Title : Die Radierung: Ein Leitfaden und Ratgeber
Author : Alois Leopold Seibold
Release date : August 12, 2022 [eBook #68735]
Language : German
Original publication : Germany: Paul Neff Verlag (Max Schreiber)
Credits : The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net
Anmerkungen zur Transkription
Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist so ausgezeichnet . Im Original in Antiqua gesetzter Text ist so markiert .
Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches .
Die Radierung.
Ein Leitfaden und Ratgeber
von
Professor Alois Leopold Seibold
Maler und Radierer in Wien
Vierte vermehrte und verbesserte Auflage
Mit 10 Kunstbeilagen und
16 Abbildungen im Text
Eßlingen a. N.
Paul Neff Verlag (Max Schreiber)
1922
Druck von Wilh. Langguth, Eßlingen a. N.
Meinem hochgeschätzten Meister,
Professor Viktor Jasper in Wien
in dankbarer Verehrung zugeeignet
Alois L. Seibold
Als ich den Entschluß faßte, das vorliegende Buch zu schreiben, da war es vor allem der Wunsch, nachstrebenden Jüngern diese Kunstweise mitzuteilen, und namentlich die eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiete zu verwerten, welche, so bescheiden sie auch immerhin sein mögen, doch berufen sein dürften, wo immer nur möglich bei den anfänglichen Versuchen die Lernbegierigen vor Schaden und vornehmlich vor Entmutigung zu bewahren.
Da die Radierung, wie sie heute wieder gepflegt wird, der Ausdruck der freischaffenden Künstlerseele ist und mit ihren Mitteln geeignet und berufen erscheint, das persönliche, dichterische Empfinden ihrer Pfleger in Formen zu kleiden, so hört die Technik an sich auf Selbstzweck zu sein; sie wird zur Schrift, deren sich die Hand zum Niederschreiben des Erschauten, des innerlich Erlebten bedient.
Soweit dies im Rahmen eines Lehrbuches tunlich ist, war mein Bestreben dahin gerichtet, das rein künstlerische Moment als das leitende erscheinen zu lassen und den Anfänger an der Hand eines gesichteten Materiales unmittelbar ins Praktische dieser Kunstweise einzuführen, ohne ihn erst mit viel theoretischem Ballast zu beschweren.
Daß es mir nicht beikommt zu wähnen, ich schriebe – der Erste – über die Radierung, bedarf wohl keiner Versicherung, denn stattlich ist die Zahl (allerdings) älterer Lehrbücher, die die Fachliteratur auf diesem Gebiete aufzuweisen hat.
Im allgemeinen muß ich mich auch an diese halten; denn das Um und Auf der Radierung ist ja immer dasselbe und mit ein paar Worten abgetan; die Methode aber, mit der dem Schüler die Wege zu weisen sind, ist es, die das Vertrauensamt hat, den Anfänger und sein Lernen zu leiten, auf daß Fortschritt und nicht Verwirrung seinen Weg bezeichne.
Dieser Gewissensaufgabe mich zu unterziehen ist mir umso lieber, da ich gewiß zu sein glaube, mit dieser meiner bescheidenen Arbeit einer Kunstweise, welche zu den edelsten, ausdrucksfähigsten unter den graphischen gehört, neue Freunde, Pfleger und Schätzer geworben zu haben.
Ist mir dies mit meinen Zeilen zu erreichen vergönnt, dann soll es mir zu ehrender Genugtuung gereichen, mein Scherflein zur Pflege und zum Verständnis dieser edlen, echt künstlerischen Technik beigetragen zu haben.
Prag, im September 1909.
Der Verfasser.
Trotz aller Stürme, trotz aller Umwälzung, Not und Verwirrung, die uns die letzten Jahre gebracht, geht deutsche Kulturarbeit unbeirrt ihren sicheren Weg.
Lernbegierde, Schaffenslust, die Freude am Schönen, können im gesunden Volke nicht untergraben werden; das sind unverlierbare Schätze, Quellen, die immer fließen.
Nach kaum drei Jahren – es waren bisher die ärgsten – ward die dritte Auflage notwendig, nach weiteren zweien die vierte! Das Zeichen ist klein, aber der Schluß, der daraus zu ziehen, ist groß und stolz.
Und nun zum viertenmal hinaus!
In fleißige Hände, in Stuben voll Lern- und Schaffenslust!
Und das Weggeleit ist die verständnisvolle Freundschaft, die dem Büchlein beschieden ist; möge sie ihm erhalten bleiben!
Wien, im Juni 1922.
Der Verfasser.
Vorwort | ||
Seite | ||
1. | Über das Wesen der Radierung | 1 |
2. | Vorbereitung zum Arbeiten | 6 |
a ) Die Kupferplatte und ihre Zurichtung | 6 | |
b ) Über die Bereitung des Ätzgrundes | 8 | |
c ) Das Grundieren der Kupferplatte | 11 | |
d ) Das Anrauchen | 15 | |
3. | Das eigentliche Radieren | 20 |
a ) Von der Wahl des Motives | 20 | |
b ) Das Aufbringen der Konturen | 21 | |
c ) Die Radiernadeln | 24 | |
d ) Über die Führung der Nadel | 25 | |
4. | Der Ätzprozeß | 28 |
a ) Die Bereitung des Ätzwassers | 28 | |
b ) Die Ausrüstung der Platte zum Ätzen | 31 | |
c ) Die Bereitung von Ätzwachs | 34 | |
d ) Die erste Ätzung | 35 | |
e ) Abgestuftes Ätzen (Pinselfirnis) | 38 | |
f ) Über verschiedene Arbeitsprogramme | 41 | |
g ) Das Reinigen der Platte | 43 | |
5. | Das Abdrucken von der Platte | 45 |
a ) Über die Bedeutung des Handabdrucks | 45 | |
b ) Das Druckpapier | 46 | |
c ) Die Druckfarbe | 48 | |
d ) Das Einschwärzen der Platte | 50 | |
e ) Der Abdruck | 52 | |
f ) Das Drucken auf maschinellem Wege | 57 | |
6. | Retouche-Arbeiten | 62 |
7. | Über Mißerfolge | 68 |
8. | Abschleifen der Platte | 74 |
9. | Strich und Ton | 77 |
10. | Wege und Ziele | 84 |
11. | Das fertige Blatt | 92 |
Schlußwort | 94 | |
Alphabetisches Verzeichnis | 100 |
Original-Radierungen von Alois L. Seibold.
I. | »Christnacht« | Titelbild |
II. | »Das Gehölz« | S. 40/41 |
III. | »Alter Winkel in Olmütz«, Wiedergabe eines mit dem Beinstab gewonnenen Plattenabzuges | S. 56/57 |
IV. | »Motiv aus Obersteiermark« | S. 60/61 |
V. | »Bildnisstudie« | S. 68/69 |
VI. | »Karlskirche in Wien« | S. 80/81 |
VII. | »Überfahrt« | S. 84/85 |
VIII. | »Pieta« | S. 88/89 |
IX. | »Im Sturm« | S. 92/93 |
X. | »Der heilige Franziskus« | S. 96/97 |
[1]
Es ist eine bekannte Tatsache, daß Kupfer von Salpetersäure aufgelöst wird. Es geht mit ihr eine Verbindung ein, welche in Wasser leicht löslich ist und dieses blaugrün färbt (Kupfernitrat). Gleichzeitig steigt freiwerdendes Stickoxyd in Form von Gasbläschen auf. (Giftige Dämpfe!)
(3 Cu +8 HNO 3 = 3 Cu ( NO 3 ) 2 +4 H 2 O +2 NO .)
Dieser chemische Vorgang bildet die Grundlage der Radierung. Das Kupfer kommt hierbei in Form von Platten in Verwendung, deren Oberfläche bis zur feinsten Glätte geebnet ist. Diese feine Oberfläche erhält nun einen dünnen säurefesten Überzug von eigens hierzu bereitetem Firnis, welcher die darunterliegende Kupferfläche vor Zerstörung durch die Salpetersäure schützt. Mittelst feiner Stahlstifte von verschiedener Form, der sogenannten Radiernadeln , wird nun eine Zeichnung in diesen Firnis geritzt, so daß das Kupfer an den betreffenden Stellen frei zutage tritt. Etwaige Schattengebungen werden in Strichlagen ausgeführt, ähnlich denen einer Federzeichnung. Diese rein künstlerische Tätigkeit nennt man das » Radieren «; nach ihr hat die ganze Technik überhaupt ihren Namen » Radierung « erhalten.
