von Brei wie ein Bier machen; den Laden zogen zwei Ochsen, worin ein Knabe den Brei oder Hirsen rieb, der andere das Bỏsa oder den Trank bereitete. Gleichermaßen wird nach Tavernier das „Bỏsa“ mit Hirsen zubereitet und macht, sagt er, einen Rausch wie der Wein. Allein nach Burckhardt ist Durra der Lieferungsstoff zum Busa.

Wein oder Branntewein trinkt der gemeine Araber nicht oder selten, wohl aber der vornehmere Mohammetaner, [S. 203] am liebsten geheim. Ich sah einen solchen in einer fränkischen Wirthschaft, in welcher beinahe nur Franken einkehren, so gewandt den Spiritus trinken, daß ich mich bewogen fand, mich über den Mann zu erkundigen, und ich vernahm, daß er regelmäßig zuspreche. Es verdient Erwähnung, daß mir auf der Fahrt von Alexandrien nach Kairo nichts gestohlen wurde, als eine halbe Flasche Rhum, mein ganzer Rest. Ich sah zwar während derselben keinen Barkenknecht nach dem geistigen Getränke langen, oder sich damit berauschen, welche Enthaltsamkeit den Europäer angenehm überraschte; selbst als man mir einen kranken Barkenknecht vorstellte, und ich ihn Rhum trinken hieß, so geberdete er sich ziemlich unwillig, und schluckte möglichst in Duodez. Indessen konnte die Lüsternheit im Verborgenen nicht gefehlt haben. Ueberall wird der Damm, welcher der Trunkenheit wehren sollte, eingerissen. Sollte man es nicht dem Schöpfer klagen, daß er den Menschen Vernunft gab, weil sie, nur vermöge dieser himmlischen Gabe, so viel Mittel erdenken können, um dieselbe in ihrer Thätigkeit zu verirren oder zu hemmen?

Von einem echt morgenländischen, und wenn auch nicht unter den Fellah, doch unter der wohlhabendern Klasse sehr häufigen Getränke will ich so eben besonders reden.

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Kaffeehäuser.

Es gibt sehr viel Kaffeehäuser. Ich besuchte dasjenige, welches nach fränkischer Weise eingerichtet war. Im Vorübergehen konnte ich wohl die egyptischen sehen. Sie liefern aber, ihrer Einfachheit willen, wenig Stoff zum Beschreiben. Sähe man nicht einen Kochofen und die rauchende Kaffeeschale, so würde man das Kaffeehaus verkennen; man müßte vielmehr glauben, daß die Leute nur deßwegen den einsamen Diwan belagern, um Tabak zu rauchen. Allerdings ist in einem Kaffeehause das Tabakrauchen nicht das Geringste, und der Egypzier läßt sich nicht minder gern mit Pfeife und Tabak bedienen, als mit Kaffee. Die Morgenländer genießen den Kaffee ohne Milch und ohne Zucker. Die Franken heißen einen solchen Kaffee türkischen ( alla Turca ).

Der Genuß des Kaffees ist in einem großen Theile der Welt gleichsam zum Bedürfnisse geworden, und tausend Napoleone wären wahrscheinlich nicht im Stande, ihn vom Erdballe zu verbannen. Und doch haben unsere alten Vorväter vor nicht einmal anderthalb Jahrhunderten ohne den Kaffee gelebt.

Es macht ungemein viel Spaß, wenn man über den Kaffee, als ein den Abendländern unbekanntes Getränke, [S. 205] in den Beschreibungen derjenigen lieset, welche Egypten und Konstantinopel gegen Ende des sechszehnten und zu Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts besucht haben.

Ich führe zuerst Salomo Schweigger , welcher im Jahr 1581 in Egypten war, redend ein: Ein anderes Trank wird Chaube genannt, welches man in den Tabernen ausschenkt, ist schwarzbraun von Farbe. Das gebrauchen Etliche des Morgens. Da versammeln sich viel Türken (des Egyptenlandes) vor der Taberna, lassen ihrer etliche in einer Kumpanei ihnen eine Schale oder ein irdenes Schüsselein voll nach dem andern hergeben. Das trinken sie nach einander fein höflich aus, so heiß, als sie es mögen erleiden. Gleichwie das deutsche gemeine Volk den Branntewein oder Wermuthsgeist des Morgens trinkt, also soll jenes auch den Magen zu erwärmen dienstlich sein.

Prosper Alpinus , welcher im nämlichen Jahre, gleich auf Schweigger , nach Egypten kam, gibt eine genaue Beschreibung von dem Absude ( decoctum ) Chaova . Sehr häufig im Gebrauche, sagt er, ist der Absud Chaova , welchen man aus gewissen schwarzen, den Bohnen ähnlichen Samen zu bereiten pflegt. Er wird übrigens auch aus den Samendecken bereitet, und im letzteren Falle zeigt er sich kräftiger. Die Bereitungsart ist folgende: Man nimmt anderthalb Pfund von den Hüllen befreite Samen, röstet [S. 206] diese ein wenig über dem Feuer und siedet sie in zwanzig Pfund Wasser, während Andere von den gerösteten und in kleine Stücke zerbröckelten Samen einen Aufguß machen und solche einen Tag lang am Wasser stehen lassen, diejenigen aber, welche die Samen ohne Aufguß behandeln, die Hälfte Wasser einkochen. Die durchgeseihte Abkochung dient in wohl verschlossenen irdenen Gefäßen zum Gebrauche. Werden die Samendecken abgekocht, so nimmt man davon sechs bis neun Unzen auf zwanzig Pfund Wasser, wovon die Hälfte eingekocht wird. Der Same heißt bon , und den Baum, welcher ihn trägt, sah ich in dem Garten eines türkischen Bei, wohin er aus Arabien verpflanzt war. Die Egypzier sind dem Chaova nicht minder leidenschaftlich ergeben, als die Franken in ihren Kneipen dem Weine.

In der „Hoffhaltung des Türckhischen Keysers,“ worin ein im Jahr 1582 zu Konstantinopel gehaltener feierlicher Umzug beschrieben wird, heißt es: „Die Caahuetschi , so einen schwarzen, warmen Trank verkaufen, welcher zu Verdauung der Speisen, Verhinderung des Schlafes und der Traurigkeit dienen soll, mit rothen und weißen Fahnen, darinnen etliche Buchstaben. Zwei und dreißig haben Verehrung getragen; der andern, Knaben, jungen Leute und Meister, sind in die zweihundert gewesen.“

Johann Jakob Ammann , welcher im Jahr 1612 [S. 207] in Konstantinopel weilte, läßt sich dahin vernehmen: „Auch haben die Türken noch andere Wirthshäuser, darinnen die Wirthe nichts Anders geben, als schwarz Wasser zu trinken, von ihnen Gahwe und von Arabern Lorbeeren genannt, welches mehrentheils von Gerste und andern Sachen gemacht wird. Sie kochen ganze Kessel voll, pflegen es den Gästen in kleinen irdenen oder porzellanenen Schüsseln siedheiß zu geben. Solches trinken die Türken, wie auch die Araber, so warm sie immer können, jederzeit ein Schlücklein auf einmal, bis es aus ist. Welches gar ein gemeiner Brauch bei ihnen, dieses Wasser zu trinken, bei Tage, wie auch Morgens und Abends. Etwa bei fünfzig mehr und minder sitzen da und dort beisammen; währet oft lang mit Trinken, Reden und Konversiren; wird aber Keiner von dem gedachten Wasser betrunken. Sie vermeinen, es trockne die Flüsse auf, und sei gar ein gesundes Wasser.“

Ich vergesse des Adam Wenner nicht, welcher im Jahr 1616 nach Konstantinopel gereiset ist. „Die Kafuannen,“ sagt er, „sind Häuser, in welchen schwarz Wasser gesotten und von Türken und Andern täglich warm getrunken wird, so dem Magen und sonst sehr dienlich. Sie sitzen gemeiniglich einen halben Tag dabei, spielen im Schach und Bret (darinnen sie trefflich erfahren), aber um kein aufgesetzt Geld, sondern wer für den Andern die Zeche [S. 208] zahlt. Eben an solchen Orten finden sich auch Personen, welche unterdessen von ihrer Kaiser und anderer Vorfahren Thaten, auch Historien öffentlich lesen, und hernach deßwegen von den umsitzenden Zuhörern etwas Geld bekommen.“

Wie mühsam mußte man ehemals thun, um sich den Abendländern verständlich zu machen, daß von Kaffee die Rede sei. Dieser Fremdling war damals ein selten Ding in der großen Schatzkammer der Gelehrten, und jetzt kennt ihn jedwedes Kind. Haben Rauwolf und Schweigger , Alpinus und Ammann , Wenner und Andere geahnt, daß das schwarze Wasser einst eine Weltherrschaft ausüben, und die besorglichen Aerzte des Abendlandes dasselbe beklagen werden? Die Götter allein entziffern die Zukunft.

Schneller Justizgang.

In Egypten wird gerichtet und sogleich vollzogen. Das hat wohl sein Gutes, aber auch sein Schlimmes. Durch den langsamen Gang der Justiz windet sich am Ende mancher Schuldige hinweg, und im kurzen Gange wird mancher Unschuldige erdrückt.

Ein Deutscher geht mit einer Flinte auf die Jagd. Auf dem Wege bleibt er in einer Nilbarke über Nacht. Er legt seine Flinte neben sich. Morgen ist sie nicht mehr. [S. 209] Er wendet sich an die Polizei; der Barkenführer (el-Reis) mit ihm. Der Polizeidirektor läßt auf den Vortrag des Franken, ohne weitere Umstände, dem Barkenführer hundert und zwanzig Hiebe auf die Fußsohlen messen, weil er nicht besser für das Eigenthum des Reisenden gesorgt habe, und es kaum möglich sei, daß ohne sein Einverständniß hätte etwas gestohlen werden können. Zugleich muß der Reis für den Schaden einstehen.

Das ist ein Beispiel von dem schnellen egyptischen Justizgange; der Fall ereignete sich eben während meines Aufenthaltes in Kairo.

Die Sache von geringem Belange richtet und exequirt der Franke selbst. Hochmüthig treibt er sich ordentlich in Kairo mit der Peitsche herum, und traktirt damit den Araber, sobald dieser ihm nicht den Weg räumt. Lebt in Egypten nicht noch die alte flotte Zeit der deutschen Studenten, welche eben so hoch über die obskuren Philister trabten? Andere Male regalirt der Franke mit Stockschlägen, mit Ohrfeigen oder Fußstreichen. Kaum wehrt sich der Araber dagegen; viel weniger würde er Gleiches mit Gleichem vergelten. Wie müssen die Leute gesunken sein, welche, der Zahl nach, die Herrscher des Landes sein könnten, und sich von Fremden, ich will nicht sagen, von Andersgläubi [S. 210] gen, auf eine Weise mißhandeln lassen, wie man in Europa nicht überall die Thiere behandelt.

Der egyptische Tanz.

Man machte früher viel Aufhebens von den Bajaderen. Man bekommt sie heutzutage minder oft zu sehen. Gleichsam ein Spiel des Zufalles rief mich auf den Schauplatz des so seltsamen Tanzes.

Ein arabisches, züchtig gekleidetes Mädchen oder, wenn ich der Versicherung trauen darf, gar ein Soldatenweib stellte sich in die Mitte des Zimmers. Es wollte seinen Gesichtsschleier nicht lüften, denn ein häßlicher Mund versäuerte das sonst süßliche Gesicht. Nirgends zeigt man dasjenige gerne, was eine vortheilhafte Meinung trüben könnte. Die Hände stemmte die Tänzerin auf die Flanken des Leibes. Nun bestand der Tanz darin, daß das Mädchen die Hüften rasch in die mannigfachsten Bewegungen setzte, während der Körper, so viel als möglich, steif gehalten wurde. Dieß nahm ein ganz sonderbares Aussehen an, und ich mußte die eigenthümliche Art, das Becken zu bewegen, in der That bewundern. Der Schein meiner Bilder blieb weit hinter der Wirklichkeit zurück. Diese [S. 211] Bewegungen kosteten gewiß Mühe und Anstrengung [19] , letztere augenscheinlich in dem Maße, daß den tiefbraunen Grund des Gesichtes ein dunkles Blau überflog. Mit den Füßen machte das Mädchen wenig Bewegungen, nicht einmal viel trippelte es, und nicht das Kreisende zeichnet den egyptischen Tanz aus. Die Bajaderen singen wohl auch; unsere ließ sich selten hören. Ein ältliches Weib pauckte mit ausgelassenen Geberden und schmetterndem Sange einen Tambour zum Tanze.

Nachdem die junge Bajadere ihre Rolle geendet, wollte auch die ältere Matrone eine übernehmen. Sie schürzte den Rock ein wenig auf, und gürtete ihn also um den Leib. Wie wahnsinnig trieb sie den Schooß nach allen Richtungen. Das Alter schützt vor Thorheit nicht. Jetzt bedurfte ich nicht des Mehrern, um mich von dem Unanständigen des Tanzes vollkommen zu überzeugen.

Noch unanständiger erscheint der Tanz beim Manne. Er schürzt ebenso den Rock auf, und rüttelt auf gleiche [S. 212] Weise das Becken. Derjenige Tänzer, welcher seine Fantasien auf unserer Nilfahrt zum Beßten gab, führte auch ein Stöckchen in der Faust, und Männer an der Reihe klatschten mit den Händen den Takt.

Wenn der Fremde diesem Beckentanze zuerst zuschaut, so kann er Anfangs wohl das Lachen nicht verhalten. Nachher gewinnt er Zeit, seine moralischen Betrachtungen anzustellen.

Ich möchte den egyptischen Tanz nicht verlassen, ohne einer Merkwürdigkeit aus dem Jahre 1582 zu gedenken.

An dem mehrerwähnten großen Prachtzug, zu Ehren des neubeschnittenen kaiserlichen Prinzen Mehemet , schloß sich der Dulumtschi-Pascha oder der Hauptmann der Fünfhundert mit den geschmierten Ziegenhäuten. Er entblößte sich oberhalb des Gürtels, entkleidete sich bis aufs Hemde, geberdete sich seltsam mit Kopf und Augen, Händen und Füßen. Hierauf zog er das Hemde über den Kopf, machte in dünnen leinenen Hosen seltsame Sprünge, tanzte, zog den Bauch bald ein, bald trieb er ihn hervor, warf die Hüften hin und her, daß es schändlich und abscheulich zu sehen war. Allein die Türken fanden daran Wohlgefallen, lachten des Tänzers und lobten ihn. Es wäre freilich voreilig, von dieser Einzelnheit auf den sittlichen Karakter [S. 213] überhaupt zu schließen. Große Volksfeste haben jederzeit einzelne Ausbrüche von Rohheit in ihrem Gefolge.

Der Brautzug.

Voran lärmen Tambour und Pauken. Hier Männer, dort Knaben, hier ein Halbblinder, dort ein Zerlumpter schlagen darauf los: Alle in Unordnung, in ungleicher Reihe, in ungleichem Schritte, ohne Ernst, herumgaffend, und die Knebel oder Stäbchen scheinen ohne Takt auf die Felle zu fallen, wie die Regentropfen auf die Erde. Im Reiche der Töne Mangel an Takt, wie an den Gebäuden Mangel an Ebenmaß. Daß dem Egypzier etwas gefalle, muß es ein Spiel der Einbildung sein, das kaum Schranken kennt. Jetzt kommen hübsch geputzte Knaben in besserer Reihe, in geschlossener Ordnung. Sie tragen schönfarbige Krüge von antiker Form. Daraus sprengen sie wohlriechende Flüssigkeiten; so das Rosenwasser, welches, wie frische Rosen im Garten, den süßen Geruch düftet. Die Weiber mit ihren Lappen über das Gesicht, diese Masken schreiten zierlicher daher, je zwei neben einander, eines mehr wie das andere bestrebt, damit hochlaut aus ihrer Kehle das Freudengeschrei erschalle, welches dem Froschgequak am Nile oder dem Laute ähnlich ist, wenn bei uns [S. 214] die Kinder, die Stimme erhebend, mit dem Finger über die etwas hervorgestreckten Lippen auf- und abwärts klimpern. Je näher dem Traghimmel, desto schmuckreicher die Weiber; ihr Gesichtsschleier prangt von größern und kleinern Goldstücken, und sie heben ihre Arme aus den weiten, faltigen Seidengewändern, gleich dem Priester, welcher das Volk benedeit. Einen runden Wedel, auf dessen einer Seite die Eitelkeit ein Spiegelchen anbrachte, hält ein Weib in der Hand. Es bietet alle seine Rührigkeit auf, damit die Braut zu befächeln. Andere Weiber spritzen wohlriechende Flüssigkeiten. Männer mit kleinen Stäben gebieten und schaffen zur Seite links und rechts Ordnung. In der Mitte zwei schön gekleideter Weiber, unter dem von vier Männern getragenen blutrothen Baldachin erblickst du die Braut . Der Europäer möchte gern ihre Schönheit bewundern. Vergeblich; sie ist in einem rothen Schleier so ganz und gar verhüllt. Den Kopf kleidet fürstlich ein kronartiger Aufsatz. Um die Stirne und das Gesicht drängt sich ein Goldstück an das andere, ein Edelstein an den andern; die Braut legt mit morgenländischer Ueppigkeit hier Alles zur Schau, was sie nur Glänzendes auftreiben konnte. Geblendet von den ausgehängten Kostbarkeiten, wünscht man beinahe nicht weiter zu schauen, obschon das Geheimnißvolle die Neugierde stachelt; denn man fürchtet, bei [S. 215] gelichtetem Schleier, mit getäuschter Phantasie das Auge wegwenden zu müssen. Hinter dem Baldachine schalmeien sie in das Getümmel der Pauken und Tambour. Langsam schreitet der Zug, aber immer noch rasch für das neugierige Auge, um das Mannigfaltige aufzufassen.

Wenn der Zug mehr oder weniger pompös ist, so gibt es noch manche Zugaben und Anderes mangelt.

Einmal gerieth der Brautzug ins Gedränge in einer ziemlich schmalen Gasse; denn es kam ein langer Zug Kameele, deren Ladung am Bauche wie ein Kobold hin- und herpurzelte, und durch ihre Gespenstergröße die Gasse buchstäblich mehr als halb füllte. Ich befand mich eben am Baldachine, und die kleine Braut rückte mir nahe. Nur ihre Nase prägte sich unter dem anliegenden, rothen Schleier aus. Die Sonne lauerte fortwährend hinter dem rosigen Gewölke. Auf der Stelle ward die Bedrängte von dienstbaren Geistern umringt, und ein Schwarm von Fingern flog auf den Kopf, seinen Putz zu halten, nicht anders, als führe man eine Glasfigur herum, die man an dieser gefährlichen Stelle mit allen Händen beschirmen müsse, auf daß sie ja nicht breche.

An der äußerst reich ausgeschmückten Mohammetanerin fiel mir ein goldenes Kreuz auf, welches von der Stirne herunter hing. Dieser Theil des Kopfputzes war wahr [S. 216] scheinlich ursprünglich im Besitze der Christen. Putzliebe überwiegt nicht selten sogar religiösen Skrupel. Die Mohammetanerin fragt wenig nach der Form, wenn nur Glanz, nur Gold, nur Flitter. Sie versteht die mit Brüchen rechnende Engherzigkeit mancher Protestantinnen nicht, welche, Gott weiß, wie tief sie in die Finsterniß des Papstthums plötzlich gerathen würden, wenn sich einmal ein Kreuz auf ihre Stirne verirrte.

Wo der Brautzug aufhörte, und wie die weiteren Festlichkeiten waren, dessen war ich nicht Zeuge, und das ist der Grund, warum ich nicht davon rede.

Der Leichenzug.

Knaben mit fröhlichen Mienen gehen voran in Reihe und schlagen Liedeslärm. Ihnen folgen blinde Männer, Hand in Hand, mit vereintem Gesang, ohne Sinn für einen geregelten Zug. Drei Männer tragen hier einen vierkantigen, dort einen mit einer Firste versehenen fünfkantigen, so flüchtig verfertigten, breternen Sarg, daß der Blick in die Fugen unschwer sich stiehlt. Von ihm erhebt sich ein Turban, auf dem Sarge das Kreuz des Mohammetaners. Liegt ein Mann in den Bretern, so werden sie mit einem rothen Tuche umwunden, beim Weibe — drängt sich dessen [S. 217] Kopfschmuck darum. Hinter dem Sarge selten ein Mann, aber Weiber, verwandte und bekannte, voll bitterer Klagen über den Verlust. Die Hände und das Gesicht dieser Klageweiber sind, zum Zeichen der Trauer, blau gefärbt. Am Nile das Trauerblau, bei uns das Trauerschwarz, anderwärts das Trauerweiß, — was ist denn die Trauerfarbe? Ein hellblaues Tuch, um in der Schilderung fortzufahren, umflattert über dem gewöhnlichen Schleier den Kopf, — und ein blaues Tuch, an den Zipfeln mit beiden Händen fassend, schleudern die Klagefrauen mit gellendem Schrei gegen den Sarg, als wollten sie dem Sensentrager die Beute abringen. Nur die weiblichen Verwandten tragen die blaue Trauerfarbe, kein einziges Trauerzeichen die Uebrigen.

Ach, der Todte bleibt todt, todtenbleich und todtenstarr, mögen ihm die Einen leise nachweinen oder laut nachschluchzen, die Andern gellend nachschreien.

In Alexandrien hörte ich von einem Hause herab zuerst den unvergeßlich gellenden Lärm; ich wußte nicht, ob von einigen verrückten oder im Zanke begriffenen Weibern. Ich stand wie verdutzt da, als man mir die Erscheinung dahin aufklärte, daß darin eine Person gestorben wäre, und daß, zur Bezeugung der Trauer, so lange in demselben Hause geschrieen, bis sie daraus getragen wurde. Es wäre manch [S. 218] mal an einem Trauerfalle so genug, daß man diesen nicht überlaut verkündigen oder amplifiziren dürfte.

Der Straßensänger.

Da steht ein Jüngling, der mit der einen Hand das Ohr zuhält, mit der andern dann und wann hinter den schwarzbraunen Nacken fährt. Er scheint Galls Tonorgan nachfühlen zu wollen. Er trägt eine Mütze und eine Jacke, weiter aber keinen Faden am Leibe. Das ist ein Sänger in einer der Hauptstädte des osmanischen Reichs.

Die Stimme klang nicht unangenehm; aber wenig Wechsel in der Singweise, zum Unglücke verstand ich kein Wort. Ich zweifle nicht, daß Alles artig und poetisch gewesen sei; denn es hatte ja sich in dem Sänger selbst der Ausbund von Poesie personifizirt. Was ich gut verstand und mich zum herzlichen Lachen rührte, war das Gekrähe eines jungen Hahns, das Gebell eines Schoßhündchens und das Gefauche einer Katze, welche anmuthigen Töne der Virtuose nach jeder Strophe vortrefflich nachahmte. Die Nachahmung der Thiere ist freilich mehr ergötzlich, als des Menschen würdig.

Der Europäer meinte in Egypten, er lebe in einer ganz andern Welt, wenn ihn nur zur rechten Zeit und [S. 219] zur Unzeit, mit Erlaubniß zu sagen, die Flöhe und die Wanzen nicht stächen, wenn nur die Sonne viereckig und der Mond hornlos, das Feuer kalt und das Wasser trocken wären, wenn nur, worauf es eben jetzt ankommt, nach einer andern Melodie die Hähne krähten, die Hunde bellten, die Katzen fauchten; aber sogar die egyptischen Menschen kennt der Europäer auf dem Resonanzboden Europas, wenn sie schwatzen, wie die egyptischen Hähne, Hunde und Katzen. Dagegen liefert Europa manchmal Konterfeie seiner selbst, welche dem Urbilde gleichen wie John Bull einem Känguruh.

Der Versteigerer.

Um etwas dem Meistbietenden zu überlassen, sind in Europa erst lange Berathungen, Edikte, Zeitungen, Lizitazionskommissarien nöthig. Niemand versteht besser, auf krummem Wege das Ziel zu verfolgen, als der Abendländer.

Ein Araber ging in die Frankengasse, in der Hand ein Hausgeräthe, womit er die Schaulust möglichst reizte, und rief den Preis desselben mit lauter Stimme aus. Er hört aus einer Bude ein Gebot; er wiederholt es; aus einer andern Bude vernimmt er ein höheres Gebot; er wieder [S. 220] holt auch dieses. Hin- und herrennend, als hätten ihn die Bremsen angebohrt, wiederholt er die Gebote, bald in arabischer, bald in italienischer Sprache. Sobald die Gebote nicht höher steigen, und das höchste dem Versteigerer anständig ist, so überläßt derselbe den Gegenstand dem Meistbietenden. Hier befindet sich der Araber in der That auf dem rechten Flecke, wo es ihm denn trefflich zu Statten kommen mag, daß er so gerne lärmt und schreit.

Der Barbier.

Es ist ein kurios Ding um den Bart, daß er am Antlitze des Mannes zur Schererei entsprossen sein soll.

Die bessern Barbierstuben Kairos sind prächtig ausgestattet. An die Wände lehnen sich unbewegliche Reihen schnörkelhafter Sitze von hartem Holze, wie in einem Kirchenchore.

Da zwängt man Einem den Kopf über die Brust, um die Schwarte nackt zu scheren; dort wird die Lippe straff angestreckt, um die Mundwinkel auszuputzen, dort der Kopf rücklings umgebogen, über dem Adamsapfel einen Streifen wegzubarbieren. Wenn in einer Stube Mehrere barbiert werden, so machen die Köpfe so verschiedene Richtungen, als wären sie aufs allergutmüthigste illuminirt. [S. 221] In den Barbierstuben wird man nicht in hockender Stellung rasirt, wohl aber auf den Gassen. Der Barbier schneidet die Stoppeln völlig auf der Haut, schier wie ätzend, und er versteht in Summa seine Kunst meisterhaft. Leicht handhabt er das scharfe Messer, es bald auf- bald abwärts, bald seitwärts führend über fast alle Theile des Kopfes. Jeder mag sich im runden Spiegel, welcher, in einen schmucken Rahmen gefaßt, von dem Barbier mit Selbstzufriedenheit unfehlbar dargeboten wird, selbst überzeugen, ob ich in guten Treuen schilderte.

