Title : Von den Gärten der Erde: Ein Buch der tiefen Stille
Author : Elisabeth Dauthendey
Release date : January 21, 2021 [eBook #64355]
Language : German
Credits : the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This book was produced from images made available by the HathiTrust Digital Library.)
Ein Buch der tiefen Stille
von
Elisabeth Dauthendey
Schuster & Loeffler in Berlin
1917
Alle Rechte vorbehalten.
Trunken von Sonne und Erdenschöne kehre ich heim von meinen Wegen, die mitten durch die prangende Herrlichkeit stiller Gärten führen. Ich will euer Lob singen, ihr Gärten, ihr Gottesgaben, dem Sterblichen gegeben zu tiefer, süßer Lust, zu seliger Einkehr in sich selbst, zu heiliger Ruhe, die den Frieden kennt.
Wo anders kommt die Stille dir so nahe wie in deinem Garten, wo du nur dich und das deine fühlst und dein Sinn mit allem Naturgeschehen sich geheimnisvoll verbindet und du mit Werden und Sein täglich neue Nähen feierst. Hier schaust du in die Stille wie in einen tiefen Brunnen, in dem unausschöpfbar selige Quellen rauschen.
Hier steht die Zeit still. Vor den Pforten deines Gartens läßt du sie zurück.
Drinnen ist Ewigkeit. Sie nimmt dich in ihre Weite, und in ihrer Unendlichkeit ruht deine Seele aus von Raum und Zeit und findet heim zu sich selbst, erkennt sich wieder und nimmt sich selbst in Besitz.
Was dir auch das Leben tat. Was es an dir verbrach und zerbrach – hier wird es hell, und neu, und selig genesest du zu deiner eigenen Reine und Stille zurück.
Denn hier ist nicht Leben, hier ist Sein.
Das Sein, aus dem all Leben kommt, zu dem all Leben mündet, an dessen heiliger Schwelle du dich als Einzelwesen aufgelöst fühlst in die Ewigkeitswellen tiefster letzter Erkenntnisse. Weltfern und erdennah bist du und aufgetan wie ein leuchtender Spiegel jeder sanften Stille, die aus dem Meere flutender Schönheit an die Ufer deiner Seele rührt.
Du spielst mit dem dinglosen Sein, und die bangsten Rätsel des Lebens lösen sich von ihrer Schwere und binden sich mit Schatten und Licht, mit Wolken und Duft, mit jedem seligen Scheine, zu dem die große Stille alle Wirklichkeit erlöst, zu jenem Rausch von Sicherheit und Kraft, in der du dich und das andere in tiefster Lust erfaßt und erkennst. –
Das tut dir dein Garten.
Und jeder Garten tut so dem, der ihn liebt.
Jedem nach seinem Sein gibt er seine besondere Fülle.
Je nach der Höhe deiner Art öffnet er dir die Tiefen der Erkenntnis und Schönheit. –
Und so spiegelt jeder der allerlei Gärten, durch die ich, trunken von Sonne und Erdenschöne, hinwandele, ein ander Angesicht wieder. Wenn ich in einen Garten schaue, sehe ich das Antlitz dessen, der in diesem Garten waltet, und das Bild seines Wesens wird mir bekannt.
Ich will erzählen von einigen Gärten, die am Wege blühen, aus deren versonnener Stille und heimlicher Verschwiegenheit tausend klingende Stimmen zu mir reden von den Herzen und Händen derer, die hier ihre stillsten Träume suchen und ihrer Sehnsucht Fernen zur Nähe zwingen.
Jeder spricht eine andere Sprache und verrät in seinem tiefen Schweigen die letzten Dinge unserer Seelen.
Und von Gärten will ich erzählen, die ich an meinen Lebenswegen fand, die wie Tempel der Schönheit des Menschen Schritte begleiten und ihre Seelen zur Andacht der Stille verführen, zur heiligen Stille, die die Brücke zu den fernen Geheimnissen des Lebens ist.
Ein Farbenchaos.
Die Sonne leuchtet und brennt und siedet auf einem Meer von Farben und Duft.
Es ist ein großer Garten, der den Abhang hinunter bis zur jenseitigen Straße hinabfällt. Den Abhang hinab gleiten die tiefen Schatten hoher Waldbäume. Sammtene Rasenflächen schimmern in goldigem Scheine dazwischen auf. Fruchtbeladene Bäume breiten ihre Zweige aus. Dort in dem fernen Teil ist kühle Dämmerung und in sich ruhendes Schattenweben, Grün zu Grün in vielerlei Ton.
Aber hier oben. Welch eine Pracht. Wie aus tausend und einer Nacht sprüht es in märchenhaftem Glanze.
Am Häuschen sind die Läden noch geschlossen, obwohl die Sonne schon hoch steht. Aber der Garten lebt für sich, auch ohne daß ein Menschenschritt ihn bewegt.
Der, dem er gehört, hat sich hier einen Traum in die Wirklichkeit gerettet. Einen Traum, der einst Leben war und nun unter den Schleiern der Erinnerung ein gar seltsam unwirklich Wirkliches geworden.
Über die breite Brüstung, welche die Vorderseite des Hauses umgibt, ranken in wildem Überfluß die tiefen Purpurblumen der großen, weitoffenen Kelche der Glyzinen und Dahlien. Die goldenen Dolden der Königskerzen drängen sich dazwischen, und das tiefe Orange der Kresse fällt mit seiner runden Blätterfülle zu dem kleinen Teich herab, auf dem zwei weiße Schwäne im silbernen Strahl des fallenden Wassers aufleuchten.
Um das Rund des Beckens ein Kranz glühender Rosen, und aus den Ecken und Winkeln der Rampe steigen hohe Malven in süßen, schwermütigen Farben auf. Beete von Phlox und Bethunien und sammetschweren Violen wehen leise im linden Sommerwinde.
Tief aus einem der dunklen Seitenwege taucht in edelsteinfunkelnder Pracht ein Pfau auf, breitet im vollen Wissen um seine königliche Herrlichkeit sein goldgrünblitzendes Rad der Sonne entgegen und schreitet stolz und majestätisch an der Pfauin vorüber, die demütig im stilleren Gewande am Boden herum pickt.
Aber auch sie ist ein leuchtendes Bündel schillernder Farbenpracht.
Da ertönt ein brünftiger Schrei von der Rampe.
Ein schneeweißer Pfau mit zarter, siebenzackiger Silberkrone auf seinem feinen Köpfchen stößt diesen Schrei der Eifersucht aus, da ihm die unerhörte Herrlichkeit seines Rivalen das Gemüt verwirrt. Er sträubt sein Gefieder, und mit dem kurzen Rade seiner silberweißen Federn spielt er ein Fächerspiel, so kokett und lockend wie die schönste Königin es nicht feiner verstünde, und wüßte er, wie göttlich schön er so silberweiß in der Sonne leuchtet, er ließe den Schrei der Eifersucht unverbraucht in seiner Kehle.
Seitlich vom Garten ist ein großes, hohes Vogelhaus. Weißes Lattenwerk von grünem Geranke umgeben. Drinnen surrt und zwitschert und flattert es in lustigem Bunt. Goldfasanen schimmern wie kostbare Bronzen auf. Blaugrüne Sittiche ducken sich auf den Stangen. Grüngoldene Zeisige und gelbe Hänflinge flattern umher. Und um die fremde Schar stolziert in stiller Behaglichkeit der Welschhahn, und eine Rotte gelber Bramahühner und tiefschwarzer Hähne wirren durcheinander hin, treten in die grünen Beete und picken schamlos die zarten Halme aus dem sammetglatten Rasen.
Weiter hinten ragt ein Wintergarten in zierlichem Gestänge und buntem Glasgefunkel, und seltsames Geblühe fällt in bunter Glut von der Decke herab und klettert an den Wänden hoch, und die Sonne deckt alles mit ihren goldenen Wellen und mischt das unglaubliche Getöse all dieser lauten Farbentöne zu einer seligen Lust, an der einem die Augen übergehen. –
Am Hause öffnet sich einer der grünen Fensterläden. Ein alter weißhaariger, Mann in dunkler Litewka schaut heraus.
Groß, breit, starkknochig steht er da wie aus Erz und Willen gegossen. Er wohnt einsam in dem Hause. Nur ein Diener und Gärtner sind um ihn.
Diese Märchenpracht da draußen wird plötzlich stiller unter seinem Blick. Es ist, als ob die Farben schweigender würden und alle Bewegung starrer und leiser. Das starke, trotzige Auge des Mannes aber wird einen Augenblick weicher und nimmt mit weitem Umblick alles Leben umher in seine wissende Welt. Erinnerungen zucken über sein altes Antlitz, das von den Runen der Erfahrung hart durchwühlt ist.
Aus fremden Fernen kommen wohlbekannte Laute zu ihm her. Die Farben draußen und die Düfte, das seltsame Geflatter und der Schrei des fremden Gevögels rührt an längst Gestorbenes in ihm, an etwas, das einst heißes Leben war, sein Leben. An etwas, das er nie vergessen will und dem er hier in bunten, lebenden Zeichen ein Denkmal schuf, ein tönendes Lied aus Linien und Farben, die wie Blitze durch seine Erinnerung zucken und Begrabenes aufleben lassen, wie Wellen an seiner Seele Ufer branden und alle Schmerzen aufwecken, die an den Gräbern seiner Erlebungen wachen.
Schmerzen, die nicht sterben dürfen, auf daß die Öde seiner letzten Zeit ihm selbst noch Leben scheine.
Vom Fenster kommt ein seltsamer kleiner, weicher, lockender Ton.
Der edelsteinleuchtende Pfau und der silberweiße mit dem zarten siebenzackigen Krönchen auf dem lieblichen Haupte fliegen auf.
Sie fliegen zu dem alten Manne und nehmen aus seiner weißen, müden Hand einen Leckerbissen, während er mit leiser Stimme seltsam fremde Laute murmelt. –
Sind es die fremden Namen einst geliebter Frauen – Namen mit dem schwermütigen Klange ferner Gestade?
Dann schließt der Mann das Fenster.
Er wendet sich stramm und gebieterisch seinem Diener zu und läßt seinen Traum in seinem seltsamen Garten weiterblühen.
Der arme Garten.
Doch nein, ein Garten ist immer reich.
Schaut nur hinein in sein Blühen in allen Winkeln und die goldene Sonne auf allen Büschen und Bäumen.
Nein, der Garten ist nicht arm, aber der, dem er gehört, ist es.
Doch nein. Wer je einen Garten zu eigen hat, ist nicht arm, denn er hat viel und überviel an jedem lichten Schein, an Blühen und Duften, am Spiel der Schatten und Flattern der Vögel.
So kann ich ihn nicht arm nennen.
Und doch ist es kein Garten des Reichen.
So will ich doch lieber der arme Garten sagen, denn er ist immer noch reich genug, um es mir zu verzeihen. –
In diesem, kleinen grünen Raum ist's gar lauschig und froh. Alles steht bunt und dicht beieinander, es ist gar wenig Platz, und nichts kann sich so recht breit machen. Nur der Apfelbaum steht mitten im Raum wie ein König und breitet seine Äste weit über das blühende Wiesenstücklein, auf dem das allerlei Blühende ihm zu Füßen liegt wie die Untertanen dem Könige, und sie senden ihren Duft und ihre Schönheit zu ihm auf und winden und wenden sich im spielenden Sommerwinde, daß er seine Freude an ihrem Wiegen und Wehen hat.
Ja, der schöne Apfelbaum ist der König dieses Gartens.
Wie sind seine Äste voll roter, lachender Früchte, Ast auf Ast ab sitzen sie einander gegenüber, vorsichtig sich gegenseitig Platz machend, daß keiner den andern stört, immer größer und schöner zu werden in dem heißen Sonnenbade. Und wenn der Wind kommt, ducken sie sich zusammen, daß ja keiner vorzeitig abfalle, damit die gütige Frau, die sich ihrer so freut, nicht traurig wird um sie, wenn sie zu früh im Grase liegen.
Man kann sie fast zählen, so deutlich sitzen sie an den Zweigen, und ich glaube, die gute Frau hat sie auch gezählt und die Äpfel machen ihr diese Freude so recht bequem.
Da sind auch noch einige Büsche am Zaun entlang. Rote Beeren leuchten im grünen Laub, und auch diese sieht man so deutlich, weil der Raum so klein und der Büsche so wenige sind; so sieht es aber viel reicher und üppiger aus als im stolzen Garten nebenan, wo man vor lauter Gebüsch kaum zu den Beeren schaut.
Und all die vielen kleinen Beete, reinlich und von guter Hand liebevoll behandelt, stehen sie da und halten die schönsten Dinge feil, daß einem ganz leckerhaft zu Sinne wird.
Salat und Möhren, Zwiebeln und Lauch, duftende Kräuter die Menge, alles eilt sich und wächst und gedeiht und steht voll fröhlichem Lachen im Sonnenblust und freut sich auf den Augenblick, da die gute Frau herein kommt; und dann lachen sie sich gegenseitig an, die gute Frau und all das Grünzeug umher, sie kennen einander gut, hat sie doch täglich bei ihnen an der Erde gekniet und sie sorgsam und linde gehütet vor allen Übeln, die Unkraut und feindliches Getier ihnen zufügen wollten. Und am Zaun entlang laufen geschäftig die roten Blüten der Bohnen und die weißen der Erbsen, hinauf und hinunter, daß der Zaun fast wachsen möchte, um ihnen Raum zu machen und der guten Frau eine reiche Ernte zu bringen. Auf und ab laufen sie und fangen einander und spielen mit einander, so daß kaum mehr eines der Gewinde weiß, ob dies seine eigenen Blüten sind oder die des andern. Und in den vier Winkeln des Gartens stehen hoch und stolz vier Sonnenblumenstöcke; mit ihren großen, tiefen Sammetaugen blicken sie über den Zaun hinaus in die Welt umher und träumen von der Ferne und der Sehnsucht und erzählen denen unten, die ihnen kaum an die Knie reichen, die Märchen, die sie da draußen erlauschen.
Und so sauber und fein die gute Frau ihren Garten hält, etliche Ecklein stehen doch voll süßen Unkrauts. Sie tut, als sähe sie es nicht und freut sich im stillen seiner Angst, wenn sie an ihm vorübergeht und es verstohlen zu ihr hinblickt, ob sie ihm wohl noch einen Tag des fröhlichen Lebens im sonnenwarmen Garten lassen wird. Aber es braucht keine Angst zu haben, all dies unordentliche bunte Geblüh ist der guten Frau allerheimlichste Lust. Sie darf es all das andere liebe Gezeug ja nicht merken lassen, das da so treu und fromm wächst und gedeiht zu ihrem täglichen Gebrauch – aber diese Winkel voll unnützer Buntheit liebt sie mit einer ganz besonderen Liebe; und ich glaube, wenn es nicht von selbst so üppig immer wieder heranwüchse aus der lachenden Erde, würde sie heimlich einigen Samen der Wildlinge ausstreuen aber ganz heimlich, daß es der Apfelbaum und all die übrigen braven Dinge nicht wissen würden, denn sie könnten ihr böse werden, und plötzlich aufhören, für sie zu wachsen und Früchte zu tragen.
Ach da ist ja auch noch ein kleines, ganz kleines Kartoffelbeet mit leuchtenden Lilablüten und kleinen gelben Flämmchen darin, und über den Zaun hängt ein schwerer Vorhang blühenden Goldregens aus dem Nachbargarten herein. Und es ist ein Gesumm und Gebrumm von Bienen und Hummeln zwischen all dem Grünen und Blühen.
Die schwebenden Farben der Schmetterlinge spielen über dem blühenden Gewirr und sehen selbst aus wie Blüten, die sich vom Stengel lösten. Der sanfte Hauch ihrer wundersam leichten Bewegungen ist wie das letzte Ausatmen der sommerlichen Schönheitslust. Ringsum zwitschert es und flattert es von jungen Vogelstimmen und schnellen Vogelflügeln.
Und in der Dämmerung sitzt eine Nachtigall im Nebengarten in den hohen Bäumen und singt über all die Gärten hin ihre göttlichen Gesänge, und da wird es überall still, und ein tiefes, seliges Schweigen liegt auf Baum und Strauch und allem Blühen, und der kleine Garten hat seinen Teil an diesem Feste wie all die andern umher.
Und dieser Garten sollte arm sein –
Nein, nein. Eine Last von Schönheit trägt er.
Eine Welt von Stille, Frieden und Lust lebt und atmet in ihm.
Des seligen Segens voll ist dieser enge Raum. –
Und die kleine Türe knarrt.
Die gute Frau tritt ein.
Es ist Abend. Die Arbeit ruht.
Das Feierliche in ihr will seinen Sabbat haben.
Und so tritt sie in ihren Garten. Ihr Eigentum. Ihre Freude, ihre tiefe Lust, ihr Dank, ihr Glück, ihr Gebet.
Sie weiß das alles nicht so mit Namen zu nennen.
Aber wenn sie nun hinsinkt auf das enge Bänklein unter dem abenddunklen Apfelbaum, müde von des Tages Last und Lebens Schwere, da löst sich etwas auf in ihr, und es wird frei und leicht und schwebend in ihrer Seele, und es ist wie ein Lied in ihr, ein Lied, das zum Himmel reicht und die Erde küßt und wie ein Licht mit ihr geht, wenn sie zu ihrem ärmlichen Heim zurückkehrt. –
Nein die gute Frau ist nicht arm.
Und der kleine Garten auch nicht.
Wem ein Garten gegeben ist, ist immer reich.
Denn der kleinste Garten kann voll des schwersten Segens sein – je nach dem Herzen, der sein hütet.
All die Jahre her lag er ernst und schweigsam durch Sommer und Herbst im grünen Licht seiner hohen Bäume und weiter Rasenflächen. Nur die Nuancen seines Grüns brachten etwas Abwechslung in die feierliche Stille umher.