Wird diese Zeichnung mit Salpetersäure behandelt, so kann letztere ihre Wirkung nur an jenen Stellen ausüben, wo sie blankes Kupfer findet; es [2] sind dies die Striche, welche die Radiernadel in den Firnisüberzug gerissen hat. Diese Striche haben in den meisten Fällen das Kupfer gar nicht geritzt, sondern es nur bloßgelegt. Jetzt löst sich dieses unter der Einwirkung der Salpetersäure auf, und das Niveau der blanken Kupferplatte wird dadurch an diesen Stellen vertieft; da die Einwirkung der Säure aber kontinuierlich ist, so wird diese Vertiefung umso größer, je länger der chemische Prozeß andauert. Diesen Vorgang nennt man den » Ätzprozeß « oder die » Ätzung «. Beendet wird dieser Prozeß dadurch, daß die Platte durch kräftiges Abbrausen mit Wasser von der letzten Spur der Säure befreit wird. Sobald die Platte trocken ist, wird der Firnis mit Terpentin heruntergewaschen. Die Platte zeigt nun, nachdem sie mit trockenen Lappen gereinigt wurde, wieder ihre blanke Oberfläche; aus den Strichen der Zeichnung aber sind infolge der Wirkung der Säure feine Rinnen geworden, die sich, wenn die Platte gegen das Licht gehalten wird, dunkel von der glänzenden Fläche abheben. Diese Rinnen nun sind weit verschieden von solchen, welche in die Platte mittelst einer Nadel etwa eingeritzt oder eingraviert worden wären; denn während die auf letzterem Wege erzeugte Furche infolge der glättenden Wirkung der Nadel eine dem entsprechend glatte Innenfläche zeigt, bewirkt die Ätzung nicht nur eine Vertiefung, sondern was sehr wichtig ist für die resultierende Bildwirkung, eine Aufrauhung der vertieften Rinne an ihren Wandungen und ihrer Bodenfläche.
[3]
Wird eine also behandelte Kupferplatte mit Kupferdruckschwärze eingerieben, so füllen sich die vertieften Striche mit Farbe, während diese über das blank gebliebene Kupfer hinweggleitet. Mit nicht allzuweichem, reinem Lappen kann sie von der Platte abgewischt werden, in den Strichen sitzt sie fest.
Also vorbereitet, wird die Platte mit einem Blatt gefeuchteten Papiers, dem sogenannten Kupferdruckpapier, belegt; auf dieses kommt noch ein Filztuch. Platte, Papier und Tuch werden nun zwischen zwei Stahlwalzen [1] unter großem Drucke durchgezogen, so daß das feuchte Papier mittelst des weichen Auflagetuches in die mit Farbe gefüllten Striche der Platte gepreßt wird. Beim Abziehen des Druckpapieres haftet die Farbe auf dem Papier und trocknet nach einiger Zeit darauf ein. Der Druck ist fertig und zeigt die ganze Zeichnung in tadelloser Schärfe, jedoch, wie ja leicht einzusehen, verkehrt, ein Umstand, der beim Entwerfen der Zeichnung auf der Platte bereits berücksichtigt werden muß, wenn das beabsichtigte Bild nicht in seitenverkehrter Form aus dem Druck hervorgehen soll.
[1] In früherer Zeit waren solche aus hartem Holz in Verwendung.
Das von der Platte gelieferte Bild heißt Abzug , Druck oder zur Spezifizierung der Art, in der es hergestellt wurde, » Radierung «. Das ganze Verfahren gehört zu der Gattung des » Tiefdruckes «, eine Bezeichnung für alle diejenigen [4] graphischen Techniken, bei deren Ausübung die bilderzeugenden Elemente (Striche, Punkte und dergl.) in die Arbeitsfläche vertieft werden. Die maschinelle Vorrichtung zur Herstellung aller Arten des Tiefdruckes heißt » Kupferdruckpresse «, das handwerkliche Verfahren: »der Kupferdruck «. Den Gegensatz dazu bildet der » Hochdruck «. Obwohl er eigentlich in den Rahmen dieser Arbeit nicht gehört, so diene dessen Beschreibung doch dazu, das vorhin Gesagte noch näher zu erklären. Bei dieser Druckart bleiben die Striche der Zeichnung auf der Platte erhaben, während alles, was weiß bleiben soll, unter das Niveau der Arbeitsfläche bedeutend vertieft wird. Werden beim Tiefdruck alle Striche durch kräftiges Reiben mit Druckfarbe gefüllt, so genügt beim Hochdruck ein einmaliges Andrücken des Druckstockes auf ein ebenes Farbkissen, beziehungsweise ein Übergehen desselben mit einer Farbwalze, um alle Striche zu schwärzen.
Beim Drucken zeigt sich der Unterschied zwischen Tiefdruck und Hochdruck wieder deutlich: Während beim Tiefdruck das Papier in die Striche hineingepreßt werden muß, bewirkt beim Hochdruck ein einmaliges, starkes Andrücken des eingeschwärzten Druckstockes das Abfärben auf das Papier und somit die Bilderzeugung.
Zur ersten Gattung gehören: der Kupferstich , der Stahlstich in allen seinen Abarten, die Radierung und andere Verfahren, die jedoch mit unserer Aufgabe nichts zu tun haben, da sie auf [5] den Mitteln der Photographie beruhen (Heliogravure) und sich von künstlerischen Fertigkeiten in den Mitteln wesentlich unterscheiden. (Zum » Hochdruck « gehören der Holzschnitt, der Linolschnitt, der Stempeldruck, die Zinkhochätzung, Autotypie – Zinkotypie – u. s. w.) [2] .
[2] Allen Lesern, die sich auch dafür interessieren, sei Kampmann’s »Die Graphischen Künste« im Verlage Göschen auf das angelegentlichste empfohlen.
[6]
Gleich hier will ich bemerken, daß es mir eine besondere liebe Aufgabe ist, den Anfänger unmittelbar ins Praktische der Technik einzuführen und ihn mit allem theoretischen Ballast, soweit er nur immer entbehrlich und nicht zum Verständnis notwendig ist, zu verschonen. Deshalb auch habe ich es vermieden, mich in langen technologischen Abhandlungen über die einzelnen Materialien zu ergehen, denn bei den heutigen merkantilen Verhältnissen ist es wirklich nicht schwer, zu der einwandfreien Reinheit und Güte des vom Handel Gebotenen Vertrauen zu haben. Nun zur Sache!:
Als erste Anschaffung für den Anfänger ist die Kupferplatte anzusehen. Sie wird in größeren Metallhandlungen aus gewalzten Kupferplatten geschnitten und ihr Preis nach ihrem Gewichte bestimmt. Um den Anfänger gleich hier zu orientieren, sei folgendes erwähnt:
1. Die Platte soll etwa 1½–3 mm dick sein.
2. Ein handliches aber schon ansehnliches Format ist 13 × 18 cm . Dem Anfänger ist dringend zu raten, bei seinen ersten Versuchen über dieses Maß nicht hinaus zu gehen, da es ihm die größte [7] Bequemlichkeit bei allen folgenden Hantierungen bietet. Bei erlangter Sicherheit steigert sich von selbst das Bedürfnis nach größeren Platten, zumal ja die Brauchbarkeit der Arbeit für größere Auflage ohnehin nicht mit dem ersten Versuch erreicht (und auch gar nicht bezweckt) wird.
3. Das spezifische Gewicht von gewalzten Kupferplatten schwankt und beträgt ungefähr 8·7–8·9. Es dient zur Vorausbestimmung des Gewichtes der Platte. Eine Platte im Format 13 × 18 cm , 3 mm dick, wiegt also:
13 × 18 × 0·3 × 8·9
104
234
× 0·3
70·2
× 8·9
5616
6318
624·78
; das sind also 624·78 Gramm.
