The Project Gutenberg eBook of Estella: Novelle

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Title : Estella: Novelle

Author : Lydia Danöfen

Release date : October 6, 2021 [eBook #66475]
Most recently updated: December 4, 2021

Language : German

Credits : the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.)

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ESTELLA: NOVELLE ***

ESTELLA

NOVELLE VON
L. DANÖFEN

BERLIN-LEIPZIG
MODERNES VERLAGSBUREAU

CURT WIGAND
1907

In sanften Wellen breitet sich die Landschaft aus. Die Natur hat hier aufgehört, Grandioses zu ersinnen, vor dem erschrocken der Mensch in Betäubung steht; auch hat sie nicht verschwendet in üppiger Schönheit, dass er ihr berauscht am Busen liegt, – sondern sie hat mit sanfter, friedlicher Hand einfache, ruhevolle Linien in dieses Stück Welt gezeichnet und hängt sich ihm vertraulich an den Arm und schweigt selber, damit sie ihn höre.

Überall Äcker und Felder, stille dunkelbraune Erde, die sich leise zu schmücken beginnt, aus deren Schollen sich mühsam und zaghaft junges, weiches Grün schiebt, – dieses lichte, siegende Grün, das die schwere Farbe so bald verdrängt und sich sonnenfroh unter dem weiten Himmel dehnt.

Dazwischen Wälder, blaugrün, dunkel, duftumsponnen, die ernstere Töne mit in diese Landschaft bringen und hier und dort ein unvermittelt aus den grünen Tälern aufstrebender Felsen, der als blendender Hügel verwegen in dem königlichen Blau des Himmels steht und hochmütig auf die uralte Geschichte seines Landes hinweisend, in seinem porösen, kalkigen Gestein ein Stück einstigen Lebens umschlossen hält. Träumende Pflanzen und träge Schnecken, die überrascht worden sind in ihrer Beschaulichkeit von der umstürzlerischen Erde und endlich in langen Jahrtausenden erstarrten und versteinerten. –

Nichts verbildet ringsum, nichts verbaut. Nur manchmal ein stilles Dorf. So still, dass man glaubt, es wohne seit Menschengedenken niemand hier, – als hätten die Leute vor langem ihr Bündel geschnürt und seien fortgezogen auf den schweigenden Strassen, die vereinzelt wie trübe Bänder um diese Weiler liegen und sie zusammenhalten in dürftigem Verkehr.

Ein altmodischer Kirchturm schaut aus jedem Dorfe, gar einfältig mit seinem braunen, moosigen Schindeldach aus vergangenen Zeiten. Man erschrickt fast, wenn aus einem dieser Türme die Glocke plötzlich anhebt zu schlagen – ein Lebenslaut kann auch bestürzen, wo man ihn nicht erwartet hat. Man glaubt, die Glocken müssten längst gerostet sein, da sie für niemand zu läuten brauchen in diesen grauen, verschollenen Häusern, die um jene Kirche stehen.

Nur wenn man spät abends von einem der Hügel weg über diese Landschaft schaut und hier und dort ein mattes, rötliches Lichtlein aus den Fenstern eines dieser Dorfhäuser blinken sieht, so glaubt man es, dass auch Menschen hier wohnen, Menschen, die mit fleissigen Händen Furchen durch diese Erde ziehen und ihre Saaten in sie legen.

Aber es müssen seltsame Leute sein, altmodische, die zurück sind und stehen geblieben – und feindlich geworden gegen die grosse, schnelle, bewegliche Welt.


Es war ein Abend im Mai. Die immer gleiche Einsamkeit über der Gegend. – Ein noch junger Mann, der auf einer Ruhebank oben am Buchensaum des Waldes sass, lauschte ihrer mit bangen Zügen. Er hatte sich zurückgelehnt, den Hut abgenommen und den Blick nach Westen gerichtet, wo der Himmel schon im Abendträumen lag.

Es waren ein paar aufschreiende Augen, die wie vor Feuersbrünsten standen, nicht vor einem stillen, träumigen Bilde solch schlichter Art. Diese Augen hatten wohl viel gesehen und geschaut. Schönheit und Schrecken – und sie waren beweglich geworden, ruhelos und auffahrend.

Über ihnen aber thronte das Massiv der Stirne. Das hatte sich aufgebaut und breit gemacht wie eine Festung. War gebildet und erstarkt in Trotz und Selbständigkeit. Im ganzen Antlitz lag nicht der Ausdruck des Feierns und Fertigseins, trotz aller Reife, sondern schweren, rastlosen inneren Arbeitens. Etwas mühsam Errungenes, schwer Gehaltenes. Man fühlte sogleich, hier war nicht irgend einer, sondern Einer, ein Eigener.

Müde legte er die beiden Arme auf die Rücklehne der Bank und wollte sich losreissen von dem zwingenden, rastenden Bilde, das hier so weit und gross vor ihm lag. Aber es waren tausende von Widerhaken der Schönheit in ihm, die ihn festhielten, – wie sich die ruhenden Wellen der Erde so in biblischer Breite und Feierlichkeit vor ihm hindehnten.

In wem es so friedlich aussehen könnte, wie in diesem Land! Ein gequälter Ausdruck ging über das Gesicht. Der Mensch fällt in solcher Einsamkeit auf sich selbst zurück und da muss es etwas Gutes und Lauteres sein, das von der eigenen Seele herauszieht und was einem diese Stille zurückschickt.

Und als er so sass und sich sträubte, wirbelte plötzlich helles, loses Lachen durch diese schwere Ruhe und brach die bedrückende Macht der einsamen Landschaft.

Junge Mädchen in lichten Gewändern, auf denen das letzte Tageslicht spielte, kamen leichtfüssig über die Wiese her. Sie sprangen und liefen und lachten und schrien und weder das Schlafengehen der Natur noch der unbekannte Mann da drüben vermochte sie in ihrer geräuschvollen Heiterkeit zu stören. Es lag etwas Rücksichtsloses in diesem Lärmen, wie so die lauten Stimmen unbekümmert in die Stille des Abends schlugen, – aber auch etwas Sorgloses, Glückliches, das Vorrecht der selbstherrlichen Jugend.

Wer jetzt das Gesicht des Mannes hätte sehen können, der wäre erschrocken an dem veränderten Ausdruck desselben; als wären Hunde aufgefahren, die zuerst an Ketten lagen, und hätten alles schönere Leid daraus vertrieben. Geblieben waren nur müde, dreiste Blicke, die sich rassekundig in die jungen Leiber bohrten und sie nach unschönen Werten abschätzten.

Gelangweilt gähnend erhob er sich jetzt, den Ärger und damit die Aufmerksamkeit der jungen Mädchen zu erregen.

Sie kamen indessen hart an ihm vorbei; weisse, rote, blaue Kleider, frische Gesichter voll Jugendlust, braune und blonde Haare, die im Abendwind flogen. Da gähnte er noch einmal, weil sie gar so reizend waren und er sich zu wenig beachtet fühlte. Es hatte Erfolg. Als sie es hörten, machten sie hochmütige Gesichter – denn ihr Lärmen sollte doch auch geheissen haben: »Hellauf! Wir sind da! Platz gemacht!« Und ein blondes, schlankes Ding sah erstaunt zu dem ungalanten Fremden hinüber, der so wenig Art zeigte und guten Geschmack.

Wie es so in beginnender Dämmerung schon an ihm vorbeigeschritten, den Kopf ein klein wenig zurückbeugte, sah es in dem Duft ihrer Jugend und Zartheit wie ein flüchtig in die Luft gehauchtes Bild aus.

Die Mädchen waren vorüber. Das Lachen verhallt. Die heitern Farben erloschen. Und die Schatten, die hinter den Büschen und Bäumen hockten, krochen hervor, wuchsen ins Riesenhafte und wälzten sich über das ganze müde Land.

Der Fremde war nun doch überrascht gewesen von dem reizvollen Anblick. Schönheit, in welcher Form sie auch kam, war es allemal wieder, die sich leise zu den freundlichen Geistern in seiner Seele schlich und sie weckte. Auch diesmal. Doch nur auf kurz, dann schauten wieder die alten, hässlichen, kalten durch seine Augen, wie zuerst.

Langsam schritt er nun in der Richtung zu, wo die fröhliche Schaar verschwunden war. Es ging an den Buchen entlang, durch einen dünnen Tannenschlag den Hang hinunter, wieder über Wiesen, die anstiegen, und schon sah man hinter dem nächsten Hügel einen stattlichen Kirchturm aufragen. Er ging rasch weiter, die Anhöhe hinauf. Die einsame Landschaft war gewaltiger geworden mit jedem Augenblick – sie kam hinter ihm her und trieb ihn dazu.

Nun lag vor ihm in tiefer Dämmerung die kleine, einst berühmte alte Stadt, die er aufsuchen wollte. Die vielstöckigen Giebelhäuser, schon ein wenig altersschief, waren umfriedet von einer mittelalterlichen Mauer voll seltsamer Tore und Türmlein; ein breiter Wall umzog sie, in dessen sumpfigem Graben einst mancher Feind in kriegerischen Zeiten seinen Tod gefunden.

Damals gab es hellere Köpfe im Lande und schnellere Füsse. Da gab es zu tun, da musste man sich drehn. Wunden stillen. Lieder singen. Lorbeer winden. – Und über all' dem Wandelbaren inmitten der Häuserreihen stand von altersher in stiller Majestät die hohe gotische Kirche und besann sich, zu welcher Zeit die Menschen am meisten unter ihr Dach gelaufen kamen.

Wie dieser Dunstkreis einer belebten Stadt ihn anzog, wie das Bewusstsein baldiger Gemeinschaft ihn wohlig durchrieselte! Und als er nach kurzem Wandern durch eines der alten Stadttore eingetreten war und ihm vollends aus der geöffneten Tür eines erleuchteten Gasthofes ein Bild bunten Lebens in Farben und Klängen entgegenschlug – da sah er mit Mut in die grosse einsame Landschaft da draussen zurück.

Bei seinem Eintritt in die saalartige, dichtgefüllte Gaststube war es einen Augenblick ganz ruhig. Etwas wie leichtes Erschrecken war durch die Reihen gefahren, wie es das erstmalige Ansichtigwerden eines neuen Gesichtes so gerne mit sich bringt, besonders in den gewohnheitsschläfernen Augen solcher Kleinstädter.

Rasch und blitzend war der Kopf auch, von anderm Geiste als der ihre; – dunkelhaarig, und von nervösem Ausdruck das Gesicht, schlank und geschmeidig die Gestalt. – Die Kleidung war die eines verwöhnten Grossstädters, doch ohne Bedacht getragen.

Ein neugieriges Schauen rings in der Runde, indessen er Platz nahm und mit vornehmer Art zu speisen begann, – bis er dann schaute und die Anwesenden betrachtete. Da waren alle die Blicke mit einem Mal aufgefahren wie ein Mückenschwarm und hatten sich ringsherum, anderswo niedergelassen.

Seine Betrachtungen lohnten sich nicht besonders; lauter Alltagsgesichter, geworden und befestigt in einer vergessenen kleinen Stadt, in einer toten, ereignislosen Zeit, in der so recht der Werkeltag des Lebens allem sein nüchternes Gepräge verleiht.

Blos da drüben ein anziehenderer Tisch voll Jugend – ei! Das waren ja die lachenden Mädchen wieder! Das eine dunkle mit den schweren Augen, das andere mit dem runden Gesicht, den aufgeregten Backfischwangen und braunen, prallen Zöpfen um den lustigen Kopf und dort das mit der weissen, milchigen Haut – die Zukunftsfreude und Daseinslust lugte ihnen aus allen Taschen und Falten.

»Wo ist denn Estella?« rief jetzt der Backfisch und fuhr vom Sessel auf und alle andern mit und sahen nach allen Tischen – aber sie war nicht im Saal. Da gingen einige sie holen und es währte nicht lange, so traten sie mit ihr ein. Eigentlich war es nur eine, die eintrat, denn die andern schoben sich ungesehen neben ihr zur Türe herein. Alles sah nach Estella. Wie besonders sie war!

Des Fremden Auge leuchtete auf und er erkannte befriedigt das zarte Bild des blonden Mädchens wieder, das da draussen bei den Buchen nach ihm umgesehen hatte.

Es kam mit ihr etwas Erfrischendes, eine köstliche Atmosphäre in das dumpfe Lokal. Es wehte förmlich von ihr weg, wie wenn schnee- und reifbehangen man von draussen in die warme Stube kommt und denen drinnen ein Stück des frischen Winters mit hereinbringt. Nur dass sie den Lenz mit sich gebracht!

Er hing ihr von den Haaren und lachte ihr aus dem Antlitz. So etwas Frühlingshaftes hatte er nie gesehen. Ihm fielen die herben Gärten ein, die schon voll von Blüten stehen und da und dort noch Schnee in ihren Winkeln haben.

Schade, dass nicht das Schleiergewand von Boticelli's Frühling den schlanken Leib umwehte, dass die verschnittene Tracht unserer Zeit falsche Linien schuf, dass schwere Schuhe die zarten Gelenke umzwangen und ein modischer Hut auf dem feinen Kopfe sass.

Das Mädchen fühlte den Eindruck, den es hervorrief, und die Art wie es sich auf einen Stuhl niederliess, war fast ein wenig eitel. Langsam nahm es den Hut ab, wie jemand, der eine Überraschung in Vorbereitung hat. Es war auch eine, denn um wie viel schöner war das Mädchen ohne den! Unter ihm hatte das gefesselte Haar tausend feine, rotgoldene Fäden gesponnen, die nun gross taten und Feuer schlugen und gerne dabei sein wollten, solchen Festtagsglanz noch zu erhöhen.

Jetzt konnte man das Gesicht ganz deutlich sehen. Nichts absolut Schönes oder gar Klassisches. Stille, graue Augen, eine feste, mutige Nase, ein frischer, intelligenter Mund mit guten Zähnen und eine rosige Haut. Daran war ja nichts Ausserordentliches, sondern das lag im Gesamteindruck, im Ausdruck der Reinheit, der Unberührtheit, des Jungen, der lichten Zartheit.

Nun, als Estella sass, fing sie laut und lebhaft zu sprechen an – lustiges Zeug, über das man lachen musste – und auch sollte. Aber der innerliche Reiz, der so bestrickend für den in Betrachtung Versunkenen über ihrer Erscheinung lag, war verschwunden. Der Traum war aus. Der Traum, der sekundenlang den einsamen Mann umfangen hatte. Es fliegt eine Künstlerseele so leicht von der Erde auf! Hier war ein hübsches Mädchen, wie viele andere – wozu die Andacht? Sie ärgerte ihn. Und dennoch konnte er seine Augen nicht abwenden.

Bei jedem Menschen, der ihm das erste Mal in den Weg trat, hatte er das bestimmte Empfinden: der kommt in Betracht, der nicht. Auch hier. –

Die Zeit verstrich schnell in dem stetigen Hin und Her der Gäste. Es wurde gelacht und gespielt, getanzt und gesungen. Manch einer sang ein lustiges Lied, mancher ein trauriges. Aber der wurde ausgelacht. Man mochte nichts wissen von Ernst und Feierlichkeit. Die Mädchen wollten lachen und tanzen und ein wenig laut sein dabei.

Immer ausgelassener riefen sie nach der Musik, die zu langsam sei, und sie wollten sich schneller drehn.

Da trat, ohne etwas zu sagen, der Fremde an's Klavier, dass es das erschrockene Fräulein davor jäh aus seinem behaglichen Rhythmus riss und es eilig aufstand, ihm Platz zu machen.

Er fing zu spielen an. Alles horchte. Das war eine Tanzmusik! Die sprang auf, so trotzig und boshaft, rannte den Takt und die Regeln über und über, – stand jetzt stille und wirbelte dann plötzlich in rasender Schnelle dahin. –

Das war eine seltsame Tanzmusik – aber lustig und feurig wie keine! Die hatte gezündet und fortgerissen und es war ein Schleifen und Beben und Schwanken und Dröhnen! Die Paare rasten durch die Luft, Staub flog auf, Röcke flatterten, verfingen sich und wurden lachend losgerissen, Wangen glühten, Augen blitzten und dem Backfisch flogen die Zöpfe hoch vom Kopf; ihm kam so etwas Wildes gerade recht. In stillem Entzücken glänzten die Mütter dazu, nur die Väter schüttelten die ernsten Köpfe.

Die Blondine war auch sehr ausgelassen; es stand ihr aber nicht: sie verdarb ihre Art und als sie eben erschöpft und atemlos ihren Tänzer entliess und sich nach einem Ruheplatz umsah, begegnete sie mitten im Getümmel einem Blick des Fremden, der fest und durchdringend auf sie geheftet war. Dieser Blick durchschnitt gleichsam die heisse Atmosphäre kalt und hart wie Stahl. Und da die Musik in diesem Augenblick innehielt und mit ihr sofort alles andere Lärmen, so half die allgemein plötzlich stockende Bewegung wirkungsvoll dabei mit.

Es sträubte sich quasi der ganze Saal und lehnte sich auf ob des feinen Mädchens uneigener Art.

Estella erschrak, wurde stiller, erschrak darüber noch mehr und beeilte sich wilder als zuvor herumzutollen. »Es ist wirklich albern!« sagte sie, gerade am Klavier vorbeiwirbelnd, sehr laut und vernehmlich zu ihrem Tänzer; aber der wusste nicht was und hat es auch nicht erfahren. –

Es war sehr spät, weit über Mitternacht, als Alles aufbrach. Väter, Mütter, Alt und Jung verliessen den Gasthof und gingen müde nach Hause.

Estella Brand, die bei einem Verwandten, dem reichen Privatier Brand, in dem kleinen Städtchen zu Gast war, wohnte ausserhalb der Stadtmauer in einer vornehmen, kleinen Villa. Dort verbrachte sie viele Monate jedes Jahr, meist Frühling und Sommer, und freute sich, da zu sein.

»Onkel«, rief sie lachend jedesmal bei ihrer Ankunft, »jetzt lege ich mich unter Deine Rosen und schlafe die Grossstadt aus!« Und der alte Brand lachte mit und war froh, dass in seinem schönen Garten eine so passende, feine Gestalt war. Er liebte sie sehr; zuerst kam auf der Welt sein Bruder, ihr Vater, ein grosser, einsamer Mensch und Gelehrter, dann sie in seinem Herzen.

Als sie nun heute ihrem Onkel Gute Nacht gesagt hatte, ging sie in ihr Zimmer und schaute noch lange in die stumme Maiennacht und in ihre eigene Seele. Sie mochte es immer so gerne haben, dass, wenn sie sich abends zur Ruhe legte, alles glatt und eben in ihr war, was der Tag gebracht. Aber heute lag die Ebene nicht so weit und übersehbar da, als sonst. Sie tastete in sich herum und fand sich nicht so klar und dachte an den merkwürdigen Abend, ihr auffälliges Benehmen, an den Fremden, sein bizarres Spiel und seinen herausfordernden, seltsamen Blick. Während sie sich langsam entkleidete, gelitten ihre Gedanken weg, zu dem jungen Forstmann hin der sie seit langem liebte und ihrem Wankelmut und all ihrem Jungsein geduldig zusah und es gerne abwarten wollte.

Sonst hatte sie oft gespöttelt über diese Treue, dass gar so schnurgerad sie sei, – wie eine lange Landstrasse, ein wenig reizlos und ohne Spannung. Aber heute beruhigte sie der Gedanke an diese Liebe; es war eine Zuflucht zu etwas Festem, Starkem.


Für einige Tage später ward ein grosser Ausflug geplant, an dem sich die Gesellschaft des ganzen Städtchens beteiligen sollte. Es waren Wagen bestellt und man hatte sich eine Fahrt tief ins württembergische Land hinein vorgenommen, zu einigen, weitberühmten Ruinen, da die Stadt unfern der Grenze gelegen war.

Am frühen Morgen, noch angetan mit warmen Kragen und Mänteln, versammelten sich alle bei einem der alten Türme der Stadtmauer.

Wie erstaunte Estella, als der Fremde von neulich unter den Anwesenden war. Er hatte sich bekannt gemacht und schloss sich der Partie an. Sein Name war Leo Makassy; er war Maler und zwecks Studien hierher gekommen.

Alles stieg ein und freute sich einen so angenehmen Tag vor sich zu haben. Man dachte mit Behagen an all' die schlummernde Arbeit in Schreibpulten, Flickkörben und Suppentöpfen, die man sorglos zu Hause gelassen.

Als man sich's warm und gemütlich gemacht auf den seitlichen Polstern des einen Wagens, wollte man vor allem diesem Eindringling auf den Grund kommen. Man musste dies vorerst erledigen, damit man sich darnach verhalte.

Es stellte sich heraus, das er seit langem in der Welt herum reise, sie als Künstler zu studieren und sich Anregung zu verschaffen. Zuletzt hatte er das patriarchalische Württembergerland durchstreift und sich ergötzt an seinem jungfräulichen Landschaftsreiz und nun sei ihm noch die altehrwürdige Stadt genannt worden, von der er sich Skizzen machen wollte.

»Wo waren Sie denn vorher überall?« frug verbindlich der Oberamtsrichter der Stadt aus seiner Wagenecke heraus. Es war ihm zwar ganz gleichgiltig, er wollte nur dazu kommen, seine eine und einzige Reise nach Ostende mit der erschütternden Pointe zum Besten zu geben: wie einmal das Meer in breiter Woge dahersauste und ihn – den Oberamtsrichter Larsen – mit Haut und Haar beinahe verschlungen hätte. Und wenn dann all den Liebenswürdigen das erwünschte Gruseln kam, dann konnte er sanft sein und tröstlich wie nie. Aber da die ganze Stadt es längst auswendig wusste und schon ganz ausgegruselt war, sah man die Erzählung des Herrn Oberamtsrichters wie ein Gewitter heraufziehen und rettend rief diesmal der kecke Backfisch schnell dazwischen:

»Makassy ist ein seltener Name, Sie sind gewiss von weit her?«

»Bis von Ungarn« sagte er lächelnd.

»Ist's dort schön?«

»Ein fruchtbares Land voll von Getreide«, fiel der Pastor ins Wort.

Aber niemand wollte Näheres darüber wissen und eilig hiess es weiter:

»Waren Sie auch schon in Frankreich, in Italien – ach, in Italien, mit seinen blauen Himmeln und schönen Mandarinenknaben?«

Und als er es bejahte, bestürmte ihn Alles, von Italien zu erzählen. Man rückte zurecht, streckte die Köpfe vor und horchte. Das war etwas anderes als das ewige Getreide, von dem der Pastor so gerne sprach und von Gottes Segen, und die erschütternde Meereswelle des Oberamtsrichters.

Und der fremde Künstler fing zu erzählen an und wurde wärmer und lebhafter mit jedem Wort und seine Augen gingen mit über die Städte hin, über die Lande von denen er sprach, und gingen weiter in unsichtbare Fernen und – eine düstere Sehnsucht stand in ihnen. Nach und nach verstummten alle Einwände und Fragen. Man fühlte etwas Überlegenes, vor dem man sich nicht gerne hören liess.

Er sprach von dem Geiste lapidarer Vergangenheit, der dort über Ruinen weht, von stolzen Bauten, die auf Felsen thronen, und von der einen meerentstiegenen Marmorstadt, durch die die Gondeln ziehn, – er sprach von dem leuchtenden Meere, in das sich Zauberhaine neigen, von schimmernden Palästen, die im tiefblauen Himmel stehen, von einsamen Gestaden, wo Böcklins Fabelwesen hausen, von dräuenden Klippen, an die die Wogen gischtend schlagen, von rätselhaften Märchenblumen, die träumend von den Sträuchern hängen, von versonnener Poesie, die in stillen, duftenden Gehegen steht, sprach er, – auch von rauschenden Spitzenschleppen, die dort achtlos über Marmortreppen fegen und – last not least – von Frauenschönheit, die in Tropengärten sich ergeht und sinnend über die Unergründlichkeit stiller Teiche neigt, auf denen Lotosblumen schwimmen.

Als er endlich schwieg, war der herrschende Kleinstadtgeist aus dem Wagen geflogen. Aber mit ihm das Behagen.

Das durfte man sich nicht bieten lassen, dagegen musste man sich wehren, und dies geschah so, dass man sich befreite von dem Eindringling, indem man ihn behutsam, rund und reinlich umging, ohne ihn auch nur einmal mehr zu streifen.

Ein kleines Intermezzo kam diesem Bestreben noch hilfreich entgegen.

Nämlich die Pferde, die gemütlich trabend mit einem regelmässigen Aufklappern der Hufe ihres Weges getrottet waren, mussten plötzlich stärker angezogen haben, so dass ein leichtes Schwanken des Wagens erfolgte. Alles stiess an einander, kreischte ein wenig – und Berta, der wilde Backfisch mit dem unternehmungslustigen Gesicht und den blitzschnellen Augen: dies sehen und ein furchtbares Geschrei aufschlagen war eins.

Daraufhin fuhr alles von den Sitzen auf und schrie gerade hinaus, puffte um sich, fiel vornüber, drängte nach der Wagentüre, riss sie auf, wollte hinaus und rief entsetzt nach dem Kutscher, der so viel wertvolles Leben auf's Spiel setzte.

Der hatte gehalten, schaute auf die schreckliche Verwirrung hinter ihm, schaute nach Blut, sah keines, begriff gar nichts und schwieg verstockt.

Die Mütter fielen über ihn her, er sei gewissenlos, ja das sei er! Ob er die fünf Kinder erziehe, wenn sie mutterlos wären? »Und meine drei!« klagte blass die noch junge Frau Pastor. Und eine sehr dicke, rote Dame schrie, sie glaube, sie stürbe noch hintennach am Schrecken.

Da drehte sich der Kutscher langsam nach ihr um, ob es schon gleich wäre.

Die anderen Wagen, die voraus waren, hielten an, entleerten sich und es entstand ein grosser Kreis von jammernden und tröstenden Gestalten, ein Erklären, ein Fragen. Der vermeintliche Sündenbock stand immer noch stumm in der Mitte, schüttelte den Kopf, als rechnete er die Kinder zusammen, die er zu versorgen habe, und verweigerte jede Auskunft.

Da drang durch die Versammlung ein Aufkichern. Alle Köpfe flogen nach der Richtung, staunend ob dieses neuen Phänomens und man konnte eben diese wilde Berta, das frische, rotwangige, jüngste der Mädchen seitwärts stehen sehen, das Taschentuch vor das Gesicht gepresst, berstend schier vor lauter Lachen. Es war ihr Werk! Sie hatte einfach aufgeschrien, die andern ein wenig zu erschrecken und auch, – weil das Schreien so lustig ist, und – welche Wirkung!

Durch die erhitzten Köpfe fuhr ein plötzliches Aufdämmern. Erst Beschämung, dann Ärger und endlich ein mildes Gefühl gegen die junge Missetäterin, – da es doch so gut abgelaufen war, nachdem man dem kalten Tod ins Auge geschaut. In schöner Dankbarkeit für das wiedergefundene, warme Leben sagte man gediegene Worte von Verzeihen zu ihr, aber niemand mehr wollte den unartigen Backfisch bei sich im Wagen haben. Der Vater desselben sagte einiges Strenge, Verweisende, wie es sich für einen würdevollen Mann geziemt, der stark in seinen erzieherischen Grundsätzen zu sein hat; aber fast wäre dabei dem warmen Menschen ein inkorrektes Lächeln entschlüpft. Hatte er doch vor diesem Zwischenfall schon das unruhige Fünklein in des Mädchens übermütigen Augen gesehen und hatte es nicht gelöscht, bis es immer unternehmungslustiger aufblitzte und herausstach und auf einmal lichterloh brannte – da war es zu spät. –

Alles stieg wieder ein, nur Berta musste zur Strafe auf den Bock zum Kutscher sitzen, der indessen aus seiner Betäubung aufgewacht und es nun nicht unzufrieden war, mit einem so jungen, schmucken Ding zusammenzusitzen. In unbeholfener Galanterie breitete er ihr die Pferdedecke auf den Sitz.

»Das wäre gut hinausgegangen,« dachte er schmunzelnd im Fahren, als er einmal über des Mädchens dicke, pralle Zöpfe wegsah. –

So fuhr man durch dies weite Land; durch Buchenwälder, durch Felder, deren lange Ackerfurchen wie träge Schlangen über den Hügeln lagen und in weichen Windungen und Bogen sich wohlig sonnten in dem flimmernden Maienglast, der über der aufblühenden Erde stand.

