The Project Gutenberg eBook of Die Verschwörung des Fiesco zu Genua: Ein republikanisches Trauerspiel

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Title : Die Verschwörung des Fiesco zu Genua: Ein republikanisches Trauerspiel

Author : Friedrich Schiller

Release date : September 1, 2004 [eBook #6499]
Most recently updated: December 29, 2020

Language : German

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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE VERSCHWÖRUNG DES FIESCO ZU GENUA: EIN REPUBLIKANISCHES TRAUERSPIEL ***

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Friedrich Schiller

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua

Ein republikanisches Trauerspiel.

Nam id facinus inprimis ego memorabile existimo sceleris atque periculi novitate. Sallust vom Catilina.

Vorrede. Die Geschichte dieser Verschwörung habe ich vorzüglich aus des Cardinals von Retz Conjuration du Comte Jean Louis de Fiesque, der Histoire des Conjurations, Histoire de Gènes und Robertsons Geschichte Karls V.—dem dritten Theil—gezogen. Freiheiten, welche ich mir mit den Begebenheiten herausnahm, wird der Hamburgische Dramaturgist entschuldigen, wenn sie mir geglückt sind; sind sie das nicht, so will ich doch lieber meine Phantasieen als Facta verdorben haben. Die wahre Katastrophe des Komplotts, worin der Graf durch einen unglücklichen Zufall am Ziel seiner Wünsche zu Grunde geht, mußte durchaus verändert werden, denn die Natur des Dramas duldet den Finger des Ohngefährs oder der unmittelbaren Vorsehung nicht. Es sollte mich sehr wundern, warum noch kein tragischer Dichter in diesem Stoffe gearbeitet hat, wenn ich nicht Grund genug in eben dieser undramatischen Wendung fände. Höhere Geister sehen die zarten Spinneweben einer That durch die ganze Dehnung des Weltsystems laufen und vielleicht an die entlegensten Grenzen der Zukunft und Vergangenheit anhängen—wo der Mensch nichts, als das in freien Lüften schwebende Factum sieht. Aber der Künstler wählt für das kurze Gesicht der Menschheit, die er belehren will, nicht für die scharfsichtige Allmacht, von der er lernt.

Ich habe in meinen Räubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung zum Vorwurf genommen.—Hier versuche ich das Gegentheil, ein Opfer der Kunst und Cabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche Project des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist, daß nur Empfindung Empfindung weckt, so müßte, däucht mich, der politische Held in eben dem Grade kein Subject für die Bühne sein, in welchem er den Menschen hintenansetzen muß, um der politische Held zu sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige Gluth einzuhauchen, welche durch das lautere Product der Begeisterung herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaction aus dem menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das menschliche Herz wieder anzuknüpfen—den Mann durch den staatsklugen Kopf zu verwickeln—und von der erfindrischen Intrigue Situationen für die Menschheit zu entlehnen—das stand bei mir. Mein Verhältniß mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter, als dem Kabinet, und vielleicht ist eben diese politische Schwäche zu einer poetischen Tugend geworden.

Personen des Stücks.

Andreas Doria, Doge von Genua. Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren.
Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.

Gianettino Doria, Neffe des Vorigen. Prätendent. Mann von 26 Jahren.
Rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz.
Die Bildung zerrissen.

(Beide Doria tragen Scharlach)

Fiesco, Graf von Lavagna. Haupt der Verschwörung. Junger, schlanker, blühend-schöner Mann von 23 Jahren—stolz mit Anstand—freundlich mit Majestät—höflich-geschmeidig und eben so tückisch.

(Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altdeutsch.)

Verrina, verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer, ernst und düster. Tiefe Züge.

Bourgognino, Verschworner. Jüngling von 20 Jahren. Edel und angenehm. Stolz, rasch und natürlich.

Calcagno, Verschworner. Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung gefällig und unternehmend.

Sacco, Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.

Lomellino, Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.

Zenturione, Zibo, Asserato, Mißvergnügte.

Romano, Maler. Frei, einfach und stolz.

Muley Hassan, Mohr von Tunis. Ein confiscirter Mohrenkopf. Die
Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.

Deutscher der herzoglichen Leibwache. Ehrliche Einfalt. Handfeste
Tapferkeit.

Drei aufrührerische Bürger.

Leonore, Fiesco's Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blaß und schmächtig.
Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im
Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.

Julia, Gräfin Wittwe Imperiali, Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren.
Groß und voll. Stolze Kokette. Schönheit, verdorben durch
Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein böser
moquanter Charakter. Schwarze Kleidung.

Bertha, Verrinas Tochter. Unschuldiges Mädchen.

Rosa, Arabella, Leonorens Kammermädchen.

Mehrere Nobili, Bürger, Deutsche, Soldaten, Bediente, Diebe.

Der Schauplatz Genua.—Die Zeit 1547.

Erster Aufzug

Saal bei Fiesco

Man hört in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.

Erster Auftritt.

Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.

Leonore (reißt die Maske ab). Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.

Arabella. Gnädige Frau-Leonore (aufstehend). Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.

Rosa. Nehmen Sie die Sache für Das, was sie wirklich war—eine Galanterie-Leonore. Galanterie?—und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuß auf ihren entblößten Arm, daß noch die Spur seiner Zähne im flammrothen Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung, worein er, gleich dem gemalten Entzücken, versunken saß, als wär' um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie?—gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht über Galanterie und Liebe.

Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heißt zehen
Cicisbeo Profit machen.

Leonore. Verlieren?—ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh, giftige Schwätzerin—komm mir nie wieder vor die Augen!—eine unschuldige Neckerei—vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?

Arabella. O ja! ganz zuverlässig so!

Leonore (in Tiefsinn versunken). Daß sie darum in seinem Herzen sich wüßte?—daß hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt läge?—ihn anspräche in jeder Fußtapfe der Natur?—Was ist das? wo gerath' ich hin? Daß ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre, als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild—nur ihr Bild gestochen ist?—daß er sie liebte?—Julien! O deinen Arm her—halte mich, Bella!

(Pause. Die Musik läßt sich von Neuem hören.)

Leonore (aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias bäurische Stimme.

Arabella. Sie war's, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.

Leonore. Du entfärbst dich, Bella! du lügst—ich lese in euren Augen—in den Gesichtern der Genueser ein Etwas—ein Etwas. (Sich verhüllend.) O gewiß! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr einer Gattin taugt.

Rosa. O der Alles vergrößernden Eifersucht!

Leonore. (schwermüthig schwärmend). Da er noch Fiesco war—dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender Apoll, verschmolzen in den männlich-schönen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella! wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zählte sie der ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten stürmischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.

Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in
Aufruhr um diese schöne Eroberung.

Leonore (begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes, entsetzliches Glück! Mein Genuas größten Mann, (mit Anmuth) der vollendet sprach aus dem Meißel der unerschöpflichen Künstlerin, alle Größen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband—Höret, Mädchen! kann ich's nun doch nicht mehr verschweigen!—Höret, Mädchen, ich vertraue euch etwas, (geheimnißvoll) einen Gedanken—als ich am Altar stand neben Fiesco—seine Hand in meine Hand gelegt—hatt' ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist—dieser Fiesco, dessen Hand jetzt in der deinigen liegt—dein Fiesco—aber still! daß kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Vortrefflichkeit brüsten—dieser dein Fiesco—Weh euch, wenn das Gefühl euch nicht höher wirft!—wird—uns Genua von seinen Tyrannen erlösen!

Arabella (erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am
Brauttag?

Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags! (Lebhafter.) Ich bin ein Weib—aber ich fühle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, daß dieses Haus Doria über unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanftmüthige Andreas—es ist eine Wollust, ihm gut zu sein—mag immer Herzog von Genua heißen, aber Gianettino ist sein Neffe—sein Erbe—und Gianettino hat ein freches, hochmüthiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmuth hinabgefallen) Fiesco—weinet um mich—liebt seine Schwester.

Arabella. Arme, unglückliche Frau-Leonore. Geht jetzt und sehet
diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und
Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen
Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen—das ist Fiesco!—Ach,
Mädchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden—auch ich meinen
Gemahl!

Rosa. Reden Sie leiser. Man kömmt durch die Galerie.

Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)

Zweiter Auftritt

Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im
Gespräch.

Gianettino. Du hast mich verstanden.

Mohr. Wohl.

Gianettino. Die weiße Maske.

Mohr. Wohl.

Gianettino. Ich sage—die weiße Maske!

Mohr. Wohl! wohl! wohl!

Gianettino. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend) hieher verfehlen.

Mohr. Seid unbekümmert.

Gianettino. Und einen tüchtigen Stoß!

Mohr. Er soll zufrieden sein.

Gianettino (hämisch). Daß der arme Graf nicht

Mohr. Um Vergebung—wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins Gewicht fallen?

Gianettino. Hundert Zechinen schwer.

Mohr (bläst durch die Finger). Puh! Federleicht!

Gianettino. Was brummst du da?

Mohr. Ich sag' es ist eine leichte Arbeit.

Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet. Alle unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre, Kerl! fasse ihn ja recht.

Mohr. Aber, Herr—ich muß flugs auf die That nach Venedig.

Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (wirft ihm einen Wechsel zu.)
In höchstens drei Tagen muß er kalt sein. (Ab.)

Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn' ich Credit!
Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)

Dritter Auftritt

Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Mänteln.

Calcagno. Ich werde gewahr, daß du alle meine Schritte belauerst.

Sacco. Und ich beobachte, daß die mir alle verbirgst. Höre, Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das nicht geradezu just dem Vaterland gilt.—Ich dächte, Bruder, wir Beide könnten schon Geheimniß gegen Geheimniß tauschen, und am Ende hätte Keiner beim Schleichhandel verloren—Wirst du aufrichtig sein?

Calcagno. So sehr, daß, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine Brust hinunter zu steigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegen kommen soll—Ich liebe die Gräfin Fiesco.

Sacco (tritt verwundernd zurück). Wenigstens das hätt' ich nicht entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren lassen—Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um ihn geschehen, wenn sie glückt.

Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.

Sacco. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten Text. Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb oder dein Herz auf-Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muß den Grafen in Athem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in seinen Hühnerstall fallen.

Sacco. Unverbesserlich, Bruder! Habe Dank. Auch mich hast du plötzlich des Rothwerdens überhoben. Was ich mich zu denken geschämt habe, kann ich jetzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn die jetzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.

Calcagno. Sind deine Schulden so groß?

Sacco. So ungeheuer, daß mein Lebensfaden, achtfach genommen, am ersten Zehentheil abschnellen muß. Eine Staatsveränderung soll mir Luft machen, hoff' ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft, soll sie doch meinen Gläubigern das Fordern entleiden.

Calcagno. Ich verstehe—und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit
frei wird, läßt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir
Einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der
Bankerott eines Taugenichts und die Brunst eines Wollüstlings das
Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! ich bewundre in uns
Beiden die feine Speculation des Himmels, der das Herz des Körpers
durch die Eiterbeulen der Gliedmaßen rettet—Weiß Verrina um deinen
Anschlag?

Sacco. So weit der Patriot darum wissen darf. Genua, weißt du selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer eisernen Treue drehen. An dem Fiesco hängt jetzt sein Falkenaug. Auch dich hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.

Calcagno. Er hat eine treffliche Nase. Komm, laß uns ihn aufsuchen und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren. (Gehen ab.)

Vierter Auftritt

Julia erhitzt. Fiesco, der einen weißen Mantel trägt, eilt ihr nach.

Julia. Lakaien! Läufer!

Fiesco. Gräfin, wohin? Was beschließen Sie?

Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll vorfahren.

Fiesco. Sie erlauben—er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.

Julia. Pah! doch wohl das nicht—Weg! Sie zerren mir ja die Garnierung in Stücken—Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen kann? So gehen Sie doch.

Fiesco (auf einem Knie.) Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen. -Julia (steht still mit angestemmten Armen). Ah, schön! schön! sehenswürdig! Rufe doch Jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem reizenden Schauspiel!—Wie, Graf? wo bleibt der Gemahl? Diese Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie im Kalender ihrer Liebkosungen blättert und einen Bruch in der Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterieen abbüßen?

Fiesco (springt auf). Impertinenzen? Ihnen?

Julia. Aufzubrechen—den Sessel zurückzustoßen—der Tafel den Rücken zu kehren—der Tafel, Graf! an der ich sitze.

Fiesco. Es ist nicht zu entschuldigen.

Julia. Und mehr ist es nicht?—Über die Fratze! und ist es denn meine Schuld, (sich belächelnd) daß der Graf seine Augen hat?

Fiesco. Das Verbrechen Ihrer Schönheit, Madonna, daß er sie nicht überall hat.

Julia. Keine Delicatesse, Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich fordre Genugthuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern des Herzogs?

Fiesco. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Mißtritt der
Eifersucht abbittet.

Julia. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor einem Spiegel gesticulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fürsprache für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den meinigen erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco?—ob sich die Gräfin von Lavagna nicht geehrt fühlen muß, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl beneidenswürdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre Hand zum Küssen reicht.) Ich setze den Fall, Graf, daß ich sie so fände.

Fiesco (lebhaft). Grausamste, und mich dennoch zu quälen!—Ich weiß es, göttliche Julia, daß ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte. Meine Vernunft heißt mich das Knie des Unterthans vor dem Blut Dorias beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die Ringmauer des Rangs durchzubrechen und gegen die verzehrende Sonne der Majestät anzufliegen.

Julia. Eine große, große, gräfliche Lüge, die auf Stelzen heranhinkt—Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz hüpft unter dem Schattenriß einer Andern.

Fiesco. Oder besser, Signora, es schlägt unwillig dagegen und will ihn hinwegdrücken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem himmelblauen Bande hängt, herabnimmt und sie der Julia überliefert.) Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Götzen zerstören.

Julia (steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt). Ein großes Opfer, bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie hängt ihm die ihrige um.) So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)

Fiesco (mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen Gott. (Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der Götter, die Freude soll ihr Meisterstück machen. Holla! holla! (Menge Bediente.) Der Boden meiner Zimmer lecke cyprischen Nektar, Musik lärme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf, tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg—Allgemein sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe das Todtenreich in polternde Trümmer!

(Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelvorhang aufgezogen wird und einen großen illuminierten Saal eröffnet, worin viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk—und Spieltische von Gästen besetzt.)

Fünfter Auftritt

Gianettino halb betrunken. Lomellin. Zibo. Zenturione. Verrina.
Sacco. Calcagno. Alle maskiert. Mehrere Damen und Nobili.

Gianettino (lärmend). Bravo! Bravo! Diese Weine glitschen herrlich, unsre Tänzerinnen springen à merveille. Geh Einer von euch, streu' es in Genua aus, ich sei heitern Humors, man könne sich gütlich thun—Bei meiner Geburt! sie werden den Tag roth im Kalender zeichnen und drunter schreiben: Heute war Prinz Doria lustig.

Gäste (setzen die Gläser an). Die Republik! (Trompetenstoß.)

Gianettino (wirft das Glas mit Macht auf die Erde). Hier liegen die
Scherben. (Drei schwarze Masken fahren auf, versammeln sich um
Gianettino.)

Lomellin (führt den Prinzen vor). Gnädiger Herr, Sie sagten mir neulich von einem Frauenzimmer, das Ihnen in der Lorenzokirche begegnete?

Gianettino. Das hab' ich auch, Bursche, und muß ihre Bekanntschaft haben.

Lomellin. Die kann ich Eurer Gnaden verschaffen.

Gianettino (rasch). Kannst du? Kannst du? Lomellin, du hast dich neulich zur Procuratorwürde gemeldet. Du sollst sie erhalten.

Lomellin. Gnädiger Prinz, es ist die zweite im Staat, mehr denn sechzig Edelleute bewerben sich darum, alle reicher und angesehener, als Euer Gnaden unterthäniger Diener.

Gianettino (schnaubt ihn trotzig an). Donner und Doria! Du sollst Procurator werden. (Die drei Masken kommen vorwärts.) Adel in Genua? Laß sie all ihre Ahnen und Wappen zumal in die Wagschale schmeißen, was braucht es mehr, als ein Haar aus dem weißen Bart meines Onkels, Genuas ganze Adelschaft in alle Lüfte zu schnellen? Ich will, du sollst Procurator sein, das ist so viel als alle Stimmen der Signoria.

Lomellin (leiser). Das Mädchen ist die einzige Tochter eines gewissen Verrina.

Gianettino. Das Mädchen ist hübsch, und trutz allen Teufeln! muß ich sie brauchen.

Lomellin. Gnädiger Herr! das einzige Kind des starrköpfigsten
Republikaners!

Gianettino. Geh in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines Vasallen und meine Leidenschaft! Das heißt, der Leuchtthurm muß einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. (Drei schwarze Masken treten mit großen Bewegungen näher.) Hat darum Herzog Andreas seine Narben geholt in den Schlachten dieser Lumpenrepublikaner, daß sein Neffe die Gunst ihrer Kinder und Bräute erbetteln soll? Donner und Doria! diesen Gelust müssen sie niederschlucken, oder ich will über den Gebeinen meines Oheims einen Galgen aufpflanzen, an dem sich ihre genuesische Freiheit zu Tod zappeln soll. (Die drei Masken treten zurück.)

Lomellin. Das Mädchen ist eben jetzt allein. Ihr Vater ist hier und eine von den drei Masken.

Gianettino. Erwünscht, Lomellin. Gleich bringe mich zu ihr.

Lomellin. Aber Sie werden eine Buhlerin suchen und eine Empfindlerin finden.

Gianettino. Gewalt ist die beste Beredsamkeit. Führe mich alsobald hin; den republikanischen Hund will ich sehen, der am Bären Doria hinaufspringt. (Fiesco begegnet ihm an der Thür.) Wo ist die Gräfin?

Sechster Auftritt

Vorige. Fiesco.

Fiesco. Ich habe sie in den Wagen gehoben. (Er faßt Gianettinos
Hand und hält sie gegen seine Brust.) Prinz, ich bin jetzt doppelt in
Ihren Banden. Gianettino herrscht über meinen Kopf und Genua; über
mein Herz Ihre liebenswürdige Schwester.

Lomellin. Fiesco ist ganz Epikuräer worden. Die große Welt hat viel an Ihnen verloren.

Fiesco. Aber Fiesco nichts an der großen Welt. Leben heißt träumen; weise sein, Lomellin, heißt angenehm träumen. Kann man das besser unter den Donnern des Throns, wo die Räder der Regierung ewig ins gellende Ohr krachen, als am Busen eines schmachtenden Weibs? Gianettino Doria mag über Genua herrschen. Fiesco wird lieben.

Gianettino. Brich auf, Lomellin! Es wird Mitternacht. Die Zeit rückt heran. Lavagna, wir danken für deine Bewirtung. Ich war zufrieden.

Fiesco. Das ist alles, was ich wünschen kann, Prinz.

Gianettino. Also gute Nacht. Morgen ist Spiel bei Doria, und Fiesco ist eingeladen. Komm, Procurator.

Fiesco. Musik! Lichter!

Gianettino (trotzig durch die drei Masken). Platz dem Namen des
Herzogs.

Eine von den drei Masken (murmelt unwillig). In der Hölle! Niemals in Genua!

Gäste (in Bewegung). Der Prinz bricht auf. Gute Nacht, Lavagna!
(Taumeln hinaus.)

Siebenter Auftritt

Die drei schwarzen Masken. Fiesco. Pause.

Fiesco. Ich werde hier Gäste gewahr, die die Freuden meines Festes nicht theilen.

Masken (murmeln verdrießlich durcheinander). Nicht Einer.

Fiesco (verbindlich). Sollte mein guter Wille einen Genueser mißvergnügt weglassen? Hurtig, Lakaien! man soll den Ball erneuern und die großen Pokale füllen. Ich wollte nicht, daß Jemand hier Langeweile hätte. Darf ich Ihre Augen mit Feuerwerken ergötzen? Wollen Sie die Künste meines Harlekins hören? Vielleicht finden Sie bei meinem Frauenzimmer Zerstreuung? Oder wollen wir uns zum Pharao setzen und die Zeit mit Spielen betrügen?

Eine Maske. Wir sind gewohnt, die mit Thaten zu bezahlen!

Fiesco. Eine männliche Antwort, und—das ist Verrina.

Verrina (nimmt die Maske ab). Fiesco findet seine Freunde geschwinder in ihren Masken, als sie ihn in der seinigen.

Fiesco. Ich verstehe das nicht. Aber was soll der Trauerflor an deinem Arm? Sollte Verrina Jemand begraben haben und Fiesco nichts darum wissen?

Verrina. Trauerpost taugt nicht für Fiescos lustige Feste.

Fiesco. Doch, wenn ein Freund ihn auffordert. (Drückt seine Hand mit Wärme.) Freund meiner Seele! wer ist uns Beiden gestorben?

Verrina. Beiden! Beiden! O allzuwahr!—Aber nicht alle Söhne trauern um ihre Mutter.

Fiesco. Deine Mutter ist lange vermodert.

Verrina (bedeutend). Ich besinne mich, daß Fiesco mich Bruder nannte, weil ich der Sohn seines Vaterlands war.

Fiesco (scherzhaft). Ah! ist es das? Also auf einen Spaß war es abgezielt? Trauerkleider um Genua! und es ist wahr, Genua liegt wirklich in letzten Zügen. Der Gedanke ist einzig und neu. Unser Vetter fängt an, ein witziger Kopf zu werden!

Calcagno. Er hat es ernsthaft gesagt, Fiesco!

Fiesco. Freilich! freilich! Das war's eben. So trocken weg und so weinerlich. Der Spaß verliert Alles, wenn der Spaßmacher selber lacht. Mit einer wahren Leichenbittersmiene! Hätt' ich's je gedacht, daß der finstre Verrina in seinen alten Tagen noch ein so lustiger Vogel würde!

Sacco. Verrina, komm! Er ist nimmermehr unser.

Fiesco. Aber lustig weg, Landsmann. Laß uns aussehen wie listige
Erben, die heulend hinter der Bahre gehen und desto lauter ins
Schnupftuch lachen. Doch dürften wir dafür eine harte Stiefmutter
kriegen. Sei's drum, wir lassen sie keifen, und schmausen.

Verrina (heftig bewegt). Himmel und Erde! und thun nichts?—Wo bist du hingekommen, Fiesco? Wo soll ich den großen Tyrannenhasser erfragen? Ich weiß eine Zeit, wo du beim Anblick einer Krone Gichter bekommen hättest.—Gesunkener Sohn der Republik! du wirst's verantworten, daß ich keinen Heller um meine Unsterblichkeit gebe, wenn die Zeit auch Geister abnützen kann.

Fiesco. Du bist der ewige Grillenfänger. Mag er Genua in die Tasche stecken und einem Kaper von Tunis verschachern, was kümmert's uns? Wir trinken Cyprier und küssen schöne Mädchen.

Verrina (blickt ihn ernst an). Ist das deine wahre, ernstliche
Meinung?

Fiesco. Warum nicht, Freund? Ist es denn eine Wollust, der Fuß des trägen, vielbeinigen Thiers Republik zu sein? Dank' es Dem, der ihm Flügel gibt und die Füße ihrer Ämter entsetzt. Gianettino Doria wird Herzog. Staatsgeschäfte werden uns keine grauen Haare mehr machen.

Verrina. Fiesco?—ist das deine wahre, ernstliche Meinung?

Fiesco. Andreas erklärt seinen Neffen zum Sohn und Erben seiner
Güter, wer wird der Thor sein, ihm das Erbe seiner Macht abzustreiten?

Verrina (mit äußerstem Unmut). So kommt, Genueser! (Er verläßt den
Fiesco schnell, die Andern folgen.)

Fiesco. Verrina!—Verrina!—dieser Republikaner ist hart wie Stahl!—

Achter Auftritt

Fiesco. Eine unbekannte Maske.

Maske. Haben Sie eine Minute übrig, Lavagna?

Fiesco (zuvorkommend). Für Sie eine Stunde!

Maske. So haben Sie die Gnade, einen Gang mit mir vor die Stadt zu thun.

Fiesco. Es ist funfzig Minuten auf Mitternacht.

Maske. Sie haben die Gnade, Graf.

Fiesco. Ich werde anspannen lassen.

Maske. Das ist nicht nöthig. Ich schicke ein Pferd voraus. Mehr braucht es nicht, denn ich hoffe, es soll nur Einer zurückkommen.

Fiesco (betreten). Und?

Maske. Man wird Ihnen auf eine gewisse Thräne eine blutige Antwort abfordern.

Fiesco. Diese Thräne?

Maske. Einer gewissen Gräfin von Lavagna. Ich kenne diese Dame sehr gut und will wissen, womit sie verdient hat, das Opfer einer Närrin zu werden?

Fiesco. Jetzt verstehe ich Sie. Darf ich den Namen dieses seltsamen
Aufforderers wissen?

Maske. Es ist der nämliche, der das Fräulein von Zibo einst anbetete und vor dem Bräutigam Fiesco zurück trat.

Fiesco. Scipio Bourgognino!

Bourgognino (nimmt die Maske ab). Und der jetzt da ist, seine Ehre zu lösen, die einem Nebenbuhler wich, der klein genug denkt, die Sanftmuth zu quälen.

Fiesco (umarmt ihn mit Feuer). Edler junger Mann! Gedankt sei's dem
Leiden meiner Gemahlin, das mir eine so werthe Bekanntschaft macht.
Ich fühle die Schönheit Ihres Unwillens, aber ich schlage mich nicht.

Bourgognino (einen Schritt zurück). Der Graf von Lavagna wäre zu feig, sich gegen die Erstlinge meines Schwertes zu wagen?

Fiesco. Bourgognino! gegen die ganze Macht Frankreichs, aber nicht gegen Sie! Ich ehre dieses liebe Feuer für einen lieberen Gegenstand. Einen Lorbeer verdient der Wille, aber die That wäre kindisch.

Bourgognino (erregt). Kindisch! Graf? Das Frauenzimmer kann über
Mißhandlung nur weinen—wofür ist der Mann da?

Fiesco. Ungemein gut gesagt, aber ich schlage mich nicht.

Bourgognino (dreht ihm den Rücken, will gehen). Ich werde Sie verachten.

Fiesco (lebhaft). Bei Gott, Jüngling! das wirst du nie, und wenn die Tugend im Preis fallen sollte. (Faßt ihn bedächtlich bei der Hand.) haben Sie jemals etwas gegen mich gefühlt, das man—wie soll ich sagen?—Ehrfurcht nennt?

Bourgognino. Wär' ich einem Mann gewichen, den ich nicht für den ersten der Menschen erklärte?

Fiesco. Also, mein Freund! einen Mann, der einst meine Ehrfurcht verdiente, würde ich—etwas langsam verachten lernen. Ich dächte doch, das Gewebe eines Meisters sollte künstlicher sein, als dem flüchtigen Anfänger so geradezu in die Augen zu springen—Gehen Sie heim, Bourgognino, und nehmen Sie sich Zeit, zu überlegen, warum Fiesco so und nicht anders handelt. (Bourgognino geht stillschweigend ab.) Fahr hin, edler Jüngling! Wenn diese Flammen ins Vaterland schlagen, mögen die Doria fest stehen.

Neunter Auftritt

Fiesco. Der Mohr tritt schüchtern herein und sieht sich überall sorgfältig um.

Fiesco (faßt ihn scharf und lang ins Auge). Was willst du, und wer bist du?

Mohr (wie oben). Ein Sklave der Republik.

Fiesco. Sklaverei ist ein elendes Handwerk. (Immer ein scharfes Aug auf ihn.) Was suchst du?

Mohr. Herr, ich bin ein ehrlicher Mann.

Fiesco. Häng' immer diesen Schild vor dein Gesicht hinaus, das wird nicht überflüssig sein—aber was suchst du?

Mohr (sucht ihm näher zu kommen, Fiesco weicht aus). Herr, ich bin kein Spitzbube.

Fiesco. Es ist gut, daß du das beifügst, und—doch wieder nicht gut.
(Ungeduldig.) Aber was suchst du?

Mohr (rückt wieder näher). Seid Ihr der Graf Lavagna?

Fiesco (stolz). Die Blinden in Genua kennen meinen Tritt.—Was soll dir der Graf?

Mohr. Seid auf Eurer Hut, Lavagna. (Hart an ihn.)

Fiesco (springt auf die andere Seite). Das bin ich wirklich.

Mohr (wie oben). Man hat nichts Guts gegen Euch vor, Lavagna.

Fiesco (retiriert sich wieder). Das seh' ich.

Mohr. Hütet Euch vor dem Doria.

Fiesco (tritt ihm vertraut näher). Freund! sollt' ich dir doch wohl
Unrecht getan haben? Diesen Namen fürchte ich wirklich.

Mohr. So flieht vor dem Mann. Könnt Ihr lesen?

Fiesco. Eine kurzweilige Frage. Du bist bei manchem Cavalier herumgekommen. Hast du was Schriftliches?

Mohr. Euren Namen bei armen Sündern. (Er reicht ihm einen Zettel und nistet sich hart an ihn. Fiesco tritt vor einen Spiegel und schielt über das Papier. Der Mohr geht lauernd um ihn herum, endlich zieht er den Dolch und will stoßen.)

Fiesco (dreht sich geschickt und fährt nach dem Arm des Mohren).
Sachte, Canaille! (Entreißt ihm den Dolch.)

Mohr (stampft wild auf den Boden). Teufel—Bitt' um Vergebung.
(Will sich abführen.)

Fiesco (packt ihn, mit starker Stimme). Stephano! Drullo! Antonio!
(Den Mohren an der Gurgel.) Bleib, guter Freund! Höllische Büberei!
(Bediente.) Bleib und antworte! Du hast schlechte Arbeit gemacht;
an wen hast du dein Taglohn zu fordern?

Mohr (nach vielen vergeblichen Versuchen, sich wegzustehlen, entschlossen). Man kann mich nicht höher hängen, als der Galgen ist.

Fiesco. Nein, tröste dich! Nicht an die Hörner des Monds, aber doch hoch genug, daß du den Galgen für einen Zahnstocher ansehen sollst. Doch deine Wahl war zu staatsklug, als daß ich sie deinem Mutterwitz zutrauen sollte. Sprich also, wer hat dich gedungen?

Mohr. Herr, einen Schurken könnt ihr mich schimpfen, aber den
Dummkopf verbitt' ich.

Fiesco. Ist die Bestie stolz. Bestie, sprich, wer hat dich gedungen?