Der Preis des Kupfers schwankt stetig im Handel. Nach obigen Daten und Kenntnis des Kilopreises läßt sich der Preis der gewünschten rohen Platte annähernd bestimmen. Diese Platte wird nun einem geschickten Kupferschmied oder noch besser einer Plattieranstalt übergeben. Hier wird die Platte »gestreckt«, d. h. eben gehämmert. Die Kanten werden nach der Bildfläche zu leicht abgeschrägt. Die Neigung der Schräge soll ungefähr 45° betragen; je dicker die Platte ist, desto flacher muß diese Neigung sein, [8] damit die Oberwalze beim Drucken die Platte leicht anlaufen kann; auch wird dadurch die Gefahr beseitigt, daß das Drucktuch zwischen Walze und steilkantiger Platte zerschnitten wird. Die Ecken können abgerundet werden. Diese Schräge heißt Facette , die Arbeit: das Facettieren . Die Bildfläche soll den feinsten Schliff – frei von jeder Spur eines Ritzes – zeigen, vor allzu spiegelglatter Polierung ist jedoch zu warnen, da eine solche Fläche für das spätere Arbeiten zuweilen Ursache von Mißlichkeiten werden kann (siehe Mißerfolge).
Hat man die Platte in diesem Zustand, so überzeuge man sich durch vorsichtiges Auflegen derselben auf eine Spiegelscheibe, von ihrer wirklichen Ebenheit. Man hebt sie an einer Kante etwas und läßt sie sachte zurückfallen; ist die Schliffläche eben, dann wird dieses Zurückfallen lautlos, ohne Klappern, erfolgen. Um sie vor dem Zerkratztwerden zu schützen, lege man in eine flache Schachtel ein Flanelltuch und auf dieses die Platte mit der Schliffläche nach unten.
Man bekommt fertig hergerichtete Platten in allen gangbaren Formaten in größeren Mal- und Zeichengeräte-Handlungen; vielleicht wird sich diese Beschaffung aber etwas teurer stellen.
Obwohl es viele erprobte Rezepte für die Bereitung dieses wichtigen Materials gibt, will ich dennoch von ihrer Anführung absehen, um nicht durch [9] verschiedene Mischungsverhältnisse eine Unsicherheit hervorzurufen, denn: wozu den Anfänger der Pein der Wahl zu überlassen, wenn ein erprobtes Rezept ihm gutes Gelingen gewährleistet!
Der Ätzgrund muß folgende Eigenschaften besitzen:
1. dauernde Festigkeit gegenüber verdünnten Säuren;
2. leichte Schmelzbarkeit;
3. festes Haften an der Metallfläche;
4. Geschmeidigkeit: die Nadel darf den Firnis nicht zersplittern, sondern ihn nur glatt durchschneiden.
Die erste Eigenschaft wird ihm besonders durch Asphalt, die zweite durch Bienenwachs, die dritte durch Mastix, die vierte durch ganz homogenes Gefüge des Gemisches. Dieses wird nach folgendem Rezept bereitet:
weißes Wachs 3 | Gewichtsteile | |
Mastix 2 | ||
echter Syrischer Asphalt 4 |
Je mehr Asphalt in der Mischung ist, desto härter und wiederstandsfähiger wird der Ätzgrund, aber auch desto undurchsichtiger. Deshalb setzt man dort, wo man auf dessen Durchsichtigkeit Gewicht legt, noch etwas Kolophonium zu. (In unserem Rezept etwa 2 Gewichtsteile.)
Zur Mischung sind zwei Gefäße erforderlich, welche ja nicht zu klein gewählt werden dürfen. Zwei emaillierte Blechtöpfe leisten recht gute Dienste. [10] Das Schmelzen geschieht auf dem Küchenherde, jedoch hübsch abseits, damit ohne Gefahr gearbeitet werden kann. Eine Zange oder ein feuchtes Tuch liegt bereit zum Anfassen der heißen Töpfe.
Die runden Körnchen des Mastix werden mit dem zerstoßenen Kolophonium zuerst geschmolzen; erst dann wird das Bienenwachs Stückchen für Stückchen zugesetzt. Fortwährendes Umrühren mit einem Blechlöffel oder dergl. bewirkt die vollkommene Mischung. Man darf den Topf auch nicht aus den Augen lassen und muß bei etwa beginnendem Rauchen das Gemisch sofort von der Hitze wegrücken. Das Rauchen ist übrigens schon ein bedenkliches Zeichen von Überhitzung und soll durch wachsame Behandlung überhaupt vermieden werden. Diese Masse läßt man nun bei etwa 100° Celsius abseits stehen und schmilzt im zweiten Gefäß den ebenfalls klein gestoßenen Asphalt bis zu leichtem Fluß. Unter großer Vorsicht und stetem Umrühren gießt man das Gemisch in einigen Absätzen in den bereits vom Feuer weggezogenen Asphalt und erhält das Ganze bei sehr mäßiger Hitze noch etwa 5 bis 10 Minuten in Fluß, damit die gewünschte Homogenität der Masse ganz sicher erreicht werde. Hierauf gießt man die flüssige Masse in ein großes Gefäß mit reinem kalten Wasser; hier erstarrt sie sofort zu unregelmäßigen Klumpen. In lauwarmem Wasser lassen sich diese wie Teig kneten und die Finger fühlen leicht jedes Knötchen oder Körnchen, welches sich vielleicht noch in der Masse befindet; [11] alle diese Verunreinigungen müssen aus der Masse entfernt werden; dann werden aus dem also gereinigten Ätzgrund Walzen oder Kugeln geformt und erkalten gelassen.
Dieser Vorrat wird zweckmäßig in einfachen länglichen Blechbüchsen aufbewahrt, wie man sie mit diversen Pulvern oder dergl. in den Geschäften als Verpackung bekommt.
Man hüte sich die Masse trocken, also außer Wasser zu lange zu kneten, da sie sonst an der Hand festklebt und diese nur durch energisches Reiben mit Terpentin wieder rein gemacht werden kann.
Die Platte, wie wir sie in Händen haben, ist zur Aufnahme des Ätzgrundes noch nicht geeignet, da sie noch einen Hauch von Fett besitzt, welcher den innigen Kontakt zwischen Kupfer und Firnis nicht zulassen würde; gießen wir auf unsre Platte Wasser auf, so sehen wir, daß es wie Quecksilber in Kugeln abfließt, ein Zeichen, daß sich noch ein Fetthauch auf der Platte befindet. Um diesen zu entfernen, bereiten wir in einer Schale einen Brei von feiner Schlemmkreide oder weißem Ton mit Wasser. Dieser dicke Brei wird mit einem Leinwandbausch auf der Platte tüchtig aufgerieben und bei einiger Hitze rasch getrocknet. Ist dieser Anstrich trocken geworden, so wird er mit einem ganz [12] trockenen, frischgewaschenen Leinwandlappen von der Platte abgerieben. Die Schlemmkreide hat alles Fett aufgesaugt und die Platte ist jetzt zum Grundieren bereit. Diese Prozedur ist notwendig, da ihre Unterlassung später ein Abblättern des Firnisses leicht zur Folge haben könnte. (Siehe »Über Mißerfolge« Nr. 8, Ursache b ).
Es handelt sich nun darum, den Ätzgrund in feiner Schicht auf die Platte zu bringen. Man nennt diesen Vorgang das »Aufbringen« des Ätzgrundes; er wird damit eingeleitet, daß die Platte gleichmäßig und gelinde über einer Spiritus- oder Gasflamme erhitzt wird. Zum bequemen Halten der Platte dient eine Beißzange oder eine Feilklobe, welche man in die Platte festschrauben kann. Gegen das Zerkratzen des Kupfers schützt eine zwischen den Angriffsstellen angebrachte Einlage von mehrfach gefaltetem Filtrierpapier oder dickem, weichem Leder. Man kann sich auch aus sehr starkem Draht einen Rost mit Handhabe machen lassen ( Abb. 1 ). Die [13] Kupferplatte wird – Schliff nach oben – darauf gelegt und so über die Flamme gehalten.