Die Unterhaltung floss wieder in alten, behaglichen Bahnen seicht und sorglos dahin. Die Mädchen sangen Lieder und schielten dazu ein wenig nach dem fremden jungen Mann hinüber, weil er so gar nicht nach ihrem Geschmack sein wollte. Keine seiner Fragen oder Antworten schien ohne irgend eine Absicht und gar das abgestossene Lachen klang unangenehm, denn es entbehrte wahrer Heiterkeit, des ansteckenden Reizes – im Gegenteil, wenn es auffuhr, verstummte allsogleich jedes andere frohe Lachen. Irgend etwas hatte der vor; das glaubten sie zu fühlen. Allein um Skizzen zu machen, blieb der nicht in so kleiner, weltabgelegener Stadt. Was trieb ihn dazu? Doch da dies heute nicht mehr zu entscheiden war, vergassen sie ihn wieder.

Später verliess man die Wagen und wanderte langsam den Ruinen zu, die aus sagenseliger Zeit Grüsse in die Gegenwart schickten. Gleich einer schönen Fee, so geheimnisvoll, wundersam und unnahbar schwebte das Märchen über sie hin, und der Saum ihres Schleiergewandes streifte die zerborstenen Mauern.

Nur eine war zurückgeblieben und mischte sich nicht in das allgemeine leere Gerede; Estella Brand. Ihr war es zu schön ringsum und des Fremden weitausschauendes Auge hatte sie unbewusst fortgewiesen aus der engherzigen Umgebung.

Sie ging so für sich hin – wie in lauter rosigen Wölkchen, denn das dünne, faltenreiche, rötliche Kleid umflatterte und umblähte fortwährend den schlanken Leib. Wie sie so ging und die schmalen Füsse aufsetzte, das war prachtvoll anzuschauen. Es war der Gang einer Königin. Stolz und sieghaft der Tritt. Flüchtig und leicht das Schreiten. Sah man sie vor einem dunklen Walde gehen oder weitete sich hinter ihr die helle Landschaft, immer hob sich diese Mädchengestalt triumphierend als ein eigenster schöner Schöpfungsgedanke glänzend davon ab.

Der Maler, der sie bis jetzt absichtlich unbeachtet gelassen hatte, kam zu ihr und redete allerlei Äusserliches, was so ein erstes Begegnen mit sich bringt. Aber nicht lange; dann machte die Unterhaltung jenen unbemerkten Sprung ins Subjektive, von wo aus sie nicht mehr zurückfinden kann. Dabei sah er sie unausgesetzt an, dass sein beharrlicher Blick sie bald belastete.

Sie ging ohne Hut und die losen Waldlichter trieben ihr ausgelassenes Spiel auf dem hellen, flimmernden Haar und Antlitz, bis der Schatten irgend eines grossen Blattes oder Zweiges es auf Augenblicke einstellte. Diese wechselnde Beleuchtung brachte etwas Schwankendes, Verschwommenes mit sich und verwischte die festen, sicheren Linien. Der Künstler hatte das Empfinden einer in nächster Sekunde zerrinnenden, schönen Vision. Wenn Estella sich vom Boden weggehoben hätte, aufgeflogen und dem Waldesdickicht entschwebt wäre, er hätte nicht aufgeschrieen; es wäre etwas Erwartetes gewesen.

Und der Wille entstand in ihm, festzuhalten.

Er wich nicht mit seinen Augen und fühlte immer mehr, dass ihn diese eigenartige Schönheit beschäftigen würde. Wie gerne liess er das geschehen; es kam ihm gerade recht in seiner Übersättigung und Langeweile; es sollte eine seiner köstlichsten Episoden werden.

Dreister und deutlicher wurden seine Blicke und legten sich lähmend über sie. Selbst ihr leichter Gang litt darunter. Er wurde schwerer, tastender. –

Da blieb sie plötzlich jäh und unvermittelt stehen und sah ihn fest und ruhig an. Hierin lag so viel Selbständigkeit, so viel unbequemer eigner Wille, dass er stutzte. Sie war stark und wehrte sich, bevor man nach ihr langte; sie hatte vorsichtig Lichter um sich gestellt, damit sie niemand streife, die Reine, Feine.

Etwas wie Scheu empfand er, sie sah es an seinem Gesichte und wollte schon froh sein darüber, doch kam er ihr zuvor und schnitt diese Freude kalt entzwei. In sein ganzes Gebahren legte er etwas so Wegwerfendes, Rücksichtsloses, dass es sie verletzte; und diese Demütigung fiel in ein junges, eitles Herz, schlug Lärm darinnen und schrie nach Rache.

Zuerst besann sie sich ein wenig und lachte leise vor sich hin, zuversichtlich. Dann liess sie eine Verwandlung mit sich vorgehen.

Sie hob sich gleichsam auf die Fussspitzen, neigte sich um, hinüber in all' ihr leichtes, lichtes Wesen, breitete die Arme aus, reckte sich aus der eignen Schwere, lockte sich in ein Tanzen hinüber, und wirbelte ihm all' ihre keusche Grazie vor seine Seele.

Sie erzählte und lachte und sang in den Himmel hinauf, Da war nichts Gekünsteltes mehr, sie war ganz sie selbst geworden und fühlte sich frei und herrschte. Und dies Bewusstsein berauschte sie und entriss ihr immer mehr eine sprühende Laune.

Sie sprach von ihrer Kindheit; wie ihr einst die Mutter einen Apfel nahm und sie ein grässliches Geschrei aufschlug, dann aber plötzlich unter wilden Tränen schwieg, weil sie eine Birne liegen sah, die nahm und lachend rief: »Hab i nicht 'n Apfl, hab i doch a Birn!« So sei sie auch geblieben, nur noch viel gescheidter geworden, weil sie jetzt selber wegwerfe, was nicht gut für sie ist. Und wenn sie noch gescheidter werden sollte, wozu doch alle Aussicht wäre, dann lange sie überhaupt nicht mehr nach dem Falschen. Das müsse vortrefflich werden, wenn dann Gedanken und Gefühle einst so quasi wie Äpfel und Birnen vor ihr auf dem Tische liegen würden und sie sich stündlich besinnen könne, was sie davon wegnehmen wolle und was nicht. Dazu ihr Lachen, ihre Leichtigkeit, ihre jungen, schnellen Augen, die wie Waldbäche ohne Tiefe und Schwere über blanke Gedanken rieselten, – man musste es ihr glauben, sie hatte sich in all ihre natürliche Fröhlichkeit hinübergelacht und gedacht und gesungen.

Zuerst hatte er die Augen zusammen gekniffen und hinter ihre Reden geschaut, aber nichts dort gefunden als die Offenherzigkeit einer kerngesunden Mädchenseele. Das entwaffnete ihn.

Die Buchen wölbten ihre jungen, seidenen Blätter über sie und hatten die braunen, alten als knisternden Teppich auf den Boden geworfen. Kuckucksrufe von weit her erhöhten die Einsamkeit des Waldes. Estella verdoppelte ihren Schritt, denn sie waren weit zurückgeblieben von den andern.

»Jetzt kommt sie ab von dem geraden Wege, werden sie untereinander sagen. Sie wissen ja nichts von Estella Brands hellen Augen, die ihn nicht verfehlen können!« rief sie laut und übermütig nach den andern hindeutend und war froh, dass das gesagt war, und fing zu laufen an, dass er gerade zu tun hatte, hinterher zu kommen, und liess ihn allein mit dem hingeworfenen Worte, das ihr so zuverlässig erschien.

»So der grossen Masse nach, das ist sicher der rechte Weg!« rief er ihr spottend nach. –

Der letzte Anstieg zu den Ruinen kam. Träumend von andern Zeiten schauten sie von ihrem Berge über das weite Land. Oben bei ihnen war es wundervoll. Rings umgeben von altem, verwitterten Gemäuer, an das sich einst zaghaft dieser Epheu schmiegte, der es jetzt mit stämmig gewordenen Krallen umklammert und später vielleicht zusammenhalten wird, wenn es vollends Staub und Erde werden will, – hoch auf dem lachenden Hügel, um den sich in kühnen Weiten die köstliche Landschaft bis an des Himmels Ende dehnte, da hob auch die Phantasie ein wenig ihre Flügel und trug aus der Gegenwart fort. Man sah bärtige Ritter mit erzenen Füssen, und feine Frauen mit schleppenden Atlasgewändern und Federnhüten auf den goldenen Locken durch diese einstigen Tore schreiten, die jetzt fast zerfallen waren, in denen Vögel nisteten und Unkraut wucherte. Man hörte grosse, weisse, schlanke Hunde bellen, das Hüfthorn schallen und die Laute schlagen. Man sah aus den geborstnen Fensterbogen, auf dessen Simsen Schlehdorn wuchs und Holunder, sich eine wundersame Jungfrau neigen, mit Geschmeide behangen und langen, schweren Perlentropfen an den feinen, durchsichtigen Ohren.

Auf der zerbröckelnden Mauer, die aussen am Hang herumführte und die einst strahlende Feste umschlossen haben mag, wiegten sich indessen tausend Glockenblumen auf ihren zarten Stengeln im Maienwind. Und wer zurücktrat, bis nichts mehr zu sehen war als diese Mauer und dieselbe gleichsam in der Luft stand, der konnte das Blau der Glocken in dem Blau des Himmels stehen sehen. – Estella hatte es getan und gesehen und rief erfreut:

»Wer zu mir herkommt, der kann was Schönes sehen!« Der Oberamtsrichter und der Pastor kamen, weil sie gerade in der Nähe standen, und schauten und sahen nichts. Sie zeigte es ihnen voll Eifer, als hätte sie den lieben Gott selber zu vertreten; da klopfte ihr der Pastor wohlwollend auf die Schulter und sagte:

»Nun, nun, wir wollen sehen, wann Estella Brand einmal vernünftig wird,« und der Oberamtsrichter, der sich gefoppt vorkam, rief brüsk:

»Dazu bin ich mir zu alt; wenn man – – – –« schon in Ostende war, wollte er sagen, aber das Mädchen war bereits verschwunden und hatte die beiden allein gelassen.

Alles ging nun den Hügel wieder hinunter, durch die Wälder zurück. In einem Tannenwald, dem letzten derselben, der wieder vor der offenen Landschaft lag, liess man sich nieder, setzte sich auf Baumstümpfe oder legte sich ins Moos, labte sich und sah hinauf in die rauschenden Tannen und hinweg über die maigrünen Erdwellen.

Man ass und trank, die gute Laune wuchs und man sprach davon, wie schön das Leben sei.

»Gar so schön ist es nicht«, dachte der Maler Makassy, der seitwärts sass, bei sich. Weil er über sein Leben zurücksah, darum dachte er das. Da stand sprungbereit auch schon seine Vergangenheit vor ihm, rückhaltlos, unerbittlich, mit boshaft funkelndem Auge und rollte ihre düstersten Bilder grinsend vor ihm auf.

Wie ein Leichenzug glitt es an ihm vorüber mit traurigen, blassen Gesichtern, weinenden Augen und schleppenden Füssen. Die trugen die Hoffnung zu Grabe. Und dann kam das Andere.

Ein wüstes Leben. Liderliche Genossen, halb nackte Weiber. Ateliers mit abgegessenen Tafeln und entblätternden Rosen darauf, die faul und süsslich rochen; dahinter zerwühlte Divans mit zerknitterten Kissen und Decken.

Er roch noch diesen dicken Dunst von Wein, Rauch, Parfüm und Fäulnis. Ach! Und diese erbärmlichen Morgen, wenn über die Reste solch einer schändlichen Nacht das kalte nüchterne Tageslicht fuhr, rücksichtslos, nichts verschonend mit seiner durchdringenden Helle, – wenn der Körper so widerlich schlaff war, der Kopf wie zerschlagen, der Gedanke träge und die Hand schwer, die den Pinsel zu neuer Arbeit führen sollte!

Das Erinnern an solche Nacht kroch gleich Würmern am Leib empor und, wollte man diesen grässlichen Ekel abschütteln, biss er sich fest und sog die letzten Reste der Kraft aus Seele und Leib. Er umklammerte das Herz, dass das Blut stagnierend durch den Körper floss, die Lebenskraft erstickend wie in einem schlammigen Bach. Dieses ermattete Suchen und Tasten gleich wieder erlahmt in Trägheit! Und dabei das zum Wahnsinn treibende Wimmern der begrabenen Seele, die faulen musste und nicht sterben konnte.

Ein grausames Leben fürwahr, eine qualvolle, entsetzliche Marter, ein Fliehen vor sich selbst, ein Rennen und Rasen von Furien gepeitscht – den Tag hindurch – bis der Abend da war und die Nacht – und man mit starrem Entsetzen fühlte, wie das Verlangen wieder kam und die Gier nach Genuss und Betäubung – und wie sich die Sinne umnebelten und anfingen zu tanzen und zu locken – und wie es einen durch die Gassen trieb – wie schon die Hand auf der Klinke lag, kraftlos wurde, – niedersank, – wie die Türe sich öffnete und durch die Spalte Qualm und wüste Lieder drangen und der Branntwein roch – wie es winkte und gleisste – wie man nach heissem Leben rang – lechzte – langte mit gewalttätiger Hand – wie man willenlos wurde, taumelte, irrte, nach dem Falschen griff – und eintrat in die kotige Spelunke – zu betrunkenen Gesellen, die zu den Tieren gingen statt den Menschen – wie man Arm in Arm mit denen sich künstlich hinauftrieb in den Rausch – und wie am Ende die giftigen Wellen wieder über einem zusammenschlugen .......

– – Makassy war hastig aufgesprungen, wie ein wehrlos Überfallener; so feindlich war ihm seine Vergangenheit noch nie gegenübergestanden. Erschrocken sah er um sich und musste erst zurechtkommen mit seiner Umgebung, den Menschen und dem Lande.

Ja, das waren brave, zufriedene Alltagsmenschen aus einer vergessenen, kleinen Stadt mit einer armen, aufgeputzten, hochmütigen Moral, die sie in behaglicher Erbpacht hatten.

Doch die Landschaft da draussen, wie friedvoll die war. Wie die Blumen über den Wiesen lagen und die Bäume auf ihnen standen, wie ein Hügel aufstieg und wie ein Hügel abfiel, wie ein Wald anfing und ein Wald aufhörte, und wie ein Acker begann und ein anderer endete, das war alles so einfach und gross und ruhevoll dabei. Mit Demut sah er hinaus – – da stand der grosse, schöne Friede auf, der über der Welt lag, und gesellte sich zu ihm.

Estella sah dies alles; sie hatte die Qual der Gedanken in diesem Antlitz und die erschrocken von innen kommenden Augen gesehen, die ängstlich die Gegenwart suchten und dann da draussen über den Hügeln etwas Schönes gefunden haben mussten.

Vor ihr lagen viele einzelne Teile, himmelweit verschieden von einander, aber mit der Unzulänglichkeit ihrer Jugend konnte sie deren Zusammenhang nicht finden. Und sie sah das Rätselvolle mit staunenden Kinderaugen und sie sah das Gute darin. Das nahm sie leise auf und legte es schweigend in ihr Herz.


Einige Tage später sass in der eleganten Villa des reichen Privatiers Brand der junge Forstmann Richard von Thieben. Er war gekommen Estella zu sehen und auch sie zu fragen, ob sie die Selbstherrlichkeit ihrer 20 Jahre jetzt noch nicht aufgeben und mit ihm ziehen wolle in das baumumrauschte Forsthaus, das drüben zwischen den Hügeln des Schwarzwaldes lag.

Wie war es ihm wohl in diesem Hause, wo er sie wusste, wo sie an Allem hing, an allen Möbeln und Geräten.

Er hatte eine von den Empfindungen, die wie Gold sind, so blank, solide und schwer.

Der Onkel war ein Rechtlicher, Gerader. Fast ein wenig starr dabei. Mit dem erlaubten Behagen, das ein arbeitreiches Leben gewährt, lebte er die Jahre seiner Ruhe.

Für den Forstmann Thieben hatte er grosse Sympathien. Das ganz Übersehbare seiner Charakteranlage gefiel ihm: da war alles klipp und klar und gab's nirgends dunkle Ecken. Er war vermögender Eltern Kind, gut und recht erzogen, gut und recht geworden. So waren die Thiebens alle, den ganzen Stammbaum zurück; ein reinliches Buch, in dem man nirgends ein Blatt zu überschlagen brauchte. Seit langem harrte er der schönen Estella; er hatte nie um sie gekämpft, sondern wollte einfach warten, bis sie zu ihm kam. Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte sie an sich gerissen mit dem Egoismus einer fordernden Liebe, wenigstens hätte das bei ihr die Energie der Entscheidung ausgelöst. So war sie ein gaukelnder Schmetterling, der nicht gehalten sein wollte und gerne um dies wie um jedes andere warme Licht geflattert war.

Als er sie nun heute frug, ob sie mit ihm gehen wolle, da sagte sie, sie möchte lieber dableiben, und dachte, dass ihm das so angenehm sein werde wie ihr. –

Der Onkel hatte dem enttäuschten Manne stumm die Hand gedrückt und dann heftig und geräuschvoll nach dem alten Jagdhund gerufen und ihn polternd ausgescholten, ihn, der schon seit Jahren keinem mehr ein Leid getan, ihn, der ein alter, fetter Hund geworden war, die Bequemlichkeit überaus liebte und alles andere längst aufgegeben hatte.

Aber die bangen Minuten waren indessen vorüber gegangen.

Estella war hinausgeschlendert in den Garten, zupfte verdorrte Blätter aus den Rosenstöcken, die voll von Knospen waren, hob ab und zu eine Erdbeere auf und schob sie in den Mund. Wie gut die waren!

Später rief sie nach Onkel und Thieben. Die beiden Männer kamen, sie sagte ihnen entgegen, dass sie Einkäufe in der Stadt zu machen habe, wer mitgehe.

Der Alte sah über sie weg, Thieben holte schweigend seinen Hut.

Da dachte sie, was das für langweilige Menschen seien.

Als er zurückkam, lag ihr ein spottendes Wort auf den Lippen; es blieb aber ungesagt, als sie in sein langes Gesicht sah, auf dem derb und hart die Kraft niedergerungenen Schmerzes stand.

Wohl redete sie gute Worte, als sie mitsammen durch das alte Städtchen gingen, aber innerlich musste sie ihn allein lassen und er war einsamer denn je.

Da und dort holte sie etwas in einem Laden; er wartete heraussen und blieb stehen so wie er stand, als sie ihn verlassen hatte. »Wie ein umgefallenes Pferd, so steif und hilflos«, dachte sie dann drinnen und kam tapfer und entschlossen heraus, ihm aufzuhelfen. Aber das hielt schwer; ihm fehlte die Elastizität.

Vor der Kirche blieb Estella stehen und zeigte ihm eifrig die hohen, spitzen Fenster, die geschnitzten Tore, die Wasserspeier und den wunderschönen Apostel Paulus, und als aussen nichts mehr zu sehen und zu finden war, schleppte sie ihn noch hinein in das Innere und da sollte er wieder schauen und bewundern; sie bot alles auf, ihn zu zerstreuen und von sich zu befreien.

Aber der hohe, feierliche Dom, der sein düsteres Dach über ihm zusammenschlug, verdüsterte seine Seele immer mehr. Er sah, die er liebte, oben am Altare stehen, umwallt von einem weissen Schleier, er hörte sie das beglückende Wort sprechen, fühlte seine junge Frau an seinem Arme schreiten und sah blühende Kinder, die ihr glichen, unter den Bäumen spielen, die draussen um sein Forsthaus standen ...........

Es war, als Estella eben sagte:

»Sehen Sie, das eine Glasfenster da oben ärgert mich jedesmal. Diese 18jährige Mutter Maria hat einen so alten Sohn in ihren Armen. Darunter leidet die überzeugende Wahrhaftigkeit dieses Vorwurfs und damit seine Eindringlichkeit; ich wenigstens könnte z. B. an einem Pferde mit fünf Füssen keine Freude haben, wenn es noch so schön gemalt wäre. Wie soll man an so was glauben? –«

Aber, ebenso gut hätte sie schweigen können, denn er hörte nichts. Und so verliessen sie die Kirche wieder. »Den kann ich doch nicht aus sich herausziehen« dachte sie.

Die Sonne brannte heiss herunter und prallte blendend und stechend von den Häusern ab, wo sie draussen kosend von den Bäumen gehangen und segnend über die Felder gegangen wäre. Herinnen in dem Winkelwerk und Gekünstel von Menschenhand wusste sie nichts anzufangen mit all' ihrer Fülle und Kraft. Wie ein machtvolles Organ, dessen grosser Ton sich stolz durch einen Dom trägt, an engen Stubenwänden zerschellt und misstönig davon zurückschlägt.

Die schmalen Gassen waren schwül und von einem schlechten Geruch erfüllt. Ein paar Geschäftsleute stunden gähnend vor ihren Läden, aber die Kauflustigen sassen hinter ihren beschatteten Fenstern und sahen schläfrig auf die Strasse – ausser Estella. Doch auch sie drängte nach Hause und schlug einen der schattigen Wallwege, die aussen um die Stadtmauer herumführten, vor.

Da hörten beide einen eiligen Schritt hinter sich herkommen und Jemand rief:

»Guten Tag, gnädiges Fräulein, wollen Sie nicht ein wenig warten, ich möchte um etwas fragen?!«

Atemlos kam der Maler Makassy über das holprige Pflaster dahergelaufen.

Die Beiden warteten. Das Mädchen stellte die Herrn einander vor.

Ein schnelles Auffliegen von Blicken. Es waren zwei, von denen keiner den andern übersehen konnte.

»Um kurz zu sein und Sie nicht aufzuhalten, eine Bitte an Sie, mein Fräulein; es soll nur eine bescheidene Frage sein, aber ich bange vor der Entscheidung – ist es mir gegönnt, Ihr schönes Bild auf meine Leinwand zu übertragen?«

Bei den glatten Worten und beredten Blicken sah Thieben rasch auf; selbst Estella fühlte sich nicht angenehm berührt.

»Verzeihen Sie,« rief hochfahrend Makassy. »Künstler sind Enthusiasten! Die Kunst ist ihr Leben und was ihr dient, verehren sie.«

»Ach ja«, beeilte sich das Mädchen in grossem Tone zu sagen. »Ich verstehe das; wir sind nur Objekt, Mittel zum Zweck – darin liegt gar nichts Persönliches.«

Dabei sah sie nach Thieben, denn sie hatte Angst, es könnte sich dies erfreuliche Anerbieten zerschlagen oder er möchte es beim Onkel hintertreiben.

»Also darf ich?« rief der Maler ungestüm.

»Ich weiss nicht, ob Fräulein Brand Modell steht!« platschte es da schwerfällig in die aufquellende Freude.

»Davon kann nicht die Rede sein«, sprudelte Estella heraus, den bedrohlichen Ernst der Situation überschwemmend. »Ich will der Kunst ein Opfer bringen; wer da kommt um blos zu nehmen, der tut ein Unrecht an ihr; es wäre falsch, dies Anerbieten abzulehnen. Malen Sie mich nur, Herr Makassy!«

Der lächelte über den Eifer, der den andern verletzte, und sagte laut:

»Es freut mich Ihre Zusage; ich wusste ja, dass ich hier Verständnis finden würde. Doch allerdings, wenn Ihr Herr – – – Herr von Thieben es nicht zugibt – –«

In Thiebens Gesicht zuckte es; auch dieses boshafte Wort hatte seinen Weg gefunden. Er wollte erwidern, aber Estella sagte schnell:

»Aber ich bitte, diese kleine Angelegenheit leitet sich ja ein, so ernsthaft wie ein Trauerspiel, – und es ist doch so belanglos und lustig, gemalt zu werden!«

»Jetzt hat sie das hohe Lied vom Opfer schon vergessen« dachte Makassy amüsiert bei sich, als sie ihm schon zurief:

»Also auf Wiedersehen! Kommen Sie zur Besprechung. Villa Brand vor dem roten Tore!«

Ihre Augen winkten ihm nochmals zu, einverstanden, aufmunternd.

Aber es wäre unnötig gewesen; ihm hatte ungewollt ihre verheissungsvolle Schönheit unwiderstehlicher gewinkt als ihre Worte und Blicke. Auch war er keiner, den Schwierigkeiten schreckten; im Gegenteil, Widerstand reizte ihn.

Sie war mit dem Forstmann weitergegangen. Der zeigte ihr noch einmal seine schöne Seele in vollem Glanz.

Es war ein kurzes, trauriges Bitten und Reden.

Er bat sie von ihrem Vorhaben abzusehen.

»Es ist nicht gut, es kann nicht gut sein« klagte er. Er bat für sie selbst und dann noch für sich. Aber sie wollte nicht hören. Und so langte sie mit ahnungslosen Kinderhänden nach dem Ungewissen und liess das Gute liegen. –

Zu Hause angekommen, sagte Thieben zum alten Brand, dass seine Nichte gemalt werden sollte und dies sehr zu begrüssen wäre, weil es ihr so viel Freude mache. Das war für den Onkel bestimmend und die Zustimmung auch von dieser Seite gesichert.

Aber das Mädchen fühlte sich bedrückt; das Geschenk war zu gross.


Die Staffelei war seit einigen Tagen im Garten der Villa vor dem roten Tore aufgeschlagen. Estella sass in schlichtem, blauen Kleide auf einer Gartenbank. »Recht lässig,« hatte der Maler Makassy gesagt. Aber sie brachte es nicht fertig; in ihr war zu viel Spannung.

»Stützen Sie sich mit dem einen Arm auf die Seitenlehne,« rief er. Aber dies sah so unwiderstehlich komisch aus, dass beide lachen mussten.

»Es wird nichts werden« rief sie, »ich sollte so eine spitzenbesetzte Prinzessin sein mit einer recht fertigen, ausgeruhten Seele; wie schön gelassen wollte ich mich vor Sie setzen!«

Das Haar trug sie einfach geknotet wie stets. »Ist meine Frisur so recht?« frug sie.

»Frisur ist das überhaupt keine« antwortete er. »Aber es ist gerade recht so wie es ist. Es soll kein Feiertagsbild werden – obwohl es jedesmal Festtag für mich ist, wenn ich kommen und Sie malen darf.«

»O, es ist sehr – – – –« angenehm – wollte sie sagen, »sehr komisch,« vollendete sie rasch, »dass Sie Maler sind!«

Sie war so freudig und er hatte das lieblichste Modell.

Alle die kleinen Übertriebenheiten der ersten Zusammenkünfte lagen ihr fern.

Aber er vergass hinter allen Worten und Reden seine Absicht nicht. Schritt für Schritt drängte er vorwärts und sah mit Genugtuung, dass sie immer mehr vergass, nach ihren wachsamen Lichtern zu sehen, die sie so vorsichtig um sich gestellt. –

Ganz ernst war es ihm nur mit Einem auf der Welt, mit seiner Arbeit; sie war das Einzige, was ihm im Leben geblieben war. Vor ihren unerbittlichen Augen bangte ihm – und bei diesem Bilde besonders auch vor seiner derben, spröden Kunst, wenn er in dieses zarte Antlitz sah, und bald spannte sich sein grosses, dunkelgraues Auge wie in Angst weit offen darüber, dann wieder blendete er das Licht ab und holte es sich durch halbgeschlossene Lider.

Und je mehr er malte, desto heisser wurde der Kampf. Er wollte Ausserordentliches leisten. Ein wilder Ehrgeiz fuhr ihm in die Zügel und riss seine Energien auf zu immer rastloserem Arbeiten. Er wollte, er musste es versuchen mit all' diesem schimmerigen Liebreiz, der so schwer haltbar war und ihm zerrinnend durch die Finger floss, wenn er ihn zu fassen wähnte.

Fast inbrünstig wallte es in ihm auf und er rief die ganze Kraft seines Künstlertums an um Gelingen.

Bei besonderen Aufgaben fürchtete er auch die Tücken der Technik, die ihm so manchmal schon boshaft und hartnäckig zwischen Pinsel und Leinwand gesessen waren.

Und er hatte einst auf der Akademie am lautesten darüber gelacht und dem Lehrer den Pinsel hingeworfen und seinen Austritt erklärt – – war aber seitdem manchesmal bebend vor einem Bilde gestanden, das das Wollen eines Genialen mit sieghafter Unmittelbarkeit trug, ohne dass einer der göttlichen Funken durch eine hinkende, mühselige Technik verschleppt und verloren war.