Der Lagerstellenmacher.

Die Lagerstellen der Egypzier haben etwas eigenthümliches, da sie gleich einem Käfiche zusammengestäbelt sind. Lagerstellenmacher, wie hier, dürften in Europa schwerlich gefunden werden. Die Noth schuf im Nilthale die Eigenthümlichkeit; es gebricht an größerm Holze, welches den Hobel zuläßt.

Der Lagerstellenmacher besitzt keine Bude; er begnügt sich, in dem Winkel einer Gasse oder sonst wo zu hocken. Ein Schneide- und ein Hohlmesser sind seine Werkzeuge. Mit ersterm schnitzelt er die Holzstäbchen etwas zurecht, und gibt ihnen die gehörige Länge; mit letzterm schlägt er Oeffnungen, dadurch die rundlichen Stäbchen zu ziehen.

[S. 222]

Kein Pinsel beleidigt je diese Lagerstellen. Sie tragen den Schweren, wie den Leichten, den Müden wie den Muntern, den Schlafenden wie den Wachenden; dem Sünder aber nehmen sie die Last seines Herzens ebenso wenig ab, auf daß ihn eher der sanfte Schlaf erquicke, als die europäischen köstlichen und bequemen Bettstellen solch ein Wunder zu bewirken vermögen.

Der Glaser.

Als ich die Einsetzung von Scheiben verlangte, kamen zwei Menschen, ein gesetzter Mann und ein Jüngling von etwa sechszehn Jahren. Der Kontrakt in Betreff der Scheiben war bereits geschlossen. Wer sich eine Bedeutung geben will, muß doch die Kleinigkeiten umständlich behandeln.

Der Glaser ließ sich auf den Boden nieder; der Gehülfe ihm gegenüber. Sorgfältig schlug jener die hölzernen Nägel aus den Fensterrahmen. Er arbeitete langsam, aber sicher; so war sein Augenmaß. Statt eines Diamants bediente er sich eines Bröckchens Granit. Wenn dieser nicht tief genug schnitt, so führte er ihn auch über die Rückseite des Glases. Dann ballte er die rechte Hand, nahm die Scheibe zwischen den Zeigefinger und den auslangenden [S. 223] Daumen, und drückte solchergestalt mit Behutsamkeit abwärts, um das Glas über den Riß abzubrechen. Dieß gelang ihm freilich nicht, daß er eine schöne, ebene Linie bekam, doch brach er auch nicht fehl.

Ich glaube, der beste europäische Glasermeister würde mit einem solchen Hülfsmittel kaum besser das Glas gebrochen haben. Es ist immer eine Kunst, mit Wenigem gehörig auszureichen.

Der Schuhmacher.

Ohne eine lederne oder tüchene Schürze, ohne pechschwarze Hände sitzt der Schuhmacher auf einem niedrigen Stuhle vor einem runden, ebenfalls niedrigen Tische, welcher der Querabschnitt eines Baumstammes und auf drei breite Füße gestützt ist. Die Schuhleisten weichen von den europäischen kaum ab, wenn nicht darin, daß sie, ohne den Moden unterworfen zu sein, alle spitz sind. Wie oft wird der europäische Schuhmacher durch die Modesucht Anderer geplagt, und wie ruhig kann deßhalb der egyptische schlafen. Der Flattersinn der Modenjournalisten erzeugt fürwahr eine Menge Qualen.

Mit einem Stücke Messing, welches die Form eines Mörserpistills, nur eine breitere Birne zum Schlagen hat und kürzer ist, werden Leder und Nähte geklopft. Flink [S. 224] schneidet dasselbe mit einem leichten Schroteisen der Schuster, der überhaupt mit einer großen Fertigkeit arbeitet. Der Mohammetaner näht nicht mit Schweinborsten, weil nach seiner Ansicht Alles, was vom Schweine kommt, unrein macht. Den gelben und grobkörnigen Stoff oder den Kleister, womit ein Lederstück auf das andere gekleibt wird, erkannte ich nicht. Die egyptischen Schuhe sind dem Klima angemessen: leicht, halten sie wenig warm, werden aber bald durchnäßt.

Der Töpferwaarenflicker.

In einem Lande, wo man mit schönen Porzellangefäßen so viel Aufwand treibt, ist es oft keine Kleinigkeit, wenn etwa eines bricht. Porzellan kommt hoch zu stehen, und so wird leicht erhellen, daß man sich Mühe gibt, die Bruchstücke zu einem Ganzen zu vereinigen.

In Europa fehlt es nicht an gutem Kitte für Töpferwaaren; doch hält selten einer längere Zeit, und in die Bauernhäuser fand er den Weg noch nicht. Sehr pfuschermäßig werden bei uns die Bruchstücke mit einem Drahte auf die Weise zusammengeheftet, daß er, nachdem er an beiden Enden sich berührt, gezwirnet, und an das Gefäß gedrückt wird.

[S. 225]

Was ist denn das für eine Bude? fragte ich mich, als ich darin einen Haufen gemalter Scherben, davon die meisten von Porzellan, erblickte. Ein Mann hockte an der einen Wand, und bog den rechten Fuß auf den linken Schenkel. Er legte eine Scherbe auf die große Zehe, an der Stelle, wo er bohren wollte. Ohne jene mit einer Hand zu fixiren, setzte er den Bohrer an. Diesen brachte er mit einer Art Geigenbogen in Bewegung. Nämlich die Schnur des letztern umschlang den Bohrer einmal, ungefähr in der Mitte, und indem der Arbeiter den Bogen hin- und herbewegte, drehte sich der Bohrer bald rechts, bald links um die Achse. Das Loch ließ der gewandte Handwerker nicht durchdringen. Nachdem zu den Seiten des Bruches ein Loch neben dem andern angebracht war, wurde der klammerförmige Draht, indem er quer über den Bruch sich zog, unter sanften Schlägen eingehämmert. Die Bruch- und Bohrstelle bestrich der Tausendkünstler mit einem Kitte, welchen er sogleich bereitete. Er knetete bloß Eierklar und Gips ohne Feuer zu einem Teige. Ich darf nicht erst beifügen, daß die Hefte beinahe niedlich aussahen, und an der innern Seite des Gefässes nahm man sie nicht einmal wahr, eben weil die Bohröffnungen nicht durchdrangen. Die fleißige Arbeit verfehlt den Beifall [S. 226] nicht, und schiene sie selbst ihrer Geringfügigkeit willen keinen Fleiß zu verdienen.

Die Missionarien.

Das protestantische Frommthum und Frommthun bewacht Kairo mit nicht weniger denn drei Missionarien, und zwar mit lauter Teutschen: Kruse , Lieder und Müller . Ich erblickte in diesem Missionariate weniger minder, als protestantischen Luxus. Die vielen Bemühungen, bisweilen nicht ohne übertriebenen Eifer, werden äußerst selten mit einer Bekehrung belohnt. Auch darf das Christenthum nicht durch die Zahl seiner Bekenner nach einem arithmetischen Scheinwerthe gelüsten, sondern es soll durch seinen innern Reinwerth glänzen.

Den in Kairo angekommenen und niedergelassenen Fremden aus dem Abendlande, mögen die Missionarien nicht überflüssig erscheinen. Wenn der Ankömmling nicht gerne in das Gewühl der fränkischen Kumpanei sich wagt, so kann er sicher sein, bei diesen Männern gute Gesellschaft zu finden. Er leite das Gespräche nur anfänglich so, daß sie ihn nicht mit überfrommen Dingen bestürmen. Nirgends stieße man sonst auf größeren Kontrast. Dießseits die Jesusherzeleien, jenseits die unfläthigste und unzüchtigste [S. 227] Zunge und zwischen zwei Enden — — Einsamkeit und Langeweile, wofern man nicht glücklich genug ist, in der Mitte derselben Gleichgesinnten sich anschließen zu können. Mit Lehren und Predigen, Briefeschreiben und Diskuriren verbringen die Missionarien ihre meiste Zeit. Manchem Abendländer helfen sie auch wohlthätig aus der Noth. Der Sonderbarkeit muß ich gedenken, daß das Auditorium der Prediger eben auszusterben im Begriffe war, und daß bloß noch zwei Katholiken , doch mehr aus Liebe zur deutschen Sprache, den protestantischen Predigern zuhörten. Lieder macht auch den Arzt nach den Grundsätzen der Homöopathie. Müller langweilte mich durch seine mystische Deutelei des Hahnemannianismus außerordentlich, und ich überzeugte mich aufs Neue, daß die Homöopathie der Mystizismus der Medizin ist.

Daß die neuen Apostel nicht bloß lehren und predigen, schreiben und diskuriren, liegt in der Natur des Menschen. Ein wohlbestellter Tisch wird nicht etwa nur angeschaut, und Kruse ritt einen ebenso schönen, als prächtig gesattelten Esel. Es ist ein Zeichen unserer Zeit, daß man hie und da die Demuth, gleich einem Kruzifix, in Gold einfaßt.

[S. 228]

Die Renegaten.

Frankreich schuf die neue Lehre des St. Simonismus. Die Anhänger desselben, in ihrem Vaterlande von allen Seiten beunruhigt, ausgelacht, verspottet, gehaßt, verminderten sich dadurch, daß ein Theil den Wanderstab ergriff. Der Pabst Enfantin und Andere zogen nach Egypten.

Man zeigte mir in Kairo öfter Saint-Simonisten. Sie zeichneten sich vor den übrigen Franken durch einen langen Bart aus. Sie führten ein ziemlich gesondertes Leben. Auch eine St. Simonistin sah ich, und billig machte ich meine Glossen. Enfantin scheint entweder wenig gekannt, oder beinahe vergessen zu sein. Wenn ich auch nach ihm mich erkundigte, so wollte man doch in der Regel nichts von ihm wissen. Nach den Einen lebe er, von dem Geräusche der Städte entfernt, in der Einsamkeit; nach einem Andern habe er das Zeitliche gesegnet [20] .

Egypten gibt allen Glaubensbekennern Zuflucht, ohne daß es jedoch mit der eigentlichen Toleranz, Humanität und Liebe den Andersgläubigen begegnet. So werden von den Abendländern die Juden geduldet.

In der neuern Zeit zogen die St. Simonisten deßwe [S. 229] gen das Gerede auf sich, weil einer um den andern zum Mohammetanismus hinübertrat, ob aus Ueberzeugung oder aus Habgierde, oder aus Rache gegen die Christen, weiß derjenige, welcher die Nieren der Menschen prüft. Es gibt indessen hin und wieder auch andere Franken, welche ihren Glauben verläugnen. Ich habe, um mich selbst anzuklagen, mit meiner Toleranz es noch nicht so weit gebracht, daß nicht unangenehme Gefühle sich meiner bemächtigten, wenn ich einen Renegaten erblickte. Im Falle wirklich reine Ueberzeugung als Triebfeder zur Renegazion wirkte, so lasse ich mir diese gefallen. Wie schwer hält es aber, daran zu glauben , wenn man lediglich erwägt, daß die Renegaten die Religion der Zivilisirten unsers Erdballs verlassen, um sich zu derjenigen der Halbbarbaren zu bekennen.

Ich kannte einen Renegaten, welcher in Verachtungswürdigkeit seinesgleichen sucht. Durch die Abschwörung seines Glaubens hoffte er steif und fest auf Beförderung. Er sprach von nichts lieber, als von einem zu erhaltenden Orden, z. B. wie er die beste Wirkung für das Auge thun werde. Er wählte sich ein Weib. Die Hochzeit verschlang seine Barschaft. Er wünschte ein hübsches Mädchen. Er bekam, im Sinne der Egypzier, eine Vettel. Er verstieß sie. Wenn die Sperlingseele würdig wäre, [S. 230] dem großen Cäsar verglichen zu werden, so träfen ihn die Worte, deren Curio für diesen Römer sich bediente, daß er der Mann aller Weiber und das Weib aller Männer sei ( omnium mulierum virum et omnium virorum mulierem ). Mehr darf man nicht sagen, um den niedrigen sittlichen Standpunkt anzugeben. Und das ist ein Renegat , ein gewesener Christ und ein nunmehriger Mohammetaner. Soll die Religion dienen, zu irdischem Wohlleben und Glanze emporzuhelfen, so würdiget man sie mit ruchlosem Herzen zur Magd roher Sinnlichkeit herab.

Müsterchen von Europäern in Egypten, oder ein Porträt über Kairo aus Europa.

Zu den pikanteren Dingen, nach meinem Geschmacke, rechne ich den Lebenslauf der nach Kairo zerstobenen Europäer. Weil diese Stadt so weit von Europa abliegt, so müssen Neigungen und Verumständungen seltener Art die große Reise veranlassen.

Die Europäer in Kairo verdienen im Ganzen den Ruf der Lockerheit. Gut essen und trinken, reiten und müßig gehen u. dgl. treten als Hauptzüge in ihrem Leben hervor. Das Schuldenmachen ist das Allerunschuldigste, und das Nichtbezahlen der Schulden etwas Gewöhnliches. Daß [S. 231] auch Personen höhern Ranges in Schulden stecken, ist freilich nichts Bezeichnendes für die egyptischen Franken, und, dem guten Tone der Europäer zu lieb, möchte ich es ja nicht tadeln. Ich kannte einen General, welcher einem armen Schlucker an 100 Piaster schuldete. Dieser begab sich oft zu ihm, die Anforderung zu erledigen. Es hieß immer morgen . Und warum: Morgen? Weil der Sold schon ein Jahr lang beim Pascha ausstehe. Uebrigens bewegt sich dieser General auf einem sehr glänzenden Fuße; viel Gesinde, Pferd und Kameel, Strauß und Fasan und dgl. reden von seiner Herrlichkeit. Solchen Aufwand zieht er dem Abtragen der Schulden und der Erleichterung eines geldbedürftigen Mannes vor. Ein Angestellter, welcher bei einem monatlichen Einkommen von 500 Piaster (an 200 Gulden R. W.) demselben ehrlichen Schlucker schuldig war, überschwemmte sich lieber die Nacht hindurch in der rauschenden Gesellschaft des theuren Bacchus, lieber bezahlte er Andern die Zeche, lieber hielt er einen eigenen Esel, lieber bereitete er sich andere Lustbarkeiten und Bequemlichkeiten, als daß er seinen Gläubiger zufrieden stellte. Ich hüte mich wohl, den großen Ton lächerlich zu machen, aus Besorgniß, daß man mich des kleinen Tones zeihe.

Wer frisch in Kairo ankommt, und gerne Geld aushängt, der rechne zuversichtlich auf Freundschaft, aber, mit [S. 232] Erlaubniß zu sagen, auf eine Zungen-, keine Herzensfreundschaft. Der schwärzeste Undank folgt meistens der Gabe oder dem beßtgemeinten Darlehen.

Manche Europäer langen in Kairo an, ohne daß sie etwas mitschleppen, als das Kleid am Leibe; denn auf alsbaldige Anstellung und damit auf Eröffnung der Goldgruben zählen sie so sicher, als der gläubige Christ auf das Erbe des Himmels. Wenn sie dann nicht geradezu betteln oder, nach ihrer vornehmen Redensweise, Geld entlehnen, so schenkt ihnen noch ein Gastwirth Kredit. Wunderbar sind die Künste der Berechnung. Bei aller Armuth aber sind sie, in ihrer verbindlichen Stellung gegen den Wirth, genöthigt, wohl zu leben, z. B. Wein zu trinken. So natürlich; je mehr der Wirth aufschreibt, desto mehr gewinnt er; denn an irgend einer Anstellung zweifelt Niemand. Aus einem Militär erstümpert man exempelsweise einen Zeichenlehrer für die medizinische Schule. Der Wirth spielt mit den neuangekommenen und geldentblößten Abendländern Lotterie, welche ihm jedenfalls Vortheil bringt, muß er auch hin und wieder eine Niete ausbezahlen.

Daß Stümper, Weltlinge, am meisten noch Glücksritter, manche Verschuldete, selbst auch Verbrecher eine große Zahl der Franken in Kairo bilden, leidet wohl keinen Zweifel. In dem Kaffeehause, wo Spanier, Franzosen, [S. 233] Engländer, Deutsche, Polen, Italiener und Griechen bunt durch einander gemengt waren, konnte ich mich oft der wunderlichsten Gedanken nicht erwehren: links saß vielleicht ein Betrüger, rechts ein Dieb, vor mir ein Todtschläger. Ich will nun eine biographische Skizze der Mittheilung nicht vorenthalten, ohne daß ich jede Einzelnheit verbürgen möchte.

Undank für treue Liebe.

Ein junger Mann gewann ein Mädchen lieb. Er war Katholik und sie Protestantin. In seiner heimatlichen Gegend warf die Eingehung einer gemischten Ehe ungemein viel Staub auf. Um die Schwierigkeiten auf dem richtigsten Wege zu beseitigen, unternahm er eine Reise nach Rom. Hier erlangte er von der Kurie die Erlaubniß zu einer paritätischen Ehe. Auf der Heimreise hielt er sich eine Zeit lang in Triest auf, wo er, als Mechaniker, das Auskommen zu seiner gänzlichen Zufriedenheit fand. Er schrieb seiner Geliebten, daß ihm die Heirathsbewilligung ertheilt worden sei, und daß auch sie die weitern Schritte thun solle, wodann er ohne Verzug zurücktreffen werde. Die Eltern indeß, schon lange dem katholischen Freier ungünstig, wußten während der Abwesenheit des Liebhabers überwie [S. 234] genden Einfluß bei der Tochter geltend zu machen. Kurz, sie knüpfte eine andere Bekanntschaft an.

Wem auch schon ruhige Augenblicke vergönnt waren, das Seelenleben nach seinen Ursachen und Wirkungen zu durchschauen, findet in der Liebe eine mächtige Triebfeder zu vielen eigenthümlichen und außerordentlichen Unternehmungen. Tief ergriff die Nachricht von der Untreue des Mädchens den Geliebten, welcher ein so großes Opfer, wie die Reise nach dem entfernten Sitze des römisch-katholischen Oberhauptes, nicht scheute. Es verdüsterte sich sein Gemüth in dem Grade, daß er Europens überdrüssig wurde. Er reisete nach Jerusalem, und von dort nach Kairo. In der Hauptstadt Egyptens suchte und erhielt er als musikalischer Instrumentenmacher eine Anstellung bei der Regierung, obschon er von der Musik so viel als nichts verstand, mithin auch die Instrumente nicht stimmen konnte. Musikanten von seiner Bekanntschaft halfen ihm aus der Klemme. Mittlerweile vervollkommnete er sich in der Kunst, bis er durch Ohrenbläsereien und durch geheime Untergrabungen von seiner Stelle verdrängt wurde. Später eröffnete er eine Bude, worin er arabische Bibeln [21] , andere Bücher und auch an [S. 235] dere Dinge feil bot. Hart prüften langwierige Ruhr und andere Mißgeschicke sein Leben.

Unter österreichischer Protekzion.

In Ermangelung eines schweizerischen Konsulates mußte ich mich in ein fremdes fügen. Ich hatte Ursache, das österreichische zu wählen. Als ich in Wien die Arzneiwissenschaft studirte, wurde mir von Seite der Hochschule zu viel Gutes zu Theil, um Oesterreich undankbar vergessen zu können; als ich im Jahr 1834, zum Theile in schriftstellerischer Absicht, eine Reise nach Wien unternahm, ward mir so viel Unterstützung gewährt, wie ich sie kaum erwarten durfte. Zudem war es Anfangs schon nicht ganz unwahrscheinlich, daß ich über Oesterreich zurückreisen werde, in welchem Falle, dachte ich, am zweckmäßigsten der Reisepaß mit den Visa der österreichischen Konsuln versehen wäre.

In Kairo bedarf man, strenge genommen, keiner Aufenthaltsbewilligung. Die egyptische Polizei bekümmert sich in der Regel um die Franken wenig oder gar nicht. Einen [S. 236] Tag nach meiner Ankunft stellte ich mich bei dem österreichischen Konsul, Herrn Champion , und drückte ihm meinen Wunsch für österreichischen Schutz aus. Er nahm auf eine verbindliche Art den Paß in Verwahrung, und damit war Alles in Ordnung. Der Aufnahme von Seite des Herrn Champion sowohl als des österreichischen Generalkonsuls in Alexandrien, eines eifrigen Freundes der schönen Künste und des Besitzers einer ansehnlichen Gemäldesammlung, zolle ich meine wärmste Anerkennung. Ich fand an beiden Männern ebenso gut unterrichtete als gefällige Rathgeber. Vielleicht würde man es missen, wenn ich mit Stillschweigen überginge, daß mein Paß auch an der letzten Stelle „gratis“ visirt wurde, weil es nicht überall der Fall ist.

Ehemals herrschte die nicht selten lästige Sitte, daß die Reisenden von den Konsuln zu Mahlzeiten eingeladen wurden. Es scheint sich dieselbe zu verlieren.

Meine Wohnung.

Am Tage meiner Ankunft suchte mich ein Schweizer auf, weil er vernahm, daß ein Landsmann angelangt sei. Die Ferne nähert die Gemüther. Wiewohl ich mich außerordentlich freute, einem Schweizer in so großer Entfernung die [S. 237] Hand zu schütteln, so wollte ich dennoch mit einiger Vorsicht mich einlassen. Denn die Schilderung der in Kairo sich aufhaltenden Franken, die mir zu Gesichte kam, machte mich bei Anknüpfung freundschaftlicher Bande eher furchtsam. Ich erfuhr aus guter Quelle, daß der Schweizer ein wackerer Mann sei, und da ich dieß bei jeder Gelegenheit selbst bestätigen konnte, so nahm ich keinen Anstand mehr, mit ihm in freundschaftliche Verhältnisse zu treten. Er ist aus dem schweizerischen Kanton Thurgau gebürtig, und sein Name Karl Baumgartner : gewiß einer der edelsinnigsten Franken, die in Kairo leben, ein Mann, dessen Andenken mir immer theuer bleibt [22] .

Baumgartner hatte ein halbes Haus in Miethe, und bei ihm lebte ich in Aftermiethe. Daß ich auch hier auf zerbrochene Scheiben stieß, dessen verwundere man sich nicht. In keiner größern Stadt sah ich so wenig auf die Glasscheiben verwendet, als in Kairo. Blind vor Staub ist die Menge, man läßt sich die Mühe zum Waschen reuen, und zerbrochene Scheiben oder Scheibenlücken verunzieren selbst manches bessere Haus. Die zerbrochenen Schei [S. 238] ben mochte ich aber auch hier nicht leiden. Wir ließen den Glaser rufen.

Ich wohnte im Frankenquartiere (Hârah el-Musky). Wo? kann ich hier so wenig genau angeben, als ich es vor dem Konsul konnte. Die Franken sagen, bei wem sie wohnen, oder nennen auch einen Hauptplatz, ein Thor u. s. f. Mein Zimmer war so hoch, wie eine Kapelle, und man hätte nur einen Altar bauen dürfen, um in einer wirklichen Kapelle zu wohnen. Eine Fledermaus, welche Nachts herum flog, erfreute sich eines so großen Spielraums, daß sie, hin- und herflatternd, nie nöthig fand, an meinen Kopf zu streifen.

Meine Nahrung und Getränke.

Aus dem gebirgigen und kaltwinterigen Lande Europas in das niedrige und heiße Land der Afrikaner versetzt, nahm ich mir vor, Alles pünktlich zu meiden, was meine Gesundheit beleidigen könnte. Der Magen würde schwerlich unter dem Haupte liegen, wenn er Herr im Leibe sein müßte. Vorzüglich hütete ich mich vor dem Gemüse, vor grünen Früchten, als: Bananen, Granatäpfeln, Datteln, Melonen, so gerne sie mich verführt hätten. Sogar gekochtes Gemüse schlug ich aus. Dadurch war ich an den [S. 239] Tischen freilich nicht wenig geplagt. Man wartet hier mit Fleisch und immer wieder mit Fleisch auf; viel Fleisch aber bekam mir nicht gut. Zudem genießt es der Franke mehrentheils geröstet oder gebraten, daß es leicht Durst verursacht, dem man beinahe um jeden Preis vorbauen soll .

Neben leichtem Fleisch aß ich Reis, mit besonderer Vorliebe Milchreis ( riso con latte e zucchero ), und nicht selten genoß ich Kartoffeln. Die Fische kostete ich nickt einmal, weil sie Niemand für gesund hält. Des Morgens erquickte ich mich am Milchkaffee, oder ich begnügte mich auch nur mit Milch und Brot. Es trieb in der Frühe ein Araber Ziegen vor die Hausthüre. Wenn ich ein Schnalzen mit der Zunge hörte, so waltete kein Zweifel, daß der Melker angelangt war. Vor meinen Augen molk er mit der geballten Hand, indeß er mit der andern Hand das Gefäß vorhielt. Ich konnte mich überzeugen, daß ich unverfälschte Milch bekomme. Noch warm getrunken schmeckte sie mir köstlich, und ich spürte davon nicht im mindesten nachtheilige Wirkungen. Ich füge dem Gesagten bei, daß die Milch der egyptischen Ziegen mit ihren Schafsohren, angenehmer und milder schmeckt, als diejenige der Schweizerziege.

Mein Hauptgetränke war Nilwasser. Ich trank [S. 240] es meistentheils so, wie es aus dem Flusse kam, bisweilen jedoch mit einem geringen Zusatze von Rhum. Ich wußte recht gut, daß viele Arten von Unreinigkeiten in den Nil fallen. Ich schöpfte mit der Hand aus dem Nil in den durstigen Mund, während Stroh herumschwamm. Was hätte hier zögern und prüfen gefrommt? Durst quälte mich, und mir stand nur ein einziges Wasser zu Gebote. Darum überließ ich das Grübeln Andern, und trank mit Herzenslust. Das Nilwasser ist leicht und schmeckt vortrefflich. Von jeher wurde dessen seiner gesunden Eigenschaft wegen mit Lob gedacht. Es soll selbst auf den Tisch des Sultans in Konstantinopel gesetzt werden. Man will beobachtet haben, daß der Nilschwamm, welcher mit dem Wasser häufig getrunken wird, auf der Haut Knötchen ( boutons ) erzeuge. Davon nahm ich an mir nichts wahr, ohne daß ich diese Beobachtung in Abrede stellen möchte. Alpinus sagt geradezu, daß sich gewöhnlich alle Ankömmlinge in Kairo eine Diarrhöe zuziehen.