Um eine gleichmäßige Erhitzung der Kupferplatte zu bewirken, bewege man sie über der Flamme hin und her. Wenn das helle Rosa des Kupfers zu dunkeln beginnt, ist die Platte reichlich erhitzt; länger darf man nicht warten, denn das bald eintretende Farbenspiel von Orange, Karminrot bis Violett und Blau wäre ein Zeichen von Überhitzung und ist unbedingt zu vermeiden. Bei kleineren Platten erzielt man eine ausreichende Erhitzung, wenn man sie etwa 5 cm über den Zylinder einer brennenden Lampe hält. Jetzt wird die Platte rasch auf ein sehr reines Brett gelegt (Schliffläche oben) und mit der Asphaltmasse erst vorsichtig am Rande hin gestrichen; sie schmilzt sofort, darf aber ja nicht zu rauchen oder gar zu zischen beginnen, das wäre ein sicheres Zeichen von Überhitzung! In einem solchen Falle muß ein Sinken der Hitze abgewartet werden. Ist alles in Ordnung, so wird mit der Masse über die Mitte der Platte hingestrichen, jedoch nicht zu reichlich, ein vollkommenes Bestreichen der Platte mit Ätzgrund ist nicht notwendig; man streicht etwa die beiden Diagonalen auf und bei großen Platten eventuell noch zwischen ihnen ein paar Striche. Der geschmolzene Ätzgrund wird nun mit der Grundierwalze ( Abb. 2 ) auf der ganzen Fläche ausgewalzt, bis er wie eine dünne durchscheinende Haut auf dem Kupfer in gleichmäßiger Feinheit erscheint.
[14]
Die Grundierwalze besteht aus einem Holzzylinder von etwa 5 cm Länge und 3 cm Durchmesser, welcher mit dünnem, glattem Leder derart überzogen ist, daß die Naht unmerklich ist (Taschnerarbeit). Denselben Zweck erfüllt auch Goldschlägerhäutchen, doch ist Leder unbedingt vorzuziehen. Diese Walze erhält eine Handhabe, in welcher sie um ihre Achse äußerst leicht drehbar sein muß. Dabei ist darauf zu achten, daß die Schraubenköpfe A und B die Walze daran verhindern müssen, mit der Gabel in Berührung zu kommen, weil sie sonst stecken bliebe, wenn etwas Ätzgrund über die Walzenkanten tritt. Deshalb muß überhaupt auch ein genügender Raum beiderseits zwischen Walze und Gabel frei bleiben. Man erhält Grundierwalzen auch gebrauchsfertig zu kaufen. (Große Platten erfordern selbstverständlich auch große Grundierwalzen.) Ist die Walze neu, so tut man gut daran, sie erst auf irgend einem heißen Blech mit Ätzgrund einzuwalzen und dann erst auf der Platte zu verwenden. Der auf der Walze stets haftende [15] Ätzgrund wird nie davon entfernt, bei kleineren Platten genügt dieser oft allein zum Grundieren. Gleich nach dem Gebrauch darf die Walze nicht weggelegt werden, da sie infolge des noch klebrigen Ätzgrundes überall haften und Staub und dergl. an ihr hängen bliebe; man legt die Handhabe auf einen Gegenstand so, daß die Walze frei in der Luft bleibt.
Die Platte ist nun bereits vor Einwirkung der Säure geschützt. Der Metallglanz des Kupfers schimmert jedoch noch durch und würde den Augen [16] des Radierers beim Arbeiten sehr unangenehm, ja unerträglich werden. Zur Abhilfe dessen wird die noch warme Platte mittelst einer Wachsfackel angerußt. Auf das Brett, auf dem sie liegt, wird sie mit starken Reißnägeln (2 an jeder Ecke) befestigt, jedoch nicht in der Mitte des Brettes, sondern an einem Ende. ( Abb. 3 ). Das Brett wird nun derart auf einen Kasten oder auf ein sonstiges hohes Möbelstück gelegt, daß die Platte nach unten kommt und frei in die Luft ragt; ein schwerer Gegenstand verhindert das Herunterfallen des Brettes ( Abb. 4 ). Man kann auch in den Kasten oben einen Haken einschrauben; dann schiebt man das Brett bei Bedarf einfach darunter, ohne es erst beschweren zu müssen. Aus drei oder vier Wachsstocksträngen wird nun eine Fackel gedreht und diese angezündet. Sie beginnt zu rußen und wird unter der Platte in entsprechender Entfernung hin- und hergeführt wie ein Anstreichpinsel. Dabei sind folgende Vorsichtsmaßregeln zu treffen:
1. Die Luft im Zimmer muß absolut ruhig sein. Zugluft, Herumgehen anderer Personen in der Nähe der Fackel, Türenöffnen oder -Schließen ist unbedingt zu vermeiden, weil man der Rauchsäule dann nicht die gewünschte Richtung geben kann.
2. Nur der Ruß, nicht aber die Flamme darf die Platte berühren.
3. An einer Stelle darf nicht lange verweilt werden.
[17]
Bald wird man bemerken, daß die Platte ihren roten Glanz verliert und sich schwärzt. Ist dies an allen Stellen erfolgt, so ist die Arbeit vollendet. Sie erfordert viel Geduld und Übung. Legt man das Brett mit der Platte auf den Tisch, so sieht man auf ihr einen braunschwarzen, matt glänzenden und undurchsichtigen Ton, auf dem das Arbeiten sehr angenehm ist. Bei richtigem Vorgang des [18] Anrauchens darf dieser Überzug nach dem Erkalten nicht im Geringsten abfärben, das wäre ein Zeichen, daß zuviel gerußt wurde. Die Flamme der Fackel bringt nämlich den Ätzgrund neuerdings zum Schmelzen; der Ruß wird durch den weichen Firnis in beschränkter Menge gebunden. Matte, überrußte Stellen lassen sich vom Firnis mit einem sehr weichen Lappen abwischen; das darf selbstverständlich nur auf gänzlich erkalteter Platte geschehen, da die Firnisschicht im warmen Zustand sehr leicht verletzlich ist. Mißlingt irgend etwas in einer dieser Arbeitsphasen, so heißt es die Platte mit Terpentin abwaschen, entfetten und mit Grundieren und Rauchen von neuem beginnen, was wohl kaum einem Anfänger erspart bleiben dürfte, da hier Übung die Hauptsache ist; also nicht den Mut verlieren!
Es wird oft geraten, dem Ätzgrund eine undurchsichtige und dabei säurefeste Substanz (zum Beispiel Graphitpulver) beizumengen, damit das Anrauchen erspart bleibe.
Dagegen möchte ich einwenden, daß eine gleichmäßige Mischung dieser zwei Stoffe schwer möglich ist. Und wenn auch, – die Graphitstäubchen rauben dem Ätzgrund seine Geschmeidigkeit, denn diese Körnchen werden von der Nadel aus dem Ätzgrund gerissen und verursachen einen ruppigen Strich, auch wenn man noch so feines Graphitpulver verwendete. Eine starke Lupe wird den Unterschied der Probestriche auf den beiden Ätzgründen deutlich zeigen. Übrigens ist auch die [19] Dichtheit des Überzuges durch solche Beimengungen in Frage gestellt.
Die vollkommen kalte Platte wird wieder in die früher erwähnte Schachtel mit Flanellboden gelegt, falls sie nicht gleich in Verwendung genommen wird. Es ist noch zu beachten, daß der Ätzgrund in dünner Schichte nicht unbegrenzt lange seine Festigkeit gegen Säure bewahrt; er beginnt unter dem Einfluß der Atmosphäre allmählich zu verwittern. Deshalb ist es angezeigt, die Platte erst kurz vor der Inangriffnahme der Arbeit zu grundieren und auch während derselben keine allzugroßen (wochenlangen) Pausen eintreten zu lassen.
Ist der Ätzgrund nicht gar zu alt auf der Platte, so kann man ihn dadurch regenerieren, daß man die Platte von unten her gelinde erhitzt. Dieses neuerliche Anschmelzen macht ihn wieder gebrauchsfähig und erspart das neuerliche Grundieren. Daß man diese Prozedur bei einer bereits angefangenen Arbeit nicht unternehmen darf, ist selbstverständlich; der geschmolzene Ätzgrund würde ja die bereits radierten Striche wieder schließen.
[20]
Für den Anfänger ist es keine leichte Sache, einen geeigneten Stoff für seine ersten Versuche zu wählen; deshalb wollen wir bei dieser Frage etwas verweilen.