Das Haus mit seinem altersdunklen Anstrich, mit den dunkelgrünen altmodischen Fensterläden, die oft monatelang fest verschlossen blieben, stand wie ein Blinder mitten im grünen Meere dieses ernsten Gartens. Eine schwerfällige Mauer, von grüngrauen Moosen umflochten schloß ihn zur Straße hin ab, kein neugieriger Blick, kein fröhliches Lachen der Vorübergehenden brachte Schall und Laune in diese webende Einsamkeit.
Ein alter Gärtner schor den Rasen, daß er leuchtend und üppig im Sonnenschein prangte und seine goldgrüne Herrlichkeit wie ein sammtener Teppich den hochragenden Bäumen zu Füßen lag. Dunkle Cypressen standen wie eine Wand gegen das Licht, ohne es anzunehmen und weiterzugeben.
Die schweren Zweige der Edeltannen ließen ihr blaugrünes Gehänge in stolzer Formvollendung um sich kreisen. Buchen und Ahorn gaben den stillen Wegen ein wenig Spiel mit ihren beweglichen Schattenwellen.
Im Hintergrunde leuchtete der silberweiße Stamm einer Birke und brachte eine geheimnisvolle Helle in die grüne Dunkelheit umher. In der Blumenschale vor dem Hause stand das Wasser trübe grün und moorig überwachsen, der alte Triton hatte ein zerbrochenes Muschelhorn am Munde und war vor Langweile eingeschlafen und mit ihm der plätschernde Wasserstrahl, der ihm einst zu froheren Zeiten aus der Muschel in die Sommerluft gesprungen war.
Sonst war alles still ringsum, wie im Ernst erstarrt. Keine Blume blühte, kein Unkraut wagte sich hervor.
Kaum, daß ein verlorener Schmetterling sein schwingendes Flügelspiel für eine kurze Minute über den Rasen trug.
Eine alte Magd hantierte manchmal im fernsten Winkel, wo hundert allerlei grüne Nützlichkeiten ihre Stätte hatten.
Und zuweilen sah man am Fenster einen Mann, der für Augenblicke in diese tiefe Stille hineinschaute mit Blicken, die aus weiten Fernen kamen und wie suchend über die Wirklichkeit umher hintasteten und da nichts Lockendes und Haltendes ihnen aus dieser starren Einsamkeit entgegenkam, gingen sie müde zur Ferne zurück, aus der sie kamen.
Und immer öfter blieben die Augen des Hauses verschlossen, daß es wie ein Blinder mitten in der ernsten Schweigsamkeit des Gartens stand.
So war es all die Jahre her gewesen.
Im Frühjahr schon war ein Huschen und Raunen, ein Bücken und Tragen und Graben und Pflanzen gewesen.
Und nun stand alles in maiensüßer Schöne erschlossen, was Hände und Wünsche, Freude und Erwarten in die Erde gelegt und in die Sonne gebreitet hatten.
Über dem Garten lag ein Schleier von Glück.
Im Rasen glühte es von heißen Farben. Weite Beete lagen wie kostbar gestickte Kissen im grüngoldenen Sammetteppich. Lange Reihen flatternder Frührosen standen wie helle Linien gegen die dunklen moosbewachsenen Mauern. Die Zweige der Bäume waren verschnitten, daß auch ihr Düster einen helleren Ton fand. Auf den Wegen glänzte feiner, weicher Kies in spritzenden Goldflimmern auf.
Im Weiher gurrte ein klares lachendes Wässerlein, und silberflossige Fische blinkten auf. Der schlafende Triton war erwacht und hielt ein neues Muschelhorn an seinen alten Mund und hatte wieder so viel Atem in seinem alten Herzen, daß er einen lustigen Wasserstrahl zur Höhe blies, der mit schelmischem Kichern zu den lustigen Silberfischlein hinunter sprang.
Das Haus stand plötzlich nicht mehr wie ein Blinder da, es hatte neue grüne Augen bekommen, zwischen denen ein weißes, zartes Spitzengeriesel hervorleuchtete, und das neue, helle Gewand, das es trug, zog Sonne und Licht zu sich heran, daß der ganze Garten ein Jubeln und Lachen und Freuen war.
Der alte Gärtner trug schwer an blühendem Gezweig und verschwand damit im Hause, ein seltsames Lächeln lag auf seinem Gesicht, er war um Jahre jünger geworden.
Die Magd hantierte im grünen Nutzwinkel, kam mit einer Handvoll Kräuter herbei, strich sich über die blendend weiße Schürze und blickte fröhlich in all den bunten, blühenden Blust hinein. –
Und auf der fernen Landstraße zog in frohlockender Sieghaftigkeit die blühende Jugend heran, die diesem Garten ein neues Gesicht gegeben und alle Möglichkeiten seiner Schönheit geweckt hatte. –
Der Wagen hält vor dem Tor.
Der ernste Mann steigt leicht und behende heraus. Das blühende Weib ihm zur Seite ergreift seinen Arm und eng zu einander gewendet, treten sie in den Garten.
– Dein Reich – sagt der Mann.
– Der junge Garten, wie er lacht und leuchtet – ruft die junge Frau.
– Für dich ist er jung geworden, – alles hier ist jung geworden für dich. –
Und die junge Frau schaut mit Augen, die warm strahlen von jenem seligen Glück, das aus den tiefsten Brunnen des Lebens strömt – schaut mit diesen seligen Augen zum Garten hin und nimmt ihn in Besitz, und sie wird ihn sehr lieben.
Und er wird fortan jung bleiben, wie die beiden es sind.
Jung aus der Jugend, die aus der Liebe blüht.
Eine breite Freitreppe führt vom Hause zum Garten. Wie der goldene Kies der Fußwege glänzt und schimmert im Sonnenlicht.
Die Blumenbeete sind Ströme von Farben. Aber sie stehen so mathematisch abgezirkelt im Raume, daß man mehr ihn fühlt als sie. Die Linie herrscht über die Schönheit und vergewaltigt sie, so daß sie scheu und gedrückt gleichsam in sich selbst zurückkehrt.
Die Rosen stehen kerzengerade an den Wegen entlang, als müßten sie vor irgend jemand im Hintergrunde salutieren. Man vergißt ganz, daß sie göttliche Farben haben und einen übersinnlich kostbaren Duft. Aber Duft und Farbe verlieren sich an die Leere umher, es ist als ob sie in die Irre gingen, da ihre Wellen an keine nehmende Seele dringen.
Ein Springbrunnen wirft blitzenden Schaum in das Licht hinauf, und das steinerne Becken im leuchtenden Grase ist ein wundervolles Oktav, in dem spielende Putten pausbackig das rinnende Wasser dem vierköpfigen Delphin in den weit offenen Rachen zurücksprudeln.
Ein weißes Lusthäuschen aus zierlichem Stabwerk, von dunkelroten Rosenbüschen umklettert, liegt breit und wartend im Sonnenglanz – Sessel und Tische umher darin, reiche Decken und Kissen warten auf jemand.
Eine kleine rundbogige Brücke springt keck über ein plätscherndes, künstliches Gewässer.
Ein langer Laubgang von den weißen Hochzeitsblüten üppiger Clematis umhangen, wirft feines Schattenrieseln über halbdunkle, lauschige Wege. Das dämmernde Licht hat tausend Geheimnisse zu verschenken und tausend Erkenntnisse aus der Seele, die hier denken und träumen wollte, zu erlösen.
Die Parkwege führen fern ab vom Hause zu tiefen, lauschenden Hintergründen, wo an alten Mauern, von schweren Epheubetten umhangen, singende Melancholien ihre kreisenden Lieder klingen. Bäume, ernst und hoch und feierlich stehen in leiser Zwiesprache beisammen, aber eine bange Scheue ist um sie her, als fürchteten sie, jeden Augenblick von etwas Lautem und Kaltem erschreckt zu werden.
Grüngoldene Moospolster laden zum Ruhen und Flüstern, zu kosendem Erwarten.
Aber es ruht niemand hier. Auch die breit ausladenden Steinbänke, deren Sitze und Lehnen sich in runde Muscheln zusammenrollen, bleiben leer, hier müßte der Diener erst Kissen breiten, um Lust und Ladung zum Ruhen zu schaffen. So bleiben die Sitze einsam, und Licht und Schatten, wehendes Blätterspiel, alle Sehnsucht und Ferne welken in der Leere umher, und tausend selige Geheimnisse sterben ungeliebt und ungenommen. –
An den Taxushecken, welche die Freitreppe zum Hause hin abschließen, hantiert der Gärtner mit einer großen, hartzuschnappenden Schere und schneidet unbarmherzig jedes zarte, junggrünende Zweiglein weg, daß nur ja die schnurgerade Linie nicht die lindeste Abweichung zeige.
Hier, so nahe dem Hause, ist die strenge Linie eisernes Gesetz. Vornehmheit ist Haltung und Linie, die ebensogut Inhalt und Tiefe verbirgt, als Leere und Kälte verdeckt.
Die Villa selbst steht kühl und gelassen, fremdstilig und einsam mitten im Garten, zu dem sie nicht die leiseste Fühlung, noch irgend eine Bindung hat.
Der Garten ist da, um dem Hause den Villencharakter zu geben.
Wozu sonst wohl könnte er auch noch da sein. –
Die Türe zur Freitreppe öffnet sich.
Die Diener halten die weiten Flügel offen.
Die alten Exzellenzen treten heraus.
Junges Gevölk kommt plaudernd und lachend nach. Ein schwarzweißer Terrier drängt sich ungestüm und rücksichtslos zwischen den Herrschaften durch, er weiß, daß er sich alles erlauben darf. Mit kurzen belfernden Tönen stürmt er allen voran, als müsse er die Stille des Gartens verbellen und mit seinem Getöse erst das Element schaffen, in das sich der leere Lärm der lachenden geschwätzigen Gesellschaft richtig einfügen kann.
Die alten Exzellenzen gehen mit ein paar Schritten durch den Garten, schauen durch das Lorgnett zu den Rosen hin, die stramm stehen und salutieren – o sie haben etwas gelernt hier so nahe am vornehmen Hause.
Die jungen Damen und Herren sehen sich kaum um, sie haben alle Blicke und Bewegungen, Stimme und Lächeln zu nötig, um sich untereinander zu fesseln, zu verwirren, zu lieben und zu hassen, sie haben weder Zeit noch Kraft übrig für das Glück der reinen Liebe, das im Garten blüht. Nur eines der jungen Mädchen bleibt zurück und scheint verlangend nach den Rosen zu blicken.
Der Sohn des Hauses winkt dem Gärtner. Der schneidet hastig die schönste La France vom Stock – die allerschönste, der Stolz des Bäumchens und eben in der heutigen Sonne erblüht. Aber es zuckt mit keinem Blättchen, es lächelt, wie vornehme Leute lächeln, wenn ihnen ein Weh geschieht. –
Vor der Türe draußen kurbelt das Auto, es stampft und quirlt und zischt, der Hund bellt, die Jungen lachen und plaudern. Der blaue Qualm schwirrt gegen den Sonnenglanz, Staub fliegt auf. –
Und so sausen diese Menschen, von Unruhe, Laune, Lachen, Geschwätz umgeben, durch die Straßen hin, fort, weit weg zum nächsten Badeort, zu Souper und Konzert.
Fort, weit weg von der sanften Stille ihres Gartens, dessen heilige Geheimnisse sie nicht verstehen. Da ihre Seele ohne Traum und Ahnen ist.
Das heißt, der Dichter sieht ihn.
Er liegt im Herzen einer Mutter und wächst darin und wird täglich schöner und reicher.
Die Mutter hat ein liebes krankes Kind.
Und für dieses Kind sucht sie einen Garten, in dem seine Seele blühen und sich freuen kann.
Da es im harten, tätigen und bewegten Leben der Gesunden keinen Platz haben kann, schafft ihre traurige Liebe ihm ein Reich der Freude, wo seine schmerzliche Gebundenheit sich an den Träumen der Schönheit zur Freiheit der Seele lösen kann.
Und die Mutter geht suchend umher und späht und forscht zwischen Höhen und Wegen und lugt in alle ruhenden Gärten und fragt sie alle – Seid ihr schön genug für mein krankes Kind?
Doch keiner will ihr gefallen. Und sie sucht weiter und läßt dabei in ihrer Herzenstiefe den Garten erblühen, den sie mit ihrer Seele sucht und nimmt ihr krankes Kind da hinein und zeigt ihm alle seine Herrlichkeit und Pracht.
Die Türe öffnet sich, und sie treten in einen Laubengang, wo es grüngolden leuchtet durch das sonnenwarme Gezweig. Auf den Wegen liegen die rundlichen Schatten der Blätter und spielen im Sommerwinde, und die rankenden Blüten des Gaisblatts fallen dicht und duftend zu ihnen herunter.
Die können gar seltsame Märchen erzählen, sagt die Mutter. – Und das Kind lächelt sanft und scheu, wie kranke Kinder zu lächeln pflegen.
Und sie führt es weiter in den Garten, den sie mit ihrer sorgenden Liebe für das Kind aufbaut.
Über goldflimmernde Kieswege zwischen grünen Rasenplätzen, die voll süßduftender Blumen sind, wandeln sie.
– Sieh, hier mache ich dir ein weiches Lager, mitten hinein in diese lieblichen Blumen, schau hin, wie sie dir winken und zunicken, sie plaudern mit dir und läuten mit ihren Glöcklein, und die Bienen summen dazu, und das ist ein gar feines Wiegenlied, und meinem Kindlein fallen die Augen zu und es schläft zwischen Sonnenlicht und Blumenduft einen festen Schlaf, und allerlei bunte Träume kommen zu ihm und machen es froh und glücklich.
Wenn du erwachst, spielen blaue und weiße und gelbe Schmetterlinge mit dir, und du lachst und greifst nach ihnen – aber sie lassen sich nicht fangen und tanzen weiter über die sonnige Wiese hin.
Nun möchtest du wohl auf dem weißen Stühlchen sitzen an dem weißen Tischchen? Dort schaust du zu dem plätschernden Brunnen hin, der gerade vor dir unter einer hängenden Weide liegt. Schau, wie der silberne Strahl zur Sonne steigt, und dann fällt er in tausend glitzernden Tropfen wieder in den kleinen See zurück. –
Ja ja, auch einen Schwan sollst du haben, einen ganz silberweißen mit einem langen Hals, der sich so schön biegt, ja ganz wie in deinem Märchenbuch, Liebling, und wenn du genau hinsiehst, hat er auch ein goldenes Krönchen auf seinem Köpfchen. Und im Weiher sollen auch die großen, weißen Blumen schwimmen, von denen ich dir die schöne Geschichte erzählt habe.
Aber nun scheint dir die liebe Sonne zu hell in die Äuglein. Komm dorthin zu dem schattigen Laubengang. Und sieh, wie die blühenden Rosen durch das weiße Gitterwerk herunterklettern. Rosen, wohin du schaust – rosa, ganz zarte, so zart wie die Wänglein meines Kindes.
Und sie kommen alle zu dir.
Leg dich auf dein Lager und höre, was sie dir erzählen. Ganz anderes sagen dir sie als das Gaisblatt dort am Eingang und auch anderes als die bunten Wiesenblumen. Höre nur hin und fühle, wie sie duften, und die Blättlein, die sie auf deine Hände fallen lassen, wie lind und sanft sind sie, wie der weichste Sammt in alten Königsschlössern. Und von Königinnen und Prinzessinen wissen sie die schönsten Geschichten, denn sie sind von vornehmer Art und sehen selbst aus, als seien sie verwunschene Königinnen und Märchenprinzessinen.
Wenn die Sonne nicht mehr so hoch am Himmel steht, gehen wir zu dem großen Beet dort in der Ecke.
Und du holst dir ein Körbchen voll von den schönen roten Beeren, die so köstlich duften und so herrlich schmecken. Weißt du noch, erst waren es schöne, weiße Blüten, die wie Kronen am Stengel standen, und die heiße Sonne küßte sie, da wurden aus den weißen Blüten die roten, süßen Beeren; wo die goldene Sonne küßt, wird alles süß und reif.
Leg dich in die liebe warme Sonne, laß dich küssen von ihr, mein Liebling, so wird dein weißes Gesichtlein bald rote Rosen haben.
Aber sieh dort: Nun sagt uns die Sonne Lebewohl.
Schau, wie golden der Himmel wird. Hinter den Bäumen fließen Ströme von rotem Gold, die Wolken stehen wie glühende Berge am Himmel, wie ferne Schlösser sehen sie aus, wie Feenschlösser, die aus Feuer und Purpur gebaut sind.
Und nun läuten die Abendglocken.
Leb wohl – leb wohl, singen sie.
Träum süß – träum süß. –
Und du wirst fest schlafen und gute Träume haben, mein Kind.
Die reine Luft und die warme Sonne, die duftenden Rosen und die grünen Bäume haben dir alle von ihrem Leben gegeben, das trägst du nun heim in deinem Herzen und du wirst schlafen und träumen und so froh wirst du aufwachen morgen. –
Und morgen ja – ja – da kommen wir wieder her zu unserem Garten, der so reich ist an heiligen Gottesgaben, die sie all meinem Kinde in den Schoß schütten. –
So geht die Mutter mit dem kranken Kinde in den Träumen ihres Herzens durch den Garten, den sie mit ihrer Seele sucht.
Und am Tage sucht sie weiter. Schaut in alle Ecken und Winkel und späht und forscht zwischen Höhen und Stegen und lugt in alle ruhenden Gärten und fragt sie alle – bist du es, den ich suche – bist du schön genug für mein krankes Kind? –
Und so trägt sie den unsichtbaren Garten in ihrem Herzen, den nur das Auge des Dichters sieht.
Und sie wird noch lange suchen, denn so schön, als sie ihn braucht für ihr krankes Kind – ist er nicht leicht zu finden.