Mohr (nachdenkend). Hum! so wär' ich doch nicht allein der Narr! —wer mich gedungen hat?—und waren's doch nur hundert magre Zechinen! —Wer mich gedungen hat?—Prinz Gianettino.

Fiesco (erbittert auf und nieder). Hundert Zechinen und nicht mehr für des Fiesco Kopf. (Hämisch.) Schäme dich, Kronprinz von Genua. (Noch einer Schatulle eilend.) Hier, Bursche, sind tausend, und sag deinem Herrn—er sei ein knickiger Mörder!

(Mohr betrachtet ihn vom Fuß bis zum Wirbel.)

Fiesco. Du besinnst dich, Bursche?

Mohr (nimmt das Geld, setzt es nieder, nimmt es wieder und besieht ihn mit immer steigendem Erstaunen).

Fiesco. Was machst, Bursche?

Mohr (wirft das Geld entschlossen auf den Tisch). Herr—das Geld hab' ich nicht verdient.

Fiesco. Schafskopf von einem Jauner! den Galgen hast du verdient. Der entrüstete Elephant zertritt Menschen, aber nicht Würmer. Dich würd' ich hängen lassen, wenn es mich nur so viel mehr als zwei Worte kostete.

Mohr (mit einer frohen Verbeugung). Der Herr sind gar zu gütig.

Fiesco. Behüte Gott! nicht gegen dich. Es gefällt mir nun eben, daß meine Laune einen Schurken, wie du bist, zu etwas und nichts machen kann, und darum gehst du frei aus. Begreife mich recht. Dein Ungeschick ist mir ein Unterpfand des Himmels, daß ich zu etwas Großem aufgehoben bin, und darum bin ich gnädig, und du gehst frei aus.

Mohr (treuherzig). Schlagt ein, Lavagna! Eine Ehre ist der andern werth. Wenn Jemand auf dieser Halbinsel eine Gurgel für Euch überzählig hat, befehlt! und ich schneide sie ab, unentgeldlich.

Fiesco. Eine höfliche Bestie! Sie will sich mit fremder Leute
Gurgeln bedanken.

Mohr. Wir lassen uns nichts schenken, Herr! Unser eins hat auch
Ehre im Leibe.

Fiesco. Die Ehre der Gurgelschneider?

Mohr. Ist wohl feuerfester als Eurer ehrlichen Leute: sie brechen ihre Schwüre dem lieben Herrgott; wir halten sie pünktlich dem Teufel.

Fiesco. Du bist ein drolligter Jauner.

Mohr. Freut mich, daß Ihr Geschmack an mir findet. Setzt mich erst auf die Probe, Ihr werdet einen Mann kennen lernen, der sein Exercitium aus dem Stegreif macht. Fordert mich auf. Ich kann Euch von jeder Spitzbubenzunft ein Testimonium aufweisen, von der untersten bis zur höchsten.

Fiesco. Was ich nicht höre! (Indem er sich niedersetzt.) Also auch Schelmen erkennen Gesetzt und Rangordnung? Laß mich doch von der untersten hören.

Mohr. Pfui, gnädiger Herr! das ist das verächtliche Heer der langen Finger. Ein elend Gewerb, das keinen großen Mann ausbrütet, arbeitet nur auf Karbatsche und Raspelhaus und führt—höchstens zum Galgen.

Fiesco. Ein reizendes Ziel. Ich bin auf die beßre begierig.

Mohr. Das sind die Spionen und Maschinen. Bedeutende Herren, denen die Großen ein Ohr leihen, wo sie ihre Allwissenheit holen; die sich wie Blutigel in Seelen einbeißen, das Gift aus dem Herzen schlürfen und an die Behörde speien.

Fiesco. Ich kenne das—fort!

Mohr. Der Rang trifft nunmehr die Meuter, Giftmischer und Alle, die ihren Mann lang hinhalten und aus dem Hinterhalt fassen. Feige Memmen sind's oft, aber doch Kerls, die dem Teufel das Schulgeld mit ihrer armen Seele bezahlen. Hier thut die Gerechtigkeit schon etwas Übriges, strickt ihre Knöchel aufs Rad und pflanzt ihre Schlauköpfe auf Spieße. Das ist die dritte Zunft.

Fiesco. Aber, sprich doch, wann wird die deinige kommen?

Mohr. Blitz, gnädiger Herr! das ist eben der Pfiff. Ich bin durch diese alle gewandert. Mein Genie geilte frühzeitig über jedes Gehege. Gestern Abend macht' ich mein Meisterstück in der dritten, vor einer Stunde war ich—ein Stümper in der vierten.

Fiesco. Diese wäre also?

Mohr (lebhaft). Das sind Männer, (in Hitze) die ihren Mann zwischen vier Mauern aufsuchen, durch die Gefahr eine Bahn sich hauen, ihm gerade zu Leib gehen, mit dem ersten Gruß ihm den Großdank für den zweiten ersparen. Unter uns! man nennt sie nur die Extrapost der Hölle. Wenn Mephistopheles einen Gelust bekommt, braucht's nur einen Wink, und er hat den Braten noch warm.

Fiesco. Du bist ein hartgesottener Sünder. Einen solchen vermißte ich längst. Gib mir deine Hand. Ich will dich bei mir behalten.

Mohr. Ernst oder Spaß?

Fiesco. Mein völliger Ernst, und gebe dir tausend Zechinen des Jahrs.

Mohr. Topp, Lavagna! Ich bin Euer, und zum Henker fahre das
Privatleben. Braucht mich, wozu Ihr wollt. Zu Eurem Spürhund, zu
Eurem Parforce-Hund, zu Eurem Fuchs, zu Eurer Schlange, zu Eurem
Kuppler und Henkersknecht. Herr, zu allen Commissionen, nur bei
Leibe! zu keiner ehrlichen—dabei benehm' ich mich plump wie Holz.

Fiesco. Sei unbesorgt! Wem ich ein Lamm schenken will, lass' ich's durch keinen Wolf überliefern. Geh also gleich morgen durch Genua und suche die Witterung des Staats. Lege dich wohl auf Kundschaft, wie man von der Regierung denkt und vom Haus Doria flüstert, sondiere daneben, was meine Mitbürger von meinem Schlaraffenleben und meinem Liebesroman halten. Überschwemme ihre Gehirne mit Wein, bis ihre Herzensmeinungen überlaufen. Hier hast du Geld. Spende davon unter den Seidenhändlern aus.

Mohr (sieht ihn nachdenklich an). Herr-Fiesco. Angst darf dir nicht werden. Es ist nichts Ehrliches—Geh! rufe deine ganze Bande zu Hilfe. Morgen will ich deine Zeitungen hören. (Er geht ab.)

Mohr (ihm nach). Verlaßt Euch auf mich. Jetzt ist's früh vier Uhr. Morgen um Acht habt Ihr so viel Neues erfahren, als in zweimal siebenzig Ohren geht. (Ab.)

Zehnter Auftritt

Zimmer bei Verrina.

Bertha rücklings in einem Sopha, den Kopf in die Hand geworfen.
Verrina düster hereintretend.

Bertha (erschrickt, springt auf). Himmel! da ist er!

Verrina (steht still, besieht sie befremdet). An ihrem Vater erschrickt meine Tochter?

Bertha. Fliehen Sie! Lassen Sie mich fliehen! Sie sind schrecklich, mein Vater.

Verrina. Meinem einzigen Kinde?

Bertha (mit einem schweren Blick auf ihn). Nein! Sie müssen noch eine Tochter haben.

Verrina. Drückt dich meine Zärtlichkeit zu schwer?

Bertha. Zu Boden, Vater.

Verrina. Wie? welcher Empfang, meine Tochter? Sonst, wenn ich nach Hause kam, Berge auf meinem Herzen, hüpfte mir meine Bertha entgegen, und meine Bertha lachte sie weg. Komm, umarme mich, Tochter. An dieser glühenden Brust soll mein Herz wieder erwarmen, das am Todtenbett des Vaterlands einfriert. O mein Kind! Ich habe heute Abrechnung gehalten mit allen Freuden der Natur, und (äußerst schwer) nur du bist mir geblieben.

Bertha (mißt ihn mit einem langen Blick). Unglücklicher Vater!

Verrina (umarmt sie beklemmt). Bertha! mein einziges Kind! Bertha! meine letzte übrige Hoffnung!—Genuas Freiheit ist dahin—Fiesco hin—(indem er sie heftiger drückt, durch die Zähne) Werde du eine Hure-Bertha (reißt sich aus seinen Armen). Heiliger Gott! Sie wissen?-Verrina (steht bebend still). Was?

Bertha. Meine jungfräuliche Ehre-Verrina (wüthend). Was?

Bertha. Diese Nacht-Verrina (wie ein Rasender). Was?

Bertha. Gewalt! (Sinkt am Sopha nieder.)

Verrina (nach einer langen schreckhaften Pause mit dumpfer Stimme).
Noch ein Athemzug, Tochter—den letzten! (Mit hohlem gebrochnem Ton.)
Wer?

Bertha. Weh mir, nicht diesen todtenfarben Zorn! Helfe mir Gott! er stammelt und zittert.

Verrina. Ich wüßte doch nicht—meine Tochter! Wer?

Bertha. Ruhig! ruhig! mein bester, mein theurer Vater.

Verrina. Um Gotteswillen—Wer? (will vor ihr niederfallen.)

Bertha. Eine Maske.

Verrina (tritt zurück, nach einem stürmischen Nachdenken). Nein! das kann nicht sein! Den Gedanken sendet mir Gott nicht. (Lacht graß auf.) Alter Geck! als wenn alles Gift nur aus einer und eben der Kröte spritzte? (Zu Bertha gefaßter.) Die Person, wie die meinige, oder kleiner?

Bertha. Größer.

Verrina (rasch). Die Haare schwarz? kraus?

Bertha. Kohlschwarz und kraus.

Verrina (taumelt von ihr hinweg). Gott! mein Kopf! mein Kopf—die
Stimme?

Bertha. Rauh, eine Baßstimme.

Verrina (heftig). Von welcher Farbe? Nein! ich will nicht mehr hören!—der Mantel—von welcher Farbe?

Bertha. Der Mantel grün, wie mich däuchte.

Verrina (hält beide Hände vors Gesicht und wankt in den Sopha). Sei ruhig. Es ist nur ein Schwindel, meine Tochter. (Läßt die Hände sinken; ein Todtengesicht.)

Bertha (die Hände ringend). Barmherziger Himmel! das ist mein Vater nicht mehr.

Verrina (nach einer Pause mit bitterm Gelächter). Recht so! recht so! Memme Verrina!—daß der Bube in das Heiligthum der Gesetze griff—diese Aufforderung war dir zu matt—der Bube mußte noch ins Heiligthum deines Bluts greifen—(Springt auf.) Geschwind! rufe den Nicolo—Blei und Pulver—oder halt! halt! ich besinne mich eben anders—besser—Hole mein Schwert herbei, bet' ein Vaterunser. (Die Hand vor die Stirne.) Was will ich aber?

Bertha. Mir ist sehr bange, mein Vater.

Verrina. Komm, setzt dich zu mir. (Bedeutend.) Bertha, erzähle mir—Bertha, was that jener eisgraue Römer, als man seine Tochter auch so—wie nenn ich's nun—auch so artig fand, seine Tochter? Höre Bertha, was sagte Virginius zu seiner verstümmelten Tochter?

Bertha (mit Schaudern). Ich weiß nicht, was er sagte.

Verrina. Närrisches Ding—Nichts sagte er. (Plötzlich auf, faßt ein Schwert.) Nach einem Schlachtmesser griff er-Bertha (stürzt ihm erschrocken in die Arme). Großer Gott! was wollen Sie thun?

Verrina (wirft das Schwert ins Zimmer). Nein! noch ist Gerechtigkeit in Genua!

Eilfter Auftritt

Sacco. Calcagno. Vorige.

Calcagno. Verrina, geschwind! Mache dich fertig. Heute hebt die Wahlwoche der Republik an. Wir wollen früh in die Signoria, die neuen Senatoren wählen. Die Gassen wimmeln von Volk. Der ganze Adel strömt nach dem Rathhaus. Du begleitest uns doch, (spöttisch) den Triumph unsrer Freiheit zu sehen.

Sacco. Ein Schwert liegt im Saal. Verrina schaut wild. Bertha hat rothe Augen.

Calcagno. Bei Gott! das nehm' ich nun auch gewahr—Sacco, hier ist ein Unglück geschehen.

Verrina (stellt zwei Sessel hin). Setzt euch.

Sacco. Freund, du erschreckst uns.

Calcagno. So sah ich dich nie, Freund. Hätte nicht Bertha geweint, ich würde fragen: geht Genua unter?

Verrina (fürchterlich). Unter! Sitzt nieder!

Calcagno (erschrocken, indem sich Beide setzen). Mann! Ich beschwöre dich!

Verrina. Höret!

Calcagno. Was ahnet mir, Sacco?

Verrina. Genueser—ihr Beide kennt das Alterthum meines Namens. Eure Ahnen haben den meinigen die Schleppe getragen. Meine Väter fochten die Schlachten des Staats. Meine Mütter waren Muster der Genueserinnen. Ehre war unser einziges Capital und erbte vom Vater zum Sohn—oder wer weiß es anders?

Sacco. Niemand.

Calcagno. So wahr Gott lebt, Niemand.

Verrina. Ich bin der letzte meines Geschlechts. Mein Weib liegt begraben. Diese Tochter ist ihr einziges Vermächtniß. Genueser, ihr seid Zeugen, wie ich sie erzog. Wird Jemand auftreten und Klage führen, daß ich meine Bertha verwahrloste?

Calcagno. Deine Tochter ist ein Muster im Lande.

Verrina. Freunde! ich bin ein alter Mann. Verliere ich diese, darf ich keine mehr hoffen. Mein Gedächtniß löscht aus. (Mit einer schrecklichen Wendung.) Ich habe sie verloren. Infam ist mein Stamm.

Beide. (in Bewegung). Das wolle Gott verhüten! (Bertha wälzt sich jammernd im Sopha.)

Verrina. Nein! Verzweifle nicht, Tochter. Diese Männer sind tapfer und gut. Beweinen dich diese, wird's irgendwo bluten.—Seht nicht so betroffen aus, Männer. (Langsam, mit Gewicht.) Wer Genua unterjocht, kann doch wohl ein Mädchen bezwingen?

Beide (fahren auf, werfen die Sessel zurück). Gianettino Doria!

Bertha (mit einem Schrei). Stürzt über mich, Mauern! mein Scipio!

Zwölfter Auftritt

Bourgognino. Vorige.

Bourgognino (erhitzt). Springe hoch, Mädchen! Eine Freudenpost! —Edler Verrina, ich komme, meinen Himmel auf Ihre Zunge zu setzen. Schon längst liebte ich Ihre Tochter, und nie durft' ich es wagen, um ihre Hand zu bitten, weil mein ganzes Vermögen auf falschen Brettern von Coromandel schwamm. Eben jetzt fliegt meine Fortuna wohlbehalten in die Rhede und führt, wie sie sagen, unermeßliche Schätze mit. Ich bin ein reicher Mann. Schenken Sie mir Bertha, ich mache sie glücklich. (Bertha verhüllt sich, große Pause.)

Verrina (bedächtlich zu Bourgognino). Haben Sie Lust, junger Mensch,
Ihr Herz in eine Pfütze zu werfen?

Bourgognino (greift nach dem Schwert, zieht aber plötzlich die Hand zurück). Das sprach der Vater-Verrina. Das spricht jeder Schurk' in Italien. Nehmen Sie mit dem Abtrag von anderer Leute Gastung vorlieb?

Bourgognino. Mach mich nicht wahnwitzig, Graukopf!

Calcagno. Bourgognino, wahr spricht der Graukopf.

Bourgognino (auffahrend, gegen Bertha stürzend). Wahr spricht er?
Mich hätte eine Dirne genarrt?

Calcagno. Bourgognino, nicht da hinaus. Das Mädchen ist engelrein.

Bourgognino (steht erstaunt still). Nun! so wahr ich selig werden will. Rein und entehrt. Ich habe keinen Sinn für das.—Sie sehen sich an und sind stumm. Irgend ein Unhold von Missethat zuckt auf ihren bebenden Zungen. Ich beschwöre euch! Schiebt meine Vernunft nicht im Kurzweil herum. Rein wäre sie? Wer sagte rein?

Verrina. Mein Kind ist nicht schuldig.

Bourgognino. Also Gewalt! (Faßt das Schwert von dem Boden.)
Genueser! bei allen Sünden unter dem Mond! Wo—wo find' ich den
Räuber?

Verrina. Eben dort, wo du den Dieb Genuas findest.—(Bourgognino erstarrt. Verrina geht gedankenvoll auf und nieder, dann steht er still.)

Verrina. Wenn ich deinen Wink verstehe, ewige Vorsicht, so willst du Genua durch meine Bertha erlösen! (Er tritt zu ihr, indem er den Trauerflor langsam von seinem Arme wickelt, darauf feierlich.) Eh das Herzblut eines Doria diesen häßlichen Flecken aus deiner Ehre wäscht, soll kein Strahl des Tages auf diese Wangen fallen. Bis dahin—(er wirft den Flor über sie) verblinde! (Pause. Die Übrigen sehen ihn schweigend, betreten an.)

Verrina (feierlicher, seine Hand auf Berthas Haupt gelegt). Verflucht sei die Luft, die dich fächelt! Verflucht der Schlaf, der dich erquickt! Verflucht jede menschliche Spur, die deinem Elend willkommen ist! Geh hinab in das unterste Gewölb meines Hauses. Winsle, heule, lähme die Zeit mit deinem Gram. (Unterbrochen von Schauern fährt er fort.) Dein Leben sei das gichterische Wälzen des sterbenden Wurms—der hartnäckige, zermalmende Kampf zwischen Sein und Vergehen.—Dieser Fluch hafte auf dir, bis Gianettino den letzten Odem verröchelt hat.—Wo nicht, so magst du ihn nachschleppen längs der Ewigkeit, bis man ausfindig macht, wo die zwei Enden ihres Rings in einander greifen.

(Großes Schweigen. Auf allen Gesichtern Entsetzen. Verrina blickt
Jeden fest und durchdringend an.)

Bourgognino. Rabenvater! was hast du gemacht? Diesen ungeheuren, gräßlichen Fluch deiner armen, schuldlosen Tochter?

Verrina. Nicht wahr—das ist schrecklich, mein zärtlicher Bräutigam?—(Höchst bedeutend.) Wer von euch wird nun auftreten und jetzt noch von kaltem Blut und Aufschube schwatzen? Genuas Loos ist auf meine Bertha geworfen, mein Vaterherz meiner Bürgerpflicht überantwortet. Wer von uns ist nun Memme genug, Genuas Erlösung zu verzögern, wenn er weiß, daß dieses schuldlose Lamm seine Feigheit mit unendlichem Gram bezahlt?—Bei Gott! das war nicht das Gewäsch eines Narren—Ich hab' einen Eid gethan und werde mich meines Kindes nicht erbarmen, bis ein Doria am Boden zuckt, und sollt' ich auf Martern raffinieren, wie ein Henkersknecht, und sollt' ich dieses unschuldige Lamm auf kannibalischer Folterbank zerknirschen—Sie zittern—Blaß wie Geister schwindeln sie mich an.—Noch einmal, Scipio! Ich verwahre sie zum Geisel deines Tyrannenmords. An diesem theuren Faden halt' ich deine, meine, eure Pflichten fest. Genuas Despot muß fallen, oder das Mädchen verzweifelt. Ich widerrufe nicht.

Bourgognino (wirft sich der Bertha zu Füßen). Und fallen soll er—fallen für Genua, wie ein Opferstier. So gewiß ich dies Schwert im Herzen Dorias umkehre, so gewiß will ich den Bräutigamskuß auf deine Lippen drücken. (Steht auf.)

Verrina. Das erste Paar, das die Furien einsegnen. Gebt euch die Hände. In Dorias Herzen wirst du dein Schwert umkehren?—Nimm sie, sie ist dein!

Calcagno (kniet nieder). Hier kniet noch ein Genueser und legt seinen furchtbaren Stahl zu den Füßen der Unschuld. So gewiß möge Calcagno den Weg zum Himmel ausfindig machen, als dieses sein Schwert die Straße zu Dorias Leben. (Steht auf.)

Sacco. Zuletzt, doch nicht minder entschlossen, kniet Raphael Sacco. Wenn dies mein blankes Eisen Berthas Gefängniß nicht aufschließt, so schließe sich das Ohr des Erhörers meinem letzten Gebet zu. (Steht auf.)

Verrina (erheitert). Genua dankt euch in mir, meine Freunde. Gehe nun, Tochter. Freue dich, des Vaterlands großes Opfer zu sein.

Bourgognino (umarmt sie im Abgehen). Geh! Traue auf Gott und Bourgognino. An einem und eben dem Tag werden Bertha und Genua frei sein. (Bertha entfernt sich.)

Dreizehnter Auftritt

Vorige ohne Bertha.

Calcagno. Eh wir weiter gehn, noch ein Wort, Genueser!

Verrina. Ich errath' es.

Calcagno. Werden vier Patrioten genug sein, Tyrannei, die mächtige
Hyder, zu stürzen? Werden wir nicht den Pöbel aufrühren, nicht den
Adel zu unsrer Partei ziehen müssen?

Verrina. Ich verstehe. Höret also, ich habe längst einen Maler im Solde, der seine ganze Kunst verschwendet, den Sturz des Appius Claudius fresco zu malen. Fiesco ist ein Anbeter der Kunst, erhitzt sich gern an erhabenen Scenen. Wir werden die Malerei nach seinem Palast bringen und zugegen sein, wenn er sie betrachtet. Vielleicht, daß der Anblick seinen Genius wieder aufweckt—Vielleicht-Bourgognino. Weg mit ihm! Verdopple die Gefahr, spricht der Held, nicht die Helfer. Ich habe schon längst ein Etwas in meiner Brust gefühlt, das sich von nichts wollte ersättigen lassen—Was es war, weiß ich jetzt plötzlich (indem er heroisch aufspringt). Ich hab' einen Tyrannen!

(Der Vorhang fällt.)

Zweiter Aufzug

Vorzimmer in Fiescos Palast.

Erster Auftritt

Leonore. Arabella.

Arabella. Nein, sag' ich. Sie sahen falsch. Die Eifersucht lieh
Ihnen die häßlichen Augen.

Leonore. Es war Julia lebendig. Rede mir nichts ein. Meine Silhouette hing an einem himmelblauen Band, dies war feuerfarb und geflammt. Mein Loos ist entschieden.

Zweiter Auftritt

Vorige. Julia.

Julia (affectiert hereintretend). Der Graf bot mir sein Palais an, den Zug nach dem Rathhaus zu sehen. Die Zeit wird mir lang werden. Eh die Chocolade gemacht ist, Madame, unterhalten Sie mich. (Bella entfernt sich, kommt sogleich wieder.)

Leonore. Befehlen Sie, daß ich Gesellschaft hieher bitte?

Julia. Abgeschmackt. Als wenn ich die hier suchen müßte? Sie werden mich zerstreuen, Madame. (Auf und ab, sich den Hof machend.) Wenn Sie das können, Madame—denn ich habe nichts zu versäumen.

Arabella (boshaft). Desto mehr dieser kostbare Mohr, Signora. Wie grausam, bedenken Sie! die Perspectivchen der jungen Stutzer um diese schöne Prise zu bringen? Ah! und das blitzende Spiel der Perlen, das Einem die Augen bald wund brennt.—Beim großmächtigen Gott! haben Sie nicht das ganze Meer ausgeplündert?

Julia (vor einem Spiegel). Das ist Ihr wohl eine Seltenheit,
Mamsell? Aber höre Sie, Mamsell, hat Sie Ihrer Herrschaft auch die
Zunge verdingt? Scharmant, Madame! Ihre Gäste durch Domestiken
becomplimentieren zu lassen.

Leonore. Es ist mein Unglück, Signora, daß meine Laune mir das
Vergnügen Ihrer Gegenwart schmälert.

Julia. Eine gräßliche Unart ist das, die Sie schwerfällig und albern macht. Rasch! lebhaft und witzig! Das ist der Weg nicht, Ihren Mann anzufesseln.

Leonore. Ich weiß nur einen, Gräfin. Lassen Sie den Ihrigen immer ein sympathetisches Mittel bleiben.

Julia (ohne darauf achten zu wollen). Und, wie Sie sich tragen, Madame! Pfui doch! Auch auf Ihren Körper wenden Sie mehr. Nehmen Sie zur Kunst Ihre Zuflucht, wo die Natur an Ihnen Stiefmutter war. Einen Firniß auf diese Wangen, woraus die mißfärbige Leidenschaft kränkelt. Armes Geschöpf! So wird Ihr Gesichtchen nie einen Käufer finden.

Leonore (munter zu Bella). Wünsche mir Glück, Mädchen. Unmöglich hab' ich meinen Fiesco verloren, oder ich habe nichts an ihm verloren. (Man bringt Chocolade, Bella gießt ein.)

Julia. Von Verlieren murmeln Sie etwas? Aber mein Gott! wie kam Ihnen auch der tragische Einfall, den Fiesco zu nehmen?—Warum auf diese Höhe, mein Kind, wo Sie nothwendig gesehen werden müssen? verglichen werden müssen?—Auf Ehre, mein Schatz, das war ein Schelm oder ein Dummkopf, der Sie dem Fiesco kuppelte. (Mitleidig ihre Hand ergreifend.) Gutes Thierchen, der Mann, der in den Assembleen des guten Tons gelitten wird, konnte nie deine Partie sein. (Sie nimmt eine Tasse.)

Leonore (lächelnd auf Arabellen). Oder er würde in diesen Häusern des guten Tons nicht gelitten sein wollen.

Julia. Der Graf hat Person—Welt—Geschmack. Der Graf war so glücklich, Connaissancen von Rang zu machen. Der Graf hat Temperament, Feuer. Nun reißt er sich warm aus dem delicatesten Zirkel. Er kommt nach Hause. Die Ehfrau bewillkommt ihn mit einer Werkeltagszärtlichkeit, löscht seine Gluth in einem feuchten, frostigen Kuß, schneidet ihm ihre Caressen wirthschaftlich, wie einem Kostgänger, vor. Der arme Ehmann! Dort lacht ihm ein blühendes Ideal—hier ekelt ihn eine grämliche Empfindsamkeit an. Signora, um Gotteswillen! wird er nicht den Verstand verlieren, oder was wird er wählen?

Leonore (bringt ihr eine Tasse). Sie, Madame, wenn er ihn verloren hat.

Julia. Gut. Dieser Biß sei in dein eigenes Herz gegangen. Zittre um diesen Spott, aber eh du zitterst, erröthe.

Leonore. Kennen Sie das Ding auch, Signora? Doch warum nicht? Es ist ja ein Toilettenpfiff.

Julia. Man sehe doch! Erzürnen muß man das Würmchen, will man ihm ein Fünkchen Mutterwitz abjagen. Gut für jetzt. Es war Scherz, Madame. Geben Sie mir Ihre Hand zur Versöhnung.

Leonore (gibt ihr die Hand mit vielsagendem Blick). Imperiali!—vor meinem Zorn haben Sie Ruhe.

Julia. Großmüthig, allerdings! Doch sollt' ich's nicht auch sein können, Gräfin? (Langsam und lauernd.) Wenn ich den Schatten einer Person bei mir führe, muß es nicht folgen, daß das Original mir werth ist? Oder was meinen Sie?

Leonore (roth und verwirrt). Was sagen Sie? Ich hoffe, dieser
Schluß ist zu rasch.

Julia. Das denk' ich selbst. Das Herz ruft nie die Sinne zu Hilfe.
Wahre Empfindung wird sich nie hinter Schmuckwerk verschanzen.

Leonore. Großer Gott! Wie kommen Sie zu dieser Wahrheit?

Julia. Mitleid, bloßes Mitleid—Denn sehen Sie, so ist es auch umgekehrt wahr—und Sie haben Ihren Fiesco noch. (Sie gibt ihr ihre Silhouette und lacht boshaft auf.)

Leonore (mit auffahrender Erbitterung). Mein Schattenriß? Ihnen?
(Wirft sich schmerzvoll in einen Sessel.) O der heillose Mann!

Julia (frohlockend). Hab' ich vergolten? hab' ich? Nun, Madame, keinen Nadelstich mehr in Bereitschaft? (Laut in die Scene.) Den Wagen vor! Mein Gewerb ist bestellt. (Zu Leonoren, der sie das Kinn streicht.) Trösten Sie sich, mein Kind. Er gab mir die Silhouette im Wahnwitz. (Ab.)

Dritter Auftritt

Calcagno kommt.

Calcagno. So erhitzt ging die Imperiali weg, und Sie in Wallung,
Madonna?

Leonore (mit durchdringendem Schmerz). Nein! das war nie erhört!

Calcagno. Himmel und Erde! Sie weinen doch wohl nicht?

Leonore. Ein Freund vom Unmenschlichen—Mir aus den Augen!

Calcagno. Welchem Unmenschlichen? Sie erschrecken mich.

Leonore. Von meinem Mann—Nicht so! von dem Fiesco.

Calcagno. Was muß ich hören?

Leonore. O, nur ein Bubenstück, das bei euch gangbar ist, Männer.

Calcagno (faßt ihre Hand mit Heftigkeit). Gnädige Frau, ich habe ein
Herz für die weinende Tugend.

Leonore (ernst). Sie sind ein Mann—es ist nicht für mich.

Calcagno. Ganz für Sie—voll von Ihnen—daß Sie wüßten, wie sehr—wie unendlich sehr-Leonore. Mann, du lügst—du versicherst, eh du handelst.

Calcagno. Ich schwöre Ihnen-Leonore. Einen Meineid. Hör' auf! Ihr ermüdet den Griffel Gottes, der sie niederschreibt. Männer! Männer! wenn eure Eide zu so viel Teufeln würden, sie könnten Sturm gegen den Himmel laufen und die Engel des Lichts als Gefangene wegführen.

Calcagno. Sie schwärmen, Gräfin. Ihre Erbitterung macht Sie ungerecht. Soll das Geschlecht für den Frevel des Einzelnen Rede stehn?

Leonore (sieht ihn groß an). Mensch! ich betete das Geschlecht in dem Einzelnen an, soll ich es nicht in ihm verabscheuen dürfen?