In den fränkischen Wirthshäusern, will sagen, sowohl in dem Gasthause ( locanda ), als in den Speisehäusern ( trattoria ), wird viel Wein ausgeschenkt. Ich vermied ihn sorgfältig. Mich wunderte, daß die Franken nach diesem schlechten Getränke, wie es in Kairo beschaffen ist, so begierig haschen, wenn sie auch vor der Schuldenlast [S. 241] nicht wissen, was sie anfangen sollen. Es schlenderten so häßlich berauschte Franken auf der Gasse herum, daß ich mich für sie, des fränkischen Namens willen, schämte. Willkommen war mir dagegen das fränkische Kaffeehaus eines Griechen, wo ich keinen Tag fehlte, um Kaffee zu trinken, dessen man sich unter diesem heißen Himmel nicht enthalten darf. Ich trank ihn meist alla Franca , d. h. mit Zucker, seltener alla Turca , und in letzterem Falle, wie Andere, mit dem Satze, was mir wenig Mühe kostete. Bisweilen genoß ich die köstlich bereitete Orgeade oder eine Limonade.

Nachlese. Bei diesem Anlasse will ich mit wenig Worten meines regiminellen Verhaltens erwähnen. Mehr als die Morgen- und Abendkühle floh ich die Mittagshitze, welche, meines Bedünkens, am schädlichsten wirkt. Der Abendkühle könnte ich nichts Nachtheiliges nachreden. Sie war während meiner Anwesenheit in Kairo nicht vorhanden, sondern es herrschte vielmehr des Abends bis zehn Uhr eine gemäßigte Temperatur, die nicht angenehmer hätte sein können. Wenn ich des Abends, bei der lieblichen Witterung des Wintermonats, im windoffenen Kaffeehause saß, konnte ich das herrliche Klima nicht genug preisen. Außer der Mittagshitze, klage ich allerdings noch die Morgenkühle an. Der Zureisende bringt, gleich den wohlhabenden Einwohnern, die frühen Morgen am besten im Bette [S. 242] zu. Immerhin suchte ich den Unterleib warm zu pflegen, und das Duften der Haut, wenn es einmal begonnen, zu unterhalten. Es sollte Niemanden schwer fallen, eines so großen Gutes willen, wie die Gesundheit ist, in gewissen Schranken zu leben.

Umgebung von Kairo.

Bereits besuchte ich außerhalb der Stadt die Grabmale der Großen (Turâb Kâyd-Bei). Die Umgegend verdient, daß man sich weiter umsehe. Rückerinnerungen an erstere erweckte der Anblick der Todtenstadt el-Seydeh Omm Kâsim .

Reitet man von Altkairo gegen die Burg, so tönt es oft hohl unter den Hufen des Thieres; es scheinen die Geister der grauen Vorwelt zu klagen; man kommt über Schutt, über sandichte Schutthügel, welchen die vielen rothen Ziegelscherben ein scheckiges Ansehen verleihen; es ist Wüste; das Auge erholt sich nicht an einem einzigen grünen Gräschen.

Das Turâb (Todtenstadt) el-Seydeh Omm Kâsim liegt südlich unter der schroffen Wand des Mokatam, gleich am Fuße des Schlosses. An Umfang gibt dasselbe einer kleinen Stadt nicht nach. Selbst das Bauwerk stellt sich ansehn [S. 243] lich heraus, und mit dessen Kosten hätten mehrere hundert egyptische Dörfer gebaut werden können. Auf diesem Leichenfelde verirrt man sich staunend mit dem Auge in den Wald von kleinen Moscheen und Minarets. Manches Prachtwerk aber zerfällt in einen Wirrwarr öder Steine. Immerhin bleibt es eine Seltsamkeit, daß die Mohammetaner den Todten mehr Ehre erweisen, als den Lebendigen.

Wie sich allerwärts bei den Muselmännern der Unterschied zwischen den Großen und den Geringern durch das Aeußere laut ankündigt, daß z. B. der Große sein Weib einsperrt, während der Geringe das seine frei herumgehen, selbst bei einem Christen den Hausdienst versehen läßt, so besonders zeichnen sich der Großen Denkmäler, diese feierlichen Grabesdome, aus. Was ist das Grab und Grabmal des Geringen? Wenige Fuß tief wird Erde aufgeworfen, die Leiche hineingelegt, und darüber ein kleines Gewölbe flüchtig gemauert; obenher bringt man einen, aus Stein gehauenen, auf einer dünnen Unterlage ruhenden Turban an, welchen ich deßwegen so nenne, weil ich weiß, daß er einen vorstellen muß , und an der entgegengesetzten Seite erhebt sich etwa ein plumper Halbmond mit seinen stumpfen Hörnern. Wenige Jahre halten die zusammengepfuschten Steine aus, und sie verlieren ihren Zusammenhang, als wären sie bloß zusammengedacht gewesen, wer [S. 244] den jetzt aber dem Grabmaurer als Baustoff erst wieder nützlich. Das ist das Grab und Grabmal eines muselmännischen Geringen. Selbst auf dem stummen Leichenacker, möchte man ausrufen, herrscht unter den Mohammetanern der schreiende Despotismus der Großen; allein im Innern der Gräber bebt derselbe beschämt vor der Wahrheit zurück: Der Staub aller Todten ist gleich.

Die Nekropolis steht an Pracht und Aufwand weit hinter dem Gottesacker Kâyd-Bei zurück.

Auf den Grabstätten erzeigen sich diejenigen Moslims, welche dem Christen den Eintritt in ihre Kirchen verweigern oder erschweren, sehr tolerant. Ungehindert ritt ich in Kairo auf einem Esel kreuz und quer über die Gräber. — Die größten Todtenfelder liegen außer dem Umkreise der Stadt [23] .

Die Wasserleitung.

Schon auf der Burg empfahl sich meiner besondern Aufmerksamkeit eine auf vielen Pfeilern ruhende, lange, stei [S. 245] nerne Brücke, die Wasserleitung, und ich war sehr begierig, in der Nähe sie zu besehen. Will man nach Altkairo sich begeben, so ist es ihrer Bögen einer, unter welchem der Weg durchführt. Der Wasserthurm (el-Migreh), als das Haupt des Aquädukts, steht rechts am Rande des Nils. Man kann auf ihn in einer unbedeckten Bahn reiten. Eben traf ich einige Weiber, welche die Brustwehre mauerten; ihr Mörtel war Viehmist, welchen sie mit heitern Mienen und zierlich mit ihren kleinen Fingern herumdrückten. Die Hände der Schönen waren Mörtelkellen, um welche diese Egypzierinnen von den Schönen Europas wahrscheinlich nicht wenig beneidet werden. Oben kirren sechs Räder, von zwölf Ochsen getrieben, um das Wasser aus der Tiefe zu schöpfen. Dasselbe wird in ein Becken ausgeleert, das in den Kanal ausmündet. Der liefert das Wasser in die Burg. Eine weite Strecke erhebt er sich hoch über die Erde. Erst in der Todtenstadt el-Seydeh Omm Kâsim greift er in das Erdreich. Die Rinne selbst mißt etwa zwei Fuß in der Breite und Tiefe. Der Nilschlamm, welcher sich aus dem Wasser niederschlägt, wird mit Sorgfalt herausgeschafft. Ich ging ein Stück weit neben der Rinne bis an einen Ort, wo die Wasserleitung ausgebessert wurde.

Nahe an dem Wasserthurme fängt der ungemauerte Nilkanal an. Dieser wird jährlich zu seiner Zeit mit einem [S. 246] Damme querüber gesperrt, dessen Durchschneidung dann die Anwohner mit großem Jubel feiern. Allahu akbar (Gott ist groß); Gott läßt keinem Volke des Elendes so viel werden, daß er nicht dann und wann in dasselbe eine Rose der Freude streute.

Altkairo und das armenische Kloster.

Altkairo oder ehemals Fostât , dann Maser el-A’tykah der Araber ist eine besondere, mit Mauern und Thoren verwahrte, nicht unbedeutende Stadt im Süden und eine halbe Stunde von Großkairo, hart am Nil. Es gewährt ein einförmiges, schwarzgraues Aussehen. Die Häuser sind hoch und von Thürmen weit überragt; die Gassen enge und belebt, letzteres wenigstens diejenigen am Hafen.

Altkairo wurde im 20. Jahre der Heschira gegründet und 564. in Brand gesteckt.

Weil ich noch nie in einer armenischen Kirche war, so hatte ich kein geringes Verlangen, das Kloster der Armenier zu sehen. Ich weiß nicht, mit welchem Rechte man den Namen Kloster gebraucht, da ich eben keine klösterliche Einrichtung fand, wenigstens keine Mönche antraf. Die Kirche stellte einen Saal mit weiß überkalkten Wänden vor, [S. 247] ohne Glocke, ohne Beichtstuhl, ohne Stühle oder Bänke, ohne Seitenaltar. Der Choraltar vergegenwärtigte mir die römisch-katholische Kirche. Als der Führer in die Kirche trat, fuhr er mit der Hand öfter vom Herzen zum Munde, nachdem er sie in einem kleinen Becken benetzt hatte, das an der Mauer sich befand. Ich machte keine Zeremonie, so wenig als ein Muselmann sich in Zeremonien eingelassen hätte, und der Führer glotzte mich sehr seltsam an. Meinerseits konnte ich mich damit nicht befreunden, daß er als Christ im Wesentlichen wie der Mohammetaner gekleidet war. Vom armenischen Kloster wird nördlich Altkairo geschlossen.

Das griechische Kloster und der Altar der heiligen Frau im koptischen Kloster.

Das griechische und koptische Kloster liegen nicht im Umfange von Altkairo, sondern in einiger, wiewohl sehr geringer Entfernung davon, nämlich in Kaser-el-Schàma , und sie bilden mit den um sie gedrängten Häusern ein eigenes Städtchen. Noch nirgends sah ich die Häuser so nahe beisammen, gleichsam auf einander geschoben wie hier. Der Sonnenstrahl kann an den wenigsten Orten die Gasse erreichen. Mir kam es vor, als sei ich [S. 248] von hohen, unförmlichen Felsenriffen umlagert, als wären die ersten Einwohner in der Verwirrung hieher geflüchtet, und als hätten sie sich in der gleichen Verwirrung ihre Gebäude aufgeführt.

Als ich in das griechische Kloster des seligen Georgius kam, wollte ich gleich wieder umkehren; denn es zeugte hier das wenigste von einem Kloster. Wie in der Verborgenheit fand sich auf dem anderobersten Stockwerke die griechische Kirche, die ich nur flüchtig anschaute. Mehr sprach mich einen Stock weiter unten eine Säulenhalle an. Ich entscheide nicht, ob ich mich glücklich preisen soll, daß ich keines griechischen Priesters ansichtig werden konnte [24] .

Nicht weit vom griechischen Kloster liegt, an einer sehr schmalen Gasse, das koptische zum seligen Sergius . Ich war schon ein Stockwerk hoch und kehrte wieder um, weil sich mir nichts Klösterliches darbieten wollte. Mein [S. 249] Geruchsorgan hatte sich an den Weihrauch und an das Kellerichte feuchter Mauern, denen man in den Klöstern der Lateiner begegnet, so sehr gewöhnt, daß ich an kein Kloster glaubte, wenn jene fehlen. Doch alsbald trat ein alter, langbärtiger Mann mit einem Turban daher; er hielt in seiner Hand einen großen, hölzernen Schlüssel, mit dem er rüttelnd das Schloß öffnete. Ich war in hohem Maße gespannt, die koptische Kirche zu sehen. Was ich von ihr sagen muß — — sie ist nicht schön, und im Zerfalle begriffen; vor dem Altare erhob sich etwas Pultartiges wie bei den Griechen; am Altare selbst nahm ich das Christusbild nicht wahr. Mehrere Bilder, z. B. eines, welches die Jesum auf dem Schooße haltende Maria vorstellte, waren um den Altar auf eine zu überladene Weise gehängt, sogar wenn sie keine Stümpereien gewesen wären. Ist es wohl dem heiligen Zwecke gemäß, daß ehrfurchtsvolle Erinnerungen durch stümperhafte Bilder beleidigt werden? Nur blinder Fanatismus, verbunden mit krasser Unwissenheit auf dem Gebiete der Kunst, kann an geweihter Stätte Fratzen leiden.

Zwei Treppen führen in ein Gewölbe, an den Ort, wohin die heilige Frau mit Josef und dem Christus kinde geflohen sein soll . Am Lichte einer Kerze stieg ich hinunter. Vergebens, daß man hier eine Grotte oder [S. 250] Höhle suche. Alles ist Mauerwerk. Zudem müßte, meines Erinnerns, die Höhle eine überirdische sein, weil die Kirche einen Stock hoch liegt, und man gerade ebenso tief bis zu jener hinabsteigen muß. Die Katholiken und Kopten haben ihre Verehrungsstellen durch eine Mauer gesondert, und, um recht billig zu sein, möchte ich fragen: Wer weiß es, daß die gefeierten Flüchtlinge gerade die Stelle am meisten berührt haben, welche die Eifersucht der in verschiedenen Meinungen lebenden Christen mit einer Mauer zudeckte? Den Lateinern gehört ein kleines, ganz niedriges Gewölbe, auf dessen Boden ein Kreuz eingegraben ist. Davor hängt ein Oelgemälde auf Holz, welches die heilige Familie vorstellt. Die Kopten besitzen ebenfalls ein Gewölbe, auf dessen Boden aber ein viereckiger Stein oder ein Altar ohne ein Zeichen steht.

Beim Herausgehen aus der Kirche fielen mir in einem Winkel mehrere Krücken auf. Sie werden von denjenigen, welche während des langen Gebetes durch Stehen müde geworden sind, als eine Stütze gebraucht.

Der Tempel A’mrus.

Bei dem alten Kairo liegt die älteste Moschee des Mohammetanismus, nach ihrem Gründer A’mru genannt. Sie ist bereits verlassen, und leicht wird den Andersgläu [S. 251] bigen der Zutritt gestattet. Ich möchte diese Moschee, von der noch zwei Thürme emporstreben, den Säulentempel nennen; denn durch die Zahl der Säulen, welche auf 244 ansteigt, hat sie etwas Ueberraschendes. In den Tempel getreten, und der Blick wird gleichsam irre vor der Menge der Säulen. Die Eingangsseite, so wie die östliche und westliche Seite sind zwar nicht sehr breit, wohl aber die mittägliche, die allein über hundert Säulen zählt. Die Mitte zwischen den Säulenhallen steht unter freiem Gotteshimmel, und in diesem offenem Raume des Tempels bietet ein Kuppelbrunnen ein freundliches Aussehen. Die Kuppel wölbt sich über ein Becken voll Wassers, und den Brunnen umgibt außen eine Reihe kleiner Röhren, welche mit dem Wasserbecken in Verbindung gebracht sind. Ich zog den Stöpfel einer solchen Röhre und das Wasser quoll sogleich heraus. Dieser Brunnen dient den Mohammetanern zu der religiösen Handlung der Waschungen. In der Nähe des Brunnens erholt sich der trümmermüde Beobachter an dem Grün einer Palme, und gleich daneben an den Blüthen eines andern, in eine Mauer eingesperrten Baumes. Diese Bäume werden unzweifelhaft für heilig gehalten. Vermag das Abendland auch unter freiem Himmel aufwachsende Bäume in den Kirchen aufzuweisen? Die mittägliche Seite der Gâma’ A’mrus will als der eigent [S. 252] liche Tempel betrachtet werden. Gegen den offenen Hofraum findet sich eine kleine Emporkirche von mühsam gearbeitetem Holze. An der Mauer erhebt sich in der Mitte eine Kanzel (Mambar) ebenfalls von Holz. Weiter greifen in die Mauer etliche Nischen (Mahrab). Nach den Mahrab wendet sich das Volk beim Beten, indem sie genau die Lage der Kâba in der großen Moschee zu Mekka angeben. Vom platten Dache hängen Vorrichtungen zur Beleuchtung herunter. Der Hauptkarakter der Kirche ist ein frohmüthiger, offener, und der völlig entgegengesetzte mancher katholischer Kirchen, in welche das Sonnenlicht erst fallen darf, nachdem es durch farbige Scheiben gebrochen worden. Oder nicht zufrieden mit dem Düsterlichte in der Kirche, welches zur Wehmuth stimmt, gräbt man sich Kapellen, um während des Tages die Nacht heraufzubeschwören, welche man durch ein künstliches, von vielen Seiten her zusammengebetetes Lichtchen erhellt. Das Licht der Sonne, als Geschenk des Himmels, wird sonderbarerweise ungern gelitten.

Um auf die Säulen zurückzugehen, so sind, wo nicht alle, doch die meisten antik. An vielen haben sich die korinthischen Knäufe recht schön erhalten. Von Säule zu Säule springt ein Bogen. Eine Reihe Säulen ist am offenen Raume verwittert. Es scheint, der saumselige Vize [S. 253] könig erwarte eine Subskripzion von Seite abendländischer Christen, um die älteste Moschee Egyptens vor gänzlicher Zertrümmerung zu retten. Schwerlich macht der herschende Moslim das Vernachlässigte dadurch gut, daß er mit den Großen, Beamteten und Offizieren des Reichs jährlich einmal die greise Gâma’ des Helden A’mru besucht. Aeußerer Pomp wird von der Welt oft für innige Herzlichkeit tausch- oder täuschweise gegeben und genommen.

Der Garten Ibrahim-Paschas und der Nilometer auf der Insel Ruda.

Man geht durch die fruchtbaren Felder Gabel, ehe man zum Nilarme gelangt, über den man setzt, um das Eiland Ruda zu erreichen.

Der Garten Ibrahim-Paschas , welcher von einem Engländer angelegt ward, gewährt einen paradiesischen Anblick. Manches, welches der Okzident und der Orient spenden, findet man hier geschmackvoll zusammengestellt. So schön der Schwarzenbergische und Lichtensteinische Garten in Wien sind, so gewiß erscheinen sie als Gerippe, wenn man sie dem Garten Ibrahims entgegenhalten wollte. Datteln, Sykomoren, Pappeln, Maulbeerbäume, Birken, Aloe und so viel einjährige Pflanzen sind [S. 254] alle in einen Rahmen gefaßt. In den Armen dieser schwelgerischen Natur beneidete ich, ich darf bei meiner Treue versichern, den Nordländer um seinen Herbst nicht im mindesten. Einzig die gepflückte Rebe vergilbte zum Theile, trieb indeß neben dem gelb gewordenen Laube die schönsten grünen Schosse. Die Rebe wächst zahlreich, und wird ebenso wenig an Pfählen aufgezogen wie in Lossin.

Das Lusthaus im Garten birgt eine künstliche Grotte, die mit prächtigen Muscheln vom rothen Meere ausgekleidet und eine wahre Augenweide ist. Manche, welche den Garten besuchen, denken jedoch nicht billig genug; schon sind mehrere Muscheln weggerissen, weil diese zum Andenken mitgenommen wurden. Der Selbstsüchtige zerstört Andern, was er selbst bewundert. In dem Haupttheile des Gebäudes, gegen Mittag, steht ein großes Wasserbecken. An den Wänden desselben befinden sich mehrere Oeffnungen, wodurch das Wasser fließt, um das Becken zu füllen. Es stand leer, und mir schien das Pavillon nicht ganz ausgebaut zu sein.

Mich zog noch ein ungemein poetischer Gegenstand an, wenn man anders für des Abbate Casti gli animali parlanti Begeisterung fühlt; ich meine, sit venia verbo , den — Viehstall. Eine Mauer schließt das Vieh ein; kein Dach schützt vor Sonnenhitze. Der Viehstall ist daher nur [S. 255] eine Art Viehhof oder eine Art Pferch. Zwei Krippen liegen neben einander, von einer Mauer getrennt, welche die Höhe des Viehes hat. Ich zählte im Hofe fünf und zwanzig Ochsen, welche die erforderlichen Eigenschaften besessen hätten, ein Küheharem zu bewachen. Alle Ochsen waren mit einem Stricke um den Hals an die Krippe gebunden. Durch diese drang zu solchem Zwecke an der Vorderwand eine längliche Oeffnung. Der Stallboden war die Erde und zwar so trocken, als unsere hölzernen Stallböden. Als Futter erhält das Vieh gehacktes Stroh, welches in einem Winkel des Hofes unter freiem Himmel aufgespeichert war. Das Vieh scheint mit dem Häcksel zufrieden zu sein. Die europäischen Viehärzte dürften sich hier nicht darüber ärgern, daß die zu sparsame Lüftung der Ställe eine Menge Krankheiten hervorrufe.

Der Nilometer oder Mekia , auf der Spitze der Insel Ruda, liegt Altkairo gegenüber. Ehe ich den eingefangenen Nil zu sehen bekam, mußte ich mich zu einem Effendi verfügen, um von ihm die Erlaubniß auszubitten. Ein graubärtiger, schöner Mann hockte auf dem Diwan, die Pfeife im Munde; daneben mehrere Männer, wahrscheinlich Schreibgesellen. Ich zog den Hut ab, wozu mich der Dragoman anwies, und dieser fragte mich, was ich wünsche? Ich möchte den Nilometer sehen, antwortete ich [S. 256] ihm ohne Titel und Komplimente. Es bedurfte des Weitern nicht, noch der Bezahlung einer Gebühr, die Erlaubniß ward ertheilt, und der Dragoman ging mit mir von hinnen.

Wir kamen an der polternden Pulvermühle und an der Salpeterfabrik vorbei. Ich schüttelte beinahe ungläubig den Kopf, als der Dragoman mir eröffnete, daß wir beim Nilmesser waren, so wenig wurde meine Erwartung befriedigt. Ueberspannte Erwartungen schaden gerne der treuen Anschauung des Gegenwärtigen; denn von der Höhe stürzt die Phantasie in die Tiefe, und verfehlt so die rechte Mitte. Der Nilmesser wird von zerfallenen Mauern umgeben, welche einen sehr übeln Eindruck hervorbringen und zurücklassen. Er sieht wie ein viereckiger Brunnenkasten aus. Der Mitte entsteigt eine nicht sehr dicke, achteckige, maurische, mit einem ganz kunstlosen Vierecke bedeckte Säule. Diese bezeichnen, wie einen Zollstab, regelmäßig von einander entfernte, jedoch nicht mehr sehr scharfe Kerben. Das Wasser in dem Nilmesser steht mit dem Wasserspiegel des Nils in gleicher Höhe, und darum kann man an der Säule das Steigen und Fallen des Nils genau beobachten. Früher soll der Aufseher über die Nilmessung sein Leben im Spiele gehabt haben, wenn er die bestimmte Höhe nicht sogleich verzeigte. Man leitete meine Aufmerksamkeit auf [S. 257] den hohen Stand des Wassers, welcher der Befruchtung des Nilthales günstig sei.

Man glaubt hie und da in Europa irrig, daß je höher der Nil steige, desto mehr Vortheil dadurch Egypten erwachse. Gerade in einem der letzten Jahre verstieg sich der Nil, und die Ernte einiger Bodenerzeugnisse fiel minder ergiebig aus.

Der Nil fängt in der Mitte Brachmonates an zu schwellen, und Ende Herbstmonates nimmt er seinen höchsten Standpunkt ein, wo dann viele Gegenden unter Wasser gesetzt sind [25] .

Die Goldader Egyptens gibt zum größten Volksfeste Anlaß, wenn sie am stärksten angelaufen ist. Früher soll die barbarische Sitte geherrscht haben, daß man, zu Erhöhung des Festes, allemal eine Jungfrau in den Nil warf. Von der Sitte blieb nur noch die reich ausgeschmückte Barke übrig, in welcher man auf dem Flusse herumfährt.

[S. 258]

Ausflug nach Heliopolis und Abusabel.

Es war Frühlingsanfang, der letzte Tag des Weinmonates und der erste des Wintermonates.

Verläßt man auf der Morgenseite die Stadt, da stellt sich der stattlich emporsteigende Mokatam, und selbst der Schweizer muß diese Kuppe des arabischen Gebirges der Aufmerksamkeit würdigen. In der Nähe hörte man zur Linken das Rauschen der Marktleute, zur Rechten das Trommeln und Trompeten der Kriegsknechte; zur Linken sah man hier ein Kaffeezelt, einen Garkochofen, dort für ein Soldatenweib eine Hütte von solcher Höhe, daß es darin weder stehen, noch gehen, sondern nur kriechen kann, manche Wohnung selbst ohne Obdach, und zur Rechten eine Menge Zelten, unter denen das Kriegsvolk gelagert ist, zur Linken den dornreichen Kaktus in üppiger Zahl, und zur Rechten weiterhin das Nichts der Sandwüste. Mein schauendes Auge wetteiferte mit dem horchenden Ohre, und der Nebel, welcher jenem die Seheweite streitig machte, konnte den Wetteifer nicht lähmen.

Kaum hatte ich das Freie gewonnen, so wendete ich mich links. Die noch nicht gänzlich zurückgetretenen Wasser der Überschwemmung erschwerten mir ein wenig das Reiten. Ich lustwandelte in einem Walde von Zitronen [S. 259] bäumen, auf denen, selbst auf dem gleichen Baume, wohlriechende Blüthen mit grünen und reifen, gelben Zitronen wechselten, und schon stand ich in Mattarieh vor dem Baume, wo die heilige Familie ausgeruht haben soll . Ich dachte zum Voraus, die Araber werden mich nicht täuschen können, weil die geschäftigen Christen ohne Zweifel ihre Namen in den Baumstamm eingeschnitzt haben würden. Und dem war also. Frömmigkeit, mit Eitelkeit gepaart, hinterließ mehrere Denkmäler, welche dießmal übrigens den Nutzen stiften, daß sie den Baum den Neugierigen kenntlich machen. Mitten in einem Zitronenwalde erhebt sich ein sehr dicker, ein gespaltener, leicht zu ersteigender Strunk. Darauf trieb ein dünner, kaum zehn Fuß hoher Stamm mit frischem, grünem Laube, eine Sykomore. Das ist der Marienbaum . Der Schatten desselben zerfließt in den Schatten der umstehenden Zitronenbäume, und verbreitet angenehme Kühlung. Ich möchte sein hohes Alter nicht bezweifeln.