Aber sie wird ihn finden, weil sie ihn mit dem Willen der Liebe sucht.
Jung und frühlinghaft, zu viel köstlichem Werden bereit, liegt er traumhaft still hingebreitet in der sonnenschweren Himmelsbläue der schaffenden Sommerlust.
Die hochstehenden Rosenbäume, die den Weg säumen, haben ihre ersten Blüten, die zarten, jungen Obstbäume halten in stolzer Verschämtheit ihre ersten Früchte dem heißen Sonnenlichte entgegen. Junges lichtes Gras leuchtet grüngolden über den Boden hin, und die süße Buntheit blühender Blumen bricht ringsum aus dem fruchtbaren wohlgepflegten Boden hervor.
Überall fühlst du die sorgende, schützende Hand der Liebe, die aus der Fruchtbarkeit der Erde all die seligen Farben und Düfte zaubert und ihre stumme Dunkelheit in Licht und Schönheit wandelt.
Aber auch den dankbaren Blick der Freude fühlst du hier, die das Werdende zu nehmen weiß und an jedem neuen Blatt und Halm, an jeder jungen Blüte, an dem täglichen Auf und Ab des Wachstums, am Säen und Pflegen, am Ernten und Genießen mit voller Seele teilnimmt.
Ganz aus der Liebe geboren, blüht und glüht und duftet der Garten dir entgegen, wenn du seine Tür öffnest und in seine kleine stille Welt eintrittst, die zwei Herzen hier sich schufen und bauten.
Rankendes Purpurgehänge klettert am kleinen Hause auf, in dem die beiden in froher Freundschaft ihr Leben leben.
Vor der Treppe, die zum Hause führt, liegt ein prachtvoller Schäferhund und sieht dich mit klugen Augen an. Sein glänzendes Fell, die leuchtenden Augen, die gespannte Wachsamkeit seiner Haltung, alles sagt dir, daß auch über ihm eine sorgende, pflegende Hand wacht, daß er hier sich aufgenommen fühlt in den magischen Kreis der Liebe, die alle Kreatur erst zu ihrer Vollendung bringt.
Klug schaut er dir entgegen. Er versteht die Sprache deines Wesens. Kein störender Laut kommt aus seiner Kehle, ruhig läßt er dich eintreten, als wisse er, daß kein unedler Drang dich zu dieser Schwelle bringt. –
Das liebe Häuschen mit seinen lauschigen Erkern und Veranden steht scharf in der Mitte des Gartens und teilt ihn in doppeltem Sinne in zwei Hälften, die zwei kleine Welten für sich sind.
Der Vorgarten steht im Zeichen der Schönheit und Lust.
Der andere Teil ist der nützlichen Fruchtbarkeit unterstellt. In zierlichen Rabatten wächst und blüht und reift dort allerlei erdenklich Brauchbares, das so stracks aus der warmen Erde den beiden in das trauliche Heim hinein wächst.
Hier waltet die ältere der beiden.
Die Mütterliche mit den starken schaffenden Händen, mit denen sie Haus und Herd, Garten und Getier unter dem Segen ihrer sorgenden Liebe hält.
Die andere, vom Leben zarter gestaltete, trägt das Licht der Freude durch die Räume. Mit leichteren Schritten wandelt sie die sanfteren Wege. Schneller ist ihr Gang, sorgloser ihre Bewegung, sie hat das Lachen der Jugend in ihrer Stimme, und der Duft einer anderen Welt ist um sie her.
An der Schwelle des Hauses treffen sich beider Wege. So genau in der Mitte dieses zwischen den Gärten steht, so genau treffen sie da mit ihres Wesens Mitte zusammen. Gleich zu gleich an innerem Werte, nur so weit verschieden in der Melodie ihrer Seelen, daß sie zusammen eine neue, reichere und höhere geben, ruhen sie ineinander in jener stillen und starken Sicherheit ihrer Tage, die nur solche ganz erfahren, die in einer großen Liebe ruhen.
Zu zweien nur wandelt der Mensch im Paradiese.
Einsamkeit bindet und hemmt die seligsten Kräfte des Menschenherzens.
Zwei geben sich Leben und Echo.
Der Einsame geht in der Starre des Schweigens, an dem sich das zarteste Wellenspiel seines Wesens bricht und stirbt, und das die Blüten seiner Seele in der Knospe verdorren läßt.
So wandeln die beiden von ihrer Einsamkeit erlöst, im Segen ihrer Liebe durch die zwei Wellen ihrer Gärten in Geben und Nehmen sich einander schenkend, das Spiel ihrer Kräfte in den Dienst der Arbeit und Freude gestellt, der Arbeit und Freude zu zweien, aus der wie im Wechselspiel zwischen Sonne und Erde die unendliche Fülle seliger Möglichkeit blüht.
Und der Kreis ihrer Tage schließt sich zu dem Ring der Vollendung, wie er nur jenen sich schließt, die zwischen ich und du die heilige Bindung der Liebe finden.
Vieler Schritte gehen an diesem Garten vorüber.
Vieler Blicke ruhen sekundenlang auf der lächelnden Schönheit seiner glücklichen Stille.
Und vieler Herzen Einsamkeit umspielen diese Insel des Friedens mit den unruhigen Wellen einer ungestillten brennenden Sehnsucht.
Was könnte auch vollkommener sein, als zu zweien im eigenen Heime schalten, vor dessen Schwelle im eigenen Garten die Jahreszeiten den Reigen der Freuden tanzen.
Und alle, die durch die junge Schönheit dieses blühenden Gartens gehen und über die Schwelle des Hauses treten, schauen in die Harmonie zweier Seelen, die in dem schenkenden Füreinander das Gleichmaß ihres Wesens gefunden.
In dem Gastbuche des Hauses findest du solche Worte:
Ein Chaos verschütteter Schönheiten. Alle blühenden Möglichkeiten erstickt, alle Lebenstriebe irren im wirrem Wust ohne Lust und Freude wild umher, ohne zu dem Frieden eines Zieles hinzufinden.
Der Sommer zwar feiert eben seine Feste in dem Garten und zündet auf Baum und Strauch das Licht der Blüten an. Er wirft mit Farben um sich und schüttet das Gold und Silber seines Lichtes über Dickichte und Wege, tanzt mit Schatten und Düften seinen schwingenden Reigen und gießt alle Fülle seiner Hände darüber hin.
Aber keine Antwort kommt ihm. Keine Freude fliegt ihm entgegen. Einsamkeit und Schweigen liegt in lastender Schwere über dem Garten. Keines Menschen Herz pocht hier in seligem Erwachen. Kein freudetrunkener Schritt wandelt zwischen den Wegen, kein jubelndes Auge nimmt alle Fülle in Besitz.
Das Maß aller Dinge, der Mensch, ist hier ausgeschaltet, und so wandelt sich alle Herrlichkeit und alle Lust, alles Blühen und Werden umher zu wirrem, wucherndem Überfluß und Durcheinander, zu taumelnden Orgien schwelgenden Überflusses, in denen sich alle Triebe und Lüste des Lebensdranges in heißen Fieberrhythmen zusammen knäulen und zu krankhafter Wildheit entarten.
Noch sieht man den Plan, der diesem Garten einst die Wege zur Schönheit vorschrieb.
Aber das Haus auf der Höhe, von den starken Linien der Rampen und Treppen vornehm umrissen, liegt wie von zu langem vergeblichem Warten müde geworden, stumm und teilnahmslos auf der Terrasse. Alle seine Augen sind fest geschlossen, und eine bange Stille, wie von schweren Träumen erfüllt, schwebt feindlich und abweisend zwischen dem toten Hause und dem von geil gewordenem Leben verwilderten Garten.
Und doch war dies alles, diese unendliche Weite des Parkes, diese herrliche Linienpracht des Hauses aus dem Gedanken des Glücks gewachsen.
Dem Willen zum Leben sollte es ein Altar werden, auf dem die Dankopfer der Freude durch Tage und Nächte hinauflodern sollten. –
Wie war es doch so anders geworden.
Wo weilen die, denen dies vornehme Heim die Brücke zu allen sieben Seligkeiten der Erde hatte werden sollen?
O über die traurigen Möglichkeiten des wandelbaren Menschenherzens!
Kann eine Liebe sterben, die wie eine rotglühende Sonne über den Herzen stand; kann eine Treue schwinden, die wie eherne Ketten Seelen zu binden schien?
Arme Menschenerde, die du unter dem Fluch aller Wandelbarkeiten stehst.
Ja, Liebe kann sterben.
Und Treue kann schwinden.
Und das Menschenherz kann brechen an seinem tiefen Weh. –
So brach auch hier ein Herz, da das andere sich von ihm löste, das andere, das es sein eigen glaubte. Denn doppelt schwer fiel der Schlag, da beider Füße schon auf der heiligen Schwelle standen, die zum Tempel der Zukunft führte.
Der Verräter ging zu neuen Wegen.
Das getroffene Herz welkte und starb.
Und das Haus, das in allen seinen Winkeln schon alle Bilder ihres kommenden Glückes getragen, von aller Schwere und Süße kommender Ahnungen bis zum Rande erfüllt war, mit den beiden in alle schwingenden Fernen seliger Hoffnungen geschaut hatte – dieses plötzlich so arm und leer gewordene Haus schloß seine Augen. Müde und blind und taub steht es seitdem mitten in dem verfallenen Königreich einer gestorbenen Liebe.
Und der Garten, der voll war von den Geheimnissen dieser Liebe, der die Schwüre ihrer Herzen hörte und die Melodien ihres rauschenden Blutes mitgesungen, dessen Licht und Schatten ihres träumenden Lächeln und die glühenden Küsse ihrer heiligen Berauschungen getrunken, er brannte lichterloh in dem Feuer des schäumenden Lebens, an dem die beiden zu neuen Welten wachsen wollten. –
Das heilige Feuer erlosch.
Und mit ihm alle heilige Schönheit.
Und so häuft sich hier nur Leben auf Leben, die den ruhelosen Weiten dieses verwunschenen Raumes die Gluten vieler Sommer bringen. Brunst auf Brunst wirft sich über seine nutzlosen Fruchtbarkeiten. Schönheit und Fülle stürzen übereinander, ringen miteinander, um die immer enger werdenden Wege und Winkel. Leben geht über Leben hin, wuchert und ringt, stürzt und fällt, steht wieder auf und würgt alles Schwache, das ihm kaum noch widersteht. Feuer entzündet sich an Feuer, ewiger Samen zeugt wildes Blühen, und fallende Früchte durchlohen die Erde mit endlosen Zeugungskräften.
So brausend und bebend von allen Heimlichkeiten roh gewordener Lebenstriebe, liegt der Garten in sonnenheißen Sommergluten.
Aber all das brünstige Glühen und Blühen darin ist ohne jeden Sinn und Ziel. Es muß ersticken an sich selbst, sich auflösen in sich selbst und zur Sinnlosigkeit des Chaos zurückkehren, da kein Wille der Liebe ihm die Wege zur reinen Schönheit weist.
Denn der Sinn alles Lebens wird immerfort durch den starken Willen der Liebe aus der Finsternis des Chaos zur Wirklichkeit der Schönheit erlöst, deren tiefstes Geheimnis die Gesetze der Form und Ordnung sind. Ohne diesen Willen der Liebe stirbt alles Leben an sich selbst, verfängt sich in die Hemmungslosigkeit seiner Urfülle, an der Ziellosigkeit seiner Wege, an der Brunst seines triebhaften Dranges.
Die Liebe aber heiliget alles Leben.
Ohne sie verbleibt es ein verwunschenes Chaos ohne Sinn und Ziel.
So mußte dieser Garten verderben, da er keine Liebe mehr über sich fand, die seinem Leben einen Willen gab und seiner Schönheit Fülle an das Maß der Ordnung band.
Wie ein Warten liegt es in diesem Garten.
Ein Warten auf etwas Kommendes.
Auch wie Lauschen ist es auf Schritte, die drinnen im stillen Heim leise umhergehen, wie die Schritte jener zu tun pflegen, die eines leidenden Körpers nicht ganz sicher sind.
Die ragenden Hochwaldstannen stehen Wacht vor dem stillen Hause. Das weite Rund ihrer Äste, die edle Form ihrer machtvollen Schönheit spricht von Erinnerungen an die noch nicht zu ferne Zeit, da hier noch tiefschattender Bergwald weit zu Tal blickte.
Nun sind aus den stillen Wäldern weite, lebensbunte Gärten geworden, Gärten für jene, die Stille und Ruhe und Erholung für Leib und Seele suchen.
Denn der Garten ist die tiefe Sehnsucht der Leidenden und Müden ebenso wie er der Traum der Starken und Frohen ist.
Doch eine andere Melodie ist es, die über den Gärten jener und dieser liegt.
Alle aber suchen sie sich selbst in ihren Gärten, wo die Begegnungen mit der eigenen Seele zu heiligen Festen werden und der Segen der Stille zu den Suchenden kommt. –
Und die Frau, die eben heraustritt auf den Söller des Hauses, das umbaut von den hohen, ragenden Waldbäumen des Garten gewordenen Waldes, hoch über dem schweigenden Tale liegt, ist eine der Suchenden und Sehnsüchtigen, die zu diesem Borne des Friedens kam, um sich selbst neu zu finden nach vielem Leid des Lebens, das über ihre junge Seele einbrach und ihr die Kräfte der Jugend lähmte.
Mit schmerzwissenden Augen blickt sie zur Weite des Tales, das sich vor ihr breitet, zu den blauen Fernen, zu denen ihre noch unausgelebte Jugend mit schmerzhaftem Verlangen sich dehnt und streckt.
Wie viel hat die Ferne ihr noch zu geben. Welten locken. Stimmen rufen. Verheißungen werfen ihren Glanz über die Wege, die zu ihnen führen.
Ihre erste Jugend welkte am Leiden bitterer Dinge und Erkenntnisse.
Aber die andere, neue Jugend, die ihrer wartet und welche die höhere ist, weil sie an sich selbst im Leide reicher geworden, drängt in ihrem Blute, in ihrer Sehnsucht und in ihren weit wachen Augen, die noch so viel zu schauen haben von der Fülle der Zeiten und des Seins.
So lebt sie in der Einsamkeit ihres Gartens sich selbst und dem Leben entgegen.
In weiter Schönheit liegt er vor ihr, in morgenfrischem Leuchten, und sie steigt vom Söller mit den leisen, müden Schritten, die von langen Schwächen noch nicht zu ihrer Kraft zurückgefunden, die Stufen hinab zu dem Schatten und Licht ihres geliebten Gartens, zu seinen Farben und Düften, zu seinen Träumen und Verheißungen. Alles ist er ihr geworden in diesen Zeiten der Dunkelheit und Leere ihres äußeren Lebens. Besinnung und Stille gab er ihr. Ahnung zu allen Fernen, Kraft zu allen Überwindungen, die noch ihre Wege hemmen.
Mit leuchtenden Augen schreitet sie durch die Geheimnisse seiner Schönheit, die nur sie ganz kennt, die nur ihr sich ganz auftun bis zu ihren tiefsten Gründen.
Wo sie geht und steht, ist alles voll ihrer selbst.
All die Jahre des Wartens auf sich selbst hat sie hier das bittre Leid ihrer Verzweiflungen, alles selige Wellenspiel schwingender Hoffnungen durch diesen Garten getragen. Er hat mit ihr geweint und gelächelt, kennt ihr Verzagen und ihr Jubeln, wie es das Auf und Ab aller Leiden umschwebt.
Sie kennt das strahlende Leuchten seiner Morgenhelle, die zarte, schwellende Kraft, die aus diesem Leuchten zu ihr kommt.
Sie kennt seine weite, ruhende Mittagsstille, die alle Pein tausendfacher Fragen und Unruhen wie mit einem weichen Mantel deckt und umhüllt. Kennt seine Abende voll heimlicher Süße, in denen der lockende Rausch des Lebens sich in milde, gleitende Melodien löst und alles Ferne und Nahe, alle Tiefe und Höhe und Weiche sich in Eines zu binden scheint, in dem alle schmerzhaften Dinge, alle Qual der Sehnsucht, alle Pein der Erinnerung sich mit den fallenden Abendschatten mischen und von der weiten Ebene seiner gleitenden Stille in seine sanfte Ruhe aufgenommen werden.
Auch das tiefe Schweigen seiner Nächte kennt sie.
Wo alle Fragen der wachen Seele am lautesten reden.
Wo alle Springbrunnen der Erinnerung ungestüm zum Rande steigen und jede schmerzvolle Hemmung heftiger an ihren Ketten klirrt.
Wo die Einsamkeit wie eine Drohung uns zu Häupten steht und alles Schwache, Kranke und Unwirkende der Seele und des Leibes über die stumme Wüste der Nächte hin nach Erlösung rufen.
Wie oft schon ging sie durch den Kreis des Werdens und Vergehens, der ihres Gartens Schönheit zur Höhe der Vollendung und zur Tiefe des Sterbens trug.
Ihr Herz sang mit dem Frühling und blühte mit seinen Farben und Düften, fühlte sich selig aufgelöst in das Meer der Fülle, der seines Sommers Wellen über sie hinfluten ließ. Immer wieder neu feierte sie alle Erfüllungen mit, mit denen die lohende Herrlichkeit seiner Herbste sie überschüttete.
Und das weiche Leuchten, das dann so lange über die träumende Ruhe seiner Winterstille stand, das aber in der Tiefe voll neuen Werdens, seliger Möglichkeiten und fester Sicherheiten ist – breitete auch über ihr, von langen Erwartungen fast müde gewordenes Herz, die Ruhe des Wissens um den kommenden Frühling auch für ihre neue harrende Jugend, die auf der Schwelle der Zeiten ihrer wartet, um sie neu zu grüßen und zu den blauen Fernen ihrer schmerzhaften Sehnsucht zu führen.