Calcagno. Versuchen Sie, Gräfin—Sie gaben Ihr Herz das erstemal fehl—ich wüßte ihnen den Ort, wo es aufgehoben sein sollte.

Leonore. Ihr könntet den Schöpfer aus seiner Welt hinauslügen—Ich will nichts von dir hören.

Calcagno. Diesen Verdammungsspruch sollten Sie noch heute in meinen
Armen zurückrufen.

Leonore (aufmerksam). Rede ganz aus. In deinen—?

Calcagno. In meinen Armen, die sich öffnen, eine Verlassene aufzunehmen und für verlorene Liebe zu entschädigen.

Leonore (sieht ihn fein an). Liebe?

Calcagno (vor ihr nieder mit Feuer). Ja! es ist hingesagt. Liebe,
Madonna. Leben und Tod liegt auf Ihrer Zunge. Wenn meine
Leidenschaft Sünde ist, so mögen die Enden von Tugend und Laster in
einander fließen und Himmel und Hölle in eine Verdammniß gerinnen.

Leonore (tritt mit Unwillen und Hoheit zurück). Da hinaus zielte deine Theilnehmung, Schleicher?—In einer Kniebeugung verräthst du Freundschaft und Liebe? Ewig aus meinem Aug! Abscheuliches Geschlecht! Bis jetzt glaubte ich, du betrügest nur Weiber; das hab' ich nie gewußt! daß du auch an dir selbst zum Verräther wirst.

Calcagno (steht betroffen auf). Gnädige Frau-Leonore. Nicht genug,
daß er das heilige Siegel des Vertrauens erbrach, auch an den reinen
Spiegel der Tugend haucht dieser Heuchler die Pest und will meine
Unschuld im Eidbrechen unterweisen.

Calcagno (rasch). Das Eidbrechen ist nur Ihr Fall nicht, Madonna.

Leonore. Ich verstehe, und meine Empfindlichkeit sollte dir meine Empfindung bestechen? Das wußtest du nicht, (sehr groß) daß schon allein das erhabene Unglück, um den Fiesco zu brechen, ein Weiberherz adelt. Geh! Fiescos Schande macht keinen Calcagno bei mir steigen, aber—die Menschheit sinken. (Schnell ab.)

Calcagno (sieht ihr betäubt nach, dann ab, mit einem Schlag vor die
Stirne). Dummkopf!

Vierter Auftritt

Der Mohr. Fiesco.

Fiesco. Wer war's, der da wegging?

Mohr. Marchese Calcagno.

Fiesco. Auf dem Sopha blieb dieses Schnupftuch liegen. Meine Frau war hier.

Mohr. Begegnete mir so eben in einer starken Erhitzung.

Fiesco. Dieses Schnupftuch ist feucht. (Steckt es zu sich.)
Calcagno hier? Leonore in starker Erhitzung? (Nach einigem
Nachdenken zum Mohren.) Auf den Abend will ich dich fragen, was hier
geschehen ist.

Mohr. Mamsell Bella hört es gern, daß sie blond sei. Will es beantworten.

Fiesco. Und nun sind dreißig Stunden vorbei. Hast du meinen Auftrag vollzogen?

Mohr. Auf ein Jota, mein Gebieter.

Fiesco (setzt sich). Sag denn, wie pfeift man von Doria und der gegenwärtigen Regierung?

Mohr. O pfui; nach abscheulichen Weisen. Schon das Wort: Doria, schüttelt sie wie ein Fieberfrost. Gianettino ist gehaßt bis in den Tod. Alles murrt. Die Franzosen, sagen sie, seien Genuas Ratten gewesen, Kater Doria habe sie aufgefressen und lasse sich nun die Mäuse belieben.

Fiesco. Das könnte wahr sein—und wußten sie keinen Hund für den
Kater?

Mohr (leichtfertig). Die Stadt murmelte Langes und Breites von einem gewissen—einem gewissen—Holla! Hätt' ich denn gar den Namen vergessen?

Fiesco (steht auf). Dummkopf! Er ist so leicht zu behalten, als schwer er zu machen war. Hat Genua mehr als einen Einzigen?

Mohr. So wenig als zween Grafen von Lavagna.

Fiesco (setzt sich). Das ist Etwas. Und was flüstert man denn über mein lustiges Leben?

Mohr (mißt ihn mit großen Augen). Höret, Graf von Lavagna! Genua muß groß von Euch denken. Man kann's nicht verdauen, daß ein Cavalier vom ersten Hause—voll Talenten und Kopf—in vollem Feuer und Einfluß—Herr von vier Millionen Pfund—Fürstenblut in den Adern—ein Cavalier wie Fiesco, dem auf den ersten Wink alle Herzen zufliegen würden-Fiesco (wendet sich mit Verachtung ab). Von einem Schurken das anzuhören-Mohr. Daß Genuas großer Mann Genuas großen Fall verschlafe. Viele bedauern, sehr Viele verspotten, die Meisten verdammen Euch. Alle beklagen den Staat, der Euch verlor. Ein Jesuit wollte gerochen haben, daß ein Fuchs im Schlafrock stecke.

Fiesco. Ein Fuchs riecht den andern.—Was spricht man zu meinem
Roman mit der Gräfin Imperiali?

Mohr. Was ich zu wiederholen hübsch unterlassen werde.

Fiesco. Frei heraus! Je frecher, desto willkommener. Was murmelt man?

Mohr. Nichts murmelt man. Auf allen Kaffeehäusern, Billardtischen, Gasthöfen, Promenaden—auf dem Markt—auf der Börse schreit man laut-Fiesco. Was? Ich befehl' es dir!

Mohr (sich zurückziehend). Daß Ihr ein Narr seid.

Fiesco. Gut. Hier nimm die Zechine für diese Zeitung. Die Schellenkappe hab' und nun aufgesetzt, daß diese Genueser über mich lachen; bald will ich mir eine Glatze scheeren, daß sie den Hanswurst von mir spielen. Wie nahmen sich die Seidenhändler bei meinen Geschenken?

Mohr (drollig). Narr, sie stellten sich wie die armen Sünder-Fiesco.
Narr? Bist du toll, Bursche?

Mohr. Verzeiht! Ich hätte Lust zu noch mehr Zechinen.

Fiesco (lacht, gibt ihm eine). Nun, wie die armen Sünder—?

Mohr. Die auf dem Block liegen und jetzt Pardon über sich hören.
Euer sind sie Seel und Leib.

Fiesco. Das freut mich. Sie geben den Ausschlag bei dem Pöbel zu
Genua.

Mohr. Was das ein Auftritt war! Wenig fehlte, der Teufel hole mich! daß ich nicht Geschmack an der Großmuth gefunden hätte. Sie wälzten sich mir wie unsinnig um den Hals, die Mädel schienen sich bald in meines Vaters Farbe vergafft zu haben, so hitzig fielen sie über meine Mondsfinsterniß her. Allmächtig ist doch das Gold, war da mein Gedanke; auch Mohren kann's bleichen.

Fiesco. Dein Gedanke war besser, als das Mistbeet, worin er wuchs—Die Worte, die du mir hinterbracht hast, sind gut, lassen sich Thaten daraus schließen?

Mohr. Wie aus des Himmels Räuspern der ausbrechende Sturm. Man steckt die Köpfe zusammen, rottiert sich zu Hauf, ruft Hum! spukt ein Fremder vorbei. Durch ganz Genua herrscht eine dumpfe Schwüle— Dieser Mißmuth hängt wie ein schweres Wetter über der Republik— nur einen Wind, so fallen Schlossen und Blitze.

Fiesco. Stille! horch! Was ist das für ein verworrenes Gesumse?

Mohr (aus dem Fenster fliegend). Es ist das Geschrei vieler Menschen, die vom Rathhaus herabkommen.

Fiesco. Heute ist Procuratorwahl. Laß meine Carriole vorfahren.
Unmöglich kann die Sitzung schon aus sein. Ich will hinauf.
Unmöglich kann sie rechtmäßig sein—Schwert und Mantel her. Wo ist
mein Orden?

Mohr. Herr, ich hab' ihn gestohlen und versetzt.

Fiesco. Das freut mich.

Mohr. Nun, wie? wird mein Präsent bald herausrücken?

Fiesco. Weil du nicht auch den Mantel nahmst?

Mohr. Weil ich den Dieb ausfindig machte.

Fiesco. Der Tumult wälzt sich hierher. Horch! Das ist nicht das Gejauchze des Beifalls. (Rasch.) Geschwind, riegle die Hofpforten auf. Ich hab' eine Ahnung. Doria ist tollkühn. Der Staat gaukelt auf einer Nadelspitze. Ich wette, auf der Signoria ist Lärm worden.

Mohr (am Fenster, schreit). Was ist das? Die Straße Balbi herunter—Troß vieler Tausende—Hellebarden blitzen—Schwerter—Holla! Senatoren—fliegen hieher-Fiesco. Es ist ein Aufruhr! Spring unter sie. Nenn meinen Namen. Sieh zu, daß sie hieher sich werfen. (Mohr eilt hinunter.) Was die Ameise Vernunft mühsam zu Haufen schleppt, jagt in einem Hui der Wind des Zufalls zusammen.

Fünfter Auftritt

Fiesco. Zenturione, Zibo, Asserato stürzen stürmisch ins Zimmer.

Zibo. Graf, Sie verzeihen unserm Zorn, daß wir unangemeldet hereintreten.

Zenturione. Ich bin beschimpft, tödlich beschimpft vom Neffen des
Herzogs, im Angesicht der ganzen Signoria.

Asserato. Doria hat das goldene Buch besudelt, davon jeder genuesische Edelmann ein Blatt ist.

Zenturione. Darum sind wir da. Der ganze Adel ist in mir aufgefordert. Der ganze Adel muß meine Rache theilen. Meine Ehre zu rächen, dazu würde ich schwerlich Gehilfen fordern.

Zibo. Der ganze Adel ist in ihm aufgereizt. Der ganze Adel muß
Feuer und Flamme speien.

Asserato. Die Rechte der Nation sind zertrümmert. Die republikanische Freiheit hat einen Todesstoß.

Fiesco. Sie spannen meine ganze Erwartung.

Zibo. Er war der neunundzwanzigste unter den Wahlherrn, hatte zur
Procuratorwahl eine goldene Kugel gezogen. Achtundzwanzig Stimmen
waren gesammelt. Vierzehn sprachen für mich, eben so viele für
Lomellino! Dorias und die seinige standen noch aus.

Zenturione (rasch ins Wort fallend). Standen noch aus. Ich votierte für Zibo. Doria—fühlen Sie die Wunde meiner Ehre—Doria-Asserato (fällt ihm wieder ins Wort). So was erlebte man nicht, so lang der Ocean um Genua fluthet-Zenturione (hitziger fort). Doria zog ein Schwert, das er unter dem Scharlach verborgen gehalten, spießte mein Votum daran, rief in die Versammlung:

Zibo. »Senatoren, es gilt nicht! Es ist durchlöchert! Lomellin ist
Procurator.«

Zenturione. »Lomellin ist Procurator,« und warf sein Schwert auf die
Tafel.

Asserato. Und rief: »Es gilt nicht!« und warf sein Schwert auf die
Tafel.

Fiesco (nach einigem Stillschweigen). Wozu sind Sie entschlossen?

Zenturione. Die Republik ist ins Herz gestoßen. Wozu wir entschlossen sind?

Fiesco. Zenturione, Binsen mögen vom Athem knicken. Eichen wollen den Sturm. Ich frage, was Sie beschließen?

Zibo. Ich dächte, man fragte, was Genua beschließe?

Fiesco. Genua? Genua? Weg damit; es ist mürb, bricht, wo Sie es anfassen. Sie rechnen auf die Patrizier? Vielleicht weil sie saure Gesichter schneiden, die Achsel zucken, wenn von Staatssachen Rede wird? Weg damit! Ihr Heldenfeuer klemmt sich in Ballen levantischer Waaren, ihre Seelen flattern ängstlich um ihre ostindische Flotte.

Zenturione. Lernen Sie unsere Patrizier besser schätzen. Kaum war Dorias trotzige That gethan, flohen ihrer einige Hundert mit zerrissenen Kleidern auf den Markt. Die Signoria fuhr auseinander.

Fiesco (spöttisch). Wie Tauben auseinander flattern, wenn in den
Schlag sich ein Geier wirft?

Zenturione (stürmisch). Nein! wie Pulvertonnen, wenn eine Lunte hineinfällt.

Zibo. Das Volk wüthet auch, was vermag nicht ein angeschossener Eber?

Fiesco (lacht). Der blinde, unbeholfene Koloß, der mit plumpen Knochen Anfangs Gepolter macht, Hohes und Niederes, Nahes und Fernes mit gähnendem Rachen zu verschlingen droht und zuletzt—über Zwirnsfäden stolpert? Genueser, vergebens! Die Epoche der Meerbeherrscher ist vorbei. Genua ist unter seinen Namen gestürzt. Genua ist doch, wo das unüberwindliche Rom wie ein Federball in die Rakete eines zärtlichen Knaben Octavius sprang. Genua kann nicht mehr frei sein. Genua muß von einem Monarchen erwärmt werden. Genua braucht einen Souverain, also huldigen Sie dem Schwindelkopf Gianettino.

Zenturione (aufbrausend). Wenn sich die grollenden Elemente versöhnen und der Nordpol dem Südpol nachspringt—Kommt, Kameraden!

Fiesco. Bleiben Sie, bleiben Sie! Worüber brüten Sie, Zibo?

Zibo. Über nichts oder einem Possenspiel, das das Erdbeben heißen soll.

Fiesco (führt sie zu einer Statue). Schauen Sie doch diese Figur an.

Zenturione. Es ist die Venus von Florenz. Was soll sie uns hier?

Fiesco. Sie gefällt Ihnen aber?

Zibo. Ich sollte denken, oder wir wären schlechte Italiener. Wie
Sie das jetzt fragen mögen?

Fiesco. Nun, reisen Sie durch alle Welttheile und suchen unter allen lebendigen Abrücken des weiblichen Modells den glücklichsten aus, in welchem sich alle Reize dieser geträumten Venus umarmen.

Zibo. Und tragen dann für unsre Mühe davon?

Fiesco. Dann werden Sie die Phantasie der Marktschreierei überwiesen haben-Zenturione (ungeduldig). Und was gewonnen haben?

Fiesco. Gewonnen haben den verjährten Proceß der Natur mit den
Künstlern.

Zenturione (hitzig). Und dann?

Fiesco. Dann? dann? (Fängt zu lachen an). Dann haben Sie vergessen zu sehen, daß Genuas Freiheit zu Trümmern geht! (Zenturione, Zibo, Asserato gehen ab.)

Sechster Auftritt

Fiesco.—Getümmel um den Palast nimmt zu.

Glücklich! glücklich! Das Stroh der Republik ist in Flammen. Das
Feuer hat schon Häuser und Thürme gefaßt—Immer zu! immer zu!
Allgemein werde der Brand, der schadenfrohe Wind pfeife in die
Verwüstung!

Siebenter Auftritt

Mohr in Eile. Fiesco.

Mohr. Haufen über Haufen!

Fiesco. Mache die Thorflügel weit auf. Laß hereinstürzen, was Füße hat.

Mohr. Republikaner! Republikaner! Ziehen ihre Freiheit am Joch, keuchen, wie Lastochsen, unter ihrer aristokratischen Herrlichkeit.

Fiesco. Narren, die glauben, Fiesco von Lavagna werde fortführen, was Fiesco von Lavagna nicht anfing! Die Empörung kommt wie gerufen. Aber die Verschwörung muß meine sein. Sie stürmen die Treppe herauf.

Mohr (hinaus). Holla! holla! Werden das Haus höflichst zur Thüre hereinbringen. (Das Volk stürmt herein, die Thüre in Trümmer.)

Achter Auftritt

Fiesco. Zwölf Handwerker.

Alle. Rache an Doria! Rache an Gianettino!

Fiesco. Hübsch gemach, meine Landsleute. Daß ihr mir alle eure
Aufwartung so machtet, das zeugt von eurem guten Herzen. Aber meine
Ohren sind delicater.

Alle (ungestümer). Zu Boden mit den Doria! Zu Boden Oheim und
Neffen!

Fiesco (der sie lächelnd überzählt). Zwölf sind ein vornehmes Heer-Einige. Diese Doria müssen weg. Der Staat muß eine andere Form haben.

Erster Handwerker. Unsre Friedensrichter die Treppen hinab zu schmeißen—die Treppen die Friedensrichter.

Zweiter. Denkt doch, Lavagna, die Treppen hinab, als sie ihm bei der
Wahl widersprachen.

Alle. Soll nicht geduldet werden! darf nicht geduldet werden!

Ein Dritter. Ein Schwert in den Rath zu nehmen-Erster. Ein Schwert!
Das Zeichen des Kriegs! im Zimmer des Friedens!

Zweiter. Im Scharlach in den Senat zu kommen! Nicht schwarz, wie die übrigen Rathsherrn.

Erster. Mit acht Hengsten durch unsere Hauptstadt zu fahren.

Alle. Ein Tyrann! ein Verräther des Lands und der Regierung!

Zweiter. Zweihundert Deutsche zur Leibwach vom Kaiser zu kaufen-Erster. Ausländer wider die Kinder des Vaterlands! Deutsche gegen Italiener! Soldaten neben die Gesetze!

Alle. Hochverrath! Meuterei! Genuas Untergang!

Erster. Das Wappen der Republik an der Kutsche zu führen-Zweiter. Die Statue des Andreas mitten im Hof der Signoria!-Alle. In Stücken mit dem Andreas! In tausend Stück den steinernen und den lebendigen!

Fiesco. Genueser, warum mir Das alles?

Erster. Ihr sollt es nicht dulden! Ihr sollt ihm den Daumen aufs
Aug halten!

Zweiter. Ihr seid ein kluger Mann, und sollt es nicht dulden, und sollt den Verstand für uns haben.

Erster. Und seid ein besserer Edelmann, und sollt ihm das eintränken, und sollt es nicht dulden.

Fiesco. Euer Zutrauen schmeichelt mir sehr. Kann ich es durch
Thaten verdienen?

Alle (lärmend). Schlage! Stürze! Erlöse!

Fiesco. Doch ein gut Wort werdet ihr noch annehmen?

Einige. Redet, Lavagna!

Fiesco (der sich niedersetzt). Genueser—Das Reich der Thiere kam einst in bürgerliche Gährung, Parteien schlugen mit Parteien, und ein Fleischerhund bemächtigte sich des Throns. Dieser, gewohnt, das Schlachtvieh an das Messer zu hetzen, hauste hündisch im Reich, klaffte, biß und nagte die Knochen seines Volks. Die Nation murrte, die Kühnsten traten zusammen und erwürgten den fürstlichen Bullen. Jetzt ward ein Reichstag gehalten, die große Frage zu entscheiden, welche Regierung die glücklichste sei? Die Stimmen theilten sich dreifach. Genueser, für welche hättet ihr entschieden?

Erster Bürger. Fürs Volk. Alle fürs Volk.

Fiesco. Das Volk gewann's. Die Regierung ward demokratisch. Jeder Bürger gab seine Stimme. Mehrheit setzte durch. Wenige Wochen vergingen, so kündigte der Mensch dem neugebackenen Freistaat den Krieg an. Das Reich kam zusammen. Roß, Löwe, Tiger, Bär, Elephant und Rhinoceros traten auf und brüllten laut zu den Waffen! Jetzt kam die Reih' an die Übrigen. Lamm, Hase, Hirsch, Esel, das ganze Reich der Insecten, der Vögel, der Fische ganzes menschenscheues Heer—alle traten dazwischen und wimmerten: Friede. Seht, Genueser! Der Feigen waren mehr, denn der Streitbaren, der Dummen mehr, denn der Klugen—Mehrheit setzte durch. Das Thierreich streckte die Waffen, und der Mensch brandschatzte sein Gebiet. Dieses Staatssystem ward also verworfen. Genueser, wozu wäret ihr jetzt geneigt gewesen?

Erster und Zweiter. Zum Ausschuß! Freilich zum Ausschuß!

Fiesco. Diese Meinung gefiel! Die Staatsgeschäfte theilten sich in mehrere Kammern. Wölfe besorgten die Finanzen, Füchse waren ihre Secretäre. Tauben führten das Criminalgericht, Tiger die gütlichen Vergleiche, Böcke schlichteten Heirathsprocesse. Soldaten waren die Hasen; Löwen und Elephant blieben bei der Bagage; der Esel war Gesandter des Reichs, und der Maulwurf Oberaufseher über die Verwaltung der Ämter. Genueser, was hofft ihr von dieser weisen Vertheilung? Wen der Wolf nicht zerriß, den prellte der Fuchs. Wer diesem entrann, den tölpelte der Esel nieder. Tiger erwürgten die Unschuld; Diebe und Mörder begnadigte die Taube, und am Ende, wenn die Ämter niedergelegt wurden, fand sie der Maulwurf alle unsträflich verwaltet—Die Thiere empörten sich. Laßt uns einen Monarchen wählen, riefen sie einstimmig, der Klauen und Hirn und nur einen Magen hat—und einem Oberhaupt huldigten alle—einem, Genueser—aber (indem er mit Hoheit unter sie tritt) es war der Löwe.

Alle (klatschen, werfen die Mützen in die Höhe). Bravo! Bravo! das haben sie schlau gemacht.

Erster. Und Genua soll's nachmachen, und Genua hat seinen Mann schon.

Fiesco. Ich will ihn nicht wissen. Gehet heim! Denkt auf den Löwen! (Die Bürger tumultuarisch hinaus.) Es geht erwünscht. Volk und Senat wider Doria. Volk und Senat für Fiesco—Hassan!—Hassan! Ich muß diesen Wind benutzen—Hassan! Hassan! Ich muß diesen Haß verstärken! dieses Interesse anfrischen!—Heraus, Hassan! Hurensohn der Hölle! Hassan! Hassan!

Neunter Auftritt

Mohr kommt. Fiesco.

Mohr (wild). Meine Sohlen brennen noch. Was gibt's schon wieder?

Fiesco. Was ich befehle.

Mohr (geschmeidig). Wohin lauf' ich zuerst? wohin zuletzt?

Fiesco. Das Laufen sei dir diesmal geschenkt. Du wirst geschleift werden. Mache dich gleich gefaßt; ich posaune jetzt deinen Meuchelmord aus und übergebe dich gebunden der peinlichen Nota.

Mohr (sechs Schritte zurück). Herr?—das ist wider die Abrede.

Fiesco. Sei ganz ruhig. Es ist nichts mehr, denn ein Possenspiel. In diesem Augenblick liegt Alles daran, daß Gianettinos Anschlag auf mein Leben ruchbar wird. Man wird dich peinlich verhören.

Mohr. Ich bekenne dann oder leugne?

Fiesco. Leugnest. Man wird dich auf die Tortur schrauben. Den ersten Grad stehst du aus. Diese Witzigung kannst du auf Conto deines Meuchelmords hinnehmen. Beim zweiten bekennst du.

Mohr (schüttelt den Kopf, bedenklich). Ein Schelm ist der Teufel.
Die Herren könnten mich beim Essen behalten, und ich würde aus lauter
Komödie gerädert.

Fiesco. Du kommst ganz weg. Ich gebe dir meine gräfliche Ehre. Ich werde mir deine Bestrafung zur Genugthuung ausbitten und dich dann vor den Augen der ganzen Republik pardonnieren.

Mohr. Ich lasse mir's gefallen. Sie werden mir das Gelenk auseinander treiben. Das macht geläufiger.

Fiesco. So ritze mir hurtig mit deinem Dolche den Arm auf, bis Blut
darnach läuft—Ich werde thun, als hätt' ich dich erst frisch auf der
That ergriffen. Gut! (Mit gräßlichem Geschrei.) Mörder! Mörder!
Mörder! Besetzt die Wege! Riegelt die Pforten zu! (Er schleppt den
Mohren an der Gurgel hinaus, Bediente fliehen über den Schauplatz.)

Zehnter Auftritt

Leonore. Rosa stürzen erschrocken herein.

Leonore. Mord! schrieen sie, Mord! Von hier kam der Lärm.

Rosa. Ganz gewiß nur ein blinder Tumult, wie alltäglich in Genua.

Leonore. Sie schrieen Mord, und das Volk murmelte deutlich: Fiesco. Armselige Betrüger! Meine Augen wollten sie schonen, aber mein Herz überlistet sie. Geschwind, eile nach, sieh, sage mir, wo sie ihn hinschleppen.

Rosa. Sammeln Sie sich. Bella ist nach.

Leonore. Bella wird seinen brechenden Blick noch auffassen! die glückliche Bella! Weh über mich, seine Mörderin! Hätte Fiesco mich lieben können, nie hätte Fiesco sich in die Welt gestürzt, nie in die Dolche des Neids!—Bella kommt! Fort! Rede nicht, Bella!

Eilfter Auftritt

Vorige. Bella.

Bella. Der Graf lebt und ist ganz. Ich sah ihn durch die Stadt galoppieren. Nie sah ich unsern gnädigen Herrn so schön. Der Rapp prahlte unter ihm und jagte mit hochmüthigem Huf das andrängende Volk von seinem fürstlichen Reiter. Er erblickte mich, als er vorüber flog, lächelte gnädig, winkte hieher und warf drei Küsse zurück. (Boshaft.) Was mach' ich damit, Signora?

Leonore (in Entzückung). Leichtfertige Schwätzerin! Bring sie ihm wieder.

Rosa. Nun sehen Sie! jetzt sind Sie wieder Scharlach über und über.

Leonore. Sein Herz wirft er den Dirnen nach, und ich jage nach einem
Blick?—O Weiber! Weiber! (Gehen ab.)

Zwölfter Auftritt

Im Palast des Andreas.

Gianettino. Lomellin kommen hastig

Gianettino. Laß sie um ihre Freiheit brüllen, wie die Löwin um ein
Junges. Ich bleibe dabei.

Lomellin. Doch, gnädiger Herr-Gianettino. Zum Teufel mit Eurem Doch, dreistundlanger Procurator! Ich weiche um keines Haares Breite. Laß Genuas Thürme die Köpfe schütteln und die tobende See Nein dareinbrummen. Ich fürchte den Troß nicht.

Lomellin. Der Pöbel ist freilich das brennende Holz, aber der Adel gibt seinen Wind dazu. Die ganze Republik ist in Wallung. Volk und Patrizier.

Gianettino. So steh' ich wie Nero auf dem Berg und sehe dem
possierlichen Brande zu-Lomellin. Bis sich die ganze Masse des
Aufruhrs einem Parteigänger zuwirft, der ehrgeizig genug ist, in der
Verwüstung zu ernten.

Gianettino. Possen! Possen! Ich kenne nur Einen, der fürchterlich werden könnte, und für den ist gesorgt.

Lomellin. Seine Durchlaucht. (Andreas kommt, Beide verneigen sich tief.)

Andreas. Signor Lomellin! Meine Nichte wünscht auszufahren.

Lomellin. Ich werde die Gnade haben, sie zu begleiten. (Ab.)

Dreizehnter Auftritt

Andreas. Gianettino.

Andreas. Höre, Neffe! Ich bin schlimm mit dir zufrieden.

Gianettino. Gönnen Sie mir Gehör, durchlauchtigster Oheim.

Andreas. Dem zerlumptesten Bettler in Genua, wenn er es werth ist. Einem Buben niemals, und wär' er mein Neffe. Gnädig genug, daß ich dir den Oheim zeige; du verdientest den Herzog und seine Signoria zu hören.

Gianettino. Nur ein Wort, gnädigster Herr-Andreas. Höre, was du gethan hast, und verantworte dich dann—Du hast ein Gebäude umgerissen, das ich in einem halben Jahrhundert sorgsam zusammenfügte—das Mausoleum deines Oheims—seine einzige Pyramide—die Liebe der Genueser. Den Leichtsinn verzeiht dir Andreas.

Gianettino. Mein Oheim und Herzog-Andreas. Unterbrich mich nicht. Du hast das schönste Kunstwerk der Regierung verletzt, das ich selbst den Genuesern vom Himmel holte, das mich so viele Nächte gekostet, so viele Gefahren und Blut. Vor ganz Genua hast du meine fürstlichen Ehre besudelt, weil du für meine Anstalt keine Achtung zeigtest. Wem wird sie heilig sein, wenn mein Blut sie verachtet?—Diese Dummheit verzeiht dir der Oheim.

Gianettino (beleidigt). Gnädigster Herr, Sie haben mich zu Genuas
Herzog gezogen.

Andreas. Schweig—du bist ein Hochverräther des Staates und hast das Herz seines Lebens verwundet. Merke dir's, Knabe! Es heißt— Unterwerfung!—Weil der Hirte am Abend seines Tagwerks zurücktrat, wähntest du die Heerde verlassen? Weil Andreas eisgraue Haare trägt, trampeltest du wie ein Gassenjunge auf den Gesetzen?

Gianettino (trotzig). Gemach, Herzog. Auch in meinen Adern siedet das Blut das Andreas, vor dem Frankreich erzitterte.

Andreas. Schweig! befehl' ich—Ich bin gewohnt, daß das Meer aufhorcht, wenn ich rede—Mitten in ihrem Tempel spieest du die majestätische Gerechtigkeit an. Weißt du, wie man das ahndet, Rebelle?—Jetzt antworte!

(Gianettino heftet den Blick sprachlos zu Boden.)

Andreas. Unglückseliger Andreas! In deinem eigenen Herzen hast du den Wurm deines Verdiensts ausgebrütet.—Ich baute den Genuesern ein Haus, das der Vergänglichkeit spotten sollte, und werfe den ersten Feuerbrand hinein—Diesen! Dank' es, Unbesonnener, diesem eisgrauen Kopf, der von Familienhänden zur Grube gebracht sein will—Dank' es meiner gottlosen Liebe, daß ich den Kopf des Empörers dem beleidigten Staate nicht—vom Blutgerüste zuwerfe. (Schnell ab.)

Vierzehnter Auftritt

Lomellin außer Athem, erschrocken. Gianettino sieht dem Herzog glühend und sprachlos nach.

Lomellin. Was hab' ich gesehen? was angehört? Jetzt! Jetzt!
Fliehen Sie, Prinz! Jetzt ist Alles verloren.

Gianettino (mit Ingrimm). Was war zu verlieren?