Dennoch hatte er durchgesetzt, dass seine Bilder Mittelpunkt der Ausstellungen wurden, berühmt und berüchtigt.

Und Estellas Porträt sollte das ganz Besondere werden. Ein Frühlingsgedanke; und alle, die es einst sehen würden, sollten das gleiche Empfinden haben wie er, da er sie zum ersten Mal sah. –

Stundenlang währten die Sitzungen; Ermüdung kannte er nicht. Nur das Mädchen wurde ganz steif und starr vor lauter Sitzen und Stillhalten und musste ab und zu aufspringen, sich bewegen, und jedesmal wenn es zurückkam und sich wieder auf die Gartenbank setzte, war es köstlicher und erfrischter als zuvor. Es eignete sich ihr bewegliches Gesicht schwer zum längeren Festhalten; die Züge wurden kälter, reizloser; ihr Element war Bewegung, in dem sie so schön gedieh.

Im Halbbogen um die Bank, auf der sie sass, standen Haselnussstauden – aber in ehrfürchtiger Entfernung, als wollten sie sich nicht zu nahe an dieses flammende Haar wagen.

Es war ein heiterer, behaglicher Platz, den sie sich in dem grossen Garten ausgesucht hatten; ungestört und verschwiegen.

Nach und nach begannen sie mehr miteinander zu reden. Ein Wort holte so das andere heraus und mit jedem wuchs Estellas Vertrauen. Denn seine Worte waren schön und glänzend, hinter denen er seine Vorsätze klug verbarg und auch der Ernst des Ehrgeizes lag so überzeugend über seinem Wesen.

Und sie öffnete die Tore ihrer Seele und liess das Neue einziehen und zeigte dabei schüchtern all' ihren keuschen Reiz.

Sie erzählte ihm die kleinen, inneren Ereignisse ihres Lebens, ohne dass er darnach frug. Und was sie sprach, war lauter durch und durch. So wahrhaftig als spräche sie vor ihrem Richter.

Alle die kleinen Geschichten ihres einfachen Lebens erstanden vor ihm ungeschmückt, so wie sie sich zugetragen. Da wurde nirgends ein Ecklein abgerundet oder eines dazu gesetzt, besserer Wirkung zuliebe.

Anders bei ihm, er sprang um mit der Wahrheit wie mit einem Knecht, den er heute dingen und morgen entlassen kann. Darum war sie gehässig geworden und verfolgte ihn. Und er fürchtete sie. – –

Einmal frug ihn Estella – es war vielleicht am achten Nachmittage, an dem sie ihm sass – nach manchem andern, ob er das schon empfunden habe, wie die Seele auffliegen möchte und nicht kann.

»Warum kann sie es denn nicht?« gab er zurück und mischte die eigensinnigen Farben beharrlich auf seiner Palette.

»Weil da zu viele kommen mit den Scheren und ihre Flügel stutzen«, sagte sie mit fast traurigem Gesichte, »und herumschneiden an einer jungen, flügge werdenden Seele.«

Sie dachte nach und fuhr dann lebhaft fort:

»O, so ein Mädchen wird gut erzogen! Da gibt es Väter, Mütter, Lehrer in seinem Leben; alle sind alt und voll von Weisheit und sie eilen eifrig und besorgt an ihre Arbeit. – Halten Sie das für gut, dass man recht bald alt und weise werde?«

»Altwerden ist entsetzlich!« rief er heftig und schnell.

»Dieses Altwerden meine ich nicht,« fiel sie ein. »Das ist ein Absterben. Aber es gibt doch ein schönes Ausreifen und Gewordensein, wo man neidlos und erhaben, wie von einer Brücke aus, sein Leben der Jugend vorbeiziehen sieht.«

Da zischelten und züngelten folgende Worte nach ihr hinüber:

»Aber vorher muss man jung gewesen sein, Estella Brand, vorher muss man aufgejubelt haben und aufgeschluchzt, man muss die Arme ausgebreitet haben vor Sehnsucht und Seligkeit, – es muss sich der junge Leib gewunden haben vor Schmerz und Lust und mit trunk'nen Sinnen muss er geliebt, genossen und vergessen haben – gleichviel, um welchen Preis!«

Estella war still geworden. Dann sah sie nach ihrem Leben. Da waren lauter Gärten mit schönen stillen Blumen und der Ruhe eines Sonntags; aber von alledem war nichts darin. Langsam suchte sie zurechtzukommen und endlich hub sie an:

»Nach Abschluss meiner Erziehung kam ich mir vor wie ein fein säuberlich zusammengestutztes, kreisrundes Bäumchen, das man in den Garten – von Serenissimus etwa – stellt, an dem kein Blatt und kein Zweiglein daneben stehen darf und an dem in Zukunft geschminkte Frauen auf hohen Absätzen und Männer mit gepuderten Locken und parfümiertem Taschentuch vorbeitänzeln und ihrem korrekten Empfinden dadurch Ausdruck geben werden, dass sie sagen: ›Dieser Baum ist schon zugeschnitten; es ist eine gute Arbeit.‹ Ach, und ich wäre so gern ein Baum geworden, der draussen stehen durfte – auf der Haide zum Beispiel – und seine Zweige ausdehnen bis in den Himmel hinein und wachsen wie er wollte.«

Sie sah etwas Spöttisches über sein Gesicht huschen und augenblicklich verwandelte sich ihr schüchterner, zaghafter Ton und stolzierte und paradierte hochmütig an ihm vorbei:

»Ich bin nicht in dem ängstlichen Park geblieben, Herr Makassy; ich habe mir selbst einen Garten angelegt nach meinem Geschmack. Es ist so viel Schönheit darinnen, Ruhe und Frieden, und ich tauschte mit Keinem!«

Da fuhren seine boshaften Augen los und höhnisch rief er:

»Ihre Idylle ist bezaubernd, aber es gehören Menschen hinein, die träumen, keine die leben!«

So kämpften sie beide, jeder um seine Welt. Estella in Notwehr. –

Von da ab blieb es still an diesem Nachmittage in dem Garten des Rentiers. Es wurde nichts mehr gesprochen. Makassy malte nervös, mit Anstrengung. Sie war ganz leise und rüstete sich in ihrer Seele. Irgend etwas fühlte sie herannahen, das sie stark empfangen musste.

Als er ging, reichten sie sich stumm die Hände und keines fand in des andern Auge mehr als leere Förmlichkeit.

Der Maler eilte nach seiner Wohnung. Am andern Ende der Stadt hatte er auf unbestimmte Zeit gemietet und sich ein Atelier und einen Schlafraum zurecht gemacht.

Es waren dazu viele Kisten aus der Grossstadt gekommen, mit einer Unmenge von feinen Dingen, wie seine alte Hausfrau geschäftig erzählte. Dann seien noch Arbeitsleute dagewesen und wie sie nach einigen Tagen nachgeschaut habe, sei ihr fast der Verstand stille gestanden, weil sie ihre eigenen Räume nicht mehr erkannte, so schön waren sie. Über ihn selber wisse sie nichts zu sagen, nur dass er fleissig male.

»Aber er kann's gar nicht,« versicherte sie in engerem Vertrauen, die Hand vor dem Munde. Wenn sie da die Öldrucke, die sie von ihrem seligen Manne habe, dagegen anschaue – Du lieber Gott, das sei etwas ganz anderes, das sei eine Kunst, eine saubere, akkurate. Später einmal, wenn er das Malen besser könne, wolle sie s' ihm schon leihen zum Abmachen. –

Makassy hatte sich, zu Hause angekommen, auf seine Ottomane geworfen, ging zu Rate mit sich selber und wusste nicht, was er wollte und sollte. Er wusste nur, wie klein und niedrig er war und wie er hier wieder nach billigen, wohlfeilen Mätzchen griff, seine Nacktheit zu decken, um seine Zwecke zu erreichen und Weiber zu fangen, die sonst geflohen wären.

Er dachte an Estella. Und wieder kam es leise zu ihm gegangen, das Schöne. Das Schöne, dem Einfachen entsprungen. Wie ruhevoll das war. Es lag über diesem Lande, über den Wäldern, über den Wässern und es lag in dieses Mädchens Herz.

Was wollte er mit seinem Trieb nach Zerstörung? Beneidete er oder war es Hass? Im Hass liegt Kraft und Grösse. Das war es nicht. Sondern etwas Hinterlistiges, Schleichendes, das von rückwärts überfiel und langsam mordete – – um rücksichtslosen, selbstsüchtigen Genuss.

Heute hatte er den ersten Spatenhieb eingestossen in die glatte Erde von Estellas sonnigem Garten, wie sie ihn selber so treffend hiess – es war geschehen, daran war nichts zu ändern – aber er wollte selber wieder Blumen an diese Stelle pflanzen; ja, das wollte er.

Er war aufgesprungen und zum Fenster getreten. Misstrauisch sah er um sich – aber nichts geschah, niemand lachte. War das Gute so selbstverständlich?

Nichts geschah. Nur in schweigendem Ernst begann sich die Maiennacht langsam herunterzusenken. Draussen vor dem Fenster tobte und raste keine Grossstadt vorbei, sondern auf dunkeln, schlafenden Hügeln stellten sich still die Sterne auf. Wie feierlich das war!

»Habt ihr euch denn alle zusammengetan, alle gegen mich?« dachte er. – – – –

Als er das nächstemal in Brands Garten kam, begrüsste er Estella mit schlichter Herzlichkeit; es klang dürftiger als sonst, so dass sie aufsah.

Woher auch sollte sie wissen, dass es gerade heute wärmer war als je.

Sie setzten sich zur Arbeit und gute Gespräche gingen durch den Maienmittag.

Ein wenig verfielen sie auf ihre gestrige Unterhaltung, aber mit Grazie sprang sie über das Verhängnisvolle darin weg und verplauderte es vollends ganz.

Wieder erzählte sie ihm vom Haus und Schule und er lockte sie immer mehr aus sich heraus und bat sie zu reden »damit er sie auch von innen sehe.«

Sie hatte ihr ganzes Leben sorgfältig zusammengerafft und war sich selbst nachgegangen bis in die tiefsten Winkel, darum wusste sie Bescheid und war klar und geordnet und hatte nicht das Zerfahrene, Unsichere, wie oft ihr Alter, das über die eigene Unordnung stolpert und sich die Köpfe zerschlägt. Aber sie war sich mit ihrer Wohlordnung oft kalt und vernünftig erschienen neben denen, die da irrten und lachten und weinten. –

»Jetzt muss ich Ihnen noch etwas erzählen, eine kleine Episode aus der Schule«, sagte sie, »die müssen Sie auch wissen.«

Er nickte eifrig mit dem Kopfe und lächelte ihr aufmunternd zu.

»Also, es war einmal«, begann sie mit grossem Pathos – »nein, nun im Ernste – es ist nämlich eine sehr ernste Geschichte, die ich Ihnen da erzählen will. Auslachen ist verboten! Also: Wir Schülerinnen sind einmal von unserm Lehrer für Kunstgeschichte hinausgeschleppt worden aufs Land, um durch Anschauung den Hort unseres Wissens noch mehr zu bereichern. Es war irgendwo ein kleines Kirchlein aus alter Zeit, von interessantem Stil, in demselben aber eine Kopie nach Rubens, das Bild eines hervorragenden Malers, der es aus Dankbarkeit oder sonst einem Grunde gestiftet haben mochte.

Zuerst also haben wir von aussen geschaut – ›es kostet die Fahrt allein 2,50 Mark, vertieft euch‹, sagte der Professor, ›dass es nicht umsonst ist‹. Wir vertieften uns also um 2,50 Mark und es war sicher sehr lehrreich. Dann sind wir hineingetreten. Unten im Schiff der Kapelle waren einige Betende, trotzdem kein offizieller Gottesdienst war. Da wir ganz zurückstanden, konnten wir nicht vorsehen zum Altar, obwohl helles Tageslicht zu beiden Seiten durch hohe, weite Fenster hereinfiel.

Ich ging«, fuhr sie, lebhafter werdend, fort, »auf den Chor hinauf, die andern kamen nach. Da trat ich ganz vor und schaute neugierig auf den Altar.

Das Auge musste sich erst ein wenig sammeln, es flimmerte so von natürlichem und künstlichem Lichte und erst allmählich hob sich aus diesen Nebeln ein ach – wunderseliges Bild!

Es war die heilige Jungfrau, hoch und schlank, in Wolken halb stehend, halb schwebend, mit einem Antlitz – so glänzend, so beseeligend und was das Merkwürdigste war – so lebendig, dass man sie schweben sah, dass man ihren Atem zu spüren glaubte, und dieses Wehen von Weihrauch und Kerzenschimmer als ihrem Munde entströmt wähnen konnte.

Ich bin nicht fromm, aber der Abglanz einer göttlichen Gnade lag so überzeugend auf diesem lächelnden Gesichte, dass ich mich gerne vor dem Bilde niedergekniet hätte. Ich war ganz hingerissen; auch dieses seltsame Licht erhöhte noch den ausserordentlichen Eindruck, den die grandiose Majestät einer solchen Kunst so schon erweckt hatte. Ich sah mich um, ich wusste nicht, ob nach dem Lehrer oder den Mädchen, kurz – es fiel mein Blick auf ein kleines Harmonium, das geöffnet dastand und ich rannte in meiner Begeisterung darauf hin und spielte jenes Schumannsche Lied: »Ave Maria«. Kennen Sie es? Können Sie sich gerade dieses Wortes Ave Maria entsinnen? Wie das aufschwillt! Wie es sich erhebt in apotheotischem Schwung, wie es auffliegt und zum Himmel dringt!«

Er sah sie staunend an und sie errötete, weil sie dachte: »Ich ziehe mich ganz aus vor ihm und er sieht mich nackt.« Aber dennoch fuhr sie fort:

»Damals habe ich geglaubt, es müssten alle gleichsam den Hut abnehmen und andächtig mit mir empfinden. – Ich war noch sehr jung«, fügte sie entschuldigend bei, »aber es ist mir schlecht ergangen. Der Lehrer stürzte auf mich zu, die Mädchen hielten mich für verrückt, stiessen sich in die Seiten und lachten. Man eilte aus dem Gotteshaus, in dem solches vorkam. Eine Flut von Vorwürfen und Drohungen. Unbildung, Interessantmacherei, hiess es. Und wenn man auch manchmal ein wenig absichtlich ist und weiss, dass einem der Hut so besser steht und das Lächeln so – da war ich es sicher nicht, Herr Makassy«, versicherte ihm das schöne Mädchen mit seinem ehrlichen, aufgeschlagenen Gesichte, um gleich darauf lustig fortzufahren:

»Nun erfuhren es alle – die ganze Prozession: Vater, Mutter, Lehrer, Rektor, Pfarrer – alle stunden sie mit gesträubtem Haar um diesen erschreckenden Fall herum, der so recht ein Zeichen der niedergehenden Sitten war. Und sie fingen an, die Scheren zu wetzen mit wildem Eifer, klipp und klar! Was war da alles nachzuholen!

Aber so heiter nehme ich's erst jetzt – wo es vielleicht zu spät ist. Damals schämte ich mich sehr. Und diese Scham nahm etwas fort von mir; etwas Ursprüngliches – und – etwas Mutiges. Ich habe begonnen, auf die Menschen zu achten, das macht feige – ich habe begonnen, nach ihrem Lächeln zu sehen, das macht bedenkend. Ob es gut war, – ich weiss es nicht?!

Ach, dieser überquellende, junge Enthusiasmus, der einem so warm übers Herz rieselt – – fast habe ich ihn verlernt, vergessen – – bis jetzt, wo ich etwas Verwandtes erblicke – – wo es mich wie durch den Duft einer bestimmten Blume zurückzieht in meinem Erinnern – bis jetzt, wo ich glaube, ihn leben zu dürfen, ohne missverstanden zu werden.«

Er hatte die Pinsel längst beiseite gelegt; es erschien ihm weit wichtiger, hier zu lauschen. Estella wurde ihm wertvoller mit jedem Augenblick, da er um sie war. Er hatte sich einen Stuhl zurechtgeschoben, ihr gegenüber, und zündete sich mit nie gekanntem Behagen eine Zigarre an. Sie schob ihm einen Aschenbecher zurecht und nahm dazu das abgefallene Deckblatt einer Pfingstrosenknospe. Für diese kleine Aufmerksamkeit dankte er ihr viel zu stark – aber es war darinnen von dem Dank für alles, was sie ihm gab.

»Reden Sie weiter, ich bitte darum«, sagte er, und wunderte sich, wie ruhig es in ihm wurde, wenn sie sprach.

Lachend, mit erregten, roten Wangen rief sie:

»Das vorher war eine Geschichte von dem, was einem die Erziehung nimmt. Nun käme eine von dem, was sie dafür gibt. Da weiss ich aber keine!«

»Ammenmärchen zum Beispiel«, fiel er ihr ins Wort, »Ammenmärchen setzt sie in Hirn und Herz; die sollen nur schauen, wie sie fertig werden damit.«

»Das ist wahr«, rief das Mädchen fast jubelnd, als wäre dies die lustigste Tatsache der Welt.

Einstweilen war das das Lustigste auf der Welt, dass er sie so gut verstand. Und mit breitem, wohligem Schmerze fuhr sie fort, wie furchtbar das sei, wenn man das Märchen, das sich auf silbernen Sohlen eingeschlichen hat durch die stets offenen Pforten einer Kinderseele und dessen Saat dort eingewurzelt ist und festgewachsen, herausreissen müsse aus der blutenden Seele.

»Denken Sie, herausreissen aus der blutenden Seele!« wiederholte sie eindringlich, mit einer überzeugenden Geste; schrecklich genug war das – beide konstatierten es, aber beide mit unverwüstlich vergnügten Gesichtern.

Man sprach noch davon, dass es da fast besser sei, die Erkenntnis komme nicht so plötzlich, so mit Schrecken, sondern nach und nach, von selber, etwa wie das langsame Zusammenschmelzen eines Wundermanns aus glitzerndem Schnee. – Aber Schmerz bleibe Schmerz, es sei hier nur die Frage, ob es nicht besser wäre, gleich das Richtige in Kopf und Herz des weichen, jungen Menschen einzuprägen, nichts Falsches, damit durch die nötig werdende Umprägung nichts verloren gehe an Werten.

»Ach, wenn ich so zurückdenke an meine Kindheit«, rief sie lachend und schränkte die Hände hinter dem Kopf, »was gab es da für Wirrnisse und Qualen! Der ganze grosse Zauberapparat von Religion vor einem winzigen Kinderhirn! Ich weiss noch, wie meine feine arme Mutter – die nicht mehr ist – mich tröstete. Denn einmal waren es ein paar Heilige, zu denen zu beten ich vergessen hatte. Da sah ich sie alle im Himmel droben sitzen und weinen und böse sein auf mich. Ein andermal war ich beim vierundzwanzigsten Ave Maria eines Rosenkranzes eingeschlafen, tief und sorglos – da erwachte ich und sah Maria vor Gott Vater stehen, mit dem Fusse auf die Wolken stampfen und hörte sie zornig sagen: ›Es ist unerhört‹. Und Gott Vater hat nach seinen grossen Flüchen gelangt und einen davon hervorgeholt.«

Beide lachten und angeregt davon, fuhr sie fort: »Ein andermal ist der heilige Florian, der ganz zu unterst in der Litanei kommt, von weit hinten atemlos durch den Himmel gelaufen gekommen, bis vor Gottes Thron und hat gesagt: ›Jetzt hat sie mich vierzehn Tage lang vergessen, ich zünde ihr das Haus über dem Kopfe an‹. – Gott Vater hat es ihm nicht verboten; er wollte ihm die Freude nicht verderben, da er doch so gut ist und ihm die Heiligen näher stehen als die Menschen. Und so fürchtete ich mich von dem Tage an und schrie wie besessen, wenn nur die Ladenglocke des Krämers nebenan ging, weil ich glaubte, es habe angeschlagen. Die Mutter tröstete mich damals wieder, wie so oft« – sie seufzte und nickte traurig langsam mit dem Haupte – »als ich ihr's erzählte und lächelte ein wenig dabei, so fein und verhalten; da habe ich hinter ihr Lächeln geschaut und gedacht: das ist am Ende gar nicht wahr, das vom heiligen Florian. Aber gesagt habe ich's niemandem, weil Zweifeln Sünde ist.«

Makassy lachte; er unterhielt sich vortrefflich.

»So anmutige Geschichten wüsste ich nicht zu erzählen: nur etwas ist mir erinnerlich aus diesen Zeiten, aber es ist viel derber und weniger schön. Wollen Sie es hören?«

»Natürlich, und ob!« Sie klatschte vergnügt in die Hände und setzte sich von neuem zurecht.

»Ich weiss noch, dass wir Buben uns verpflichtet fühlten, Mut – sonst nichts auf der Welt zu zeigen. Mut über Alles. Wir prahlten voreinander, dass es uns die Haare zu Berge trieb. Einmal kamen ein paar der Ärgsten zu mir auf das Gut meiner Eltern. Das »Fräulein« – ich hatte nämlich alles, Instruktoren, Fräuleins, Religionslehrer, alles – nur keine Eltern«, flocht er herb ein – »das Fräulein nun hatte einen Hut mit einem ausgespannten grossen Vogel darauf, der wie eine weisse Taube aussah. Einmal sah ich durchs Schlüsselloch in ihr Zimmer, das neben meinem war; da lag dieser Hut zufällig gerade so, dass man den weissen Vogel durch die Spalte sehen konnte. Flugs drehte ich mich herum und rief dröhnend – denn ich hielt das entschieden für das Grossartigste und Mutigste, was bisher dagewesen war – meinen Kameraden zu: »Da schaut hinein, da ist der heilige Geist drinn!« Ein Raufen und Balgen vor dem Schlüsselloch. Mein Mut hatte gezündet; ein schallendes Gelächter ertönte; man wollte kouragiert mit Gott ein Witzchen wagen.

Aber mit ein paar langen Sätzen kam der Instruktor daher, der hatte es bis in sein Zimmer hinüber gehört und kühlte sogleich diesen Mannesmut mit exemplarischen Prügeln. Er haute uns alle der Reihe nach durch; zuerst mich, dann die andern und zum Abschluss wieder mich.

Und die mutigen Männer fingen jämmerlich zu heulen an. Mir aber ist seitdem ein Trotz geblieben gegen diesen heiligen Geist, weil er so unnahbar ist und gar nicht ein wenig mitgelacht hat und auch keinen Finger rührte, uns zu helfen.«

Estella lachte und antwortete dann nachdenklich:

»Ich frage mich nur, wozu das alles. Solche Umwege! Es ist verkehrt und gefährlich dabei. Es verbaut den Weg zur Einfachheit immer mehr.«

»Es sind nicht alle Estella Brand«, gab er ihr zurück und blies den blauen Rauch der Zigarre in die sonnige Maienluft hinaus. Um ihn her war es zu schön. Ringsum stilles Prangen!

Lila Fliedersträuche auf kurz geschorenem englischen Rasen; dazwischen graziös gewundene Gartenwege mit dem spitzen gelben Kies bestreut, den man von den vereinzelten Felsblöcken draussen in der Umgebung gewinnt. Mächtige Büschel von Pfingstrosen, die ab und zu durch einen Sprung in ihren runden, prallen Knospen einen Streifen leuchtenden Rotes sehen liessen. Dort drüben Stauden von Goldregen, der noch spröde seine Farbe verschloss. Und die Zweige der Bäume wiegten und sonnten ihre kaum erwachten Blättchen, die noch knittrig und verschlafen waren, und flinke, schwarze Amseln hüpften auf dem grünen Rasen oder über den schimmernden Gartenweg.

Die Stunden gingen und kamen ungehört. Es war Abend geworden, als vom Hause aus der alte Brand nach Estella rief. Beide sprangen erschrocken auf, sie hatten ihn ganz vergessen und liefen jetzt eiligst nach der zurückstehenden Villa und baten zum Fenster hinauf, er möchte doch herunterkommen, es sei gar zu schön heraussen.

Er tat es und alle drei gingen langsam zu den Haselnussstauden. Im Gehen sagte Brand:

»Sie werden heute tüchtig vorwärts gekommen sein, es ist spät geworden.«

»O ja«, antwortete der Maler und sah dabei nach dem Mädchen, »ich bin weiter gekommen – ich glaube vorwärts.«

Brand liebte unklare, zweideutige Redensarten nicht. »Barrikaden«, sagte er stets aufbrausend. Sie waren auch nicht dazu angetan, ihn für den Fremden einzunehmen. Er war so einer von denen, um die man lange werben musste.

Sie kamen zur Staffelei; das angefangene Bild war derb und roh in seinen Umrissen auf die Leinwand geworfen. Keines sagte etwas darüber. Makassy verräumte seine Sachen – stets mit ungutem Gesicht über solche Kramladenarbeit.

Die Haushälterin kam und frug, ob man das Abendessen im Freien zu nehmen gedenke. Natürlich.

Da ging Estella das Tischzeug holen und kam frisch und jung wie der Morgen über den Rasen her zurück. Schnell und sicher, klipp und klapp schlugen die kleinen Sohlen auf dem Boden auf, ihn eiligst wieder zu verlassen, als hätten sie nichts zu tragen von der Last dieses grossen stolzen Mädchenleibes. Woher nur hatte sie diesen Gang!

Mit rosigen Händen breitete sie das Linnen über den Gartentisch, den man wieder vor die Bank geschoben hatte und stellte die behaglichen Sessel ringsum. Sie sah umher, ob alles ordentlich und gemütlich so sei und verstrich schliesslich noch mit dem Fusse die dunkeln unordentlichen Furchen, die vom Schieben des Tisches in dem gelben Kiese waren.

Wie anders ist alles, was ein feingeistiger Mensch auch tut, auch das Unbedeutendste, Alltäglichste – wenn dahinter nicht gleichsam der Vorhang fällt.

Aber sie tat ihm leid. »Ist dir wirklich ernst mit all deinem Ordnen und Vorbereiten?« dachte er, »darin liegt so viel arme ahnungslose Freude.«

Die alte Dienerin brachte die Gartenlampe und einen ganzen Stoss Zeitschriften. »Für später«, bemerkte sie, um dann mit ausdrucksvollem Seitenblick auf Makassy zu fragen, ob man servieren dürfe.

Der riss sich energisch los und verabschiedete sich.

»Sie werden froh sein, dieser Idylle zu entkommen«, rief ihm Estella nach und lachte hinter ihm her – und alles lachte mit ihr hinter ihm her, das Haus, der Garten – –

»Es ist doch ein recht boshaftes Mädchen«, dachte er ärgerlich im Gehen. –

Aber alle Tage ging er nachdenklicher.


Wieder einmal sassen sie beisammen. Das Wetter war nicht so schön heute, denn es war schwül und fing auch alsbald zu regnen an. Sie packten die Malsachen zusammen und trugen sie ins Haus; dort wollten sie warten, bis es aufhörte.

»Kommen Sie«, sagte Estella, »wir schauen indessen da beim Fenster hinaus; ich habe das Regnen so gern.«

Das Fenster lag gegen Westen; man sah über die grünen Wipfel einer Baumschule weg, hin an die alte graue Stadtmauer mit ihren teils vermauerten, lange ausgedienten Schiessscharten. Hinter ihr ragte nur ein einzelnes, sehr hohes Giebelhaus mit schiefem, etwas eingesunkenem braunen Dache und der Kirchturm empor. Der graue, schwere Himmel stand still und nahe über der Erde. Es war überall ganz ruhig, dass man den Regen auffallen hörte. Er rieselte hastig herunter, platschend aufschlagend auf den Blättern der Bäume. Er gurgelte hier durch eine am Hause angebrachte Rinne und fiel plätschernd in das aufgestellte Regenfass darunter, er trommelte dort auf einige leere, draussen stehen gebliebene Giesskannen und tropfte vor ihnen eintönig und gleichmässig herunter vom Dache. Es war ein warmes, eiliges Regnen, das sich schickte, fertig zu werden, um der Sonne Platz zu machen, die schon hinter den Wolken hervorblinzelte und wartete.

Sie sogen den frischen, erquickenden Duft der dampfenden Erde ein, sich zusammen aus dem Fenster lehnend, dass ihre beiden Oberarme sich fest aneinander pressten.