Vor allem Andern muß betont werden, daß die Radierung sich auf den Strich aufbaut; Tonqualitäten können erst bei einiger Übung angestrebt werden und erfordern schon eine weitergehende Schulung und Erfahrung. Das Dankbarste für den Anfänger ist die Landschaft. Das Motiv sei einfach und zeige kräftige Kontraste. Je mächtiger und ausdrucksvoller die Formen, je geschlossener die darin vorkommenden Flächen, desto besser für die ersten Versuche. Eines sei dem Anfänger dringend ans Herz gelegt: »Nur ja keine Photographie kopieren wollen!« Bald nach den ersten Strichen würde Ratlosigkeit und Entmutigung eintreten und dem Lernenden die Freude an der Arbeit vergällen. Gewiß hat jeder meiner lieben Lernbegierigen genug flotte Federskizzen oder Kreidezeichnungen von selbst geschauten Landschaften in seiner Mappe, sie sind recht dankbare Vorlagen für unsre ersten Arbeiten und dürften in den wenigsten Fällen erhebliche [21] Schwierigkeiten bereiten. Wir wollen ja zunächst einmal bloß mit Nadel und Ätzwasser recht vertraut werden und beabsichtigen keine Bilder zu schaffen, denen man das mühevolle und angestrengte Arbeiten schon beim ersten Blick anmerkt. Dafür aber führt vieles Radieren, Abwechslung in den Vorlagen zur Tüchtigkeit.
Wenn wir auch nicht daran denken, unsere Kunstweise zu Kopierzwecken herabzuwürdigen, so geschieht das Entwerfen der ersten Anlage doch selten auf der grundierten Platte. Eine Studie in Feder oder Kreide ist meistens Vorlage für die Arbeit und ihre Hauptumrisse werden auf den Ätzgrund mittelst Pause übertragen. Mit mittelweichem Bleistift wird sie auf starkem Pauspapier hergestellt. Ein Stück weißes, dünnes Schreibpapier wird auf eine harte, glatte Unterlage gelegt und mit weichem Fettrötel (oder Schneiderkreide) gleichmäßig übergangen; nach vollendeter Arbeit wird das überschüssige, noch am Papier liegende Rötelpulver abgestaubt, denn es würde sich beim Aufbringen der Zeichnung auf die Platte unangenehm bemerkbar machen. Überdies reibt man das aufgestrichene Pulver mit dem Handballen fest an’s Papier. Die Kupferplatte wird zunächst auf einem Brett mit Nägeln befestigt. Darüber wird die gepauste Zeichnung, [22] Bildseite nach unten, gelegt, ihre Lage auf der Platte genau eingestellt und mit Reißnägeln an einer Seite befestigt, damit man beim Pausen immer nachsehen kann. Das Rötelpapier wird dann zwischen Platte und Pause, bestrichene Seite nach unten, eingeschoben; es braucht ja in seiner Lage nicht genau fixiert zu werden. Mit einem mittelharten Bleistift, einem Holz- oder Beingriffel erfolgt nun das Aufpausen der Konturen auf den Ätzgrund. Sie sind nach vollendeter Arbeit licht auf dunklem Grund sichtbar.
Das bestrichene Papier läßt auf dem Ätzgrund einen mehr oder weniger dichten Schleier von Farbenpulver zurück, der die gepauste Zeichnung undeutlich macht. Dieser Schleier läßt sich mit einem sehr weichen Lappen, einem Stückchen Flanell oder Watte leicht wegwischen, die Zeichnung hält fest am Ätzgrund und tritt dann ganz klar zutage.
Braucht man die Vorlage nicht zu schonen, so kann das Pauspapier erspart werden. Man zeichnet dann die Konturen auf deren Rückseite durchs Fenster nach. Auch auf Gelatinefolien, dünnen glasklaren Gelatineblättern, kann die Pause hergestellt werden. Hier werden die Konturen nicht gezeichnet, sondern mit scharfer Radiernadel eingeritzt. Diese geritzte Zeichnung wird dann mit Rötelpulver eingerieben und blankgewischt. Sodann legt man sie – Bildseite nach unten – auf die grundierte Platte, legt zähes graphitiertes Papier darauf und reibt mit dem Beinstab kräftig ( Abb. 13 ), oder läßt Platte mit [23] Pause und Papier durch die Walzen gehen bei schwach gestellter Spannung. Das Resultat dieses Verfahrens unterscheidet sich von dem des erstbeschriebenen Vorgangs nur durch seine Kostspieligkeit. Wer radieren will, muß eben ein kundiger Zeichner sein, und dem wird das Pausen gewiß keine Schwierigkeit bereiten.
Gelatinepausen zeichnen sich allerdings durch außerordentliche Genauigkeit aus und sind dann notwendig, wenn eine sehr komplizierte Zeichnung mit größter Präzision übertragen werden soll. (Faksimilie, Landkarten und dergl.)
Man kann eine Zeichnung auch direkt auf die Platte übertragen und zwar wie folgt: Man stellt das Bild – ohne viel Detail – auf glattem Naturpapier mit schwarzer und weißer Kreide her; dabei zeichne man alles sehr kräftig und präzis, vermeide jede Verschwommenheit und sehe auf klare Linienführung. Mit einem Gemisch von arabischem Gummi und etwas Seife reibt man die grundierte Platte ein und beeilt sich, auf diese noch feuchte Emulsion die soeben beschriebene Zeichnung – Bildseite nach unten – draufzulegen. Sofort wird damit begonnen, die Rückseite der Zeichnung mit dem Beinstab ( Abb. 13 ) zu reiben. Dieser Vorgang liefert auf dem Ätzgrund ein sehr präzises Spiegelbild unserer Vorlage; man kann daran ohne weiteres mit dem Radieren beginnen. Bei reiner Linienzeichnung schummert man das Naturpapier vorerst ganz mit weißer Kreide an und zeichnet [24] mit schwarzer Fettkreide auf diesen weißlichen Grund. Die Seifen-Gummischicht muß sehr dünn, gleichsam wie ein Hauch auf der Platte sein.
Das wichtigste Werkzeug zur Ausführung des künstlerischen Teiles der Radierung ist die Radiernadel. Sie muß aus gutem Stahl und darf nicht so dünn sein, daß sie sich bei schwachem Aufdrücken schon biegen läßt. Unbestritten vorzügliche Dienste leisten Nähnadeln von mittlerer Stärke. Sie sind so hart, daß sie eher brechen als sich biegen und schneiden gegebenenfalls auch ins Kupfer sehr gut ein. Zwei solche Nadeln, eine feinere und eine stärkere, genügen für den Anfang vollkommen. Sie werden in Hefte aus hartem Holz gefaßt, sodaß nur ihre Spitzen aus demselben hervorsehen. Eine solche Radiernadel hat dann das Aussehen eines feingespitzten Bleistiftes, dessen Dicke das Heft auch nicht übertreffen soll. ( Abb. 5. ) Wichtig ist, daß die Nadel fest und ohne zu wackeln oder zu »federn« im Holze sitze. Die Brauchbarkeit der Spitze prüft man, indem man auf einer anderen Kupferplatte (ein Abfall von Kupferblech genügt zum Probieren von Nadel und Ätzwasser) krumme Linien nach [25] allen Richtungen hin zeichnet; gelingt dies, ohne daß die Nadel stecken bleibt oder scharrt, so ist dieselbe zur Arbeit brauchbar; im andern Falle muß die Nadel erst durch Wetzen auf glattem Holz, Leder oder Pappe dahin gebracht werden. In Fachgeschäften erhält man Radiernadeln gebrauchsfertig zu kaufen.
Für den Anfänger ist es ratsam, bei seinen Erstlingsarbeiten sich bloß einer Nadel zu bedienen. Diese sei nicht allzu dünn, damit die Strichführung nicht kleinlich und zaghaft werde.
Man kann mit der Durchzeichnung der Umrisse beginnen, damit sie nicht durch Verwischen verloren gehen. Ein leichter Druck der steilgehaltenen Nadel wird den Ätzgrund sicher bis zur Bloßlegung des Kupfers durchschneiden; mehr soll auch gar nicht angestrebt werden, also nicht » gravieren « wollen, das Vertiefen der Striche besorgt schon die Säure!
Man vermeide es, die Hand auf den Ätzgrund zu legen, da sie ihn erwärmen und verwischen würde. Man lege ein Stück Pauspapier unter die Hand.
Von den Konturen geht man dann allmählich zu Strichlagen über. Hier ist Vorsicht geboten. Die radierte Zeichnung gibt dem Auge des unerfahrenen Radierers fast gar keine Anhaltspunkte zur Abschätzung der im angestrebten Bilde beabsichtigten Dunkelheit des Tons. Der Anfänger ist leicht verleitet, [26] mit allzu großer Kraft in die Schattenpartien hineinzuarbeiten, aus dem Radieren wird ein Gravieren, die offene Strichlage geht verloren und mit ihr die Aussicht auf einen guten Abdruck.