In ihrem Garten findet sie, die mit allen Schmerzen Suchende, sich selbst zu ihren Kräften hin. Langsam durch den Kreis der seligen Einsamkeiten ihres Gartens wandelnd, wird ihr das Tor der Hoffnung aufgetan, durch das sie zu dem neuen Leben schreitet, zu dem all ihre brennende Sehnsucht wie ein Pfeil gerichtet ist.
So ist ihr der Garten ein Symbol der Hoffnung, aus dem sie täglich neu den Glauben an das Kommende findet, das schon auf dem Wege zu ihr ist.
Alles was in deinem Garten ist, findest du auch dort.
Die Bäume rauschen im Winde. Die Blumen blühen und duften. Das Licht spielt mit allen Dingen. Im Brunnen steigt und fällt das Wasser. Wege führen durch Schatten und Sonne zu fernen Winkeln, die voller Geheimnisse sind.
Die Stille ist da, und der schwirrende Flügelschlag zwischen Baum und Strauch. Es blühen alle Farben darin, und der blaue Rundbogen des Lichtes spannt sich zwischen seinen vier Winden wie ein seidenweiches Tuch zur Unendlichkeit der Ferne hin.
Ganz wie bei dir und mir.
Und doch ein anderes wird plötzlich der Garten, wenn der Dichter eintritt und mit seinen Sonnenaugen darüber hinblickt.
Unter diesem Blicke wandelt sich alles umher zu einem neuen Sein.
Der Raum, der wie ein Ring dich eng umschließt, weitet sich um ihn zur Unermeßlichkeit, die an den Toren der Ewigkeit landet. Die Zeit, die unter deinen Schritten schmilzt wie neugefallener Schnee, hält ihren Atem an vor dem Lauschen seines Herzens und steht still vor dem suchenden Blick seiner Seele.
Die Wahrheit, die, in dichten Schleiern gehüllt, neben deinen Wegen geht, zeigt ihm ihr tiefstes Angesicht; in ihre seligsten Freuden und wehesten Schmerzen läßt sie ihn blicken, und mit eherner Hand rührt sie an die letzten Geheimnisse alles Wesens, daß er schaue und wisse und die Elemente des Seins sich mit seinem Ahnen mischen, daß die klingenden Worte seines Sanges ein Spiegel werden, in dem die Menschheit das Angesicht des Lebens findet. –
Im Garten des Dichters wandelt die Schönheit nackt und unverhüllt und der Glanz ihrer Herrlichkeit strömt über alle blühende Fülle umher.
Jedes Blatt und jede Blume, jede Farbe und alles Licht, alle Stille und jede Bewegung schimmern und tönen, leuchten und schwingen in diesem seligen Glanze.
Denn die Schönheit ist des Dichters heimlich Gespiel.
Sie baut ihm die goldnen Brücken, die ihn zu seinen Seligkeiten führen. Seligkeiten, die aus jeder tiefen Lust und allen einsamen Schmerzen gemischt, an die tausend Harfen rühren, die ihm im Blute rauschen, die seine Seele mit allem Weh und Leid des Daseins füllen und seines Blickes Rund zur Endlosigkeit des Schauens weiten.
So rührt die Schönheit in des Dichters Garten mit ihren königlichen Händen an jedes Blatt und jede Blüte, an alle Farben und jedes Licht, an die Tiefe der Sehnsucht und den klingenden Tanz der Töne, die den Garten des Dichters füllen, daß alles, ob es gleich allem dem in den Gärten aller Sterblichen ist, doch ein ganz Neues und Überseliges wird.
Ströme des Lebens rauschen darin.
Stimmen der Ewigkeit durchklingen ihn.
Die Tiefen der Weisheit raunen ihre Runen.
Aus den goldenen Brunnen der Freude rinnen selige Töne in die spielenden Lüfte.
Aus dem Dunkel der schweren Schatten starren die Augen des Schmerzes und suchen die Blicke des Dichters und harren, daß er ihn aufnehme in seine wissende Seele und seine dunkle Schwere hell und leicht mache durch den Sang der Weisheit, der in seinem Herzen blüht.
So nimmt der Dichter aus der Tiefe der Schönheit die Wurzeln seiner Kraft, die alle Bitterkeit der Tage und alles Weh der Nächte zu göttlichen Melodien bindet und aus der quälenden Unrast und schmerzhaften Sehnsucht aller Kreatur den Weg zur Lust der letzten Stille findet, in der sich die tausendfach gebrochenen Strahlen des Lebens zu dem weißen Lichte ewiger Harmonien sammeln. Dies alles aber, dies Werden und Wandeln, diese Abgründe und Seligkeiten, all der Rausch und Traum, von dem der Garten des Dichters übervoll ist wie ein Becher glühenden Weines –
All das sieht nur sein Auge.
Erkennt nur sein Herz.
Antwortet nur seiner Seele.
Darum kann wohl ein anderer der Sterblichen, der neben ihm wandeln würde, verwundert um sich schauen und voll Staunen fragen, wo ist all das, das sein Auge so strahlen, seine Stimme so voll Rausch und Seligkeiten macht? –
Sehe ich doch nichts anderes hier als in meinem eigenen Garten. Er aber geht wie ein Seher umher, und sein Angesicht leuchtet wie von fernen Morgenröten.
Denn in dem Garten des Dichters tönt und klingt die goldne Weltharfe, auf der Traum und Wahrheit, Zeit und Ewigkeit, alle Seligkeit und jeder Schmerz, Weisheit, Glaube und Liebe ihre Lieder der Tiefe singen.
Und von dieser heiligen Harfe nimmt er sie in das Glühen seiner Seele und gibt sie dir und mir und der Menschheit, daß sie an ihnen froh werde und erdentbunden zu fernen Höhen steige.
Lausche auf seine Lieder.
Vielleicht, daß sie dir die goldnen Schlüssel geben, die zu den Geheimnissen deines Gartens führen, die du noch nicht gefunden hast und die darin dein warten.
Der Abend liegt über dem Garten.
Der Abend, die Zeit des Abstiegs und der Höhe.
Da der Tag sich neiget mit seinem Müssen und Sollen.
Und die Seele zu ihrem Wollen gelöst ist. –
Das hohe, aus alter Schmiedearbeit gefügte Tor des Gartens öffnet sich.
Mit der Arbeitsmappe unter dem Arm tritt der Herr des Hauses über die Schwelle seines Gartens. Von der Freitreppe, die zum Hause führt, kommt leichten Fußes ihm sein Weib entgegen.
In einer heißen Umarmung leuchten ihre Augen ineinander und nehmen sich für den Rest des Tages in seligen Besitz.
Jeder von ihnen tat das Seine im lauten Lichte des Tages, was ihnen an Pflicht und Arbeit das Leben auferlegt.
Nun ist es Abend.
Die Freiheit kommt zu ihnen.
Und ihr Garten breitet sein träumendes Schweigen, sein tiefes Glück der Stille um ihre schwingenden Seelen.
Hier ist ihr Paradies.
Einsamkeit zu zweien. Zwischen Ich und Du die unauslöschliche Sehnsucht der Liebe. Der starke, unbeirrbare Glaube zueinander, das tiefe Wissen umeinander. – Die Bäume ringsum stehen im klingenden Abendschweigen. Ströme von Gold und Purpur leuchten zwischen ihrem Geäste, und die weichen Sommerschatten sinken wie sanfte Schleier über das Gelände.
– Nun haben wir uns wieder – sagt seine Stimme.
– Nun bin ich dein – antwortet die ihre.
Eng aneinander geschmiegt und ineinander verschlungen, wandeln sie in ihres Gartens Rund.
Wie fällt alles ab an Schein und bunter Lüge, die das harte Draußen jedem auferlegt. Nackt und lauter werden die Seelen in der Stille ihres Gartens, täglich neu geboren an den heiligen Quellen seiner reinen Schöne, erkennen sie sich selbst und den anderen mit tiefen Schauern der Freude und wachsen an dieser erkennenden Freude zu den fernen Höhen der Erlösung von Zwang und Schein.
Und die Bäume rauschen leise im Abendwinde.
Alles Blühen duftet heiß im letzten Atemholen des Tages. Die tausend Farben blühen noch einmal auf, und seltsam deutlich und feierlich hebt sich jede Linie umher im silbernen Leuchten des verlöschenden Abends.
Schweigen ist zwischen den beiden.
Und doch so viel lautes Sagen.
Baum und Strauch und alles Blühen und Duften umher spricht mit ihnen, spricht für sie. Jeder Weg kennt die Freude ihrer Schritte, die eng, Spur in Spur fast, zwischen ihnen klingen. Jede Schönheit hier ist der Segen ihrer liebenden Hände. Und die ganze Luft ist voll des Rausches ihrer starken Liebe, voll der Lieder ihrer überströmenden Dankbarkeit.
So schauen sie in den Abend, der still zum Meere der Vergangenheit sich senkt. Ein Tag ihres Seins geht mit ihm dahin – aber er war unser, fühlen sie und lassen ihn stille ziehen. Ist doch jeder Augenblick in diesem heiligen Kreise ihres Gartens ihnen eine so tiefe, starke Wirklichkeit und feiervolle Gegenwart, daß sie sich zwischen den schwebenden Ufern der Vergänglichkeit und des Währenden schmerzlos getragen fühlen von ihrem sicheren Willen zum Leben und Werden.
Und leise schlummert dort im schimmernden Lichte des verhängten Fensters die erwachende Stimme der Zukunft, die ihrem Wege eine Weisung ist und ihrem Tage den rauschenden Flügelschlag des Mutes gibt.
– Laß uns zu unserm Kind gehen – sagt die glücksschwere Stimme des Mannes.
Sie stehen auf der Schwelle ihres Heims.
Blicken noch einmal zurück in die dunkelnden Schatten ihres Gartens, der alle Geheimnisse ihres Glückes kennt.
Und in dem Garten des Glücks singt eine Nachtigall das tiefe Lied der Liebe.
Die Liebe, die Tag ist und Abend – die Ruhe ist und Kraft.
Die in alle Ewigkeit ewig bleibt in sich selbst, der goldene Kreis, der die Weite des Alls umschließt und das Menschenherz mit der Kraft des Alls umfängt.
Die Nachtigall streut ihre schimmernden Töne über den Garten des Glückes.
Und die beiden, die sich an ihm zu den heiligen Hainen der Schönheit zurückgefunden, die jenseits des Zwitterspiels von Wirrnis, Trug und Schein, zu dem sich das Außensein der Menschentage verfangen und verknotet hat, ihre seligen Gefilde breiten. –
Die beiden lauschen in die singende Nacht hinaus, und ihre Herzen sind voll jener Andacht, die wie ein Gebet ist.
Ein Gebet am Altare des Lebens.
Diesen Garten findest du auf allen Menschenwegen.
Er gehört jedem von uns.
Er wartet unser aller.
Die trauernde Weide ist sein Symbol und Abschied das schwere Zeichen, unter dem er blüht.
Und doch ist Frühling darin. Lachender, singender Frühling mit allem Rausch und blühender Schönheit.
Alle Düfte und Farben, alles Sonnenleuchten und jede Schattenlockung ist hier vor dein Auge gebreitet, ganz wie in den andern Gärten der Freude dieser Menschenerde.
Aber über allem Leben hier steht die seltsame Dämmerung eines fernen Lichtes, das nicht von dieser Erde ist.
Ein schmerzliches Rufen, das unhörbar dem Ohre, in leisen Wellen an deine Seele rührt, wird lauter und dringlicher, je tiefer du darauf lauschest, bis es zuletzt über alle Laute der blühenden Erde ringsum nur noch allein zu deinem Wesen spricht.
Wie das Rufen von einer Ferne her, die du nicht kennst, kommt es zu dir. Wie das Brausen eines fernen Meeres, dessen Ufer du noch nicht erkannt.
Du wandelst wie trunken von den Schauern wartender Ahnungen, die dich plötzlich über die bunte Bewegung des Lebens wegtragen zu einsamen Welten, deren Stimmen dir geheimnisvoll vertraut klingen, als sprächen sie die Sprache der letzten Tiefen deiner harrenden Seele, mit der sie in seltenen Stunden der großen Stille zu dir redet. Als löse sich aus dem schweren Schweigen derer, die hier ruhen, ein seltsames Tönen, das anderer Sphären Gesetze unterworfen, in neuen, nie gehörten Rhythmen dich umdrängt und dich wie mit einem Kranze schwerduftender Blüten umhängt.
Dies Tönen und dieses Rufen, wie nah glaubst du sie zu kennen.
Aus den fernsten Erinnerungen und schmerzlichsten Sehnsüchten deiner Nächte und Träume kommt ihr Klingen und Mahnen zu dir, und du bist wie ein Vogel, schwebend zwischen Himmel und Erde und weißt nicht, welcher Schwelle du zufliegen möchtest.
Alles Endliche wird klein vor diesem Brausen der tiefen Fernen, alle Fesseln der Erdenschwere sind aufgehoben, alle Wirklichkeit wird zu fliehendem Schein, und du schaust dem Leben mitten in seine Wahrheit.
Die Wahrheit, die dich und das All trägt, die allem Sein seinen heiligen Sinn gibt. Die deine Stille mit den Schmerzen der Sehnsucht reich macht und deine Träume mit seltsamen Hoffnungen erfüllt.
So mitten durch den klingenden Frühlingsrausch der bunten Erde gehst du in diesem Garten der Tränen wie in kühler Leere und Einsamkeit, in der die Seele des Alls Zwiesprache hält mit der deinen.
Erinnerungen umschweben dich, die aus den Gräbern blühen, die das Dunkel und Licht vergangener Zeiten dir neu entzünden und alle Flammen der Liebe erwecken und dich mit dem Duft aller seligen Geheimnisse überschauern, die dein Herz an jene binden, nach denen dein Auge noch immer sucht und zu denen deiner Sehnsucht weher Drang dich immer wieder lockt und ruft.
So greifbar nahe trägt dich der Pfeil der Erinnerung zu ihnen. Du siehst das geliebte Angesicht, die geliebte Stimme tönt wie eine Glocke in dein Herz, das Lächeln des Mundes und Leuchten des Auges kommt zu dir – einen seligen Augenblick lang – und wieder ist alles in der weiten Leere und Einsamkeit verweht.
So zwischen Nähe und Ferne, zwischen dem Heute und alle Ewigkeit wandelt dein erdgebundener Fuß auf den Wegen dieses Gartens, die dunkel sind von den Leiden und Schmerzen derer, die über sie hinschritten mit der flammenden Opferschale des Todes in den bebenden Händen. –
Und so lange du hier wandelst, bist du selbst von den Schatten des Todes umhangen.
Die helle Wirklichkeit deines Tages, die ruhende Sicherheit deines Wissens, die harten Grenzen deiner kreisenden Sinne entschweben dir, als ob sie dich nie gehalten, als ob du ihrer nie bedurft. Enthoben dir selbst, vom Grenzenlosen umfangen, weißt du ein anderes Wissen, begreifst du weitere Weiten und tiefere Tiefen als bisher.
Im Garten der Tränen lernst du ein neues Lächeln und die Unrast deiner Seele entwirrt sich in dem Schweigen der Leere und Einsamkeit, das dich hier wie ein Tempel umbaut.
In diesem Garten des Schweigens erfährst du Tieferes als draußen vor seinen Toren, erfaßt du heiliger die Erkenntnisse des Lebens, das an das Gesetz des Todes gebunden ist.
Zwischen die Ufer des Lebens und des Todes ist dieser Garten mitten hineingestellt.
Wo Menschen leben, blühen seine Gräber.
Und an das eherne Schweigen seiner Tore brandet und bricht sich das Tun und Harren, das Irren und Schaffen, das Wollen und Lassen der Menschen, der tanzende Reigen und glühende Rausch des brausenden Lebens, das an der heiligen Schwelle dieses Gartens sein Angesicht in den Staub neigt.
Der wissende Mensch aber, der dem Unbegrenzten des Lebens sein tiefstes Geheimnis abgerungen und das eherne Schweigen des Seins mit seinem starken Willen zur Erkenntnis überwältigt hat – er schuf sich die Liebe.
Diese unsterbliche Flamme, die die finstern Tore des Todes sprengt und über sie hin die goldenen Brücken baut, die zu den Fernen der Ewigkeit reichen.
So wurde der Garten der Tränen zum heiligen Hain seliger Begegnungen mit denen, die du mit der Tiefe der Liebe an dich bandest.
Je mehr es derer werden, die zu den fernen, unbekannten Ufern gingen, desto mehr lockt es deinen Fuß zu den Wegen des Schmerzes, die durch den Garten der Tränen führen.
Ihre Ferne wird dir näher als deine Nähen.
Das unsichtbare Gefilde, in dem du sie weißt, wird mälig deiner Seele greifbarer als das Land, das du mit Augen schaust.
Hierher kommst du mit der Unruhe deines ermüdeten Herzens, mit den Zweifeln deines suchenden Geistes, mit allen Täuschungen und Qualen deiner erdgebundenen Tage.
Immer vertrauter wird dir diese Insel des Schmerzes, an deren Gestade die Stimmen der Dinge dich verlassen und du mit dir allein vor der bangen Unergründlichkeit des Todes stehst.
Und allgemach versiegen deine Tränen.
Bis du eines Tages in bebender Ergriffenheit dich hingebend eins werden fühlst mit allem, das ist und das war.
Im Garten der Tränen lernst du jene Schritte tun, die Welten zueinander binden, welche tief ineinander verkettet in unseres Wesens Grunde ruhen.
Im Anfang war der Garten.
Und die blühende Schönheit war ohne Ende.
Zwischen Himmel und Erde stand süß und heilig die große Stille, an der alle Töne des Seins zu schwingenden Harmonien wurden. Das Leben glühte und blühte da in überwältigender Herrlichkeit.
Farben und Düfte lagen wie Flammen über der Erde.