Allmählich liess draussen das Regnen nach und hörte endlich ganz auf. Auf den jungen Birnbäumen drüben in der Anpflanzung tropfte es melancholisch von Ast zu Ast, von Blatt zu Blatt; es war ein sanftes Gleiten, ein Abgeben und Aufnehmen, ein entlastetes Sichindiehöheheben und ein beschwertes Hinuntersinken in den nassen Blättern und Zweigen. Unentwegte Bewegung in den triefenden Bäumen, obwohl die Luft ganz stille stand. Estella war tief versunken. Aber als sie dieser Versunkenheit nachging, sprang sie hastig auf und trat zurück aus dem engen Fensterrahmen.

Langsam verliess sie das Fenster und ging aus dem Zimmer, in das das Westlicht so freundlich schien, durch eine offenstehende Türe in den angrenzenden, dunkleren Raum, wo in schwerem Ernst tiefrote Vorhänge von den Wänden hingen und auf dem rotausgeschlagenen Fussboden ein streng elegantes Mobiliar stand.

Sie trat zum Klavier, schlug den Deckel auf und begann ein ganz einfaches Volkslied zu spielen. Die schlichte Melodie flog leicht auf; sie kam aus einem vollen, liederfreudigen Herzen.

Makassy, der ihr nachgekommen war, trat zu ihr und sang dazu; da wurde es ein ganz anderes Lied. Estella erkannte es kaum wieder und erregt bat sie ihn, mehr und etwas anderes zu singen.

Er hatte eine vibrierende Stimme, biegsam und hart, wie das Lied es erheischte; es war kein eitles Singen, denn nie opferte er auch nur einen Ton oder ein Zeitmass seiner Stimme. Geschlossen, von grossartiger Auffassung getragen, erhob sich der Gesang, unbekümmert um sie.

Das war ein Singen! Ein innerliches, heisses! Ein schwer gebändigter Strom von Leidenschaft rauschte in den rasenden Tempi dahin; ein verhaltenes Glühen und Sehnen stand hinter den stilleren Melodien; ein qualvoller Schmerz schrie aus zerrissenen Klängen, jauchzende Lust wirbelte voll bacchantischen Taumels in trunknen Kadenzen dahin!

Und alle die Töne rauschten verwirrend in eine stille, einfache Mädchenseele. – –

Die Zeit war wie im Traum verflogen. Als sie endlich geendet hatten, stand Estella auf, wendete sich ihm zu und suchte aus sich herauszukommen – aus all' diesem neuartigen Stürmen und Drängen.

Beide sahen sich forschend an, doch verbargen sie sich ihre Seelen.

Plötzlich entglitt der Deckel des Klaviers den zitternden Händen des Mädchens und fiel dröhnend zu.

Sie waren froh darüber, denn der brutale Ton des zuschlagenden Deckels fiel erlösend in ein banges Schweigen. Estella nützte sogleich diesen günstigen Augenblick und sagte:

»Das war Musik, was ich eben gehört! Wie klein ist meine Art zu musizieren! – – Und wer so mutig sein kann!!«

»Sie haben das Volkslied viel richtiger erfasst als ich«, antwortete Makassy, »ein solches Lied soll rein und ruhig vor uns stehen, wie es gedacht ist. Ich hätte es gar nicht singen sollen.« –

Wieder Schweigen.

Dann gingen sie mitsammen in den Garten hinaus, der erfüllt war von erfrischtem Blumen- und Pflanzenduft und dem würzigen Geruch der feuchten Erde. Ein paar Vögel streckten und schüttelten sich die Nässe aus den Flügeln. Schnecken sondierten bedächtig aus ihrem trockenen Haus heraus den feuchten Weg und ein Bienlein dort auf dem Flieder kämpfte verzweifelt mit einem Regentropfen.

Estella sah nach dem allen und dies einfache Leben, das sich da in dem keuschen Tageslicht so offenbar allen abspielte, holte sie heraus aus dem schillernden Zaubertempel, in den dies Singen sie hineingelockt.

Ihre Augen wurden heiterer, gegenwärtiger und vorsichtig nahm sie jetzt ihr Kleid zusammen, das zuerst achtlos die nassen Wegränder und Blumenbüschel gestreift hatte.

Da rief er ihr auch schon zu: »Wie können Sie jetzt darauf achten!? Was liegt an diesem Kleide?«

Sogleich blieb sie stehen, lehnte sich an einen Lindenstamm, schaute ihn erst staunend an, dann freudig – und alle die Blumen ihres Gartens lachten aus ihrem Angesicht.

Durch diese Frage fühlte sie ihr wachsendes Interesse berechtigt. Ein wenig zauderte sie dennoch und frug ihn dann, sich ermunternd, nach seinem Leben, ihn dabei nicht aus den Augen lassend.

Wie in einer Werkstätte ging es in diesem Antlitze zu; ein Funkensprühen, Zucken, Hämmern und Aufschrecken.

»Fragen Sie nicht darnach«, sagte er und dachte, wie er sonst prahlend mit seiner Vergangenheit losgelegt und wie feig er jetzt war und sich zum Trotz schleuderte er ihr entgegen:

»Da müssten Sie Ihr Kleid noch sorgfältiger zusammennehmen, Estella Brand, wenn Sie davon hörten!«

»Mag sein«, rief sie mutig und ihre Augen leuchteten, »aber ich würde es gleich zusammengenommen lassen und fest zurückbinden und auch noch die Ärmel dazu, und mich mutig an die Arbeit stellen. Ja, das würde ich! Das sollte mir ein gesundes, tüchtiges, prachtvolles Arbeiten werden. Wollen Sie, Herr Makassy?!«

»Ich habe zu viel an mir herunterbröckeln sehen«, erwiderte er nervös und begann unruhig auf und ab zu gehen. »Ich brauchte bis an mein Lebensende mit dieser Arbeit, diesem Ausbessern eines zerfallenen Hauses und dürfte nichts als Steine tragen und Mörtel, den Kopf zu Boden, und ich sähe nichts als mein graues, trauriges Haus – und übersähe die Welt dabei!«

»Die Welt!« rief sie lebhaft und sah in sein lebensdurstiges Gesicht. »Was ist denn die Welt, diese Welt? Ich glaube, es ist nicht viel dahinter. – Mir erscheint sie wie eine schöne, kluge Frau, die immerfort Karten schlägt und voll von Rätseln ist, die sie nicht löst und voll von Versprechungen, die sie nicht hält. Sie sitzt lächelnd vor ihrem Tisch und schaut sinnend von einem zum andern, – denkt aber nichts dabei; sie zeigt mit feinem Finger von dem zu dem und flüstert jedem verheissungsvoll ein Wort zu, nach dem er gierig lauscht, und diesem Worte jagt er atemlos nach und wenn er endlich erfahren hat, was es bedeutet, so sieht er, dass es nicht der Mühe wert war. Da tritt er hin vor die falsche Frau, will Klage erheben und sie zur Rechenschaft ziehen – aber sie schaut ihn kalt an – sie hat nicht Herz noch Verstand – – – und hält dennoch die Menschen in Atem – und Sie, Herr Makassy, sind Einer im Gedränge, Einer von Tausend!« Sie atmete tief auf.

»Ich baute lieber an dem stillen, grauen Hause, dass es was Rechtes werde, was Festes, das mich weghöbe über ›diese Welt‹ und beschütze davor. Da setzte ich mich hinein in diese Festung, die hoch über ihr steht und schaute in meine ureigenste, innerliche Welt – und lachte über die schöne, falsche Frau.«

Aber er war nicht so arbeitslustig; er hatte zu lange gefeiert und bat nun:

»Seien Sie nicht so tüchtig, Estella, streifen Sie Ihre Ärmel wieder vor und lassen Sie das geschürzte Kleid hinunter – – seien Sie wieder so sonntäglich wie zuvor!«

Und sie tat es und lachte.

»Wenn Sie nicht arbeiten wollen und umbauen, so müssen Sie sich freuen können darüber, so wie es ist. Nicht hinstehen und jammern oder gar meinen Sonntag angähnen. Da bin ich Lehrmeisterin – in der Freude, – ich will Sie die Freude lehren!« Lachend drehte sie sich im Kreise herum.

»Sehen Sie um sich, da liegt sie schon – rings um Sie – Sie müssen sie nur nehmen. Sehen Sie, hier und dort und überall!« Dabei zeigte sie nach allen Richtungen.

»Was gäbe es da alles zu verderben, zu vernichten!« schoss es ihm blitzschnell durch die Sinne. »Ich sehe gar nichts; ich sehe blos einen blauen Himmel und einen grünen Baum«, sagte er störrisch.

»Dass der Himmel blau ist, der Baum grün und der Tag hell, das ist eben die Freude!« erklärte sie eindringlich und dachte: »willst du es denn gar nicht sehen?«

»Schauen Sie nur näher hin«, lachte sie ihm eifrig zu. »Sie müssen nicht darüber wegsehen – so übersehen Sie alle Freude! – Mehr kann ich Ihnen nicht bieten!«

»'n bisschen schmale Kost!« rief er. »Vielleicht werde ich noch Lehrmeister und lehre Estella die Freude.«

Und die schweren, verhaltenen Augen wurden durchbrechend und werbend, wie vorher beim Singen. So verheissend, dass um sie her der freundliche Tag verblasste mit seinen liebenswürdigen Gaben.

Das Mädchen wendete sich ab; weg von ihm; ging nach einer Weile zu einem Fliederbaum, riss einen üppigen Blütenzweig herunter, dass die aufblitzenden Tropfen ihr auf Gesicht und Haare fielen und gab ihm ohne ein Wort den feuchten, duftenden Flieder hin. –

Über den Kies her kam der Onkel mit seinem rechtschaffenen Gesicht, ein wenig gebeugt schon für seine Jahre. Sie rief ihm entgegen, dass sie Herrn Makassy eben einen Flieder geschenkt habe für sein einsames Atelier. Beide aber fühlten, dass es sich nicht ganz so verhielt. Der alte Brand, der gerne gab, riss sogleich noch mehrere Zweige ab und reichte sie ihm hin.

Estella sah, wie Makassy sorgfältig den ihren eigens legte, nur störte sie dabei ein wenig, dass er dazu nach ihr hinsah, als wollte er sagen: wunderst du dich nicht auch, wie ich bin – so wie ich mich wundere?

Man sprach noch einiges mit dem Hausherrn; dann trennte man sich.

Als Estella abends allein in ihrem Stübchen war und bevor sie zu Bett ging, die Blumen versorgte und nach ihren Sachen sah, war dies alles an sich nicht mehr von solcher Inhaltlichkeit und solch' ausfüllendem Werte als sonst. Sie machte es gleichsam rasch ab: den Abend, das Ordnen, das Schlafen, den Morgen und Vormittag – bis der Nachmittag da war.

Und Makassy kam jeden Tag glücklicher und sein Gesicht war jeden Tag fröhlicher.

Vor seiner Leinwand kämpfte er redlich mit seiner spröden Kunst, aber wie oft war es, dass ein schöner Blick Estellas ihm den Pinsel aus der Hand legte. Dann setzte er sich zu ihr und konnte alles vergessen um sie, auch seine Kunst, und ihren Gesprächen lauschen und froh sein wie ein Kind.

»Meine Scheherezade«, sagte er, sich zurücklehnend, leise und glücklich, durch halbgeschlossene Lippen. –

Selten kam der Herr des Hauses zu ihnen; er zog es vor, im Garten umherzugehen, da und dort an den Blumen und Sträuchern etwas abzuschneiden oder aufzubinden, oder an einem andern Platz zu sitzen und zu lesen, oder im Hause zu sein, etwas zu ordnen oder zu schreiben.

Er kannte seines Bruders Kind, seine Nichte, zu gut und zu lange schon, als dass er sie mit engherziger Bevormundung gequält hätte. Und dann – wer Richard von Thieben widerstehen konnte mitsamt seinem feudalen Forsthause, der war selbständig und immun gegen alles sonst. Für ihn hätte er ja gern ein gutes Wort eingelegt, aber auch das unterliess er. –

In diesen Nachmittagen, als eine von den Sitzungen war, mit viel sichtbarem Eifer begonnen, an so viel Unsichtbarem gescheitert, kamen sie einmal wieder recht ins Reden.

»Ich möchte so gerne wissen, Fräulein Brand, wie Sie sich eigentlich Ihre Zukunft denken?« frug er sie.

»Früher«, rief sie fröhlich, »viel früher, da erschien sie mir als ein Fest, und ich sammelte Blumen, um sie mir dereinst ins Haar zu stecken.« Und ernster werdend: »Später liess dieser Enthusiasmus nach. Ich liebte ihn auch nicht an mir. Ein wenig sah ich in der Welt herum, ein wenig mehr in den Büchern, am meisten in meinem eigenen Innern. Ich habe offene Augen, das lässt den Kopf hell und ich räumte immer mehr auf mit jenen unklaren Träumen und sah mehr auf den Boden als in die Luft.«

»Da haben Sie also selbst auch an sich herumgeschnitten und Sie beklagten sich doch darüber, dass es die andern taten!« fiel er dazwischen.

Ihr Gesicht wurde ein wenig altklug, als sie erwiderte:

»Freilich tat ich das. Ich habe an mir gearbeitet – ach nein, Makassy, es ist gar nicht wahr«, unterbrach sie sich hastig, »es war dies kein so eigentliches ehrliches Arbeiten, als vielmehr ein kluges, vorsichtiges Abwägen der Dinge, die mir wohl oder wehe tun würden im Leben und ein eifriges Festhalten des Klügeren. Des Klügeren, nicht des Besseren, hören Sie? Was das Klügere ist, weiss ich; was das Bessere ist, weiss ich nicht. Wer könnte mir sagen, was das Bessere, was das Rechte ist? Heute weiss ich es weniger als je«, fügte sie zaghaft hinzu, um fortzufahren: »Ich bin weit herumgelaufen und habe gesucht und gefragt und geprüft – und habe es nicht herausgefunden. Ich liebe die festen, sicheren Menschen so sehr. Wie sie daherkommen, die Selbstsicheren, in breiter Selbstverständlichkeit und wissen, was recht ist – und es den andern sagen. Und wie sie vor den Richter laufen und klagen über die, die es nicht glauben. Woher wissen die es denn, was das Rechte ist? Ich bewundere sie, ich beneide sie. Lauter Majestäten gegenüber den Suchenden, Unsicheren.«

»Über Sie, Estella«, sagte er weich, »sollte einmal etwas kommen, etwas Starkes, das Sie über sich hinaustrüge, fort über alles Zweifeln und Besinnen. Dass nur ein heisses, heftiges Wollen in Ihnen wäre, das sich aufbäumte in Trotz und ureigenster Majestät. Dann würden Sie sagen können: das ist das Rechte, weil es so sein muss und nicht anders sein kann.«

»Das möchte ich – das möchte ich!« rief sie sehnsüchtig. »Ob ich dessen fähig bin? Ob ich mich nicht schon zu viel besonnen habe im Leben – zu viel besonnen – – – verbesonnen – –?«

Sie hatte sich zurückgelehnt und nahm sich vor – auf das Mächtige zu warten. Wie wollte sie aufpassen, es nicht zu übersehen, falls es käme; und damit es überhaupt nahen könne, musste sie zugänglicher werden, anders als bisher.

Noch übersah sie, dass es schon neben ihr stand, gross, unabwendbar!

Hand in Hand mit ihrem Innern ging auch sogleich das äussere Gebahren. Sie wollte sich von jetzt an recht locker lassen, recht gehen lassen und sogleich damit beginnen. Sie setzte sich nachlässiger hin als sonst, liess sich auf der Bank vorgleiten, stellte die Beine leicht gekreuzt geradeaus, verschränkte die Arme im Nacken und lag so im blanken Sonnenschein in all ihrer Jugendpracht vor ihm da und – wartete.

Das kam von ihren zwanzig Jahren, dass sie so war. »Schön ist's übrigens, wenn man sich lockerer lässt, nicht gar so straff!« dachte sie.

Eine unaussprechliche Behaglichkeit schien über sie gekommen zu sein. So dachte sie sich den Anfang.

Makassy sah zu ihr hinüber, insbesondere nach den herben Formen dieses jungen Leibes, die durch das prall angespannte leichte Sommerkleid preisgegeben waren und konnte sich nicht losreissen von diesem köstlichen Ebenmass. Auch staunte er über den Wechsel der Stimmung, den er an ihr gar nicht kannte – und er begann ihn aufzuregen. Erst wenig, dann mehr und immer mehr.

Warum war sie so verändert heute? Warum? Zerstreut malte er an einem Zipfel des blauen Kleides und dachte immer im Kreis herum.

Dazwischen irrte sein Auge wieder und wieder ruhelos zu ihr hinüber. Warum war sie so heute?

Haltloser – unbewaffnet. Und es wurde ihm unbehaglich. Er fühlte sich allein gelassen, ganz auf sich angewiesen. Ein Schwanken entstand um ihn und unmerklich entglitt ihm seine mühsam errungene Festigkeit. Auf einmal sah er etwas bequem vor sich liegen, wozu er einen weiten mühseligen Weg ersparen konnte. Und das Schwanken wurde stärker und der Wille schwächer und bevor er's dachte, war er hineingeraten in seine eigene Seele, wo sie am dunkelsten war.

War es nicht am Ende gleichgiltig, was sie beide zusammenführte. Warum sollte er hier zaudern? Das unselige Blut seines Vaters begann sich in seinen Adern zu rühren und regen und ohne dass er's wusste, entschlüpften ihm die leichtsinnigen Worte:

»So ist's recht, Estella Brand!«

Estella sprang auf, erschrocken über solche Vertraulichkeit – den ganzen, wahren Sinn der Worte hatte sie nicht erfasst – und streckte wie abwehrend und sich schützend beide Arme vor.

Und noch während sie so stand mit erhobenen Armen, musste sie denken: »Lass die Posen« und schämte sich. An ihr lag der Fehler; wie durfte sie sich so gehen lassen; je mehr sie's bedachte, desto mehr fand sie die Schuld auf ihrer Seite.

Da geschah etwas Schönes.

Zaudernd und errötend ging sie ihm entgegen und bot ihm ihre Hand. Es war Verzeihen und Abbitte.

Nichts hätte ihn mehr bewegen können und auch er machte sich auf, auch er wollte sein Bestes geben und begann sich anzuklagen:

»Es ist nicht nur das zu verzeihen, was Sie gehört, sondern vielmehr das, was Sie überhört haben an meinen Worten,« sagte er und dachte: »Eckig, wie ein Schulmeister, rede ich daher.«

»Ich habe eine Gedankenschuld gegen Sie, und zwar – – – –«

Weiter kam er nicht; die Wahrheit stand vor ihm, sträubte sich und stellte sich seinen Worten entgegen.

Gutes wollte er geben, das Geschenk der Wahrhaftigkeit wollte er darbringen, – aber, die war gehässig geworden und widerharig, dass er sie fürchtete. Um Estellas willen wollte er's versuchen, die so schön vor ihm stand und in glücklicher Erwartung an seinen Lippen hing, das Geständnis dankbar zu nehmen, welcher Art es auch sei: Aber das Warten war umsonst. –

Verbittert und freudlos zwang er sich vor die Leinwand, aber die Arbeit schickte auch keinen Trost.

Da verliess er den Garten des Privatiers und zwei traurige Mädchenaugen schauten ihm nach. – –

Müde ging Estella in das Haus hinein.

Der Onkel, der ausgegangen war, hatte nachhause sagen lassen, dass er diesen Abend gar nicht heimkäme, sondern einer Herrengesellschaft beiwohnen werde. Droben in seinem Arbeitszimmer lägen neue Bücher für sie zum Zeitvertreib. Wie besorgt er um ihre Einsamkeit war.

Nach dem Abendtisch holte sie sich dieselben auch. Aber dieses gedankenabwesende Herumblättern hatte gar keinen Sinn.

Energisch stand sie auf, läutete der alten Dienerin, liess sich in der roten Stube Licht machen, setzte sich ans Klavier und spielte Beethoven. Zu ihm nahm sie Zuflucht. Es redete ein Grosser zu ihr. Von den Leiden der Welt, von den Qualen der Seele. Der nahm ihre kleinen Schmerzen mit fort. Des Mächtigen eigene Worte fielen ihr ein: »Wer meine Musik wahrhaft versteht, der muss frei werden von all' dem Elend, womit sich die Andern schleppen«.

Und die Töne schienen ihr vom Himmel geschickt. Die hatte er sich einst selber von dorten geholt, als seine gigantische Seele im Kampf mit dem Irdischen lag und er hatte ein Stück Ewigkeit damit auf die Welt gebracht. –

Stunden waren so vergangen, als plötzlich heftig an der Klingel der Gartentür gezogen wurde. Sie schreckte zusammen und horchte gespannt auf den schlürfenden Schritt der Dienerin in dem Kies des Gartens, dann auf das Klirren und Aufsperren der Schlüssel und auf die ersten Worte eines kommenden Gesprächs. Als sie aber dessen ruhigen Gleichlaut vernahm, strich sie liebkosend über die Tasten, weiter zu spielen, weiter zu träumen, neuen Offenbarungen zu lauschen.

Doch bald sollte sie wieder unterbrochen werden, denn die Alte kam ins Zimmer und brachte ihr einen Brief für sie.

»Fräulein Brand eigenhändig zu übergeben.« Die Hausfrau des Herrn Malers habe ihn gebracht.

Da musste sie die Hand aufs Herz pressen – was wollte er von ihr? Eilig schloss sie das Klavier, sah mit halben Gedanken nach, ob Alles in Ordnung sei, rief der Alten Gutenacht in die Küche hinein und eilte in grossen Sätzen die Treppen hinauf, nach ihrem oben gelegenen Zimmer. Die Häuslerin war aus der Küche herausgekommen und sah nach dem Fräulein; ihr Gesicht schillerte förmlich von eben in Empfang genommenen Neuigkeiten, aber niemand nahm sie ihr ab.

Das Mädchen entkleidete sich mit zitternden Händen. »Zu dumm, dass ich zittere«, dachte sie, »ich weiss gar nicht warum,« und legte sich auf das einsame Lager; – jetzt erst wollte es den Brief lesen, ganz ungestört, durch nichts unterbrochen, – und nichts mehr um sich haben wollte es als die schweigende Nacht und ihre eigenen stillen Gedanken.

Als eine halbe Stunde später die Haushälterin an der Zimmertür vorbeikam, hörte sie drinnen ein bitteres Weinen.


Am anderen Tage war Estellas Wesen gesättigt von einer weichen, versonnenen Melancholie. Die stellte sich neben sie; sprang mit ihr über die Stiegen hinauf, setzte sich behaglich mit ihr in den alten breiten Lehnstuhl, der in der Veranda stand, und schaute mit ihr über den Garten weg auf die Strasse, wo die Menschen so werktäglich – ahnungslos vorübergingen. Diese Melancholie war eigentlich gar nicht traurig.

Im Hause gab es allerlei zu tun und dazwischen zog sie immer wieder den Brief aus der Tasche und las und las. Wie hinreissend er schrieb! Aber es war die traurige Geschichte eines schweren Lebens, die sie hier zwischen den feinen Fingern hielt. Es stand da von seinem Vater, der einem alten, hochangesehenen Geschlechte entstammte und die glänzenden Güter, die an der ungarischen Grenze lagen, durch einen leichtsinnigen Lebenswandel herunterbrachte, – von seiner Mutter, die ihr qualvolles Leben zu übertönen suchte mit rauschenden Festen und schreiendem Prunk und endlich selber darinnen unterging.

»In dieser ›Welt des Scheins‹ wuchs ich heran«, schrieb er, »und meine junge Seele irrte umher und verfehlte in bangem Suchen den rechten Weg. Noch manchmal spähte sie aus nach ihm, aber sie fand ihn nicht – und bald auch spähte sie nicht mehr, bis – Dich – lass heute so Dich nennen, Estella, – ich fand!«

Das beglückende Bewusstsein solcher Unentbehrlichkeit gab ihr, all ihrem Tun und Denken eine feste, zuversichtliche Richtung. Sie sah ihr Leben wertvoller werden; über der nächsten Zukunft lag ein schönes Streben; und an jeder kleinsten Arbeit hing ein grosses Stück von dem neuen Werte.

»Heute ist Montag, der grosse Montag der beginnenden Arbeitswoche des Lebens, Beginn der Lebensarbeit – soll das schön werden!« dachte sie.

Diesen Nachmittag ging sie ihm entgegen, das erste Mal seit er kam. Fest und mutig. Als er aber ihre Hände wild und heftig an seine Lippen riss, erschrak sie dennoch ein wenig. Ihrem Innern durfte man nicht voraneilen, da durfte man nichts überspringen, es musste der ganze weite Weg Schritt für Schritt von innen heraus gemacht werden.

Doch sie sollte nichts zu fürchten haben; mit keinem Worte erwähnte er den Brief, mit keinem Blick trat er ihr zu nahe. –

Glücklich setzten sie sich zur Arbeit.

In solchen Stunden flogen die Farben nur so auf die Leinwand und das Werk schien in köstlichem Gelingen der Vollendung entgegen zu reifen.

Sie trugen sich gegenseitig auf Händen. Über ihren Gesprächen lag ein heimlicher Glanz. –

So blieb es viele Tage; bis einmal seine lauernden Sinne, die eine stetige Angst vor der Haltlosigkeit dieses Zustandes verschärfte, verstohlen das Mitleid durch ihre Wärme gehen zu hören glaubten. Da war die schöne Ruhe mit einemmal zerstört und er fing an, hart und hochmütig aus seinem Leben zu erzählen, insbesondere solches, was dartat, wie selbständig und unabhängig er sei, wie um nichts er bettle, lieber entbehre und wie er um nichts bedauert sein wolle.

»Armes, verhetztes Tier,« dachte Estella mit überschwellendem, mütterlich-warmem Empfinden, »lass Dir doch helfen! Kein wärmerer Freund im Leid als das Mitleid!«

Hass oder Liebe, dass seien die Elemente seines Lebens, das seien Fürstenthrone – zwischendurch dränge sich das Gesindel.

»Ich bin einer von den Makassy's!« rief er hochfahrend. »Die sind das Betteln nicht gewöhnt – Herrennaturen – vielleicht Despoten –«

Jetzt war das ahnungslos überfallene Mädchen aufgesprungen und kampflustig geworden und gab ebenso, doch mit einem schöneren Stolze zurück:

»Vielleicht lernen Sie noch einmal die Demut kennen, wenn ein höheres Empfinden an Ihre Türe klopft?!«

An dem unerschütterlichen Damm ihrer starken Art schlugen die brandenden Wogen seines Temperaments mit verdoppelter Gewalt empor und rücksichtslos fuhr er auf:

»Dazu brauch' ich doch die Demut nicht! – Das empfange ich mit erhobenem Haupte!«

In solchen Augenblicken konnte er alles vergessen um seinetwillen, er täuschte und forcierte sich über sich selbst hinaus. Die unterdrückte Wut eines Sklaven bäumte sich roh auf – eines Sklaven, der zu lange schon an den Fesseln und Folgen eines unbändigen Temperaments geschleppt hatte.

»Dann tritt es gar nicht ein; es versagt die Gnade seines Kommens,« sagte sie feierlich.

»Gerade sie sind alle zu mir gekommen, ungerufen, ungebeten, stolz empfangen. Ich brauche keine Gnade!« fiel er ihr grossartig ins Wort. »Sie sind alle gekommen – der Hass und die Liebe!«

»Ich spreche von höherem Empfinden!« rief sie kalt.

»Nun, die Liebe – gibt es Höheres?« höhnte er.

»Ach, diese Liebe«, erwiderte sie verächtlich, »die man so geringschätzig empfangen kann, das ist auch eine darnach! Da muss man keiner der grossartigen Makassy's sein, da brauchen auch die andern nicht zu knieen in Ehrfurcht. Die lungert in allen dunklen Gassen und Gängen und bettelt um Einlass – da wäre es grösser, sie gar nicht zu empfangen!«

Eine hässliche Antwort lag ihm auf der Zunge, aber an solch' kühlem Ernste und an so viel klarer, sittlicher Natürlichkeit scheiterten seine schwankenden Argumente.

Vor einem einfältigen Mädchen wurde er unsicher und zaghaft wie ein Schulknabe. Das erste Mal im Leben; und es machte ihn mutlos. Dazu kam noch die Furcht, sie zu verlieren, die hockte wie ein Gespenst zwischen all' seinen Erwägungen. – – Sie zu verlieren, ohne sie besessen zu haben, – ohne – diese köstliche Kraft gebrochen zu haben, mit der sie – lachend, ohne nach ihm zurückzusehen – ihre hellen, heiteren Wege weitergewandert wäre – – niemals! Er liebte sie. –

Aber an diesem Nachmittag schieden sie von einander – hoffnungslos, – nachdem vergeblich Eines auf ein Wort des Andern gewartet hatte.