Lomellin. Genua, Prinz. Ich komme vom Markt. Das Volk drängte sich um einen Mohren, der an Stricken dahin geschleift wurde; der Graf von Lavagna, über die dreihundert Nobili ihm nach bis ins Richthaus, wo die Verbrecher gefoltert werden. Der Mohr war über einem Meuchelmord ertappt worden, den er an dem Fiesco vollstrecken sollte.

Gianettino (stampft mit dem Fuß). Was? Sind heut alle Teufel los?

Lomellin. Man inquirierte scharf, wer ihn bestochen. Der Mohr gestand nichts. Man brachte ihn auf die erste Folter. Er gestand nichts. Man brachte ihn auf die zweite. Er sagte aus, sagte aus—gnädiger Herr, wo gedachten Sie hin, da Sie Ihre Ehre einem Taugenichts preisgaben?

Gianettino (schnaubt ihn wild an). Frage mich nichts!

Lomellin. Hören Sie weiter. Kaum war das Wort Doria ausgesprochen—lieber hätt' ich meinen Namen auf der Schreibtafel des Teufels gelesen, als hier den Ihren gehört—so zeigte sich Fiesco dem Volk. Sie kennen ihn, den Mann, der befehlend flehet, den Wucherer mit den Herzen der Menge. Die ganze Versammlung hing ihm odemlos in starren, schrecklichen Gruppen entgegen; er sprach wenig, aber streifte den blutenden Arm auf, das Volk schlug sich um die fallenden Tropfen, wie um Reliquien. Der Mohr wurde seiner Willkür übergeben, und Fiesco—ein Herzstoß für uns—Fiesco begnadigte ihn. Jetzt raste die Stille des Volks in einen brüllenden Laut aus, jeder Odem zernichtete einen Doria, Fiesco wurde auf tausendstimmigem Vivat nach Hause getragen.

Gianettino (mit einem dumpfen Gelächter). Der Aufruhr schwelle mir an die Gurgel!—Kaiser Karl! Mit dieser einzigen Silbe will ich sie niederwerfen, daß in ganz Genua auch keine Glocke mehr summen soll.

Lomellin. Böhmen liegt weit von Italien—Wenn Karl sich beeilt, kann er noch zeitig genug zu Ihrem Leichenschmaus kommen.

Gianettino (zieht einen Brief mit großem Siegel hervor). Glück genug also, daß er schon hier ist!—Verwundert sich Lomellin? Glaubte er mich tolldreist genug, wüthige Republikaner zu reizen, wenn sie nicht schon verkauft und verrathen wären?

Lomellin (betreten). Ich weiß nicht, was ich denke.

Gianettino. Ich denke Etwas, das du nicht weißt. Der Schluß ist gefaßt. Übermorgen fallen zwölf Senatoren. Doria wird Monarch, und Kaiser Karl wird ihn schützen—Du trittst zurück?

Lomellin. Zwölf Senatoren! Mein Herz ist nicht weit genug, eine
Blutschuld zwölfmal zu fassen.

Gianettino. Närrchen, am Thron wirft man sie nieder. Siehst du, ich überlegte mit Karls Ministern, daß Frankreich in Genua noch starke Parteien hätte, die es ihm zum zweiten Mal in die Hände spielen könnten, wenn man sie nicht mit der Wurzel vertilgte. Das wurmte beim alten Karl. Er unterschrieb meinen Anschlag—und du schreibst, was ich dictiere.

Lomellin. Noch weiß ich nicht-Gianettino. Setze dich! Schreib!

Lomellin. Was schreib' ich aber? (Setzt sich.)

Gianettino. Die Namen der zwölf Candidaten—Franz Zenturione.

Lomellin (schreibt). Zum Dank für sein Votum führt er den Leichenzug.

Gianettino. Cornelio Calva.

Lomellin. Calva.

Gianettino. Michael Zibo.

Lomellin. Eine Abkühlung auf die Procuratur.

Gianettino. Thomas Asserato mit drei Brüdern (Lomellin hält inne.)

Gianettino (nachdrücklich). Mit drei Brüdern.

Lomellin (schreibt). Weiter.

Gianettino. Fiesco von Lavagna.

Lomellin. Geben Sie Acht! geben Sie Acht! Sie werden über diesem schwarzen Stein noch den Hals brechen.

Gianettino. Scipio Bourgognino.

Lomellin. Der mag anderswo Hochzeit halten.

Gianettino. Wo ich Brautführer bin—Raphael Sacco.

Lomellin. Dem sollt' ich Pardon auswirken, bis er mir meine fünftausend Scudi bezahlt hat. (Schreibt.) Der Tod macht quitt.

Gianettino. Vincent Calcagno.

Lomellin. Calcagno—den Zwölften schreib' ich auf meine Gefahr, oder unser Todfeind ist vergessen.

Gianettino. Ende gut, Alles gut. Joseph Verrina.

Lomellin. Das war der Kopf des Wurms. (Steht auf, streut Sand, fliegt die Schrift durch, reicht sie dem Prinzen.) Der Tod gibt übermorgen prächtige Gala und hat zwölf genuesische Fürsten geladen.

Gianettino (tritt zum Tisch, unterzeichnet). Es ist geschehen—In zwei Tagen ist Dogewahl. Wenn die Signoria versammelt ist, werden die Zwölf auf das Signal eines Schnupftuchs mit einem plötzlichen Schuß gestreckt, wenn zugleich meine zweihundert Deutsche das Rathhaus mit Sturm besetzen. Ist das vorbei, tritt Gianettino Doria in den Saal und läßt sich huldigen. (Klingelt.)

Lomellin. Und Andreas?

Gianettino (verächtlich). Ist ein alter Mann. (Ein Bedienter.) Wenn der Herzog fragt, ich bin in der Messe. (Bedienter ab.) Der Teufel, der in mir steckt, kann nur in Heiligenmaske incognito bleiben.

Lomellin. Aber das Blatt, Prinz?

Gianettino. Nimmst du, lässest es durch unsre Partei circulieren.
Dieser Brief muß mir Extrapost nach Levanto. Er unterrichtet den
Spinola von Allem und heißt ihn früh acht Uhr in der Hauptstadt hier
eintreffen. (Will fort.)

Lomellin. Ein Loch im Faß, Prinz! Fiesco besucht keinen Senat mehr.

Gianettino (zurückrufend). Doch noch einen Meuter wird Genua haben?—Ich sorge dafür. (Ab in ein Seitenzimmer, Lomellin fort durch ein anderes.)

Fünfzehnter Auftritt

Vorzimmer bei Fiesco.

Fiesco mit Briefen und Wechseln. Mohr.

Fiesco. Also vier Galeeren sind eingelaufen.

Mohr. Liegen glücklich in der Darsena vor Anker.

Fiesco. Das kommt erwünscht. Woher die Expressen?

Mohr. Von Rom, Piacenza und Frankreich.

Fiesco (bricht die Briefe auf, fliegt sie durch). Willkommen, willkommen in Genua! (Sehr aufgeräumt.) Die Kuriere werden fürstlich bewirthet.

Mohr. Hum! (Will gehen.)

Fiesco. Halt! Halt! Hier kommt Arbeit für dich die Fülle.

Mohr. Was steht zu Befehl? Die Nase des Spürers oder der Stachel des Skorpions?

Fiesco. Für jetzt des Lockvogels Schlag. Morgen früh werden zweitausend Mann verkappt zur Stadt hereinschleichen, Dienste bei mir zu nehmen. Vertheile du deine Handlanger an den Thoren herum, mit der Ordre, auf die eintretenden Passagiers ein wachsames Auge zu haben. Einige werden als ein Trupp Pilgrime kommen, die nach Loretto wallfahrten gehen, andre als Ordensbrüder, oder Savoyarden, oder Komödianten, wieder andre als Krämer, oder als ein Trupp Musikanten, die meisten als abgedankte Soldaten, die genuesisches Brod essen wollen. Jeder Fremde wird ausgefragt, wo er einstellet; antwortet er: zur goldenen Schlange, so muß man ihn freundlich grüßen und meine Wohnung bedeuten. Höre, Kerl! aber ich baue auf deine Klugheit.

Mohr. Herr! wie auf meine Bosheit. Entwischt mir ein Lock Haare, so sollt Ihr meine zwei Augen in eine Windbüchse laden und Sperlinge damit schießen. (Will fort.)

Fiesco. Halt! noch eine Arbeit. Die Galeeren werden der Nation
scharf in die Augen stechen. Merke auf, was davon die Rede wird.
Fragt dich Jemand, so hast du von Weitem murmeln gehört, daß dein
Herr damit Jagd auf die Türken mache. Verstehst du?

Mohr. Verstehe. Die Bärte der Beschnittenen liegen oben drauf. Was im Korb ist, weiß der Teufel. (Will fort.)

Fiesco. Gemach. Noch eine Vorsicht. Gianettino hat neuen Grund, mich zu hassen und mir Fallen zu stellen. Geh, beobachte deine Kameraden, ob du nicht irgendwo einen Meuchelmord witterst. Doria besucht die verdächtigen Häuser. Hänge dich an die Töchter der Freude. Die Geheimnisse des Cabinets stecken sich gern in die Falten eines Weiberrocks; versprich ihnen goldspeiende Kunden—versprich deinen Herrn. Nichts kann zu ehrwürdig sein, das du nicht in diesen Morast untertauchen sollst, bis du den festen Boden fühlst.

Mohr. Halt! Holla! Ich habe Eingang bei einer gewissen Diana
Bononi und bin gegen fünf Vierteljahr ihr Zuführer gewesen.
Vorgestern sah ich den Procurator Lomellino aus ihrem Hause kommen.

Fiesco. Wie gerufen. Eben der Lomellino ist der Hauptschlüssel zu allen Tollheiten Dorias. Gleich morgen früh mußt du hingehen. Vielleicht ist er heute Nacht dieser keuschen Luna Endymion.

Mohr. Noch ein Umstand, gnädiger Herr. Wenn mich die Genueser fragen—und ich bin des Teufels! das werden sie—wenn sie mich jetzt fragen: was denkt Fiesco zu Genua?—Werdet Ihr Eure Maske noch länger tragen, oder was soll ich antworten?

Fiesco. Antworten! Wart! Die Frucht ist ja zeitig. Wehen verkündigen die Geburt—Genua liege auf dem Block, sollst du antworten, und dein Herr heiße Johann Ludwig Fiesco.

Mohr (sich froh streckend). Was ich anbringen will, daß sich's gewaschen haben soll, bei meiner hundsföttischen Ehre!—Aber nun hell auf, Freund Hassan! In ein Weinhaus zuerst! Meine Füße haben alle Hände voll zu thun—und muß meinen Magen caressieren, daß er mir bei meinen Beinen das Wort redt. (Eilt ab, kommt aber schnell zurück.) A propos! Bald hätt' ich das verplaudert. Was zwischen Eurer Frau und Calcagno vorging, habt Ihr gern wissen mögen!—Ein Korb ging vor, Herr, und Das war Alles. (Läuft davon.)

Sechzehnter Auftritt

Fiesco bei sich.

Ich bedaure, Calcagno—Meinten Sie etwa, ich würden den empfindlichen Artikel meines Ehebetts Preis geben, wenn mir meines Weibes Tugend und mein eigener Werth nicht Handschrift genug ausgestellt hätten? Doch willkommen mit dieser Schwägerschaft. Du bist ein guter Soldat. Das soll mir deinen Arm zu Dorias Untergang kuppeln!—(Mit starkem Schritt auf und nieder.) Jetzt, Doria, mit mir auf den Kampfplatz! Alle Maschinen des großen Wagestücks sind im Gang. Zum schaudernden Concert alle Instrumente gestimmt. Nichts fehlt, als die Larve herabzureißen und Genuas Patrioten den Fiesco zu zeigen. (Man hört kommen.) Ein Besuch! Wer mag mich jetzt stören?

Siebzehnter Auftritt

Voriger. Verrina. Romano mit einem Tableau. Sacco. Bourgognino.
Calcagno. Alle verneigen sich.

Fiesco (ihnen entgegen, voll Heiterkeit). Willkommen, meine würdigen Freunde! Welche wichtige Angelegenheit führt Sie so vollzählig zu mir—Du auch da, theurer Bruder Verrina? Ich würde bald verlernt haben, dich zu kennen, wären meine Gedanken nicht fleißiger um dich, als meine Augen. War's nicht seit dem letzten Ball, daß ich meinen Verrina entbehrte?

Verrina. Zähl' ihm nicht nach, Fiesco. Schwere Lasten haben indeß sein graues Haar gebeugt. Doch genug hievon.

Fiesco. Nicht genug für die wißbegierige Liebe. Du wirst mir mehr sagen müssen, wenn wir allein sind. (Zu Bourgognino.) Willkommen, junger Held! Unsre Bekanntschaft ist noch grün, aber meine Freundschaft ist zeitig. Haben Sie Ihre Meinung von mir verbessert?

Bourgognino. Ich bin auf dem Wege.

Fiesco. Verrina, man sagt mir, daß dieser junge Cavalier dein
Tochtermann werden soll. Nimm meinen ganzen Beifall zu dieser Wahl.
Ich hab' ihn nur einmal gesprochen, und doch würd' ich stolz sein,
wenn er der meinige wäre.

Verrina. Dieses Urtheil macht mich eitel auf meine Tochter.

Fiesco (zu den Andern). Sacco? Calcagno?—Lauter seltne Erscheinungen in meinen Zimmern. Beinahe möchte ich mich meiner Dienstfertigkeit schämen, wenn Genuas edelste Zierden sie vorübergehen—Und hier begrüße ich einen fünften Gast, mir zwar fremd, doch empfohlen genug durch diesen würdigen Zirkel.

Romano. Es ist ein Maler schlechtweg, gnädiger Herr, Romano mit
Namen, der sich vom Diebstahl an der Natur ernährt, kein Wappen hat,
als seinen Pinsel, und nun gegenwärtig ist, (mit einer tiefen
Verbeugung) die große Linie zu einem Brutuskopfe zu finden.

Fiesco. Ihre Hand, Romano. Ihre Meisterin ist eine Verwandte meines
Hauses. Ich liebe sie brüderlich. Kunst ist die rechte Hand der
Natur. Diese hat nur Geschöpfe, jene hat Menschen gemacht. Was
malen Sie aber, Romano?

Romano. Scenen aus dem nervigten Alterthum. Zu Florenz steht mein sterbender Hercules, meine Kleopatra zu Venedig, der wüthende Ajax zu Rom, wo die Helden der Vorwelt—im Vatican wieder auferstehen.

Fiesco. Und was ist wirklich Ihres Pinsels Beschäftigung?

Romano. Er ist weggeworfen, gnädiger Herr. Das Licht des Genies
bekam weniger Fett, als das Licht des Lebens. Über einen gewissen
Punkt hinaus brennt nur die papierne Krone. Hier ist meine letzte
Arbeit.

Fiesco (aufgeräumt). Sie könnte nicht erwünschter gekommen sein. Ich bin heute ganz ungewöhnlich heiter, mein ganzes Wesen feiert eine gewisse heroische Ruhe, ganz offen für die schöne Natur. Stellen Sie Ihr Tableau auf. Ich will mir ein rechtes Fest daraus bereiten. Tretet herum, meine Freunde. Wir wollen uns ganz dem Künstler schenken. Stellen Sie Ihr Tableau auf.

Verrina (winkt den Andern). Nun merket auf, Genueser!

Romano (stellt das Gemälde zurecht). Das Licht muß von der Seite spielen. Ziehen Sie jenen Vorhang auf. Diesen lassen Sie fallen. Gut. (Er tritt auf die Seite.) Es ist die Geschichte der Virginia und des Appius Claudius.

(Lange ausdrucksvolle Pause, worin alle die Malerei betrachten.)

Verrina (in Begeisterung). Spritz zu, eisgrauer Vater!—Zuckst du,
Tyrann?—Wie so bleich steht ihr Klötze Römer—ihm nach, Römer—das
Schlachtmesser blinkt—Mir nach, Klötze Genueser—Nieder mit Doria!
Nieder! nieder! (Er haut gegen das Gemälde.)

Fiesco (lächelnd zum Maler.) Fordern Sie mehr Beifall? Ihre Kunst macht diesen alten Mann zum bartlosen Träumer.

Verrina (erschöpft). Wo bin ich? Wo sind sie hingekommen? Weg, wie
Blasen? Du hier, Fiesco? Der Tyrann lebt noch, Fiesco?

Fiesco. Siehst du? Über vielem Sehen hast du die Augen vergessen.
Diesen Römerkopf findest du bewundernswerth? Weg mit ihm! Hier das
Mädchen blick' an! Dieser Ausdruck, wie weich, wie weiblich! Welche
Anmuth auch aus den welkenden Lippen? Welche Wollust im
verlöschenden Blick?—Unnachahmlich! göttlich, Romano!—Und noch die
weiße, blendende Brust, wie angenehm noch von des Athems letzten
Wellen gehoben! Mehr solche Nymphen, Romano, so will ich vor Ihren
Phantasieen knieen und der Natur einen Scheidebrief schreiben.

Bourgognino. Verrina, ist das deine gehoffte herrliche Wirkung?

Verrina. Fasse Muth, Sohn. Gott verwarf den Arm des Fiesco, er muß auf den unsrigen rechnen.

Fiesco (zum Maler). Ja, es ist Ihre letzte Arbeit, Romano. Ihr Markt ist erschöpft. Sie rühren keinen Pinsel mehr an. Doch über des Künstlers Bewunderung vergess' ich das Werk zu verschlingen. Ich könnte hier stehen und hingaffen und ein Erdbeben überhören. Nehmen Sie Ihr Gemälde weg. Sollt' ich Ihnen diesen Virginiakopf bezahlen, müßt' ich Genua in Versatz geben. Nehmen Sie weg.

Romano. Mit Ehre bezahlt sich der Künstler. Ich schenke es Ihnen.
(Er will hinaus.)

Fiesco. Eine kleine Geduld, Romano. (Er geht mit majestätischem Schritt im Zimmer und scheint über etwas Großes zu denken. Zuweilen betrachtet er die Andern fliegend und scharf, endlich nimmt er den Maler bei der Hand, führt ihn vor das Gemälde.) Tritt her, Maler! (Äußerst stolz und mit Würde.) So trotzig stehst du da, weil du Leben auf todten Tüchern heuchelst und große Thaten mit kleinem Aufwand verewigst. Du prahlst mit Poetenhitze, der Phantasie marklosem Marionettenspiel, ohne Herz, ohne thatenerwärmende Kraft; stürzest Tyrannen auf Leinwand;—bist selbst ein elender Sklave? Machst Republiken mit einem Pinsel frei;—kannst deine eignen Ketten nicht brechen? (Voll und befehlend.) Geh! Deine Arbeit ist Gaukelwerk—der Schein weiche der That—(Mit Größe, indem er das Tableau umwirft.) Ich habe gethan, was du—nur maltest. (Alle erschüttert. Romano trägt sein Tableau mit Bestürzung fort.)

Achtzehnter Auftritt

Fiesco. Verrina. Bourgognino. Sacco. Calcagno.

Fiesco (unterbricht eine Pause des Erstaunens). Dachtet ihr, der Löwe schliefe, weil er nicht brüllte? Waret ihr eitel genug, euch zu überreden, daß ihr die Einzigen wäret, die Genuas Ketten fühlten? die Einzigen, die sie zu zerreißen wünschten? Eh ihr sie nur fern rasseln hörtet, hatte sie schon Fiesco zerbrochen. (Er öffnet die Schatulle, nimmt ein Paket Briefe heraus, die er alle über die Tafel spreitet.) Hier Soldaten von Parma—hier französisches Geld—hier vier Galeeren vom Papst. Was fehlt noch, einen Tyrannen in seinem Nest aufzujagen? Was wißt ihr noch zu erinnern? (Da sie alle erstarrt schweigen, tritt er von der Tafel mit Selbstgefühl.) Republikaner, ihr seid geschickter, Tyrannen zu verfluchen, als sie in die Luft zu sprengen. (Alle, außer Verrina, werfen sich sprachlos Fiesco zu Füßen.)

Verrina. Fiesco!—Mein Geist neigt sich vor dem deinigen—mein Knie kann es nicht—Du bist ein großer Mensch!—aber—Steht auf, Genueser.

Fiesco. Ganz Genua ärgerte sich an dem Weichling Fiesco. Ganz Genua fluchte über den verbuhlten Schurken Fiesco. Genueser! Genueser! Meine Buhlerei hat den arglistigen Despoten betrogen, meine Tollheit hat eurem Fürwitz meine gefährliche Weisheit verhüllt. In den Windeln der Üppigkeit lag das erstaunliche Werk der Verschwörung gewickelt. Genug. Genua kennt ich in euch. Mein ungeheuerster Wunsch ist befriedigt.

Bourgognino (wirft sich unmuthig in einen Sessel). Bin ich denn gar nichts mehr?

Fiesco. Aber laßt uns schleunig von Gedanken zu Thaten gehn. Alle Maschinen sind gerichtet. Ich kann die Stadt von Land und Wasser bestürmen. Rom, Frankreich und Parma bedecken mich. Der Adel ist schwierig. Des Pöbels Herzen sind mein. Die Tyrannen hab' ich in Schlummer gesungen. Die Republik ist zu einem Umgusse zeitig. Mit dem Glück sind wir fertig. Nichts fehlt—Aber Verrina ist nachdenkend?

Bourgognino. Geduld. Ich hab' ein Wörtchen, das ihn rascher aufschrecken soll, als des jüngsten Tages Posaunenruf. (Er tritt zu Verrina, ruft ihm bedeutend zu.) Vater, wach' auf! Deine Bertha verzweifelt.

Verrina. Wer sprach das?—Zum Werk, Genueser!

Fiesco. Überlegt den Entwurf zur Vollstreckung. Über dem ernsten
Gespräch hat uns die Nacht überrascht. Genua liegt schlafen. Der
Tyrann fällt erschöpft von den Sünden des Tages nieder. Wachet für
beide!

Bourgognino. Eh wir scheiden, laßt uns den heldenmüthigen Bund durch eine Umarmung beschwören. (Sie schließen mit verschränkten Armen einen Kreis.) Hier wachsen Genuas fünf größte Herzen zusammen, Genuas größtes Loos zu entscheiden. (Drücken sich inniger.) Wenn der Welten Bau auseinander fällt und der Spruch des Gerichts auch die Bande des Bluts, auch der Liebe zerschneidet, bleibt dieses fünffache Heldenblatt ganz! (Treten auseinander.)

Verrina. Wann versammeln wir uns wieder?

Fiesco. Morgen Mittag will ich eure Meinungen sammeln.

Verrina. Morgen Mittag denn. Gute Nacht, Fiesco! Bourgognino, komm!
Du wirst etwas Seltsames hören. (Beide ab.)

Fiesco (zu den Andern). Geht ihr zu den Hinterthoren hinaus, daß
Dorias Spionen nichts merken. (Alle entfernen sich.)

Neunzehnter Auftritt

Fiesco, der nachdenkend auf und nieder geht.

Welch ein Aufruhr in meiner Brust! welche heimliche Flucht der Gedanken—Gleich verdächtigen Brüdern, die auf eine schwarze That ausgehen, auf den Zehen schleichen und ihr flammroth Gesicht furchtsam zu Boden schlagen, stehlen sich die üppigen Phantome an meiner Seele vorbei—Haltet! haltet! Laßt mich euch ins Angesicht leuchten—ein guter Gedanke stählet des Mannes Herz und zeigt sich heldenmäßig dem Tage.—Ha! ich kenne euch!—das ist die Liverei des ewigen Lügners—verschwindet! (Wieder Pause, darauf lebhafter.) Republikaner Fiesco? Herzog Fiesco?—Gemach—Hier ist der gähe Hinuntersturz, wo die Mark der Tugend sich schließt, sich scheiden Himmel und Hölle—Eben hier haben Helden gestrauchelt, und Helden sind gesunken, und die Welt belagert ihren Namen mit Flüchen—Eben hier haben Helden gezweifelt, und Helden sind still gestanden und Halbgötter geworden—(Rascher.) Daß sie mein sind, die Herzen von Genua? Daß von meinen Händen dahin, dorthin sich gängeln läßt das furchtbare Genua?—O über die schlaue Sünde, die einen Engel vor jeden Teufel stellt—Unglückselige Schwungsucht! uralte Buhlerei! Engel küßten an deinem Halse den Himmel hinweg, und der Tod sprang aus deinem kreißenden Bauche—(Sich schaudernd schüttelnd.) Engel fingst du mit Sirenentrillern von Unendlichkeit—Menschen angelst du mit Gold, Weibern und Kronen! (Nach einer nachdenkenden Pause, fest.) Ein Diadem erkämpfen ist groß. Es wegwerfen ist göttlich. (Entschlossen.) Geh unter, Tyrann! Sei frei, Genua, und ich (sanft geschmolzen) dein glücklichster Bürger!

Dritter Aufzug

Furchtbare Wildniß.

Erster Auftritt

Verrina. Bourgognino kommen durch die Nacht.

Bourgognino (steht still.)A wohin führst du mich, Vater? Der dumpfe
Schmerz, womit du mich abriefst, keucht noch immer aus deinem
arbeitenden Odem. Unterbrich dieses grauenvolle Schweigen. Rede.
Ich folge nicht weiter.

Verrina. Das ist der Ort.

Bourgognino. Der schrecklichste, den du auffinden konntest. Vater, wenn Das, was du hier vornehmen wirst, dem Orte gleich sieht, Vater, so werden meine Haarspitzen aufwärts springen.

Verrina. Doch blühet das, gegen die Nacht meiner Seele. Folge mir dahin, wo die Verwesung Leichname morsch frißt, und der Tod seine schaudernde Tafel hält—dahin, wo das Gewinsel verlorner Seelen Teufel belustigt, und des Jammers undankbare Thränen im durchlöcherten Sieb der Ewigkeit ausrinnen—dahin, mein Sohn, wo die Welt ihre Losung ändert, und die Gottheit ihr allgütiges Wappen bricht—dort will ich zu dir durch Verzerrungen sprechen, und mit Zähneklappern wirst du hören.

Bourgognino. Hören? Was? ich beschwöre dich.

Verrina. Jüngling! ich fürchte—Jüngling, dein Blut ist rosenroth—dein Fleisch ist milde geschmeidig; dergleichen Naturelle fühlen menschlich weich; an dieser empfindenden Flamme schmilzt meine grausame Weisheit. Hätte der Frost des Alters oder der bleierne Gram den fröhlichen Sprung deiner Geister gestellt—hätte schwarzes, klumpigtes Blut der leidenden Natur den Weg zum Herzen gesperrt, dann wärst du geschickt, die Sprache meines Grams zu verstehen und meinen Entschluß anzustaunen.

Bourgognino. Ich werde ihn hören und mein machen.

Verrina. Nicht darum, mein Sohn—Verrina wird damit dein Herz verschonen. O Scipio, schwere Lasten liegen auf dieser Brust—ein Gedanke, grauenvoll, wie die lichtscheue Nacht—ungeheuer genug, eine Mannsbrust zu sprengen—Siehst du? Allein will ich ihn vollführen—allein tragen kann ich ihn nicht. Wenn ich stolz wäre, Scipio, ich könnte sagen, es ist eine Qual, der einzige große Mann zu sein—Größe ist dem Schöpfer zur Last gefallen, und er hat Geister zu Vertrauten gemacht—Höre, Scipio-Bourgognino. Meine Seele verschlingt die deinige.

Verrina. Höre, aber erwiedre nichts. Nichts, junger Mensch! Hörst du? Kein Wort sollst du drauf sagen—Fiesco muß sterben!

Bourgognino (mit Bestürzung). Sterben? Fiesco?

Verrina. Sterben!—Ich danke dir, Gott! es ist heraus—Fiesco sterben, Sohn, sterben durch mich!—Nun geh—es gibt Thaten, die sich keinem Menschen-Urtheil mehr unterwerfen—nur den Himmel zum Schiedsmann erkennen—Das ist eine davon. Geh. Ich will weder deinen Tadel, noch deinen Beifall. Ich weiß, was sie mich kostet, und damit gut. Doch höre—du könntest dich wohl gar wahnsinnig daran denken—Höre—sahest du ihn gestern in unsrer Bestürzung sich spiegeln?—Der Mann, dessen Lächeln Italien irre führte, wird er seines Gleichen in Genua dulden?—Geh. Den Tyrannen wird Fiesco stürzen, das ist gewiß! Fiesco wird Genuas gefährlichster Tyrann werden, das ist gewisser! (Er geht schnell ab. Bourgognino blickt ihm staunend und sprachlos nach, dann folgt er ihm langsam.)

Zweiter Auftritt

Saal bei Fiesco.

In der Mitte des Hintergrunds eine große Glasthüre, die den Prospect über das Meer und Genua öffnet. Morgendämmerung.—Fiesco vom Fenster.

Was ist das?—der Mond ist unter—Der Morgen kommt feurig aus der See—Wilde Phantasieen haben meinen Schlaf aufgeschwelgt—mein ganzes Wesen krampfig um eine Empfindung gewälzt—Ich muß mich im Offenen dehnen. (Er macht die Glasthüre auf. Stadt und Meer von Morgenroth überflammt. Fiesco mit starken Schritten im Zimmer.) Daß ich der größte Mann bin im ganzen Genua? und die kleineren Seelen sollten sich nicht unter die große versammeln?—Aber ich verletze die Tugend? (steht still.) Tugend?—Der erhabene Kopf hat andre Versuchungen, als der gemeine—Sollt' er Tugend mit ihm zu theilen haben?—Der Harnisch, der des Pygmäen schmächtigen Körper zwingt, sollte der einem Riesenleib anpassen müssen?

Die Sonne geht auf über Genua.