Nicht umsonst möchte ich mich bei diesem wichtigen Absatz länger aufhalten, denn hier sind die ersten ernsteren Gefahren zu bestehen, hier ist die Quelle so manches Mißerfolges zu suchen.
Der Anfänger bedenke Folgendes:
Druckfarbe kann nur in einer schmalen Vertiefung sitzen bleiben, von wo sie mit der Hand oder dem Wischballen nicht herausgewischt werden kann. Wird also infolge zu dichter und gekreuzter Strichlagen eine ganze Fläche vom Ätzgrund befreit, so frißt die Säure an dieser Stelle nicht voneinander getrennte, vertiefte Furchen, sondern eine Grube ein, der Form der Fläche entsprechend. Der Boden dieser Grube ist aber nicht fähig, Farbe an sich zu halten, dieselbe wird beim Abziehen der Platte einfach weggewischt. Ein Abzug von dieser Platte zeigt dann an der betreffenden Stelle einen schmutzigen, flauen Fleck und die Arbeit ist verdorben.
Die Strichlagen müssen also offen gehalten bleiben, d. h. es muß dafür gesorgt werden, daß zwischen den Strichen auch genügend breit der Ätzgrund bleibt; denn Erfahrung ist, daß die Säure nicht nur nach der Tiefe, sondern selbstredend auch seitlich ätzt; die Folge davon ist ein Breiterwerden des radierten Strichs. Es ist nun einleuchtend, daß zwei allzu nahestehende Striche auf diese Art [27] ihren »Steg« (das ist die vom Ätzgrund geschützte Fläche zwischen beiden) verlieren können; man nennt diese Erscheinung das »Unterfressenwerden« der Stege. Solche Stellen bilden im Abdrucke unerfreuliche Flecke (sogenannte »Nester«). Will der Anfänger schon jetzt an besonders zart zu gebenden Stellen eine feinere Radiernadel neben der stärkeren mit verwenden, so ist dagegen nichts einzuwenden. Nur darf nicht Zartheit mit Helligkeit verwechselt werden. Die Zartheit hängt von der Feinheit der Nadel ab, die Tonverschiedenheiten aber fast ausschließlich von der verschiedenen tiefen Ätzung. Ein haardünner Strich kann infolge tiefer Ätzung im Bilde sehr dunkel sein, hingegen aber ein mit grober Nadel erzeugter infolge schwacher Ätzung ganz hell und duftig kommen. Diese Wechselbeziehungen zwischen Nadel und Ätzwasser bestimmen den Charakter des resultierenden Bildes, und schon bei der Anlage der ersten Strichlagen muß der Radierer sein Endziel klar vor Augen haben, wenn es ihm mit der Erreichung seiner künstlerischen Endabsicht ernst ist und er den Erfolg seiner Mühen nicht dem blinden Zufall überlassen will mit einem leichtsinnigen »Wird’s wie’s wird!« Denn darin liegt ja der Genuß, die Freude an dieser edlen Technik, daß sie alle künstlerischen Intellekte vereint; Geschmack in der Form, in der Raumverteilung und in der Verteilung der Tonqualitäten, diese vereint mit den nun erst zu erwerbenden technischen Erfahrungen führen dann zur Meisterschaft.
[28]
Es gibt viele gute Rezepte zur Bereitung von Ätzwässern, doch will ich auch hier meinem Vorsatz treu bleiben und einfach nur ein , allerdings wohlerprobtes, Rezept anführen, mit dem der Anfänger, wie auch der Fortgeschrittene für alle Fälle auskommen wird.
Den Hauptbestandteil des Ätzwassers bildet die Salpetersäure. Sie ist in jeder feineren Drogerie in einwandfreier Reinheit erhältlich und gewöhnlich 40 – seltener 42 – prozentig. Diese konzentrierte (rauchende) Salpetersäure sowie auch das aus ihr bereitete Ätzwasser muß unbedingt in Flaschen mit eingeschliffenem Glasstöpsel (sogenannten Säureflaschen) aufbewahrt werden. Aufschriften mit Vermerk des Prozentgehaltes des Flascheninhalts sind zum bequemen, sicheren Arbeiten sehr wünschenswert. Eine in Kubikzentimeter eingeteilte zylindrische Glasmensur dient zu den verschiedenen Messungen, welche zum richtigen Mischen notwendig sind.
Einen zweiten Bestandteil bildet chlorsaures Kali; zum Lösen beider dient abgekochtes oder destilliertes kaltes Wasser. Das Ätzwasser soll nicht mehr als 17 bis 18% Salpetersäure enthalten; ein blankes [29] Kupferblech (unsere Probeplatte) darf bei Berührung mit der Lösung nicht sofort aufschäumen, sondern soll sich bei mittlerer Zimmertemperatur nach etwa 30 bis 60 Sekunden langsam mit Bläschen belegen.
Recht bequem ist folgender Vorgang:
In 100 cm ³ reinem (destill.) Wasser werden 2 Gramm chlorsaures Kali vollständig gelöst. In diese Lösung gießt man sehr langsam nach und nach im ganzen 100 cm ³ konzentrierte Säure. Hierbei tritt eine Erwärmung des Gemisches ein. Nach dessen Erkalten schüttelt man bei geschlossener Flasche tüchtig um, damit eine recht gleichmäßige Mischung erfolgt. (Die Säure ist schwerer als Wasser und sinkt vor der gänzlichen Lösung darin unter.) Diese Lösung ist jetzt (genau kennt der Händler den Prozentgehalt seiner Säure meistens nicht, und die Anschaffung eines Aräometers ist durchaus nicht notwendig) ungefähr 20prozentig, also wahrscheinlich zu stark. Wir gießen nun in die Glasmensur genau 10 cm ³ unseres Ätzwassers und heben mittelst eines Glasröhrchens einen Tropfen Ätzwasser daraus auf die blank gescheuerte und entfettete Probeplatte. Erfolgt nun die Blasenbildung zu bald und zu heftig, dann ist das Ätzwasser zu stark. Wir gießen nun etwa 1 cm ³ (destill.) Wasser in die Mensur nach, müssen aber vorerst die Probe wieder mit dem zu prüfenden Ätzwasser auf 10 cm ³ ergänzen. Eine zweite Probe auf Kupfer an einer andern Stelle wird schon ein Abnehmen der Energie bekunden. Dies setzt man [30] fort, bis die Flüssigkeit in der Mensur den gewünschten Grad erreicht hat. Wäre dies z. B. nach Zugießen des 3. cm ³ erfolgt, so heißt das: 3 cm ³ Wasser zu 10 cm ³ Lösung gibt den gewünschten Grad oder: 3 Zehntel vom Volumen des Ätzwassers muß noch Wasser zugegossen werden. Hat man nun 200 cm ³ Lösung angesetzt, so bedarf sie noch 60 cm ³ Wasser, um den erwünschten Grad zu erreichen.
Derselbe Vorgang, nur entsprechend verändert, ist auch angezeigt, wenn man ein zu schwach geratenes Ätzwasser, bei dem es fast gar nicht zu Blasen kommen will, durch Zugießen von konzentrierter Säure verstärken will.
Statt der Probeplatte kann man sich auch eines blanken Probestreifens aus Kupferblech bedienen. Man senkt ihn in die mit dem fraglichen Ätzwasser gefüllte Mensur.
Das chlorsaure Kali ist zur Bereitung des Ätzwassers nicht unumgänglich notwendig, jedoch als Zusatz sehr anzuempfehlen, da das Arbeiten mit einem solchen Ätzwasser infolge der ausgleichenden Wirkung dieser Substanz sehr angenehm und der Ätzeffekt viel harmonischer ist. Die Konzentration des Ätzwassers hat auf den Charakter der Ätzung erheblichen Einfluß, was bei Arbeiten ernsterer Art berücksichtigt werden muß. Für besonders tiefe sammetartige Töne erhöhen wir den Säuregehalt, soweit dies mit Rücksicht auf die Widerstandsfähigkeit des Ätzgrundes zulässig erscheint. Zarte und [31] duftige Partien bedürfen hinwiederum eines stark verdünnten Ätzwassers; selbstverständlich muß mit größerem Prozentgehalt die Ätzdauer bedeutend verkürzt werden, wie sie bei dünnerem Agens entsprechend verlängert werden muß.