Doch es war eine Hoffnungslosigkeit von heute auf morgen, schnell geklärt und vertrieben durch Jugend und Sehnsucht.

Am andern Tage schon, als Makassy kam, schien all' das Schwere versunken und das Leichte, Frohe zur Oberfläche gestiegen. Sogar äussere Ereignisse gewannen an Wert und erfüllten sie beide ganz.

Makassy hatte Einladungskarten zu einem Künstlerfeste mitgebracht, das in der Hauptstadt des Landes in einigen Tagen stattfinden sollte. Künstler der ganzen Gegend mit Frauen und Töchtern und eine kleine Schar Geladener würden kommen, es sollte ein zwangloses Gartenfest werden mit Tanz und Maiwein.

»Da wollen wir uns festlich machen und alle graue Weisheit vertreiben und verwirbeln im Tanzen und Lachen!« rief sie entzückt.

»Wieviel poetischer ist doch Estella Brand ohne allzuviel Gründlichkeit!« scherzte er und ein Verlangen kam über ihn, sie einmal, wenn auch nur auf Stunden, herauszuholen aus der gewohnten Umgebung in weitere Verhältnisse – – heraus aus dem ängstlichen Garten – – über die Heide mit ihr auf wilden Pferden – – allein! –

Der alte Brand kam durch den Garten her und erfuhr die Neuigkeit. Erst mit Zurückhaltung, wie einer, dem nichts Übereiltes passieren darf, – dann mit Wärme, als er des Mädchens Freude sah. Dachte er doch an seine eigene Jugend, wo er auch gerne ein Tänzchen schlug. Das vergass er nicht, wie das sonst dem Alter gerne passiert. Und wenn damals die blasse Maria Hagen nicht gestorben wäre – mit ihrem wundervollen dunkeln Haar – dann hätte er vielleicht selbst eine Tochter mit 20 Jahren, die er zu einem Feste führen müsste. Das war schliesslich auch ein Grund. So sagte er dem Maler Dank und gab ihm seine bestimmte Zusage.

Es begannen Tage voll heiterer Arbeit für Estella. Sie richtete sich ihren Staat zusammen, ein weisses Seidenkleid, dessen viereckiger Halsausschnitt vergrössert wurde, da der Hals zu hübsch war und – Makassy ihn noch nicht gesehen hatte. Für alles sorgte sie selber, es war ein Eifer, ein Vorbereiten, ein verhaltener Jubel.

»Wie ist doch alle Gegenwart wichtig und wertvoll,« dachte sie vergnügt, »wenn Zukunft dahinter steckt!«

Sie konnte es kaum erwarten bis sie am nächsten Vormittage mit ihren hübschen Sachen im Köfferchen am Bahnhof stand und die beiden Herren ihr in den Wagen halfen. Auf der Fahrt sprach sie nicht viel; es war ein Hindrängen auf den Abend, ein Vollsein von Gedanken.

Die Gegend wurde während der dreistündigen Fahrt immer reizloser und eintöniger. Lange graue Ebenen, arme einsame Dörfer, dünne, dürftige Wälder – bis man endlich am Bahnhofe der Hauptstadt ankam.

Brand und das Mädchen fuhren nach einem Hotel; Makassy wollte sie um 8 Uhr am Eingang des berühmten Stadtgartens, wo die Feier stattfand, erwarten.

Estella machte sorgfältigst Toilette. Der Onkel lachte über ihre Ausdauer, sonst ging das so schnell bei ihr und sie war sich leicht gut genug. Als sie aber um ½8 aus ihrem Zimmer trat – da tat er selber schnell noch einmal einen Schritt vor den Spiegel, ob er nicht allzusehr abstechen würde von ihr und führte dann seine Nichte mit breitem Stolz zum Tanz.

Sie fuhren nach dem Stadtgarten. Das Mädchen sonst mit dem angenehmen Bewusstsein, heute mit dem bangen Wunsche, zu gefallen. Und heute wollte sie doch nur einem gefallen, sonst Vielen.

Nun stiegen sie aus, traten durch die äussere Pforte in den Park und hier erst wölbte sich ein zweites Tor, die eigentliche Eingangspforte empor, mit Tannenguirlanden umwunden und bunten Bändern. Dazwischen sassen unzählige Glühlichter, die noch zaghaft leuchteten, da der scheidende Tag noch nicht gegangen war.

Man sah ein buntes Gedränge und erst jetzt fiel es ihr ein, dass noch wer anderer als Makassy allein bei dem Feste sein werde.

Der Maler kam auf sie zu. Als er Estella sah, erschrak er, weil sie so schön war. Sein Künstlerauge war geblendet, seine Künstlerseele berauscht – aber es war nicht das, warum er erschrak. Der Weltgewandte, Aalglatte fand kein Wort, das er ihr hätte sagen können. Er war wie benommen und ganz dunkel ward ihm bewusst, dass er ja Gäste vor sich habe und Brand und das Mädchen einführen müsse. Ihnen den Weg bahnend, führte er sie an einen der geschmückten Tische.

Die Beiden sahen sich um.

Es war zauberisch schön unter diesen hohen, uralten Bäumen, die in gleichmässigen Entfernungen voneinander in den prächtigen Anlagen standen. Da waren plätschernde Fontänen und Blumenboskette, üppige südländische Palmen und Blattpflanzen, dazwischen knirschende Wege mit feinem roten Sande bestreut. Es waren Buden aufgeschlagen und Weinkneipen, wo die Künstler selber den Maiwein kredenzten. Mitten in einem der Rasenplätze war ein origineller Stand für den Glückshafen errichtet, gefüllt mit interessanten Skizzen und Bildern und Plastiken und überall wehten Wimpeln und farbige Tücher, für die nur Künstler die rechten Plätze zu finden wissen. Ein anderer kurzgeschorener Rasenplatz bildete den Tanzboden.

Nach und nach wurden auch die Lampions angezündet und standen trotz ihrer hundert bunten Farben in einem milden, ruhigen Lichte zwischen den dunkeln Bäumen.

Ein Leben und Treiben entwickelte sich, die Musik hatte begonnen und der Tanz, Reden voll Geist und Witz klangen durch die Nacht, Gesänge huben an, hübsche Frauen und Mädchen in wallenden Gewändern drängten sich zu den Buden, die Weinkneipen wurden umlagert, Lose wurden lachend aufgerissen – es war ein Leben und eine Lust, wie es Estella nie gesehen.

Es hatten sich Maler und Bildhauer um das schöne Mädchen gedrängt, es wurde gefeiert und mit Blumen übersät. Die Künstler haben offene Seelen und offene Hände, wo sie bewundern.

Sie war entzückt von allem: von dem Feste, den Menschen, dem Wein, ihren Erfolgen und sie war heiter und ihr schönes Lachen erklang in einemfort.

Nur manchmal, wenn ihr Blick sorglos von aussen dahergeflattert kam, verfing er sich in Makassy's zwingenden Augen und blieb angstvoll minutenlang darinnen liegen.

Es waren Stunden vergangen, seit er seine beiden Gäste wie im Traum von der geschmückten Pforte zu dem Tische geführt hatte. Estella war indessen ungezählte Male aufgestanden und weggegangen zu den Buden und zum Tanz und wiedergekommen, immer umringt und in Anspruch genommen von einem Kreise huldigender Künstler, die sich mit überströmendem Eifer um sie bemühten.

Wie betäubt sass er an seinem Platze.

Er hatte alles wie im Nebel an sich vorbeiziehen sehen; er hatte kein Ohr für den Lärm, kein Auge für das Getriebe, kein Wort für Estella. Alle Pläne für dieses Fest waren dahin. So vieles hatte er sich vorgenommen für diesen Abend; er wollte gerade heute das junge Geschöpf umgeben mit Frohsinn und Heiterkeit, er wollte ihr alles bieten, was in seinen Kräften stand, er wollte sie mit komischen Einfällen ergötzen, ihr Blumen schenken, interessante Künstler vorstellen, schöne Frauen zeigen – und mit ihr tanzen wollte er und fröhlich sein. Sie sollte ein rauschendes Künstlerfest erleben, das er ihr geboten.

Aber die Freude versagt so oft ihr Erscheinen, wo man sie recht vorbereitet erwartet hat.

An ihrem Aussehen war mit einem Mal all sein Vorhaben gescheitert. Nur das dumpfe, niederdrückende Bewusstsein eines hoffnungslosen Zustandes war über ihn gekommen.

War es die plötzliche volle Erkenntnis seiner Leidenschaft für das schöne Mädchen, als er es in seinem Liebreiz an der Pforte stehen sah?

Erschrak er über seine eigene Empfindung oder erschrak er für Estella?

Noch war es Zeit; noch konnte er fliehen. Ein heftiger Kampf war in ihm, sollte er sie freigeben, konnte er dies Opfer bringen, das ihm jetzt vor der Entscheidung übermenschlich gross erschien?

Konnte er entsagen – – herrschen über sich selbst? Held sein! Und das Nachschauen haben, wenn sie mit ihrem flüchtigen Schritt lachend von ihm gegangen wäre?

Ach, und er erbebte, wenn nur ein Laut ihres Lachens zu ihm herüberdrang. Es zog ihn zu ihr mit allen Fasern seiner unbändigen Natur.

Oder sollte er sie mit sich ziehen in heissem Geniessen einem dunkeln Schicksal entgegen? Sein Blut schlug dumpf an seine Ohren, nur mit äusserster Anstrengung konnte er sich der quälenden Aufregung erwehren, die bei diesem Gedanken sich seiner zu bemächtigen drohte. Wie das winkte, wie das lockte! Sein wildes Wesen brach aus allen Fugen. –

Hatte er denn ganz vergessen, was sie ihm einst bei den Ruinen sagte – dass sie klug festhalte an dem, was ihr gut sein würde im Leben? Dass sie ihren Kopf helle gelassen und wachend über die blinden Mächte gestellt habe?

Er kannte das. Solche Ideen in stillen Jahren geboren – in einem einzigen Sturm verloren.

Sein Auge glitt zu ihr hinüber.

Wie ihr hoher Hals so stolz und sicher das zaghafte, scheinumwobene Köpfchen von den geraden herben Schultern weghob! Nun hörte er wieder ihrem leichtgeöffneten Munde dieses zuversichtliche Lachen entquellen – da fühlte er sich wie ein Verbrecher mit seinen abwägenden Plänen. Sollte er bittend vor sie treten, dass sie ihm helfe, dass sie ihn mit reiner Hand in ihr kühles friedvolles Reich führe?

Ein Verlangen nach dieser keuschen Hand ergriff ihn – jäh, unaufschiebbar.

Schwerfällig erhob er sich – ein düsterer Freier – und trat vor sie hin.

»Fräulein Brand, ich bitte auch um einen Tanz!«, sagte er, und erschrack über das Donnern dieser einfachen Worte.

Sogleich erhob sie sich, verliess alles um sich und ging mit ihm.

Sie kamen zum Tanzplatz. Hunderte von Paaren wirbelten lustig darauf herum; die Musik brauste und die Lichter glühten still darüber.

Noch immer brachte er nichts über die Lippen.

Sie stellte sich tanzbereit vor ihn hin – er rührte sie nicht an, nur seine Augen standen gross und flackernd vor ihrem unschuldigen Antlitz. – – –

Da endlich nahm er sie hochaufatmend in seine Arme und tanzte mit ihr.

Die Seide ihres Gewandes knisterte leise auf und der Duft ihrer Jugend wehte ihm entgegen.

Bebend fühlte er ihren ruhevollen Tanz und ein sorgloses Vertrauen durch ihre Haltung gehen.

Das erste Umfangen dieses jungen Leibes und dessen leichtes Folgen jeder seiner Bewegungen hatten in ihm ein wildes Entzücken, ein berauschendes Präludium seines Besitzes ausgelöst.

»Estella!« stöhnte er auf. Das eine Wort schrie in ihre Seele um Liebe, um Hilfe.

Er hatte sie mit sich fortgezogen aus dem Gedränge, hin wo die köstlichen Anlagen in einen natürlichen Wald übergingen. Dort war es dunkel und einsam um sie und dort legte er seine Arme schmerzend schwer auf ihre beiden Schultern und sein heisser Atem strich verwirrend über sie hin – und kaum noch fühlte sie es, dass seine brennenden Lippen lechzend und unstillbar auf ihrem Antlitz lagen. – –

Später sind sie wieder zu den andern gegangen, haben getanzt und gesungen, doch sie wussten es kaum. Das Fest der Künstler rauschte eine verschwommene Melodie zu dem Feste ihrer Liebe. –

Jetzt ward ihr Schifflein abgestossen vom Ufer und den stürmenden Wellen vertraut.


Es kamen Tage voll heissen Glücks. Makassy umgab Estella mit wahrhaft fanatischem Kult und sie schritt durch alle diese Gaben hindurch stolz und zaghaft wie eine junge Königin.

Seine Blicke umschlossen sie fast unaufhörlich und alles was sie tat war von einem neuen, anderen Werte.

Auch sie vermochte sich nicht loszureissen von seinem Antlitz, in dem sie ein langsames Gesunden zu sehen wähnte – von diesen dunkelgrauen, innerlichen Augen, aus denen allmählich das Ruhelose, Zermarterte zu weichen schien.

Und wenn einmal durch eine Redensart oder irgend etwas Unvorgesehenes ein kleiner Rückfall zu bemerken war, so konnte sie ihn mit einem einzigen ihrer guten Blicke zurückrufen und in Dank und Freude bot sie ihm dann all die Herrlichkeiten ihrer schönen Seele. –

Von den Menschen hatte sie sich fast gänzlich abgeschlossen, sie war so gerne allein, dass sie erschrack, wenn die Gartentüre aufging und irgend ein buntes Kleid dahinter erschien, denn das war sicher jemand für sie.

Ihr Verhalten hatte dann auch etwas so Gezwungenes, ihr Lachen klang arm und notgedrungen, ihre Blicke waren so anderswo und in ihrer Unterhaltung lag nach jedem Satze etwas so Abschliessendes, zu Ende Gekommenes, dass mancher der Gäste plötzlich aufstand und sich verabschiedete.

Was war da sonst oft für ein heiteres Leben, wenn um die behaglichen Gartentische die jungen, fröhlichen Mädchen sassen und über ihre gegenwartsfrohen Gespräche weg, verstohlen in den Glanz ihrer Zukunft lugten. Da schien ein Bündnis der Jugend erstanden – im Sonnenschein – unzertrennlich – ohne Ende.

Aber so schnell schon sollte eine aus ihrer Mitte gehen – die Eine, die still anerkannte Seele des Kreises, die immer mit unsichtbaren Händen, ungewollt voll höheren Geistes allem das Gepräge verlieh.

Doch die Abschiedsgesänge, die der Geschiedenen erschallen wollten, mussten zerschellen an ihrer Unnahbarkeit und auch an dem Schrecken auferstandener, schnell um sich greifender Gerüchte in der kleinen alten Stadt.

Estella musste vieles ihren Händen entfallen sehen, aber es konnte ja nicht anders sein, sie empfing auch so überreich und all' das erschien ihr so unsäglich viel wertvoller, dass sie es geschehen liess. – –


Einmal nach diesen Tagen hatten sie mit dem Onkel einen grossen Spaziergang gemacht in der weiteren Umgebung der Stadt. Sie gingen auf den Höhenzügen den reichen Waldungen zu.

Der Mai war längst zu Ende und das Getreide stand schon hoch auf den Feldern. Ein leichter Wind wehte über die schimmernden Ähren weg und ein schwaches Wogen entstand auf den Hügeln – den stehenden Wellen der Erde. Die niederen Dörfer waren versunken in einem Meere von Fruchtbarkeit und schwimmend lagen auf ihm die braunen Dächer der Häuser.

Auch über die Bäume weg fuhr sachte die bewegte Luft und ihre Zweige erbebten und ihre Blätter legten sich zitternd um und schlugen leise klingend an einander. Schmetterlinge gaukelten über die Wiesen hin und die Gräser und Blumen alle wiegten auf zarten Stengeln ihre Knospen und Sterne und Glocken wohlig im Wind. Darüber wölbte sich weit und hoch das Firmament und glänzende Wolken zogen in seiner tiefen Bläue stetig dahin.

Die drei schritten langsam durch diese schöne Welt. Der alte Brand gab in lauten Worten seiner Bewunderung Ausdruck, Makassy und Estella sagten nichts. Einmal blieb das Mädchen stehen, so recht erfüllt. Es hielt Gottesdienst in seinem Herzen, dabei hatte es das Gehen gestört.

»Siehst Du nicht die Tränen, die über der Erde liegen?« frug sie plötzlich Makassy, »die musst Du sehen lernen, Weib, dann kannst Du ganze Schönheit schauen, der Erde ganzen, qualvoll-wehen Reiz!«

»Bei mir ist das einfacher,« antwortete Estella, »hier ist die Welt, hier bin ich – dazwischen liegt nichts. Ich schaue nur – – Du komplizierst sie und zerstörst Dir ihre grosse, einfache Linie. Will Dir das Einfache nicht genügen oder kann es Dir nicht mehr genügen?! Dann allerdings wirst Du bald am Ende sein. Überfordere das Leben nicht!! Entkräfte es nicht!! Komm,« rief sie abbrechend, »komm, die Rosen blühen!«

»Die morgen welken,« erwiderte er. »Siehst Du Estella, das ist so arm, so einfach: die morgen welken, – darum muss ich multiplizieren, muss vertausendfältigen im Genuss, darum muss ich heute im Genusse sie zerstören! Ausleben – Schönheitstaumel .... selbst ausleben, selbst zu Ende leben – wollüstiges Willenswerk! Sich nicht zu Ende leben lassen – Ewigkeitstat!«

Sie überlachte es und sagte: »Ich hatt' einmal einen Traum, den will ich Dir erzählen: Es war ein schönes, grünes Land, weit und herrlich. Ein König nannte es sein Eigen. »»Du reicher König,«« dachte ich »»der Du ein so schönes Land hast.«« Aber er selber war nicht darinnen – es genügte ihm nicht. Dann kam ich in sein Schloss. Da blitzt' es und gleisst' es vor Pracht, dass das Auge erbebte. Dort sass der König, »»Du verwegener König,«« dacht' ich, »»der Du Dir solch ein Schloss über die Welt gebaut.«« Er aber – verblendet und krank – schaute hinaus ins Land, das, grau und trüb, ihn dieses bunte Schloss erbauen liess; – noch grauer und noch trüber erschien es ihm jetzt. »»Du armer, armer König.«« dachte ich jetzt und weinte.«

»Urgesunde,« sagte Makassy, »mutig ist Dein Lachen und weise Dein Märchen!«

Sie gingen weiter.

Ausser der Bewegung, die der Wind schuf, rührte sich nichts allumher. Ein einziger dunkler, grosser Vogel hob sich mit weiten Schwingen in feierlichem Kreisen in den Äther auf und verschwand endlich hoch oben als ein kleiner, schwarzer Punkt in den Wolken.

»So ist das Auffliegen des Menschengeistes, der auf der Erde gross erscheint und zusammenschwindend sich dem Ewigen naht,« dachte Estella, – doch das Lachen der Erde rief zurück aus den Fernen und ihr Auge blieb auf dem sonnigen Wiesengrunde liegen.

Da lag die Schöpfung in Unschuld. Zwischen Rotbuchen- und Haselnussstauden und graugrünen Wachholderstöcken standen stolze hohe Königskerzen, Büschel weisser, blanker Margeriten, zitternde Federnnelken und dazwischen schickte ab und zu hart vom Boden weg eine niedere Genziane, einem Aufschrei gleich, ihr in Not erstarktes Dunkelblau. Doch mit gleichem Kosen glitt ein goldnes Sonnenwerben von den Königskerzen bis zu ihnen hin.

»Aus diesen Blumenwesen müssen gute Gedanken kommen und über die Erde ziehen« sagte Estella, »was haben sie schon frohe Poesie zu den Menschen geschickt – –«

»Weil sie unwissend sind« fiel er dazwischen und zitierte mit fast boshaftem Behagen die Verse vor sich hin:

»Blumen, ihr ahnt nicht mit eurem Duft,
Dass ihr erblühet auf einer Gruft.
Euer Standort, der Hügel, der ist ja nur
Eine tote Welle erstarrter Natur.
Ihr selber müsst sterben, wie alles dereinst –
Mein Liebchen, auch wir – mein Liebchen, Du weinst ...«

Sie schwieg; sie wollte nicht hören. –

Bald darauf umfing sie der Wald; er begann hier sehr jäh. Da war noch die sonnige Halde und dort schon standen die trotzigen Tannen in finster geschlossener Reihe. Es gibt oft ein so allmähliges Übergehen in den Wald, wo zuerst Büsche und Sträucher vermittelnd und vorbereitend entgegenkommen und uns sachte hineingeleiten – aber da war es wie das Eintreten in einen Dom, in dem man mit einem einzigen Schritte aus grellem, buntfarbigen Leben stehen kann.

Makassy stand im Walde und wandte sich nach ihr um, die sie noch draussen war im Sonnenglanz. Doppelt erschien sie durchleuchtet, von der Sonne und der eigenen Seele. Das rosige Tüllgewand, das sie heute wieder trug, und das lichte Haar folgten leise der Richtung des Windes wie die Blüten alle um sie her. Es war ein gemeinsames Flattern und Fliegen und Neigen nach vorne, denn der Wind ging dem Walde zu und nahm die leichten Falten des Kleides, die entfesselten Wellen des goldenen Haares und die erschrockenen Köpfchen der Blumen mit sich.

»Schau,« sagte sie lächelnd mit einer solidarischen Bewegung über die Blumen weg, »wir wollen alle zu Dir!« »In die Dunkelheit« rief er und beobachtete ihre Mienen. Aber sie umging die Antwort auch diesmal.

Rasch betrat sie den Wald, um sofort weiterzuschreiten, vorbei an ihm, – den Onkel einzuholen. Makassy jedoch ging gleichen Schrittes mit ihr und behütete sie ängstlich, sie hier von irgend einem kleinen Abhang zurückreissend wie vor einem Abgrund oder ihr dort über eine harmlose Baumwurzel helfend, wie über das schwierigste Hindernis. Aber das konnte sie nicht freuen. War das wirklich nichts als Sorge um sie? Es geschah mit einer Heftigkeit, die ihr zu stark erschien für diese winzigen Gefahren. Warum tat er das?

Er wusste Antwort. Lust war es – – und Angst. Lust, sie zu berühren, Angst sie zu verlieren. Seine unglückselige Art liess ihn sie umlauert sehen von Gefahren. Er zitterte um sein junges Lieb, von dem er so viel erhoffte.

Erhoffte für sich. Selbsterrettung, Lust zum Kampfe mit all' dem Stagnierten, Verwesenden in ihm. –

Weiter gingen die Gedanken.

Sollte er wirklich das alles aufrütteln zum Leben, was so faul und träge, sterbend schon, in dem Satz des Bodens lag? War das nicht unbequem und ohne Freude?

Und weiter gingen die Gedanken.

Auferstehung! – Wie pathetisch für einen Makassy! – Mit neuem Hemdkragen und frischgeputzten Zähnen zum Halleluja singen – –

Aber hinter seinem zynischen Hohne lauerte die Furcht, ganz klein. Die wollte er nicht sehen. Ihm fehlte der Mut zur Reinheit, – er wusste nichts anzufangen damit. – Das war's. –

Indessen waren sie mit dem alten Brand zusammengekommen und unterhielten sich mit ihm. Estella schob ihren Arm in den seinen, obwohl er, nicht gewöhnt an Frauennähe, etwas steif in solchem Falle war und erst wieder doppelt herzlich wurde als sie ihn wieder freigab.

Aber sie hatte sich in den kurzen Augenblicken erholt an diesem Gleichmass, dieser Unerschütterlichkeit einer geklärten Natur. »So von einem Ruheplatz aus über das sturmgepeitschte Meer schauen,« dachte sie, »muss auch schön sein – aber inmitten der Wogen ....« Erschrocken über ihre eigenen Gedanken irrten ihre Augen zu Makassy hin. »Was er nur hat, – er wird immer seltsamer,« grübelte sie. »Er macht so müde, ich kann ihm kaum folgen, – ich werde den Boden unter mir verlieren – doch was liegt daran, wenn ich nur mitkomme – wenn ich nur mitkomme ...!«

Sie hatten sich wieder von einander entfernt.

Brand war stehen geblieben und vertiefte sich in die jungen, hellgrünen Ansätze eines Tannenbaumes und wunderte sich, dass dieselben in seinem Garten noch nicht so weit waren. Dass sie in des Pastors Garten zum Beispiel zurück waren, beunruhigte ihn nicht. »Ein Garten ist eben kein Wald« hatte er neulich erst begütigend zu ihm gesagt. Aber sein Garten, – das war schliesslich doch etwas anderes.

Die beiden anderen waren weitergegangen. Makassy, der dieses Einhängen des Mädchens in Onkels Arm misslaunig beobachtet hatte, liess es rauh an: »Suchst Du Zuflucht? – Du gehörst zu mir, wisse das!«

Da war sie ganz nahe zu ihm getreten und stellte sich wohlig an die leichtentflammte Glut dieser Leidenschaft.

»Küsse mich,« herrschte er sie an und riss sie mit wilder Geste an sich und sich aufreckend fuhr er fort:

»Initiative, Weib! Ich dürste darnach!«

»Siehst Du«, rief sie in wachsendem Schmerz, »siehst Du, ich bin nicht der mächtige Baum geworden – ich bin verbildet und verschnitten – verstümmelt bin ich – –«

Aber er hörte ihre Worte kaum, er hatte sich berauscht und vergessen an der Nähe ihres blühenden Leibes und küsste sie ..... küsste sie .....

Bei ihr führte der Weg von innen heraus; langsam, Schritt um Schritt.

»Vergiss mich nicht, wenn Du mich an Dein Herz nimmst!!« rief sie erschrocken.

Der Wald um sie her rauschte vor Pracht. In die dunkeln Tannenwälder hatten sich Eichen- und Buchenstände eingeschoben. Es war ein Zittern und Schwanken von Licht und von Schatten, ein irres Hüpfen von Sonnenflecken und -Streifen und -Kreisen ringsum.

Und langsam führte sie der Weg aus diesen lebensvollen Wäldern in einen ganz anders gearteten uralten Lärchenhain, der wie ein vergessenes, stehengebliebenes Stück Welt, das das Sterben übersehen hatte, aus langvergangenen Zeiten anmutete.

Zerfetzte, silbergraue Lärchen standen riesenhoch wie die dräuenden Greise des Waldes auf dem graubraunen, verdorrten Grasboden und streckten ihre dürren, vertrockneten Arme gespenstisch in die Luft. Rötlich schimmerte es durch die Risse und Rinnen der dicken, violetten, zerborstenen Rinde der Stämme und da und dort sickerte eine schwere, grosse Zähre durch sie und rann langsam, langsam zur Erde nieder – oder blieb erstarrt auf ihrem mühseligen Wege stehen. Und mächtigen Adern, die noch ein spätes Leben fristen, glichen die Wurzeln der Bäume, die aus dem Boden gequollen waren und die ein uralter, graugrüner Schimmel umzog. Aus den abgestorbenen, bleichen Ästen ohne Rinde und Laub wucherten weisse und gelbgrüne Flechten und wehten graue, lange Bärte, in denen die abgefallenen, rostigbraunen Nadeln zitternd hingen. Und nur an manchen Spitzen dieser entnadelten, filzig umwachsenen Zweige waren noch einige stehen gebliebene Nadeln, die wie durch die Patina stiller Jahrhunderte zu steifen, blaugrünen Sternchen erstarrt schienen.

Ein Windstoss fegte über den Wald, dass es das verdorrte, gelbe Gras, das wie auf verlassenen Gräbern lag, knisternd in die Höhe hob, dass die dürren Äste klappernd aneinanderschlugen, die modrigen Bärte wilder wehten und ihnen die rostigen Nadeln klingend entfielen, dass ein paar aufflatternde Vögel kreischend den Wald verliessen und ein schwarzes Eichkätzchen erschrocken über den verfallenen Weg huschte.