Tausendfach war das Grün der Haine.
Tausendfach die Form der blühenden Lust umher.
Zwischen Licht und Schatten hingebreitet schwebten alle seligen Träume des schaffenden Gottes.
Auf den singenden Wellen der Wasser schwamm das Chaos der Töne, die in den Herzen der nippenden Vögel zu tausend seligen Liedern wurden.
Heiß, in überströmender Fülle standen alle Becher des Lebens voll süßer Lust hoch bis zum Rande.
Tag und Nacht küßten einander in seligen Freuden.
Nichts wurde alt in diesem Garten.
Nichts starb darin.
Das Leben hatte den Tod noch nicht gesehen.
Und in diesen Gefilden der Seligkeit wandelte der Mensch.
In seiner gottreinen Seele ruhte alles Leben umher wie in einem Spiegel.
Alle Schönheit wurde zu strahlendem Licht in seinen Augen, und alle flammende Werdeglut brandete an sein Herz und entzündete die Fackel der Liebe darin.
So wandelte er in weißer Unschuld durch alle Farbengluten des Lebens. Und die Liebe in ihm verstand alle lohende Lebenslust umher.
Frieden war in seinem Herzen.
Er kannte nur Leben.
Die Nacht hatte keine Schrecken für ihn.
Seine Tage waren eine Unendlichkeit an Schönheit.
Sein Blut sang die seligen Melodien des Lebens mit.
Der Garten war der Kreis der Ewigkeit, in dem seines eigenen Wesens Ring selig verkettet war.
So ruhten ihm seine Tage und Nächte auf dem Wellenspiel der Freude.
Und seine Seele badete in den schwingenden Harmonien, die von der goldenen Harfe des Seins, die mitten im blühenden Garten stand, in alle Weiten strömten.
Aber der Tag kam, da er plötzlich den Tod erkannte.
Denn Schuld und Reue kam über seine Seele.
Das Licht der Schönheit erlosch.
Die Nacht wurde finster für ihn und der Tag voll Schrecken.
Und zwischen ihm und dem Garten der Seligkeit stand das Schwert des Schmerzes. Das Leben veränderte sein Angesicht gegen ihn.
Die Harmonien verstummten.
Und leer und öde war sein Herz.
In neue Fernen führte nun sein Weg.
Er selbst mußte suchen und finden, das Leben hatte alle selige Bereitschaft für ihn verloren.
Zu Kampf und Sieg zog er aus. Mit schweren Füßen und müden Händen mußte er sich jeden neuen Tag zu seinen Diensten zwingen. Und seine unruhigen Nächte waren von Traum und Tränen erfüllt. Aber im tiefsten Grunde seines Wesens trug er immerfort die Erinnerung an die singende Seligkeit jener Gefilde des Friedens, die ihm nun für immer verloren waren. Und neben dem Schweiß seiner Tage und der Unruhe seiner Nächte, neben Kampf und Siegen, Höhen und Tiefen seines bitteren Daseins sang leise die tiefe, zehrende Sehnsucht in ihm nach jenem Garten des Friedens.
Und Gott sah, wie elend und arm der Mensch geworden, da ihm die Schönheit des Friedens genommen war.
Und er erbarmte sich seiner und ließ den Traum seiner Erinnerung in ihm so stark werden und die Sehnsucht nach dem Verlorenen so schmerzhaft, daß er eines Tages anfing, sich ein Bild zu machen, das jenem Glücke ein wenig ähnlich war.
Aus der tiefen Sehnsucht seines arm gewordenen Herzens wurde dem Menschen der Garten geboren.
Und als er erst einmal diesen Traum ergriffen und in die Öde seiner Wirklichkeit gezwungen hatte, kam ihm eine so selige Beglückung aus dem Bilde, das aus Erinnerung und Sehnsucht gewoben war, und das seiner müde gewordenen Seele neue Flügel gab, daß er sich wieder in das Land der Freude schwingen konnte und Lied und Lust wieder zu seinem Herzen kamen.
In seinem Garten findet der Mensch zum Paradiese zurück. Er vergißt für Augenblicke, daß das Schwert des Schmerzes zwischen ihm und dem verlorenen Glücke steht, das ihm in jenem seligen Gefilde einst in strömender Fülle blühte.
Ja, jeder Garten ist eine sanfte und süße Erinnerung an das Paradies, das den Anfang der Menschheit sah.
Deshalb wird es dem Menschen so warm und froh im Herzen, wenn er in seinem Garten wandelt und ruht.
Vor seiner Tür läßt er alle Angst und Qual des harten Tages, und Glaube und Hoffnung kehren ihm hier wieder.
Und selig frei von Ketten und Lasten, mit denen das Leben den Alltag seiner Seele bindet und verdirbt, erkennt er sich selbst im Spiegel des Friedens, den er tief verborgen in seinem Garten findet. Eine Lüge nach der andern fällt ihm hier von seinem Wesen ab, und er wird frei zu allem Besten in ihm.
Sein Garten gibt ihm die Stille der Wahrheit und die Tiefe der Ruhe, an die alte Erkenntnis gebunden, aus der alle Reife blüht.
Alles Letzte und Tiefste in ihm erwacht ihm hier, und je länger und dringender er seinen Garten liebt, je mehr kommt jenes Neue und Ferne zu ihm heran, das er mit banger Sehnsucht so lange suchte und das die Vollendung alles dessen ist, was aus Ewigkeiten her seines Wesens Wege und Ziele sind.
Berauschender Geheimnisse voll ist sein Garten dem, der ihn mit seiner besten Liebe liebt. Hier wird ihm das Leben erst zu Leben. Und trunken von Traum und Erkenntnis wandelt er neu im Paradiese und findet allgemach die fast verloschenen Wege zu den rauschenden Quellen des Glückes zurück, von denen ihm Traum und Sehnsucht so schmerzvoll erfüllt blieben. –
Deine ruhende Welt ist dir dein Garten.
Und der Ring der Liebe zu denen, die du als die deinen erkannte, schließt sich dir hier zu einem heiligen Kreise.
Was du hier in tiefer Liebe umfassen kannst, ist wahrlich dein. In deinem Garten weicht aller Lüge und Schein und was bleibt, ist du und deine Wahrheit.
Und immer schmerzhafter wird die Sehnsucht der Menschen nach ihrem Garten werden, je mehr ihr äußeres Leben in Schein und Leere sich verliert.
Eine Türe zu wissen, die zwischen dir und dem Zwange zur Entfremdung von dir selbst steht. Eine Stille, die dich von all den falschen Tönen trennt, welche die heilige Melodie des Seins zerreißen. Eine Fülle reiner Seligkeiten, welche die traurige Armut da draußen vergessen lassen –
Das heißt ein heimlich Paradies haben, in dem du alles Göttliche in dir aufblühen und erglühen fühlst.
In jedem Garten wird die beste Sehnsucht eines Menschen zur Erfüllung. Darum gehe an keinem vorüber, der dir offen am Wege steht.
Tritt in jede Türe eines Gartens, die unverschlossen blieb, und hole dir einen Trunk aus dem Paradiese, der dir bis in die Wurzeln deines Wesens zur Labung wird.
Fühlst du, wenn du eintrittst, wie plötzlich dein Herz in dir so seltsam still wird. Wie dein Auge aufleuchtet in tiefer Ergriffenheit und ein Hauch des Friedens über die Unruhe deiner Seele geht?
Und wie alle Farben, alles Duften und Blühen umher zu dir redet, dich halten und locken will zu seiner rührenden Schönheit, zu seiner sanften Stille, zu all den heimlichen Rätseln, die aus seinem scheinbar so strengen Kreise der Einfachheit tausendfach hervorbrechen.
Und schwer wirst du zur Schwelle zurückfinden, wenn du eintratest. Denn jeder Garten hat ein ander Angesicht, in das zu schauen eine tiefe Wonne ist.
Erkennen wirst du auch den, dem er gehört.
Und oftmals wirst du dessen Seele heimlich grüßen und einen Hauch seines Wesens mit fort nehmen, auch wenn du nie sein leiblich Angesicht erblickst.
O ihr ruhenden Gärten der Erde –
Oasen der Erinnerung seid ihr an jenen seligen Garten des Anfangs, in dem alle Schönheit ohne Ende war.
Die Zahl der Füße sind wohl kaum zu zählen, die über die Schwelle dieses Gartens schritten.
Und ein Meer geheimnisvoller Freuden müßte die Ufer dieses heiligen Gartens umrauschen, wenn all die heimlichen Seligkeiten derer sich zu einem Spiel der Welten verdichten könnten, die je hier die stillen Hoch-Zeiten ihrer Seelen gefeiert.
Wie eine Insel der Seligen liegt er mitten im Herzen der deutschen Lande, und von den Grenzen aller Reiche strömen die Scharen der Wissenden, wie von einem weittragenden Magnete geheimnisvoll gelockt, zu dieser weltfernen Oase des Friedens. Die Wissenden, die wie eine geheime Bruderschaft sich um die Aura des gewaltigen Geistes sammeln, der hier in der leisen Stille des schweigenden Gartens seines Wesens unlöschliche Spur aller Zeiten Dauer aufgeprägt.
Kommst du als Wissender und Liebender über die Schwelle dieser Gartenstille, so werden alle seligen Schauer der Ehrfurcht deine Seele überströmen und du fühlst, wo deine Schritte wandeln, ist heiliges Land.
Ein Geist, der aller Welten Weiten umspannte, der jeder Tiefe Geheimnisse kannte, der jedes Glaubens letzten Grund durchschaute und an den Ufern jeder Liebe landete, dem das Leben ein königlich Reich wissender Erkenntnisse war, ein Geist, in dessen unausschöpfbarer Unendlichkeit aller Weisheit Licht und Leuchten, aller Zonen Duft und Farben, aller Erde Schmerzen und Beglückungen sich zusammenfanden –
Dieses Geistes machtvolle Erinnerung ist wie in eines Tempels Schrein diesem Garten eingebaut.
Du fühlst die Ausstrahlung seiner einzigartigen Harmonien ringsumher in Licht und Schatten seiner stillen Wege. Auf Schritt und Tritt kommt es hier wie ein Rufen zu dir, wie ein Rufen und Halten von all den lockenden Ufern, die du auf den tausend Nachen seines weltumfassenden Geistes mit dem Gruße des Erkennens geschaut.
Und wenn es deiner Seele gegeben, aus der in tausendfache seelische Wirkungen aufgelösten Persönlichkeit das Bild derselben in seiner Ganzheit im tiefsten Sehwinkel deiner selbst zu erfassen – kann es dir geschehen, daß mitten im spielenden Schatten der hochragenden Baumsäulen, einen seligen Augenblick lang der Große dir begegnet, der dieses Gartens kleines Rund mit der Macht seines Wesens bis zum Rande füllte.
Sein strahlendes Auge grüßt dich.
Und alles ihm Verwandte rauscht in dir auf und mengt sich mit der lohenden Leuchte seines flammenden Geistes.
Um solch geheimen Begegnens willen suchen Millionen Füße dieser stillen Wege Spuren, verschwinden alle Fernen, rücken aller Länder Grenzen nahe zusammen, finden sich aller Sprachen wirre Melodien zu dem Orgelton des Geistes hin, der alle Strahlenbrechungen weit auseinander liegender Erkenntniswelten in die Zone seiner Ganzheit sammelte. –
Still und sanft liegt er am Wege dieser seltsame Garten. Umbrandet von der brausenden Pracht des sich weit hinstreckenden Parkes, dem auch aus dieses selben Meisters Hand Plan und Leben kam.
Unzählige Erinnerungen, unendliches Erleben, eine Fülle der Gesichte liegt hier wie eine unzerstörbare Schicht über Wegen und Stegen, über den plaudernden Wellen des silbernen Flußes, der ihn durchströmt. Traumhafte Schönheit breitet sich über seine Höhen und Tiefen, im Schatten seiner wundervollen Bäume, im Duft und Farbenspiel seiner buntleuchtenden Wiesen. Hier bringt der Alltag fort und fort ein wogendes Leben. Neugierige und Müßige, Müde und Wanderfrohe schlingen Tag und Tag den Reigen durch die grüne Unendlichkeit dieses Parkes, in dessen schützender Umarmung das andere kleine Gärtlein in heimlicher Stille und Verborgenheit ruht.
Zu diesem aber wallfahrtet die Gemeinde derer, die sich am kastalischen Quell den Rausch der Seele getrunken und an den tiefen Brunnen der Weisheit ihren Durst gestillt. Und dort und hier kredenzte ihnen dieses Meisters Hand die übervollen Becher der Freude, die ihrem Wesen Licht und Leben gab. Und so fühlen sie sich ihm unzertrennlich verbunden in unversiegbarem Dankesglück.
Und eine treibende Sehnsucht führt diese Liebenden immer wieder zu dieser geheiligten Stätte, da sein Fuß wandelte und sein Geist wie in einem Tempel aller Gottheit die höchsten Schätze des Menschentums mit neuem Wert und neuem Glanze nährte. Ja wie in einem Tempel durchschauert es dich beim Eintritt in diesen raumengen und dennoch so weltweiten Kreis dieses kleinen Gartens, in dem ein König von Geistes Gnaden sich selbst ein heilig Denkmal schuf.
Sieben Stufen führen zu ihm hinan.
Auf der Schwelle grüßt dich das mystische Zeichen des Fünfwinkels und dein zögernder Fuß fühlt die Weihe der Stätte, die du betrittst.
Wie Säulen stehen die hohen Linden. Sie werfen ihr Schattenspiel auf langgestreckte Wege zwischen grünen, ruhenden Matten, Wege wie sie der Schaffende liebt und der Träumende braucht, um ungestört dem gleitenden Fluße seiner Gedanken, dem wirbelnden Spiele seiner bilderbeladenen Seele zu folgen.
Und an allen Ecken der Windrose findest du hier Denkmale aufgerichtet, Altäre heiliger Erinnerungen, geheimnisvolle Beziehungen zu der Fülle des Glückes und den Weihen der Liebe, die das Leben der großen Schaffenden wie ein ewig brandendes Meer umwellen.
An den Wegen, wo jetzt purpurne Disteln wie hohe Kerzen stehen, blühten einst Malven, die mit ihren sanft verschleierten Farben sich mit den leisen Tönen der Dichterharfe mischten und den Frieden der Stille mit der endlosen Melodie mystischer Rhythmen füllten, wie sie den schaffenden Geist auf seinem Fluge zur Höhe begleiten.
Du fühlst dich aufgelöst in Schauen und Lauschen. In Seligkeit gefesselt an das starke Fluid der Persönlichkeit, die diesen Raum füllt und beherrscht. Was dir der Große, der hier lebte, geworden, spürst du hier mit stolzem Danke und grüßest ihn mit deiner Seele, die sich ihm nahe weiß in der Gebundenheit zu seinem Denken und der flugfrohen Freude zu den Weiten, die er dir gab.
Wie verzaubert weilst du lange Stunden in dieses Gartens magischem Kreis.
Dein traumverlorner Geist sucht nach einem Symbol der Materie, um sich zurückzufinden aus den Gefilden fernster Horizonte, zu denen die Manen des Großen dich mit hinreißender Gewalt entführten.
Und siehe – da liegt das kleine Haus, in dem er wohnte.
Ein seltsam steiles Viereck mit der kleinen Fensterreihe hoch oben unter dem jäh aufsteigenden Dach. Von kletterndem Grün umsponnen, steht es in verträumter Geschlossenheit mitten im bebenden Glanze des sommersonnenden Gartens.
Ein Traum mehr zur übrigen Versonnenheit umher, eine Erinnerung mehr in dem seltsam lebenden Bilde, das gewoben ist aus den seelischen Elementen eines längst Gestorbenen und der Liebe derer, die sein nicht vergessen können und das er mit seinem eigenen Wesen so heiß erfüllt hat, daß du Zwiesprache hältst mit ihm, der hier sein überreiches Leben lebte – ein Leben, das nicht sterben kann noch im Tode.
Und deine Seele segnet diesen stillen Winkel, der so voll Traum und Leben ist, so von tiefster Bewegung durchatmet, von heiligster Liebe derer durchglüht, die fort und fort zu ihm wallfahrten und seines Segens voll, zu ihrem eigenen Wege heimkehren.
Kommt dir da der Wunsch zu deinem Herzen, daß nicht der Zeiten Schritt je diese heilige Schwelle zerstörend überschreite –
Und ich höre deine Stimme sagen –
Rührt mir nicht an dieses Hauses Linien, |
Ihr zerstörend grausamen Gewalten. |
Lasset einmal euren Schritt, ihr Zeiten, |
Weg von dieser teuren Schwelle halten. |
All der Dank, der wie ein tiefes Beten |
Zu der stillen Klause aufgestiegen, |
Soll sich wie ein Schutz um seine Mauern legen, |
Wie ein Sturm sie wachsam rings umfliegen. |
Nicht ein Baum soll je hier traurig sterben, |
Und kein Stein vermodern und verderben, |
Keine Latte sich am Zaun verschieben, |
Und kein Nagel rosten – denn wir lieben, |
Lieben – lieben über alles diese Stätte, dieses Haus. |
Dieser Garten liegt nicht unter denen, die ich euch zeigte. Draußen, mitten in einer großen schönen Stadt ist er zu finden.
Viele Menschen kennen ihn.
Wenn sie hören, was ich von ihm weiß, erkennen sie ihn gewiß.
Er ist die Seele der Stadt.
Und von einer seltsamen Lockung gezogen, strömen Tag um Tag die Scharen der Menschen zu ihm hin.
Er ist nie leer und einsam.
Immer geben pochende Herzen Antwort auf die Geheimnisse, die unter seiner vornehmen Stille ruhen.
Es ist ein Garten.
Und doch keiner.
Klar und übersichtlich sind seine gradlinigen Wege.