Diese majestätische Stadt! (Mit offenen Armen dagegen eilend.) Mein! —und drüber emporzuflammen, gleich dem königlichen Tag—drüber zu brüten mit Monarchenkraft—all die kochenden Begierden—all die nimmersatten Wünsche in diesem grundlosen Ocean unterzutauchen?— Gewiß! Wenn auch des Betrügers Witz den Betrug nicht adelt, so adelt doch der Preis den Betrüger. Es ist schimpflich, eine Börse zu leeren—es ist frech, eine Million zu veruntreuen, aber es ist namenlos groß, eine Krone zu stehlen. Die Schande nimmt ab mit der wachsenden Sünde. (Pause, dann mit Ausdruck.) Gehorchen!— Herrschen!—ungeheure schwindlichte Kluft—Legt Alles hinein, was der Mensch Kostbares hat—eure gewonnenen Schlachten, Eroberer— Künstler, eure unsterblichen Werke—eure Wollüste, Epikure—eure Meere und Inseln, ihr Weltumschiffer! Gehorchen und Herrschen!— Sein und Nichtsein! Wer über den schwindlichten Graben vom letzten Seraph zum Unendlichen setzt, wird auch diesen Sprung ausmessen. (Mit erhabenem Spiel.) Zu stehen in jener schrecklich erhabenen Höhe—niederzuschmollen in der Menschlichkeit reißenden Strudel, wo das Rad der blinden Betrügerin Schicksale schelmisch wälzt— den ersten Mund am Becher der Freude—tief unten den geharnischten Riesen Gesetz am Gängelbande zu lenken—schlagen zu sehen unvergoltene Wunden, wenn sein kurzarmiger Grimm an das Geländer der Majestät ohnmächtig poltert—die unbändigen Leidenschaften des Volks, gleich so viel strampfenden Rossen, mit dem weichen Spiele des Zügels zu zwingen—den emporstrebenden Stolz der Vasallen mit einem—einem Athemzug in den Staub zu legen, wenn der schöpferische Fürstenstab auch die Träume des fürstlichen Fiebers ins Leben schwingt.—Ha! welche Vorstellung, die den staunenden Geist über seine Linien wirbelt!—Ein Augenblick Fürst hat das Mark des ganzen Daseins verschlungen. Nicht der Tummelplatz des Lebens—sein Gehalt bestimmt seinen Werth. Zerstücke den Donner in seine einfachen Silben, und du wirst Kinder damit in den Schlummer singen; schmelze sie zusammen in einen plötzlichen Schall, und der monarchische Laut wird den ewigen Himmel bewegen—Ich bin entschlossen! (Heroisch auf und nieder.)

Dritter Auftritt

Voriger. Leonore tritt herein mit merklicher Angst.

Leonore. Vergeben Sie, Graf. Ich fürchte, Ihre Morgenruhe zu stören.

Fiesco (tritt höchst betreten zurück.) Gewiß, gnädige Frau, Sie überraschen mich seltsam.

Leonore. Das begegnet nur den Liebenden nie.

Fiesco. Schöne Gräfin, Sie verrathen Ihre Schönheit an den feindlichen Morgenhauch.

Leonore. Auch wüßt' ich nicht, warum ich den wenigen Rest für den
Gram schonen sollte.

Fiesco. Gram, meine Liebe? Stand ich bisher im Wahn, Staaten nicht umwühlen wollen, hieße Gemüthsruhe?

Leonore. Möglich—Doch fühl' ich, daß meine Weiberbrust unter dieser Gemüthsruhe bricht. Ich komme, mein Herr, Sie mit einer nichtsbedeutenden Bitte zu belästigen, wenn Sie Zeit für mich wegwerfen möchten. Seit sieben Monaten hatt' ich den seltsamen Traum, Gräfin von Lavagna zu sein. Er ist verflogen. Der Kopf schmerzt mir davon. Ich werden den ganzen Genuß meiner unschuldigen Kindheit zurückrufen müssen, meine Geister von diesem lebhaften Phantome zu heilen. Erlauben Sie darum, daß ich in die Arme meiner guten Mutter zurückkehre?

Fiesco (äußerst bestürzt). Gräfin?

Leonore. Es ist ein schwaches, verzärteltes Ding, mein Herz, mit dem Sie Mitleiden haben müssen. Auch die geringsten Andenken des Traums könnten meiner kranken Einbildung Schaden thun. Ich stelle deßwegen die letzten überbliebenen Pfänder ihrem rechtmäßigen Besitzer zurück. (Sie legt einige Galanterieen auf ein Tischchen.) Auch diesen Dolch, der mein Herz durchfuhr—(seinen Liebesbrief) auch diesen—und (indem sie sich laut weinend hinausstürzen will) behalte nichts, als die Wunde!

Fiesco (erschüttert, eilt ihr nach, hält sie auf). Leonore! Welch ein Auftritt! Um Gotteswillen!

Leonore (fällt matt in seinen Arm). Ihre Gemahlin zu sein, hab' ich nicht verdient, aber Ihre Gemahlin hätte Achtung verdient—Wie sie jetzt zischen, die Lästerzungen! Wie sie auf mich herabschielen, Genuas Damen und Mädchen! »Seht, wie sie wegblüht, die Eitle, die den Fiesco heirathete.«—Grausame Ahndung meiner weiblichen Hoffart! Ich hatte mein ganzes Geschlecht verachtet, da mich Fiesco zum Brautaltar führte.

Fiesco. Nein, wirklich, Madonna! dieser Auftritt ist sonderbar.

Leonore. Ah, erwünscht. Er wird blaß und roth. Jetzt bin ich muthig.

Fiesco. Nur zwei Tage, Gräfin, und dann richten Sie mich.

Leonore. Aufgeopfert!—Laß mich es nicht vor dir aussprechen, jungfräuliches Licht! Aufgeopfert einer Buhlerin. Nein, sehen Sie mich an, mein Gemahl! Wahrhaftig, die Augen, die ganz Genua in knechtisches Zittern jagen, müssen sich jetzt vor den Thränen eines Weibes verkriechen.-Fiesco (äußerst verwirrt). Nicht mehr, Signora. Nicht weiter.

Leonore (mit Wehmuth und etwas bitter). Ein schwaches Weiberherz zu zerfleischen! O es ist des starken Geschlechts so würdig.—Ich warf mich in die Arme dieses Mannes. An diesen Starken schmiegten sich wollüstig alle meine weiblichen Schwächen. Ich übergab ihm meinen ganzen Himmel—Der großmüthige Mann verschenkte ihn an eine-Fiesco (stürzt ihr mit Heftigkeit ins Wort). Meine Leonore! nein-Leonore. Meine Leonore?—Himmel, habe Dank! das war wieder echter Goldklang der Liebe. Hassen sollt' ich dich, Falscher, und werfe mich hungrig auf die Brosamen deiner Zärtlichkeit—Hassen? Sagte ich hassen, Fiesco? O glaub' es nicht! Sterben lehrt mich dein Meineid, aber nicht hassen. Mein Herz ist betrogen. (Man hört den Mohren.)

Fiesco. Leonore, erfüllen Sie mir eine kleine kindische Bitte.

Leonore. Alles, Fiesco, nur nicht Gleichgültigkeit.

Fiesco. Was Sie wollen, wie Sie wollen—(Bedeutend.) Bis Genua um zwei Tage älter ist, fragen Sie nicht, verdammen Sie nicht! (Er führt sie mit Anstand in ein anderes Zimmer.)

Vierter Auftritt

Mohr keuchend. Fiesco.

Fiesco. Woher so in Athem?

Mohr. Geschwind, gnädiger Herr-Fiesco. Ist was ins Garn gelaufen?

Mohr. Lest diesen Brief. Bin ich denn wirklich da? Ich glaube, Genua ist um zwölf Gassen kürzer worden, oder meine Beine um so viel länger. Ihr verblaßt? Ja, um Köpfe werden sie karten, und der Eure ist Tarock. Wie gefällt's Euch?

Fiesco (wirft den Brief erschüttert auf den Tisch). Krauskopf und zehn Teufel! wie kommst zu diesem Brief?

Mohr. Ungefähr wie—Euer Gnaden zur Republik. Ein Expresser sollte damit nach Levanto fliegen! Ich wittre den Fraß, laure dem Burschen in einem Hohlweg auf. Baff, liegt der Marder—wir haben das Huhn.

Fiesco. Sein Blut über dich! Der Brief ist nicht mit Gold zu bezahlen.

Mohr. Doch dank' ich für Silber. (Ernsthaft und wichtig.) Graf von
Lavagna! Ich habe neulich einen Gelust nach Eurem Kopf gehabt.
(Indem er auf den Brief deutet.) Hier wär' er wieder—Jetzt, denk'
ich, wären gnädiger Herr und Halunke quitt. Fürs Weitere könnt Ihr
Euch beim guten Freund bedanken. (Reicht ihm einen zweiten Zettel.)
Numero zwei.

Fiesco (nimmt das Blatt mit Erstaunen). Wirst du toll sein?

Mohr. Numero zwei. (Er stellt sich trotzig neben ihn, stemmt den
Ellenbogen an.) Der Löwe hat's doch so dumm nicht gemacht, daß er die
Maus pardonnierte? (Arglistig.) Gelt! er hat's schlau gemacht, wer
hätt ihn auch sonst aus dem Garne genagt?—Nun? Wie behagt Euch das?

Fiesco. Kerl, wie viel Teufel besoldest du?

Mohr. Zu dienen—nur einen, und der steht in gräflichem Futter.

Fiesco. Dorias eigene Unterschrift!—Wo bringst du das Blatt her?

Mohr. Warm aus den Händen meiner Bononi. Ich machte mich noch die gestrige Nacht dahin, ließ Eure schönen Worte und Eure noch schönern Zechinen klingen. Die letzten drangen durch. Früh sechs sollt' ich wieder anfragen. Der Graf war richtig dort, wie Ihr sagtet, und bezahlte mit Schwarz und Weiß das Weggeld zu einem contrebandenen Himmelreich.

Fiesco (aufgebracht). Über die feilen Weiberknechte!—Republiken wollen sie stürzen, können keiner Metze nicht schweigen. Ich sehe aus diesen Papieren, daß Doria und sein Anhang Komplott gemacht haben, mich mit eilf Senatoren zu ermorden und Gianettino zum souveränen Herzog zu machen.

Mohr. Nicht anders, und das schon am Morgen der Dogewahl, dem dritten des Monats.

Fiesco (rasch.) Unsere flinke Nacht soll diesen Morgen in Mutterleibe
erwürgen—Geschwind, Hassan—meine Sachen sind reif—Rufe die
Andern—wir wollen ihnen einen blutigen Vorsprung machen—Tummle dich,
Hassan!

Mohr. Noch muß ich Euch meinen Schubsack von Zeitungen stürzen. Zweitausend Mann sind glücklich hereinprakticiert. Ich habe sie bei den Kapuzinern untergebracht, wo auch kein vorlauter Sonnenstrahl sie ausspionieren soll. Sie brennen vor Neugier, ihren Herrn zu sehen, und es sind treffliche Kerl.

Fiesco. Aus jedem Kopf blüht ein Scudi für dich—Was murmelt Genua zu meinen Galeeren?

Mohr. Das ist ein Hauptspaß, gnädiger Herr. Über die vierhundert
Abenteurer, die der Friede zwischen Frankreich und Spanien auf den
Sand gesetzt hat, nisteten sich an meine Leute und bestürmten sie,
ein gutes Wort für sie bei Euch einzulegen, daß Ihr sie gegen die
Ungläubigen schicken mögt. Ich habe sie auf den Abend zu Euch in den
Schloßhof beschieden.

Fiesco (froh.) Bald sollt' ich dir um den Hals fallen, Schurke! Ein Meisterstreich! Vierhundert, sagst du?—Genua ist nicht mehr zu retten. Vierhundert Scudi sind dein.

Mohr (treuherzig.) Gelt, Fiesco? Wir Zwei wollen Genua zusammenschmeißen, daß man die Gesetze mit dem Besen aufkehren kann—Das hab' ich Euch nie gesagt, daß ich unter der hiesigen Garnison meine Vögel habe, auf die ich zählen kann, wie auf meine Höllenfahrt. Nun hab' ich veranstaltet, daß wir auf jedem Thor wenigstens sechs Creaturen unter der Wache haben, die genug sind, die Andern zu beschwätzen und ihre fünf Sinne unter Wein zu setzen. Wenn Ihr also Lust habt, diese Nacht einen Streich zu wagen, so findet Ihr die Wachen besoffen.

Fiesco. Rede nichts mehr. Bis jetzt hab' ich den ungeheuren Quader
ohne Menschenhilfe gewälzt; hart am Ziel soll mich der schlechteste
Kerl in der Rundung beschämen?—Deine Hand, Bursche! Was dir der
Graf schuldig bleibt, wird der Herzog hereinholen.

Mohr. Überdies noch ein Billet von der Gräfin Imperiali. Sie winkte mir von der Gasse hinauf, war sehr gnädig, fragte mich spöttelnd, ob die Gräfin von Lavagna keinen Anfall von Gelbsucht gehabt hätte? Euer Gnaden, sagt' ich, fragen nur einem Befinden nach, sagt' ich-Fiesco (hat das Billet gelesen und wirft es weg). Sehr gut gesagt; sie antwortete?

Mohr. Antwortete, sie bedaure dennoch das Schicksal der armen Wittwe, erbiete sich auch, ihr Genugthuung zu geben und Euer Gnaden Galanterieen künftig zu verbitten.

Fiesco (hämisch). Welche sich wohl noch vor Welt-Untergang aufheben dürften—Das die ganze Erheblichkeit, Hassan?

Mohr (boshaft). Gnädiger Herr, Angelegenheiten der Damen sind es zunächst nach den politischen-Fiesco. O ja freilich, und diese allerdings. Aber was willst du mit diesem Papierchen?

Mohr. Eine Teufelei mit einer andern auskratzen—Diese Pulver gab mir Signora, Eurer Frau täglich eins in die Chocolade zu rühren.

Fiesco (tritt blaß zurück). Gab dir?

Mohr. Donna Julia, Gräfin Imperiali.

Fiesco (reißt ihm solche weg, heftig). Lügst du, Canaille, lass' ich dich lebendig an den Wetterhahn vom Lorenzothurm schmieden, wo dich der Wind in einem Athemzug neunmal herumtreibt—die Pulver?

Mohr (ungeduldig). Soll ich Eurer Frau in der Chocolade zu saufen geben, verordnete Donna Julia Imperiali.

Fiesco (außer Fassung). Ungeheuer! Ungeheuer!—dieses holdselige Geschöpf?—Hat so viel Hölle in einer Frauenzimmerseele Platz?—Doch, ich vergaß dir zu danken, himmlische Vorsicht, die du es nichtig machst—nichtig durch einen ärgeren Teufel. Deine Wege sind sonderbar. (Zum Mohren.) Du versprichst, zu gehorchen, und schweigst.

Mohr. Sehr wohl. Das Letzte kann ich, sie bezahlte mir's baar.

Fiesco. Dieses Billet ladet mich zu ihr—Ich will kommen, Madame! Ich will Sie beschwätzen, bis Sie hieher folgen. Gut. Du eilst nunmehr, was du eilen kannst, rufst die ganze Verschwörung zusammen.

Mohr. Diesen Befehl hab' ich vorausgewittert und darum Jeden auf meine Faust Punkt zehn Uhr hieher bestellt.

Fiesco. Ich höre Tritte. Sie sind's. Kerl, du verdientest deinen eigenen Galgen, wo noch kein Sohn Adams gezappelt hat. Geh ins Vorzimmer, bis ich läute.

Mohr (im Abgehen). Der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann gehen. (Ab.)

Fünfter Auftritt

Alle Verschwornen.

Fiesco (ihnen entgegen). Das Wetter ist im Anzug. Die Wolken laufen zusammen. Tretet leis auf! Laßt beide Schlösser vorfallen!

Verrina. Acht Zimmer hinter uns hab' ich zugeriegelt; der Argwohn kann auf hundert Mannsschritte nicht beikommen.

Bourgognino. Hier ist kein Verräther, wenn's unsre Furcht nicht wird.

Fiesco. Furcht kann nicht über meine Schwelle. Willkommen, wer noch der Gestrige ist. Nehmt eure Plätze. (Setzen sich.)

Bourgognino (spaziert im Zimmer). Ich sitze ungern, wenn ich ans
Umreißen denke.

Fiesco. Genueser, das ist eine merkwürdige Stunde.

Verrina. Du hast uns aufgefordert, einem Plan zum Tyrannenmord nachzudenken. Frage uns. Wir sind da, dir Rede zu geben.

Fiesco. Zuerst also—eine Frage, die spät genug kommt, um seltsam zu klingen—Wer soll fallen? (Alle schweigen.)

Bourgognino (indem er sich über Fiescos Sessel lehnt, bedeutend).
Die Tyrannen.

Fiesco. Wohlgesprochen, die Tyrannen. Ich bitte euch, gebt genau
Acht auf die ganze Schwere des Worts. Wer die Freiheit zu stürzen
Miene macht, oder Gewicht hat?—Wer ist mehr Tyrann?

Verrina. Ich hasse den Ersten, den Letzten fürchte ich. Andreas
Doria falle!

Calcagno (in Bewegung). Andreas, der abgelebte Andreas, dessen
Rechnung mit der Natur vielleicht übermorgen zerfallen ist?

Sacco. Andreas, der sanftmüthige Alte?

Fiesco. Furchtbar ist dieses alten Mannes Sanftmuth, mein Sacco! Gianettinos Tolltrotz nur lächerlich. Andreas Doria falle! das sprach deine Weisheit, Verrina.

Bourgognino. Ketten von Stahl oder Seide—es sind Ketten, und
Andreas Doria falle!

Fiesco (zum Tisch gehend). Also den Stab gebrochen über Onkel und
Neffen! Unterzeichnet! (Alle unterschreiben.) Das Wer? ist
berichtigt. (Setzen sich wieder.) Nun zum gleich merkwürdigen
Wie?—Reden Sie zuerst, Freund Calcagno.

Calcagno. Wir führen es aus wie Soldaten oder wie Meuter. Jenes ist gefährlich, weil es uns zwingt, viele Mitwisser zu haben, gewagt, weil die Herzen der Nation noch nicht ganz gewonnen sind—diesem sind fünf gute Dolche gewachsen. In drei Tagen ist hohe Messe in der Lorenzokirche. Beide Doria halten dort ihre Andacht. In der Nähe des Allerhöchsten entschläft auch Tyrannenangst. Ich sagte Alles.

Fiesco (abgewandt). Calcagno—abscheulich ist Ihre vernünftige
Meinung—Raphael Sacco?

Sacco. Calcagnos Gründe gefallen mir, seine Wahl empört. Besser,
Fiesco läßt Oheim und Neffen zu einem Gastmahle laden, wo sie dann,
zwischen den ganzen Groll der Republik gepreßt, die Wahl haben, den
Tod entweder an unsern Dolchen zu essen, oder in gutem Cyprier
Bescheid zu thun. Wenigstens bequem ist diese Methode.

Fiesco (mit Entsetzen). Sacco, und wenn der Tropfe Wein, den ihre sterbende Zunge kostet, zum siedenden Pech wird, ein Vorschmack der Hölle—Wie dann, Sacco?—Weg mit diesem Rath! Sprich du, Verrina.

Verrina. Ein offenes Herz zeigt eine offene Stirn. Meuchelmord bringt uns in jedes Banditen Brüderschaft. Das Schwert in der Hand deutet den Helden. Meine Meinung ist, wir geben laut das Signal des Aufruhrs, rufen Genuas Patrioten stürmend zur Rache auf. (Er fährt vom Sessel. Die Andern folgen. Bourgognino wirft sich ihm um den Hals.)

Bourgognino. Und zwingen mit gewaffneter Hand dem Glück eine Gunst ab? Das ist die Stimme der Ehre und die meinige.

Fiesco. Und die meinige. Pfui, Genueser! (Zu Calcagno und Sacco.)
Das Glück hat bereits schon zu viel für uns gethan, wir müssen uns
selbst auch noch Arbeit geben—Also Aufruhr, und den noch diese Nacht,
Genueser! (Verrina, Bourgognino erstaunen. Die Andern erschrecken.)

Calcagno. Was? noch diese Nacht? Noch sind die Tyrannen zu mächtig, noch unser Anhang zu dünne.

Sacco. Diese Nacht noch? und es ist nichts gethan, und die Sonne geht schon bergunter?

Fiesco. Eure Bedenklichkeiten sind sehr gegründet, aber lest diese Blätter. (Er reicht ihnen die Handschriften Gianettinos und geht, indeß sie neugierig lesen, hämisch auf und nieder.) Jetzt fahre wohl, Doria, schöner Stern! Stolz und vorlaut standst du da, als hättest du den Horizont von Genua verpachtet, und sahest doch, daß auch die Sonne den Himmel räumt und das Scepter der Welt mit dem Monde theilt. Fahre wohl, Doria, schöner Stern!

Auch Patroklus ist gestorben, Und war mehr als du.

Bourgognino (nachdem sie die Blätter gelesen). Das ist gräßlich!

Calcagno. Zwölf auf einen Schuß!

Verrina. Morgen in der Signoria!

Bourgognino. Gebt mir die Zettel. Ich reite spornstreichs durch
Genua, halte sie so, so werden die Steine hinter mir springen und die
Hunde Zetermordio heulen.

Alle. Rache! Rache! Rache! Diese Nacht noch!

Fiesco. Da seid ihr, wo ich euch wollte. Sobald es Abend wird, will ich die vornehmsten Mißvergnügten zu einer Lustbarkeit bitten; nämlich alle, die auf Gianettinos Mordliste stehen, und noch überdies die Sauli, die Gentili, Vivaldi und Vesodimari, alle Todfeinde des Hauses Doria, die der Meuchelmörder zu fürchten vergaß. Sie werden meinen Anschlag mit offenen Armen umfassen, daran zweifle ich nicht.

Bourgognino. Daran zweifl' ich nicht.

Fiesco. Vor Allem müssen wir uns des Meers versichern. Galeeren und Schiffsvolk hab' ich. Die zwanzig Schiffe der Doria sind unbetakelt, unbemannt, leicht überrumpelt. Die Mündung der Darsena wird gestopft, alle Hoffnung zur Flucht verriegelt. Haben wir den Hafen, so liegt Genua an Ketten.

Verrina. Unleugbar.

Fiesco. Dann werden die festen Plätze der Stadt erobert und besetzt. Der wichtigste ist das Thomasthor, das zum Hafen führt und unsere Seemacht mit der Landmacht verknüpft. Beide Doria werden in ihren Palästen überfallen, ermordet. In allen Gassen wird Lärm geschlagen; die Sturmglocken werden gezogen, die Bürger herausgerufen, unsere Partei zu nehmen und Genuas Freiheit zu verfechten. Begünstiget uns das Glück, so hört ihr in der Signoria das Weitere.

Verrina. Der Plan ist gut. Laß sehen, wie wir die Rollen vertheilen.

Fiesco (bedeutend). Genueser, ihr stelltet mich freiwillig an die Spitze des Komplotts. Werdet ihr auch meinen weiteren Befehlen gehorchen?

Verrina. So gewiß sie die besten sind.

Fiesco. Verrina, weißt du das Wörtchen unter der Fahne?—Genueser, sagt's ihm, es heißt Subordination! Wenn ich nicht diese Köpfe drehen kann, wie ich eben will—versteht mich ganz—wenn ich nicht der Souverän der Verschwörung bin, so hat sie auch ein Mitglied verloren.

Verrina. Ein freies Leben ist ein paar knechtische Stunden werth—Wir gehorchen.

Fiesco. So verlaßt mich jetzt. Einer von euch wird die Stadt visitieren und mir von der Stärke und Schwäche der festen Plätze Rapport machen. Ein Anderer erforscht die Parole. Ein Dritter bemannt die Galeeren. Ein Vierter wird die zweitausend Mann nach meinem Schloßhof befördern. Ich selbst werde auf den Abend Alles berichtigt haben und noch überdies, wenn das Glück will, die Bank im Pharao sprengen. Schlag neun Uhr ist Alles im Schloß, meine letzten Befehle zu hören. (Klingelt.)

Verrina. Ich nehme den Hafen auf mich. (Ab.)

Bourgognino. Ich die Soldaten. (Auch ab.)

Calcagno. Die Parole will ich ablauern. (Ab.)

Sacco. Ich die Runde durch Genua machen. (Ab.)

Sechster Auftritt

Fiesco. Darauf der Mohr.

Fiesco (hat sich an ein Pult gesetzt und schreibt). Schlugen sie nicht um gegen das Wörtchen Subordination, wie die Raupe gegen die Nadel?—Aber es ist zu spät, Republikaner!

Mohr (kommt). Gnädiger Herr-Fiesco (steht auf, gibt ihm einen Zettel). Alle, deren Namen auf diesem Blatt stehen, ladest du zu einer Komödie auf die Nacht.

Mohr. Mitzuspielen vermuthlich. Die Entrée wird die Gurgel kosten.

Fiesco (fremd und verächtlich). Wenn das bestellt ist, will ich dich nicht länger in Genua aufhalten. (Er geht und läßt eine Goldbörse hinter sich fallen.) Das sei deine letzte Arbeit. (Geht ab.)

Siebenter Auftritt

Mohr hebt den Beutel langsam von der Erde, indem er ihm stutzig nachblickt.

Stehn wir so miteinander? »Will ich dich nicht mehr in Genua aufhalten.« Das heißt aus dem Christlichen in mein Heidenthum verdolmetscht: Wenn ich Herzog bin, lass' ich den guten Freund an einen genuesischen Galgen hängen. Gut. Er besorgt, weil ich um seine Schliche weiß, werd' ich seine Ehre über mein Maul springen lassen, wenn er Herzog ist. Sachte, Herr Graf! das Letzte wäre noch zu überlegen.

Jetzt, alter Doria, steht mir deine Haut zu Befehl.—Hin bist du, wenn ich dich nicht warne. Wenn ich jetzt hingehe und das Komplott angebe, rett' ich dem Herzog von Genua nichts Geringeres, als ein Leben und ein Herzogthum; nichts Geringers, als dieser Hut, von Gold gestrichen voll, kann sein Dank sein. (Er will fort, bleibt aber plötzlich still stehn.) Aber sachte, Freund Hassan! Du bist etwa gar auf der Reise nach einem dummen Streich? Wenn die ganze Todtschlägerei jetzt zurückging' und daraus gar etwas Gutes würde?—Pfui! pfui! was will mir mein Geiz für einen Teufelsstreich spielen!—Was stiftet größeres Unheil: wenn ich diesen Fiesco prelle?—wenn ich jenen Doria an das Messer liefre?—Das klügelt mir aus, meine Teufel!—Bringt der Fiesco es hinaus, kann Genua aufkommen. Weg! das kann nicht sein. Schlüpft dieser Doria durch, bleibt Alles wie vor, und Genua hat Frieden—das wäre noch garstiger!—Aber das Spektakel, wenn die Köpfe der Rebellen in die Garküche des Henkers fliegen? (Auf die andere Seite.) Aber das lustige Gemetzel dieser Nacht, wenn Ihre Durchlauchten am Pfiff eines Mohren erwürgen? Nein! aus diesem Wirrwarr helf' sich ein Christ, dem Heiden ist das Räthsel zu spitzig—Ich will einen Gelehrten fragen. (Ab.)

Achter Auftritt

Saal bei der Gräfin Imperiali.

Julia im Negligé. Gianettino tritt herein, zerstört.

Gianettino. Guten Abend, Schwester.

Julia (steht auf). Etwas Außerordentliches mag es auch sein, das den
Kronprinzen von Genua zu seiner Schwester führt?

Gianettino. Schwester, bist du doch stets von Schmetterlingen umschwärmt und ich von Wespen. Wer kann abkommen? Setzen wir uns.

Julia. Du machst mich bald ungeduldig.

Gianettino. Schwester, wann war's das letztemal, daß dich Fiesco besuchte?

Julia. Seltsam. Als wenn mein Gehirn dergleichen Nichtigkeiten beherbergte.

Gianettino. Ich muß es durchaus wissen.

Julia. Nun—er war gestern da.

Gianettino. Und zeigte sich offen?

Julia. Wie gewöhnlich.

Gianettino. Auch noch der alte Phantast?

Julia (beleidigt). Bruder!

Gianettino (mir stärkerer Stimme). Höre! Auch noch der alte
Phantast?

Julia (steht aufgebracht auf). Wofür halten Sie mich, Bruder?

Gianettino (bleibt sitzen, hämisch). Für ein Stück Weiberfleisch, in einen großen—großen Adelsbrief gewickelt. Unter uns, Schwester, weil doch Niemand auflauert.

Julia (hitzig). Unter uns—Sie sind ein tolldreister Affe, der auf dem Credit seines Onkels steckenreitet—weil doch Niemand auflauert.

Gianettino. Schwesterchen, Schwesterchen! Nicht böse—Ich bin nur lustig, weil Fiesco noch der alte Phantast ist. Das hab' ich wissen wollen. Empfehl' mich. (Will gehen.)

Neunter Auftritt

Lomellin kommt.

Lomellin (küßt der Julia die Hand). Verzeihung für meine Dreistigkeit, gnädige Frau. (Zum Gianettino gekehrt.) Gewisse Dinge, die sich nicht aufschieben lassen-Gianettino (nimmt ihn bei Seite. Julia tritt zornig zu einem Flügel und spielt ein Allegro). Alles angeordnet auf morgen?

Lomellin. Alles! Prinz. Aber der Kurier, der heute früh nach
Levanto flog, ist nicht wieder zurück. Auch Spinola ist nicht da.
Wenn er aufgefangen wäre!—Ich bin in höchster Verlegenheit.

Gianettino. Besorge nichts. Du hast doch die Liste bei der Hand?

Lomellin (betreten). Gnädiger Herr—die Liste—ich weiß nicht—ich
werde sie in meiner gestrigen Rocktasche liegen haben-Gianettino.
Auch gut. Wär' nur Spinola zurück. Fiesco wird morgen früh todt im
Bette gefunden. Ich hab' die Anstalt gemacht.

Lomellin. Aber fürchterlich Aufsehen wird's machen.

Gianettino. Das eben ist unsre Sicherheit, Bursche.
Alltagsverbrechen bringen das Blut des Beleidigten in Wallung, und
Alles kann der Mensch. Außerordentliche Frevel machen es vor
Schrecken gefrieren, und der Mensch ist nichts. Weißt du das Märchen
mit dem Medusakopf? Der Anblick macht Steine—Was ist nicht gethan,
Bursche, bis Steine erwarmen.

Lomellin. Haben Sie der gnädigen Frau einen Wink gegeben?

Gianettino. Pfui doch! die muß man des Fiesco wegen delicater behandeln. Doch, wenn sie erst die Früchte verschmeckt, wird sie die Unkosten verschmerzen. Komm! ich erwarte diesen Abend noch Truppen von Mailand und muß an den Thoren die Ordre geben. (Zur Julia.) Nun, Schwester, hast du deinen Zorn bald verklimpert?