Die drei Menschen standen ganz klein und verloren in dem hohen, seltsamen Walde.

Das gesunde, furchtlose Mädchen wehrte sich am ersten gegen seine Macht. All' seine Klarheit erhob Protest gegen dies düstere Grauen.

»Sing ihm ein Lied zum Trotz«, raunte es Makassy zu.

Und der schlug innerst erleichtert sogleich ein, langte eilig zurück nach einer der alten, fast vergessenen Weisen – hub zu singen an, wie kein Anderer singt – – und sein Lied zitterte heiss und hastig durch den toten Wald. Es schlüpfte zwischen den dürren Ästen durch, streifte die alten, vertrockneten Bärte, lief über die knisternden Grashügel weg, flog zu den kahlen Wipfeln hinauf, huschte durch die Moose und Flechten und sprang über den verlassenen Weg.

Es rast im Tanze
Das wilde Weib.
Es lockt im Glanze
Ihr schöner Leib.
Züngelnde Locken
Umspielen die Brust.
Rundum hocken,
Entfacht in Lust,
Männer und Frauen,
Die trunken schauen.
Alle die Lichter
Schieben sie nah,
Gier'ge Gesichter
Man da sah. –
Doch auf einmal – o Entsetzen! –
Löst sich der Schleier
Und die Fetzen
Fangen Feuer!
Alle johlen,
Nur einer stürzt hin.
Der musst' verkohlen
Samt der Tänzerin. –
Wer voller List
Blos hat geschaut,
Entkommen ist
Mit heiler Haut.

Sie hatten den Wald vergessen. Sie waren voll des Liedes.

Makassy schien in der Ferne zu sein. Estella lauschte mit angstvoll gespannten Sinnen weit über das Lied hinaus. Da war etwas, das sie erschrecken liess; etwas Wildes, Dämonisches, zu dem sie sich nie erheben konnte. Da war etwas Ursprüngliches, Elementares, das ihr fehlte, eine glühende Sinnlichkeit, die sie nicht kannte.

Da war ein Strom, stolz und grossartig, der sich durch Felsen brach – hier ein dünnes Bächlein, das verzagt um alle Steine lief. –

Brand ärgerte sich über das Lied, an seiner faktischen, praktischen Natur scheiterte dessen Poesie; auch genierte ihn dieses nackte Frauenzimmer, das da so zügellos um ihn – den Privatier Brand – herumhüpfte.

Als sie endlich den Wald verliessen, war es spät geworden und leichter atmend betraten sie die freien Höhen.

Es schien fast, als wollte an diesem Tage die Natur selber sich überbieten in verschwenderischem Geben. Denn sie schickte dem reichen Tage einen märchengleichen Abend nach.

Feierlich langsam rollte die Sonne, die feurige Kugel, die blauschwarzen Hügel hinunter und schickte dann einen Gruss zurück, der das weite, abendliche Land noch einmal weckte aus seinen Sommerabendträumen. Eine blutrote, mächtige Flamme schlug auf am Horizonte und die Hügel alle und die schweigenden Dörfer und Felder und Wälder, die schwer und dunkel in dem Tale lagen, erhoben sich langsam zu einem neuen, anderen, verklärten Leben. Sie waren jetzt wundersam durchglüht und ihr violettes Leuchten warf einen nebligen, flimmernden Schein rings um sie in den weiten, magischen Feuerschein, der wie eine erstarrte Lohe über der trunkenen Erde stand.

So ruhte die grosse, stille Welt in verklärtem Lichte.

Allmählich begann ein langsames Umfärben, bis das tiefe Rot des Horizontes in ein dunkelgoldenes Orangegelb hinübergesunken war und alles weit umher träumte in vergeistigtem Sein.

Jetzt schwebten die Hügel der Erde, immer körperloser werdend, wie verwehende Silhouetten, als hätte das Glühen sie ausgeschmolzen und wesenlos gemacht; – und allumher begannen sich langsam wieder Farben und Lichter zu lösen und verschwanden allmählich in dem dunklen, kalten Weltenraum.

Brand und das Mädchen waren vorausgegangen. Fest und sicher zeichneten sich ihre schwarzen Umrisse in den hellen Horizont. Die Jugend mit den schwellenden, zaghaften Linien; starr und hart das Alter. Hier der junge, werdende Mensch, dort das gewordene, unbewegliche Alter.

»Du Junge«, dachte der Maler, »renne nur mutig den hohen Berg hinauf, der vor dir steht. Bis du da droben atemlos ankommst, bist du von selber müder und stiller geworden und kannst ruhiger den enttäuschenden Anblick ertragen, der sich dir bieten wird. Du hast gemeint, da droben sei das Glück, ein endliches Ruhen und Verweilen; einstweilen ist dort oben nur ein schmaler, schwindelnder Felsenplatz, nicht geschaffen für Menschenrast.

Und weiter wirst du eilig müssen, wieder hinab; ein anderer hoffender Mensch, der nächste, will kommen und schauen, und freudlos wirst du hinuntersteigen, arm geworden. Der glückliche Eifer ist erloschen.

Hinuntersteigen, Schritt für Schritt, zähe, ächzende Mühsal – hinuntersteigen – – Hinunterstürzen! Enden im Werden, enden im Vortraum des Gewordenseins! – – trotze, Weib, mit deinen jungen Kräften und Sinnen und sauge dem armen Leben die Freude bis auf die letzten Reste wollüstig aus den Adern!«

So unbemerkt hatten ihn seine Gedanken wieder fortgenommen, dass er sich zurückzwingen musste ins Gegenwärtige, Gute, Einfache. – Die schlichte Idylle des Brandschen Gartens lastete auf einmal bange auf ihm. Er musste sie sich aus seinem Erinnern in weite Fernen schieben. Dort verlor sie an Wirkung.

Wollte ihn sein eigenes Lied aus diesem Paradiese vertreiben?

Sich übertönend rief er hastig und lärmend: »Fräulein Estella, Herr Brand, – warten Sie doch! Sie gehen da schnurstracks in den goldenen Himmel hinein und lassen ...«

»Den armen Makassy allein!« rief mit etwas starrem Humor das Mädchen zurück und wartete, während der Onkel weiterging. Dem war nahezu alles unausstehlich geworden, was der sagte. –

»Estella!« rief Makassy leise und leidenschaftlich und presste ihre zarten Handgelenke, dass es sie schmerzte, »schau über die Welt! Siehst Du, wie sie sich plagen?! Siehst Du, wie sie sich aufrecken, hinausdehnen über sich selbst – ewigkeitwärts?!!

Ihre Farben, ihre Klänge, ihre Bauten, ihre Altäre, die langen hinauf mit verwegener Hand nach der Gottähnlichkeit – voll Sehnsucht, voll Verlangen, voll Trunkenheit!!! Diese Trunkenheit, ja – die trägt fort über Gemeinheit, über das Menschsein, über das Erdentum!

Aber allemal in solch' kühnem Aufflug, den Gott im Auge, Gott nahe – zieht die Erdenschwere roh zurück in die eigene Erbärmlichkeit.

Und siehst Du, Weib, die ungestillte Sehnsucht, diese armen, stolzen Kräfte, die heischen Sättigung – ich dürste, Estella, ich darbe, ich friere – – – ich muss mich zum Hass und zum Bösen wenden, da fühl' ich starkes, heisses Leben, das mich sättigt!!!

Das Gute ist so einfach, so selbstverständlich. Hinter allem steht die Erschöpfung, aber nirgends näher als hinter dem Guten. Es geht auch so bescheiden und leise – man hört sich selber zu sehr dabei. Das Böse ist laut und aufwieglerisch, – es ist mannigfaltig und hat ein dröhnend Gefolge .....«

Er schwieg erregt, um nach einer Weile mühsam mit tonloser Stimme zu sagen:

»Doch Du verstehst mich nicht. Du bist so jung; durchsichtig, glockenklar bist Du; aber das verstehst Du nicht. Verzeih', dieses stille Land da hat sich wieder an meine Ferse geheftet.«

»Und dieses wilde Lied!« schrie sie gemartert auf und ihr Auge stand forschend vor dem seinen.

Aber ohne Antwort, tief und dunkel lag seine Nacht vor ihr.

Sie gingen beide, den Kopf zu Boden gesenkt, und horchten in sich hinein und atmeten schwer.

»Sie müssen auseinanderführen, diese Wege«, dachte sie verzweifelt. –

Dann fingen sie mitsammen zu reden an, laut und leer. –

Hilflos spannte sie auf diesem Heimwege ihr zartes Wesen weit über ihre Kräfte hinaus. Sie suchte sich ängstlich und verzweifelt über sich selbst hinauszusteigern, hinaufzuheben.

Sie wurde laut und unnatürlich, ihre Bewegungen waren wild und aufgeregt – sie betrog sich damit um all ihre ureigenste Schönheit.

Sie jagte ihm nach, sich verlierend, angstvoll, verhetzt – – und sie hatte ihn doch zu sich herüberziehen wollen. Und er sah nur das Unzulängliche, das Verdorbene – nicht die Qual, nicht die Angst, nicht die Liebe.

Als wenn ein Kind sagte: »Mutter, ich trage Dich, wenn du nicht mehr gehen kannst«; die eine Mutter wird glücklich sein und antworten: »Wie gut von dir; hast du mich so lieb!?« Und die andere wird sagen: »Wie dumm von dir. Fühlst du nicht, dass du zu schwach dazu bist!?« – –

Bevor sie auseinandergingen, nahe beim roten Tore der alten verwitterten Stadtmauer, da riss er sie in seine Arme – über alles weg was war; er küsste sie wie von Sinnen und eine wilde, ausirrende Sehnsucht stand in seinen Augen.

Und wieder wollte sie sich wehren und aufschreien: »Ich bin Estella Brand, weisst du, dass ich es bin?« Und wenn er es bejaht hätte, wie glücklich wäre sie gewesen! –

Als sie endlich nach Hause kam in ihr Zimmer, liess sie sich schwer und todmüde auf ihr Lager fallen. War das wirklich nur ein einziger Tag, der hinter ihr lag?

»Wir leben zu schnell, es wird bald zu Ende sein«, dachte sie mit Entsetzen.

Als sie aber eine Zeitlang ruhig lag und der müde Körper sich erholte, zogen auch durch das zerquälte Hirn ruhiger die Gedanken. Sie überdachte alles, Stunde um Stunde, was sich heute zugetragen. Auch das Schöne darin – – und immer mehr das Schöne. Es ist etwas so Rührendes um ein junges, elastisches Menschenherz.

Sie dachte an ihn; sie dachte an das Faszinierende, das von ihm ausging; an sich, an das wilde Stürmen, das ihr klares Wesen durchrüttelte und durchtobte, in dem sie mutig, staunend Stand hielt. – Alles, was er tat und sagte und unterliess, und wie er es tat und sagte und unterliess, war neu und eigenartig, von einem bestrickenden Reize und gleichsam mit Einsatz seiner selbst.

Sein Liebkosen war ein Quälen – und sie liess es geschehen, war erfüllt davon, währenddessen er immer unersättlicher wurde an ihrer wunschlosen Herbheit.

Wird er nicht bald fordern kommen, dass auch sie gebe, war er nicht schon gekommen und wird sie dann geben können?

Es fiel ihr ein, wie sie sich heute hinausmühte über sich selbst, wie sie einmal förmlich zu ihm hinschrie – es war am letzten Teil des Heimwegs, als schon das alte Städtchen in seinem Abendfeiern vor ihnen auftauchte, unweit dem roten Tore – da hatte sie hingeschrien zu ihm:

»Sieh, die Sonne ist fortgegangen!«

Es hatte wahrhaft deklamatorischen Schwung und polterte wertlos und unbeholfen durch den leisen Abend. Wie verkehrt das war. Sie hatte es an seinem Gesichte deutlich gesehen, wie es irritiert aufzuckte.

Sie musste lachen und schämte sich ein wenig dahinter – und lachte dennoch – und Tränen stiegen ihr in die Augen – – und Tränen fielen über die Wangen – – – und aus dem Lachen war ein Weinen geworden.


An einem der kommenden Tage war es, dass zwei Ereignisse dieses äusserlich so ruhig fliessende Leben durchkreuzten. Als Estella am Abend mit ihrem Onkel beisammen sass, er sehr heiter und wortreich, sie mit einem schwer verhaltenen, übervollen Herzen, nur mit Anstrengung Worte der Erwiderung findend, erinnerte er sich plötzlich, dass die eingelaufene Tageskorrespondenz noch durchzusehen sei.

Das Mädchen brachte sie ihm und riss in Gedanken schon geizig die Zeit ungestörten Nachdenkenkönnens an sich.

Es gab so viel zu denken, zu entwirren, – umzubilden, aufzubauen. –

Sie sah sich in einem fremden Lande, kannte die Wege nicht, vermochte sich nicht zurechtzufinden, – – und wusste keinen Rat.

Doch beim Eröffnen des zweiten Briefes schon sagte Brand erfreut:

»Denke, Estella, Thieben will kommen!«

»Was will er denn?« rief sie auffahrend. Nichts hätte ihr störender sein können in ihrer neuen heimlichen Welt. Sie glaubte, dass der Ungerufene in ihre Kreise treten würde, sie sah ihn traurig wie bei einem Sarge bei dem Feste ihrer Liebe stehen.

Sie fühlte seine klagenden Augen beschwerend auf sich ruhen, sie hörte ihn händeringend sagen wie einst: »Es ist nicht gut, es kann nicht gut sein!«

Sie sah ihn im Geiste schon steif und stämmig wie einen Pfahl mit seiner rechten, geraden Art neben dem sturmgepeitschten Manne stehen und nebendort den Onkel mit Verkündermiene bei solch' sinnfälligem Unterschiede.

Erstaunt sah Brand in das zornige Gesicht seiner Nichte. Jetzt erst wusste er es, dass für Thieben nichts zu hoffen war. Und dem Fernen schlug in dieser Stunde ein warmes Freundesherz.

Lange und eindringlich redete der alte Mann zu ihr. Oft gesprochene Worte, im Wind verhallt: Von dem Werte solchen Besitzes, von dem Werte einer abgeklärten Natur, von Beruf und Lebenszweck und dem kostbaren Gut der Treue.

Aber der gequälte Ausdruck in dem sonst so ruhevollen Antlitz des Mädchens liess ihn verstummen.

Ein anderer Gedanke stieg in ihm auf, eine trübe Ahnung, die auf dem Spaziergang neulich ihn zum erstenmal beschlichen hatte, und hastig musste er noch einmal den Mund auftun und fast drohend hinzusetzen:

»Den Frieden musst Du suchen, Mädchen, den Frieden der Seele«, und schwer aufatmend, sich über den Tisch nach ihr hinüberbeugend: »Du bist auf falscher Spur!«

Erregt fiel sie ihm ins Wort:

»Mich langweilt Euer Frieden; ich suche Kampf, Arbeit, Glanz – ich muss um etwas ringen müssen!! Ach« – – und ihr Antlitz erhellte sich wie die durchbrechende Sonne – »ach, um das Höchste, um eine Seele ringen müssen – dürfen, wie grossartig das sein muss!«

Brand fühlte sich verletzt in seinem ehrlichen Rate und das erstemal, seit sie in seinem Hause weilte, ward es ihm bewusst, dass es nicht sein eigenes Kind war. –

Allein gelassen, eilte sie mit ihren Gedanken zu dem Geliebten. Nicht um zu ruhen in seinen Armen, sondern tätig und tüchtig mit ihm auszuschreiten auf einem weiten mühseligen Wege. Einen langen, bangen Schatten wird sie werfen, die grosse, hässliche Vergangenheit und wir werden weit im Dunkeln gehen müssen – aber dann, dann muss die Sonne kommen.

So schlichtete und ordnete sie und scheuerte alle Stuben blank, bis der grosse Sonntag einst kommen würde.


Am andern Morgen begab sich Estella frühzeitig hinunter in den Garten, wo in der Rebenlaube zum Frühstück gedeckt war.

Der Onkel, der sie gestern Abend so kurz verlassen hatte, begrüsste sie auch heute knapp und mit Zurückhaltung und streifte dabei nur flüchtig mit den Blicken ihr Gesicht. Nach einer Weile erst wurde er freundlicher und legte etwas Verzeihendes in sein Verhalten.

Sie liess beides unbeachtet, denn ihr lag der kommende Tag schwer genug in allen Gliedern.

Mechanisch begann sie in ihrer Tasse umzurühren und sah vertieft nach einem nassen, zerfallenden Stück Zucker.

»So geht's allen«, dachte sie, – ein wenig stumpfsinnig, – »den Mutigen und den Feigen – am Ende ist es gleichgültig.« Dann drehte sie die Augen langsam so ringsumher.

Die flatternden Blätter der Reben vertrieben fortwährend das Sonnenlicht, das sich auf dem weissen, glatten Tischtuch prunkend niederlassen wollte. Jetzt kam es herunter in blendenden Kreisen, gleich wurden die vertrieben, verschoben, zusammengequetscht zu Ovalen und Dreiecken, und kaum wollten die brillieren, wurden sie zerschnitten in Stücke, die zitterten und schwankten und flimmerten. Das war ein Anfliegen und Verschwinden, ein Auseinanderfahren, Aufblitzen und Zerstieben. Nett war das! Etwas bewegte sich auf dem Tischtuch, etwas Schmales, Langes, das nie ganz verschwand. Sie schaute prüfend nach dem gewölbten Dach der Laube. Ein Räupchen liess sich da voller Unschuld an seinem eigenen Faden säumig herunter im warmen Sonnenschein. Nun doch etwas besorgt, sah sie nach ihrer Tasse, ob der Weg nicht gerade da hinein führte. Dann schaute sie wieder so rund herum. Behaglich wars da herinnen. Grünes Licht, Sommerweben, Mückensummen. Behaglich wars im ganzen Garten. Behaglich wars auf der ganzen Welt. Ja, das war es. Aber ihr gehörte es nicht mehr. »Schade«, dachte sie und lehnte sich betrachtend zurück, – als plötzlich die Gartentüre aufgerissen und unsanft ins Schloss zurückgeschleudert wurde und sehr erregt Makassy über den Kies daher kam.

»Da brennts schon wieder«, dachte ärgerlich Brand und streifte zuerst langsam und gründlich die Asche seiner Zigarre ab, um ihn dann erst mit einer Gelassenheit zu begrüssen, die sich immer noch frühzeitig genug kam.

Des Künstlers grosses, unruhiges Auge suchte zuerst Estella mit alarmierendem Blick. Sein Blick war ein Ereignis jedesmal wenn er sie traf.

Dann bat er um Entschuldigung ob der frühen Störung, aber er wolle nur mitteilen, dass er heute nicht zur Sitzung kommen könne, da er auf einige Zeit verreisen müsse, bis an die ungarische Grenze, wo die Güter seines verstorbenen Vaters lägen und seine Anwesenheit dringend notwendig geworden sei behufs Regelung testamentarischer Bestimmungen.

Alle sahen aneinander vorbei, denn jedes hatte etwas zu verbergen. Der alte Brand die Freude, die beiden andern den Schmerz.

Und um doch etwas zu sagen, erzählte Makassy einiges über ungarische Verhältnisse und Zustände, aber keines interessierte sich dafür.

Bis endlich Brand aufstand, ins Haus hineinzugehen und dort einiges anzugeben. –

Die Morgensonne spielte so sorglos über der Laube, indessen darunter zwei Augenpaare schwer ineinander ruhten in bitterhartem Abschiednehmen.

Trennungsgedanken, Trennungsqual war ihm neuer, belebender Reiz.

»Ich habe Dir noch etwas mitzuteilen, ehe Du gehst«, sagte nun Estella leise und gepresst: »Thieben wird kommen.«

Ein kleines Mücklein summte und sauste über die Tassen weg, liess sich hastig irgendwo nieder, um gleich wieder aufzufliegen und weiterzusurmeln. –

»So reise ich nicht«, sagte er jetzt mit fremder Stimme durch die Laube herüber.

Sie hatte es erwartet und ein Jubel über solche Liebe stieg in ihr auf, dass sie berauscht von ihrem Reichtum freigebig rief: »O reise nur, reise nur!«

Er verstand sie nicht, dachte an Thieben und frug lauernd:

»Willst Du es also, soll ich das Feld räumen?« Und dann, als er ihre schöne Freude sah, es bereuend und irreleitend:

»Ich verliere ein Vermögen, um mich nicht von Dir trennen zu müssen und Du gebietest einfach ruhevoll: reise doch!«

Treuherzig sah sie ihn mit ihren guten Augen an und sagte, das klare Köpfchen leise schüttelnd:

»Das ist es nicht. Dich hält ein anderer Grund.«

Da flammte er auf:

»Steck' Dir die Blumen ans Herz, zerlege und zerfasere sie nicht!«

Inzwischen kam Brand zurück, – aber um gleich wieder umzukehren, als er hörte, der Maler habe sich anders besonnen und bleibe hier, »seine Arbeit nicht zu unterbrechen.«

»Es erscheint mir wichtiger, da zu sein«, sagte Makassy leichthin.

Seine Gewandtheit, der schnell veränderte Gesichtsausdruck und der so geschmeidig umspringende Ton seiner Stimme bedrückten manchmal ihren feinfühligen Sinn, auch jetzt. Aber schon wieder brannten seine Augen in den ihren – da gab es kein Besinnen mehr, sie musste mit ihm! Geblendet schloss sie die Lider und abwehrend wie in Not streckte sie beide Arme vor und rief:

»Ich will nicht in den Himmel schauen, wenn ich doch auf Erden bleiben muss.« –

Sie hatte Angst vor dem unheimlichen Glanz dieser Liebe; sie hatte Angst, sich nicht dahin erheben zu können, wohin sie diese Augen riefen.

»Was ist das Rechte?« frug sie ratlos und Niemand konnte es ihr sagen.


Nachmittags stand Estella am Fenster der Veranda des eleganten Hauses. Der Privatier Brand hatte es schon verstanden, sich sein Heim mit Geschmack und Wohlbehagen auszugestalten. Blank und schmuck stand es da im Sonnenschein und schaute hoffärtig über den Garten hinaus auf die breite, vornehme Strasse. Und manches Jüngere und ältere Mädchen blinzelte im Vorbeigehen ärgerlich hinein und dachte: »Recht albern ist er doch, der Herr Brand, dass er sich so allein in dieses hübsche Ding da setzt.«

Klematis und Jerichorosen kletterten in lustigen Gewinden tausendknöspig an der Veranda empor und die offnen Blumen webten weisse und violette Sterne dazwischen. Hinter den Blumenfenstern aber stand ein stilles Mädchenangesicht.

Estella wollte auf den warten, den sie heute Vormittag so zwiespältig verlassen hatte ..... aber ein anderer sollte ihm zuvorkommen, einer, der dennoch zu spät kam.

Von draussen herein winkte der mit steifer Zärtlichkeit und wie ein glückliches Kind schwenkte er jetzt mit dem Hute. So arm war das, so traurig.

Thieben wars, gerade, hochgewachsen, freudig – aber seine Bewegungen waren unbeholfen und hatten nichts von der wilden Grazie und der elastischen Sicherheit Makassys.

»Thieben kommt«, rief sie dem Onkel zu, der sich sogleich anschickte, ihm entgegenzugehen. Langsam kam auch sie hinterher und in seiner geräuschvollen Begrüssung konnte sie dem gefürchteten ersten fragenden Blick entkommen.

Des alten Brand überschwellende Liebenswürdigkeit machte den Forstmann unruhig und mit halbem Ohre hörte er die lauten Worte. Dann gingen die beiden Männer ins Haus, »um abzulegen und sich's heimisch zu machen«, wie Brand sagte.

Erleichtert sah Estella die beiden von dannen gehen und wendete den Blick jetzt nicht mehr ab von der Gartentüre, bis sie endlich den eiligen Schritt des sehnlichst Erwarteten vernahm. Es schien fast, als sei er sorgfältiger gekleidet als sonst – und es wollte eben ein Stück ihrer alten Heiterkeit losbrechen, als er schon verbeugend in nachlässigem Tone sagte, dass er sich mit dem Umkleiden verhalten habe und deshalb verspätet gekommen sei, denn er habe Farbenflecken an seinen andern Anzug gebracht.

Ihr Gesicht war weit offen; da stand schon wieder helllichterloh die Wahrheit, über die er so leicht hinüberkam, während ihr das nicht gelang, – auch wenn sie's versuchte. In den langen Jahren der Beachtung hatte sie sich breit gemacht und häuslich niedergelassen bei ihr und war herrschsüchtig geworden und unumgänglich.

Er schaute böse nach ihren Mienen und mit gesteigerter Übellaunigkeit zankte er über den ekelhaften, umständlichen Apparat, den man zum Ausüben der Kunst brauche, der ihm nächstens die ganze Malerei verleide und von den ungezählten grossen und kleinen Hindernissen überhaupt, die die Welt versperren und den Fortschritt hemmen. »Ketten, Knechtung überall« rief er zornig.

Ihr Schweigen reizte ihn – er trat nahe vor sie hin, tat ihr Gewalt an mit seinen wilden Augen, umschloss sie mit seinem ganzen heissen Wesen und frug schnell und erregt:

»Verstehst Du mich, kannst Du mich je verstehen?! ... Dass mir die Kraft geblieben ist zum Trotz, zum Zorn, zum Hass, dass ich verneinen kann und zerstören – wie reich bin ich!« Und sich noch näher zu ihr neigend, frug er bebend:

»Verstehst Du die Lust am Töten, Weib?«

Sie antwortete nichts und erschrocken schlüpfte sie hastig aus seinen schrillen Augen in das blasse, ruhige Tageslicht hinaus. Und er sah, wie sie da draussen das einfache Leben und Weben begrüsste und herzte. – –

Da liess er sie draussen bei den Blumen und Bäumen und gab sie frei – und kam dann selber zu ihr.

Er bat sie, Platz zu nehmen und malen zu dürfen. »Wollen wir fleissig sein, Estella!« sagte er schlicht. »Stelle Dich noch einmal mutig mit mir zur Arbeit – wie einst! Du kannst so tüchtig zugreifen.«

Sie setzte sich auf die Gartenbank unter die Haselnussstauden und errötete bis zu den Haarwurzeln, denn sie stand beschämt vor der Kraft ihrer eigenen Seele.

»Du köstlicher Mensch«, dachte er und konnte sich nicht trennen mit den Augen. So schlicht sass sie da mit ihrem lichtblauen Kleide – so einfach in ihrem Herzen – – so unberührt in ihrer Seele.

»Bist Du denn glücklich, kann es denn sein? Ich quäle Dich ja nur!« frug er bewegt.

Erfüllt, wunschlos sass sie da und hörte seine Worte.

»Du blühest immerfort aus Dir heraus, Estella«, setzte er hinzu.

Und sie atmete kaum vor Glück. Dann ging sie zurück zu all' den unvergessenen Stunden, die sie mit ihm gelebt. Was nur hatten sie an diesem stillen Platze alles zueinander getragen!

Was war an ihrer staunenden Seele alles vorbeigezogen! Wie er empfand und dachte und es wiedergab, das war mit fortreissend und glänzend; er hatte sie durch Länder geführt, weit und grossartig. – Dann wieder hatten sie zusammen geplaudert von den Ländern der Erde, von Bergen und Seen, von Wäldern und dem Meere. Dem Meere zum Beispiel. Da erinnerte sie sich, wie er einmal davon erzählte mit solcher Anschaulichkeit und prachtvoller Gestaltungsgabe, dass sie ein schwankendes Gefühl bekam und erschrocken um sich sah, als stünde sie auf unsicherem Boden mitten in der Flut. Er merkte es und sie mussten beide herzlich lachen.

»Wenn Du nasse Kleider hast«, scherzte er damals, »hänge sie über den Blütenstrauch zum Trocknen und gehe mit mir nackt über die Felder. Du erschrickst? Hältst Du mich für so verdorben, dass es nicht in Reinheit geschehen könnte?«

Einmal hatte sie ihm erzählt, wie schön das sei, wenn man abends im Winter – draussen fällt langsam der Schnee hernieder und seine Flocken glitzern auf der stillen Erde – in warmer Stube bei traulichem Lampenschein sitze und sinne im Reiche seiner Gedanken spazieren gehe, da war er ihr ins Wort gefallen: »Schön nennst Du das, wenn Dir die Lampe über Deinem Hirne siedet, wenn die engen Wände der Stube sich zusammenschieben und Dich zu erdrücken versuchen, wenn die einfältig umherstehenden Zimmermöbel Dich an Dein armseliges Menschsein erinnern: hier sitz'st Du, hier iss't Du, hier liegst Du, hier denkst Du – auf diesem Quadratmeter hier mit dem anregenden Tintenfass – dazu hämmert Dir die Wanduhr zähe Sekunde um Sekunde in die Ohren – – und draussen im Schnee kommt der Nikolaus mit der Rute und entscheidet über Gut und Böse – – – schön, nennst Du das ..... schön, – – ach, Estella, ich bräuchte Königsräume – Paläste!!«

Und in des Mädchens Erinnern war die alte, singende, trauliche Lampe seiner Mädchenstube erloschen.