Nirgends jene stillen, heimlichen Winkel und dichtlaubigen Verborgenheiten, die eigentlich zu einem Garten gehören.
Die gerade Linie, das Viereck ist sein Symbol.
Und doch wirkt er seltsam bezaubernd.
Wie auf einer Insel der Seligen ruhen hier die Menschen unter dem Schatten des frühlingsduftenden Grüns.
Hier und da ein grelles Blumenbeet mitten im leuchtenden Rasen, dessen weites Rund das Symbol der geraden Linie noch deutlicher macht.
Von früh bis spät wird der Garten nicht leer.
Dort wo unter dem üppigem dichten Gehänge blühender Kastanien unendliche Reihen von Stühlen und Tischen zu Traum und Umschau laden, wird es nicht leer von Kommen und Gehen.
Wie unter einem Bann sitzen sie alle da, die Müden, die Stillen, die Lauten und Ungestümen.
Wie ein hypnotisches Fluidum steht die sonnendurchgoldete grüne Laubdämmerung über ihnen und deckt alle Unruhe und Unrast, alles Suchende und Gequälte, jede Not und jede Sehnsucht, die an dieses goldene Ufer landet mit einer weichen Wolke sanfter Vergessenheit zu. Aufgelöst zu sich selbst, erlöst von sich selbst, losgelöst von Raum und Ding, versinkt Denken und Wollen in dem grüngoldenen Licht, in einer verklingenden Zeitlosigkeit, die Traum und Wirklichkeit – Ferne und Nähe – Jetzt und Dann – dich und die andern in einen Rausch seltsamer Entrücktheit mischt.
Wie ewige Jugend liegt es über diesen Menschen. –
Jugend, die Glut ist und Licht und alle Seligkeit entzündet, die an den tiefen Seen der Seele blüht.
Jugend, die alle Schatten und Finsternisse überwindet, die neben aller Schönheit ihrer Stunde warten.
So im Traum und Rausch versonnen und versponnen sitzen die Menschen Tag um Tag in diesem seltsamen Garten.
Wie auf einer Insel der Seligen.
Draußen ganz dicht und nahe brausen die Wellen der fiebernden Großstadt. Dröhnen die Schläge der Glocken, die Stunde von Stunde scheiden. Rennt, jagt, fährt und saust jedes Tempo jeder möglichen Bewegung, ist die Luft erfüllt von Ziel und Zweck.
Zu den Gestaden dieses seligen Gartens aber dringt nichts davon herein, ob er gleich nur durch weit offene Tore vom Bilde der Straße sich trennt.
Hier ist Vergessenheit und Stille.
Hunderte von Menschen und dennoch kein Lärm.
Träume wandeln auf allen Wegen.
Und die Wellen jeder Sehnsucht brechen sich an den Ufern dieses Meeres von Einsamkeit und Ferne.
Alle Wirklichkeit spricht hier eine neue Sprache. Der große Schwung der Linien, die diesen Garten umgrenzen, scheinen abgelöst von den andern Bauten umher, wie die architektonische Idee an sich im Raume zu stehen.
Das Leuchten der Blüten im schimmernden Rasengrün ist eine Symphonie von Licht und Farbe.
Und die Rhythmen der Musik, die der Mitte des Gartens entstrahlen, sind die tönenden Stimmen all der Sehnsucht, die aus den pochenden Blutwellen der träumenden Herzen umher auf- und niederfluten. –
Und daß dort auf dem breiten Baumgang unter hängendem Goldgrün geräuschlos und ohne jeden Prunk eben ein König über die stillen Wege fährt und mit milder Güte auf all diese bunte Menge blickt – das gehört so ganz zu dem Traumbilde dieses seltsamen Gartens, daß es von niemanden als etwas Besonderes empfunden wird.
Wenige gibt es, die diesen Garten nicht kennen.
Und keiner, der ihn kennt und ihn nicht liebte.
Diesen seltsamen Garten, der aus geraden Linien und hellen geheimnislosen Quadraten eine mystische Perspektive schafft, die aus den Elementen der Stille, des Rausches, der Verlorenheit des Traumes und den schäumenden Wellen der Sehnsucht sich aufbaut zu etwas tief Unvergeßlichem dem, der es mit der Seele schaut.
Ein seltsames Bild gibt dieser Garten deiner Seele zu schauen. Wie eine Vision steht es da mitten im hellwachen Tage.
Unwirklich will es dir scheinen trotz der intensivsten Realität, die dort dir Schauen und Lauschen erfüllt.
Alle Zonen der Erde haben hier ihre Tore geöffnet, und aus ihnen strömt aller Wesen Wesen vor deinen erstaunten Augen zusammen. Aller Kreatur ist hier eine Stätte bereitet.
Und alle Gedanken, die dem Schöpferwillen in der Jahrtausende Fülle sich entrangen, findest du hier in ihrer gewaltigen Stufenleiter des Lebenden vom kleinsten Amphib bis zur grotesken Übergröße tropischer Gebilde zusammengerufen, und wie im Paradiese ruhen sie einträchtig beieinander.
Aller Kreatur ist in diesem Garten eine Heimat bereitet, eine Umwelt gegeben, wie sie jedem einzelnen gerade vonnöten. Wasser und Wiesen, Hochland und Höhlen, Waldesschatten und Sandwüsten sind von Menschenhand hingebreitet und aufgerichtet, um der tausendfachen Vielheit alles Lebenden eine Stätte der Schönheit und des Friedens zu geben.
Und dein Auge schaut ergriffen über die unerhörte Weite der bunten Möglichkeiten des schaffenden Urwillens, und der Erde unendlicher Kreis fügt sich vor deinen Blicken zu einem goldenen Zauberringe, der wie ein Symbol millionenfacher Zeugungsformen dich in einer kurzen Erdenstunde alle weltenweiten Horizonte jahrmillionentiefer Vorgänge des ewigen Werdens und Vergehens überfliegen läßt.
Mit Schauern der Ewigkeit aus der Zeiten Urwelttiefe und der Unendlichkeit ihrer greiflos gewordenen Fernen grüßt es dich aus diesen unzähligen Zeichen des gewaltigen Lebenswillens wie etwas Namenloses, Entschwundenes, das mit rätselhaften Geisterhänden an die Schwelle deiner eigenen Tage rührt.
Durch die ungeheure Menge tausendfacher Bewegtheit all dieser Kreatur umher, die wie ein Chaos von Form und Farbe und Bewegung hier die endlos weiten Räume füllt, zieht es sich wie ein roter Faden zu dir hin, der den schaffenden Urwillen aus den Nächten des Anfangs leise und geheimnisvoll mit den letzten Dingen deines eignen Wesens bindet und dich in seliger Beglückung für einen hauchkurzen Augenblick mit der heiligen Glut jenes gewaltigen Weltwillens erfüllt und dich deines Daseins tiefste Verbundenheit mit aller Kreaturen Sinn und Sein begreifen macht.
Und anders schaust du plötzlich um dich.
Ein Teil von diesem Allen bist du.
Milliarden sind der Zeiten Schritte, die das Urbild der kleinsten dieser Wesen durch der Ewigkeiten Räume trugen, bis es in dir sich zur Vollendung lösen konnte.
Tausendfach sind die Ahnungen aus dieser Zeiten dunklen Hintergründen, die, seltsamen Erinnerungen gleich, sich in deiner Seele Träume grüßen, und alle Liebe zu Tier und Baum und Blume dringt durch dies Erinnern weich und warm wie der Odem der Heimat zu dir her.
Hier in diesem seltsamen Garten fühlst du es angstvoll und jubelnd zugleich, wie feurig und doch linde die Einheit des Seins das All umspannt, daß die Melodien aller Kreatur aus eines Brunnens Tiefe steigen und die überschwängliche Fülle alles Geborenen mit dem Symbol des in sich zurückkehrenden Kreises tief verkettet ist. –
In tiefster Ergriffenheit wandelst du in der bunt und laut bewegten Welt dieses seltsam fremden Gartens, an dessen Ufer alle Fernen der Erde sich grüßen und erkennen.
Des Schauens ist kein Ende zu finden.
Wesen aus tausend Welten blicken dich an aus Millionen Augen, die hier wie kleine Sonnen leuchten.
Jedes hat einen andern Reflex in seinem beweglichen Rund. Von stiller vegetativer Hingegebenheit bis zu feurigster Leidenschaft ist die ganze Skala seelischer Entwicklungen in der sicheren Sprache des Blickes ausgewirkt. Menschlich mutet dich oft die Geste und das Schauen dieser Wesen an; als könntest du leise Zwiesprache mit ihnen halten, als haben sie dir aus tiefen Vergangenheiten geheime Botschaft zu sagen.
Eine Flut von Formen und Farben und Tönen umbrandet dich.
Und alles Gewoge von Menschen, Tier und Pflanzen, das dich umkreist, wächst in deinem Bewußtsein zu der gewaltigen Melodie des Lebens zusammen, die der Weltgeist in geheimnisvoller Fugenweise auf der Harfe seines Willens spielt. –
Da plötzlich tönen von der Rampe her die rauschenden Akkorde einer brausenden Symphonie, die alles Tönen umher, das wilde Brüllen der Löwen und Tiger, das Schreien der Affen, die krächzend heiseren Rufe der bunten Vögel, den seltsam schmerzlichen Laut des Lamas und all die tausend andern großen und kleinen Stimmen der bunt umherverstreuten Kreatur in die Rhythmen ihrer weiten Harmonien aufnimmt, sie auflöst aus ihrer Gebundenheit und von ihrer Schönheit umhüllt, sie in einer jubelnden Fanfare stolzen Triumphes zu den Grenzen des Alls hinträgt, zu denen der Menschengeist aus Drang und Enge sieghaft seine Wege fand. –
Der Menschengeist, der aller Kreaturen Spuren im Ringe seines Wesens trägt.
Nicht das allein macht meine Stadt so schön, daß sie sich wie von einem stolzen Purpurmantel historischer Erinnerungen umhüllt, im Tale hinbreitet. Daß alle Winkel ihrer alten Straßen, die stolze Burg auf der Höhe, das vornehme Schloß in ihrer Mitte, von einem schillernden Reichtum ohnegleichen zeugen und in die weiten Zeiten ihrer tief in die Geschichte reichenden Vergangenheiten hineinführen.
Auch nicht die bunte Bewegtheit ihres zur neuen Gegenwart aufblühenden Lebens ist das stärkste ihrer vielen Reize. –
Ihre feinste und tiefste Schönheit ist der weite, blühende, grünende Garten, in dem sie eingebettet liegt, von dem sie wie von einem üppigen Kranze unverwelklicher Freude rings umhangen ist.
Der Frühling jauchzt und lacht in berauschender Fülle über diesen Garten hin, erfüllt ihn mit dem Zauber und Glanz seiner sieghaften Herrlichkeit. Der zarte Duft sprossenden Laubes füllt die Luft mit neuem Traum. Ein Blütenmeer ist über Strauch und Baum und Wiesen hingebreitet und der Farben froher Reigen schlingt sich in leuchtender Glut durch das hundertfältige Grün, das von Busch und Baum und Rasen in das helle Blau des Frühlingshimmels springt.
Die Luft ist ein bebendes Meer von Tönen. Ein Ozean von Liebe durchströmt den Raum, der Liebe aller Kreatur, die mit den Wellen des Duftes, der Farben und der Lieder die goldne Harfe des jungen Lichtes erbeben läßt, daß es wie ein klingender Rausch von ihm her über die blühende Erde und über dein lauschendes Herz geht.
Leise wehen der Birken helle Schleier mit dem Spiel der Lüfte, das fallende Wasser der Brunnen mengt seine eintönige Melodie mit dem gewaltigen Rhythmus des Lebens, das neu erwachend, alles Wartende umher mit Lust und Glück und Freude überschäumt.
So wandelst du von Traum und Rausch umfangen durch diesen göttlichen Garten, der schier ohne Ende dich auf dem ganzen Umkreis der Stadt begleitet. Auf die Höhen, die rings zu Tal und Flusse grüßen, steigt er mit dir, führt dich auf tausend heimlichen Pfaden, drängt sich zu lauschigen Wegen zusammen, dehnt sich zu sonnenlachenden Wiesenweiten, dichtet sich zu schattendem Walddunkel und geht mit dir in weitschwingendem Bogen auf allen Schritten und Wegen, die dich um das reiche Bild dieser schönen Stadt führen.
Mit feiner Kunst sind dieses Gartens Linien hingebaut. Aus dem schauenden Traum eines Künstlers wurde diese tönende Symphonie des hundertfachen Grün geboren, das zueinander hingestellt, gegeneinander abgestimmt, ineinander übergehend wie ein Gebild von Meisterhand sich dir im schauenden Empfinden zu tief bewegten Melodien löst.
Eine Unendlichkeit feinster Reize strömen dir aus diesen, von künstlerischer Hand zusammengefaßten Harmonien von Raum und Licht und Farbenwerten, von bewegten Linien und sanften Kurven, von feinhörig aufeinander abgestimmten Dissonanzen und Assonanzen der schier unglaublichen Fülle der einen ewigjungen Farbe des vielfach grünenden Laubes.
Und jede Jahreszeit hat hier ihr neues Bild.
Farben schlafen ein, die jäh wach vorher im Raume standen.
Andere leuchten auf, die vorerst noch schliefen.
Tausend Töne verlieren sich ins Meer der Ferne.
Neue kommen heran und mischen sich mit den weicheren Schatten des reifenden Sonnenlichtes.
Ernster, tiefer und satter werden die Träume umher und in dir. Fruchtbarkeiten und Erfüllungen folgen dem leichtgeschürzten Tanz der Horen, die den Frühlingsreigen führten.
Und alle Noten, die licht und zart gegen die weiche, seidne Bläue des Frühlingshimmels standen, verstärken ihren Ton und Wert und singen eine neue Paraphrase des ewigen Liedes des Lebens, deren Melodie aus den tieferen Brunnen des Seins geschöpft, dir die reifen und schauenden Träume der Erkenntnis gibt. –
Noch einmal dann jauchzt das Leben auf im Jubel der Vollendung. Das Farbenfanal des Herbstes wirft seine Flammen über die, von ihrer Fruchtbarkeit erlösten Natur. Noch einmal bäumt und schäumt sie auf in vollkommener Lust. Eine andere Lust ist es als die lachende, unbeschwerte des ersten Frühlingstaumels – aber eines neuen seltsamen Rausches voll.
Vom berauschenden Glücke der Erfüllung seiner selbst getragen, von dem nahen Leide der Vergänglichkeit wie von einem heiligen Schmerze umspielt, bäumt und schäumt die ungeheure Fülle des Gewordenen sich noch einmal auf zu seiner letzten feinsten und tiefsten Freiheit und reißt alles, was Stimme, Farbe und Ton hat, noch einmal mit sich fort zu einem sinnverwirrenden Chaos gewaltiger Daseinslust und orgiastischer Freude – wie das letzte lohende Firnenglühen der Sonne, eh sie dem Abend in die Arme sinkt.
So feierst du in dieses Gartens weitumfassenden Rund alle Feste der Natur, die ein Symbol deines eigenen Seins und verkettet mit ihm sind; so siehst du dein eigen Blühen und Werden und Steigen und Ermatten in diesen heißen Bildern um dich aufgestellt.
Und es wandeln Tausende so schauend und genießend allzeit durch den herrlichen Garten meiner Stadt, in dessen sanfter Umarmung sie in all ihrer vornehmen Schönheit eingebettet liegt.
Und wer ihn einmal geschaut im Frühlingsglanze, der kann sein nimmermehr vergessen und trägt das Bild in seinem Herzen, wie den Traum eines Künstlers, der zu Leben wurde, um in tausend lebenden Herzen sich wieder in seligen Traum zu wandeln.
Soll ich von meinem eigenen Garten erzählen –
Ich bin verliebt in ihn – und Verliebten ist nicht zu trauen.
Sie sagen meist zu viel Schönes von dem, das sie lieben.
Aber mein Garten ist so schön, daß, wenn ich tausendmal zu viel sagte, er immer noch schöner ist, als ich sagen kann.
Ja, ich bin verliebt in meinen Garten.
Verliebt in dem höchsten Sinne, daß ich meine Seele an ihn verloren habe.
Aber er gibt sie mir wieder. Tausendfältig gibt er sie mir wieder. –
Ich öffne die Tür am Wege.
Nun kommt mit. Steigt die Stufen zwischen den überhängenden Zweigen der Tannen und Buchen hinauf, in denen die Sommersonne mit goldenen Kugeln spielt und zwischen den dunklen Ästen klettern die roten Glühlampen der Rosen hinauf. So hast du von Schattenspiel und Lichtleuchten und Purpurfarben ein seliges Willkommen schon beim Eintritt in meine Welt.
Der Garten muß uns eine Welt sein, sonst hat er keinen Sinn.
Eine Welt, an die wir uns selbst verlieren, um uns neu und ganz wiederzufinden. Weit laß ihn sein, deinen Garten, wenn es möglich ist. Nicht eng und klein, daß man von hier bis dort seine Grenzen sieht und immer zwischen Anfang und Ende hin und her geworfen wird und nie zu jenem seligen Untertauchen in die Freude kommt, das uns nur die Fülle gibt.
Ach, ich liebe auch den kleinen Garten des Nachbarn und ich wünsche jedem unter uns ein Gärtlein, sei es noch so klein – immer ist's seliger als keines. Aber mein Garten ist weit – weit –
Ins Grenzenlose und Unendliche schaue ich hier, und täglich finde ich ein Neues, Unerwartetes, eine heimliche Freude, ein neues, helles Glück in den vier Winden seiner unerschöpflichen Schönheit.
Ich habe Traurige hineingeführt, und sie wurden getröstet.
Menschen der Freude ließ ich ein, und sie tranken sich göttlichen Rausch an seinem übervollen Becher.
Leidende fanden den Willen zum Leben in ihm wieder.