Julia. Gehen Sie! Sie sind ein wilder Gast.

(Gianettino will hinaus und stößt auf Fiesco.)

Zehnter Auftritt

Fiesco kommt.

Gianettino (zurückfahrend). Ha!

Fiesco (zuvorkommend, verbindlich). Prinz, Sie überheben mich eines
Besuchs, den ich mir eben vorbehalten hatte-Gianettino. Auch mir,
Graf, konnte nichts Erwünschters als Ihre Gesellschaft begegnen.

Fiesco (tritt zu Julien, küßt ihr respectvoll die Hand). Man ist es bei Ihnen gewohnt, Signora, immer seine Erwartungen übertroffen zu sehen.

Julia. Pfui doch, das würde bei einer Andern zweideutig lauten—Aber ich erschrecke an meinem Negligé. Verzeihen Sie, Graf. (Will in ihr Kabinet fliegen.)

Fiesco. O bleiben Sie, schöne gnädige Frau! Das Frauenzimmer ist nie so schön, als im Schlafgewand, (lächelnd) es ist die Tracht seines Gewerbes—Diese hinaufgezwungenen Haare—Erlauben Sie, daß ich sie ganz durcheinander werfe.

Julia. Daß ihr Männer so gerne verwirret!

Fiesco (unschuldig gegen Gianettino). Haare und Republiken! Nicht wahr, das gilt uns gleichviel?—Und auch dieses Band ist falsch angeheftet—Setzen Sie sich, schöne Gräfin—Augen zu betrügen versteht Ihre Laura, aber nicht Herzen—Lassen Sie mich Ihre Kammerfrau sein. (Sie setzt sich, er macht ihr den Anzug zurecht.)

Gianettino (zupft den Lomellin). Der arme, sorglose Wicht!

Fiesco (an Juliens Busen beschäftigt). Sehen Sie—dieses verstecke ich weislich. Die Sinne müssen immer nur blinde Briefträger sein und nicht wissen, was Phantasie und Natur mit einander abzukarten haben.

Julia. Das ist leichtfertig.

Fiesco. Ganz und gar nicht, denn, sehen Sie, die beste Neuigkeit verliert, sobald sie Stadtmärchen wird—Unsre Sinne sind nur die Grundsuppe unsrer innern Republik. Der Adel lebt von ihnen, aber erhebt sich über ihren platten Geschmack. (Er hat sie fertig gemacht und führt sie vor den Spiegel.) Nun, bei meiner Ehre! dieser Anzug muß morgen Mode in Genua sein. (Fein.) Darf ich Sie so durch die Stadt führen, Gräfin?

Julia. Über den verschlagenen Kopf! Wie künstlich er's anlegte, mich in seinen Willen hineinzulügen! Aber ich habe Kopfweh und werde zu Hause bleiben.

Fiesco. Verzeihen Sie, Gräfin—das können Sie, wie Sie wollen, aber Sie wollen es nicht—Diesen Mittag ist eine Gesellschaft florentinischer Schauspieler hier angekommen und hat sich erboten, in meinem Palaste zu spielen—Nun hab' ich nicht verhindern können, daß die meisten Edeldamen der Stadt Zuschauerinnen sein werden, welches mich äußerst verlegen macht, weil ich die vornehmste Loge besetzen soll, ohne meinen empfindlichen Gästen eine Sottise zu machen. Noch ist nur ein Ausweg möglich. (Mit einer tiefen Verbeugung.) Wollen Sie so gnädig sein, Signora?

Julia (wird roth und geht schleunig ins Kabinet). Laura!

Gianettino (tritt zu Fiesco). Graf, Sie erinnern sich einer unangenehmen Geschichte, die neulich zwischen uns Beiden vorfiel-Fiesco. Ich wünschte, Prinz, wir vergäßen sie Beide—Wir Menschen handeln gegen uns, wie wir uns kennen, und wessen Schuld ist's, als die meinige, daß mich mein Freund Doria nicht ganz gekannt hat?

Gianettino. Wenigstens werd' ich nie daran danken, ohne Ihnen von Herzen Abbitte zu thun-Fiesco. Und ich nie, ohne Ihnen von Herzen zu vergeben—(Julia kommt etwas umgekleidet zurück.)

Gianettino. Eben fällt es mir bei, Graf, Sie lassen ja gegen die
Türken kreuzen?

Fiesco. Diesen Abend werden die Anker gelichtet—Ich bin eben darum in einiger Besorgniß, woraus mich die Gefälligkeit meines Freundes Doria reißen könnte.

Gianettino (äußerst höflich). Mit allem Vergnügen!—Befehlen Sie über meinen ganzen Einfluß!

Fiesco. Der Vorgang dürfte gegen Abend einigen Auflauf gegen den Hafen und meinen Palast verursachen, welchen der Herzog, Ihr Oheim, mißdeuten könnten-Gianettino (treuherzig). Lassen Sie mich dafür sorgen. Machen Sie immer fort, und ich wünsche Ihnen viel Glück zur Unternehmung.

Fiesco (schmollt). Ich bin Ihnen sehr verbunden.

Eilfter Auftritt

Vorige. Ein Deutscher der Leibwache.

Gianettino. Was soll's?

Deutscher. Als ich das Thomasthor vorbeiging, sah ich gewaffnete
Soldaten in großer Anzahl der Darsena zueilen und die Galeeren des
Grafen von Lavagna segelfertig machen-Gianettino. Nichts Wichtigers?
Es wird nicht weiter gemeldet.

Deutscher. Sehr wohl. Auch aus den Klöstern der Kapuziner wimmelt verdächtiges Gesindel und schleicht über den Markt; Gang und Ansehen lassen vermuthen, daß es Soldaten sind.

Gianettino (zornig). Über den Diensteifer eines Dummkopfs! (Zu
Lomellin zuversichtlich.) Das sind meine Mailänder.

Deutscher. Befehlen Euer Gnaden, daß sie arretiert werden sollen?

Gianettino (laut zu Lomellin). Sehen Sie nach, Lomellin. (Wild zum Deutschen.) Nur fort, es ist gut! (Zu Lomellin.) Bedeuten Sie dem deutschen Ochsen, daß er das Maul halten soll.

(Lomellin ab mit dem Deutschen.)

Fiesco (der bisher mit Julien getändelt und verstohlen herübergeschielt hatte). Unser Freund ist verdrießlich. Darf ich den Grund wissen?

Gianettino. Kein Wunder. Das ewige Anfragen und Melden! (Schießt hinaus.)

Fiesco. Auch auf uns wartet das Schauspiel. Darf ich Ihnen den Arm anbieten, gnädige Frau?

Julia. Geduld! Ich muß erst die Enveloppe umwerfen. Doch kein
Trauerspiel, Graf? Das kommt mir im Traum.

Fiesco (tückisch). O, es ist zum Todtlachen, Gräfin!

(Er führt sie ab. Vorhang fällt.)

Vierter Aufzug

Es ist Nacht. Schloßhof des Fiesco. Die Laternen werden angezündet.
Waffen hereingetragen. Ein Schloßflügel ist erleuchtet.

Erster Auftritt

Bourgognino führt Soldaten auf.

Bourgognino. Halt!—An das große Hofthor kommen vier Posten. Zwei an jede Thüre zum Schloß. (Wachen nehmen ihren Posten.) Wer will, wird hereingelassen. Hinaus darf Niemand. Wer Gewalt braucht, niedergestochen. (Mit den Übrigen ins Schloß. Schildwachen auf und nieder. Pause.)

Zweiter Auftritt

Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da? (Zenturione kommt.)

Zenturione. Freund von Lavagna. (Geht quer über den Hof nach dem rechten Schloßthor.)

Wachen (dort). Zurück!

Zenturione (stutzt und geht nach dem linken Thor).

Wachen (am linken). Zurück!

Zenturione (steht betreten still. Pause. Darauf zur linken Wache).
Freund, wo hinaus geht's zur Komödie?

Wache. Weiß nicht.

Zenturione (auf und ab mit steigender Besorgnis, darauf zur rechten
Wache). Freund, wann geht die Komödie an?

Wache. Weiß nicht.

Zenturione (erstaunt auf und nieder. Wird die Waffen gewahr.
Bestürzt). Freund, was soll das?

Wache. Weiß nicht.

Zenturione (hüllt sich erschrocken in seinen Mantel). Sonderbar.

Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da?

Dritter Auftritt

Vorige. Zibo.

Zibo (im Hereintreten). Freund von Lavagna.

Zenturione. Zibo, wo sind wir?

Zibo. Was?

Zenturione. Schau' um dich, Zibo!

Zibo. Wo? Was?

Zenturione. Alle Thüren besetzt.

Zibo. Hier liegen Waffen.

Zenturione. Niemand gibt Auskunft.

Zibo. Das ist seltsam.

Zenturione. Wie viel ist die Glocke?

Zibo. Acht Uhr vorüber.

Zenturione. Puh! es ist grimmkalt.

Zibo. Acht Uhr ist die bestellte Stunde.

Zenturione (den Kopf schüttelnd). Hier ist's nicht richtig.

Zibo. Fiesco hat einen Spaß vor.

Zenturione. Morgen ist Dogewahl—Zibo, hier ist's nicht richtig.

Zibo. Stille! stille! stille!

Zenturione. Der rechte Schloßflügel ist voll Lichter.

Zibo. Hörst du nichts? Hörst du nichts?

Zenturione. Hohles Gemurmel drinnen und mitunter-Zibo. Dumpfiges
Rasseln, wie von Harnischen, die sich an einander reiben-Zenturione.
Schauervoll! Schauervoll!

Zibo. Ein Wagen! Er hält an der Pforte!

Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da?

Vierter Auftritt

Vorige. Vier Asserato.

Asserato (im Hereintreten). Freund von Fiesco.

Zibo. Es sind die vier Asserato.

Zenturione. Guten Abend, Landsmann.

Asserato. Wir gehen in die Komödie.

Zibo. Glück auf den Weg!

Asserato. Geht ihr nicht mit in die Komödie?

Zenturione. Spaziert nur voran. Wir wollen erst frische Luft schöpfen.

Asserato. Es wird bald angehen. Kommt. (Gehen weiter.)

Wache. Zurück!

Asserato. Wo will das hinaus?

Zenturione (lacht). Zum Schloß hinaus.

Asserato. Hier ist ein Mißverstand.

Zibo. Ein handgreiflicher. (Musik auf dem rechten Flügel.)

Asserato. Hört ihr die Symphonie? Das Lustspiel wird vor sich gehen.

Zenturione. Mich däucht, es fing schon an, und wir spielen die
Narren drin.

Zibo. Übrige Hitze hab' ich nicht. Ich gehe.

Asserato. Waffen hier.

Zibo. Pah! Komödienwaaren.

Zenturione. Sollen wir hier stehen, wie die Narren am Acheron?
Kommt zum Kaffeehaus! (Alle Sechs eilen gegen die Pforte.)

Wachen (schreien heftig). Zurück!

Zenturione. Mord und Tod! Wir sind gefangen!

Zibo. Mein Schwert sagt: nicht lange!

Asserato. Steck' ein! steck' ein! Der Graf ist ein Ehrenmann.

Zibo. Verkauft! Verrathen! Die Komödie war der Speck, hinter der
Maus schlug die Thüre zu.

Asserato. Das wolle Gott nicht! Mich schaudert, wie das sich entwickeln soll.

Fünfter Auftritt

Schildwachen. Wer da? (Verrina, Sacco kommen.)

Verrina. Freunde vom Hause. (Sieben andere Nobili kommen nach.)

Zibo. Seine Vertrauten! Nun klärt sich Alles auf.

Sacco (im Gespräch mit Verrina). Wie ich Ihnen sagte. Lescaro hat die Wache am Thomasthor, Dorias bester Officier und ihm blindlings ergeben.

Verrina. Das freut mich.

Zibo (zu Verrina). Sie kommen erwünscht, Verrina, uns allen aus dem
Traume zu helfen.

Verrina. Wie so? Wie so?

Zenturione. Wir sind zu einer Komödie geladen.

Verrina. So haben wir einen Weg.

Zenturione (ungeduldig). Den Weg alles Fleisches. Den weiß ich.
Sie sehen ja, daß die Thüren besetzt sind? Wofür die Thüren besetzen?

Zibo. Wofür die Waffen?

Zenturione. Wir stehen da, wie unter dem Galgen.

Verrina. Der Graf wird selbst kommen.

Zenturione. Er kann sich betreiben. Meine Geduld reißt den Zaum ab.
(Alle Nobili gehen im Hintergrunde auf und nieder.)

Bourgognino (aus dem Schloß). Wie steht's im Hafen, Verrina?

Verrina. Alles glücklich an Bord.

Bourgognino. Das Schloß ist auch gepfropft voll Soldaten.

Verrina. Es geht stark auf neun Uhr.

Bourgognino. Der Graf macht sehr lang.

Verrina. Immer zu rasch für seine Hoffnung. Bourgognino, ich werde zu Eis, wenn ich mir etwas denke.

Bourgognino. Vater, übereile dich nicht.

Verrina. Es läßt sich nicht übereilen, wo nicht gezögert werden kann. Wenn ich den zweiten Mord nicht begehe, kann ich den ersten niemal verantworten.

Bourgognino. Aber wann soll Fiesco sterben?

Verrina. Wann Genua frei ist, stirbt Fiesco!

Schildwachen. Wer da?

Sechster Auftritt

Vorige. Fiesco.

Fiesco (im Hereintreten). Ein Freund! (Alle verneigen sich.
Schildwachen präsentieren.) Willkommen, wertheste Gäste! Sie werden
geschmählt haben, daß der Hausvater so lange auf sich warten ließ.
Verzeihen Sie. (Leise zu Verrina.) Fertig?

Verrina (ihm ins Ohr). Nach Wunsch.

Fiesco (leise zu Bourgognino). Und?

Bourgognino. Alles richtig.

Fiesco (zu Sacco). Und?

Sacco. Alles gut.

Fiesco. Und Calcagno?

Bourgognino. Fehlt noch.

Fiesco (laut zu den Thorwachen). Man soll schließen! (Er nimmt den
Hut ab und tritt mit freiem Anstand zur Versammlung.)

Meine Herren!

Ich bin so frei gewesen, Sie zu einem Schauspiel bitten zu lassen—Nicht aber, Sie zu unterhalten, sondern Ihnen Rollen darin aufzutragen.

Lange genug, meine Freunde, haben wir Gianettino Dorias Trotz und die Anmaßungen des Andreas ertragen. Wenn wir Genua retten wollen, Freunde, wird keine Zeit zu verlieren sein. Zu was Ende glauben Sie diese zwanzig Galeeren, die den vaterländischen Hafen belagern? Zu was Ende die Allianzen, so diese Doria schlossen? Zu was Ende die fremden Waffen, die sie ins Herz Genuas zogen?—Jetzt ist es nicht mehr mit Murren und Verwünschen gethan. Alles zu retten, muß Alles gewagt werden. Ein verzweifeltes Übel will eine verwegene Arznei. Sollte Einer in dieser Versammlung sein, der Phlegma genug hat, einen Herrn zu erkennen, der nur seines Gleichen ist?—(Gemurmel.)—Hier ist Keiner, dessen Ahnen nicht um Genuas Wiege standen. Was? bei Allem, was heilig ist! was? was haben denn diese zween Bürger voraus, daß sie den frechen Flug über unsere Häupter nehmen?—(Wilderes Gemurre.)—Jeder von Ihnen ist feierlich aufgeforderet, Genuas Sache gegen seine Unterdrücker zu führen—Keiner von Ihnen kann ein Haarbreit von seinen Rechten vergeben, ohne zugleich die Seele des ganzen Staats zu verrathen-(Ungestüme Bewegungen unter den Zuhörern unterbrechen ihn; dann fährt er fort.)

Sie empfinden—jetzt ist Alles gewonnen. Schon hab' ich vor Ihnen her den Weg zum Ruhme gebahnt. Wollen Sie folgen? Ich bin bereit, Sie zu führen. Diese Anstalten, die Sie noch kaum mit Entsetzen beschauten, müssen Ihnen jetzt frischen Heldenmuth einhauchen. Diese Schauder der Bangigkeit müssen in einen rühmlichen Eifer erwarmen, mit diesen Patrioten und mir Eine Sache zu machen und die Tyrannen von Grund aus zu stürzen. Der Erfolg wird das Wagstück begünstigen, denn meine Anstalten sind gut. Das Unternehmen ist gerecht, denn Genua leidet. Der Gedanke macht uns unsterblich, denn er ist gefährlich und ungeheuer.

Zenturione (in stürmischer Aufwallung). Genug! Genua wird frei!
Mit diesem Feldgeschrei gegen die Hölle!

Zibo. Und wen das nicht aus seinem Schlummer jagt, der keuche ewig am Ruder, bis ihn die Posaune des Weltgerichts losschließt.

Fiesco. Das waren Worte eines Mannes. Nun erst verdienen Sie die
Gefahr zu wissen, die über Ihnen und Genua hing. (Er gibt ihnen die
Zettel des Mohren.) Leuchtet, Soldaten! (Nobili drängen sich um eine
Fackel und lesen.) Es ging, wie ich wünschte, Freund.

Verrina. Doch rede noch nicht so laut. Ich habe dort auf dem linken
Flügel Gesichter bleich werden und Kniee schlottern gesehen.

Zenturione (in Wuth). Zwölf Senatoren! Teuflisch! Faßt alle Schwerter auf! (Alle stürzen sich auf die bereit liegenden Waffen, zwei ausgenommen.)

Zibo. Dein Name steht auch da, Bourgognino.

Bourgognino. Und noch heute, so Gott will, auf Dorias Gurgel.

Zenturione. Zwei Schwerter liegen noch.

Zibo. Was? was?

Zenturione. Zwei nahmen kein Schwert.

Asserato. Meine Brüder können kein Blut sehen. Verschont sie!

Zenturione (heftig). Was? was? Kein Tyrannenblut sehen? Zerreißt die Memmen! Werft sie zur Republik hinaus, diese Bastarde! (Einige von der Gesellschaft werfen sich ergrimmt auf die Beiden.)

Fiesco (reißt sie auseinander). Haltet! haltet! Soll Genua Sklaven seine Freiheit verdanken? Soll unser Gold durch dieses schlechte Metall seinen guten Klang verlieren? (Er befreit sie.) Sie, meine Herren, nehmen so lang mit einem Zimmer in meinem Schloß vorlieb, bis unsre Sachen entschieden sind. (Zur Wache.) Zween Arrestanten! Ihr haftet für sie! Zwei scharfe Posten an ihre Schwelle! (Sie werden abgeführt.)

Schildwachen am Hofthor. Wer draußen? (Man pocht.)

Calcagno (ruft ängstlich). Schließt auf! Ein Freund! Schließt um
Gotteswillen auf!

Bourgognino. Es ist Calcagno. Was soll das »um Gotteswillen«?

Fiesco. Macht ihm auf, Soldaten.

Siebenter Auftritt

Vorige. Calcagno außer Athem, erschrocken.

Calcagno. Aus! aus! Fliehe, wer fliehen kann! Alles aus!

Bourgognino. Was aus? Haben sie Fleisch von Erz, sind unsre
Schwerter von Binsen?

Fiesco. Überlegung, Calcagno! Ein Mißverstand hier wäre nicht mehr zu vergeben.

Calcagno. Verrathen sind wir. Eine höllische Wahrheit. Ihr Mohr
Lavagna, der Schelm! Ich komme vom Palast der Signoria. Er hatte
Audienz beim Herzog. (Alle Nobili erblassen. Fiesco selbst
verändert die Farbe.)

Verrina (entschlossen gegen die Thorwachen). Soldaten! streckt mir die Hellebarden vor! Ich will nicht durch die Hände des Henkers sterben. (Alle Nobili rennen bestürzt durcheinander.)

Fiesco (gefaßter.) Wohin? Was macht ihr?—Geh in die Hölle, Calcagno—Es war ein blinder Schrecken, ihr Herrn—Weib! Das vor diesen Knaben zu sagen—Auch du, Verrina?—Bourgognino, du auch?—Wohin du?

Bourgognino (heftig). Heim, meine Bertha ermorden und wieder hier sein.

Fiesco (schlägt ein Gelächter auf). Bleibt! Haltet! Ist das der
Muth der Tyrannenmörder?—Meisterlich spieltest du deine Rolle,
Calcagno!—Merktet ihr nicht, daß diese Zeitung meine Veranstaltung
war?—Calcagno, sprechen Sie, war's nicht mein Befehl, daß Sie diese
Römer auf die Prob' stellen sollten?

Verrina. Nun, wenn du lachen kannst?—Ich will's glauben, oder dich nimmer für einen Menschen halten.

Fiesco. Schande über euch, Männer! In dieser Knabenprobe zu fallen! —Nehmt eure Waffen wieder—Ihr werdet wie Bären fechten, wollt ihr diese Scharte verwetzen. (Leise zu Calcagno.) Waren Sie selbst dort?

Calcagno. Ich drängte mich durch die Trabanten, meinem Auftrag gemäß die Parole beim Herzog zu holen—wie ich zurücktrete, bringt man den Mohren.

Fiesco (laut). Also der Alte ist zu Bette? Wir wollen ihn aus den
Federn trommeln (Leise.) Sprach er lang mit dem Herzog?

Calcagno. Mein erster Schreck und Eure nahe Gefahr ließen mich kaum zwei Minuten dort.

Fiesco (laut und munter). Sieh doch! wie unsre Landsleute noch zittern.

Calcagno. Sie hätten auch nicht so bald herausplatzen sollen.
(Leise.) Aber um Gotteswillen, Graf! was wird diese Nothlüge fruchten?

Fiesco. Zeit, Freund, und dann ist der erste Schreck jetzt vorüber. (Laut.) He! an soll Wein bringen! (Leise.) Und sahn Sie den Herzog erblassen? (Laut.) Frisch, Brüder, wir wollen noch eins Bescheid thun auf den Tanz dieser Nacht! (Leise.) Und sahn Sie den Herzog erblassen?

Calcagno. Des Mohren erstes Wort muß »Verschwörung« gelautet haben; der Alte trat schneebleich zurück.

Fiesco (verwirrt). Hum! Hum! der Teufel ist schlau, Calcagno—er verrieth nichts, bis das Messer an ihre Gurgel ging. Jetzt ist er freilich ihr Engel. Der Mohr ist schlau. (Man bringt ihm einen Becher Wein; er hält ihn gegen die Versammlung und trinkt.) Unser gutes Glück, Kameraden! (Man pocht.)

Schildwachen. Wer draußen?

Eine Stimme. Ordonnanz des Herzogs. (Die Nobili stürzen verzweifelnd im Hof herum.)

Fiesco (springt unter sie). Nein, Kinder! Erschreckt nicht!
erschreckt nicht! Ich bin hier. Hurtig! Schafft diese Waffen weg.
Seid Männer! ich bitte euch. Dieser Besuch läßt mich hoffen, daß
Andreas noch zweifelt. Geht hinein. Faßt euch. Schließt auf,
Soldaten. (Alle entfernen sich. Das Thor wird geöffnet.)

Achter Auftritt

Fiesco, als käm' er eben aus dem Schloß. Drei Deutsche, die den
Mohren gebunden bringen.

Fiesco. Wer rief mich in den Hof?

Deutscher. Führt uns zum Grafen.

Fiesco. Der Graf ist hier. Wer begehrt mich?

Deutscher (macht die Honneurs vor ihm). Einen guten Abend vom Herzog. Diesen Mohren liefert er Euer Gnaden gebunden aus. Er habe schändlich herausgeplaudert. Das Weitere sagt der Zettel.

Fiesco (nimmt ihn gleichgültig.) Und hab' ich dir nicht erst heut die
Galeere verkündigt? (Zum Deutschen.) Es ist gut, Freund. Meinen
Respect an den Herzog.

Mohr (ruft ihnen nach). Und auch meinerseits einen, und sag' ihm—dem Herzog—wenn er keinen Esel geschickt hätte, so würd' er erfahren haben, daß im Schloß zweitausend Soldaten stecken. (Deutsche gehen ab. Nobili kommen zurück.)

Neunter Auftritt

Fiesco. Verschworene. Mohr trotzig in der Mitte.

Verschworene (fahren bebend zurück beim Anblick des Mohren). Ha! was ist das?

Fiesco (hat das Billet gelesen, mit verbissenem Zorn). Genueser! die
Gefahr ist vorbei—aber auch die Verschwörung.

Verrina (ruft erstaunt aus). Was? Sind die Doria todt?

Fiesco (in heftiger Bewegung). Bei Gott! auf die ganze Kriegsmacht der Republik—auf Das war ich nicht gefaßt. Der alte schwächliche Mann schlägt mit vier Zeilen dritthalbtausend Mann. (Läßt kraftlos die Hände sinken.) Doria schlägt den Fiesco.

Bourgognino. So sprechen Sie doch! Wir erstarren.

Fiesco (liest). »Lavagna, Sie haben, däucht mich, Ein Schicksal mit mir—Wohlthaten werden Ihnen mit Undank belohnt. Dieser Mohr warnt mich vor einem Komplott—Ich sende ihn hier gebunden zurück und werde heute Nacht ohne Leibwache schlafen.« (Er läßt das Papier fallen. Alle sehen sich an.)

Verrina. Nun, Fiesco?

Fiesco (mit Adel). Ein Doria soll mich an Großmuth besiegt haben?
Eine Tugend fehlt im Stamm der Fiesker?—Nein! so wahr ich ich selber
bin!—Geht auseinander, ihr! Ich werde hingehen—und Alles bekennen.
(Will hinausstürzen.)

Verrina (hält ihn auf). Bist du wahnsinnig, Mensch? War es denn irgend ein Bubenstreich, den wir vorhatten? Halt! oder war's nicht Sache des Vaterlands! Halt! oder wolltest du nur dem Andreas zu Leibe, nicht dem Tyrannen? Halt! sag' ich—ich verhafte dich als einen Verräther des Staats-Verschworne. Bindet ihn! werft ihn zu Boden!

Fiesco (reißt Einem ein Schwert weg und macht sich Bahn). Sachte doch! Wer ist der Erste, der das Halfter über den Tiger wirft?—Seht, ihr Herrn—Frei bin ich—könnte durch, wo ich Luft hätte—Jetzt will ich bleiben, denn ich habe mich anders besonnen.

Bourgognino. Auf Ihre Pflicht besonnen?

Fiesco (aufgebracht, mit Stolz). Ha, Knabe! Lernen Sie erst die Ihrige
gegen mich auswendig, und mir nimmer das!—Ruhig, ihr Herrn—es bleibt
Alles wie vor.—(Zum Mohren, dessen Stricke er zerhaut.) Du hast das
Verdienst, eine große That zu veranlassen—Entfliehe!

Calcagno (zornig). Was? was? Leben soll der Heide? leben und uns alle verrathen haben?

Fiesco. Leben und euch allen—bang gemacht haben. Fort, Bursche! Sorge, daß du Genua auf den Rücken kriegst, man könnte seinen Muth an dir retten wollen.

Mohr. Das heißt, der Teufel läßt keinen Schelmen sitzen!—Gehorsamer Diener, ihr Herrn!—Ich merke schon, in Italien wächst mein Strick nicht. Ich muß ihn anderswo suchen. (Ab mit Gelächter.)

Zehnter Auftritt

Bedienter kommt. Vorige ohne den Mohren.

Bedienter. Die Gräfin Imperiali fragen schon dreimal nach Euer
Gnaden.

Fiesco. Potz tausend! Die Komödie wird freilich wohl angehen müssen! Sag' ihr, ich bin unverzüglich dort—Bleib—Meine Frau bittest du, in den Concertsaal zu treten und mich hinter den Tapeten zu erwarten. (Bedienter ab.) Ich habe hier euer Aller Rollen zu Papier gebracht; wenn Jeder die seinige erfüllt, so ist nichts mehr zu sagen—Verrina wird voraus in den Hafen gehen und mit einer Kanone das Signal zum Ausbruch geben, wenn die Schiffe erobert sind.—Ich gehe; mich ruft noch eine große Verrichtung. Ihr werdet ein Glöckchen hören und alle miteinander in meinen Concertsaal kommen—Indeß geht hinein—und laßt euch meinen Cyprier schmecken. (Sie gehen auseinander.)

Eilfter Auftritt

Concertsaal—Leonore. Arabella. Rosa. Alle beängstigt.

Leonore. In den Concertsaal versprach Fiesco zu kommen, und kommt nicht. Eilf Uhr ist vorüber. Von Waffen und Menschen dröhnt fürchterlich der Palast, und kommt kein Fiesco?

Rosa. Sie sollen sich hinter die Tapeten verstecken—Was der gnädige
Herr damit wollen mag?

Leonore. Er will's, Rosa, ich weiß also genug, um gehorsam zu sein. Bella, genug, um ganz außer Furcht zu sein—Und doch! doch zittr' ich so sehr, Bella, und mein Herz klopft so schrecklich bang. Mädchen, um Gotteswillen! gehe keines von meiner Seite.

Bella. Fürchten Sie nichts. Unsre Angst bewacht unsern Fürwitz.

Leonore. Worauf mein Auge stößt, begegnen mir fremde Gesichter, wie
Gespenster hohl und verzerrt. Wen ich anrufe, zittert wie ein
Ergriffener und flüchtet sich in die dichteste Nacht, diese gräßliche
Herberge des bösen Gewissens. Was man antwortet, ist ein halber
heimlicher Laut, der auf bebender Zunge noch ängstlicher zweifelt, ob
er auch kecklich entwischen darf.—Fiesco?—Ich weiß nicht, was hier
Grauenvolles geschmiedet wird—Nur meinen Fiesco (mit Grazie ihre
Hände faltend) umflattert, ihr himmlischen Mächte!

Rosa (zusammengeschreckt). Jesus! Was rauscht in der Galerie?

Bella. Es ist der Soldat, der dort Wache steht. (Die Schildwache ruft außen: »Wer da?« Man antwortet.)

Leonore. Leute kommen! Hinter die Tapete! Geschwind! (Sie verstecken sich.)

Zwölfter Auftritt

Julia. Fiesco im Gespräch.

Julia (sehr zerstört). Hören Sie auf, Graf! Ihre Galanterieen fallen nicht mehr in achtlose Ohren, aber in ein siedendes Blut—Wo bin ich? Hier ist Niemand als die verführerische Nacht. Wohin haben Sie mein verwahrlostes Herz geplaudert?