Außer dem Walde erblickt man gleich nordwärts den Obelisken bei Samur Baosbeh oder in der verschwundenen Stadt Heliopolis (On) [26] . Elende Hütten stolziren [S. 260] jetzt auf einer Stätte, die so reich an Erinnerungen ist. Das Hinschwinden der aus den Händen der Menschen hervorgegangenen schönsten Werke quälte auch hier meine Seele mit bittern Gefühlen. Wie werden die Werke unserer Tage nach Jahrhunderten zerschlagen und zerstört sein? Der einzige heliopolitanische Ueberrest von Bedeutung ist ein Obelisk, dem ich mich mit geflügeltem Fuße näherte. Derselbe steht aufrecht, scheint mir aber etwas niedriger, als die Nadel der Kleopatra . Die Hieroglyphen sind auf allen vier Seiten deutlich, zumal diejenigen auf der nördlichen und westlichen Seite. Die südliche Seite wurde von der Sonne etwas gebleicht. Sogar der Farbstoff im rothen Granit des Obelisken vermag sich nicht in die Länge unverändert zu erhalten. Die Stabilität kann vor den immermehr sich erneuernden und häufenden Lehren der Wandelbarkeit nicht bestehen ; allein dieß hindert sie nicht, sich recht bequem zu machen und niederzulegen, und so vegetirt sie, wenigstens in der Einbildung, doch fort. Die Hieroglyphenfurchen auf der östlichen Seite sind mit Sand vollgeblasen. Der Regen bildete mit dem Staube eine Paste, [S. 261] welche sich in jenen Furchen ansetzte. Die Nordseite hat die frischeste Farbe und ist am schönsten. Vergleicht man die Obelisken der Kleopatra und der Heliopolis, so fragt man sich: Warum hat das Denkmal zu Alexandrien im Laufe der Zeit weit mehr gelitten als letzteres? Es wird einleuchten, daß der an der Küste, häufiger als in Heliopolis, fallende Regen zerstörender wirken mußte. Die Erhaltung mancher Alterthümer in dem guten oder erträglichen Zustande hat Egypten dem seltenen Regen zu danken. Es rettet manchmal, wenn man so sagen darf, ein blindes Geschick, indeß vor den offenen Augen der Vorsicht und Sorgfalt etwas zu Grunde geht. Hätten die egyptischen Denkmäler, z. B. die Pyramiden, Europa gehört, so wären sie viel unscheinbarer, manche wohl nicht mehr. In 2000 Jahren wird der Obelisk von Luxor in Paris von dem Gesagten Zeugniß ablegen. In Egypten gab es einen wunderbaren Zusammenfluß günstiger Umstände, um der spätern Nachwelt so Vieles zu überliefern.

Der Obelisk stand so einsam als ehrwürdig mitten in halbgroßem Mais. Eines Fellahs konnte ich nicht so leicht los werden. Er meinte, ich sollte ihn dafür beschenken, daß ich einen Stein im Freien der Welt Gottes betrachtete. Wären derlei Leute Gebieter, so würden sie vielleicht einen jährlichen Tribut von dem Mitmenschen dafür erpressen, daß [S. 262] er sich am Scheine der Sonne erquicken dürfe. Wo die Leute im blindesten Despotismus erzogen werden, da verschließt sich auch ihr Sinn, wie des Despoten selber, für die natürlichen Rechte der Menschen.

Dieser Sehenswürdigkeit wegen mußte ich einen kleinen Abstecher machen. Bald aber hatte ich den breiten Weg der Wüste wieder eingeholt. Ich dachte an unsere wohllöblichen Straßenbaukommissionen und Baumeister, an unsere Zölle und Zöllner, an unsere Straßenbüreaukraten und Bauern, welche den Schweiß ihres Angesichtes wie den Kies auf die Straße schütten u. dgl. Zwischen Kairo und Abusabel nichts von Allem. Die Wüste ist die breite Straße für Jedermann sonder Hinderniß eines Schlagbaumes. Ohne den Staat oder die Ortschaft mit Kosten zu belasten, treten die Kameele in ihren langen Zügen gleichsam Geleise in den Sand, und das Abfordern des Zolles wäre eine Stimme in der Wüste.

Ich kam nach El-Mark. Hier steht ein Kaffeehaus alla Turca . Ich sprach zu. Die arabischen Kaffeehäuser stellen einen, um es schlicht zu nennen, offenen Schuppen vor. Das Wandwerk ist von Mauer. Vom irdenen Boden des Kaffeehauses genießt das Auge Freiheit bis ans — Dach hinauf. Auf einer Seite sieht man die Kaffeeküche, auf der andern den mit Strohteppichen belegten Diwan, [S. 263] welcher wie ein Sims die Mauer begleitet. Da hocken denn die arabischen Kaffeetrinker, deren lange Pfeife bis auf den Boden herabsteigt.

In El-Mark beginnt ein bedeutender Wald schattenarmer Dattelpalmen. Darauf erreichte ich den belebten Ort Chanka. Von da führte mich der Weg durch eine wüste Gegend, die häßlichste Einöde, nach der egyptischen medizinischen Fakultät Abusabel; das biblische Gosen zur Rechten.

Der in Egypten angekommene Abendländer ist in der ersten Zeit von mancherlei Aengstlichkeiten befangen. Er glaubt sich unter die Araber kaum recht mischen zu dürfen; mit Unrecht. Der Weg von Kairo nach Abusabel beträgt vier Stunden, und ich ritt unbedenklich allein, und man hat überhaupt weder bei Tage, noch bei Nacht Lebensgefahr zu befürchten. Ich fand den Weg durch die vielen wandernden Menschen, die Kameele, Esel, Pferde so lebhaft, wie irgend eine europäische Hauptstraße, sogar in der Nähe einer Stadt. Im Vergleiche mit Europa bewegen sich weit mehr Leute auf den Straßen als auf den Feldern. Wegen der Lebhaftigkeit ergötzt auch die Straße nach Abusabel, man durchmustert die fremdartigen Gesichter und Geberden, Trachten und Ladungen u. s. f. Stolz sitzt der Beduine auf dem Pferde, einen kurzen Säbel und Pistolen im Gürtel. Zuerst macht der Anblick dieser Waffen [S. 264] einen unangenehmen Eindruck; bald aber gewöhnt man sich so vollkommen daran, daß man sie nicht mehr beachtet. Uebrigens tragen die wenigsten Leute Waffen. So bestellt der Bauer (Fellah) unbewaffnet sein Feld. Erinnern sich alle Europäer, daß vordem, sich mit einem Säbel zu versehen, auch bei ihnen Sitte war?

Wenn man auf diesem Wege durch topfebene und wüste Gegenden, in denen selten ein kleiner Garten prangt, wandert, so wird man sich überzeugen, daß ein Theil der Wüste lediglich auf Rechnung menschlicher Nachlässigkeit fällt; er könnte bald in ein lachendes Gelände umgeschaffen werden. „Sorgfalt ersetzte oft, was hie Natur versagte ( Strabo )“. Wirklich erblickt man hin und wieder Spuren von Bewässerungskanälen, den unwidersprechlichen Zeugen einer vormaligen Bodenkultur. Würde der Pascha geruhen, den Bauer dadurch aufzumuntern, daß dieser seiner Ernte sicher und froh werden könnte, große Striche Landes müßten in kurzer Zeit der Wüste abgedrungen werden. Ueberdieß verkündigen die angebauten Felder nicht allenthalben Fleiß und Sparsamkeit. Wahr ist, daß z. B. das Delta die Arbeit des Fellah mit schweren Ernten lohnt; allein ein so fruchtbares Land muß etwas hervorbringen, wenn man damit auch nur ein wenig sich bemühen mag; etwas im Feldbaue müssen die Leute jenes unermüdlichen [S. 265] Landes doch wohl verstehen, auf welchem so viele Jahrtausende hindurch unaufhörlich Früchte gediehen. Man gebe den Bienen des Nordens die gleiche Sonne, den gleichen Nilschlamm, die gleichen Ueberlieferungen, — was neue Wunder würden erstehen.

Bei Abusabel ward ich an einen Italiener empfohlen, und diese Empfehlung erwies sich sehr nützlich; ein Wirthshaus mangelt, und in die arabischen Hütten zu kriechen, wandelte mich eben keine Lust an. Es ist eigentlich früh genug, das Kreuz aufzunehmen, wenn man dazu gezwungen wird, vorausgesetzt, daß man sich überhaupt — nicht verweichliche. Dießmal wäre es um so umständlicher gewesen, über Nacht ein ordentliches Obdach zu finden, da die Nilüberschwemmung seit einem Monate das eigentliche Dorf Abusabel von den medizinischen Anstalten trennt, und man nur zu Schiffe von einem Orte zum andern gelangt; nicht eher als in zehn bis fünfzehn Tagen werde, hieß es, die Verbindung zu Lande wieder hergestellt.

Die medizinischen Anstalten bei Abusabel, im Nordost von Kairo, liegen in einer fruchtbaren Gegend. In der gegenwärtigen Ueberschwemmungszeit gefiel sie mir nicht. Das Land war mit zu viel Wasser bedeckt, woraus Gebüsche und Bäume einsam auftauchten; und wo es vom [S. 266] Wasser nicht bespült wurde, behauptete die Wüste ihre grause Herrschaft.

Das niedrige, einstöckige Gebäude verspricht wenig von Ferne. Es bildet vier Höfe. Die nähern zwei gehören der Veterinärschule, und die entferntern oder dem Dorfe Abusabel nähern bilden den Sitz der medizinischen Schule. Zuerst sei von dieser die Rede.

Nähert man sich der Hochschule von Chanka aus, so steht links ein ungewöhnlich langes Haus, die Wohnungen für die Angestellten, die Professoren, Pharmazisten, Uebersetzer u. s. f. Es öffnen sich eine Menge Thüren ebener Erde nach einander. Jede führt zu einer Wohnung. Rechtshin tritt man in die eigentliche medizinische Schulanstalt . Diese besteht aus einem viereckigen Gebäude, welches einen geräumigen Hof umfängt, und im Umfange des letzteren breitet sich, neben dem besonders stehenden Anatomiegebäude, der sogenannte botanische Garten aus.

Das anatomische Theater , ganz nach europäischem Geschmacke, schön gemalt und mit arabischen Schnörkeln überschrieben, ist sehr hell, und entspricht seinem Zwecke vollkommen. Eine in ein Tuch gehüllte Wachsfigur stand beinahe in der Mitte. An einer Wand fesselt die Aufmerksamkeit ein Glaskasten, worin der Anfang einer ornithologischen Sammlung aufbewahrt wird. Vor dem [S. 267] Theater, im gleichen Gebäude, aber auf der mittäglichen Seite, tritt man in den Sezirsaal . Auch an diesem wußte ich nichts auszusetzen. Es lagen eben vier, mit einem Tuche zugedeckte, halbschwarze Leichen auf den Sezirtischen, jede auf einem. Zwei waren von der beginnenden Verwesung schon häßlich gefärbt, und erfüllten die Luft mit einem sehr übeln Geruche. Das heiße Klima stellt den Sezirübungen in Egypten viele Schwierigkeiten entgegen, wenigstens viele Unannehmlichkeiten zur Seite. Bereits hatten Ferien begonnen. Gleichwohl begünstigte mich das Glück, einen Vortrag zu hören, nämlich dem Operazionskurse des Herrn Duvigneau [27] beizuwohnen. Der Lehrer in europäischer Kleidung, auch mit einer Schürze angethan, stand am Sezirtische, gleich neben ihm der Dragoman, ein Araber von etwa fünfundzwanzig Jahren. Die arabischen Studenten schaarten sich um den Tisch. Sie trugen rothe Mützen, eine weiße, über der Brust zugeknöpfte Weste mit Ermeln, weiße, den untern Theil der [S. 268] Weste umfassende Pumphosen und Schuhe, die weiter nicht auffielen, doch keine Strümpfe. Die jungen Leute mochten ein Alter von fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahren zurückgelegt haben. Der Professor hob damit an, über die Amputazionen Lehren zu ertheilen; er unterschied sie in solche, die in und außer der Kontinuität des Knochens vorgenommen werden. Jede Phrase übersetzte ein Araber leicht und schnell aus dem Französischen des Professors ins Arabische. Daß dergestalt die Mittheilung mühsam sich dahinschleppe, sieht Jedermann ein. Ohne Noth aber verstrickt der Professor seine Gedanken in lange Perioden mit Zwischensätzen. Daraus folgt unzertrennlich, daß die Aufmerksamkeit der Zuhörer mehr zerstreut wird. Uebrigens schauten und horchten diese möglichst aufmerksam, als wären sie die Erfinder der Aufmerksamkeit. Einer gab oft zu vermerken, daß er den Vortrag begreife. Ein empfindsamer Araber hatte seine Nase mit Papier oder etwas Anderem vor dem Wohlgeruche der Leichen verstopft, ungefähr so, wie man es einer sentimentalen Miß von London verzeihen würde. Unter den Augen der Zuhörer unternahm der Professor, nachdem er das blutige Heilverfahren aus einander gesetzt hatte, die Amputazion eines Fingers. Weder der Vortrag, noch die Art, wie der Lehrer operirte, verhieß Ausgezeichnetes. Er schien indeß mit [S. 269] Gewissenhaftigkeit seinem Berufe abzuwarten. Jeder Mensch mag sich beruhigen, welcher sein Pfund redlich gebraucht.

Apotheke. Es wäre unnöthig, eine europäische zu beschreiben.

Laboratorium : Dieses ist hübsch ausgestattet, und sicher gebricht es nicht am Lehrstoffe, wenn nur die Zöglinge genug Lust und genug Fähigkeit zum Lernen besitzen.

Die Krankensäle sind zugleich die klinischen Säle, und sehr ähnlich denen in den Abtheilungen des allgemeinen Zivilkrankenhauses zu Wien. Der gefüllte Bettsack ruht entweder auf dem hölzernen Käfiche, der gewöhnlichen egyptischen Bettstelle von Palmzweigen, oder auf einem eisernen Gestelle. Das Kissen fehlt nicht; die Bettdecke ist von grober Wolle. Neben dem Bette befindet sich ein Trinkgeschirr oben und ein Pot de Chambre unten. Ueber die ärztliche und wundärztliche Behandlung der Kranken kann ich, leider, das Wort nicht ergreifen. Die Visiten geschehen Abends 9 Uhr und Morgens um 11 Uhr. Alles aber empfahl sich nicht minder durch Reinheit und Ordnung, als durch einen bessern europäischen Geschmack, daß ich an der zweckmäßigen Behandlung nicht zweifle. Abends (zur Asserzeit) wurden die Speisen ausgetheilt. Ich kostete die Reissuppe, und, wegen ihrer Schmackhaftigkeit, würde ich gerne sogleich eine Portion genossen haben. Das Schick [S. 270] sal der hiesigen arabischen Kranken leiht nicht den entferntesten Grund, von den Europäern bemitleidet zu werden. Die Säle enthalten die Krankheiten nach der Eintheilung in innere und äußere ( internes et externes ). Diese Eintheilung ist in französischer Sprache über den Thüren aufgeschrieben. Hinwieder trägt jeder Saal eine Nummer. Demnach durften die Franzosen, wie es scheint, ihre Heiligen aus dem Hôtel-Dieu in Paris nicht herüberbringen. Um nicht den Verdacht zu wecken, daß ich bloß ein neugieriger Laie sei, wollte ich den Saal der Lustsiechen nicht betreten. In den Krankenzimmern führten mich etliche Studenten herum; denn sobald sie die Anwesenheit eines europäischen Hakim (Arzt) erfuhren, kamen sie mir mit Freundlichkeit zuvor. Sie drückten sich in französischer Sprache leidlich aus. Die Zahl der sämmtlichen Studenten, d. h., der Mediziner, Chirurgen und Pharmazeuten, wußten sie mir nicht anzugeben. Man muß gestehen, daß die europäischen Studiosi lieber kalkuliren. Ich vernahm aus dem Munde der Abusabler-Studenten nur so viel, daß 41 die Klinik besuchen. Die Gesammtzahl der Zöglinge beläuft sich etwa auf 200.

Von den Hörsälen sah ich zwei. Sie waren eben angefüllt; allein man ertheilte bloß Unterricht, der Methode nach wechselseitigen, in der französischen Sprache, [S. 271] indem man den Koran übersetzte. Das laute Brummen in tiefem Basse sticht schroff ab gegen das feinere Bienengesumse unserer Primarschüler in Europa. Die Hörsäle haben in ihrer Bauart nichts Ausgezeichnetes für den Abendländer. Ein Katheder ist vorne für den Lehrer angebracht; Bänke folgen sich in regelmäßiger Reihung, so daß die auf europäische Weise sitzenden Schüler dem Lehrer ins Gesicht sehen. Auch während des Kollegiums bedeckte die rothe Mütze den Kopf. Es herrschte Ordnung und Ernst; kein Hin- und Hergehen, um sich zu zerstreuen.

Die Steindruckerei . Ich wurde überrascht, als eine solche mir gezeigt wurde. Zwei Araber druckten eben etwas zum Behufe des Krankenhauses. Französisches und Arabisches standen neben einander auf den Druckbogen. Die französische Schrift war korrekt, der Abdruck aber dießmal ein wenig schmutzig. Die Korrektheit freute mich um so mehr, als man in europäischen Winkeln, nicht so gar selten, von den gröbsten Verstößen geärgert wird. Diese Steindruckerei ist einzig für die höhere Lehranstalt bei Abusabel bestimmt.

Der botanische Garten . So heißt man im Hofe einen Garten, welcher an Ueppigkeit und Pracht wohl die europäischen Gärten übertrifft, dagegen der eigentlich wenigen Pflanzen wegen diesen Namen in der That nicht ver [S. 272] dient, gewiß nicht einmal den eines Egyptiacum verdienen würde. Wie viel kann hier noch geleistet werden.

An der medizinisch-chirurgischen Lehranstalt, die im Jahr 1828 ihren Wirkungskreis eröffnete, sind folgende Professoren angestellt:

für Botanik und Arzneimittellehre : Figari ;

für Physiologie : Seisson ;

für Pharmazie : Pacthon ;

für Chemie : Berron ;

für Pathologie und Therapie , so wie für medizinische Klinik : Duvigneau ;

für Chirurgie und chirurgische Klinik : Seisson .

(Sonderbar aber, daß nicht Seisson den Operazionskurs gab.)

Der Lehrstuhl der Anatomie ist seit dem Austritte Fischers einstweilen erledigt. Durch Eifersucht verdrängt, erwarb sich dieser Deutsche doch die bleibende Achtung der Bessern. Es ist für den Tugendhaften sehr aufmunternd, daß er, bei Mißkennung seiner Bestrebungen, an den Rath seines vor Gott offenen Gewissens und an das Synedrium der Besseren in der Welt appelliren kann.

Die Veterinärschule stößt an die eben beschriebene medizinische. Der Vorsteher derselben, mit Namen Ammon , ein junger Franzose, bezieht von der Regierung einen [S. 273] monatlichen Gehalt von 5000 Piaster (über 600 Gulden R. W.).

Das Vieh mit äußeren und inneren, so wie insbesondere mit ansteckenden Krankheiten ist in den Ställen geschieden. Diese, mit einem Dache versehen, werden reinlich gehalten. Ein Gesimse von Mauerwerke nimmt ziemlich große, irdene Töpfe auf. Je einer für ein Stück Vieh, vertreten sie die Stelle einer Krippe. Harnrinnen sucht man indeß vergebens. Auch hier fressen die Thiere Strohhäcksel. Bei eintretendem Mangel des Platzes in den Krankenställen werden die Thiere unter freiem Himmel gehalten. Wie in Egypten die Augenentzündung den Menschen häufig befällt, ebenso ist ihr das Thier unterworfen. Die Veterinärschüler empfangen außer ihrem Fache Unterricht im Reiten, so daß eine wirkliche Reitschule besteht. Hörsäle, anatomisches Theater, Sezirsaal, Apotheke und Laboratorium lassen an der guten Einrichtung keinen Zweifel übrig. Auf einer Tafel im Sezirsaale liest man die Namen derer, welchen der Operazionskurs vorgeschrieben war: Akmet Abdrahman , Akmet Ibrahim u. s. f. Das klingt nun einmal unchristlich. Im anatomischen Theater trifft man bloß einige Skelete. Es ist Schade, daß unter diesem heißen Himmel überhaupt der wissenschaftliche Eifer leicht erkaltet. Die Veterinärschule zählt 120 Zög [S. 274] linge: ein bemerkenswerthes Mißverhältnis zu der Zahl der Mediziner.

Die Zucht der Zöglinge beider Schulen ist eine klösterliche oder militärische. Einmal schon werden die Anstalten von Militär bewacht. Die Schüler sind Alumnen; fast alle arm, werden sie auf Kosten des Staates unterhalten und gelehrt. Sie schlafen in großen Gemächern, die Thierarzneischüler auf dem Boden, unter ihnen nur eine Strohmatratze und über ihnen die Kleider; für die Mediziner hingegen sind ordentliche Betten aufgeschlagen. Wenn man in solchen Gemächern, wo so viel Morgenländer beisammen leben, der orientalischen Laster sich erinnert, so wird man von einem ordentlichen Abscheu ergriffen. Neben den Schlafgemächern gibt es für die Studenten noch besondere Speisesäle nach europäischer Art. Ich sah gerade eine ungemein lange Tafel gedeckt. Unzweifelhaft werden die Alumnen gut genährt.

Die Studenten hatten kurz vor Sonnenniedergang Feierabend. Es muß zwischen Arbeit und Ruhe ein Ebenmaß sein, sonst leiden beide, Leib und Seele. Die jungen Leute zogen, je zwei und zwei neben einander aus. Am Thore gegen Abusabel hielt der Flöter und Trommler an, und flugs zerstob die Reihe, um sich in die Barke zu werfen, welche sie nach Abusabel führen sollte, darunter manche zu [S. 275] den Weibern. Jeder wollte der erste in dem Kahne sein. Auf die Rückfahrt der Barke wartende Studenten vergnügten sich daran, daß sie Steine ins Wasser schleuderten, die wechselweise in diesem niedertauchten und wieder hervorhüpften (Epostrakismos der Griechen). Um neun Uhr Abends mußten die Einen zurückkehren; die Uebrigen durften bis morgen in der Frühe ausbleiben. Letzteres erzähle ich nach Andern.

Das Leben der bei Abusabel Angestellten gleicht so ziemlich einem Schlaraffenleben, und sie können die Zeit mit genauer Noth hinbringen. Wenn ein europäischer Fremder die Anstalten besucht, so ist er beinahe Fingerzeig. Das Auge weilt fast lieber bei den die Höfe zierenden Dattel- und Akazienbäumen, als bei Leuten, wiewohl aus dem gleichen Welttheile, welche dem Schöpfer das Meiste vom Tage abstehlen. Gilt denn etwa hier die Ausnahme von der Regel, daß der Müßiggang aller Tugenden Anfang sei?

Von der Zugänglichkeit der Mohammetanerin hörte ich bei Abusabel Dinge, welche Erstaunen erregen. In ältern Zeiten wurde eine solche, welche sich mit einem Christen verging, den Wellen des Nils preisgegeben. Ob nun die Mittheilungen beweiskräftig genug seien, um zu entscheiden, daß der religiöse Fanatismus um manche Grade sich abge [S. 276] kühlt habe, wage ich kaum anzudeuten, und wenn ich andeuten müßte , so fiele die Bemerkung, daß die geschlechtlichen Verirrungen auf eine höhere Sphäre konfessioneller Nachgiebigkeit oder Strenge selten schließen lassen, weil sie aus einer tiefsinnlichen Quelle hervorsprudeln. Wahrscheinlich würden sich, wie zur Zeit der Franzosen- und Patentherrschaft, wenige Araberinnen gegen die Verbindung mit einem Christen sträuben. Wenn sie auch nicht die Liebe dazu lockte, so doch das tönende Erz. Eröffnungen über das punctum sexus strömen unter den Franken in diesem Lande so ohne Rückhalt daher, daß der galante Großstädter des Abendlandes nicht offenherziger sein kann. Wenn die Konkubinen in die Hoffnung kommen, so werden sie von Manchen ohne Theilnahme und Hülfe verstoßen. Die Mohammetanerin könnte vor dem Richter keine Ansprachen geltend machen; wohl aber ist gewiß, daß derselbe die Sache, sobald sie vor ihn gebracht würde, zum Nachtheile des gefallenen Mädchens nicht ungeahndet hingehen lassen könnte. Hinwieder steht der Europäer, in seiner großen Freiheit und Unabhängigkeit, nicht unter dem ordentlichen egyptischen Richter, sondern unter dem Konsulate, um dessen Schutz er nachsuchte. Etwa im Falle eines Ehebruches oder einer Defloration, im Falle, daß über die mohammetanische Religion geschimpft, oder daß falsche [S. 277] Münze geprägt würde, müßte die Auslieferung an den egyptischen Richter erfolgen. Wie weit diese Unabhängigkeit getrieben wird, lehrte unlängst ein handfester Engländer. Es wollte ihn die Polizei aufgreifen, weil er Mohammetanerinnen ins Haus aufnahm, in einer Absicht, die leicht errathen werden konnte. Statt alles Fernern schlug er die Polizei nieder. Das Konsulat schützte ihn doch so sehr, daß er von der vizeköniglichen Polizei in Kairo nicht weiter beunruhiget wurde.

Ich machte früher in Wirklichkeit einen Abstecher zu Lande, und jetzt einen auf den Schwingen des Geistes. Kehren wir zurück, um einen Rückblick auf die Schulanstalten bei Abusabel zu werfen.