Wenn er jedesmal gesättigt empfunden hatte, was er zerstört mit grausamer Lust, dann allerdings baute er in masslosem Verschwenden und überschwenglichem Kult ein Denkmal an die leergewordene Stelle, das nur zu unvergänglich in des Mädchens Erinnern stehen sollte. –

Jetzt sahen beide Brand und Thieben aus dem Hause kommen. Estella beeilte sich, aus ihrem Innern herauszukommen, um fest in der äusseren Situation zu fussen.

Zuerst allgemein notdürftige Begrüssung, – dann bat Makassy, weiter malen zu dürfen, was man zuerst nicht verneinen wollte.

Allsogleich drehte sich das Mädchen um, das aufgestanden war und eilte erleichtert der Gartenbank zu; es vergass Thieben gänzlich in diesem Augenblick und wie es sich setzte und niederliess vor dem Künstler in der kindlichen Freude einer wohlbekannten, längst vertraut gewordenen, heissgeliebten Gewohnheit und wie es zu ihm aufsah – das war ein solch restloses Sichwegschenken, eine so grenzenlose Hingabe an eine wunschlose Gegenwart, dass der Forstmann, der Estella nicht aus den Augen gelassen hatte, es mit stummem, rasch um sich greifendem Schmerze sah. Jetzt bemerkte er auch das um einen Schatten trüber gewordene Gesicht und das inwendige Auge, das nicht mehr den sicheren, stets anwesenden Blick von ehedem hatte.

Alles dies sah er.

Der grosse, starke Mann mit dem erzenen Antlitz musste sich schwer auf den Gartentisch stützen – – und dabei versuchte er, sich sein Forsthaus vorzustellen – ohne sie.

Makassy hatte ihn beobachtet; es war ein Schmerz, stolz und stark getragen, das musste er zugeben, und er hielt angstvoll die Geliebte durch Blicke an sich, damit sie es nicht wahrnehmen und in ihrem guten Herzen kein wärmeres Gefühl aufkeimen möge, das er ihm missgönnte.

»Ich meine«, fiel der Onkel in das Schweigen, und es war ihm dabei, als hielte er eine grosse, feierliche Rede, »es wäre doch besser, mit dem Malen heute auszusetzen.« Er hatte Angst, mit Thieben allein zu sein. Und so ergab sich ein freudloses Umhersitzen auf den Stühlen und Bänken, eine gezwungene Höflichkeit, ein kaltes Lachen und verschlossene Mienen – – bis endlich, endlich der Abend kam und der Forstmann sagte, dass er heute noch zurückfahren werde.


Da sass er nun im Wagen, der ihn seiner verödeten Heimat entgegenführen sollte. »Was wird sie für ein Schicksal haben?« dachte er immerzu, als er mit sich selber notdürftig zurechtgekommen war. Er wusste sich keine Antwort oder nur eine trostlose. Makassys Art war ihm fremd, beängstigend, ohne Gewähr, wie gleich das erstemal, als er ihn sah.

Schwerfällig stieg er aus und ging dem hochgelegenen Wohnhause zu, um das es so einsam war und um das die hohen dunkeln Bäume melancholisch rauschten. Dort oben in seinem Hause, in dem Erkerzimmer mit den vielen hohen Fenstern wollte er einst ihr Bild haben, das er sich heute bei dem Künstler erbitten und bestellen wollte. An der hellen, lichtreichen Wand dort hätte es hängen müssen und später einmal, in einem Jahre vielleicht – wären sie davorgestanden, sie beide, Hand in Hand und lächelnd hätte er gesagt:

»Jetzt ist mein einstiges Schmerzenskind auch bei uns, es ist alles so gut geworden.«


Der flimmernde Sternenhimmel spannte sich über die nächtigen Hügel des Schwarzwaldes bis weit fort über die Buchenwellen des Württembergschen Landes und weiter über die kleine, alte vergessene Stadt, in der zwei Menschen auch ruhelos nach ihm hinaufsahen. Nicht in selbstvergessenem Träumen, sondern in bangem Suchen nach einem Ausweg. Beide wussten nur zu gut, dass es so nicht bleiben könne. Der Gedanke an die nächste Zukunft, an die Gestaltung des äusseren Verkehrs oder gar an eine Ehe war ihnen beiden noch nicht in den Sinn gekommen. Ihr Streben und Weiterdrängen lag auf andern Wegen.

Sie hatte ihr ganzes Sein und innerliches Leben still in seinen Dienst gestellt; es sollte dazu sein, ihn über Hemmnisse wegzuführen und dadurch vorwärts zu bringen – und dabei selber an ihm emporzureifen. Und er , er hatte tausend Pläne aufgebaut und tausend umgeworfen, – nur eines hatte er stets gewollt und es war stets das Gleiche geblieben: er wollte seine Seele ausruhen an dieser kühlen, schönen Reinheit – – und dann? Wollte er sich dann mit verdoppelter Lust ihre schlummernden Sinne, ihre ganze Herbheit wach und lebendig küssen – und was dann?

So frugen sich heute Beide in dieser funkelnden Sternennacht, die in erhabenen Ewigkeitsgedanken träumend über der Erde hing. –


Am andern Morgen, schon ganz frühe, trieb es Makassy vor das rote Tor zu Brands Villa.

Da lag in keuschem Morgenschlummer das ganze ihm so teuer gewordene Besitztum. Durch den tauigen Garten lief – ach so wohlbekannt – der schmale, heckengesäumte Fussweg, der zu der schmucken Eingangspforte der Villa führte, die heute noch verschlossen und abweisend das behagliche, ruhende Haus beschützte.

Wie kam er nur aus weiten Fernen auf dieses verborgene Stückchen Erde, das da so wohlig und friedlich hinter der lauten, lärmenden Welt emporgeblüht war?

Die Blumen, die Hecken, die Bäume, das Haus selbst mit seinen leichten Giebeln und luftigen Schornsteinen, das hatte alles etwas so frisch Aufstrebendes – es wuchs aus der Erde und stieg unvermittelt zum Himmel auf. Da heraus war Estella geworden, da hinein war sie geschaffen – dort hätte er sie lassen sollen.

Aber er konnte nicht. Konnte nicht?

Jetzt – ein Augenblick des Mutes – drang er rücksichtslos in sich hinein und riss das letzte, verschlossene Tor vor seinem Innern auf und sah mit hellen verwegenen Augen hinein, – das verschob er immer und immer wieder, denn er fürchtete sich vor dem, was er sehen würde, – – – und es stand vor ihm mit unverhüllter Klarheit: Er wollte auch nicht. Da drinnen, da hatte er sich selber wieder gefunden. Das war doch eigentlich erst er selbst. Der Echte, Wahre, Sichere. Alles andere war ein künstlicher Zustand gewesen, ohne Lebensfähigkeit.

War es nicht am Ende komisch, wie er sich mühselig bückte nach der Waldquelle, um einen Schluck Wassers, er, dem man die schäumenden Becher kredenzt?!

Hastig drückte er auf die Klinke der Gartentüre, als wollte er eilends in diese schützende Umfriedung gelangen und fliehen vor sich selbst, vor dem Gespenst des Hohnes, das ihm so manchmal schon im Leben zerstörend über den Weg gelaufen war.

Und wie ein freundliches Wunder war es, als sich jetzt die schwere, eichene Haustür öffnete und warm und weich die geliebte, traute Mädchengestalt dahinter erschien und aller Qual mit einem Mal ein Ende machte. Von ihrem Gesichte hatte der junge Tag noch nicht so ganz Besitz ergriffen; es herrschte auf ihm noch unüberwunden die vergangene schwere Nacht.

»Was ist Dir, Estella?« frug er. »Es war eine seltsame, grüblerische Nacht, nicht wahr? Musst Du Dich auch erst mit dem Tag befreunden, – musst Du Dich des morgens auch erst von neuem an die Welt gewöhnen?«

» Dieser Tage schon«, sagte sie lächelnd, »denn ich werde Dich entbehren müssen. Denke, Onkel will auf einige Tage verreisen, da kannst Du nicht kommen.«

Beide gingen vor jedem weiteren Besinnen zu ihren alten schützenden Haselnussstauden, hinter denen sich schimmernd und glänzend die mächtigen Linden und Pappeln in die Morgenluft hinausdehnten. Sie trugen ihre Liebe aus dem offenen Tage in ein Refugium, denn sie war nicht mitteilsam, nicht laut und heiter.

War das ein Lachen und Lustigsein sonst oft, wenn eine junge Braut in dem kleinen Städtchen war oder ein Liebespaar auf dem Wallweg oder dem Tanzplatz zusammenkam!

Immer mehr hatte sich ein schwerer Ernst über ihre Herzen gelegt und immer erdrückender wurde diese Last. Wenn ihre Augen ineinander lagen, waren sie ohne dies glückliche Festtagsgefunkel junger Liebe, sondern von fast drohendem Ausdruck.

Als ganz junges Ding hatte sie sich die Liebe so lustig gedacht, wie nichts auf der Welt. Schöne Kleider. Bänder. Rosen. Ein lachend Gekose.

Es war anders gekommen. Wenn sie Makassy in den Arm nahm, war die Heiterkeit über alle Berge. Düsteres Ringen; schmerzende Umarmungen. Und dennoch harrte sie ihnen entgegen, wie die herben Frühlingsknospen der Sonne. Aber es war eine sengende Sonne. –

Mit stiller Wärme und Eindringlichkeit, die ihr wertvoller, weil bleibender erschien, frug er nun bei den Haselnussstauden:

»Glaubst Du, dass wir Tage vergehen lassen könnten, ohne uns zu sehen?«

»Es wird aber dennoch so sein müssen, Du kannst nicht kommen in das herrenlose Haus, – und auf den Strassen herumschleichen, das will ich nicht!« sagte sie gepresst.

Da tat er einen Schritt zu ihr hin und flüsterte ihr zu: »Dann kommst Du zu mir – wir können ja doch nicht ohne einander sein«.

Sie erschrack so heftig, dass sie unwillkürlich von ihm zurückwich.

»Was fürchtest Du?« frug er schnell und gespannt.

»Mich nicht – und Dich auch nicht,« erwiderte sie kühn und aufgeregt.

»Also die Leute!« höhnte er. »Da hast Du recht; sorge nur, dass Du vor denen bestehen kannst, dass sie Dir mit ihren goldenen Fingern wohlwollend auf die Schultern klopfen und Du ja nicht anders seiest als sie.«

»Willst Du mich zum Kommen zwingen? Nimmst Du's so entgegen? Braucht es nicht Geschenk zu sein?« frug sie hastig zurück.

»Einerlei .... wenn Du nur kommst .... wenn ich Dich nur habe! Wenn wir zusammen sind, dann sollst Du mir sagen, warum Du gekommen bist! – Komm'! Komm' auf ein paar einsame, weltvergessene Stunden in mein stilles Atelier. Wir wollen Erinnerungen feiern und alles Gewesene wieder auferstehen lassen. Weisst Du es noch, Geliebte, auf dem Künstlerfeste – da war unser Tanzen wie ein Träumen unter den schimmernden Glühlichtern und den taumelnden Bäumen? Das war das Rechte!«

In seinen Augen war ein Locken und Winken und Verheissen, das sie bestürzte und zugleich reizte, diese wilden Flammen zu löschen.

»Ich komme nicht« schrie sie auf in Angst und Trotz, als hätte sie noch jemand anderen davon zu überzeugen als ihn allein.

»Warum nicht?« frug er rasch.

»Ich komme nicht, weil ich mich schämte vor Dir, so ohne Willen zu sein,« antwortete sie.

Sachte hob er ihr Köpfchen in die Höhe und suchte ihre Augen. Mit Vertraulichkeit in Ton und Blick fuhr er fort:

»Estella, kann zwischen Dir und mir etwas sein, dass uns zu trennen vermag?«

Da geschah Unerwartetes.

Fast brutal rief sie vor sich hin, mit kaltem, hartem Gesichte:

»Wann soll ich kommen, – um Mitternacht mit den Dieben und Dirnen?«

Er horchte auf; – befriedigt glaubte er zu erkennen, dass sie unter seiner Macht litt und dies ein zorniges ohnmächtiges Wehren, der gequälte Aufschrei eines untergehenden eigenen Willens war.

»Komme, wenn es Abend ist!« sagte er jetzt. »Um 9 Uhr – – wie gleichgiltig kann es Dir sein, ob neben Dir ein Dieb geht oder ein König. Die eigene Majestät, Estella!!! Siehe, Du schütztest Dich einfach durch die Dunkelheit vor den Blicken der Menschen, die Dich doch nicht verständen, wenn Du ihnen auch sagtest, was für einen schönen Gang Du tust. Denn schön nenne ich diesen Gang zu mir. Er ist ein Darleben Deiner Liebe, das mit Überwindung geschieht. Also habe Mut und komme!«

Angstvoll abbrechend sagte sie: »Ich binde mich nicht .... ich binde mich nicht ....« und setzte sich hastig auf die Gartenbank, ihn damit zum Malen auffordernd.

Er selber wollte heute noch energisch vor seine Kunst treten, nachdem er auf Tage davon abgehalten werden sollte und folgte ihrer stummen Aufforderung.

Und dann musste er sich auch von dem jungen Weibe befreien – am Ende hätte er es erschreckt durch seine Eindringlichkeit und abwendig gemacht – und dazu bot die Arbeit die einzige Möglichkeit. –

Als er prüfend und vergleichend das Bild übersah, fiel ihm der starke Kontrast zwischen Porträt und Wirklichkeit auf.

Das eine ein lachendes, sorgloses Mädchengesicht, das andere ein innerliches, gedankenschweres Antlitz.

»Es stimmt nicht mehr, nicht wahr? Ich bin so nach und nach aus dem Lachen heraus- und in das Weinen hineingekommen,« sagte sie still und dachte:

»Da baut man sich in Jahren stolze Gedanken mit seinem Verstande auf, – es kommt ein einziger Sturm als Wandler aller Dinge. Denn die Gedanken waren nicht tiefgründig, weil nicht im Herzen, im eigenen Mark gewurzelt. Übernommenes – nicht Selbsterworbenes, aus sich selbst Gewordenes, mit eigenem Herzblut getränkt – darum hat sie alle der Sturm verweht.«

Er trat jetzt weit zurück von dem Bilde und betrachtete es gleichsam als Fremder. Es war nicht gut. Starr und steif wie eine Mauer waren das lachende Mädchen und die grünen Stauden in einander gemörtelt – und die ganze lichte, leichte Frühlingsseele lag darunter begraben. Träge, schwere Farben. Wie waren seine Bilder sonst oft aus einem Guss, voll rücksichtslosem Trotz und Mut. Aber hier war es, als hätte nicht einer gemalt, sondern viele, und keiner mit ganzer Kraft.

Allein selbst diese Erkenntnis konnte ihn heute nicht betrüben; er war zu voll der Erwartung auf morgen. Morgen – ja – –

Der Gedanke, dass dieses junge, reine, feine Mädchen zu ihm kommen würde, erregte ihn immer mehr. Dieses Vertrauen war doch ausserordentlich, nachdem sie ihn kannte und liebte.

»Ich will es Dir danken,« dachte er und kam sich vor wie ein seltener Mensch – – dann aber auf einmal gingen die guten schönen Gedanken ums Eck herum und kamen in eine andere Strasse und bekamen eine andere Richtung.

»Es wird das Vertrauen auf sich selber sein,« überlegte er, »dass sie mir in mein Haus kommt« und zwinkerte die Lider zusammen als wollte er diese neue, abkühlende Erwägung ungestört vor sich haben. Und kaum hatte er sie ins Auge gefasst, erschien sie ihm sympathischer, reizvoller, – weil kampftauglich ..... entbindend .....

Die Sammlung zum Malen war dahin. Estella erhob sich – abschliessend.

Es war nicht mehr das Alte. Es schien ihr vieles umgeworfen, was von jetzt an unbeachtet am Boden liegen würde. Schöne, innere Dinge von stillem, grossem Werte. Zertretene Blumen, über die man achtlos hinwegsteigen würde, einem gleissenden Ziele zu.

Sie bat ihn zu gehen und sich vom Onkel zu verabschieden. Schweigend schritten sie durch den Garten zurück ins Haus.

Ringsum Rosen. Von allen Stöcken und Stauden funkelten sie rot und leuchteten weiss und dufteten aus tausend Kelchen. Das Violett des Flieders war lange gegangen, auch die Flammen der Pfingstrosen waren erloschen. Das feine Gras des Rasens lag zum ersten Mal geschnitten in der Sonne und sein würziger Geruch mischte sich unter den Blumenduft. Winzige Äpfelchen, aus den Blüten geboren, lugten schon durch die Blätter der Obstbäume.

Die Verabschiedung von Brand war schnell erledigt; allzu grosser Trennungsschmerz verlängerte sie nicht. Die beiden Männer waren sich in den langen Wochen nicht um einen Schritt näher gekommen.

Makassy sagte nun zu Estella sehr vernehmlich: »Adieu und auf Wiedersehen, wenn Herr Brand wieder zurück ist,« und leise ..... so ein wenig leichthin ..... zwischen den Zähnen durch:

»Morgen um 9 Uhr.«

»Wie wenn das selbstverständlich wäre,« dachte sie zornig. Nichts erschien ihr überflüssiger und hätte ihr peinlicher sein können als diese Art routinierter Vertraulichkeit, die gar so gemütlich und zuversichtlich Arm in Arm mit ihr ging.

Und es fiel ihr auf einmal der Unterschied auf, der zwischen ihnen war. Sie erschien sich reiner, anders als er, fasste sich selber wieder ins Auge und fiel sich auf in ihrer Sauberkeit – sie lauschte sich nach – und fand sich beglückt und erleichtert dadurch selber wieder.

Als er schon längst gegangen war, hielt dieses Staunen über sich selber noch an. Das war ja noch die alte Estella mit dem klaren, hellen Kopfe, der sich so leicht und fröhlich trug!

Und voll Kraft und Freude war sie auf die eignen Füsse gesprungen in dem köstlichen Bewusstsein wiedererlangter Selbständigkeit. Diese entkräftende Benommenheit war gewichen, die ihr jede freie Entscheidung aus den Händen rang. So musste sie nicht – so konnte sie! – – –

Voll schüchternen Jubels eilte sie in den Garten, von da in ihr Stübchen, wieder hinunter in das Musikzimmer – und riss die Türen hastig auf als brächte sie freudige Botschaft, als wollte sie sich zeigen in ihrer neuen, eigensten Gestalt.

»So war ich,« dachte sie »so will ich wieder werden.«

Fast heiter begleitete sie später den Onkel auf den Bahnhof und fand alles auf dem Wege dorthin so fremd geworden und doch so vertraut und es klopfte ihr zaghaft auf die Schultern und frug leise: »Kennst Du mich noch?«

Diese gute alte Strasse mit den frommen Gärtlein zu beiden Seiten und den steifen, braven Laternen dazwischen, – und dort drüben das »Löwenhaus«. Das kleine, ängstliche Häuslein mit der grossen fensterlosen Wand, die einst so festlich schön gelb gestrichen sein musste, deren Farbe jetzt aber in einander geflossen war und als Wahrzeichen einen grossen leuchtenden Flecken hinterlassen hatte, der wie ein springender Löwe aussah. Sie hatten es das Löwenhaus genannt. Und was war am Löwenhaus schon alles! Da traf man sich – alle Jugend – zu einem interessanten Spaziergang, da klatschte man ein wenig in wohligem Einverständnis, da stand man kichernd und verabredete sich zum nächsten Gartenfest, ob die Schleifen im Haar blau seien oder rot, – – es war am Ende alles so gleichgültig – aber was ist es nicht? – doch heiter wars und ohne Arg – und die weisen Gedanken blieben jedem unbenommen.

Sie waren zum Bahnhofe gekommen und bevor Brand in den Wagen stieg, frug er:

»Hast Du mir gar nichts zu sagen und gar nichts mit auf den Weg zu geben?«

Da begriff sie, wohin es ihn trieb. Er wollte Gutes tun, aber sie hatte nichts hinzuzulegen.

Als sie dem Zuge noch eine Weile nachgehorcht, bis er verdröhnte und verhallte, ging sie langsam wieder nach Hause zurück. Immer stiller. Immer trüber. Immer trauriger. All der schöne Jubel war verflogen und die schwere Leidenschaft dieser Liebe breitete allmählich wieder die dunkeln Fittiche aus und verscheuchte das zaghafte Stücklein Sonne, das sie so stürmisch begrüsst hatte.

Wieder war sie in die stille, alte Strasse gekommen, die aber hatte ihren Glanz verloren.

Von Ferne hörte sie Stimmen. Als die näher kamen, sah sie, dass es Bekannte waren, einige ältere Frauen. Plötzlich blieben sie zaudernd stehen; erst unschlüssig, dann streckte die Eine den Arm vor, deutete auf die andere Strassenseite – und gleich darauf gingen alle drei unisono hinüber.

Estella wusste warum; sie lachte hart auf; es hatte ihr weh getan. –

Unter vielen bangen Gedanken schlich der lange, einsame Abend dahin und die Nacht, die schlafarme, traumschwere – bis der Morgen kam und mit dem erwachenden, wachsenden Tag auch die Sehnsucht wuchs und das Verlangen – – und sie erlöste aus ihren Zweifeln.

Als es Mittag war, stand ihr Entschluss fest. Sie wollte zu ihm!

Lächelnd verwarf sie ihre Ideen von der Selbständigkeit, die ihr gestern so grossartig und begehrenswert erschienen waren und von dem blassen Frieden. Es fiel ihr ein, wie er einmal scherzend sagte:

»Die wahrhaftige Liebe tritt auf zwischen 30 und 40 Jahren bei vorgerücktem Gehalte und Pensionsberechtigung.«

Dieser nichtssagende kleine Scherz hatte sie auf seine munteren Flügelchen genommen und aus den Sorgen fortgetragen.


Makassy hatte sein Atelier verwandelt und geschmückt wie für eine heimziehende Braut. Er konnte nicht genug ersinnen, es weich und warm auszugestalten, damit sich das scheue Mädchen heimisch fühlen möchte. Beim ersten und einzigen Gärtner der Stadt hatte er seltene, wertvolle Blumen bestellt, dass der sich tief vor ihm zur Erde neigte.

Zuletzt, als alles fertig war, übersah er prüfend den ganzen Raum und warf dann noch, um Erklärungen und Verstimmungen vorzubeugen, ein paar alte Briefe, die gerade so obenauf lagen, in den Ofen nebst einem kleinen, koketten Frauenschuh – – dem goldgestickten Atlasschuh einer bekannten spanischen Tänzerin – und zündete an – – – ein reizender Schuh, der da auf den züngelnden Flammen lag – – – ein feiner Fuss, der da mit der Spitze gerade ihm gegenüber stand, als käme er auf ihn zu – – – das Feuer leckte immer gieriger nach dem gleissenden Atlas – – er besann sich und zauderte – – der Schuh der Diega Felipa wars – der Diega Felipa mit dem braunen, prachtvollen Leib, von dem sie einmal – – damals!! – – in kühner Nacktheit bei einem ihrer wilden, rasenden Tänze die letzten Hüllen riss – dass die roten Schleierfetzen wie Blut aus ihren Händen quollen – wie herrlich das war!! – Unvergessen!!! – – – – – –

Und hastig nahm er den Schuh wieder aus der Glut und versperrte ihn eilig in einer Schublade ......... Ängstlich sah er um sich – dann nach der Uhr. Es war schon bald neun.

Ob sie kam? – –

Und er ging die Fenster schliessen und die Lichter verhängen.


Spät abends, als es schon dunkel war, verliess indessen ein schüchternes Kind zitternd das ehrliche Haus. Es ging auf den Fussspitzen ganz leise durch den Garten, musste aber stets dazwischen stehen bleiben, um Atem zu schöpfen. »Wie wenn es Berge wären.«

Behutsam öffnete und schloss es die Gartentüre, die sonst so leicht und laut ins Schloss gefallen war und schaute nun zurück über Garten und Haus – als wollte es Abschied nehmen – als ginge da eine, die nicht wiederkam, ein letztes Mal diesen lieben Weg.

Eine unnennbare Sehnsucht schwoll in Estella's Herzen empor nach all der sorglosen Heiterkeit, mit der sie da in ruhigen Stunden gelebt.

Heimlich, wie eine verbotene Liebkosung, irrte ihr Blick hinauf zu den Fenstern ihres Zimmers mit den trauten, blühenden Geranien davor. Wie sie die einst hegte und pflegte. Jedes Knösplein war ein Ereignis. Jede Blüte ein Fest. Und wenn das erste schrille Rot zwischen den grünen Blättern sass und nach ein paar spannenden Tagen die feuerroten Büschel wie Flammen in den Fenstern standen und hundert bunte Gedanken damit – – Gott, was für reiche, einfache Stunden waren das! Die waren alle davongeschlichen als sie der fremde Mann an seine Brust genommen ..... und haben sich im Weiten verloren und nicht mehr zurückgefunden.

Ein kleines Stück war sie weitergegangen, dann wieder stehen geblieben – an der Stelle, wo ihr gestern die Leute ausgewichen waren. Heute sollten die sie sehen, wie sie dahinschlich in dunkler Nacht – allein – den Kopf zur Erde geduckt – da hätten die bösen, eifrigen Zungen das letzte mordende Wort gefunden. Für die freute sie's eigentlich, dass sie es tat – aber es war eine dürftige Freude.

Wie schwer verlässt man ein erstes Mal im Leben den offenen, geraden Weg. Die Sonntagsstrasse, die breite, behagliche mit dem lichtfrohen Lachen und dem billigen, eiteln Putz junger, unversuchter Tugend!

Jetzt traten ihr drei trübe Gestalten in den Weg und an diesen wohlbekannten Gesichtern glaubte sie zu erkennen, worin ihr Unrecht lag. Da stand ihr Vater und schaute sie an; gross und kummervoll. Er hatte einst zu der Mutter warnend gesagt:

»Bilde ihre Vernunft, es kommt eine kalte Zeit, in der sie not tut.« Und die feine, blasse Frau, die schon lange vor ihnen gegangen war, tat es – legte aber heimlich Rosen dazu.

Sie stand jetzt auch dabei und konnte nicht mehr lachen wie einst. Sie dachte an ihre Rosen und weinte.

Und der ehrliche alte Mann, der Thieben trösten gegangen war und dessen Vertrauen ihr so selbstverständlich zufiel, der war auch dabei und der Kummer schaute ihm aus allen Falten seines Gesichtes. Alle drei standen und sahen nach ihr mit traurigen Augen und schauten ihr nach und schüttelten die Köpfe.

Da riss sie sich los von allem, was sie beschwerte und zurückrief und stürmte weiter, vorbei an ihnen, an allem, an der ganzen schönen Vergangenheit vorbei.

Wie oft glitt sie aus auf dem holperigen Pflaster der alten Stadt und sah zusammenfahrend zu Boden – aber es schwammen nur dunkle Kreise und Flecken vor ihren Augen, die irre führten, wuchsen, gross wurden, bis sie erschrocken innehielt; und wenn ihr Blick dann angstvoll floh und aufflatterte an den steilen Wänden der Häuser, prallte er zurück von diesen dräuenden Mauern, die in düsteren Reihen zu beiden Seiten des Weges standen. Wie dunkle Klötze standen sie da – unheilbrütend mit unzähligen, schwarzen Fenstern, die lauerten wie falsche Augen.

Zischelte und tuschelte es nicht dahinter?

Wie erbärmlich erschien sie sich, dass sie vor irgend einem Hergelaufenen erschrecken musste –

Da drüben auf der andern Seite, da ging eine Dienstmagd – – hoch trug sie den Kopf, das durfte sie auch – – aber sie, Estella Brand, die zum Geliebten gehen wollte – –? Grossartiger hatte sie sich diesen Gang wahrlich gedacht. –

Und weiter hastete sie, an den drohenden, klotzenden Häusern vorbei – noch eine letzte Ecke, dann endlich musste sie am Ziel sein; – ihr Sinn spähte voraus: was wird werden?!