Daß Salpetersäure sowie auch ihre Lösungen für Stoffe und dergl. sehr verderblich werden können, daß die Hände vor Berührung mit ihr sorgfältig zu hüten, im andern Falle aber durch sofortiges gründliches Waschen vor schmerzhaften Verätzungen zu retten sind, ist wohl allbekannt. Fällt ein Tropfen Säure auf ein Tuch, so kann unverzügliches Übergießen oder reichliches Betupfen mit gesättigter Sodalösung (Waschsoda) unter sonst günstigen Umständen vor Schaden bewahren.
Es handelt sich nun darum, die radierte Platte für die Ätzung derart auszurüsten, daß zuverlässig nur die Zeichnung der Wirkung der Säure ausgesetzt werde, alles übrige, bloßliegende Kupfer aber, namentlich die Rückseite davor geschützt sei. Der Mittel hierzu gibt es einige, sie seien hier der Vollständigkeit wegen alle behandelt.
1. Das älteste Verfahren, von vielen Meistern noch heute angewendet, besteht darin, daß man um die Zeichnung herum auf der Platte einen etwa daumenbreiten Damm aus Ätzwachs aufmodelliert, [32] welcher mit der Platte zusammen eine Art rechteckiger Schale bildet, in der das Ätzwasser etwa 10–15 Millimeter hoch stehen kann. Selbstverständlich muß vor dem Eingießen der Säure die Wasserdichtheit dieser improvisierten Schale erst sorgfältig mit gewöhnlichem Wasser erprobt werden.
2. Ein anderes Verfahren besteht darin, daß man die ganze Platte (mit Ausnahme des zu ätzenden Bildes) mit säurefestem Asphaltlack bestreicht. Nachdem dieser Anstrich vollkommen trocken geworden, kann die Ätzung in einer photographischen Schale aus Porzellan oder Glas geschehen.
Das unter 1. beschriebene Verfahren hat fast nur Schattenseiten: Ist schon das Aufmodellieren des Wachsdammes keine angenehme Arbeit, so ist das Ätzen selbst äußerst unbehaglich, das Zurückgießen des Ätzwassers in die Flasche aber trotz einer in die Wachsmasse eingedrückten Ausflußdille geradezu problematisch. Ferner ist zu bedenken, daß die Platte (wie später beschrieben), nach der ersten Ätzung mit Nadel und Pinsel weiter bearbeitet werden soll, daß hierauf abermaliges Ätzen und abermaliges Arbeiten am Bilde erfolgen kann. Soll man da mit der Nadel und dem Pinsel vielleicht über den weichen klebrigen Wachsrand hinweg arbeiten, oder gar nach jedesmaliger Ätzung denselben abräumen und nach erfolgter Arbeit behufs neuerlicher Ätzung ihn wieder aufmodellieren?
Gegen das 2. Verfahren ist in der Theorie nichts einzuwenden. In der Praxis zeigt sich jedoch, [33] daß der Asphaltlack an den Kanten und Ecken durch Anfassen mit den Händen weggewischt wird, selbst wenn der Anstrich noch so dick wäre. Auf der Rückseite ist derselbe fortwährend Beschädigungen infolge Aufliegens ausgesetzt, welche zu unerwünschten »Schadenätzungen« Anlaß geben.
Diese Mißlichkeiten haben mich zu folgendem Ausweg geführt. Hierzu ist bloß eine stärkere Glastafel nötig, deren Kanten um etwa 3 cm größer sein müssen als die der Kupferplatte. In unserem Falle wäre die Platte 13 × 18; dann müßte die Glastafel 16 × 21 cm messen.
Auf der Rückseite der Kupferplatte wird unter jede Ecke ein erbsengroßes Stück Ätzwachs geklebt und die Platte mittelst dieser Klümpchen an der Glastafel derart durch Drücken und Schieben befestigt, daß erstens die Klümpchen ganz flach gequetscht werden, zweitens , daß die Kupferplatte in der Glastafel konzentrisch liegt; d. h. daß ein 1½ cm breiter Rand freien Glases um die Platte herumläuft. Mit einem geeigneten Modellierholz werden nun die Fugen zwischen Kupfer und Glas mit Ätzwachs wasserdicht verschmiert, damit ja kein Ätzwasser an die Hinterfläche der Kupferplatte gelangen kann. Das gelingt nur, wenn Kupfer und Glas vollkommen trocken sind. Zur Sicherheit kann jetzt Glasrand, Wachsrand und Platte (diese bis an die Bildgrenze) mit Asphaltlack bestrichen werden. ( Abb. 6. ) Eine also ausgerüstete Platte bietet die Bequemlichkeit, nicht nur zum Ätzen, sondern [34] auch zu etwaiger Handbearbeitung auf dem Tisch immer bereit zu sein; ein Zerstören des Schutzüberzuges an den Kanten ist hier ausgeschlossen. Hat man es bei einer Arbeit überhaupt mit nur einer einzigen Ätzung zu tun, so genügt das unter P. 2 beschriebene Verfahren.
Man schmilzt in einem Topfe ein ausgiebiges Quantum schwarzen Ätzgrund (siehe Bereitung Seite 7 ) [35] bei gelinder Hitze und setzt soviel Wachs und Unschlitt hinzu, bis die Masse beim Erkalten nicht mehr ganz erstarrt, sondern die Konsistenz von Modellierton behält. Ein Zusatz von Brennöl ist vorteilhaft aber nicht unbedingt notwendig; er macht eben das Wachs recht geschmeidig. Bei Benutzung der Methode mit der Glastafel braucht man übrigens nicht viel von dieser Masse zu bereiten. Am besten schützt man sich vor der lästigen Klebrigkeit des Ätzwachses, wenn man es in eine hölzerne oder blecherne Salbendose eingießt und darin erstarren läßt. Zum Gebrauch sticht man seinen Bedarf mit dem Modellierholz heraus. Sollte das Wachs, namentlich im Sommer, gar zu weich und klebrig sein, so setze man ihm, indem man es wieder einschmilzt, noch etwas Asphalt zu. Dieser muß aber wieder allein geschmolzen und dann erst mit der andern Masse gemischt werden.
Wir legen nun unsre auf eine Glastafel aufgemachte Platte, Bildseite nach oben, in eine der Größe entsprechende photographische Schale aus Glas oder Porzellan. Diese Schale darf nicht zu knapp sein, da sonst das Herausnehmen der Platte aus dem Ätzbade schwierig ist. Auf das radierte Bild gießen wir das Ätzwasser, bis es wenigstens 1 cm hoch über der Kupferplatte steht. Wegen des sich [36] entwickelnden gesundheitsschädigenden Gases soll das Ätzen nicht in einem Wohnraum vorgenommen werden. Kann man nicht im Freien arbeiten, so wähle man ein offenes, im Schatten liegendes Fenster dazu.
Bald nach Aufgießen des Ätzwassers wird man bemerken, daß die bis dahin rotgoldschimmernden Striche der Zeichnung an Glanz verlieren und weiß werden; ein Zeichen, daß die Bläschenbildung begonnen hat. Am reichlichsten zeigt sich diese Erscheinung zuerst an den kräftig radierten Stellen, also meistens in den Schattenpartien. Allmählich steht das ganze Bild bis in die zartesten Partien in Bläschen. Bis zu diesem Zeitpunkt muß die Platte unbedingt im Ätzbade verweilen. Mit einer Gänsefeder werden von Zeit zu Zeit die Bläschen von der Zeichnung weggestrichen, damit die Ätzung von denselben nicht aufgehalten werde. Hat man eine recht tiefe Schale, so neigt man sie derart, daß die Platte ganz vom Ätzwasser befreit wird; wenn dann nach einigen Augenblicken die Bläschen von den radierten Strichen gänzlich verschwunden sind, läßt man durch Wagrechtstellen der Schale das Ätzwasser wieder über die Platte. Das sich entwickelnde Gas ist – eingeatmet – gesundheitsschädlich; längeres Verweilen mit dem Gesicht über der Schale ist streng zu vermeiden. Angezeigt ist es deshalb, die Schale mit einer größeren Glastafel während der Ätzungen bedeckt zu halten.