Im Andenken unferner Zeiten, da noch das ganze Egyptenland, seit der Herrschaft der Türken, in tiefe Barbarei versunken war, wird man billig ein Loblied auf den nunmehrigen Herrscher, Mehemet-Ali , anstimmen, welcher für jenes Land wirklich großartige, hoffentlich segensreiche Anstalten ins Dasein rief. Angenommen, daß die Stellen immer mit tüchtigen Professoren und keinen Stümpern, mit Freunden der Wissenschaft und keinen Abenteurern, mit gewissenhaften Arbeitern und keinen bloßen Glücksrittern besetzt werden, so dürfen die Anstalten mit den medizinischen Fakultäten kleinerer deutscher Hochschulen [S. 278] in die Wette laufen; ich möchte noch weiter gehen, in praktischer Beziehung werden sie letzteren den Vorrang ablaufen. Beherzige man nur, wie oft der Mangel an Leichen zum Behufe von Zergliederung auf manchen Hochschulen beklagt wird. Umgekehrt werden die egyptischen Anstalten in theoretischem Bezuge gar keinen Vergleich aushalten, und bis ein echt wissenschaftlicher Geist dieselben durchdringt, beseelt, erwärmt, kann über die viel zu neue Grundlage, selbst unter den günstigern Umständen, ein ganzes Jahrhundert verstreichen. Jedenfalls wird der Pascha mehr oder minder brauchbare Aerzte für die Armee bekommen, und das ist es, was er zunächst bezweckt. Es würde ihn wahrscheinlich gar wenig befriedigen, wenn die Zöglinge sich in medizinische Spekulazionen vertieften, und in diesem Gebiete der Schriftstellerei sich versuchten, um vielleicht durch gelungene Arbeiten einen neuen Glanz auf das Leben des Regenten zu werfen. Der Gedanke thut wahrhaftig bis in das Innerste der Seele wohl, daß in dem Lande, wo einst Heliopolis und Alexandrien durch die Schätze der Wissenschaft weithin leuchteten, nach den vielen Jahren der traurigsten Finsterniß, wenigstens einige Schritte versucht werden, um die Verlassenschaft der erhabenen Vorfahren, ob auch nicht in ihrem vollen Werthe, doch einigermaßen zu würdigen.

[S. 279]

Tages darauf trat ich meinen Rückweg an. Ein kühler Wind wehte sogar noch Mittags. Bald sah ich den erwähnten Obelisken, weiter oben die Pyramiden von Gizeh, dann den Mokatam, und aus ziemlicher Ferne schon Kairo. Den Weg belagerten mehrere Bettler, die aber, bequemer oder anständiger als die unsrigen in der Schweiz, nicht nachrannten. Ein Knabe legte es darauf an, durch seine Klumpfüße Mitleiden zu erwecken. Der auffallendste Bettler hielt sich behaglich in einer kleinen Höhle auf, die mit einem löcherigen Dache versehen war. Beinahe immer lief mein Eseltreiber den weiten Weg. Den Lauf setzen die Eseltreiber vier Stunden lang an Einem fort, während die Hitze den nördlichen Europäer gleichsam erdrückt. Die Uebung hat jene Leute gestählt.

Wie gestern Nebel, so verdunkelten heute die Atmosphäre herumfliegender Sand und schwarze, regnerische Wolken, an deren Schatten ich beinahe bis Kairo ritt, und zwar ein Stück weit neben dem Direktor Ammon , der sich freundlich anließ. Ich traf gerade Mittags im Frankenviertel ein. Ich begrüßte es mit ebenso froher Stimmung des Gemüthes, als ich der Gegend von Abusabel mein Lebewohl sagte. Es ist schwer, zu begreifen, daß Mehemet-Ali die medizinische Lehranstalt der Hauptstadt so weit entrückte. Großköpfe sind mit Querköpfen [S. 280] nicht selten verwandt. Jede Berührung mit wissenschaftlichen oder gebildeten Leuten hätte den Professoren sowohl, als den Studenten leicht gemacht werden sollen. Was entbietet ein elendes Dorf armseliger Araber?

Geschichtlicher Rückflug nach Mattarieh.

Prosper Alpinus erzählt: In „el-Mattharia“ wird eine gewisse Sykomore besucht, welche von den Einwohnern für so heilig gehalten wird, daß es bei ihnen eine ausgemachte Sache ist, es habe die Frau Maria , um dem Zorne des Herodes von Jerusalem zu entgehen, in eine Höhle des Stammes sich geflüchtet und dort das Kind Christus , unsern Heiland, für einige Tage verborgen. Es wird daher dieser Baum von Vielen in hohen Ehren gehalten; dieß gilt zumal von den Aushöhlungen desselben, welche Christus bargen. Fabelhaft ist, was Matthiolus anführt, daß die Stämme und Aeste des Baumes nie verdorren, wenn sie zuvor ins Wasser getaucht werden, und darin eine Zeitlang liegen bleiben. — Der Pascha von Egypten, des Namens Messir , besuchte in der letzten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts aus Verehrung der gottseligen Frau den Ort el-Mattharia an jedem Freitage, als dem Sonntage der Mohammetaner, und er pflegte daselbst sein Gebet zu verrichten. So weit Alpinus .

[S. 281]

Hören wir noch einen andern Naturforscher, Johann Wesling , welcher im dritten Jahrzehn des siebzehnten Jahrhunderts in Kairo lebte: „El-Mataaria“ ist ein Garten um Memphis, ein hehrer Name durch die Verehrung der Christen. Dort treibt eine ungeheure Sykomore, umdämmt mit einer niedrigen Rasenbank zur Bequemlichkeit der Besuchenden, und ehrwürdig, wegen des von Alpinus angegebenen Grundes, schon seit anderthalb Jahrtausenden in den Augen der Christen. Munter grünen die Zweige, obschon der Stamm über dem Wurzelstocke auf eine häßliche Weise zerstümmelt ist, weil diejenigen, welche den Baum mit dem Kusse benetzen, ein Stück davon, aus thörichter Liebe zu Reliquien, wegschneiden, während es doch besser wäre, den Baum in fromm ehrendem Gedächtnisse zu bewahren. ( Joannis Veslingii Mindani de plantis Aegyptiis observationes et notae ad Prosperum Alpinum . Patavii ap. P. Frambottum 1638. P. 10. )

Abenteuerlicher Ritt nach den Pyramiden von Gizeh.

Ich fragte oft und oft nach Gesellschaft, um in solcher die Pyramiden von Gîsa zu besuchen. Vergebens. Da wählte ich einen Eseltreiber, der etwas italienisch verstand, [S. 282] und brach, auf guten Ritt hoffend, am Mittage des fünften Wintermonates auf. Noch aber war ich nicht auf dem Esbekiehplatze, als er seinen rothäugigen Bruder mir zurückließ. Zudem war dieser in Aussehen und Wahrheit kreuzdumm, und mehr als buono konnte er kaum etwas vom Italienischen.

In Gottes Namen — vorwärts. In Altkairo über den Nil gefahren, gelangte ich zu einem Graben. Jetzt sprang mein Esel hinüber, er fiel und ich mit ihm. Erste Stazion des Elendes.

Später leitete der Weg zu einem ziemlich breiten Abzugsgraben des Nils; wir durchschnitten diesen in einem Kahne ohne Schwierigkeit. Bald traf ich seichtes Wasser. Es liefen zwei Männer daher, und einer trug mich über dasselbe. Ich wußte nicht, daß diese — Führer sein sollten. Der Eseltreiber, voll jämmerlicher Angst vor dem Wege nach den Pyramiden, rief sie ohne mein Wissen und meinen Willen. Der eine, ein Scheik, mit nicht unangenehmen Gesichtszügen, war mit einer Flinte, der andere mit einem langen Stocke bewaffnet. Mehrere Male wurde ich von den Leuten über das seichte Ueberschwemmungswasser getragen. Zweite Stazion des Elendes.

Ungefähr anderthalb Stunden vor Sonnenuntergang erreichte ich eine große Wasserfläche, welche man für einen [S. 283] breiten Fluß hätte halten können. Darüber sollten wir im Kahne. Es erschallte der Mahnruf an den Fährmann. Die Sonne verschwand hinter die libyschen Hügel, ohne daß man mich holte. Es kamen mehrere Männer, die, wie ich, die Abfahrt erwarteten; dann auch Weiber. Diese kauerten an einem besonderen Orte, unordentlich im Kreise, schwatzten viel, lachten viel, guckten gerne, aßen Datteln, einzelne rauchten auch Tabak. Die Männer trugen ihre Worte auf den Flügeln des Gelächters, und schauten kaum gegen die Weiber. Nach zweistündigem Warten langte endlich der Fährmann an. Ich freute mich sehr wenig auf die Nachtfahrt, und doch brannte ich vor Verlangen, wegzukommen. Ein fester Blick nach einem Ausgange der Dinge kann den Menschen dahin bewegen, daß er sich nach Unangenehmem sehnt. Dritte Stazion des Elendes.

Die Nacht war hereingebrochen; der schöne Mond suchte indessen die Finsterniß derselben zu verdrängen. Stelle man sich Jemand vor ohne Kenntniß der arabischen Sprache, mit einem albernen Eseltreiber, bei Nacht, unter lauter Fremden, im fernen Auslande, und in der Ungewißheit, wo er die Nacht über sein Haupt niederlegen könne, und man fühlt jetzt das Peinliche meiner Lage. Geschehe, was Gott will, dachte ich. Man wies mir den beßten und [S. 284] geräumigsten Platz in dem Fahrzeuge an. Es durften jedoch hier, wegen der Untiefe, nur wenige von den anwesenden Leuten die Barke beschweren; die übrigen, auch die Weiber, hoben ihre Röcke, so hoch ihnen die Tiefe des Wassers gebot, und wateten uns nach. Der Mond, seiner Schalkhaftigkeit eingedenk, lachte, während dieses Auftrittes die keusch und anständig in schwarzen Flor gekleidete Nacht ein wenig aus. Wie wir tieferen Grund gewonnen, bestiegen endlich alle den Kahn, natürlich nicht ohne viel arabischen Lärm. Es währte ziemlich lange, bis wir den vom Mond vergoldeten Spiegel in die Quere durchspalteten. Das lange Warten auf den Fährmann, die Fahrt auf Ueberschwemmungswasser beim Mondesscheine und andere Umstände prägten die Nilüberschwemmung unauslöschlich in mein Gedächtniß. Wir landeten glücklich. Ich ritt vorwärts — zwischen ausgetretenen Wassern. Allein jetzt kam es ernster. Tiefes Wasser sollte durchwatet werden. Unzufrieden mit dem niedrigen Esel, setzte ich mich auf die Schultern zweier Araber, faßte sie um die Köpfe, und streckte die Beine wagrecht aus, so gut ich vermochte. Es half nichts, — ich ertränkte einmal einen Schuh. Vierte Stazion des Elendes.

Ich konnte doch wieder auf dem Esel davon reiten, und ruhiger an dem herrlichen Schauspiele mich abletzen, das [S. 285] sich mir darbot. Der Mond entfaltete all’ die Pracht seines Lichtes, auf daß ich die Pyramiden bewundere. Diese schienen nun so nahe, daß mich bald gelüstet hätte, sie mit der Hand zu berühren. Allmälig verminderten sich unsere Gefährten. Wo die Freihunde bellten, dahin zogen beide, Männer und Weiber. Mich begleiteten bloß noch der Eseltreiber und drei andere Araber, Alle mir zu Schutz und Trutz. Jetzt hatte meine Gesellschaft ihre bestimmten Umrisse; die Lage war seltsam; Furcht wurde von Vertrauen überwogen. Ich warne den Leser bei Zeiten. Es geschieht wohl auch, daß größere Gefahr in den Büchern aufgefaßt und gefühlt wird, als sie wirklich war.

Es mußte dem Eseltreiber schon in Kairo erklärt worden sein, daß ich am gleichen Tage noch bis zum Dorfe wolle, welches von den Pyramiden am wenigsten entfernt liege. Ich schrie dem Eseltreiber oft ins Ohr, in den mannigfaltigsten Wortwindungen und Radebrechereien, um es ihm ja recht verständlich zu machen, daß ich in einem Hause die Nacht hinbringen wolle. Zum Ueberflusse gacksete ich noch etwas arabisch; reden konnte ich so nichts. Es war mir, als sollte ich einen Berg von der Stelle wälzen. Nicht ohne Ursache drang ich so begierig auf ein Dorf oder auf ein Haus. Als Lebensmittel hatte ich nichts, als etwas Brot und Zucker mit mir genommen. Ehe ich mich ver [S. 286] sah, saß ich vor den Pyramiden, vor den Trümmern an ihrem Fuße, vor dem Sphinxe. Nicht zu den Pyramiden, sondern in ein Dorf will ich, sagte ich mit dem Nachdrucke eines bebenden Gemüthes. Ja, ja, erwiederte der Araber. Es ging an der großen Pyramide hinauf — zum Eingange. Da sei das Haus, und gut zu liegen, stammelte der Bube. Durstig und hungrig sollte ich auf Stein mich niederwerfen, an der Wüste mich sättigen, und das Gebläse des kühlen Nordens athmen. Ich war kein Engländer, um meine Gesundheit an das Rühmchen zu setzen, daß man eine mondhelle Nacht in der dunkeln großen Pyramide verlebt habe. Hier wollte ich mit nichten bleiben.

Allah, rief ich und ich stieg hinunter. Mittlerweile fing ich an, etwas umsichtiger zu überlegen: zu essen brauche ich wenig, und wenn ich bloß vor dem Winde geschützt sei, so dürfte die Nacht wohl erträglich werden. Ich ließ mich auf einige Zugeständnisse ein; meine Leute hatten ohnehin keine Zuglust nach dem Dorfe. Im Reisen darf man nicht mit Unbeugsamkeit an Nebendingen hangen. Ich konnte mehr oder minder merken, daß in der Nähe ein Haus des englischen Konsuls uns als Herberge dienen sollte. Wie ich ankam — wieder kein Leben, nur ein mit einer Thüre verschlossener Pyramidenstumpf. Zu meinem Troste erspähte ich neben jener eine Art Fensterloch, das nicht unbequem [S. 287] schien, um mich zu beherbergen. Der Zugluft und den Thieren zu wehren, ließ ich die Lichtöffnung nach innen mit Steinen ausfüllen. Ich kroch hinein; den Kopf auf einem Gesimse, den Leib auf dem Steine, eine wollene Decke unter, den Mantel über mir, so lag ich, und noch nie auf einem antikeren, nur einmal auf einem ebenso schlechten Bette.

Die Leute thaten zu meinen Füßen an der Pyramide und auf dem Sande so recht behaglich, kauten mit Lustigkeit schmatzend ihre frischen Rettiche, und plauderten in fröhlichem Tone. Meines Durstes und meines Hungers nicht achtend, prüften sie eine Zeitlang meine Geduld. Ungeduldig endlich und drohend griff ich zur Karbatsche, mit den Worten: Bringet Milch und Wasser; voi mangiate ed io ho fame (ihr esset und ich habe Hunger). Das Ding war gut; zwei Männer rückten bewaffnet aus. Sie brachten, schon spät gegen Mitternacht, mit einem Drittmanne Milch und Wasser. Ich schätzte mich so glücklich, als unsere Väter, denen Manna vom Himmel herabfiel. Ich ließ die Milch aufkochen, und noch nichts auf der Welt schmeckte mir besser. Den Durst gelöscht, den Hunger gestillt, was wollte ich mehr? Zufriedenheit goß wieder ihren erheiternden und erwärmenden Sonnenstrahl in meine Seele, und nicht mehr drückte mich der Gedanke an eine Nacht im [S. 288] Freien. Wiewohl in der Wüste und unter unbekannten Menschen fand ich keine Gründe, um für Leben, und wenige, um für Eigenthum besorgt zu sein. Ich schlief ziemlich gut, ohne zu frieren, und ich würde noch besser geschlafen haben, wäre ich nicht von einer Maus und Fledermaus gestört worden. Fünfte Stazion des Elendes.

Als der Morgen des 6. herannahte, grübelte ich mit meinen, gegen Sonnenaufgang gewendeten Augen, das schwächste Grau ungeduldig aus dem hehren Dome. Die Morgendämmerung täuschte mich nicht mehr, nein, sie täuschte mich nicht mehr; auch verkündigte sie von Kairo her der Donner der Kanonen; ich begrüßte sie mit kindlich freudigem Herzen. Sobald der Tag heller war, verließ ich mit den fünf Männern den Pyramidenstumpf. Ich kam an einer Stelle vorüber, wo Nachgrabungen veranstaltet wurden. Es lagen auf der Oberfläche viel Menschenknochen, so wie Einbalsamirungsmaterie, wovon ich zum Andenken aufhob. Im Augenblicke, da ich hart an der mittäglichen Seite der großen Pyramide stand, empfing ich den demüthigenden Eindruck einer hohen Majestät; sie strebte gewaltig empor, wie auf den Bergen die letzte erhabene Zacke.

Bald befand ich mich wieder da, wo gestern, nämlich am Eingange der großen Pyramide. Am Lichte einer Kerze stieg ich hinunter, ging fort und hinauf. Ich be [S. 289] schreibe nicht die Gänge und Höhlen. Der Grabstichel des Künstlers stellt anderwärts deutlich vor Augen, was die Feder nur undeutlich vermöchte. Meine Bemerkungen beschränken sich auf Weniges. Der Besuch der Heiligthümer kostet wenig Schwierigkeiten. Ueberall guter Stand oder Halt oder beides. Der Saal des Königs ist sehr hoch, und einzig ein Sarg aus Granit unterbricht in demselben die Einförmigkeit.

Nach den französischen Gelehrten ergeben sich für die große Pyramide folgende Maße, die Verkleidung inbegriffen:

Höhe, 456′ 3″ 2‴ Wiener-Maß.
Kante, 689′ 6″ 6‴
Apothem, 584′ 8″ 8‴
Basis, 710′ 1″ 7‴

Der Flächeninhalt der Basis beträgt:

57,804′ 8″ 3‴ Wiener-Maß.

An den Pyramiden bewundert man mehr die Masse und Ausdauer der menschlichen Leibeskräfte, als die Feinheit und den Geschmack der menschlichen Geisteskräfte. Wenn man die ungeheuern Granitblöcke auf einander geschichtet sieht, so drängt sich zuerst die Frage auf: Wie war es möglich, dergleichen Lasten herbeizuschaffen? Darüber zu erstaunen, hat man nicht das größte Recht. Sobald [S. 290] man über viel Menschenkräfte und Hilfsmittel verfügen kann, läßt sich Großes vollenden. Vielleicht hält es nirgends leichter, mehr Menschenkräfte für Anderes, als für Brot und Hülle und Obdach zu verwenden, wie in Egypten. Denn der Boden gibt leicht und üppig; die Sonne übernimmt so viel Tagewerke, daß zur Erwärmung des Körpers, in und außer der Wohnung, wenig benöthiget wird u. dgl. Es kann nicht fehlen, daß, bei solcher Bewandtniß der Dinge, viel Hände, oder doch die Hände viel Zeit müßig bleiben. Wem entschwebt nicht die Muthmaßung, daß die Pharaonen den Müßiggang der Unterthanen als Quelle von Nachtheilen für den Einzelnen und als Träger von Gefährden für den, Staat ansahen, und daß sie darum auf Mittel sannen, um den Müßiggang nützlich abzuleiten? Ein Machtwort ohne Grund würde wahrscheinlich Murren unter dem Volke erzeugt haben; sie warfen den Mantel der Religion über die tief liegenden Plane, und es entstanden die größten, massivsten, wenn gleich nicht die kunstreichsten Grabmäler unsers Erdkreises. Die Pyramiden sind Grabhügel. Und so sagte ich treu, was ich einmal meine.

Jede der vier äußern Flächen der großen Pyramide läuft in Stufen bis auf die Spitze. Diese kann von außen leicht bestiegen werden; allein weil sie eben vom Nebel umschlichen [S. 291] war, leistete ich auf das Besteigen, als ein eiteles Geschäft, Verzicht. Hier wollte ich ebenso wenig die Rolle eines Engländers spielen, was ich gerne und offen gestehe.

Man wollte schon an dem Vorabende Bagschisch (Geschenk), darauf in, dann außer der Pyramide, und später, als ich gegen eine ihrer Schwestern fortritt. Hier konnte ich die Leute nicht mehr mit dem Versprechen beschwichtigen, daß ich am Ende ausbezahlen wolle. Ich hatte in Kairo nur so viel Geld eingesteckt, um den Eseltreiber und etwa zwei Führer aus dem letzten Dorfe befriedigen zu können, von der Ansicht geleitet, daß, bei meiner Unbekanntschaft mit der arabischen Sprache, alles Geld mir aus der Tasche geschwatzt werden könnte. Für die Milch bezahlte ich über Maßen. Jetzt schon war meine ganze Baarschaft auf vier Piaster heruntergeschmolzen. Einer der Führer fiel meinem Esel in den Zügel. Ich zeigte all’ mein Geld, und bezeugte, daß ich nicht mehr bei mir habe, daß ich aber das einzige Vierpiasterstück glatterdings nicht entübrigen könne, weil ich an einigen Orten für das Fahren über das Nilwasser bezahlen müsse, welche Kosten nicht vorangeschlagen waren, und weil ich ohne Geld nicht einmal zurückkehren könnte; es solle einer der drei Männer mich nach Kairo begleiten, wo ich dann denselben und zu seinen Händen auch die Uebrigen gehörig zufrieden stellen [S. 292] werde. Ich kann nicht glauben, daß ich verstanden wurde; denn man gab dem Anerbieten kein Gehör, und schwatzte mir das Goldstück und meinen Zucker aus der Tasche. Man ließ zu guter Letzte den Zügel los. Sechste Stazion des Elendes.

Ich ritt weiter, sah indessen keine Pyramide mehr an; selbst thäte ich den ungeheuern Androsphinx mit schelen Blicken regaliren, als ich, seinen Hügel von Kopf zur Linken, über den Rücken ritt, den tiefer Sand begräbt [28] . Ich seufzte unter dem Joche des Mißmuthes. Meine Beschützer gingen sämmtlich hinweg, und, allein mit dem Eseltreiber, sollte ich nach Kairo ohne Geld, durch Nebel, über Wüste und durch Wasser. Von meiner Unpäßlichkeit ohnedieß gereizt, hörte ich schon einige Krankheiten an der Pforte meiner Gesundheit pochen; ich rechnete hin und her, wie ich meine Peitsche zum Kaufe weggeben werde, um über das größere Wasser zu setzen u. s. f. Kurz, es war [S. 293] Nacht in meinem Gemüthe. Je fester Jemanden die gewöhnlichen Auswege versperrt werden, desto gewisser rafft er seine Kräfte zusammen, um ungewöhnliche ausfindig zu machen.

Plötzlich ging ein Stern der Hoffnung auf. Ich hatte die Gewohnheit, in einer Geheimtasche in Papier gepacktes Gold mitzunehmen. Ich wußte, daß das Päckchen fehlte; indeß dachte ich, daß ein Stück herausgefallen sein könnte. Ich spürte nach und, o holdes Glück, richtig glitt mir ein Goldstück in die Finger. Ich fühlte mich nun reicher, als hätte ich über Millionen zu gebieten, weil ich die Mittel besaß, fortan in pekuniärer Beziehung sorgenfrei nach Kairo zu ziehen. Daß der Begriff von Reichthum sehr relativ sei, mag einen Theil der Reichen verdrießen, aber doch die minder Begüterten trösten.

Zudem wählte der Eseltreiber einen andern und bessern Weg. Er richtete sich mehr gegen Mittag, und die Pyramiden von Sakâra rückten ziemlich nahe. Es war angenehm, über die vielen Dämme zu reiten; Wasser rechts und links; bald Feld, das aus dem Wasser eben auftauchte, noch naß, doch vom Fellachen betreten, bald Früchte tragendes Land. Ich konnte mich nie lebhafter als heute überzeugen, wie vielfach die Verbindungen zwischen den Dörfern von der Nilüberschwemmung erschwert werden. Der [S. 294] Weg führte über mehrere Brücken, unter welchen das Wasser rauschte, als wäre es fließend.

Die Ueberschwemmungszeit ist der Winter Egyptens und das Ueberschwemmungswasser der Winterschnee. Der Schnee ist auch Wasser, bloß gefrorenes. Wenn das Wasser abgeflossen, kommt der Frühling; so wenn der Schnee geschmolzen. Beide, Wasser und Schnee, decken das Erdreich.

Auf dem Rückwege wurde ich nur über drei kurze Strecken getragen, einmal vom Esel, dann aber vom Eseltreiber, weil jener das zweite Mal, gleich Anfangs, sammt dem Reiter, in den Schlamm stürzte. Siebente Stazion des Elendes.

Der Anblick Kairos und des Mokatam stimmten mein Herz zur innigsten Freude. Nach vierundzwanzigstündiger Abwesenheit war ich wieder in der Hauptstadt, die mich wie eine zweite Heimath ansprach. Die vierundzwanzig Stunden machen mir das Pyramidenland unvergeßlich. Diese Schilderung belehrt, daß zur Ueberschwemmungszeit an den Besuch der Pyramiden von Memphis (Gizeh) sich ungewöhnliche Mühseligkeiten knüpfen.

Es gibt nichts angenehmeres, als nach großen Anstrengungen wieder auszuruhen, und nichts Süßeres, als den Widerwärtigkeiten des Lebens aufrichtig zu zürnen. Es war mir ein Labsal, den ganzen Zorn auf die Wasser, die Füh [S. 295] rer und die Pyramiden zu entladen. Ich wollte über trockenes Land, da denn die mannigfaltigen Hindernisse der ausgetretenen Wasser; ich wollte zu rechter Zeit mich mit Speise und Trank erquicken, da denn die geschäftige Folter des Hungers und Durstes; ich wollte eine Wohnung unter Lebendigen, da denn das harte Ruhekissen der Pyramide in der wüsten Todtenstadt. Wie ein Kind, dem man einen Spiegel vorhält, nach seinem Bilde greift, so langte ich nach einer Reihe von Truggestalten. Wer kennt nicht die Gespenster, die unablässig sich bemühen, die arme Seele des Menschen irre zu leiten?

Wegweiser in und um Kairo.

Erster Tag. Man verfügt sich an einem Morgen frühe nach dem Nile, darüber zum Garten Ibrahim-Paschas . Von da nach dem Aquädukt. Von hier nach Altkairo und dem Nilometer. Nun sieht man das armenische und koptische Kloster, in letzterem Mariens Altar, und dann die große Moschee A’mrus . Man reitet über Turâb-el-Seydeh Omm Kàsim zurück. Nachmittags begibt man sich zum Konsul, der bis zum folgenden Tage die Erlaubniß für den Eintritt in den Garten von Schubbra auswirkt.