Ist so qualvoll der Weg zum Glück? –

Die Kniee schwankten, als sie endlich am Ziel war. Da schimmerten trübe die verhangenen Fenster des Ateliers – und das arme, verhetzte Auge sah den Vorhang sich bewegen – und die arme verhetzte Seele fühlte seine Nähe und eine heisse Sehnsucht schlug wie eine Woge über das Deck ihrer ausschauenden, schwankenden Gedanken und fegte alle Zweifel und Qualen fort. – –

In kindlichem Stolze, als zaghaft Gebende stand sie auf seiner Schwelle.

Er öffnete die Türe – und als er sie in all ihrem Reize, so fein und holdselig vor sich stehen sah, da zog er sie wortlos zu sich hinein .......

»Du Estella, Du – also doch!« schrie er auf und riss sie in einem Übermass von Entzücken an seine Brust, umschlang ihren Leib, presste ihn an sich als wollte er ihn nie wieder frei geben, legte beide Arme um ihren Hals und zerküsste das süsse Gesicht; Augen, Stirne, Wangen, den Mund, den herben, keuschen. Fast wurden ihr diese wilden Küsse zur Qual.

Dann nahm er sie wie berauscht in seine Arme und trug jubelnd die köstliche Last hinein in die Heimstätte seiner Kunst.

Sanft und vorsichtig wie ein unersetzliches, kostbares Gefäss, liess er sie aus seinen Armen gleiten und setzte sie vorsichtig auf einem Ruhebett nieder.

»Das ist alles für Dich, Du Heissgeliebte!« sagte er und deutete mit einer schenkenden Geberde rings um sich.

Estella sass wie in Betäubung. Glückselig hob sie ihr Antlitz und schickte ein dankbares Lächeln zu ihm hin; lange blieb ihr Blick in seinen Augen liegen.

Welche Macht zog sie zu diesem Manne hin?! Wie sie ihn liebte, wie seine Welt zu ihr herüberschimmerte mit all ihrer Lebenstollheit und Trunkenheit! Wie sich ihre junge Seele von Neuem auftat in Zukunftsglauben!

»Das muss das Glück sein, das muss es sein, wonach die Menschen jagen!« flüsterte sie ihm hastig zu und das Geständnis ihrer erregten Worte versank in seinen lechzenden Sinnen.

»Ist es über Dich gekommen, Weib!?« rief er ausser sich. »Ist es endlich über Dich gekommen – – –?!«

Da erschrak sie vor ihrem eigenen Empfinden und wandte abwehrend den Blick. –

Und nun sah sie umher und fand sich in einem prunkenden, seltsamen Gemache, durch das in zaubrigen Tönen mattes, dämmeriges Licht zog. Überall Schalen voll wundersamer Blumen, denen betäubender Duft entquoll, der in dem stillen Raume träumend stehen blieb. – Dicke, dunkle Teppiche. Tiefe, schwere Falten, die jeden Laut einsogen.

Da lagen seidene Decken, wertvolle, ausländische Stoffe und auf dem Ruhebett, auf dem sie sass, war etwas Feines, Flimmerndes ausgebreitet. Freudlose Landschaftsbilder in breiten, düstergoldenen Rahmen hingen schwermütig von den stoffenen Wänden. Nirgends ein heiterer Gedanke in dem halben, huschenden Lichte.

Beide schwiegen und lauschten dieser verwirrenden Umgebung. Etwas Berückendes ging von ihr aus.

Dieses unausgesprochene Licht, das durch buntseidene Hüllen sickerte und mühsam und verhalten durch den Raum zitterte, diese bestrickenden, einsamen Farbentöne, die von den Wänden klangen, diese versonnene Ruhe, die an allen Gegenständen hing!

Erstorben jeder Laut.

Der Duft, der aus den Blumenschalen stieg und verschwebte, legte sich schmeichelnd, doch immer schwerer und betäubender um die Sinne. Dazu eine vibrierende Stille, die bedrückende Last einer aufregenden Ruhe und in ihr ein ungehörtes Huschen und Gleiten, das über die Blumen und Möbel und Wände ging.

Sie sah ihn fragend an – so bange war dieses Versunkene, Weltweite. Aber banger noch waren seine Augen und angstvoll flohen ihre Blicke aus denselben. Sie bohrten sich in den Teppich und fielen auf einen seiner Füsse, die in Sandalen stacken.

Ihr Herz fing an heftiger zu schlagen, denn sie glaubte zu sehen, wie sein Fuss sich einkrallte in dem dunkeln, dicken Teppich. Suchte er Halt? Wovor?

Sein unbeweglicher Blick rief sie zurück und umschloss den ihren – – und drückender wurde die Stille und furchtbarer das Schweigen. Keines getraute sich auch nur den Finger zu rühren, keines mehr hatte den Mut des anderen Auge zu verlassen.

Die Leidenschaft dieser Liebe wuchs mit jedem Augenblick und zog sie mit glühendem Wunsche zu einander ....

Estella sprang auf mit übermenschlicher Kraft – – – er stand ihr gegenüber mit fliegenden Pulsen und flammenden Sinnen – – – – angstvoll hielt sie ihn mit den Blicken umfangen und gefesselt. Keine Wimper zuckte, kein Glied rührte sich, kein Atemzug war hörbar.

Es war ein verzweifeltes Schweigen und Ringen und Ansichhalten – – – –

Da plötzlich – sein Blick hatte sich leise gewendet und einen Augenblick lang losgelöst von ihr, war haltlos durch's Zimmer geirrt und musste dort etwas Ausserordentliches wahrgenommen haben – – ging eine Verwandlung in seinen Mienen vor ......

Sie wollte aufschreien in rasender Angst: »Halt ein ..... Du wendest Dich ab ..... Du wendest Dich von allem Glück .....«

Sie kannte den Ausdruck dieser unheilvollen Augen, er redete eine deutliche Sprache ...... Aber das Entsetzen stand steil und schrill vor ihr und lähmte ihre Zunge.

Dann einen Augenblick wurde es dunkel um sie, das Herz drohte still zu stehen ...... sie sah in lauter Elend. Ringend griff sie nach dem Herzen – – die erste Bewegung in dem bangen, regungslosen Raum – – da war der Bann gebrochen!!!

Makassy nahte sich ihr wie von Sinnen – ein Anderer geworden – despotisch – – über ihre Seele weg.

Sie wehrte sich: »Ich bin Estella Brand – siehst Du das nicht?! – – Ich frage Dich zum letzten Mal – – –!!«

»Was liegt daran!?« fiel er ihr atemlos ins Wort.

Verzweifelt schrie sie auf in höchster Not. »An mir liegt nichts!!! Nimm mich!! – Nimm alles, nimm mein Leben!!! – Nur darf es so nicht geschehen – –

In dieser Stunde verstehe ich die Kraft, die in Dir liegt, die zum Bösen greift, zum Morde, zum Verbrechen – – aber wohin jetzt sich Deine Sinne wenden, da seh' ich weder Kraft noch Schönheit. Du bist abgekommen von den Wegen, wohin ich Dir folgen kann, wohin ich Dir nachgerast – händeringend – Du bist auf anderer Fährte – abwärts – – – – –

Da hinunter kann ich nicht, fühlst Du das nicht? – – der Ekel, Makassy ..... der Ekel – –!!!«

Lockend, sich überstürzend mit leiser, bebender, verheissender Stimme rief er, sie zu umfassen suchend:

»Unten bist Du , Estella, oben bin ich ! Komm zu mir! Du – Du klebst an der Erde, Du lässest Dir vom Nächstbesten sagen, was recht ist und rein, Du lässest Dir vom Nächstbesten entscheiden über Gut und Böse – – – geben Weib – geniessen, verderben, – aber weg über die schüchterne engbrüstige Welt, die Dir den Atem nimmt, – – eigener Flug in trunkenem Zorn, in trunkener Lust!!! – Lass die Seele, die die Menschen verstümmelt haben, die fromme, bange – ohne Lust und Weh: sie betrügt Dich um das heisse Leben – lass die Tugend: sie betrügt Dich um Dein junges Blut – lass die Reue: sie betrüge Dich um den Sinnenglanz – lass das Gute: es betrügt Dich um die Satanslust des Bösen, – – lass die Reinheit, sie hat Mass und Art!!! – In der Niedrigkeit liegt Lust und Raserei!! – – Tier sein, wer nicht Gott werden kann!!! Mensch sein ist erbärmlich! Vergiss ........... komm ausser Dich!! ..... Schenke .... strauchle ... sinke ..... sinke Weib!!! Dann sind wir erlöst .....«

Und so wollte er sie umfangen, – – zügellos, entartet – ausbrechend – mit weit offenen, brennenden Augen.

Aber ein Blitz zuckte auf! Estella ward wach – sie hatte entschieden!! – Pfeilgerade stand sie da, Kraft gegen Kraft, – erhoben das Haupt, – unbeweglich das Antlitz. Als wäre sie aufgewachsen weit über ihn – unerreichbar – – –

Da wich er von ihr zurück und auflachend wie ein Kranker warf er sich in die Kissen des Ruhebettes und verbarg sein Gesicht. – – –

Ihr Leib war schwer, ihr Kopf verworren. Die Schläfen stachen, ein Übelsein überkam sie und schwerfällig schleppte sie sich zum Fenster, es zu öffnen. Der hässliche, betäubende Geruch strömte hinaus und in kalten, klaren Wogen die Nachtluft herein. –

Langsam wandte sie sich um, zurück ins Zimmer, mühselig aus sich herauskommend. Hoffnungslos geworden. Angestrengt musste sie sich besinnen auf alles um sich her – –

Was sah sie dort in der Ecke des Zimmers? Was war das? Sie sperrte die Augen auf, um durch all den Nebel sehen zu können. Drang dort nicht ein dicker Qualm aus den Fugen einer Schublade – – was war das?

Aber sie konnte nicht mehr erschrecken, – in dieser Stunde hatte sie es verlernt.

Die junge Seele, die so gerne aufgestiegen wäre in erhabener Linie, wie ein schönes Lied, war lahm geworden.

Sie kämpfte diese schwerste Stunde ihres Lebens mit Todesmut. Krampfhaft presste sie die kalten Hände in einander und fühlte unaufhaltsam eine schwere, erdrückende Last auf ihre armen Gedanken heruntersinken, so dass sie ihnen mühsam klare Erinnerung an das Geschehene entringen musste.

Einen Sieg hatte sie errungen, einen Sieg ohne Freude, und dafür ihr heisses Glück hingegeben.

Warum jubelte sie denn nicht auf, sie, Estella, die Reine, – wo war denn der Glanz ihrer Selbstherrlichkeit hingekommen? Jetzt, in der Not, da war er von dannen geschlichen – –

Dass solcher Schrecken nicht tötet?!

Ihre Gedanken standen auf und sahen entsetzt umher – weit hinaus – hinaus in die Zukunft – da gab es Leid und Qual – zähe Jahre der Erinnerung – ein elendes Leben.

Dann umschloss sie wieder die Gegenwart mit ihren engen, düsteren Mauern.

Was war? Wie war es? Hartnäckig drang sie in die Tiefe und auf alles stiess sie – Bild auf Bild löste sich aus der Dunkelheit mit unerbittlicher Klarheit.

Du wirst hineingelockt in ein einsames Haus. Abgeschnitten von der Welt. Tiefe Nacht. Die Türen schliessen sich still hinter dir. Die Fenster sind verhangen und die Lichter – – verwirrende, unklare Pracht. Du bist allein. Allein mit ihm. Du schaust bebend in das Antlitz deines Herrgotts – deine Seele weitet sich – – und während du schaust .... lässt der langsam eine Maske fallen; – du erstarrst im Entsetzen – du willst schreien doch vermagst es nicht – – dein Mörder steht vor dir mit verzerrtem Gesichte – –!!

So wars – – jetzt wusste sie's. Morden wollte er sie und dann an sich reissen. Wars am Ende das Rechte und sie hatte es nicht erkannt? – Nein, nein, das ist unmöglich, sonst hätte es geschehen müssen . Kann es aber das Rechte sein, wenn es so furchtbar zu tragen ist!?

Wie unbegreiflich sich das gewendet hatte! Seit sie ihn liebte, bangte sie, sich nicht erheben zu können und jetzt hatte sie ihn verloren, weil sie sich nicht erniedrigen konnte.

Warum habt ihr mich alle so gut erzogen?! Sie suchte Tränen, aber die kamen nicht.

Dafür kam hilfreich ein wilder Zorn über sie, ein Aufflackern letzter Energie, und führte sie über die nächste Stunde fort.

Sie fing an den Raum zu zerstören, in dem solches geschah; sie riss die Blumen aus den Schalen und warf sie aus dem Fenster, – sie zerrte die seidenen Hüllen von den Lampen weg, dass ein helles, blendendes Licht senkrecht, herrisch durch den dämmrigen Raum fuhr und alles Liegende, Träge, Matte, Unklare daraus vertrieb.

Es ekelte ihr vor diesem Gemach, über dem eine Absicht lag, ein Vorsatz. Was wollten diese Decken mit ihrem Flimmern, diese Blumen mit ihrem Duft, diese Lampen mit ihren Schleiern? – »Damit betäubt man meine Seele nicht, damit lädt man Dirnen in sein Haus.«

Ei, und dort in der Ecke qualmte es – dicker und undurchdringlicher mit jedem Augenblick. Das war lustig, das half ihr zerstören – –

Makassy erhob sich. Alt und elend mit leeren Augen in dunkeln Höhlen – aber hochmütig, undurchdringlich. Das zerwühlte Haar klebte wirr an seiner Stirne und zeichnete entstellende Linien in das bleiche Antlitz – – und dennoch, wie sie umherirrte in diesem Gesichte – spähend, aufgeregt, atemlos – sie fand nicht was sie suchte, sie fand nicht was sie erflehte, – sie musste achten – – und ihr Elend türmte sich auf! –

Er sah umher in dem verwüsteten Raum; Blicke und Gedanken blieben auf jener Schublade dort liegen, aus der der Rauch drang. Von da war es ausgegangen, dahin war vorher sein Blick auch gefallen, von da hatte er wie an einem einzigen Faden das ganze Netz seiner Ideen aufgezogen, von da, wo der Schuh der leichtsinnigen Tänzerin, den er aus den Flammen der alten Briefe gezogen hatte, fortzuglimmen schien und zu rauchen begann. Da war sie vor ihm aufgefunkelt, die schöne Spanierin, in einstigem Glanz – und hatte höhnisch aufgeblickt und ihm mit ihren wilden Augen zur rechten Zeit gerufen, als er begann sich zu verirren – sich zu verlieren – zu verfahren in toten Geleisen.

Diega Felipa prangte vor ihm auf in berückender Kraft und Fülle, in bachantischer Lust! Und die Luft, die ihr Tanz vertrieb, fuhr ihm verwirrend über das Gesicht. Die blauschwarzen Lockenringel peitschten – wie damals – ihre braunen, nackten Glieder bei den wilden, heissen Tänzen – wie damals, wo sie die Schleier jauchzend zerriss und ihr grosses, glühendes Auge hinschoss zu ihm, aufloderte, und sie ihm zurief:

»Nimm!! – Wie Du willst ...... für Deine Kunst und – für Dich!«

Grossartig war das! Voll Pracht und Grösse. Da gehörte er hin, in diese Arme, das war sein Reich! Königspaläste! – – Königsgeschenke gibt, wer sich lachend verschenkt, wer lachend sein Schicksal in den Wind zerstreut!!

Entfesselt, Dirne, hast Du mich, – jetzt ist es vorbei mit den frommen Episoden! Ihn ärgerten auf einmal diese weit offenen, staunenden Mädchenaugen – – dieses Warten und Prüfen und Klagen und Denken, wie feige das war, wie bettelarm, – – ja, ja, sie hatte sich verbildet, verstümmelt und nun Krücken statt der Flügel. Sie kannte diese Trunkenheit nicht, die sich über das Menschtum aufbäumt, die der Gottheit trotzt und taumelnd zu den Tieren geht!

Sie suchte das Rechte in den engen Winkeln armseliger Erdenmoral – er konnte nicht mit ihr gehen. »Ich kann nicht mich selbst begraben gehen.«

Schwerfällig bewegte er sich gegen sie hin und sagte hart und kalt aus seinen Gedanken heraus:

»Du hast es gut gemeint, Estella – aber es war umsonst!« –

»Die Vergangenheit hat ihn zurückgefordert,« dachte sie mit letzter Anstrengung.


Und sie wandte sich zum Gehen ohne ein Wort. An der Türe drehte sie sich noch einmal um und sah mit verhüllten, begrabenen Augen nach ihm zurück.

Diese Augen schauten ihn noch an, als sie lange, lange schon gegangen war und er liess sie gesättigt jedesmal auf sich liegen – ein Zerstörungsbild. –

Jetzt war die Klinke ins Schloss gefallen – kurz und knapp – und in des Mädchens umdüsterter Seele das letzte Licht erloschen. – –

Furchtlos schritt sie durch die dunkle Stadt zurück. Die Häuser, die sie vorher so drohend und unheilvoll umstanden und umlauert hatten, lagen in weiten Fernen und Nebeln; die gingen sie nichts mehr an. –

Aus einem Gasthause kam laut lachend eine grössere Gesellschaft. Durch die offenstehende Türe fiel ein breiter Lichtstreifen über die dunkle Strasse. Aber ganz gleichmässig ging sie Schritt für Schritt vorwärts; vom Schatten in das Licht und vom Lichte wieder in den Schatten.

Als trüge sie ein schweres, übervolles Gefäss, das nicht ins Schwanken kommen darf, so sicher und gleichmässig ging sie, – so vorsichtig, doch eigentlich ohne Vorsicht.

Die Leute steckten die Köpfe zusammen, das war ja unerhört, was sie hier sahen! »Wenn es nur schon Morgen wäre«, dachten sie. –

Am andern Tage kam Berta, der Backfisch, an Brand's Gartenzaun vor dem roten Tore draussen vorbei und als sie Estella dahinter sah, wurde sie dunkelrot und verdoppelte ihren Schritt, um eilends daran vorbei zu kommen.

Estella sah es wohl. Gleichgiltig ging sie ins Haus hinein und nach einer Weile wieder aus ihm heraus. – Sie tat alles, was so der Tag mit sich brachte. Arbeiten, essen, lesen, schlafen, – nur unterschied sich keines von dem andern.

Alle Wege waren gleich lang. Alle Gegenstände gleich schwer. Alle Farben gleich trübe. Alle Klänge gleich dumpf. Die Welt rauschte vorbei an ihr, sie hörte sie nicht.

Ihre sonst so flinken Augen blieben stehen wo sie gerade standen – interesselos, bis irgend etwas anderes in ihren Sehkreis trat, sie ein Stückchen weitertrieb und sie wieder stille standen. –

Der alte Brand kam von der Reise zurück; sie redete mit ihm wie mit allen anderen. –

Ein junges Mädchen, eine Altersgenossin von ihr, war in dem kleinen Städtchen plötzlich gestorben an einer akuten Erkrankung. Alles wallfahrtete zum Kirchhof, war ausser sich und rang die Hände; die Mädchen insbesondere wollten sich die Augen aus dem Kopfe weinen.

Estella vergoss keine Träne. Lang und steif stand sie am offenen Grabe. »Die verdorbene Person,« sagten die Leute. –

Ganz deutlich sah sie es, wenn manchmal ein Blick länger auf ihr weilte.

»Suche nur,« dachte sie, »Du findest doch nichts, finde ich ja selbst nichts mehr. – Ich habe gar nicht gewusst, wie still es auf der Welt ist.«

Brand schrieb an Richard von Thieben, dass Estella so vernünftig geworden sei: Der Maler Makassy habe die Stadt verlassen, aber sie rede nie von ihm. Es sei ihr auch ganz gleichgiltig gewesen, ob sie oder er das Porträt behalten sollte, als man ihr die Frage vorlegte. Da habe er es mitgenommen. »Wahrscheinlich ist es ihr nicht hübsch genug, denn eitel sind sie doch alle« hiess es in dem Briefe. Thieben aber, der dieses Schreiben am Morgen erbrach und las, sass Mittags bereits im Zuge, der ihn an die württembergische Grenze bringen sollte. Er fand keine Ruhe, er musste sie selber sehen.

Aber auch er fühlte sich in ihrer Nähe beruhigter. In ihren Augen fand er auf eine stumme, bange Frage keine Antwort; wie eine stille, graue Mauer standen sie vor ihrer Seele.

So reiste er zuwartend wieder ab.

Als er aber nach zwei Monaten einen Brief ähnlichen Inhaltes vom alten Brand erhielt, nur mit dem Vermerk, dass sie sehr wenig zu sich nehme und immer stiller werde – da hörte er die Not um Hilfe schreien – und entschloss sich zu einem Wagnis. Hier musste eingegriffen werden, gleichviel um welchen Preis.

Er forschte die Adresse des Malers Makassy aus und erhielt sie nach vielen, mühseligen Schreibereien. Hierauf schickte er eine grosse Summe Geldes, die indess retourniert wurde, an ihn, mit der Bitte, das Porträt Fräulein Brands an die Adresse des Privatier Brand abzuschicken. Zugleich gab er an letzteren einen dicken, festverschlossenen Brief auf, in dem er alles erklärte, wie er es sah und was geschehen müsse. Erschüttert müsse ihre Seele werden, ihren Bann zu lösen, – aufgerissen müssten erschreckend rasch geschlossene Wunden werden, sie zu heilen. – – –

Es währte keine Woche, als Estella eines Abends wieder wie immer gleichmütig in ihr Zimmer hinaufging.

Die alte Magd, die ihr geleuchtet hatte, zündete das Licht an und schlüpfte hinaus. »Die wird Augen machen,« dachte sie im Gehen. –

Estella war allein.

Langsam begann sie, sich zu entkleiden und durch die dadurch verursachte leichte Bewegung fühlte sie auf einmal einen feinen Duft durchs Zimmer wehen – – – vorüber an ihr – – – wie eine ferne, weite Erinnerung. – – – –

Sie lauschte auf – angstvoll – mit gespannten Sinnen – – war das nicht der wohlbekannte Terpentingeruch – – – aus Sommerszeiten – – – – – Gequält sah sie um sich – – – und ihr starres Auge blieb wie entgeistert auf ihrem eigenem Bildnis liegen, das fast erdrückend gross und schwer in dem kleinen Raume von der Wand hing. – – – – –

Da vollzog sich eine furchtbare Umwandlung in ihr. –

Dem alten Manne, der draussen vor der Türe wachte, zitterten die Kniee; er presste stumm die Hände in einander. Und als er endlich, weit nach Mitternacht drinnen das erste Aufschluchzen hörte, da liefen auch ihm die Tränen über die zuckenden alten Wangen.

Seine Zeit war gekommen; vorsichtig öffnete er die Tür, trat leise zu ihr – aber es dauerte lange, lange – bis er das erste Wort zu sprechen vermochte.


In dieser Stunde noch durchflog eine Botschaft die sich lichtende Nacht. – Ein Bote eilte dem hochgelegenen Forsthause drüben im Schwarzwalde zu und eine bebende Männerhand riss das Telegramm an sich, das die wenigen Worte enthielt: »Sie weint. Sie hat zurückgefunden.« – – Zurückgefunden zu sich selber.


Hast einen Garten dir emsig gebaut
Und nur in Blumen und Blumen geschaut.
Da öffnest das Tor du, herein dringt das Meer
Und feget dein blühendes Gärtelein leer.
Das Meer, es erglänzet und funkelt und dröhnt,
Darunter dein sterbender Garten stöhnt. –
Hoch auf den Fluten, da schimmert's vor Pracht!
Vergessen die Blumen, verhöhnt und verlacht.
Das Meer tritt zurück, der Glanz ist dahin,
Über sumpfige Ufer die Wolken zieh'n. –
Da schaust du hinaus mit irrendem Blick:
Die Blumen sind fort, das Meer und das Glück.


Thüringer Verlagsdruckerei · Jena-Ziegenhain.

Hinweise zur Transkription

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Der Text des gedruckten Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, mit folgenden Ausnahmen,

Seite 7:
im Original "Über ihnen aber tronte das Massiv der Stirne."
geändert in "Über ihnen aber thronte das Massiv der Stirne."

Seite 10:
im Original "denn die andern, schoben sich ungesehen"
geändert in "denn die andern schoben sich ungesehen"

Seite 25:
im Original "und die Gier noch Genuss und Betäubung"
geändert in "und die Gier nach Genuss und Betäubung"

Seite 26:
im Original "das baumumrauschte Fortshaus, das drüben"
geändert in "das baumumrauschte Forsthaus, das drüben"

Seite 26:
im Original "dass ihm das so angenehm sein werde wir ihr"
geändert in "dass ihm das so angenehm sein werde wie ihr"

Seite 28:
im Original "Wie soll man an so was glauben? –"
geändert in "Wie soll man an so was glauben? –«"

Seite 28:
im Original "stechend von der Häusern ab"
geändert in "stechend von den Häusern ab"

Seite 39:
im Original "auch manchmal ein wenig absichtich"
geändert in "auch manchmal ein wenig absichtlich"

Seite 39:
im Original "Sitten war. und sie fingen an"
geändert in "Sitten war. Und sie fingen an"

Seite 51:
im Original "in ihrem Stübchen war und vor sie zu Bett ging"
geändert in "in ihrem Stübchen war und bevor sie zu Bett ging"

Seite 53:
im Original "losreissen von diesem köstilchen Ebenmass"
geändert in "losreissen von diesem köstlichen Ebenmass"

Seite 66:
im Original "das Ruhelose, Zermartete zu weichen"
geändert in "das Ruhelose, Zermarterte zu weichen"

Seite 68:
im Original "Schmetterlinge gauckelten über die Wiesen hin"
geändert in "Schmetterlinge gaukelten über die Wiesen hin"

Seite 68:
im Original "hier ist die Welt, hier bin ich"
geändert in "»hier ist die Welt, hier bin ich"

Seite 73:
im Original "Zerfetzte, sibergraue Lärchen standen riesenhoch"
geändert in "Zerfetzte, silbergraue Lärchen standen riesenhoch"

Seite 77:
im Original "hinausdehnen über sich selbst – ewigkeit wärts?!!"
geändert in "hinausdehnen über sich selbst – ewigkeitwärts?!!"

Seite 83:
im Original "zumsammengequetscht zu Ovalen und Dreiecken"
geändert in "zusammengequetscht zu Ovalen und Dreiecken"

Seite 85:
im Original "Seine Gewandheit, der schnell veränderte"
geändert in "Seine Gewandtheit, der schnell veränderte"

Seite 86:
im Original "in lustigen Gewinden tausenknöspig an der Veranda"
geändert in "in lustigen Gewinden tausendknöspig an der Veranda"

Seite 88:
im Original "hänge sie über den Blütenstrauch"
geändert in "»hänge sie über den Blütenstrauch"

Seite 91:
im Original "mit verdoppelter Lust ihre schlummernden Sinnne"
geändert in "mit verdoppelter Lust ihre schlummernden Sinne"

Seite 94:
im Original "nicht kommmen in das herrenlose Haus"
geändert in "nicht kommen in das herrenlose Haus"

Seite 94:
im Original "Du ja nicht anders seiest als sie."
geändert in "Du ja nicht anders seiest als sie.«"

Seite 98:
im Original "so gemütlich und zuversichlich Arm in Arm"
geändert in "so gemütlich und zuversichtlich Arm in Arm"

Seite 99:
im Original "Immer stiller. Immer trüber. Immer traurier."
geändert in "Immer stiller. Immer trüber. Immer trauriger."

Seite 103:
im Original "dem holperigen Pflaster der alten Stad"
geändert in "dem holperigen Pflaster der alten Stadt"

Seite 104:
im Original "so fein und holselig vor sich stehen sah"
geändert in "so fein und holdselig vor sich stehen sah"

Seite 113:
im Original "Alle Farben gleich trübe. Alle Känge gleich dumpf."
geändert in "Alle Farben gleich trübe. Alle Klänge gleich dumpf."

Seite 114:
im Original "Die alte Magd, die ihr geleuchtete hatte"
geändert in "Die alte Magd, die ihr geleuchtet hatte"