So kommt und schaut, daß ihr ihn erkennt und liebt mit meiner endlosen Liebe.
Auf den schattenumhangenen Treppen stiegen wir hinauf.
Nun teilen sich die Wege.
Wo nur zuerst hin in diesem Garten ohne Ende. Grenzenlos wie eine selige Unendlichkeit.
Am Abhang, der zur Straße fällt, geht ein lauschiger Weg zwischen blütenduftigen, lachenden Rasenflächen und ernsten, hohen Tannen und Laubbäumen, die einen grünen Wall zum Wege unten hin bauen. Im leuchtenden Rasen stehen viele tragende Fruchtbäume, die ein wenig schwer und nachdenklich ihre Zweige zur Erde senken, sie arbeiten an den süßen Früchten des Herbstes – stören wir ihre Ruhe nicht.
Überall siehst du reinliche, sandbestreute Wege zwischen den großen, weiten Rasenflächen, die voll zarter, wehender Blumen sind, die wie bunte Teppiche, in tausend Farben gestickt, im Sommerwinde schaukeln. Blau, weiß und gelb flatterts drüber hin im sanften Rhythmus schwebender Schmetterlingsflügel.
In der Mitte ein Rund. Das Herz meines Gartens, zu dem alle Schönheit hinlugt, von dem aus du in all seine Geheimnisse schauen, und dich in die Tiefe seiner Welt hineinträumen kannst. Tische und Bänke stehen da. Rot im lichten Sommergrün. Ein Kranz von dunkelroten Geranien säumt das Rund. Kirschen-, Apfel- und Pfirsichbäume geben ihren spielenden Schatten über diesen Platz, von dem das Auge in trunkener Lust in eine schier überwältigende Herrlichkeit schaut. Viele hundert altersschöne Bäume jeder Art und jeden Namens fast, erblickst du von hier an den aufsteigenden Höhen, die den Garten königlich umbauen.
Und hebst du den Blick zur Höhe, siehst du dort hoch über allem die alte, ragende Burg, mit strengen edlen Linien das Bild hundertjähriger Geschichte umfassend, steigt sie in die glasklare, seidenweiche Sommerbläue des Himmels und gibt dem Garten den unsagbar berauschenden Reiz, der uns aus ferner Vergangenheit wie aus altersgoldener Weite anrührt. Und die Hügel, die zu dieser Burg führen, sind umwachsen von den adelsstolzen Reben, deren honigschwerer Saft einst in goldenen Königsbechern und auf stolzen Bischofstafeln seine Feuer und Verzauberungen spielen ließ und noch immer spielen läßt. Auf der anderen Seite ragt über den Hügeln die Kapelle auf; mit ihren runden dunklen Schieferkuppeln, aus denen spitz die Kreuze aufspringen, liegt sie, von meinen hohen Pappeln eingerahmt, wie ein Bild von Künstler Hand vor mein schwelgendes Auge hingestellt.
Und weiter zur Rechten, wenn du im Garten umschaust, liegt eine Waldhütte von Birkengeländer umhegt, hohe Tannen stehen stille Wacht davor, Akazien und Hollunder breiten weithin ihre Zweige vor ihr her und die weißen bräutlichen Blüten des Jasmins verhängen und mengen sich mit dem dunklen Tannengezweig und gießen ihren schweren Duft auf die Wege, die zu diesem stillen Winkel führen. Zur Linken sind gar viele Plätze da, die zur Ruhe und Beschaulichkeit laden. Tief eingeschnitten in einer Taxushecke kannst du sitzen und den silbernen Glockenklängen lauschen, die von der Kapelle alle Stunden den Berg herabrieseln. Unter den rätselhaften Mispelzweigen, die sich weit und schallend über eine Bank breiten, kannst du seltsame Träume erhaschen.
In allen Winkel blüht und duftet es. Ströme von Licht fallen von den Bäumen nieder, die ihren Namen von diesem goldenen Regen haben. Und purpurn und violett und weiß gießt der Flieder seinen Sommerrausch über deine Seele. Der Rotdornbaum ist von tausend rosigen Büschen übersät und blühende Ligusterhecken stehen wie weiße Mauern inmitten der tiefgrünen Rasenflächen. Himbeerrot leuchten die schweren Dolden der Weigelienbüsche. Birken wehen ihre grünen Schleier im linden Winde, der von den Wäldern her reine wohlige Luft bringt.
Im Hintergrunde leuchten rotbeerige Sträucher.
Ein weites Rund glüht von Erdbeerfrüchten und Rosen, und beider Düfte mischen sich zu einem Ton, der wie bebender Harfenklang über deine Sinne geht.
Ist das nicht Fülle und Überschwang. –
Und noch bist du nicht am Ende meines Gartens.
Sieh dort das wundervolle, große Steinbecken in dreiteiligem Rund barock gefaßt, wie der Märchenbrunnen aus Kinderland liegt er kühl unter den hügelansteigenden Bäumen, die ihn mit ihrem Laub geheimnisvoll umhängen. Maigrüne Weiden und silberstämmige Birken suchen ihr Bild in seinem dunklen Wasser, blühendes Gaisblattgewinde hängt in wehenden Guirlanden von den Bäumen nieder, gelbe Schwertlilien stehen wie goldene Kerzen um ihn her, und aus dem dunklen, ruhenden Wasser steigen in silbernen Mondnächten der Froschkönig und die Prinzessin die Stufen hinauf, die zu seinem Grunde führen.
Hier kannst du dem Märchenzauber lauschen, der seit Jahrtausenden die Nächte träumender Gärten durchwandelt. Dem Zauber ewiger Jugend, der alt ist wie die Ewigkeit des Lebens und ewig jung wie die neugeborene Stunde des Tages.
Hast du dir Rausch genug getrunken an meinem Garten?
Und glaubst nun all seine Herrlichkeit zu kennen!
Siehe aber, noch ist kein Ende.
Mehr noch wartet dein.
Steig hinauf zur Höhe. Vier Stufenwege führen hinan. Durch dichte Laubwege führen sie, von Bäumen fast aller Namen dicht umstanden. Den Abhang hinunter fließt ein grüner Sammtteppich, von blühendem Gekräut bunt durchwirkt.
Auf schmalen, tief verschatteten Wegen wandelst du in traumhaft süßer Stille, nichts stört dir dein Lauschen und Denken, weit weg von den kleinen Dingen des Alltags bringt diese Unendlichkeit der Stille umher die Höhen und Tiefen des Tages zu dir, und du verlierst dich an jenes selige Schauen, aus dem alle Erkenntnisse blühen.
Der eine der Stufenwege führt zu einem einsamen Tempel, der auf einer schönen, alten Mauer steht, eine Mauer, die roh von Steinen aufgetürmt, wie von Kyklopenfaust geworfen, stark und trotzig zur obersten Terrasse aufsteigt. Vom Tempel fällt ein dichter Vorhang üppiger Efeuranken über das Gestein und gibt ihm eine malerische Bewegtheit und ernste Anmut.
Weiter entlang führt ein anderer Aufstieg wieder auf engem laubdichten Pfade zu einem Ruheplatz, der dir einen Ausruf der Freude entlockt.
Unter einem hohen, alten, weit um sich greifenden Nußbaum steht eine Bank auf erhöhten Stufen, um den mächtigen Stamm des Baumes ist ein Tisch gezimmert. Im Schatten dieses Baumes an einem heißen Sommertage zu sitzen, ist eine unaussprechliche Entzückung. Ein Geländer von dünnen Birkenzweigen schließt den zur untersten Terrasse fallenden Abhang ab, ein wildes Gewirr hängender Waldrebe spinnt zwischen Baum und Busch und um das Geländer hin. Und durch dieses Meer sonnenflimmernden Blättergeriesels siehst du auf ein Bild unendlicher Schönheit.
Hingelagert auf weinumsponnener Höhe breit und wuchtig ausladend, siehst du hier wieder die alte Heidenburg meiner Stadt, wo Frankenherzöge in frühesten Jahrhunderten hausten, Bischöfe ihren heiligen Sitz hatten.
Auf der Ebene des Berges ist die Burg stark und edel hingebaut, mit Zinnen und Türmen, die sich gegen die Bläue des Himmels mit wundervollen, breit ausladenden Mauerprofilen abheben, die den Berg hinab zum Tal hin in scharfen Stufenlinien die Luft durchschneiden.
Zu dieser Burg hinauf geht dein Blick, wo du auch gehst und stehst im Garten und ihre alte, ehrwürdige Pracht steht wie eine königliche Krone über der stillen Schönheit meines Gartens.
Und von diesem geheimnisvoll schönen Platze wandle ich weiter durch blühendes, duftendes Strauchwerk, unter blütenschweren Bäumen durch kühle Schattengänge hin. Einige Stufen führen zur obersten Terasse. Auch da üppigblühende Bäume und Gesträuch. Unter wehendem Birken- und Weidengezweig wartet wieder eine Bank auf dich zum Stillsein und Schauen. Ein schönes Steinbecken in spielender Rokokofassung, von hohen Schwertlilien, purpurnem Fliedergebüsch und schwerhängendem Goldregen eingeschlossen, liegt in ruhendem Stimmungszauber eingebettet; in seinem dunklen Wasser baden meine Singvögel und fliegen dann froh in die blaue Ferne und nehmen ein Stück meiner Seligkeit auf ihren Flügeln mit und in ihren Liedern bringen sie diese Seligkeit zu den andern Herzen, die in andern Gärten wandeln und auf die Stimmen der Freude lauschen. –
Und wieder ein Weg zur Höhe führt zu meinem Teehäuschen. Ein liebes, weinumranktes Häuschen. Tannen stehen rechts und links neben drei runden Stufen, die zu seiner Türe führen.
Und innen –
O da ist gar traulich und einladend zu einem guten Zusammensein mit lieben Menschen.
Die eine der Wände besteht aus lauter Fenstern, durch die du ein Meer von Blättergrün und hängendem Goldregen schaust, der ganze Raum ist davon grüngolden durchdämmert. In allen Ecken und Winkeln laden Bänke, Stühle, und Tische zu Ruhen und Plaudern wenn Freunde da, zu stiller Verlorenheit an die unsägliche Fülle und Stille umher, wenn du einsam hier bei dir selbst bist.
Trittst du aus der grünen Dämmerung dieser kleinen Klause vor die Türe, hast du ein Bild vor dir, das noch jedem, der es zum erstenmale erblickte, einen Ruf seligster Überraschung und Entzückung entlockte.
Über die kleine, von einem Birkenzweiggeländer abgeschlossene und blumenumstandene Terasse siehst du hier über das wogende Grün unzähliger Baumgipfel hinweg zu meiner Stadt hin, die im Tale des silbernen Flusses, von weichlinigen, sanften Hügeln umschlossen, mit ihren vielen, vielen Kirchtürmen hingelagert, dir ein Bild unvergeßlicher Lieblichkeit in die Seele senkt, sonderlich wenn du das Glück hast, es im fallenden Abendscheine zu erschauen. Dann liegt diese prachtvolle vornehme Stadt wie umleuchtet von einem seltsamen Licht, das in seiner mystischen Goldung in alle Tiefen der weiten Zeiten zu schauen scheint, aus welchen diese altersschöne Stadt zu uns hergewachsen ist.
Und im sinkenden Abendscheine fängt die Luft plötzlich an zu klingen und zu singen. Ein Kranz feierlicher Töne senkt sich über Hügel, Fluß und Gelände. Es ist das große Aveläuten von all den ragenden Türmen, die dem Bilde meiner Stadt die starken Linien geben. Und diese Töne gehen zwischen Tal und Höhen, über Fluß und Straßen, über alle lauschenden Seelen hin und binden alles Geborene in einem heiligen Frieden zusammen.
Und in der Morgenfrühe liegt ein wunderbares Leuchten über diesem Bilde, ein starkes, junges Leuchten, das dem erwachenden Leben seine Wege weist und in alle Fernen dringt und die begrenzte Enge der Stadt zu weiten Horizonten öffnet.
Kaum kannst du dich trennen von diesem Blick in die köstliche Fülle umher.
Und doch muß ich dich noch weiterführen.
Noch mehr gibt es zu schauen und zu lieben in diesem schier unausschöpfbar schönen Garten.
Folge mir zurück zu dem herrlichen Lugaus, zurück zu dem schmalen Laubgang, durch das vielerlei Grün der Bäume, die rechts und links den Weg dicht umstehen, am Vogelbade vorüber bis da, wo die grünen Schatten ein Ende haben und auf der obersten Höhe des Gartens eine weite, lachende Wiese vor dir liegt.
O diese Wiese –
Ich glaube, sie ist mein Lieblingsplatz.
Im Hintergrunde ist sie von einer dichten Waldparzelle begrenzt, alte, ernste Bäume ragen von der Böschung auf, die hier zur unteren Terasse abfällt, zwischen dem dunklen Gehänge einiger Riesentannen steht eine Bank aus Astwerk, vom kletternden Grün der Waldrebe umflochten, da sitzest du tief im Versteck wie unter schweren Vorhängen und schaust mitten in die lachende Wiese, die auf stark ansteigender Bodenwelle hinauf zu dem Zaune des Gartens klettert.
Hinter dem Zaune ist die Straße, die zwischen Gärten und kleinen Landhäuschen immer bergan zum Gipfel der Hügel dieser Stadtseite führt.
Und so blickt mein Auge von diesem Platz über den Zaun hinaus in ein weites, wogendes, grünes Meer leiser im Winde spielender Laubmassen, die sich dicht und wohlig in die tiefe, sanfte Bläue des Sommerhimmels einschmiegen.
Und die Wiese selbst.
All das bunte Blühen in der schaukelnden Lust der spielenden Lüfte. Der berauschende Duft, der darüber weht. Das schimmernde Silber und Gold des wechselnden Lichtes. Das schwebende Tanzspiel der zarten Falterschwingen über dem wiegenden Farbengewoge. Bienen summen ihr trunkenes Lied und naschen aus all den offenen Bechern der Lust.
Dein Herz ist von trunkener Freude wie ein übervoller Brunnen, bis in seine letzten Tiefen fühlst du eine selige Ergriffenheit, in der du dich eins weißt mit dem ewigen All des Seins. –
Ich weiß nicht, wann mein Garten am schönsten ist.
Im Frühling, wenn der leuchtende Schaum der Baumblüte gegen den blauen Himmel lacht und das junge Laubgrün in der Sonne durchsichtig und golden wird, die ersten Veilchen aus verborgenen Winkeln aufbrechen, ihre keuschen, berauschenden Düfte dir wie ein Lied goldener Erinnerungen an das Herz rühren und neue, junge Träume auf allen Wegen dir entgegenkommen – o dann ist er unglaublich herrlich in seiner klingenden Lust und seiner heimlichen Süße, umtönt von den jauchzenden Liebesliedern, die zwischen Baum und Gesträuch auf und niederfliegen.
Und im Sommer –
Da strömt es in ihm von Duft und Farben, von Schatten und Licht, von Fruchtbarkeit und seliger Daseinsfülle. Dein Auge reicht nicht aus für die Millionen Leben, die hier zwischen Himmel und Erde atmen, blühen und wachsen, vom glitzernden Sandkorn am Boden bis zu den stolzen Tannen, die ihre hohen Spitzen in das tiefe sommerliche Blaugold des Himmels bohren.
Und das Flammenmeer des Herbstes.
Das lodernde Rotgelb auf Baum und Gesträuch, die wie lohende Opferschalen stehen und sich selbst verzehrend ihre letzte Schönheit dem scheidenden Sonnengotte hingeben; all die Glut, die sie von ihm nahmen, ihm wiedergeben im Scheidegruße ihrer sterbenden Seelen. –
Dann kommt das weiße Schweigen.
Alle Schönheit nahm die Sonne zurück.
Nun hat die Tiefe der Erde die Geheimnisse des Gartens zu hüten. –
Und wenn ich dich nun noch etwas weiter geleite, da wo meine lachende Wiese endet und um eine Biegung herum wir an einem kleinen Feldstück mit rankenden Bohnen und Erbsengeblühe vorüber, immer von den dichten Waldbäumen begleitet, endlich wieder zu den unteren Terrassen absteigen und dann plötzlich am grünumhangenen Treppengange sind, der zu der Türe meines Gartens führt – dann bleibst du noch einen Augenblick stehen, geblendet von dem flutenden Golde der sinkenden Sonne, das durch das dunkle Tannengezweig gleitet und dicht wie ein Gemälde der großen alten Meister mit Schauern der Ehrfurcht dich überschüttet.
Ich öffne noch nicht die Türe.
Ruhe noch einen Augenblick aus von allem Erlebten.
Denn vollendete Schönheit ist ein Erlebnis.
Und nun kennst du mein Königreich.
Und weißt, daß ich, trotzdem ich ein Verliebter bin, nicht zu viel von ihm sagte.
Du ahnst vielleicht sogar, daß es noch zu wenig war.
Daß da, wie in einem Briefe der Liebe, noch tausend köstliche Dinge zwischen den Zeilen stehen, die so zart und heimlich sind, daß man sie nicht in den Ring der Worte einfangen kann.
Aber in die Melodie des Liedes lösen sich all diese köstlichen Heimlichkeiten süß und linde auf.
Und so wirst du begreifen, daß alles Unaussprechliche meines Gartens zu seligen Liedern wurde, die alles Letzte, Tiefste und Süßeste ausschöpfen zu einem singenden Reigen seligen Glückes. Ich lege dir diese Lieder in deine Hände, in dein Herz.
Werde froh daran und reich – reich an jener zugleich traurigen und beglückenden Sehnsucht, die uns zu den Ufern der Erfüllung trägt.
An der Sehnsucht zu einem Garten, der irgendwo schon dir blüht und duftet und dir dein heimlich Königreich werden will.
Diese selig traurige und dennoch beglückende Sehnsucht will ich in deine Seele pflanzen mit meinen Liedern, die in meinem Garten blühten.