[S. 296]

Zweiter Tag. Man reitet, aber nur nicht an einem Sonntage, auf die Burg; hier der Jussufsbrunnen. Auf dem Rückwege bewundert man die Gräber von Kâyd-Bei. Abends reitet man nach dem Schubbragarten.

Dritter Tag. Man kann das Militärkrankenhaus, den Esbekiehplatz, etwa einen Brutofen ansehen, zur Zeit der Fütterung im Katzenstifte sich einfinden.

Vierter Tag. Gehe man zu Fuß, um die verschiedenen Bassar zu durchmustern, denn auf dem Esel, der manchmal gallopirt, schwinden die Gegenstände zu schnell am Auge vorüber.

Zwei Tage erfordert der Weg nach Abusabel, und ebenso viel derjenige über Sakâra nach den Pyramiden von Gizeh.

Daraus erhellt, daß die Merkwürdigkeiten, dazu noch der Hassantempel, die Kadettenschule u. dgl. in wenigen Tagen besehen werden können, wenn man sie nur gehörig in die Zeit zu vertheilen weiß.

Die Ritte sind nicht kostspielig. Für einen Tag rechnet man fünf Piaster (nicht einmal 40 Kreuzer R. W.). Reitet man den Esel einen halben Tag, so gibt man dem Treiber höchstens drei Piaster (etwa 23 Kreuzer R. W.).

[S. 297]

Rückblick auf Kairo.

In dieser weitläufigen Stadt verbrachte ich mehrere der angenehmeren Tage meines Lebens, und ich gestehe, daß ich mich ungerne von ihr trennte. Die Verschiedenheit der klimatischen Einflüsse und Hervorbringnisse, die Ungleichheit der Sitten und Religionsgebräuche, die Sonderbarkeit in den politischen Einrichtungen und so vieles Andere hielten meine Seele stets in reger Gespanntheit, dergestalt, daß Langeweile in Kairo mich nie angähnte.

Kairo ist ein großes, altes Weib, das falsche Haartouren, Brillen und Krücke trägt; aber es vermag seine Runzeln nicht spurlos auszuglätten, noch seine grauen Haare ganz zu verbergen, noch seinen halbblinden Augen die volle Sehkraft zurückzugeben, noch seinen gekrümmten Rücken in das Senkblei zu bringen. Wofern nicht ein wundersam belebender Hauch aufs neue die Adern der Alten durchdringt, so wird sie über nicht sehr lange von hinnen scheiden, und ihr Grabmal wird dann wegen der schauerlichen Größe über die Grabmale beider Todtenstädte spotten.

Reise durch die Wüste nach El-Arysch.

Verspätete Abreise; Dromedarwechsel; der Pole; Hunger; Hochzeitsspektakulum; Postillon; Dromedarthränen; Kartoffel [S. 298] kunst; Ausmöblirung der Wüste mit Kameelgerippen; Kinderspiel mit Datteldornen; Eremitage à la Rousseau ; Dorfschaft Kâtieh mit Allerlei; Fata Morgana; Sirbonis lacus ; ein besseres Getränke als Champagner; Idumäa u. s. w.

Ich war Willens während der sehr angenehmen Frühlingszeit länger in Kairo mich aufzuhalten; der Umstand aber, daß ich in der kältern oder Regenzeit durch die Wüste reisen müßte, und daß eben ein Pole, ein Kapitän aus der letzten Umwälzung, welcher des Arabischen kundig war, über El-Arysch nach Syrien sich begeben wollte, bewog mich, den Aufenthalt abzukürzen.

Weh that es mir, daß sich keine Gesellschaft zur Unternehmung der Reise über Suez nach Jerusalem hervorthun wollte.

Um an die syrische Küste zu gelangen, hätte ich zwar über Damiate zu Wasser reisen können; allein mehr denn ein Grund leitete mich durch die Wildniß: nicht nur lauteten die Nachrichten, daß zu Lande keine Kontumaz gehalten werde, sondern ich wollte auch die Süßigkeiten und Bitterkeiten einer Wüste selbst kosten. Lebenserfahrungen sind echte Reichthümer des Menschen.

Der polnische Offizier besorgte die Thiere. Er zog Dromedare vor, weil sie sanfter gehen, und die Hälfte Wegs mehr in einem Tage zurücklegen als die Kameele. [S. 299] Jeder von uns nahm ein Thier für sich, und eines bestimmten wir für den Geleitsmann. Die Gepäcke wurden mehr oder weniger gleichmäßig auf die Lastthiere vertheilt.

Am Tage meiner Abreise hatte ich keine geringe Noth. Ich sollte mich bereit halten, daß ich vor Sonnenaufgang aufbrechen könne. Schon des Morgens verfügte ich mich zum österreichischen Konsul, um den Reisepaß zu holen. Jetzt stellte sich eine Schwierigkeit entgegen. Ich sollte den städtischen Auslaßschein haben, und der Ausfertiger war abwesend; ich beschwerte den Konsul an diesem Tage mehrere Male. Er ließ sich die Sache sehr angelegen sein, und wie sich die Aussicht allenthalben trüben wollte, befahl er seinen Leuten, daß man auf die Ausfertigung dringen sollte, koste es, was es wolle. Schon lag die Nacht eine Stunde über Kairo, als ich eines Auslaßscheines noch entbehrte, indeß der Pole zur Abreise fest entschlossen war. Endlich langte der Dragoman sammt dem Janitscharen und einem Menschen in dem Hause, wo ich wohnte, an, um mir den Auslaßschein und die Erlaubnißkarte für den Eintritt in den Schubbragarten zu überreichen. Letztere traf freilich zu spät ein.

Sonntags den 8. Wintermonat.

Ich bin nicht im Klaren, ob der Pole oder der Besitzer der Dromedare mich in unnütze Geschäftigkeit jagte. Der [S. 300] Geleitsmann kam mit seinen hochbuckeligen Thieren erst etwa zwei Uhr nach Mittag. Die getäuschte Erwartung spannt auf die Folter.

Der Dromedar stand so schnell auf, daß ich mich zusammennehmen mußte, um nicht zu stürzen. Noch beschaute ich die Gassen Kairos, die Leute und — Esel unter meinen Füßen. Wir ritten aus einer Stadt in die andere, von einem Thore zum andern, bis wir, wenn ich mich so ausdrücken darf, das Ufer des Meeres von Häusern erreichten.

Kairo ist gleichsam ein Gemengsel von Städten. Außer den Umfangsthoren, womit nach Außen die Stadt gesperrt wird, besitzt jedes Quartier seine eigenen Thore, damit es geschlossen werden könne. Das Isoliren der Stadt in ihre Viertel haben die Despoten gar weise berechnet. Bricht in einem Quartiere eine Empörung aus, so werden die Thore desselben auf der Stelle gesperrt, und der Aufruhr beschränkt sich auf einen Theil der Bevölkerung und zwar so völlig, daß man in den übrigen Stadtvierteln die Vorfallenheiten manchmal erst später erfährt, mag auch im heißen Kampfe nicht wenig Blut geflossen sein.

Schon begann der Dromedar zu traben. Er schüttelte mich so kräftig, daß ich das Reiten nicht hätte aushalten können. Ich bestieg einen andern, und nun ging es recht gut. Das Reiten machte mir nur geringe Schwierigkeiten; [S. 301] es war mir bloß nicht am beßten zu Muthe, wenn der Dromedar aufstand oder sich niederließ.

Steht der Dromedar oder das Kameel auf, so stellen sie erst die Vorderbeine auf. Dabei neigt sich der Rücken von vorne nach hinten, und der Reiter bewegt seinen Körper vorwärts. Darauf stellen die Thiere sich auf die Hinterbeine und der Rücken des Dromedars oder Kameels bekommt die entgegengesetzte Neigung nach vornen, wobei der Reiter seinen Körper rückwärts bewegen soll. Lassen die Thiere sich nieder, so fallen sie zuerst auf die vordern, dann auf die hintern Knie, wobei der Reiter sich verhalten muß, wie wenn jene aufstehen. Eigentlich senkt sich der vordere und hintere Theil des Körpers abwechselnd unter zwei Malen. Nach und nach gewöhnt man sich auch an diese Bewegungen der Thiere recht leicht. Die eigene Art Gebrüll, welche sie dabei und beim Packen erheben, spricht den Fremden Anfangs unangenehm an, so daß er versucht werden könnte, zu wähnen, sie seien böse und bissig. In den Jahren der Kindheit hatte ich keine geringe Furcht vor dem Kameele mit seiner wunderlichen fremdartigen Figur, und wenn ich damals sah, wie ein Mensch sich erkühnte, solch’ einen Brüller zu besteigen, so erlangte mein Mitleiden für jenen den höchsten Grad. Die fremde buckelige Gestalt und das starke Gebrüll täuschen in gleichem Maße. Ka [S. 302] meel und Dromedar gehören zu den zahmsten Hausthieren unter dem Monde.

Vor der Stadt sahen wir eben die Rekruten sich in den Waffen üben, unter wildem Pfeifen und Getrommel.

Beim Einbruche der Nacht kehrten wir in Chanka , dem ehemaligen großen Lagerplatze der egyptischen Armee, zu. Ich war müde und hungrig. Wir betraten die Hausschwelle eines polnischen Angestellten, und er segnete uns mit einem freudigen Empfange. Seine Frau, eine Koptin, war eben auf Besuch in Abusabel bei ihrer Schwester, einer Prosessorin. Er ging die Heirath unter der Bedingung ein, daß er treu sein wolle, so lange er sich in Egypten aufhalte. Ein Kind, welches ich sah, hatte weit mehr ein koptisches als ein polnisches Gepräge. Dieser Pole soll ein tüchtiger Gelehrter sein. Er sprach in der That sehr unterrichtet, z. B. über den Unterschied der koptischen Religion; allein, erst müde und hungrig, dann schläfrig, verlor ich fast alle Aufmerksamkeit. Der Geist mag sich noch so unabhängig dünken, er muß doch abwechselnd die Herrschaft dem Körper abtreten. Unser Gastfreund setzte Pillau vor, der mir vortrefflich schmeckte.

Zu Hause kann ein ganzes Jahr vergehen, bis ich hungere . Die Befriedigung des Hungers ist wirklich ein großer irdischer Genuß. Ich war, wie viele Andere, ein [S. 303] Stundenmann. Wenn die Glocke schlug, mußte, ohne viel Nachfrage nach der Eßlust, gegessen werden. Auf der Reise wird diese Rechenkunst zur Null, und der Verbrauch der Kräfte durch die Uebungen des Leibes weckt dem gesunden Menschen Appetit. Man sollte daheim sich zur Richtschnur nehmen, mehr aus Nothdurft, als aus Gewohnheit zu essen, und man würde eine Menge Genüsse sich bereiten, und manche Uebel verhüten . Es gehört zu andern Verkehrtheiten des Menschen, daß er die schlichte Wahrheit im Ganzen so wenig würdigt, und daß die blendende Lüge so bald und so leicht in sein Herz eindrückt.

Den 9.

Um zwei Uhr Morgens reiseten wir bei hellem Mondscheine ab. Gegen Morgen blitzte es dann und wann, was ich unter unserm Himmel bei heißer Witterung wahrnahm, ohne daß sie sich zum Donnern und Regen entschied.

Wir kamen durch schön bebaute Landschaften und kurz nach Sonnenaufgang zu dem Dorfe Bèlbeys , wo wir bei der Post auf einer Anhöhe im Freien uns niederlegten, um zu speisen.

Abends erreichten wir das Dorf Légrẻn , und blieben auf der Post in einem Zimmer über Nacht. Ich holte [S. 304] meinen ganzen Schulwitz heraus, um Feuer anzumachen. Ich vergeudete so viel egyptische Schwefelfäden, daß der Schwefeldampf unsern europäischen Lungen bedeutend zusetzte. Ein Araber, naturwitziger, als ich schulwitzig, zauberte das Feuer flugs daher, und ich buk Eier in meinem Kochgeschirre. Das Gericht gerieth so gut, daß es auch meinem Reisegefährten mundete.

Als ich mich schon schlafen legte, erhob sich ein wildes Gelärm und Gejauchze unter Schalmei- und Tamburtönen. Es ward eine Hochzeit gefeiert. Ungefähr so lärmt man in der Schweiz, wenn man, mit Erlaubniß, einen Ochsen im Triumphe von der Schießstätte zum Wirthshause führt.

Morgens hatten wir einen Begleiter; von Bèlbeys wollte er uns in die Wüste führen. Wir trauten ihm nicht, vielleicht mit Unrecht, und wir ließen ihn reiten, seelenvergnügt, daß wir seiner los wurden.

Den 10.

Auch diese Nacht nahm ich das gleiche Blitzen wahr. Als ich vom Schlafgemache herunterstieg, lagen andere Leute noch im Schlafe auf dem Dache. Früh Morgens ritten wir mit einem Polizeidiener (Kafaß) von Gaza, welcher seinen Kondukteur hatte, davon.

Die letzte und diese Poststazion sind, wenn die Mit [S. 305] theilung des Kapitäns Glauben verdient, wegen der Räuber am gefährlichsten. Wir frühstückten in Salehyeh , einem Dorfe mit einer Post, wo die eigentliche Wüste beginnt.

Es langte eben die Post an. Der Postillon trug um dem Haupte einen Turban, und unter dem Kinne einen langen Bart, und über dem Leibe einen langen, faltigen Mantel (Abba). Das Posthorn schmetterte nicht, noch knirrte das Rad; nur sanft patschte die Hufe des Dromedars auf, und kein besonderes Abzeichen war an der Kleidung des Wüstenpostillons erkenntlich. Darin sind die Europäer sehr erfinderisch, einem Jeglichen sein passendes Hanswurstkleid zu geben. Einzig trug der langtrabende Dromedar am krummen Straußhalse eine kleine Glocke, was sich wohl schickt, damit die Räuber zu rechter Zeit erinnert werden.

Jetzt ging es in die Wüste, und als wir tiefer in derselben uns befanden, begegnete uns zu Fuße ein Derwisch (ein mohammetanischer Pfaffe) mit fliegenden Kopfhaaren und langem Barte. Es ist merkwürdig, daß die Wüste immer noch ihre Weltüberwinder begeistert. Es wäre vielleicht doch schon mit den alten Säulenheiligen genug gewesen. Sage wenigstens dem blinden Religionszwange: In der Wüste ist Freiheit des Glaubens.

[S. 306]

Die Wüste war nicht so kahl, wie ich sie mir vorstellte. Viele Sodagewächse bekleiden sie zur Steppe. An den meisten Orten zeigte sich dieselbe so, wie ein Kartoffelfeld mit seinem einsam stehenden jungen Kraute. Hie und da erhoben sich kleine Hügel, uns in der Aussicht Abwechselung zu verschaffen.

Auf meinem Dromedare traf mich ziemlich ferne von menschlichen Wohnungen der Unfall, daß er sich reisemüde niederließ. Unverzüglich hob der Geleitsmann das Gepäcke ab; jener stand auf, und trug mich weiter. Es ist eine bekannte Thatsache, daß die Kameele oder die Dromedare auf die Kniee sinken, sobald man sie überladet. Uebrigens war mein armes, an einer Lungenkrankheit leidendes Thier sehr schwach, so daß es beinahe umfiel. Der polnische Reisegefährte rief in seiner Hastigkeit, daß unser Unglück mehr als gewiß sei. Auf dem ermüdeten, kranken Thiere wäre allerdings bei einem etwaigen Ueberfalle die Flucht unausführbar gewesen. Ich war kalter Skeptiker und ritt weiter mit Gelassenheit. Fürchtet man Alles, so hat man doch nichts mehr zu befürchten, und so gewährt wenigstens der Blick in die Zukunft Beruhigung.

Mit unnennbarer Freude erblickte ich gegen Abend auf einer kleinen Anhöhe das Posthaus. Ehe wir dabei anlangten, kamen wir hie und da über einen aufgedämmten [S. 307] Weg (Brücke), arabisch Kantâra . Der Europäer würde das Posthaus zu Kantâra nicht erkennen, und winkt es dem Wanderer doch freundlicher, als der stattliche Postpalast in Paris. Man denkt mit wonnigem Gefühle beim Anblicke der Posthütte, daß man hier unter Menschen Schutz und Ruhe finde. Dem plattdächigen Posthäuschen gegenüber stand mittagwärts eine Art Pavillon, von Dattelblättern gebaut. Weiterhin gruppirten sich einige Zelte für die Polizeisoldaten. Bei Kantâra zieht vor den Blick eine kleine Bucht des Sees von Menzaleh ( Tanis lacus ), und in seiner Nähe steht ein Brunnen, welcher, wenn ich nicht irre, Byr-el-Dueydar heißt.

Wir waren von dem Durste stark geplagt. Wir schleppten bloß eine Wenigkeit Wasser, nicht einmal in den festesten Thierfellen, mit, so daß eines Morgens mein Bein ganz naß wurde, weil, wegen der schlecht angeordneten Ladung, dasselbe über einen Wasserschlauch gehalten werden mußte. Diese kleinen Vorräthe sollten bis El-Arysch ausreichen. Ich kostete das Wasser zu Kantâra, und fand es salzig (kochsalzig); weil mein Durst aber sich wenig um den Gaumen bekümmerte, so gab ich mich zufrieden und trank. Ich lasse andere Aerzte ihre Qualen erzählen, welche sie von den immer anderes und anderes Getränke verlangenden Kranken zu erdulden haben; ich beschränke [S. 308] mich auf die Bemerkung, daß nur der schwache Durst schwer befriedigt wird, und daß man bei wahrem Durste trinkt, was flüssig ist . Um meine heiße Trinklust einmal ordentlich zu löschen, kochte ich Kartoffeln (die 75 Prozent Wasser enthalten), nachher stößerte ich sie und versetzte sie mit Wasser, worauf sie mit Butter abgekocht wurden. Diese Speise hatte gerade die erwünschte Salzigkeit und schmeckte dem Hungrigen. Sonst verursachte mir das Wasser weder Erbrechen, noch andere Beschwerden.

Begreiflich suchten wir hier den Unfall, welchen uns der Dromedar bereitete, wieder auszusöhnen. Wir versprachen dem Posthalter, einem schön gestalteten und bieder scheinenden Manne, hundert Piaster für einen Dromedar bis El-Arysch. Die Verheißung einer nicht ganz unbeträchtlichen Geldsumme und die Thränen des Reisegefährten, welche dieser über unser Mißgeschick vergoß, vermochten den treuen Postbeamteten nicht zu erschüttern. Er antwortete mit kurzen Worten, daß auf Auslieferung der Thiere, ohne Requisizion der Regierung, das Leben hafte. Was war wohl zu thun? Man mußte sich, ob gerne oder ungerne, in das eiserne Schicksal fügen. Wir vereinigten uns zuletzt in dem Vorhaben, morgen meinen Dromedar ohne Gepäcke versuchsweise zu reiten, was er wahrscheinlich aushalten [S. 309] werde. Verläßt uns die Hilfe der Menschen, so vertrauen wir wieder gerne der Vorsehung.

Den 11.

Wir brachen bei Zeiten auf. Mein Dromedar lebte einmal noch, und zappelte unter mir weiter, damit doch die Augen des Hauptmanns, nein, ich sage, unsers Schicksals trocken werden. Wir hatten den ganzen Tag Sandhügel vor den Augen, und wären diese wirklich naß geblieben, so hätte es uns an Stoff nicht gefehlt, sie trocken zu streuen. Der Weg führte uns über mehrere Hügel und war beschwerlich wegen des lockeren Sandes. Das Thier glitt bei jedem Schritte einen halben Fuß tief in denselben. An der Post Duedâr , welche an die Abendseite eines Hügels sich lehnt, ritten wir vorüber.

Um meinem armen Thiere Erleichterung zu verschaffen, stieg ich hier ab. Mein Gehen war außerordentlich mühselig, gerade so, wie bei uns, wenn der Schnee sehr weich ist, daß man mit dem Fuße tief einsinkt und rutscht. Wie der Sandstaub, so ist eine lügenhafte, trügerische Seele ohne Festigkeit, ohne Halt, ohne Zusammenhang. Ich dauerte das Reisen zu Fuße nicht lang aus; denn ich fühlte Leere im Magen, und bald drückte die Hitze. Den Weg fand ich übrigens ziemlich angenehm. Fortan waren in den [S. 310] Sand die Sodagewächse gesteppt, worin sich die Vögel belustigten. Bald sprang Gewild vorüber, wenigstens Gazellen und ein Schakal (Fuchs). Auf dem meistens deutlichen und breiten Wege durchmusterte ich die Stapfen der Menschen und Thiere, oder die Kameelgerippe, welche, wie gebleicht, auf dem ganzen Wege oft wahrzunehmen sind. Allerdings athmet mehr Leben in der Wüste, als auf dem Meere; selten aber begegnete uns ein Sterblicher.

In der kleinen Oase (Wüsteninsel) Bir-Anoß , welche die Dattelbäume freundlich stimmen möchten, kehrten wir an, uns zu erfrischen. Hier ergötzte mich ein Spiel der Kinder. Sie spießten an drei Datteldorne eine Dattel. Da vergruben sie Datteln nahe an einander in den Sand. Jetzt warf Einer nach dem Andern jene drei an der Dattel vereinigte Dorne nach den unsichtbaren im Sande vergrabenen Datteln, und wer am meisten an den Dornen hervorzog, trug den Sieg davon. Das Spiel will eben nicht viel Gewandtheit, und zeugt von Gewinnlust.

Als wir dann weiter rückten, entzückte mich ein Palmenwäldchen am Fuße der Morgenseite eines Hügels. Die Schalmei erklang lieblich aus dem einsamen Haine. Dort waren Hirten angesiedelt. Diejenigen Araber, welche die Freiheit der Unterwürfigkeit vorziehen, entfernen sich lieber von den Menschen, als daß sie nach den Gesetzen und Lau [S. 311] nen eines Fürsten leben. Daher wurde selbst die Wüste zum Theile bewohnt. Mich mahnte oft die Wüstenei an unsere Berge und die Leute der Wüste an unsere Bergleute. Einst trieb die Freiheitsliebe die Allemanen vom Rheine auf die Berge der Schweiz. An beiden Orten, in der Wüste der Berge wie der Niederung, waltet mehr oder minder Oede für ein einsiedlerisches Leben. Es ist denkbar, daß man sich an die mit Sodagewächsen bekleidete und mit Hügeln bedeckte Sandwüste ohne viel Ueberwindung gewöhnen könne.

Es verdient, bemerkt zu werden, daß in dieser Gegend die Sandhügel, ihrer eigenthümlichen Form wegen, Pyramiden gleichen. Dieselben sind so glatt vom Winde ausgeblasen, wie unser Schnee oder unsere Windwehen. Sie ziehen im Allgemeinen von Osten nach Westen.

Ehe wir die Post erreichten, genossen wir auf dem letzten Hügel eine sehr ausgedehnte und wahrhaft erquickende Aussicht — Wieder etwas Wassermangel. — Der Dromedar trug mich bis hieher die meiste Zeit, und mit Leichtsinn vergaßen wir bald den gestrigen Kummer.

Wir entschlossen uns, in Kâtyeh zu übernachten. Man wies uns in der Post ein Zimmer an. Es waren so eben auch Mann, Weib und Kinder eingetroffen. Um sich das Reiten bequem zu machen, saßen sie in geflochtenen Kasten [S. 312] (Schekdof), einander das Gleichgewicht haltend. Die Frau begab sich in das Harem.

Kâtyeh ist ein kleines Dorf mit zwei kleinen Moscheen ohne Minaret. Die Gebete werden an denselben gar fleißig und laut vom Muezeinn (Thürmer) gesungen. Abends, etwa anderthalb Stunden nach Sonnenuntergang, glaubte ich in der Schlaftrunkenheit den Nachtwächterruf zu hören; ich vernahm die silberne, lieblich ernste Stimme des Asche (des fünften Gebetes). Die Wohnungen der Dorfleute, einfacher als alle, so ich bisher sah, sind ohne Dachung. Dattelblätter bilden die große Einzäunung einer Vorrathskammer; darin lag eben ein Haufe Mais. Weil aber der Wind bisweilen den Sand hineinstäubt, so werden die Leute genöthigt, den letztern von Zeit zu Zeit wegzuseihen. Der Vorrathskammer schließen sich die Wohnungen in Form des griechischen Π an; sie sind mithin auf einer Seite ganz offen für Sonnenhitze und Regen.

Auf die Kunde, welche sich in dem wilden Dorfe verbreitete, daß ich ein Arzt sei, kam ein etwa fünfzigjähriger, dürrer, kinderloser Mann mit seiner zum Geschenke bestimmten, rothen Mütze voll Datteln, mich zu fragen, was zu thun sei, damit er Kinder bekomme? Ich hätte den Mann mir jung gewünscht, um wegen einer Antwort nicht in Verlegenheit zu gerathen. Als ich in der Runde spazieren [S. 313] ging, schauten die Weiber und Kinder wie närrisch meine gelb metallenen, glänzenden Knöpfe an, und als ich ihnen meine Taschenuhr zeigte, so sperrte die Bewunderung gar im höchsten Grade ihre großen Augen auf. Laut lachten die weitmundigen, entschleierten Weiber.

Den 12.

Der Weg zog über Hügel gegen Berlaupt . Als ich hier abstieg, fror es mich so nachhaltig, daß ich mich ans Feuer setzte, und nach der Spende der Sonne sehnte. Junge Burschen, die uns umgaben, machten freundliche Mienen, und ich glaubte an ihnen schon einen Uebergang in den weißen Stamm zu bemerken. Vor meinen Augen wandten sie mit ebenso viel Gleichmuth, als Gewandtheit das Glüheisen bei einem Pferde an.