Fiesco. Wo die verzagte Leidenschaft kühner wird, und Wallungen freier mit Wallungen reden.

Julia. Halt ein, Fiesco. Bei Allem, was heilig ist, nicht weiter! Wäre die Nacht nicht so dichte, du würdest meine flammrothen Wangen sehen und dich erbarmen.

Fiesco. Weit gefehlt, Julia! Eben dann würde meine Empfindung die Feuerfahne der deinigen gewahr und lief' desto muthiger über. (Er küßt ihr heftig die Hand.)

Julia. Mensch, dein Gesicht brennt fiebrisch, wie dein Gespräch. Weh, auch aus dem meinigen, ich fühl's, schlägt wildes, frevelndes Feuer. Laß uns das Licht suchen, ich bitte. Die aufgewiegelten Sinne könnten den gefährlichen Wink dieser Finsterniß merken. Geh! diese gährenden Rebellen könnten hinter dem Rücken des verschämten Tages ihre gottlosen Künste treiben. Geh unter Menschen, ich beschwöre dich.

Fiesco (zudringlicher). Wie ohne Noth besorgt, meine Liebe! Wird je die Gebieterin ihren Sklaven fürchten?

Julia. Über euch Männer und den ewigen Widerspruch! Als wenn ihr nicht die gefährlichsten Sieger wäret, wenn ihr euch unsrer Eigenliebe gefangen gebt. Soll ich dir Alles gestehen, Fiesco? daß nur mein Laster meine Tugend bewahrte? nur mein Stolz deine Künste verlachte? nur bis hieher meine Grundsätze Stand hielten? Du verzweifelst an deiner List und nimmst deine Zuflucht zu Julias Blut. Hier verlassen sie mich.

Fiesco (leichtfertig dreist). Und was verlorst du bei diesem
Verluste?

Julia (aufgeregt und mit Hitze). Wenn ich den Schlüssel zu meinem weiblichen Heiligthum an dich vertändle, womit du mich schamroth machst, wenn du willst? Was hab' ich weniger zu verlieren, als Alles? Willst du mehr wissen, Spötter? Das Bekenntniß willst du noch haben, daß die ganze geheime Weisheit unsers Geschlechts nur eine armselige Vorkehrung ist, unsere tödtliche Seite zu entsetzen, die doch zuletzt allein von euren Schwüren belagert wird, die (ich gesteh' es erröthend ein) so gern erobert sein möchte, so oft beim ersten Seitenblick der Tugend den Feind verrätherisch empfängt?—daß alle unsere weiblichen Künste einzig für dieses wehrlose Stichblatt fechten, wie auf dem Schach alle Officiere den wehrlosen König bedecken? Überrumpelst du diesen—Matt! und wird getrost das ganze Brett durcheinander. (Nach einer Pause mit Ernst.) Du hast das Gemäld' unsrer prahlerischen Armuth—Sei großmüthig!

Fiesco. Und doch, Julia—Wo besser als in meiner unendlichen
Leidenschaft kannst du diesen Schatz niederlegen?

Julia. Gewiß nirgends besser, und nirgends schlimmer—Höre, Fiesco, wie lang wird diese Unendlichkeit währen?—Ach! schon zu unglücklich hab' ich gespielt, daß ich nicht auch mein Letztes noch setzen sollte—Dich zu fangen, Fiesco, muthete ich dreist meinen Reizen zu; und ich mißtraue ihnen die Allmacht, dich festzuhalten—Pfui doch, was red' ich da? (Sie tritt zurück und hält die Hände vors Gesicht.)

Fiesco. Zwei Sünden in einem Athem. Das Mißtrauen in meinen Geschmack, oder das Majestätsverbrechen gegen deine Liebenswürdigkeit—was von beiden ist schwerer zu vergeben?

Julia (matt, unterliegend, mit beweglichem Ton). Lügen sind nur die Waffen der Hölle—die bracht Fiesco nicht mehr, seine Julia zu fällen. (Sie fällt erschöpft in einen Sopha, nach einer Pause feierlich.) Höre, laß dir noch ein Wörtchen sagen, Fiesco—Wir sind Heldinnen, wenn wir unsere Tugend noch sicher wissen:—wenn wir sie vertheidigen, Kinder; (ihm starr und wild unter die Augen) Furien, wenn wir sie rächen—Höre. Wenn du mich kalt würgtest, Fiesco?

Fiesco (nimmt einen aufgebrachten Ton an). Kalt? kalt?—Nun, bei Gott! was fordert denn die unersättliche Eitelkeit des Weibs, wenn es einen Mann vor sich kriechen sieht und noch zweifelt? Ha, er erwacht wieder, ich fühle, (den Ton in Kälte verändert) noch zu rechter Zeit gehen mir die Augen auf—Was war's, das ich eben erbetteln wollte?—Die kleinste Erniedrigung eines Mannes ist gegen die höchste Gunst eines Weibs weggeworfen! (Zu ihr mit tiefer, frostiger Verbeugung.) Fassen Sie Muth, Madame! Jetzt sind Sie sicher.

Julia (bestürzt). Graf? Welche Anwandlung!

Fiesco (äußerst gleichgültig). Nein, Madame! Sie haben vollkommen recht, wir Beide haben die Ehre nur einmal auf dem Spiel. (Mit einem höflichen Handkuß.) Ich habe das Vergnügen, Ihnen bei der Gesellschaft meinen Respect zu bezeugen. (Er will schnell fort.)

Julia (ihm nach, reißt ihn zurück). Bleib! Bist du rasend? Bleib! Muß ich es denn sagen—heraussagen, was das ganze Männervolk auf den Knieen—in Thränen—auf der Folterbank meinem Stolz nicht abdringen sollte?—Weh! auch dies dichte Dunkel ist zu licht, diese Feuersbrunst zu bergen, die das Geständniß auf meinen Wangen macht—Fiesco—O, ich bohre durchs Herz meines ganzen Geschlechts—mein ganzes Geschlecht wird mich ewig hassen—Ich bete dich an, Fiesco! (Fällt vor ihm nieder.)

Fiesco (weicht drei Schritte zurück, läßt sie liegen und lacht triumphierend auf). Das bedaur' ich, Signora. (Er zieht die Glocke, hebt die Tapete auf und führt Leonoren hervor.) Hier ist meine Gemahlin—ein göttliches Weib! (Er fällt Leonoren in den Arm.)

Julia (springt schreiend vom Boden). Ah! unerhört betrogen!

Dreizehnter Auftritt

Die Verschwornen, welche zumal hereintreten. Damen von der andern
Seite. Fiesco. Leonore und Julia.

Leonore. Mein Gemahl, das war allzu streng.

Fiesco. Ein schlechtes Herz verdiente nicht weniger. Deinen Thränen war ich diese Genugthuung schuldig. (Zur Versammlung.) Nein, meine Herrn und Damen, ich bin nicht gewohnt, bei jedem Anlaß in kindische Flammen aufzuprasseln, Die Thorheiten der Menschen belustigen mich lange, eh sie mich reizen. Diese verdient meinen ganzen Zorn, denn sie hat diesem Engel dieses Pulver gemischt. (Er zeigt das Gift der Versammlung, die mit Abscheu zurücktritt.)

Julia (ihre Wuth in sich beißend). Gut! Gut! Sehr gut, mein Herr!
(Will fort.)

Fiesco (führt sie am Arm zurück). Sie werden Geduld haben, Madame—Noch sind wir nicht fertig—Diese Gesellschaft möchte gar zu gern wissen, warum ich meinen Verstand so verleugnen konnte, den tollen Roman mit Genuas größter Närrin zu spielen-Julia (aufspringend). Es ist nicht auszuhalten! Doch zittre du! (Drohend. ) Doria donnert in Genua, und ich—bin seine Schwester.

Fiesco. Schlimm genug, wenn das Ihre letzte Galle ist—Leider muß ich Ihnen die Botschaft bringen, daß Fiesco von Lavagna aus dem gestohlenen Diadem Ihres durchlauchtigsten Bruders einen Strick gedreht hat, womit er den Dieb der Republik diese Nacht aufzuhängen gesonnen ist. (Da sie sich entfärbt, lacht er hämisch auf.) Pfui, das kam unerwartet—und sehen Sie! (indem er beißender fortfährt) darum fand ich es für nöthig, den ungebetenen Blicken Ihres Hauses etwas zu schaffen zu geben; darum behängt' ich mich (auf sie deutend) mit dieser Harlekinsleidenschaft, darum (auf Leonoren zeigend) ließ ich diesen Edelstein fallen, und mein Wild rannte glücklich in den blanken Betrug—Ich dank' für Ihre Gefälligkeit, Signora, und gebe meinen Theaterschmuck ab. (Er überliefert ihren Schattenriß mit einer Verbeugung.)

Leonore (schmiegt sich bittend an den Fiesco). Mein Ludovico, sie weint. Darf Ihre Leonore Sie zitternd bitten?

Julia (trotzig zu Leonoren). Schweig! du Verhaßte-Fiesco (zu einem Bedienten). Sei Er galant, Freund—biete Er dieser Dame den Arm an; sie hat Lust, mein Staatsgefängniß zu sehen. Er steht mir davor, daß Madonna von Niemand incommodiert wird—draußen geht eine scharfe Luft—der Sturm, der heute Nacht den Stamm Doria spaltet, möchte ihr leicht—den Haarputz verderben.

Julia (schluchzend). Die Pest über dich, schwarzer heimtückischer
Heuchler! (Zu Leonoren grimmig.) Freue dich deines Triumphs nicht,
auch dich wird er verderben, und sich selbst und—verzweifeln!
(Stürzt hinaus.)

Fiesco (winkt den Gästen). Sie waren Zeugen—Retten Sie meine Ehre in Genua! (Zu den Verschwornen.) Ihr werdet mich abholen, wenn die Kanone kommt. (Alle entfernen sich.)

Vierzehnter Auftritt

Leonore. Fiesco.

Leonore (tritt ihm ängstlich näher). Fiesco?—Fiesco?—Ich verstehe
Sie nur halb, aber ich fange an zu zittern.

Fiesco (wichtig). Leonore—ich sahe Sie einst einer Genueserin zur Linken gehen—Ich sahe Sie in den Assembleen des Adels mit dem zweiten Handkuß der Ritter vorlieb nehmen. Leonore—das that meinen Augen weh. Ich beschloß, es soll nicht mehr sein—es wird aufhören. Hören Sie das kriegerische Getöse in meinen Schloß? Was Sie fürchten, ist wahr—Gehn Sie zu Bette, Gräfin—morgen will ich—die Herzogin wecken.

Leonore (schlägt beide Arme zusammen und wirft sich in einen Sessel).
Gott! meine Ahnung! Ich bin verloren!

Fiesco (gesetzt, mit Würde). Lassen Sie mich ausreden, Liebe! Zwei meiner Ahnherrn trugen die dreifache Krone; das Blut der Fiesker fließt nur unter dem Purpur gesund. Soll Ihr Gemahl nur geerbten Glanz von sich werfen? (Lebhafter.) Was? Soll er sich für all seine Hoheit beim gaukelnden Zufall bedanken, der in einer erträglichen Laune aus modernden Verdiensten einen Johann Ludwig Fiesco zusammenflickte? Nein, Leonore! Ich bin zu stolz, mir etwas schenken zu lassen, was ich noch selbst zu erwerben weiß. Heute Nacht werf' ich meinen Ahnen den geborgten Schmuck in ihr Grab zurück—Die Grafen von Lavagna starben aus—Fürsten beginnen.

Leonore (schüttelt den Kopf, still phantasierend). Ich sehe meinen Gemahl an tiefen tödtlichen Wunden zu Boden fallen—(Hohler.) Ich sehe die stummen Träger den zerrissenen Leichnam meines Gemahls mir entgegen tragen. (Erschrocken aufspringend.) Die erste—einzige Kugel fliegt durch die Seele Fiescos.

Fiesco (faßt sie liebevoll bei der Hand). Ruhig, mein Kind. Das wird die einzige Kugel nicht.

Leonore (blickt ihn ernsthaft an). So zuversichtlich ruft Fiesco den Himmel heraus? Und wäre der tausendmaltausendste Fall nur der mögliche, so könnte der tausendmaltausendste wahr werden, und mein Gemahl wäre verloren—Denke, du spieltest um den Himmel, Fiesco. Wenn eine Billion Gewinnste für einen einzigen Fehler fiel', würdest du dreist genug sein, die Würfel zu schütteln und die freche Wette mit Gott einzugehen? Nein, mein Gemahl! wenn auf dem Brett Alles liegt, ist jeder Wurf Gotteslästerung.

Fiesco (lächelt). Sei unbesorgt, das Glück und ich stehen besser.

Leonore. Sagst du das—und standest bei jenem geisterverzerrenden Spiele—ihr nennt es Zeitvertreib—sahest zu der Betrügerin, wie sie ihren Günstling mit kleinen Glückskarten lockte, bis er warm ward, aufstand, die Bank forderte—und ihn jetzt im Wurf der Verzweiflung verließ—O mein Gemahl! du gehst nicht hin, dich den Genuesern zu zeigen und angebetet zu werden. Republikaner aus ihrem Schlaf aufzujagen, das Roß an seine Hufe zu mahnen, ist kein Spaziergang, Fiesco. Traue diesen Rebellen nicht. Die Klugen, die dich aufhetzten, fürchten dich. Die Dummen, die dich vergötterten, nützen dir wenig, und wo ich hinsehe ist Fiesco verloren.

Fiesco (mit starken Schritten im Zimmer). Kleinmuth ist die höchste
Gefahr. Größe will auch ein Opfer haben.

Leonore. Größe, Fiesco?—Daß dein Genie meinem Herzen so übel will! —Sieh! Ich vertraue deinem Glück, du siegst, will ich sagen—Weh dann mir Ärmsten meines Geschlechts! Unglückselig, wenn es mißlingt! wenn es glückt, unglückseliger! Hier ist keine Wahl, mein Geliebter! Wenn er den Herzog verfehlt, ist Fiesco verloren. Mein Gemahl ist hin, wenn ich den Herzog umarme.

Fiesco. Das verstehe ich nicht.

Leonore. Doch, mein Fiesco! In dieser stürmischen Zone des Throns verdorret das zarte Pflänzchen der Liebe. Das Herz eines Menschen, und wär' auch selbst Fiesco der Mensch, ist zu enge für zwei allmächtige Götter—Götter, die sich so gram sind. Liebe hat Thränen, und kann Thränen verstehen; Herrschsucht hat eherne Augen, worin ewig nie die Empfindung perlt—Liebe hat nur ein Gut, thut Verzicht auf die ganze übrige Schöpfung: Herrschsucht hungert beim Raube der ganzen Natur—Herrschsucht zertrümmert die Welt in ein rasselndes Kettenhaus, Liebe träumt sich in jede Wüste Elysium.—Wolltest du jetzt an meinem Busen dich wiegen, pochte ein störriger Vasalle an dein Reich—Wollt' ich jetzt in deine Arme mich werfen, hörte deine Despotenangst einen Mörder aus den Tapeten hervorrauschen und jagte dich flüchtig von Zimmer zu Zimmer. Ja, der großäugige Verdacht steckte zuletzt auch die häusliche Eintracht an—Wenn deine Leonore dir jetzt einen Labetrank brächte, würdest du den Kelch mit Verzuckungen wegstoßen und die Zärtlichkeit eine Giftmischerin schelten.

Fiesco (bleibt mit Entsetzen stehen). Leonore, hör auf! Das ist eine häßliche Vorstellung-Leonore. Und doch ist das Gemälde nicht fertig. Ich würde sagen, opfre die Liebe der Größe, opfre die Ruhe—wenn nur Fiesco noch bleibt—Gott! das ist Radstoß!—Selten stiegen Engel auf den Thron, seltner herunter. Wer keinen Menschen zu fürchten braucht, wird er sich eines Menschen erbarmen? Wer an jeden Wunsche einen Donnerkeil heften kann, wird er für nöthig finden, ihm ein sanftes Wörtchen zum Geleite zu geben? (Sie hält inne, dann tritt sie bescheiden zu ihm und faßt seine Hand; mit feinster Bitterkeit.) Fürsten, Fiesco? diese mißrathenen Projecte der wollenden und nicht könnenden Natur—sitzen so gern zwischen Menschheit und Gottheit nieder;—heillose Geschöpfe! schlechtere Schöpfer!

Fiesco (stürzt sich beunruhigt durchs Zimmer). Leonore, hör' auf! Die Brücke ist hinter mir abgehoben-Leonore (blickt ihn schmachtend an). Und warum, mein Gemahl? Nur Thaten sind nicht mehr zu tilgen. (Schmelzend zärtlich und etwas schelmisch.) Ich hörte dich wohl einst schwören, meine Schönheit habe alle deine Entwürfe gestürzt—du hast falsch geschworen, du Heuchler, oder sie hat frühzeitig abgeblüht—Frage dein Herz, wer ist schuldig? (Feuriger, indem sie ihn mit beiden Armen umfaßt.) Komm zurücke! Ermanne dich! Entsage! Die Liebe soll dich entschädigen. Kann mein Herz deinen ungeheuren Hunger nicht stillen—o Fiesco! das Diadem wird noch ärmer sein. —(Schmeichelnd.) Komm! ich will alle deine Wünsche auswendig lernen, will alle Zauber der Natur in einen Kuß der Liebe zusammenschmelzen, den erhabenen Flüchtling ewig in diesen himmlischen Banden zu halten—dein Herz ist unendlich—auch die Liebe ist es, Fiesco. (Schmelzend.) Ein armes Geschöpf glücklich zu machen—ein Geschöpf, das seinen Himmel an deinem Busen lebt—sollte das eine Lücke in deinem Herzen lassen?

Fiesco (durch und durch erschüttert). Leonore, was hast du gemacht? (Er fällt ihr kraftlos um den Hals.) Ich werde keinem Genueser mehr unter die Augen treten-Leonore (freudig rasch). Laß uns fliehen, Fiesco, laß in den Staub uns werfen all diese prahlenden Nichts, laß in romantischen Fluren ganz der Liebe uns leben! (Sie drückt ihn an ihr Herz mit schöner Entzückung.) Unsre Seelen, klar, wie über uns das heitre Blau des Himmels, nehmen dann den schwarzen Hauch des Grams nicht mehr an—Unser Leben rinnt dann melodisch wie die flötende Quelle zum Schöpfer—(Man hört den Kanonenschuß. Fiesco springt los. Alle Verschwornen treten in den Saal.)

Fünfzehnter Auftritt

Verschworne. Die Zeit ist da!

Fiesco (zu Leonoren, fest). Lebe wohl! Ewig—oder Genua liegt morgen zu deinen Füßen. (Will fortstürzen.)

Bourgognino (schreit). Die Gräfin sinkt um. (Leonore in Ohnmacht.
Alle springen hin, sie zu halten. Fiesco vor ihr niedergeworfen.)

Fiesco (mit schneidendem Ton). Leonore! Rettet! um Gotteswillen! Rettet! (Rosa, Bella kommen, sie zurecht zu bringen.) Sie schlägt die Augen auf—(Er springt entschlossen in die Höh'.) Jetzt kommt—sie dem Doria zuzudrücken. (Verschworne stürzen zum Saal hinaus. Vorhang fällt.)

Fünfter Aufzug

Nach Mitternacht.—Große Straße in Genua—Hie und da leuchten Lampen an einigen Häusern, die nach und nach auslöschen—Im Hintergrund der Bühne sieht man das Thomasthor, das noch geschlossen ist. In perspectivischer Ferne die See.—Einige Menschen gehen mit Handlaternen über den Platz, darauf die Runde und Patrouille—Alles ist ruhig. Nur das Meer wallt etwas ungestüm.

Erster Auftritt

Fiesco kommt gewaffnet und bleibt vor dem Palast des Andreas Doria stehen. Darauf Andreas.

Fiesco. Der Alte hat Wort gehalten—im Palast alle Lichter aus. Die
Wachen sind fort. Ich will läuten. (Läutet.) He! holla! Wach' auf,
Doria! Verrathner, verkaufter Doria, wach' auf! Holla! Holla!
Holla! Wach' auf!

Andreas (erscheint auf dem Altane). Wer zog die Glocke?

Fiesco (mit veränderter Stimme). Frage nicht! Folge! Dein Stern geht unter, Herzog, Genua steht auf wider dich! Nahe sind deine Henker, und du kannst schlafen, Andreas?

Andreas (mit Ehre). Ich besinne mich, wie die zürnende See mit meiner Bellona zankte, daß der Kiel krachte und der oberste Mast brach—Andreas Doria schlief sanft. Wer schickt die Henker?

Fiesco. Ein Mann, furchtbarer als deine zürnende See, Johann Ludwig
Fiesco.

Andreas (lacht). Du bist bei Laune, Freund. Bring deine Schwänke bei Tag. Mitternacht ist eine ungewöhnliche Stunde.

Fiesco. Du höhnst deinen Warner?

Andreas. Ich dank' ihm und geh zu Bette. Fiesco hat sich schläfrig geschwelgt und hat keine Zeit für Doria übrig.

Fiesco. Unglücklicher alter Mann—traue der Schlange nicht! Sieben Farben ringen auf ihrem spiegelnden Rücken—du nahst—und gählings schnürt dich der tödliche Wirbel. Den Wink eines Verräthers verlachtest du. Verlache den Rath eines Freundes nicht. Ein Pferd steht gesattelt in deinem Hof. Fliehe bei Zeit! Verlache den Freund nicht!

Andreas. Fiesco denkt edel. Ich hab' ihn niemal beleidigt, und
Fiesco verräth mich nicht.

Fiesco. Denkt edel, verräth dich, und gab dir Proben von Beidem.

Andreas. So steht eine Leibwache da, die kein Fiesco zu Boden wirft, wenn nicht Cherubim unter ihm dienen.

Fiesco (hämisch). Ich möchte sie sprechen, einen Brief in die
Ewigkeit zu bestellen.

Andreas (groß). Armer Spötter, hast du nie gehört, daß Andreas Doria
Achtzig alt ist, und Genua—glücklich? (Er verläßt die Altane.)

Fiesco (blickt ihm erstaunt nach). Mußt' ich diesen Mann erst stürzen, eh' ich lerne, daß es schwerer ist, ihm zu gleichen? (Er geht einige Schritte tiefsinnig auf und nieder.) Nun, ich machte Größe mit Größe wett—Wir sind fertig, Andreas, und nun, Verderben, gehe deinen Gang.

(Er eilt in die hinterste Gasse—Trommeln tönen von allen Enden. Scharfes Gefecht am Thomasthor. Das Thor wird gesprengt und öffnet die Aussicht in den Hafen, worin Schiffe liegen, mit Fackeln erleuchtet.)

Zweiter Auftritt

Gianettino Doria in einen Scharlachmantel geworfen. Lomellin.
Bediente voraus mit Fackeln. Alle hastig.

Gianettino (steht still). Wer befahl, Lärmen zu schlagen?

Lomellin. Auf den Galeeren krachte eine Kanone.

Gianettino. Die Sklaven werden ihre Ketten reißen. (Schüsse am
Thomasthor.)

Lomellin. Feuer dort!

Gianettino. Thor offen! Wachen in Aufruhr! (Zu den Bedienten.)
Hurtig, Schurken! Leuchtet dem Hafen zu! (Eilen gegen das Thor.)

Dritter Auftritt

Vorige. Bourgognino mit Verschwornen, die vom Thomasthor kommen.

Bourgognino. Sebastian Lescaro ist ein wackrer Soldat.

Zenturione. Wehrte sich wie ein Bär, bis er niederfiel.

Gianettino (tritt bestürzt zurück). Was hör' ich da?—Haltet!

Bourgognino. Wer dort mit dem Flambeau?

Lomellin. Es sind Feinde, Prinz! Schleichen Sie links weg.

Bourgognino (ruft hitzig an). Wer da mit dem Flambeau?

Zenturione. Steht! Eure Losung!

Gianettino (zieht das Schwert, trotzig). Unterwerfung und Doria.

Bourgognino (schäumend, fürchterlich). Räuber der Republik und meiner Braut! (Zu den Verschwornen, indem er auf Gianettino stürzt.) Ein Gang Profit, Brüder! Seine Teufel liefern ihn selbst aus. (Er stößt ihn nieder.)

Gianettino (fällt mit Gebrüll). Mord! Mord! Mord! Räche mich,
Lomellin!

Lomellin. Bediente (fliehend). Hilfe! Mörder! Mörder!

Zenturione (ruft mit starker Stimme). Er ist getroffen. Haltet den
Grafen auf! (Lomellin wird gefangen.)

Lomellin (knieend). Schont meines Lebens, ich trete zu euch über!

Bourgognino. Lebt dieses Unthier noch? Die Memme mag fliehen.
(Lomellin entwischt.)

Zenturione. Thomasthor unser! Gianettino kalt! Rennt, was ihr rennen könnt! Sagt's dem Fiesco an!

Gianettino (bäumt sich krampfig in die Höh). Pest! Fiesco—(Stirbt.)

Bourgognino (reißt den Stahl aus dem Leichnam). Genua frei und meine
Bertha—Dein Schwert, Zenturione. Dies blutige bringst du meiner
Braut. Ihr Kerker ist gesprengt. Ich werde nachkommen und ihr den
Brautkuß gegen. (Eilen ab zu verschiedenen Straßen.)

Vierter Auftritt

Andreas Doria. Deutsche.

Deutscher. Der Sturm zog sich dorthin. Werft Euch zu Pferd, Herzog.

Andreas. Laß mich noch einmal Genuas Thürme schauen und den Himmel!
Nein, es ist kein Traum, und Andreas ist verrathen.

Deutscher. Feinde um und um! Fort! Flucht über die Grenze!

Andreas (wirft sich auf den Leichnam seines Neffen). Hier will ich enden. Rede Keiner von Fliehen. Hier liegt die Kraft meines Alters. Meine Bahn ist aus. (Calcagno fern mit Verschwornen.)

Deutscher. Mörder dort! Mörder! Flieht, alter Fürst!

Andreas (da die Trommeln wieder anfangen). Höret, Ausländer! Höret! das sind die Genueser, deren Joch ich brach. (Verhüllt sich.) Vergilt man auch so in Eurem Lande?

Deutscher. Fort! Fort! Fort! indeß unsre deutschen Knochen
Scharten in ihre Klingen schlagen. (Calcagno näher.)

Andreas. Rettet euch! Laßt mich! Schreckt Nationen mit der Schauerpost: die Genueser erschlugen ihren Vater-Deutscher. Mord! Zum Erschlagen hat's noch Weile—Kameraden, steht! Nehmt den Herzog in die Mitte! (Ziehen.) Peitscht diesen welschen Hunden Respect vor einem Graukopf ein-Calcagno (ruft an). Wer da? Was gibt's da?

Deutsche (hauen ein). Deutsche Hiebe! (Gehen fechtend ab.
Gianettinos Leichnam wird hinweggebracht.)

Fünfter Auftritt

Leonore in Mannskleidern. Arabella hinter ihr her. Beide schleichen ängstlich hervor.

Arabella. Kommen Sie, gnädige Frau, o kommen Sie doch-Leonore. Da hinaus wüthet der Aufruhr—Horch! war das nicht eines Sterbenden Ächzen?—Weh! sie umzingeln ihn—Auf Fiescos Herz deuten ihre gähnenden Rohre—Auf das meinige, Bella—Sie drücken ab—Haltet! haltet! Es ist mein Gemahl! (Wirft ihre Arme schwärmend in die Luft.)

Arabella. Aber um Gotteswillen-Leonore (immer wilder phantasierend, nach allen Gegenden schreiend). Fiesco!—Fiesco!—Fiesco!—Sie weichen hinter ihm ab, seine Getreuen—Rebellentreue ist wankend. (Heftig erschrocken.) Rebellen führt mein Gemahl? Bella? Himmel? Ein Rebell kämpft mein Fiesco?

Arabella. Nicht doch, Signora, als Genuas furchtbarer Schiedsmann.

Leonore (aufmerksam). Das wäre Etwas—und Leonore hätte gezittert?
Den ersten Republikaner umarmte die feigste Republikanerin?—Geh,
Arabella—wenn die Männer um Länder sich messen, dürfen auch die
Weiber sich fühlen. (Man fängt wieder an zu trommeln.) Ich werfe
mich unter die Kämpfer.

Arabella (schlägt die Hände zusammen). Barmherziger Himmel!

Leonore. Sachte! Woran stößt sich mein Fuß? Hier ist ein Hut und
ein Mantel. Ein Schwert liegt dabei. (Sie wägt es.) Ein schweres
Schwert, meine Bella; doch schleppen kann ich's noch wohl, und das
Schwert macht seinem Führer nicht Schande. (Man läutet Sturm.)

Arabella. Hören Sie? hören Sie? das wimmert vom Thurm der
Dominicaner. Gott erbarme! wie fürchterlich!

Leonore (schwärmend). Sprich, wie entzückend! In dieser Sturmglocke spricht mein Fiesco mit Genua. (Man trommelt stärker.) Hurrah! Hurrah! Nie klangen mir Flöten so süß—Auch diese Trommeln belebe mein Fiesco—Wie mein Herz höher wallt! Ganz Genua wird munter—Miethlinge hüpfen hinter seinem Namen, und sein Weib sollte zaghaft thun? (Es stürmt auf drei andern Thürmen.) Nein! Eine Heldin soll mein Held umarmen—Mein Brutus soll eine Römerin umarmen. (Sie setzt den Hut auf und wirft den Scharlach um.) Ich bin Porcia.

Arabella. Gnädige Frau, Sie wissen nicht, wie entsetzlich Sie schwärmen. Nein, das wissen Sie nicht. (Sturmläuten und Trommeln.)

Leonore. Elende, die du Das alles hörst und nicht schwärmst! Weinen möchten diese Quader, daß sie die Beine nicht haben, meinem Fiesco zuzuspringen—Diese Paläste zürnen über ihren Meister, der sie so fest in die Erde zwang, daß sie meinem Fiesco nicht zuspringen können—Die Ufer, könnten sie's, verließen ihre Pflicht, gäben Genua dem Meere Preis und tanzten hinter seiner Trommel—Was den Tod aus seinen Windeln rüttelt, kann deinen Muth nicht wecken? Geh!—Ich finde meinen Weg.