Tu ich die Türe auf zu meinem Garten, |
Verschwindet hinter mir die Welt. |
Ich trete bei mir selber ein und finde |
Mich selbst und alles, was mein Ich zusammenhält, |
All feine Fäden, die wie Brücken binden, |
Was draußen täglich neu zerrissen wird. |
Und tiefe Quellen heilger Träume rauschen |
Hier selig auf, wo sie kein Wort beirrt – |
Wo nur die Stille zwischen Erd und Wolken |
In leisen Farben warm die Zeit durchtönt, |
Die fruchtbar reiche Stille, die mein Wesen |
Mit seiner eigenen Tiefe immer neu versöhnt. |
So bleib verschlossen, kleiner, schwacher Riegel – |
Mit einem Finger schiebe ich dich auf – |
Laß mich in meinem Paradiese weilen, |
Indeß das Draußen gehet seinen wirren Lauf. |
Schatten im Grase, spielendes Laub, |
Huschender Flug im Gezweige, |
Tanzendes Gold auf den Wegen, |
Überall Reife und Segen. |
Wärme brütet auf Baum und Haus, |
Schleierzart ziehet die Wolke, |
Leben streckt segnende Hände |
Über Mensch, Tier und Gelände. |
Mein Garten singt und blüht |
Das ewig junge Lied, |
Das Lied, das alle Welten kennt |
Und aller Herzen Namen nennt. |
Das Lied, das über die Meere geht, |
In allen Winden der Erde weht. |
Das Lied, das wie die Sonne glüht |
Und süß wie purpurne Rosen blüht. |
Das Lied, das im Paradiese geboren, |
Sich seltsam zu unserer Seele verloren, |
Das alt ist wie die Ewigkeit |
Und ewig jung wie Freud und Leid. |
Das Leben träumt in meinem Garten. |
Es schloß die Türe hinter sich zu. |
Läßt alles draußen liegen und warten, |
Und segnet selig hier meine Ruh. |
Und rührt mit stillen, segnenden Händen |
An Baum und Strauch, an Duft und Wind, |
An alle Stille, an alles Bewegen rührt es lind. |
Dann huscht es hinaus zu fernen Dingen – |
Und läßt mir im Garten ein goldenes Klingen. |
Tausend Träume weben in allen Winkeln und Ecken, |
Alle guten Geisterlein kreisen und necken. |
Am Brunnen sitzt eine holde Frau, |
Und wenn ich näher zu ihr schau, |
Ist's Frau Märe im goldenen Schein, |
Schaut mir tief in die Augen hinein, |
Und reicht aus dem Haar mir ihr goldenes Band |
Und all ihre Blumen aus weißer Hand. |
Ein Meer der Stille bist du – |
Ein tiefes, tiefes Meer. |
Und meine Seele gleitet in selger Ruh |
Den letzten Heimlichkeiten deiner Tiefe zu. |
Ein unerschöpflich Bronnen |
Aus deiner Tiefe quillt, |
Und in des Lebens Weben ganz versonnen, |
Fühl ich mich reich und warm mit ihm versponnen. |
Mein Garten ist eine Welt für sich, |
Rings steht wie Mauern das Schweigen, |
Und trennt meine Welt von all den andern. |
Ewiger Sonntag erwartet mich, |
Von Freuden ein tanzender Reigen. |
In Seligkeiten kann ich hier wandern, |
Weit eine Welt zwischen mir und den andern. |
Der Abend verglimmt im silbernen Schein. |
Mein Tag, du vergehst – |
Doch du warst mein. |
Warst mein mit all deinem reichen Sinn, |
Mit der heiligen Kraft, |
In der ich bin. |
Du lösest dich auf im Abendglühn, |
Doch du warst mein – |
Still laß ich dich ziehn. |
Des Dichters Seele braucht Traum und Spiel, |
Braucht Singen und Leuchten und Glut. |
Braucht warmes, tiefes Erdgefühl, |
Braucht Flammen im Herz und im Blut. |
Dies alles bietest du lachend mir, |
Mein Garten, du königlich Reich – |
Ich bin und finde mich in dir, |
Und fühl mich dem Göttlichen gleich. |
Genesung meiner Seele gabst du mir, |
Und holtest mich aus weiten Fernen |
Zur göttlichen Natur zurück. |
Gibst mir das sanfte, stille Glück, |
Das mir aus tiefen, erdenfernen |
Quellen zuströmt – selig Gefild, aus dir. |
Hört ich die Tür gehen – |
Kommt jemand herein, |
Vergaß ich zu schließen, |
Bin nicht mehr allein? |
Will das Draußen mich stören im Paradies, |
Das Draußen, das ich so gern doch verließ? |
Hier dringe nur ein, |
Den meine Seele lud, |
Der zu mir findet |
Mit Geist und Blut. |
Ein leises Wehen nur, das in den Bäumen spielt, |
Und über lachenden Blumen ein Schmetterling. |
Eines Vogels verlorener Ruf aus dem Gezweig – |
Sonst reife Sonnenstille über allem Ding. |
So wie in Glückesfülle das Herz fromm stille steht, |
Geht Mittagsstille über all Leben wie ein Gebet. |
In strömendes Sonnengold getaucht, |
Von spielenden Schatten umflossen, |
Von tausend leisen Stimmen durchtönt, |
Und heiliger Stille umschlossen – |
Du süßes Geheimnis, mir täglich neu, |
Unverlierbar sind deine Schätze mir treu. |
Ich wandle durch deine gebende Welt |
Wie durch Traum der seligen Gefilde, |
Und fühle mich mitten hineingestellt |
In des Lebens geheimstes Gebilde. |
In meinem Garten eine Harfe steht, |
Von Silber gebaut mit Saiten von Gold. |
Und wenn der Wind sacht d'rüber geht, |
Gibts einen Laut gar wunderhold. |
Mit seidnen Händen spielt er ganz leise |
Eine tiefe, süße, selige Weise, |
Die Vogelstimmen singen im Kreise, |
Und Licht und Farben sind Melodien. |
Mein Herzblut rauscht |
Meine Seele lauscht – |
Die Sehnsucht spinnt ihre Harmonien. |
Kehr ich wieder aus andern Freuden |
Zu dir mein blühender Garten zurück – |
Fühl immer neu ich mich umschlossen |
Von einem süßen, heimlichen Glück. |
Fern, fern – ganz ferne, ein Eiland im Meere – |
Trennst du mich selig von Alltag und Schwere, |
Nimmst mich zu deiner Unendlichkeit |
Tieftrunkener Vergessenheit. |
Mein unerschöpflich Lied bist du – |
In tausendfach tönenden Seligkeiten |
Spielst du auf den immer schwingenden Saiten |
Mir deine Melodien zu. |
Zu lauter Klang löst du das Sein, |
Es singt das Licht, und es klingen die Farben, |
Das Leben sprüht auf in tönenden Garben, |
Und sein Geheimstes – es wird mein. |
Wie ein Lied mit vier Zeilen |
Mit Auf und mit Ab, |
Mit lässigem Weilen |
Und fliegendem Trab, |
So ab und so auf |
In stetigem Lauf, |
Ohne Ruh und Rast |
Doch ohn' jede Hast, |
Singt mir meine Erde |
Das Lied Jahr um Jahr |
Von dem, was ist und ewig war. |
Wie im tiefsten Schoß des Alls geborgen |
Nimmst du mich in deinen heilgen Kreis. |
Läßt mich schauen in die letzten Dinge, |
Wovon nur ein Ahnen in mir weiß. |
Öffnest mir des Lebens goldene Pforten, |
Daß ich mitten in sein Herz ihm lausche, |
Füllest meines tiefsten Wesens Räume |
Bis zum Rande hoch mit blühendem Rausche. |
In meinem Garten rauscht ein tiefer Brunnen, |
Und Unerschöpfliches singt mir sein Sang. |
Da kann ich lauschen und immer lauschen |
Viel Zeiten lang. |
Aus allen Weiten tönen die Stimmen, |
Aus jeder Ferne kommt reich ein Klang, |
Und ohne Müde mit pochendem Herzen |
Lausch ich dem Sang. |
Junger Tag am frühen Morgen, |
Lindes Licht und tiefe Stille – |
Und des Lebens starker Wille |
Hebt ganz leise sein Schwingen. |
Tief in Andacht lauscht die Erde |
Und erwachend stehn all Dinge, |
Wie von einem goldnen Ringe |
Heißer Sehnsucht eng umschlungen. |
Tief Gold und heißer Purpur liegt vor des Abends Tor, |
Und königlich schreitet er über die Schwelle. |
Des Tages Kraft verebbt leis Well um Welle. |
Aus tiefen Dämmerungen lugt sanft der Traum hervor. |
Der Abend trägt eine goldne Schale in seiner Hand, |
Streut d'raus des Friedens weiße Perlen weit über das Land. |
Erstes Licht und erstes Blühen, |
Sanften Windes leises Weh'n – |
Wie die jungen Farben glühen, |
Die mit mir am Wege gehn. |
Zartes Blau hoch in den Lüften, |
Goldengrün der Erde Schoß, |
Und von Liedern und von Düften |
Wird die Welt so weit und groß. |
Es schläft der Gott, der mit dem Finger |
Seiner Hand die Erde am Leben hält. |
Und alles liegt wie festgebunden und atmet kaum. |
Das Licht stößt wie ein Schwert scharf aus der Scheide, |
Und Schatten stehen erstarrt im heißen Raum, |
In dem sich nichts bewegt als nur das Leuchten, |
Das von den satten Farben zur Erde fällt. |
Mein Garten ist mein Königreich, |
Drin blühen mir tausend Kronen, |
Hier sind mir alle Götter nah, |
Die in der Einsamkeit wohnen. |
Hier sprechen die fernsten Dinge zu mir, |
Ich fühle ein tiefstes Erleben. |
Hier wird zum eignen Geheimnis in mir |
Mir der goldene Schlüssel gegeben. |
Werd ich endlich denn ein Ende finden |
Mit dem Singen, das aus dir mir blüht, |
Das wie deine Rosen deiner Erde |
Purpurn mir in meiner Seele glüht. |
Lied um Lied wie Perlen aus dem Meere |
Steigen sie zu meines Brunnens Rand, |
Der an deiner Seligkeiten Quellen |
Seine eigne sel'ge Tiefe fand. |
Laß mich wandeln unter deinen Lauben, |
Die in grünen Dämmerungen stehn |
Und zu sonnengoldnen Wegen führen, |
Die hinaus in blaue Fernen sehn. |
Deine goldengrünen Laubengänge |
Locken meine Schritte immer wieder her – |
Unter ihrem schweren Zweiggehänge |
Fühl ich weltverloren keine Zeiten mehr. |
Ahne andrer Zonen neue Sicherheiten, |
Fühl das Weltenrauschen dunkler Ewigkeiten. |
Ein Lied nach dem andern entströmt meinem Sinn |
Wenn dein ich nur denke, mein Garten – |
Und wo ich auch lebe, und wo ich auch bin, |
Ist in mir ein seltsames Warten. |
Ein Warten auf die ruhende Zeit |
In deiner erdwarmen Einsamkeit. |
Zu allen Zeiten lieb ich dein wechselnd Angesicht, |
Das unter Tränen lächelt wie die Menschenseele |
Und unter Finsternissen so jäh zusammenbricht. |
Das von der Sonne Flammen in wilder Glut umliebt, |
In allen seinen Tiefen eigne Gluten zündet |
Und unerschöpflich schaffend all seine Fülle gibt. |
Im leisen Frühlingswehen, in Licht und Dunkelheit, |
Im Ernst der stummen Tage und farbenloser Zeit, |
Im Traum der kalten Leere, die deinen Schlaf umflicht – |
Zu allen Zeiten lieb ich dein wechselnd Angesicht. |
Endlos aus einem tiefen Bronnen |
Rinnt mir ein selig Lied. |
Flattert lachend und unbesonnen |
Hin über Weg und Steg. |
Rauscht durch die Lüfte wie Vogelsang, |
Glüht wie tausend schwingende Sonnen, |
Verweht mit der Wolke, die leise und lind |
Dort über die Berge zieht. |
Nun bist du müde und schläfst linde ein |
Und gibst vorher noch deiner Träume Früchte |
Mir in den Schoß. Und lösest leise dann |
Von meinem Leben dein schlummernd Sein. |
Das Lied der Schönheit hast du ausgesungen, |
Versprüht hast du der Farben reich Gebind, |
Von tiefer Lust der Ruhe sanft bezwungen, |
Geht still dein Atmen fort mit Herbst und Wind. |
Und keine Brücke führt von deinem Leben |
Zu meinem mehr. |
Stumm in die weiße Leere gebettet, |
Träumest du schwer. |
Vergessen sind die selgen Feste, |
Die hier mit heißem Atem einst geblüht, |
Die dich und mich mit heilgen Schauern |
Bis in das tiefste Sein durchglüht. |
Nicht stören will ich sie. Nur leise |
Schau ich dir in dein schlafend Angesicht, |
Indes du einer neuen Weise |
Lauschest, die dir die tiefe Erde spricht, |
Dem Lied der Stille, das zu neuem Werden |
Die Kräfte sammelt und zu neuem Traum – |
Und selig lauschest du und tief Vergessen |
Liegt zwischen dir und mir im kalten Raum. |
So schließ ich denn mit armen Händen |
Das selge Reich, das wir so froh geteilt. |
Mit müden Schritten und mit leeren Augen |
Bin über seine Schwelle ich geeilt. |
Du bist gestorben mir für heut und morgen, |
Und all mein Fragen kehrt mir leer von dir. |
Doch all der glühende Rausch der Seligkeiten, |
Den du mir gabst – er geht mit mir. |
Ich wende mich noch einmal auf der Schwelle |
Und grüße dich, mein schlafend Glück. |
Du kehrst mir wieder in der Zeiten Helle, |
Mit junger Freude kehrst du mir zurück. |
So laß mich dir im letzten Weitergehen |
Das Wort der Sehnsucht sagen – auf Wiedersehn. |
Da ich solcher Seligkeiten Fülle, |
Dir mein Garten, tief im Herzen danke |
Und ohn dich der Träume Glück verliere |
Und an wehster Sehnsucht schmerzlich kranke, |
Möcht ich jedem Erdgebornen immer |
Diesen Wunsch in seine Seele senken – |
Daß die Götter gnädig sich ihm weisen, |
Einen Garten ihm zu eigen schenken. |
Lebe jeder diesem Wunsch entgegen, |
Und Erfüllung kommt zu seinen Wegen. |
Vom Neuen Weibe und seiner Liebe. Vierte Auflage
Im Schatten. Novelle
Hunger. Novelle
Zweilebig. Roman
Vivos voco.
(Zweiter Teil vom Neuen Weibe und seiner Liebe)
bei Theodor Thomas, Leipzig
Ein Abend und andere Novellen
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Romantische Novellen
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Die Märchenwiese
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Frauenlyrik unserer Zeit. Mit 8 Bildern. 2. Auflage. Geh. M. 3.—, geb. M. 4.—
Johanna Wolff
Du schönes Leben. Dichtungen. Nur geh. M. 3.—
Die Meisterin. Schauspiel. Nur geh. M. 2.—
Druck von E. Haberland in Leipzig
Eine Seite mit Verlagswerbung wurde vom Buchanfang an den Beginn der Verlagswerbung am Buchende verschoben.
Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt.
Darstellung abweichender Schriftarten: gesperrt , Antiqua .
Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich uneinheitlicher Schreibweisen wie beispielsweise "Flusses" – "Flußes", "Terasse" – "Terrasse",
mit folgenden Ausnahmen,
Seite
10
:
"brenntund" geändert in "brennt und"
(Die Sonne leuchtet und brennt und siedet)
Seite
10
:
"Fruchtbebeladene" geändert in "Fruchtbeladene"
(Fruchtbeladene Bäume breiten ihre Zweige aus)
Seite
10
:
"Dämmerungund" geändert in "Dämmerung und"
(kühle Dämmerung und in sich ruhendes Schattenweben)
Seite
16
:
"." eingefügt
(der schöne Apfelbaum ist der König dieses Gartens.)
Seite
28
:
"nnd" geändert in "und"
(drängt sich ungestüm und rücksichtslos)
Seite
71
:
"Augenblik" geändert in "Augenblick"
(einen seligen Augenblick lang der Große dir begegnet)
Seite
72
:
"Umarmnng" geändert in "Umarmung"
(dieses Parkes, in dessen schützender Umarmung)
Seite
77
:
"verklingende" geändert in "verklingenden"
(in einer verklingenden Zeitlosigkeit)
Seite
78
:
"." eingefügt
(dieses Meeres von Einsamkeit und Ferne.)
Seite
78
:
"Rythmen" geändert in "Rhythmen"
(Und die Rhythmen der Musik)
Seite
87
:
"herrlrchen" geändert in "herrlichen"
(durch den herrlichen Garten meiner Stadt)
Seite
89
:
";" geändert in ","
(kommt, das uns nur die Fülle gibt)
Seite
90
:
"Rhthmus" geändert in "Rhythmus"
(im sanften Rhythmus schwebender Schmetterlingsflügel)
Seite
91
:
"," entfernt hinter "Akazien"
(Akazien und Hollunder breiten weithin ihre Zweige)
Seite
93
:
"," entfernt hinter "Wegen"
(Auf schmalen, tief verschatteten Wegen wandelst du)
Seite
94
:
"," entfernt hinter "greifenden"
(weit um sich greifenden Nußbaum)
Seite
95
:
"hohem" geändert in "hohen"
(in spielender Rokokofassung, von hohen Schwertlilien)
Seite
96
:
"," entfernt hinter "Terasse"
(blumenumstandene Terasse siehst du hier)
Seite
118
:
"Vvn" geändert in "Von"
(Von Silber gebaut mit Saiten)