In der Besorgniß, daß mein Dromedar mitten auf dem Wege erliege, sahen wir uns nach einem andern um. Der Posthalter war vor wenigen Tagen gestorben, und die jungen Sprößlinge von leichtem Stoffe, wie Spinnengewebe, trugen kein Bedenken, uns ein Thier anzuvertrauen, so ernstlich auch die im Harem verborgenen Weiber, als würdige Stellvertreterinnen des zarten Geschlechtes, dagegen schreien mochten; nur forderten jene zu stark. Wir wurden endlich einig; schnell ging man, den weidenden Dromedar zu holen.

[S. 314]

Nun hatte ich einmal einen guten Läufer, und die Wüste wurde für mich ein Paradies. Indeß bot die Gegend hier auch wirklich die reizendsten Partien dar. Auf einmal kamen wir in einen großen Kessel. Ein Theil des Bodens sah aus, als wenn er mit gefrorenem Wasser und Wasserpfützen überzogen wäre. Dieses Schauspiel gab unser Weg öfter, und eines Morgens konnte ich mich kaum überzeugen, daß ich, statt gefrorenen Wassers, krystallisirtes Salz vor mir hätte. Wie wir aus dem Kessel herausrückten, welch’ Entzücken. Eine ungeheure Ebene, gleich einer Eisdecke, dehnte sich aus, mit einer Lehne gegen Sonnenaufgang, welche die Einbildung zu Seeufern umschuf. Im Nordost spielte die Täuschung mit Palästen einer in großer Ferne liegenden Stadt, und im Norden mit dem Meere. Man durfte dem frohlockenden Herzen kaum offenbaren, daß die Fata Morgana eine Wüste ohne ein einziges Grün sei. In meinem Leben noch nie sah ich eine so vollendete Landebene. Wie sehr ergötzt schon ein kleines, ebenes Gartenbeet; hier aber stelle man sich die stundenlange und stundenbreite Fläche vor. Freilich findet man dergleichen bloß auf kurz angenehm; auf längere Zeit widert die Einförmigkeit an. Wir durchschnitten jetzt andere große Salzebenen, und erst begriff ich die einsamen Schrecknisse der eigentlichen Wüste . Gegen Mitternacht gewann der weiße Salzboden [S. 315] ein so gefälliges Ansehen, daß er an glänzendem Weiß dem Alabaster nicht nachstand. Ein dumpfes Brausen, das ich von der Linken her hörte, blieb mir lange unerklärlich. Den Gruß entsandte das gleichsam hinter der Bühne schwebende Meer; denn von Salzfluthen bot sich nicht eine dem Auge dar. Daß der durchrittene, muschelreiche Boden ein Wassergrund war, leidet keinen Zweifel. Wahrscheinlich breitete sich hier der Sirbonis lacus (Sirbu) aus, der einst 150 Meilen im Umfange hielt und zur Zeit des Plinius nur ein mäßiger Sumpf mehr war. Von der alten Stadt Ostracine (Straki) erblickte ich keine Spur.

Die Poststazion war überaus groß. Doch langten wir vor Untergang der Sonne in Choanat , dem Ziele unserer heutigen Reise, an. Der Postmeister, ein recht artiger Mann, bewirthete uns mit süßem Trinkwasser aus El-Arysch, womit uns ungemein gedient war. Wir würden Champagner-Wein nicht vorgezogen haben. Auch durften wir uns etwas darauf zu gute thun, daß er uns nicht, gleich andern Reisenden, unter freiem Himmel lagern ließ, sondern gastlich in seine Wohnung aufnahm.

Die Posthütte war für mich nicht ohne Interesse. An ihren Mauern bemerkte ich mehrere Versteinerungen. Der kranke Postmeister verlangte von mir ärztliche Hilfe. Es liegen indessen solche Wünsche so augenscheinlich auf der [S. 316] Hand, daß ich sie in der Folge schwerlich mehr berühren werde.

Freitags den 13. Wintermonat.

Mit Tagesanbruch bestiegen wir die Dromedare; ich wieder meinen alten. Rechts erging sich mein Auge an den Sandbergen. Unter den Füßen starrte Salz und Salz. An manchen Stellen bildete dasselbe weißen Krystall, an andern lag es zerbröckelt, grau und mit Sandkörnern vermengt. Eine Weile lang machte ich allein den Weg in der Wüste. Da schritt ein Beduine daher; bald kam auch ein anderer, und beide grüßten einander. Mir schien die Sache nicht geheuer. Ich machte mich in Gedanken mit einem Angriffe vertraut. Auf Hilfe hätte ich wohl nicht zählen können; in der Wüste wäre jeder Hilferuf umsonst verhallt. Ich erblickte kein anderes Wesen in der weiten Runde, als die zwei Beduinen. Ich ritt theilnahmlos an ihnen vorüber; sie schauten mir einige Augenblicke nach, und dann gingen auch sie ihres Weges. Ein solches Begegniß wäre unter andern Umständen ganz unbedeutend gewesen, und auch unter diesen will ich keineswegs mir einbilden, daß ich in Lebensgefahr gestanden habe. Die übrige Zeit hatte ich den Kameeltreiber zum Gesellschafter, der sich fort und fort in seinem kopfstimmigen Singsang gefiel. Nach einem mehrstündigen [S. 317] Ritte erhob sich endlich am Horizonte zu meiner Freude das Meer, das brausende.

Heute begegneten uns überhaupt nicht selten Menschen und viel beladene Kameele. Am Meeresstrande ging es dann fort bis zu einem mit Grün umgebenen Brunnen, wo ich den Polen mitten unter mehrern Leuten und Thieren einholte; denn da mein Dromedar schlecht trabte, ritt jener rücksichtslos weiter. Menschen, die sich um Andere nicht bekümmern, sollten, zu ihrem eigenen Beßten, eine geraume Zeitlang weder ein vernünftiges Geschöpf sehen, noch hören. Unter den am Brunnen gelagerten Leuten befand sich ein Beduine, auf dessen Luntenflinte man mich aufmerksam machte. Von dieser lachenden, kleinen Au, in deren Umgegend wahrscheinlich das alte Rhinocorura in Idumäa (Edom) oder genauer im Lande der Amalekiter (Beduinen), nach Andern in Egypten lag, waren wir bald bei El-Arysch .

Werfen wir einen Rückblick auf die Reise. Unzweifelhaft gewährt sie ihre eigenthümlichen Reize und Vortheile. Wer möchte in der theilweise kahlen und leblosen Wüste von Gespensterfurcht geplagt werden, weil etwa ein Baumwipfel lispelnd sich neigte, eine alte Eiche knarrte, ein faules Holz schimmerte, eine Maus nagte, ein Holzbock bohrte? Wer möchte sich bangen, daß eine Eule schrie, gleich als wenn [S. 318] unsere alten Mütterchen ohne das Eulengeschrei nicht sterben könnten, und so alt werden mußten, wie der ewige Jude Ahasverus ? Und so ungehindert kann man in der Wüste wandeln. Weder einem glänzenden Könige muß man ausweichen, noch von einem lumpigen Bettler wird man angehalten. Wenden wir uns jetzt von der Lichtseite auf die Schattenseite. Wiewohl Person und Eigenthum während der Reise durch die Wüste, so zu sagen, sicher sind, so möchte ich dieselbe nicht geradezu rathen, weil sie in überwiegendem Maße beschwerlich und mehr Unglücksfällen preisgegeben ist. Wer seltene Merkwürdigkeiten schauen will, darf aber Opfer nicht scheuen.

Es verdient Würdigung, daß durch die Wüste Posteinrichtungen bestehen, und daß somit das menschenarme Land gleichsam in den Bereich der Kultur gezogen wurde. Dem schaffenden und durchgreifenden Geiste des Mehemet-Ali müssen wir auch hier Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wir dürfen indeß nicht in Vergessenheit bringen, daß die Posteinrichtungen keinen allgemeinen, sondern einen speziellen, keinen bürgerlichen, sondern einen militärischen oder Regierungszweck haben. Der Postillon nimmt keine Pakete an. Die Briefe gehen nicht regelmäßig. Es scheint, daß diejenigen Privaten einer besondern Begünstigung be [S. 319] dürfen, welche der Wohlthat einer ordentlichen Verbindung durch die Post theilhaftig werden wollen.

Uebrigens sind Kameel- oder Dromedarposten nicht das Erdachtniß unserer Zeit. Schon Salomo Schweigger redet von der Kameel- oder Dromedarpost. Zu Rosette, sagt er, hab’ er eines Tages Einen sehen auf der Post reiten „auff einem Cameel“ oder „Dromedar.“

Unsere Reise dauerte fünf Tage und fünf Nächte. Wir brachen in der Regel sehr frühzeitig bei Nacht auf, lagerten und ruheten am Morgen und Abend, im letztern Falle bis über Mitternacht. Wir legten ebenso in der Regel täglich zwei Posten, nur einmal drei zurück, so daß im Ganzen von Kairo bis El-Arysch elf Stazionen gezählt werden. Mit Wassermangel würde man sich im Grunde vergeblich martern, weil das Wasser auf allen Posten genießbar ist, und von den Leuten daselbst wirklich genossen wird. Wir haben freilich lieber einigen Wassermangel gelitten, als mit salzigem Wasser unsern Durst gänzlich gestillt.

Die Witterung war während der Reise schön, die Nächte vom Monde beleuchtet, die Mittagshitze auf dem Thiere leicht erträglich, und nur an ein paar Morgenstunden verspürte ich strengere Kühle. Es ist gut, wenn man sich gegen die Morgenkühle durch Kleider wohl verwahrt. Das Bedürfniß dem Auge ringsum sich anschließender Steppen [S. 320] brillen gegen den Sandstaub fühlte ich niemals bei der Windstille oder bei dem sehr leisen Winde, die während meiner Reise herrschten, so angelegentlich man mir jene, als etwas Unentbehrliches, in Kairo empfahl.

Statt mit Freudigkeit, erblickte ich die auf einem Sandhügel einsam stehende, niedrige Moschee von El-Arysch eher mit Mißmuth; denn hier wartete auf uns die Quarantäne. Zelt an Zelt, Leute, Kameele, Esel bezeichneten im bunten Neben- und Durcheinander die Gesundheitsanstalt. Wir schauten nach einem Zeltplatze. Eben gefiel uns einer, als es hieß, daß heute dort drei Personen an der Cholera starben. Unter solchen Umständen suchten wir uns, so viel als möglich, abzusondern, und wir schlugen unser Zelt an einem erhabenen Orte, mit der Aussicht auf das Meer und die Wüste, auf das Gebirge des steinigen Arabiens in der Ferne, und auf die in der nahen Vertiefung liegenden Zelte eines Bei, mit Namen Mustafa , eines Gardeobersten. An das Zeltleben noch nicht gewöhnt, sollte ich zwölf Tage hier verbringen, ein Gedanke, der wie Blei auf mein Herz drückte.

Mir that es leid, mit dem Oberaufseher der Quarantäne gleich Anfangs mich zu zerwerfen, als er uns auf einer günstig gelegenen Stelle nicht sitzen lassen wollte. Ich machte ihm vorstellig, daß es unsere Pflicht sei, für [S. 321] die Gesundheit beßtens zu sorgen, daß keine Regierung, welche für die Menschheit mit Achtung durchdrungen sei, uns die Besetzung eines Lagerplatzes von Krankheiten zumuthen könne, und daß, wenn man meinem Wunsche nicht willfahre, mir in Aussicht gestellt sei, die Anstalt nach Verdienen in Europa bekannt zu machen. Dieser Worte Stachel empfand der Mann so lebhaft, daß er einige Schritte vorwärts ging und dann bemerkte: „Ich schicke Sie zurück, wenn — —“ Er wurde endlich nachgiebig, indem er uns an dem ausgewählten Orte das Zelt aufrichten ließ, worauf ich nun gerne schwieg.

Die Quarantäne in El-Arysch.

Gefängniß unter dem Zelte; Regen; Mangel und Ueberfluß; Koch und Küche; Schreibpult und Schreibsand; Macht der Gewohnheit; Mustafa-Bei und seine Frauen; Minnesinger; ein freies Wort über die Einrichtung der Quarantäne.

Der Oberaufseher der Anstalt war aus Livorno gebürtig und von Beruf ein Apotheker. Er schien ein guter Mann zu seyn; auch ließ er sich später mit uns recht freundlich an. Ich vernahm aus seinem Munde kein einziges wissenschaftliches Wort. Wenn ich fragte, welche Krankheiten in diesem Dorfe endemisch herrschen, wie die Sterblichkeit sich verhalte, ob die Cholera in der Nähe [S. 322] oder Umgegend seuche u. s. f., so erwiederte er selbstzufrieden mit nichtssagenden Empfindungswörtern. Oefter wiederholte er den Schmatzlaut, dessen sich der Araber bedient, um sein la (nein) zu ersetzen. Kenntnisse sind keine Last, nur ihr Erwerb ist schwer. Es würden weit mehr Menschen ernster nach jenen streben, wenn sie nur, ohne eine Dornenbahn zu betreten, dazu gelangen könnten. So wenig hassen sie, selbst unwissendere und unthätigere, die Kenntnisse, daß sie vielmehr solche häufig genug an Andern beneiden. Es ist übrigens eine über Geisteshoheit und Gemüthsglück Gedanken mächtig anregende Eigenthümlichkeit, daß wissenschaftlicher Indifferentismus oder Liebe zum Leeren und Leichten manchmal aus nicht minder heiterem Auge strahlen, als große Schocke von Wissen.

In Begleitung eines Arztes oder Halbarztes aus der Abusabler-Schule [29] und eines Effendi Dragoman kam der Direktor zu Pferde in der Regel täglich zweimal, am Morgen und Nachmittage, bloß um nachzusehen, ob die Zahl vollständig sei. Als wir, ein Trupp von fünf Män [S. 323] nern, anlangten, ließ er den Namen mehr nicht, als eines Einzigen aufschreiben; man erkundigte sich nicht einmal, woher wir kämen. Nach dem Gepäcke ward so wenig gefragt, als dieses untersucht. Mein Reisegefährte, der polnische Kapitän, schüttelte den Direktor scherzend an den Schultern. Ein benachbarter, kontumazirender Türke, der mehrere Tage nach uns eintrat, hieß, in der Lust, einen unserer Dromedare zu kaufen, seinen Bedienten das Thier reiten. Ich möchte das merkwürdige Schauspiel des Wettrennens auf den Dromedaren im Lazarethe jedem Europäer gegönnt haben. — Einmal ging ein Knecht des Mustafa-Bei ohne Erlaubniß, die Esel auszutreiben. Er wurde dafür mit Stockschlägen bestraft. Ich kann dies so weit bezeugen, daß ich selbst den Schatten des fliegenden Prügels hätte wahrnehmen können, wäre ich darauf aufmerksam gewesen. Der Bei selbst stattete uns einmal einen Besuch ab. Tages vorher pfiff eine Kugel über unsere Köpfe und sank ermattet einige Schritte von uns in den Sand. Ich richtete meinen Blick umher und erkannte den Bei als Thäter. Er wollte eben persönlich sich damit entschuldigen, daß er bloß nach dem Meere geschossen habe, um die Flinte von der Ladung zu befreien; und der Mann, der bei einem Franken wegen eines Schusses sich entschuldigte, ist ein Türke . Es traf sich gerade zu, daß der [S. 324] Direktor in die Quarantäne ritt, als der Bei bei uns weilte. Er fuhr diesen barsch an, daß er die Gesundheitslinie überschreite. Kennst du den Befehl der Regierung nicht? fragte er ihn. Wenn man erwägt, wie oft die Quarantäneordnung, um den mildesten Ausdruck zu wählen, verletzt wird, so muß eine solche einseitige Strenge als lächerlich oder gar als eine Kinderposse erscheinen. Strenge kann immerhin ihren beredten Anwalt bekommen, wenn ihre Nothwendigkeit und Nützlichkeit über den Zweifel hinausliegen; es glättet sich um so mehr ihr rauhes Aeußere ab, je gleichmäßiger und gerechter sie in allen Theilen gehandhabt und je Größeres und Edleres ihr zum Lohne wird. An der Anstalt befinden sich mehrere Marketender. Der eine ließ das Geld eher in den Sand werfen, bis er es annahm; der andere ergriff es aus dem Wasser, wenigstens vor den Augen des Direktors; der dritte steckte das Geld ohne Zeremonie ein, je mehr je lieber. Die Marketender setzen sich keineswegs außer alle Berührung mit den Kontumazirenden. Ich nehme keinen Anstand, die Behauptung aufzustellen, daß von ihnen eine ansteckende Krankheit verschleppt würde.

Wüste und Meer sind Gottes Mauern, welche die Quarantäne umringen. Ohne Aufsicht, doch mit Erlaubniß, begaben sich der Kapitän und ein Türke, jener Kafaß [S. 325] (Polizeidiener), der durch einen Theil der Wüste in unserer Gesellschaft reisete, ans Meer, um sich darin zu baden. Zum Spazieren lag weiter Raum offen. Die Kameelführer trieben ihre Thiere zur Weidung in die Steppe. Nachts konnte man unschwer einen Abstecher ins Dorf machen, von wo man auch Besuche erhielt. Man war sicher, daß von den trägen Quarantäneaufsehern die Leute der Anstalt zur Nachtzeit nie überrascht wurden.

Auf der Wanderung durch die Wüste wiegte ich mich in der süßen Hoffnung wenigstens auf ein ordentliches Obdach. Kleine Sandhügel mit den Vertiefungen dazwischen waren der Quarantäneplatz und Zelte das Wohngebäude. Ich hoffe, daß die Verfasser von Handbüchern die Definizion einer Quarantäneanstalt erweitern, und wen die morgenländische Sitte mit Zaubergewalt an sich zieht, dem möchte ich den Aufenthalt in der El-Aryscher-Quarantäneanstalt empfehlen. Er kann da unter Zelt schlafen, wie unsere Erzväter Abraham , Isaak und Jakob ; ihn werden die Kameele höchlich ergötzen, das eine liegend, ein Wiederkauer mit mürrischen Hänglefzen, das andere auf allen Vieren stehend, das dritte auf drei Beinen, weil, um das Thier im Gehen zu hemmen, das vierte aufgebunden wurde; die Esel werden unseren Dilettanten vor Tagesanbruch mit einer Ouvertüre entzücken, gegen welche [S. 326] die sogenannten Meisterwerke Rossini’s nichts, als klägliche Machwerke sind.

Und nun zu unserem Zelte. Ein schmutziges, übelriechendes, löcheriges, kleines Zelt war das ganze Obdach zweier Männer. Ich wußte nicht, ob es den nämlichen Tag, als ich mich unter ihm legte, Leichname gedeckt habe. Ich mußte diesen Gedanken immer plötzlich entfernen, damit er in meinem Gemüthe nicht das Gleichgewicht störe. El-Arysch besitzt einen Reichthum an süßem, gutem Wasser, und die Vorsteher der Anstalt geizen mit ihm, daß sie nicht einmal die Zelte waschen lassen, obschon die Zeit des waschenden Regens nicht vier Monate lang dauert.

Ich richtete mein Bett möglichst gut ein, deckte des Nachts mich ganz, selbst über dem Gesichte, zu, und ich schlief leidlich, ohne zu frieren. Mehrere Tage machte es unter dem Zelte sehr heiß, ja heißer, als in Alexandrien und Kairo. Schwarzes Gewölke drohte einige Tage mit Wasser. Ich hoffte immer, es werde, uns verschonend, sich zerstreuen. Es war vergebene Hoffnung. Der Regen, der so lange nicht mehr in meiner Nähe fiel, netzte unser Zelt und unsere Kleider. Das Schicksal war in der That etwas herbe, und wenn ich es rühmen wollte, so müßte ich der Wahrheit untreu werden. Die Hälfte unserer Quarantänezeit begleitete regnerische Witterung. Doch darf man [S. 327] sich die Sache nicht gar so böse vormalen. Die Witterung beobachtete ihre Nachlässe, und während der letzteren fanden wir leicht Zeit, Zelt und Kleidung zu trocknen. Die Temperatur war über die Regenzeit nicht kalt, vielmehr günstiger, wie vorher, insofern, daß sie weit minder wechselte. Bei wenigen Graden blieb sie Tag und Nacht dieselbe. Ich muß gestehen, daß sie mir vollkommen behagte.

Mit den Marketendern hatten wir mehr, als einmal Schwierigkeiten, da sie die Speisen nicht zu rechter Zeit brachten. Die ersten zwei Tage fühlten wir auf befremdende Weise einigen Nahrungsmangel; denn wir konnten, außer Brot, keine Lebensmittel uns verschaffen. Später hingegen hatten wir eher Nahrungsüberfluß, wenigstens Butter und Schaffleisch, Hühner und Eier, Reis und Brot genug. Dessen konnten sich wohl nicht alle Kontumazirende rühmen. Einen Tag nach unserer Ankunft verlautete es, daß drei Personen starben, — nach der Versicherung des Direktors, an der Cholera. Es wäre möglich, daß diese Personen den Folgen des Hungers oder einer schlechten Ernährung erlagen. Keine Oberaufsicht auf die Lebensmittel haltend, überläßt der Direktor die Kontumazirenden den Launen und Erpressungen der Marketender. Man wäre fast geneigt, vor Gott den Mangel der Anordnung zu beklagen, daß derjenige, welcher am [S. 328] Unglücke Anderer aus Theilnahmlosigkeit Schuld ist, nicht sogleich mitfühlt. Die Fahrlässigkeit des Direktors geht so weit, daß er nicht einmal für eine Apotheke sorgt. Es möchte nun in der Quarantäne erkranken, wer nur wollte, an eine geregelte ärztliche Behandlung dürfte man nicht denken; ein blinder Zufall oder die Kraft der heilenden Natur müßte des Kranken sich erbarmen und ihm die Gesundheit wieder schenken.

Butter, Reis und Fleisch waren unsere Elemente zu schmackhaften Gerichten. Ich kochte selten. Ich war allezeit linkisch ohne die häuslichen Bequemlichkeiten, und mit dem Feueranmachen kam ich bei den wenigen Hilfsmitteln am wenigsten zurecht. Auch unser arabischer Geleitsmann, — ich nenne ihn erst jetzt bei seinem Namen Abu-Tropo , — übertraf mich weitaus in dieser Sache [30] . Wenn er nur ein Glimmchen hatte, so umstreute er es mit Stroh, hielt dieses an den Wind und bald fing es Feuer. Gelang es auf diese Weise nicht, so befächelte er jenes mit seinem breit gestreiften Abba. Dagegen kochte beinahe im [S. 329] mer der Kapitän, und zwar verstand er dieses Geschäft vortrefflich. Ueber dem englischen Halbbraten aus unserer Küche im Freien vergaß ich wegen seiner Güte jeden aus einem Gasthofe. Der Holzmangel machte uns mehrere Male guten Rath theuer. Bald krabbelte Abu-Tropo den Dromedarmist zusammen und zündete ihn unter unsern Kochgeschirren an; bald, und das meist, ging er aus, Holz, Stroh oder das staudige Sodagewächs der Steppe zusammenzulesen. Man half sich wohl oder übel, übel zumal dann, wenn der ungezügelte Wind den Regen in das Feuer peitschte. Der Kafaß lebte ein wenig einfacher, als wir. Knetete sein Bedienter den Brotteig in dem dicken und großen Napfe, welchen er auf der Reise mit sich schleppte, so brannte schon ein Haufen Kameelkugeln. Sobald diese in Asche verwandelt waren, legte er den in einen großen Kuchen geformten Teig in die heiße Mistasche. Ein wenig gebacken, und man brach und aß. Mit Zwiebeln, solchen Kuchen, altem arabischen Käse und mit Wasser bereitete sich der Kafaß ein Mahl, welches mein eigensinniger Gaumen verschmähte. Auch wir rösteten einmal, in Ermangelung des Bessern, den Kaffee in der heißen Asche des Dromedarmistes. Schlimmer, als unsere Küche war jedoch das Viktualienmagazin bestellt. Einmal über das andere wurde uns Brot, das dritte Mal eine Keule Fleisch, das vierte [S. 330] Mal ein hübscher Holländer-Käse gestohlen. Durch diese Erfahrung wurden wir zum mindesten etwas vorsichtiger gegen die Raubthiere. Weil Abu-Tropo während der Reise mit zu langen Fingern nach unserm Brote langte, so schöpften wir zuerst auf ihn Verdacht, bis ich in einer Nacht das raubende Thier mit der Beute aus unserm Zelte eilen sah.

Die Zeit vertrieb ich mit Schreiben, Lesen, Kochen, Spazieren und Schlafen. An zehn Tagen setzte ich mein Tagebuch so weit fort, daß ich an jedem Tage beinahe müde ward, und im Ganzen wenig Zeit verlor. Die Noth macht erfinderisch. Ich vermißte mein Federmesser, und ein chirurgisches Bistouri versah seine Dienste. Ich saß auf meine Matratze, nahm das Kissen auf die seitlich gesenkten Kniee, legte das Papier auf diesen Polstertisch und schrieb in solcher Beschränkung recht leicht; ich dachte sogar selten an Unbequemlichkeit, selbst wenn die Regentropfen auf dem Papiere die Tinte neckten. Ich genoß doch des Vortheiles, keinen Mangel an Schreibsand zu leiden; denn nicht nur mein Lager umränderte schöner und feiner Sand, nämlich derjenige der Wüste, sondern selbst aus dem Bette konnte ich ihn fassen, welcher des Nachts sich die ungebetene Mühe gab, zum Ersatze des Stundenrufes mich an die Sandwüste zu erinnern.