Arabella. Großer Gott! Sie werden doch diese Grille nicht wahr machen wollen?

Leonore (stolz und heroisch). Das sollt' ich meinen, du Alberne—(Feurig.) Wo am wildesten das Getümmel wüthet, wo in Person mein Fiesco kämpft—Ist das Lavagna? hör' ich sie fragen—den Niemand bezwingen kann, der um Genua eiserne Würfel schwingt, ist das Lavagna?—Genueser! Er ist's, werd' ich sagen, und dieser Mann ist mein Gemahl, und ich hab' auch eine Wunde. (Sacco mit Verschwornen.)

Sacco (ruft an). Wer da? Doria oder Fiesco?

Leonore (begeistert). Fiesco und Freiheit! (Sie wirft sich in eine
Gasse. Auflauf. Bella wird weggedrängt.)

Sechster Auftritt

Sacco mit einem Haufen. Calcagno begegnet ihm mit einem andern.

Calcagno. Andreas Doria ist entflohen.

Sacco. Deine schlechteste Empfehlung bei Fiesco.

Calcagno. Bären, die Deutschen! pflanzten sich vor den Alten wie Felsen. Ich kriegte ihn gar nicht zu Gesicht. Neun von den Unsern sind fertig. Ich selbst bin am linken Ohrlappen gestreift. Wenn sie das fremden Tyrannen thun, alle Teufel! wie müssen sie ihre Fürsten bewachen!

Sacco. Wir haben schon starken Anhang, und alle Thore sind unser.

Calcagno. Auf der Burg, hör' ich, fechten sie scharf.

Sacco. Bourgognino ist unter ihnen. Was schafft Verrina?

Calcagno. Liegt zwischen Genua und dem Meer, wie der höllische
Kettenhund, daß kaum ein Anchove durch kann.

Sacco. Ich lass' in der Vorstadt stürmen.

Calcagno. Ich marschiere über die Piazza Sarzana. Rühr dich,
Tambour! (Ziehen unter Trommelschlag weiter.)

Siebenter Auftritt

Der Mohr. Ein Trupp Diebe mit Lunten.

Mohr. Daß ihr's wißt, Schurken! Ich war der Mann, der diese Suppe einbrockte—Mir gibt man keinen Löffel. Gut. Die Hatz ist mir eben recht. Wir wollen eins anzünden und plündern. Die drüben baxen sich um ein Herzogthum, wir heizen die Kirchen ein, daß die erfrornen Apostel sich wärmen.

(Werfen sich in die umliegenden Häuser.)

Achter Auftritt

Bourgognino. Bertha verkleidet.

Bourgognino. Hier ruhe aus, lieber Kleiner. Du bist in Sicherheit.
Blutest du?

Bertha (die Sprache verändert). Nirgends.

Bourgognino (lebhaft). Pfui, so steh auf! Ich will dich hinführen, wo man Wunden für Genua erntet—Schön, siehst du? wie diese. (Er streift seinen Arm auf.)

Bertha (zurückfahrend). O Himmel!

Bourgognino. Du erschrickst? Niedlicher Kleiner, zu früh eiltest du in den Mann—Wie alt bist du?

Bertha. Fünfzehn Jahr.

Bourgognino. Schlimm! Für diese Nacht fünf Jahre zu zärtlich—Den
Vater?

Bertha. Der beste Bürger in Genua.

Bourgognino. Gemach, Knabe! Das ist nur Einer, und seine Tochter ist meine verlobte Braut. Weißt du das Haus des Verrina?

Bertha. Ich dächte.

Bourgognino (rasch). Und kennst seine göttliche Tochter?

Bertha. Bertha heißt seine Tochter.

Bourgognino (hitzig). Gleich geh und überliefre ihr diesen Ring. Er
gelte den Trauring, sagst du, und der blaue Busch halte sich brav.
Jetzt fahre wohl! Ich muß dorthin. Die Gefahr ist noch nicht aus.
(Einige Häuser brennen.)

Bertha (ruft ihm nach mit sanfter Stimme). Scipio!

Bourgognino (steht betroffen still). Bei meinem Schwert! Ich kenne die Stimme.

Bertha (fällt ihm um den Hals). Bei meinem Herzen! Ich bin hier sehr bekannt.

Bourgognino (schreit). Bertha! (Sturmläuten in der Vorstadt.
Auflauf. Beide verlieren sich in einer Umarmung.)

Neunter Auftritt

Fiesco tritt hitzig auf. Zibo. Gefolge.

Fiesco. Wer warf das Feuer ein?

Zibo. Die Burg ist erobert.

Fiesco. Wer warf das Feuer ein?

Zibo (winkt dem Gefolge). Patrouillen nach dem Thäter! (Einige gehen.)

Fiesco (zornig). Wollen sie mich zum Mordbrenner machen? Gleich eilt mit Spritzen und Eimern! (Gefolge ab.) Aber Gianettino ist doch geliefert?

Zibo. So sagt man.

Fiesco (wild). Sagt man nur? Wer sagt das nur? Zibo, bei Ihrer
Ehre, ist er entronnen?

Zibo (bedenklich). Wenn ich meine Augen gegen die Aussagen eines
Edelmanns setzen kann, so lebt Gianettino.

Fiesco (auffahrend). Sie reden sich um den Hals, Zibo!

Zibo. Noch einmal—Ich sah ihn vor acht Minuten lebendig in gelbem
Busch und Scharlach herumgehn.

Fiesco (außer Fassung). Himmel und Hölle—Zibo!—den Bourgognino lass' ich um einen Kopf kürzer machen. Fliegen Sie, Zibo—Man soll alle Stadtthore sperren—alle Felouquen soll man zu Schanden schießen—so kann er nicht zu Wasser davon—diesen Demant, Zibo, den reichsten in Genua, Lucca, Venedig und Pisa,—wer mir die Zeitung bringt: Gianettino ist todt—er soll diesen Demant haben. (Zibo eilt ab.) Fliegen Sie, Zibo!

Zehnter Auftritt

Fiesco. Sacco. Der Mohr. Soldaten.

Sacco. Den Mohren fanden wie eine brennende Lunte in den Jesuiterdom werfen-Fiesco. Deine Verrätherei ging dir hin, weil sie mich traf. Auf Mordbrennereien steht der Strick. Führt ihn gleich ab, hängt ihn am Kirchthor auf.

Mohr. Pfui! Pfui! Pfui! Das kommt mir ungeschickt—Läßt sich nichts davon wegplaudern?

Fiesco. Nichts.

Mohr (vertraulich). Schickt mich einmal zur Prob auf die Galeere.

Fiesco (winkt den Andern). Zum Galgen.

Mohr (trotzig). So will ich ein Christ werden!

Fiesco. Die Kirche bedankt sich für die Blattern des Heidenthums.

Mohr (schmeichelnd). Schickt mich wenigstens besoffen in die
Ewigkeit.

Fiesco. Nüchtern.

Mohr. Aber hängt mich nur an keine christliche Kirche.

Fiesco. Ein Ritter hält Wort. Ich versprach dir deinen eigenen
Galgen.

Sacco (brummt). Nicht viel Federlesens, Heide! Man hat noch mehr zu thun.

Mohr. Doch—wenn halt allenfalls—der Strick bräche?-Fiesco (zum
Sacco). Man wird ihn doppelt nehmen.

Mohr (resigniert). So mag's sein—und der Teufel kann sich auf den Extrafall rüsten. (Ab mit Soldaten, die ihn in einiger Entfernung aufhenken.)

Eilfter Auftritt

Fiesco. Leonore erscheint hinten im Scharlachrock Gianettinos.

Fiesco (wird sie gewahr, fährt vor, fährt zurück und murmelt grimmig). Kenn' ich nicht diesen Busch und Mantel? (Eilt näher, heftig.) Ich kenne den Busch und Mantel! (Wüthend, indem er auf sie losstürzt und sie niederstößt.) Wenn du drei Leben hast, so steh wieder auf und wandle! (Leonore fällt mit einem gebrochenen Laut. Man hört einen Siegesmarsch. Trommeln, Hörner und Hoboen.)

Zwölfter Auftritt

Fiesco. Calcagno. Sacco. Zenturione. Zibo. Soldaten mit Musik und Fahnen treten auf.

Fiesco (ihnen entgegen im Triumph). Genueser—der Wurf ist geworfen—Hier liegt er, der Wurm meiner Seele—die gräßliche Kost meines Hasses. Hebet die Schwerter hoch!—Gianettino!

Calcagno. Und ich komme, Ihnen zu sagen, daß zwei Drittheile von Genua Ihre Partei ergreifen und zu Fieskischen Fahnen schwören-Zibo. Und durch mich schickt Ihnen Verrina vom Admiralschiff seinen Gruß und die Herrschaft über Hafen und Meer-Zenturione. Und durch mich der Gouverneur der Stadt seinen Commandostab und die Schlüssel-Sacco. Und in mir wirft sich (indem er niederfällt) der große und kleine Rath der Republik knieend vor seinen Herrn und bittet fußfällig um Gnade und Schonung-Calcagno. Mich laßt den Ersten sein, der den großen Sieger in seinen Mauern willkommen heißt—Heil Ihnen—Senket die Fahnen tief!—Herzog von Genua!

Alle (nehmen die Hüte ab). Heil, Heil dem Herzog von Genua!
(Fahnenmarsch.)

Fiesco (stand die ganze Zeit über, den Kopf auf die Brust gesunken, in einer denkenden Stellung.)

Calcagno. Volk und Senat stehen wartend, ihren gnädigen Oberherrn im
Fürstenornat zu begrüßen—Erlauben Sie uns, durchlauchtigster Herzog,
Sie im Triumph nach der Signoria zu führen.

Fiesco. Erlaubt mir erst, daß ich mit meinem Herzen mich abfinde—Ich mußte eine gewisse theure Person in banger Ahnung zurücklassen, eine Person, die die Glorie dieser Nacht mit mir theilen wird. (Gerührt zur Gesellschaft.) Habt die Güte und begleitet mich zu eurer liebenswürdigen Herzogin! (Er will aufbrechen.)

Calcagno. Soll der meuchelmörderische Bube hier liegen und seine
Schande in diesem Winkel verhehlen?

Zenturione. Steckt seinen Kopf auf eine Hellebarde!

Zibo. Laßt seinen zerrissenen Rumpf unser Pflaster kehren. (Man leuchtet gegen den Leichnam.)

Calcagno (erschrocken und etwas leise). Schaut her, Genueser! Das ist bei Gott kein Gianettinogesicht. (Alle sehen starr auf die Leiche.)

Fiesco (hält still, wirft von der Seite einen forschenden Blick darauf, den er starr und langsam unter Verzerrungen zurückzieht). Nein, Teufel—Nein, das ist kein Gianettinogesicht, hämischer Teufel! (Die Augen herumgerollt.) Genua mein, sagt ihr? Mein—(Hinauswüthend in einem gräßlichen Schrei.) Spiegelfechterei der Hölle! Es ist mein Weib! (Sinkt durchdonnert zu Boden. Verschworne stehen in todter Pause und schauervollen Gruppen.)

Fiesco (matt aufgerichtet mit dumpfer Stimme). Hab' ich mein Weib ermordet, Genueser?—Ich beschwöre euch, schielt nicht so geisterbleich auf dieses Spiel der Natur—Gott sei gelobt! Es gibt Schicksale, die der Mensch nicht zu fürchten hat, weil er nur Mensch ist. Wem Götterwollust versagt ist, wird keine Teufelqual zugemuthet—Diese Verirrung wäre etwas mehr. (Mit schrecklicher Beruhigung.) Genueser, Gott sei Dank! Es kann nicht sein.

Dreizehnter Auftritt

Vorige. Arabella kommt jammernd.

Arabella. Mögen sie mich umbringen, was hab' ich auch jetzt noch zu verlieren?—Habt Erbarmen, ihr Männer—Hier verließ ich meine gnädige Frau, und nirgends find' ich sie wieder.

Fiesco (tritt ihr näher mit leiser bebender Stimme). Leonore heißt deine gnädige Frau?

Arabella (froh). O daß Sie da sind, mein liebster, guter, gnädiger Herr!—Zürnen Sie nicht über uns, wir konnten sie nicht mehr zurückhalten.

Fiesco (zürnt sie dumpfig an). Du Verhaßte! von was nicht?

Arabella. Daß sie nicht nachsprang-Fiesco (heftiger). Schweig! wohin sprang?

Arabella. Ins Gedränge-Fiesco (wüthend). Daß deine Zunge zum
Krokodil würde—Ihre Kleider?

Arabella. Ein scharlachner Mantel-Fiesco (rasend gegen sie taumelnd).
Geh in den neunten Kreis der Hölle!—der Mantel?

Arabella. Lag hier am Boden-Einige Verschworne (murmelnd). Gianettino ward hier ermordet-Fiesco (todesmatt zurückwankend zu Arabella). Deine Frau ist gefunden. (Arabella geht angstvoll. Fiesco sucht mit verdrehten Augen im ganzen Kreis herum, darauf mit leiser, schwebender Stimme, die stufenweis bis zum Toben steigt.) Wahr ist's—wahr—und ich das Stichblatt des unendlichen Bubenstücks. (Viehisch um sich hauend.) Tretet zurück, ihr menschlichen Gesichter—Ah, (mit frechem Zähnblecken gen Himmel) hätt' ich nur seinen Weltbau zwischen diesen Zähnen—Ich fühle mich aufgelegt, die ganze Natur in ein grinsendes Scheusal zu zerkratzen, bis sie aussieht wie mein Schmerz—(Zu den Andern, die bebend herumstehen.) Mensch!—wie es jetzt dasteht, das erbärmliche Geschlecht, sich segnet und selig preist, daß es nicht ist wie ich—Nicht wie ich! (In hohles Beben hinabgefallen.) Ich allein habe den Streich—(Rascher, wilder.) Ich? Warum ich? Warum nicht mit mir auch diese? Warum soll sich mein Schmerz am Schmerz eines Mitgeschöpfs nicht stumpf reiben dürfen?

Calcagno (furchtsam). Mein theurer Herzog-Fiesco (dringt auf ihn ein mit gräßlicher Freude). Ah, willkommen! Hier, Gott sei Dank! ist Einer, den auch dieser Donner quetschte! (Indem er den Calcagno wüthend in seine Arme drückt.) Bruder Zerschmettert! Wohl bekomm die Verdammniß! Sie ist todt! Du hat sie auch geliebt! (Er zwingt ihn an den Leichnam und drückt ihm den Kopf dagegen.) Verzweifle! Sie ist todt! (Den stieren Blick in einen Winkel geheftet.) Ah, daß ich stünde am Thor der Verdammniß, hinunterschauen dürfte mein Aug auf die mancherlei Folterschrauben der sinnreichen Hölle, saugen mein Ohr zerknirschter Sünder Gewinsel—Könnt' ich sie sehen, meine Qual, wer weiß, ich trüge sie vielleicht? (Mit Schauern zur Leiche gehend.) Mein Weib liegt hier ermordet—Nein, das will wenig sagen (Nachdrücklicher.) Ich, der Bube, habe mein Weib ermordet—O pfui, so etwas kann die Hölle kaum kitzeln—Erst wirbelt sie mich künstlich auf der Freude letztes glättestes Schwindeldach, schwätzt mich bis an die Schwelle des Himmels—und dann hinunter—dann—o könnte mein Odem die Pest unter Seelen blasen—dann—dann ermord' ich mein Weib—Nein, ihr Witz ist noch feiner—dann übereilen sich (verächtlich) zwei Augen, und (mir schrecklichem Nachdruck) ich—ermorde—mein Weib! (Beißend lächelnd.) Das ist das Meisterstück!

(Alle Verschwornen hängen gerührt an ihren Waffen. Einige wischen
Thränen aus den Augen. Pause.)

Fiesco (erschöpft und stiller, indem er im Zirkel herumblickt). Schluchzt hier Jemand?—Ja, bei Gott, die einen Fürsten würgten, weinen. (In stillen Schmerz geschmolzen.) Redet! Weint ihr über diesen Hochverrath des Todes, oder weint ihr über meines Geistes Memmenfall? (In ernster, rührender Stellung vor der Todten verweilend.) Wo in warme Thränen felsenharte Mörder schmelzen, flucht Fiescos Verzweiflung! (Sinkt weinend an ihr nieder.) Leonore, vergib—Reue zürnt man dem Himmel nicht ab! (Weich mit Wehmuth.) Jahre voraus, Leonore, genoß ich das Fest jener Stunde, wo ich den Genuesern ihre Herzogin brächte—Wie lieblich verschämt sah ich schon deine Wangen erröthen, deinen Busen wie fürstlich schön unter dem Silberflor schwellen, wie angenehm deine lispelnde Stimme der Entzückung versagen (Lebhafter.) Ha! wie berauschend wallte mir schon der stolze Zuruf zu Ohren, wie spiegelte sich meiner Liebe Triumph im versinkenden Neide!—Leonore—die Stund' ist gekommen—Genuas Herzog ist dein Fiesco—und Genuas schlechtester Bettler besinnt sich, seine Verachtung an meine Qual und meinen Scharlach zu tauschen—(Rührender.) Eine Gattin theilt seinen Gram—mit wem kann ich meine Herrlichkeit theilen? (Er weint heftiger und verbirgt sein Gesicht an der Leiche. Rührung auf allen Gesichtern.)

Calcagno. Es war eine treffliche Dame.

Zibo. Daß man doch ja den Trauerfall dem Volk noch verschweige. Er nähme den Unsrigen den Muth und gäb' ihn den Feinden.

Fiesco (steht gefaßt und fest auf). Höret, Genueser!—die Vorsehung, versteh' ich ihren Wink, schlug mir diese Wunde nur, mein Herz für die nahe Größe zu prüfen.—Es war die gewagteste Probe—jetzt fürcht' ich weder Qual, noch Entzücken mehr. Kommt! Genua erwarte mich, sagt ihr?—Ich will Genua einen Fürsten schenken, wie ihn noch kein Europäer sah—Kommt!—dieser unglücklichen Fürstin will ich eine Todtenfeier halten, daß das Leben seine Anbeter verlieren und die Verwesung wie eine Braut glänzen soll—Jetzt folgt eurem Herzog! (Gehen ab unter Fahnenmarsch.)

Vierzehnter Auftritt

Andreas Doria. Lomellin.

Andreas. Dort jauchzen sie hin.

Lomellin. Ihr Glück hat sie berauscht. Die Thore sind bloßgegeben.
Der Signoria wälzt sich Alles zu.

Andreas. Nur an meinem Neffen scheute das Roß. Mein Neffe ist todt.
Hören Sie, Lomellin-Lomellin. Was? noch? noch hoffen Sie, Herzog?

Andreas (ernst). Zittre du für dein Leben, weil du mich Herzog spottest, wenn ich auch nicht einmal hoffen darf.

Lomellin. Gnädigster Herr—eine brausende Nation liegt in der Schale
Fiescos—Was in der Ihrigen?

Andreas (groß und warm). Der Himmel!

Lomellin (hämisch die Achsel zuckend). Seitdem das Pulver erfunden ist, campieren die Engel nicht mehr.

Andreas. Erbärmlicher Affe, der einem verzweifelnden Graukopf seinen Gott noch nimmt! (Ernst und gebietend.) Geh! mache bekannt, daß Andreas noch lebe—Andreas, sagst du, ersuche seine Kinder, ihn doch in seinem achtzigsten Jahre nicht zu den Ausländern zu jagen, die dem Andreas den Flor seines Vaterlandes niemals verzeihen würden. Sag' ihnen das, und Andreas ersuche seine Kinder um so viel Erde in seinem Vaterland für so viel Gebeine.

Lomellin. Ich gehorsame, aber verzweifle. (Will gehen.)

Andreas. Höre! und nimm diese eisgraue Haarlocke mit—Sie war die
letzte, sagst du, auf meinem Haupt und ging los in der dritten
Jännernacht, als Genua losriß von meinem Herzen und habe achtzig
Jahre gehalten und habe den Kahlkopf verlassen im achtzigsten
Jahre—die Haarlocke ist mürbe! aber doch stark genug, dem schlanken
Jüngling den Purpur zu knüpfen (Er geht ab mit verhülltem Gesicht.
Lomellin eilt in eine entgegengesetzte Gasse. Man hört ein
tumultuarisches Freudengeschrei unter Trompeten und Pauken.)

Fünfzehnter Auftritt

Verrina vom Hafen. Bertha und Bourgognino.

Verrina. Man jauchzt. Wem gilt das?

Bourgognino. Sie werden den Fiesco zum Herzog ausrufen.

Bertha (schmiegt sich ängstlich an Bourgognino). Mein Vater ist fürchterlich, Scipio!

Verrina. Laßt mich allein, Kinder—O Genua! Genua!

Bourgognino. Der Pöbel vergöttert ihn und forderte wiehernd den
Purpur. Der Adel sah mit Entsetzen zu und durfte nicht Nein sagen.

Verrina. Mein Sohn, ich hab' alle meine Habseligkeiten zu Gold gemacht und auf dein Schiff bringen lassen. Nimm deine Frau und stich unverzüglich in See. Vielleicht werd' ich nachkommen. Vielleicht—nicht mehr. Ihr segelt nach Marseille, und (schwer und gepreßt sie umarmend)—Gott geleit' euch! (Schnell ab.)

Bertha. Um Gotteswillen! Worüber brütet mein Vater?

Bourgognino. Verstandst du den Vater?

Bertha. Fliehen, o Gott! Fliehen in der Brautnacht!

Bourgognino. So sprach er—und wir gehorchen. (Beide gehen nach dem
Hafen.)

Sechzehnter Auftritt

Verrina. Fiesco im herzoglichen Schmuck. (Beide treffen auf einander.)

Fiesco. Verrina! Erwünscht. Eben war und aus, dich zu suchen.

Verrina. Das war auch mein Gang.

Fiesco. Merkt Verrina keine Veränderung an seinem Freunde?

Verrina (zurückhaltend). Ich wünsche keine.

Fiesco. Aber siehst du auch keine?

Verrina (ohne ihn anzusehen). Ich hoffe, nein!

Fiesco. Ich frage, findest du keine!

Verrina (nach einem flüchtigen Blick). Ich finde keine.

Fiesco. Nun, siehst du, so muß es doch wahr sein, daß die Gewalt nicht Tyrannen macht. Seit wir uns Beide verließen, bin ich Genuas Herzog geworden, und Verrina (indem er ihn an die Brust drückt) findet meine Umarmung noch feurig wie sonst.

Verrina. Desto schlimmer, daß ich sie frostig erwiedern muß; der Anblick der Majestät fällt wie ein schneidendes Messer zwischen mich und den Herzog! Johann Ludwig Fiesco besaß Länder in meinem Herzen—jetzt hat er Genua erobert, und ich nehme mein Eigenthum zurück.

Fiesco (betreten). Das wolle Gott nicht! Für ein Herzogthum wäre der Preis zu jüdisch.

Verrina (murmelt düster). Hum! Ist denn etwa die Freiheit in der
Mode gesunken, daß man dem Ersten dem Besten Republiken um ein
Schandengeld nachwirft.

Fiesco (beißt die Lippen zusammen). Das sag du Niemand, als dem
Fiesco.

Verrina. O natürlich! Ein vorzüglicher Kopf muß es immer sein, von dem die Wahrheit ohne Ohrfeige wegkommt—Aber Schade! der verschlagene Spieler hat's nur in einer Karte versehen. Er calculierte das ganze Spiel des Neides, aber der raffinierte Witzling ließ zum Unglück die Patrioten aus. (Sehr bedeutend.) Hat der Unterdrücker der Freiheit auch einen Kniff auf die Züge der römischen Tugend zurückbehalten? Ich schwör' es beim lebendigen Gott, eh die Nachwelt meine Gebeine aus dem Kirchhof eines Herzogthums gräbt, soll sie sie auf dem Rade zusammenlesen!

Fiesco (nimmt ihn mit Sanftmuth bei der Hand). Auch nicht, wenn der
Herzog dein Bruder ist? wenn er sein Fürstenthum nur zur Schatzkammer
seiner Wohlthätigkeit macht, die bis jetzt bei seiner haushälterischen
Dürftigkeit betteln ging? Verrina, auch dann nicht?

Verrina. Auch dann nicht—und der verschenkte Raub hat noch keinem
Dieb von dem Galgen geholfen. Überdies ging diese Großmuth bei
Verrina fehl. Meinem Mitbürger konnt' ich schon erlauben, mir Gutes
zu thun—meinem Mitbürger hofft' ich es wett machen zu können. Die
Geschenke eines Fürsten sind Gnade—und nur Gott ist mir gnädig.

Fiesco (ärgerlich). Wollt ich doch lieber Italien vom Atlantermeer abreißen, als diesen Starrkopf von seinem Wahn.

Verrina. Und abreißen ist doch sonst deine schlechteste Kunst nicht, davon weiß das Lamm Republik zu erzählen, das du dem Wolf Doria aus dem Rachen nahmst—es selbst aufzufressen.—Aber genug! Nur im Vorbeigehen, Herzog, sage mir, was verbrach denn der arme Teufel, den ihr am Jesuiterdom aufknüpftet?

Fiesco. Die Canaille zündete Genua an.

Verrina. Aber doch die Gesetze ließ die Canaille ganz?

Fiesco. Verrina brandschatzt meine Freundschaft.

Verrina. Hinweg mit der Freundschaft! ich sage dir ja, ich liebe dich nicht mehr; ich schwöre dir, daß ich dich hasse—hasse wie den Wurm des Paradieses, der den ersten falschen Wurf in der Schöpfung that, worunter schon das fünfte Jahrtausend blutet—Höre, Fiesco—nicht Unterthan gegen Herrn—nicht Freund gegen Freund—Mensch gegen Mensch red' ich zu dir. (Scharf und heftig.) Du hast eine Schande begangen an der Majestät des wahrhaftigen Gottes, daß du dir die Tugend die Hände zu deinem Bubenstück führen und Genuas Patrioten mit Genua Unzucht treiben ließest—Fiesco, wär' auch ich der Redlichdumme gewesen, den Schalk nicht zu merken, Fiesco! bei allen Schauern der Ewigkeit, einen Strick wollt' ich drehen aus meinen eigenen Gedärmen und mich erdrosseln, daß meine fliehende Seele im gichtrischen Schaumblasen dir zuspritzen sollte. Das fürstliche Schelmenstück drückt wohl die Goldwage menschlicher Sünden entzwei, aber du hast den Himmel geneckt, und den Prozeß wird das Weltgericht führen.

(Fiesco erstaunt und sprachlos mißt ihn mit großen Augen.)

Verrina. Besinne dich auf keine Antwort. Jetzt sind wir fertig.
(Nach einigem Auf- und Niedergehen.) Herzog von Genua, auf den
Schiffen des gestrigen Tyrannen lernt' ich eine Gattung armer
Geschöpfe kennen, die eine verjährte Schuld mit jedem Ruderschlag
wiederkäuen und in den Ocean ihre Thränen weinen, der wie ein reicher
Mann zu vornehm ist, sie zu zählen—Ein guter Fürst eröffnet sein
Regiment mit Erbarmen. Wolltest du dich entschließen, die
Galeerensklaven zu erlösen?

Fiesco (scharf). Sie seien die Erstlinge meiner Tyrannei—Geh und verkündige ihnen Allen Erlösung.

Verrina. So machst du deine Sache nur halb, wenn du ihre Freude verlierst. Versuch' es und gehe selbst. Die großen Herren sind so selten dabei, wenn sie Böses thun; sollten sie auch das Gute im Hinterhalt stiften?—Ich dächte, der Herzog wäre für keines Bettlers Empfindung zu groß.

Fiesco. Mann, du bist schrecklich, aber ich weiß nicht, warum ich folgen muß. (Beide gehen dem Meer zu.)

Verrina (hält still, mit Wehmuth). Aber, noch einmal umarme mich, Fiesco! Hier ist ja Niemand, der den Verrina weinen sieht und einen Fürsten empfinden. (Er drückt ihn innig.) Gewiß, nie schlugen zwei größere Herzen zusammen; wir liebten uns doch so brüderlich warm—(Heftig an Fiescos Halse weinend.) Fiesco! Fiesco! du räumst einen Platz in meiner Brust, den das Menschengeschlecht, dreifach genommen, nicht mehr besetzen wird.

Fiesco (sehr gerührt). Sei—mein—Freund!

Verrina. Wirf diesen häßlichen Purpur weg, und ich bin's—Der erste
Fürst war ein Mörder und führte den Purpur ein, die Flecken seiner
That in dieser Blutfarbe zu verstecken—Höre, Fiesco—ich bin ein
Kriegsmann, verstehe mich wenig auf nasse Wangen—Fiesco—das sind
meine ersten Thränen—Wird diesen Purpur weg!

Fiesco. Schweig!

Verrina (heftiger). Fiesco—laß hier alle Kronen dieses Planeten zum Preis, dort zum Popanz all seine Foltern legen, ich soll knieen vor einem Sterblichen—ich werde nicht knieen—Fiesco! (indem er niederfällt) es ist mein erster Kniefall—Wirf diesen Purpur weg!

Fiesco. Steh auf und reize mich nicht mehr!

Verrina (entschlossen). Ich steh' auf, reize dich nicht mehr (Sie stehen an einem Brett, das zu einer Galeere führt.) Der Fürst hat den Vortritt. (Gehen über das Brett.)

Fiesco. Was zerrst du mich so am Mantel?—er fällt!

Verrina (mit fürchterlichem Hohn). Nun, wenn der Purpur fällt, muß auch der Herzog nach! (Er stürzt ihn ins Meer.)

Fiesco (ruft aus den Wellen). Hilf, Genua! Hilf! Hilf deinem
Herzog! (Sinkt unter.)

Siebzehnter Auftritt

Calcagno. Sacco. Zibo. Zenturione. Verschworne. Volk. (Alle eilig, ängstlich.)

Calcagno (schreit). Fiesco! Fiesco! Andreas ist zurück, halb Genua springt dem Andreas zu. Wo ist Fiesco?

Verrina (mit festem Ton). Ertrunken!

Zenturione. Antwortet die Hölle oder das Tollhaus?

Verrina. Ertränkt, wenn das hübscher lautet—Ich geh' zum Andreas.

(Alle bleiben in starren Gruppen stehn. Der Vorhang fällt.)

Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes "Die Verschwörung des Fiesco zu
Genua", von Friedrich Schiller.