[S. 331]

Besonders während meines Aufenthaltes in der Quarantäne stellte sich die Wahrheit in lebhaften Farben vor die Seele, wie viel Bedürfnisse und Bequemlichkeiten der Mensch entbehren kann, wenn er nur will oder, so zu sagen, muß. Wie würde ich zu Hause oder in einem Wirthshause gemurrt haben, wenn man mir keinen Tisch zum Schreiben oder keinen Sessel zum Sitzen gebracht hätte? Ohne diese Bequemlichkeit schrieb ich Vieles und, ich darf bei guten Treuen versichern, nicht mehr Undenkwürdigkeiten, als vor dem glatten Tische und auf dem weichen Lehnstuhle. Wenn nur ein Wind unsanft ins Zimmer bläst, wie runzelt man die Stirne? Unser Zelt war so löcherig, daß der Wind oben freiherrlich lustwandelte, ohne sich vor den Kopf zu stoßen, und ich nahm gar keine Notiz mehr von der Wind — beutelei. In dem Brotkuchen, einem schlechten und schweren Gebäcke, fand ich Haare und Spreue. Anderes Brot war nicht zu bekommen, und ich schätzte es so sehr, als unser weißes. Läßt die Köchin ein einziges Haar in die Suppe fallen, man hebt einen Spektakel an, daß die Balken des Hauses sich biegen; welch ein Kapitalverbrechen hat sie begangen; allerwenigstens packt man die Verbrecherin bei den Zöpfen und jagt sie fort. Ich liebe die Reinlichkeit von Hause aus; bei der Unausweichlichkeit aber, im Leben draußen mit unreinen Dingen hin und wie [S. 332] der fürlieb nehmen zu müssen, drängten sich mir manche Widersprüche der Europäer auf. Kann man viel Unreinlicheres ersinnen, als jenes Ekelhafte in ein Tuch auffangen und bei sich aufbewahren ? Der Athem eines Andern kann höchst unreine Stoffe ausführen, und wir athmen diese ganz vergnüglich ein. Beinahe jedes Geldstück trägt seinen Schmutz. Wir betasten gleichwohl das Geld und das Brot so oft und oft am gleichen Tage und mit der gleichen Hand, ohne diese zu waschen.

Die Macht der Gewohnheit ist groß, und man denke sich nicht bald etwas so schlimm, an das man sich nicht mit Zeit und Weile ziemlich leicht gewöhnen könnte. Die Gewohnheit macht das Schwere nach und nach leichter, das Harte gelinder, das Bittere süßer. Die Vorstellungen verdüstern das menschliche Leben am meisten. Die Gegenwart erscheint selten so herbe, als das ängstlich wartende Gemüth sie noch unten in der Zukunft zu fühlen glaubt.

Unser Nachbar, der mehrerwähnte Mustafa-Bei , hatte seine Zelte in einer Telle aufgeschlagen, welche unser Auge beherrschte. Den Preis des schönsten Zeltes verdiente das Haremzelt, das heißt, der abgesonderte Ort der Frauen Beiïnnen. Dieses Zelt war grün, und als Zierde verbreitete oben ein Stern seine goldenen Strahlen. Von [S. 333] dem Hauptzelte lief ein Zeltgang in ein kleines Zelt, dessen Nutzen sich leicht errathen läßt. Die Frauen, vier an der Zahl, gingen selten aus. Die Kinder hörte ich zuweilen bis in unser Zelt weinen. Die Dienerschaft des Offiziers war sehr zahlreich. Das Aufbrechen aus den Zelten zwei Tage vor unserer Abreise gewährte einen köstlichen Anblick. Der morgenländische Luxus belud über zwanzig Kameele mit Gepäcke. Die Frauen verließen wie Gefangene das Harem, die Erstbegünstigte voran. Schöner grüner, auch rother Zeug umkleidete die Sitze (das Schekdof) auf jeder Seite des Lastthieres.

Unsere Luft erfüllten die Vögel mit vielstimmigem Gesange. Der Rabe krächzte, die Schwalbe zwitscherte, der Staar pfiff, wie bei uns der eben flügge gewordene, und der Sperling schnarrte in die Leier des Zeisigs. Vor dem Witterungswechsel und während desselben sah ich Staare mehrere Male in der Richtung von Sonnenaufgang gegen Niedergang schaarenweise vorüberziehen. Einmal schwärmte der Storch hoch gegen Kairo. Nachts, bei Grabesstille, brausten die in unzähligen Muscheln des Meerufers gefangenen Wellen mein Ohr voll.

Erheben wir uns jetzt mit ruhiger Fassung auf den Standpunkt, um einen Gesammtüberblick auf die Quarantäne zu werfen, so wird man die gute Absicht, Länder, [S. 334] hier Syrien, vor der Pest zu sichern, nicht mißkennen, man wird sie ehren; man kann sich aber nicht bergen, daß, in dem gegebenen Falle, das Mittel dazu nicht nur unzureichend ist, sondern sogar die Menschen herabwürdiget. Denn das Sittengesetz erlaubt nie, daß man krankmachende Anstalten, gleich der vor Augen liegenden Quarantäne, ins Dasein rufe, um einen krankheitsschützenden Zweck zu erstreben, wenn zu gleicher Zeit, wie hier, vom krankmachenden Mittel, wenigstens zum Theile, Umgang genommen werden kann. Will Mehemet-Ali das zweckmäßige Sperrsystem der Europäer nachahmen, so soll er ihm nicht Kopf und Hände abschneiden, er soll es in seinem ganzen Umfange aufnehmen, er soll wenigstens Gebäude aufführen, worin der Kontumazirende doch vor dem Ungestüme der Witterung möglichst sicher bleibt. Wie froh wäre ich gewesen, wenn nur eine elende Araber-Hütte, dergleichen man in Alexandrien und an den Gestaden des Nils und auf den Hosch in Kairo sieht, zu meiner Verfügung gestellt worden wäre. Man wird vermuthlich entgegnen, daß das europäische Sperrsystem in seiner Ganzheit befolgt, bloß den Sitten und den Verhältnissen der Leute und des Landes angeeignet ward. Diesen schweren Irrthum widerlegt nichts gründlicher und triftiger, als die Quarantäneanstalt zu El-Arysch selbst, insofern man sie mit unbe [S. 335] fangenen Augen betrachtet. So lange man in der That dem unwidersprechlich großen Uebel nicht steuert; so lange wird der aufmerksame Beobachter in der fraglichen Anstalt nichts, als ein Blendwerk für die Bewohner der vorwärts liegenden Länder erblicken, so lange kann er auch den Gedanken an eine ungerechte und grausame Behandlung der Kontumazirenden nicht daniederhalten.

In Kairo besteht ein Gesundheitsrath, welcher das Gesundheitswohl der vizeköniglichen Unterthanen, eigentlich mehr der Soldaten, überwacht. Es wäre gut, wenn er nicht nur die anzustellenden Aerzte der Armee und der Quarantänen, die Lehrer der Schule zu Abusabel dem Kriegsminister vorschlüge, etwa einige Arzneiformeln für die angestellten Aerzte entwärfe, die Pestordnung abfaßte, sondern wenn er allenthalben genauer beaufsichtigte . Die Inspekzionsreise eines gewissenhaften Arztes nach El-Arysch müßte die Frucht bringen, daß einem Unwesen, welches das menschliche Gefühl in seiner Tiefe beleidigt, Einhalt gethan würde. Wenn mich jemals ein Kitzel zum Schreiben an eine fremde Behörde angewandelt hätte, so würde ich ihn diesmal gefühlt haben, um dem Präsidenten des Gesundheitsrathes, Clot-Bei , und dem zweiten Mitgliede, Dr. Gaëtani , die Schattenseite der Quarantäne zu schildern. Ich ging für einmal über die Sache mit Stillschweigen [S. 336] hinweg, mich glücklich genug schätzend, daß ich während der Zeit meines Gefängnisses von keiner Krankheit ergriffen ward.

Die letzte Nacht in der Quarantäne verlief nicht, ohne daß uns ein Kapitel über das Eigenthumsrecht gelesen wurde. Thiere schlichen in unser Lager, und wirklich ward ein, mittels einer Schnur innen an das Zelt gebundenes lebendes Huhn von einem Hunde oder Schakal geraubt.

Ende des ersten Bandes.


Verbesserungen im ersten Bande .

S. 7 Z. 4 von oben lies Salvore statt Savore .
25 1 einem Andern st. einen Andern .
10 unten bunt darauf, der Dorfschulze, versteht sich, am breitesten. Cesare etc.
36 1 oben setze nach Gebirge ein ,
44 10 lies Vor gutem Winde.
48 12 unten anhaben st. anheben .
53 11 vor st. von .
64 5 oben streiche nach Mela das ,
68 9 unten lies Wild- st. Waldgewächse .
7 unsanft st. umsonst .
72 5 u. 4 von unten streiche zu observiren .
74 8 von unten lies asphyktisch st. asphytisch .
92 1 oben welcher st. welches .
95 6 von dem Abendländer .
122 3 Geknirre st. Gewirre .
131 6 Schubbra st. Subbra .
137 6 unten Chamsîn st. Chamasîn .
142 11 oben lebt st. liebt .
148 6 unten seinen Flitter .
151 3 oben Gîsa st. Gisâ .
163 9 unten fischartige st. frischartige .
170 8 oben Gebrauch st. Geruch .
178 8 bekehren st. belehren .
212 9 unten des Gürtels st. der Gürtel .
213 11 oben lösche es .
219 2 lies stächen st. stechen .
254 4 unten Abbate Casti gli animali .
261 1 von dem Mitmenschen.
272 11 oben setze ein : nach Klinik .
278 7 lies echt st. recht .
279 8 erwecken st. erzwecken .
280 9 unten Matthiolus .
284 9 ritt st. will .
287 10 ed st. e .
298 4 oben setze ein ; vor Idumäa .
305 9 lies knirrte st. kirrte .
306 8 er st. es .

Nicht sinnstörende Druckfehler (z. B. 1, 19 Schemmel st. Schemel , 1, 103 Letze st. Letzte , 1, 123 faullenzt st. faulenzt , 1, 181 schlossen st. schloßen , 1, 211 pauckte st. paukte , 1, 303 Regen st. Regnen , 2, 162 Montag st. Montags ), insbesondere der Interpunkzion, wenigstens im ersten Bande (z. B. S. 8 , 26 , 28 ), so wie auch die Ungleichheit in der Rechtschreibung (z. B. Kroazien neben Kroatien , lange Weile neben Langeweile , Pfennige neben Pfenninge , Bogen neben Bögen , Reiß neben Reis ) wolle der Leser selbst verbessern.


Inhalt des zweiten Bandes .

Seite
Reise nach Jerusalem 1.
Einige geographische Bemerkungen über Syrien 13.
Einige Bemerkungen über die verschiedenen Religionsbekenntnisse der Bewohner in Syrien 15.
Gaza 28.
Fortsetzung der Reise nach Jerusalem 30.
Ende der Reise dahin 38.
Jerusalem.
Oertliche und klimatische Verhältnisse 46.
Gesundheitszustand und Bevölkerung 52.
Bauart der Stadt 53.
Die Kirche des Christusgrabes 56.
Liegt das Grab Christi in oder außer der jetzigen Stadt Jerusalem? 63.
Die Gräber der Könige 69.
Die Grabhöhle der Maria 71.
Die Grabmale Absaloms , Josaphats und Zachariassen 72.
Der Brunnen Siloah 73.
Die Felsanhöhe Zion 75.
Der Oelberg 79.
Die übrigen Merkwürdigkeiten 81.
Physiologischer Karakter der Einwohner 82.
Sitten und Gebräuche 83.
Die Tracht 84.
Das Kriegsvolk 87.
Die Pilger 94.
Der Geist der Christen 97.
Der Ablaß der römisch-katholischen Kirche 99.
Der alte deutsche Pater und die große Apotheke 102.
Meine Zelle im Kloster des Erlösers 104.
Der Führer um und in Jerusalem 106.
Rückblick auf Jerusalem 108.
Ausflug nach Bethlehem 110.
Die Beschiffung des Lothssees 115.
Nach Jaffa am Mittelmeere 116.
Jaffa.
Lage, Gassen, Hafen, Bevölkerung 121.
Jaffa, wie es ehemals war 123.
Die Tageslänge 125.
Witterungsbeschaffenheit 127.
Der Meeressturm und der Schiffbruch 128.
Gesundheitszustand 132.
Auf dem Hospizdache 136.
Das Bauernhäuschen 138.
Das Quarantänegebäude oder Pestlazareth 145.
Die Jaffanerin kommunizirt, besprengt sich 147.
Der Jaffaner 149.
Die Pilger 150.
Die arabische Knabenschule der Lateiner 152.
Der Gruß 156.
Die Brautwerbung und die Hochzeit 159.
Die Wöchnerin und das Kind 167.
Wiegenlied und Kinderjucks 170.
Die Verehrung der Todten 173.
Die Rekruten oder die Konskribirten 176.
Das Weinen oder die Raserei am Neujahrstage 1836 179.
Ibrahim-Pascha 184.
Kleine Petschaften oder Siegel 186.
Der Hakim 187.
Die Fleischbank 189.
Der Zuckerrohrmarkt 191.
Der Tabakschneider 193.
Der Nargilebediente; die Rauchvirtuosität 196.
Der Kaffeeröster und Kaffeezerstößer 197.
Der Baumwollereiniger und Schilfdeckenweber 199.
Der wandernde Schiffer und Kinderspiele 201.
Spiel der älteren Leute 202.
Meine Lebensart 205.
Ich lese die Bibel 209.
Ein Pater sagt, ich werde des Teufels 210.
Wie die Gleißnerei im Namen der heiligen Religion einen Unschuldigen prügelt; laue Konsulats- und Mönchspolizei 212.
Der Konsul Damiani ; mein Besuch in seinem Hause 217.
Vorbereitung zur Abreise 222.
Nach Rhodos 226.
Rhodos.
Lage, Himmel, Volkszahl 236.
Die Stadt Rhodos 238.
Das Leichenfeld 241.
Die Bewohner; das lateinische Hospiz; Knabenspiel; große Hähne 243.
Der Abend im Schiffsraume 247.
Spaziergang gegen Trianda 248.
Nach Konstantinopel, Triest und heim 251.
Anleitung zu der Pilgerfahrt nach Jerusalem 256.
Schlußbetrachtungen 267.

Bei Orell , Füßli u. Comp. in Zürich ist erschienen und in allen Buchhandlungen zu finden:

Appenzellischer

Sprachschatz.

( Idioticon. )

Eine Sammlung

appenzellischer Wörter, Redensarten, Sprüchwörter, Räthsel, Anekdoten, Sagen, Haus- und Witterungsregeln, abergläubischer Dinge, Gebräuche und Spiele, würzender Lieder oder Reime; nebst analogischer, historischer und etymologischer Bearbeitung einer Menge von Landeswörtern, zum Theil nach altteutschen Handschriften der katholischen Kantonsbibliothek in St. Gallen,

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von

Dr. Titus Tobler.

gr. Real-8. 522 Seiten. Weiß Druckpapier.
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Es bedarf nur eines flüchtigen Blickes in diese ausgezeichnete, verdienstvolle Sammlung, um ihren Werth zu erkennen und sie lieb zu gewinnen. Hier ist der weltbekannte, fröhliche, kräftige Witz des Appenzellers in seiner originellen Volkssprache, sein heiterer, freier Geist in den mannigfaltigsten Aeußerungen und Beziehungen auf das Leben reichlich ausgebreitet. Gründliche Sprachforschung und gleichzeitig anziehende Unterhaltung wechseln in buntem Gemische.

Freunde des schönen Alpenlandes, die Kurgäste, so jährlich Gais und die übrigen Kurorte des Kantons Appenzell besuchen und mit den Bewohnern desselben in Berührung kommen, erhalten durch diesen Sprachschatz den Schlüssel zu mancher geistreichen und originellen Aeußerung, die sonst größtentheils für sie verloren geht oder unverständlich bleibt. Ihnen, sowie den gelehrten Sprachforschern überhaupt, darf dieses, von dem achtungswerthen Herrn Verfasser mit unermüdlichem Fleiß entworfene, lebendige Volksgemälde, eine wahre Bereicherung öffentlicher Bibliotheken, mit Zuversicht anempfohlen werden.

Original-Abbildung


Fußnoten:

[1] Unicuique dedit vitium natura creato. Catull. II. 18.

[2] Das so oft vorkommende Wort Araber kann keinen Anstoß geben. Man nennt Araber, die arabisch sprechen, Deutsche, die deutsch reden, und auch die Schweizer heißen zum Theile Deutsche. Die arabische Sprache herrscht aber nicht bloß in Arabien, sondern auch in Syrien und im ganzen Norden von Afrika. Darum wird der Egypzier so oft Araber genannt.

[3] Prosperi Alpini medicina Aegyptiorum . Editio nova. L. B., officina Boutesteinia, 1719.

[4] Da ich eine genauere Beschreibung der Krankenhäuser für das größere Publikum nicht berechnen durfte, so übersandte ich sie dem Herausgeber der schweizerischen Zeitschrift für Natur- und Heilkunde, (Heilbronn bei Drechsler), Herrn Professor von Pommer , wo auch andere auf der Reise gesammelte medizinische Kleinigkeiten aus meiner Feder sich finden. S. II. Band 2. Heft S. 314 ff., III. Bd. 1. Heft S. 130 ff., und III. Bd. 3. Heft S. 435 ff.

[5] Er erlag der Pest in der pestfreien Zeit, wenigstens in einer Zeit, da die Europäer keine Vorsichtsmaßregeln gegen die Pest nahmen. Die Nachricht seines Ablebens erhielt ich, nachdem ich schon von Alexandrien abgereist war. Vierzehn Tage vorher drückte ich die Hand des wackern Landsmannes, Herrn Wehrli , wenn ich nicht irre, aus dem Kanton Aargau.

[6] ... ut a propinquarum urbium plebe verri sibi vias, et conspergi propter pulverem exigeret. Suetonius aus dem Leben Caligula’s (XLIII).

[7] „Ich wagte nicht“, sagt Dr. Jakob Röser (224), „in die Höhlen zu kriechen, theils wegen meines Uebelbefindens, von dem ich noch nicht ganz frei war, theils der Schlangen und des Ungeziefers wegen, das sich häufig darin aufhält.“

[8] Ich kenne im Deutschen kein Wort für den morgenländischen Sitz mit kreuzweise über einander geschlagenen Beinen. Um kurz zu reden, wählte ich hocken ; von Prokesch schreibt hockern . Wenn die Leute, zumal häufig die Weiber, eigentlich kauerten, oder mit aufgehobenen Knieen saßen, so will ich mich auch so ausdrücken. Hocken klingt für die Abendländer freilich niedrig; aber es wäre für diese auch nicht fein, schneidermäßig hinzusitzen.

[9] Um der Wahrheit nichts zu vergeben, finde ich mich zu der für mich unangenehmen Bemerkung verpflichtet, daß die an einem Tage zurückgelegten Ortschaften nur für dasjenige Ufer eigentlich verläßlich sind, wo wir ankehrten, weil ich damals der Sache nicht genug Aufmerksamkeit schenkte, um zugleich den Namen des Ortes am anderseitigen Ufer zu erfragen, welcher dem Uebernachtungsplatze am nächsten lag. Meine Ortsnamen weichen hin und wieder von denen des von Prokesch ab, indem ich der verbessernden Hülfe des französischen Dragoman vertraute. Wenn z. B. eine Dorfschaft nicht wieder in diesem Verzeichnisse aufgeführt wird, so muß der Grund darin gesucht werden, daß sie seit von Prokeschs Nilfahrt verschwunden ist. Müssen im Abendlande außerordentliche Umstände zusammenfließen, bis ein Dorf der Erde gleich wird, so ist es in Egypten anders, wo das furchtbare Szepter des Wütherichs am Haare der Laune hängt, und die leichtfertige Hand der Landesknechte sich Schwalbennester baut. Wer auf eine richtigere Aussprache der Ortsnamen einiges Gewicht legen möchte, findet die Zeichen im folgenden, von mir herausgegebenen Werke erklärt: Appenzellischer Sprachschatz. Zürich, 1837, bei Orell, Füßli und Comp. S. XXVI. und XXVII.

[10] Die Hütten, noch aus Alexandrien in frischem Andenken, erwähne ich nicht. Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten in Kairo zwei und dreißig mit Hütten besetzte Plätze (Hôsch, place avec des cahutes ).

[11] Nach den Gelehrten des französischen Feldzuges hatte Kairo 233 mohammetanische Großkirchen (Gâma’), 158 Kleinkirchen (Kapellen, Sâuyeh), 27 christliche Kirchen (in Alt- und Großkairo), 10 Synagogen, 45 Hauptbäder, 171 Außen- und Binnenpforten.

[12] Die Gelehrten des französischen Feldzuges geben, ohne eine zertrümmerte Moschee zu rechnen, der Burg allein sieben Gâma’, nämlich: Gâma’ Tâg el-Dyn, Gâma’ el-Schâryeh, Gâma’ el-Dahâysche, Gâma’ sultân Kalaun, Gâma’ el-A’ssab, Gâma’ el-Moyed, Gâma’ el-Mustafâujeh. Description de l’Égypte, 2. édit. Tome XVIII. (E. M.) 2. part. Paris, Panckoucke, 1829. Pag. 288. sqq.

[13] Schweizerisch Buffert .

[14] Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten über achtunddreißig.

[15] Früher gab es sogenannte Santone (Heilige), welche fadennackend auf Pferden herumritten. Es ist nicht lange her, daß der Vizekönig sie in ein Versorgungshaus schickte, und so begegnet der ärgerliche Auftritt nicht mehr.

[16] Salomo Schweigger fragte in Konstantinopel nach dem Grunde dieses „Schöpfleins.“ Es ward ihm geantwortet, daß, wenn der Moslim dem Feinde zu Theil werde, und um das Haupt komme, alsdann der Kopf am Haarbüschel gefaßt, und ihm nicht mit der Hand in den Maulkorb (Mund) gegriffen werde, die ihn verunreinigen würde.

[17] Es ist bekannt, daß es in Egypten Oefen gibt, worin die Hühnereier ausgebrütet werden. Es verdrießt mich, keinen gesehen zu haben. Hundert eben aus dem Ei gekrochene Küchelchen gelten drei bis vier Piaster (höchstens einen Reichsgulden) bei Kairo. Zur Brütung gehört Wärme überhaupt. Die Hühnerwärme ist nicht unerläßlich. Als Livia , die Mutter des Tiberius , ein Kind unter ihrem Herzen trug, wollte sie durch verschiedene Wahrzeichen erfahren, ob es ein Knäbchen sei. Von einer Bruthenne nahm sie auch ein Ei, erwärmte dieses bald mit ihrer Hand, bald mit derjenigen ihrer Zofen, so lange, bis ein Küchelchen mit einem ausgezeichneten Kamme herausschlüpfte.

[18] Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten 120 Zisternen. Der obere Stock dieser Wassergebäude nimmt gewöhnlich eine Freischule ein. Es waren nach einer Beschreibung von Alt-Kairo aus dem sechszehnten Jahrhunderte in dieser Stadt bei 8000 Menschen, die allein mit Kameelen Wasser von dem Nil in dieselbe schafften, um es zu verkaufen, wovon der größere Theil dazu diente, die Gassen zu benetzen, und dadurch den Staub niederzuschlagen.

[19] Man mag eine Stelle des Juvenal ( Jun. Juvenalis sat. II. v. 19) beliebig mit der Bajadere in Verbindung bringen. Von den aufrichtigen Sündern redend, fährt er fort:

Sed pejores, qui talia verbis
Herculis invadunt et de virtute loquuti
Clunem agitant.

[20] Später kehrte Enfantin wieder nach Frankreich zurück.

[21] Sie gehörten dem protestantischen Missionariate. Es wurden ungemein wenig abgesetzt. Ich sah einmal einen vorübergehenden Mohammetaner anhalten und eine Bibel aufschlagen; kaum schielte er den Titel recht an, als er sie wieder aus der Hand legte.

[22] Der Mann starb auf einer Kurreise nach Oberegypten im Jahr 1837.

[23] Die Gelehrten des französischen Feldzuges rechneten sechszehn Leichenfelder auf das Innere der Stadt. Die Franken werden in Altkairo begraben.

[24] Der Leser darf der Bezeichnung des armenischen und griechischen Klosters nicht mehr trauen, als ich selbst traue, unter der Leitung eines Arabers . Im griechischen Kloster schon wollte er mich im koptischen wissen. Hier gelang es nicht, mich zu täuschen, da ich nichts einer Höhle ähnliches erkannte. Am armenischen und griechischen Kloster liegt indessen sehr wenig, und am koptischen Alles; letzteres aber zu bezweifeln, wäre Zweifelsucht.

[25] Die Schriftsteller verlegen den Anfang des Nilwachses in ein wenig verschiedene Zeitpunkte; in den ersten Neumond nach dem längsten Tag Plinius , in den sechszehnten Tag nach demselben die offizielle Mittheilung des französischen Feldzuges, in den 5. Junius Alpinus , in den 19. Volney , in das Ende vom Junius Rifaud . Alpinus erzählte von sehr interessanten Versuchen, um nach gewissen Zeichen vorauszusagen, wie hoch der Nilstrom steigen werde.

[26] Auch die Bibel hat uns das Andenken dieser Stadt bewahrt. Wir lesen aus dem 1. Buche Moses im 45. Verse des 41. Kapitels, daß der egyptische König oder Pharao dem Statthalter Josef , Jakobs Sohn, Aseneth , die Tochter Potiphars , eines Priesters zu Heliopolis (Sonnenstadt), zum Weibe gab.

[27] Ich gebe zu, daß ich hier, wie weiter unten, in Schreibung der Namen vielleicht fehle; allein auch dieses Fehlen wird von Werth sein; denn ich verließ mich auf einen als Apotheker Angestellten, und so läßt sich dann mehr und minder beurtheilen, auf welcher Stufe von Kenntnissen dergleichen hochgestellte Männer bei Abusabel stehen.

[28] Der Reisende, sagt Dr. Röser , wird durch das ihn umschwärmende und gefährliche Beduinengesindel, die mit Keulen und Pistolen bewaffnet sind, von der ernsten und ruhigen Betrachtung abgezogen, daher Jedem, der die Pyramiden besuchen will, zahlreiche Gesellschaft und Vorsicht anzurathen ist; denn es ist bekannt, daß dies arme, nackte Volk wegen einer Kleinigkeit einen Menschen todtschlägt.

[29] Wie hoch die Aerzte aus der Abusabler-Schule gewerthet werden, erhellt schon daraus, daß man einem Europäer, welcher von der Medizin rein nichts versteht, einen solchen Arzt unterordnet.

[30] Auf arabisch Abu , Vater. Sobald der Araber Vater eines Sohnes ist, so wird er nach dem Namen desselben geheißen. Hatte bei uns der Vater einen Sohn mit Namen Wilhelm, so wurde der Araber im bessern Tone erstern nie anders, als Vater Wilhelms heißen.