J. Roller empfiehlt in seinem Buche » Technik der Radierung « (Wien, Hartleben) u. a. das [37] Dr. Böttcher’sche Ätzwasser, da damit der Ätzprozeß ohne schädliche Gasentwicklung vor sich geht: 10 Gewichtsteile rauchende Salzsäure + 70 Gw.-T. dest. Wasser + 2 Gw.-T. 10% siedende Lösung chlorsaures Kali. Mir kommt jedoch dieses Ätzwasser ein wenig zu schwach, also langsam wirkend und minder energisch vor. Für zarte Partien und für Tonätzungen jedoch ist es wegen seiner milden Wirkung zu empfehlen.
Die erste Ätzung kann in 5–10 Minuten beendet sein. Ihre Wirkung soll für die lichtesten und zartesten Partien des Bildes berechnet sein. Mit einem meißelartig zugeschnittenen, reinen Holzstäbchen hebt man nun die Platte, bei der Glaskante fassend, empor, nimmt sie vollends heraus und spült sie sofort in reinem Wasser, indem man sie in einem großen Gefäß mit Wasser hin- und herbewegt oder sie unter der Wasserleitung abbraust. Ausgiebiges Spülen der Platte ist unerläßlich , da in den feinen Vertiefungen der Striche leicht Säure sitzen bleiben und sich schädlich bemerkbar machen kann. Das Trocknen der Platte beschleunigt man durch Andrücken, ( nicht Wischen! ) reiner trockener Leinwand oder eines Filtrierpapiers. Man kann jetzt an einer minder wichtigen Stelle, am besten an einer Ecke, zur Probe mit Terpentin den Ätzgrund entfernen, um nachzusehen, ob die Ätzung genügend tief gegriffen hat. Soll weitergeätzt werden, so wird die Probestelle mit Pinselfirnis wieder sorgfältig gedeckt (siehe Seite 40 ). Die Striche werden mit sehr spitziger Nadel nachradiert.
[38]
Die im Ätzbade entstandenen Furchen sind alle gleich tief. Da nun die Dunkelheit des Striches im Abdruck von der Tiefe seiner Ätzung abhängt, so ergibt sich bei unsrer Platte der Schluß, daß alle Striche der Zeichnung im fertigen Druck die gleiche Intensität haben werden. Das ist aber nicht immer unsre Absicht, denn ein Abdruck von unsrer Platte, in ihrem jetzigen Zustand, würde ein eintöniges, flaues und mageres Aussehen haben, Tondifferenzen dürften wir von ihm nicht erwarten.
Hätten wir, um ein Beispiel anzuführen, eine Landschaft mit geschlossen im Ton wirkenden Laubmassen, Gelände im Vordergrunde, weißem Gemäuer und bewölktem Himmel, so ergeben sich für uns drei Tonwerte: Die dunkle Laubmasse (und vielleicht einige Kraftstellen sonstwo), der Mittelton des Geländes und die Helligkeit des Himmels mit den Flecken weißen Gemäuers. Die erste Ätzung geschieht wie vorhin beschrieben; sie muß der Helligkeit des Gewölkes und des Gemäuers angemessen sein. Zur weiteren Behandlung der trockenen Platte bereiten wir uns » Deckfirnis « auf folgende Weise: Harter Ätzgrund wird bei mäßiger Hitze geschmolzen. Sodann wird ihm soviel Terpentinessenz zugesetzt, daß dieser Firnis in kaltem Zustand nicht mehr stockt, sondern dickflüssig bleibt. Ein geringer Zusatz von braunem Siccativ bewirkt ein [39] rasches Trocknen auf der Platte. Dieser honigdicke »Pinselfirnis« oder »Deckfirnis« wird in einem Fläschchen, gut verkorkt, an einem kühlen Orte in Vorrat gehalten. Sollte bei großer Kälte eine Stockung eintreten, so stellt man das Fläschchen eine Weile in warmes Wasser. Der Firnis hält sich im warmen Zimmer dann lange flüssig. Bei dieser Gelegenheit kann man auch noch Terpentin unter kräftigem Schütteln zusetzen.
Von diesem Pinselfirnis nehmen wir etwas in ein Porzellanschälchen und decken mittelst eines elastischen Pinsels (am besten Marder- oder Fischpinsel) alle Flächen, deren Zeichnung wir nicht mehr zu ätzen beabsichtigen. In unsrem Falle wären dies die Luft und das lichte Gemäuer. Es muß dafür Sorge getragen werden, daß der Firnis auch wirklich in die Ritzen eindringt, da sonst unbedeckte Striche weiterätzen und den Gesamtton stören würden. Nachdem dieser Pinselfirnis vollkommen getrocknet ist, kommt die Platte zum zweitenmale in die Schale. In der vorhin beschriebenen Weise wird auch die zweite Ätzung eingeleitet und zu Ende geführt. Dabei muß der Gang des Prozesses sorgfältig überwacht werden, damit nicht die auf Seite 27 schon erwähnten Stege unterfressen werden. Ist der Ätzgrund gut, das Ätzwasser nicht zu stark und die Zimmertemperatur normal, so wird dies auch nicht zu befürchten sein; sonst ist die Ätzung durch sofortiges Herausnehmen der Platte und Spülen derselben im Wasser zu unterbrechen.
[40]
Nach glatt verlaufener Ätzung wird die Platte gespült und getrocknet und die weitere Abdeckung mit Pinselfirnis vorgenommen. Nach der dritten Ätzung waren die kräftigsten Partien am längsten der Säure ausgesetzt und sind somit am tiefsten geätzt. Es versteht sich von selbst, daß die Zahl der Teilätzungen dem freien Ermessen des Radierers anheimgestellt ist; daß man über ein gewisses Maß nicht hinausgehen wird, ist einleuchtend, denn Kontrastwirkungen gehören eben zu den dankbarsten Mitteln, durch welche eine Radierung zu uns spricht. Jedenfalls soll sich der Anfänger, und gewiß zum Wohle seiner Arbeit, nicht über drei Teilätzungen versteigen.
Hat man aus Unvorsicht oder mangelnder Übung beim Abdecken Striche mit Firnis gedeckt, welche noch weiter ätzen sollen, so werden sie nach dem Trocknen des Firnisses mit der Nadel nachradiert; sie sind, da sie infolge der früheren Ätzung schon vertieft sind, unter dem Firnis ganz gut sichtbar. Auch fehlerhafte Striche (welche vor der ersten Ätzung schon richtig gestellt werden müssen) deckt man mit Pinselfirnis, ebenso alle Verletzungen, welche während des Arbeitens im Firnis entstanden sind, sowie die freigelegten Probestellen.
Zu voll darf der Pinsel nie genommen werden, damit der Firnis sich auf der Platte nicht in unerwünschter Weise ausbreite und Striche verdecke, die weiterätzen sollen. Nach dem Gebrauch wird der Pinsel mit Terpentin oder Seife gründlich gereinigt.
[41]
Schon vor dem Aufpausen der Konturen soll sich der Radierer eine klare Disposition für den Verlauf seiner Arbeit zurechtlegen, nach der er seine Aufgabe zu bewältigen gedenkt. Eine solche Disposition ist hauptsächlich abhängig und bestimmt von der beabsichtigten Bildwirkung. Diese verlangt oft nach einem dem Gegenstande eigens angepaßten Arbeitsprogramm, nach welchem allein oft den verschiedentlichen technischen Schwierigkeiten beizukommen ist.
Betrachten wir z. B. einen ästereichen Baum, dessen dunkle Silhouette sich in zerrissenen Konturen von lichtem Hintergrunde abhebt.
Welche Arbeit würde hier nach der ersten Ätzung das Decken mit Pinselfirnis in den zahllosen Durchblicken erfordern! In allen solchen Fällen wird man sich die Radierarbeit in zwei, vielleicht gar drei Phasen teilen, zwischen denen immer geätzt wird. Die Aufmachung der Platte auf der Glastafel gestaltet ein solches Abwechseln von Radier- und Ätzarbeit zu einem spielenden. Die dunklen Partien des Vordergrundes werden zuerst radiert und gleich tief – jedoch mit Rücksichtnahme auf die noch folgenden Ätzungen – geätzt. Über die geätzten Striche kann beim Weiterradieren ganz unbesorgt darüber gegangen werden, da solche Striche den ohnehin tiefen Ton der früher geätzten Flächen nicht verändern.
[42]
Sobald unsere Kupferplatte auf der Glastafel aufgemacht ist, genügt eine Unterlage aus Pauspapier für die Hand nicht mehr, weil das Papier an den Wachsrändern kleben bliebe. Wir machen uns deshalb ein Bänkchen aus einem Holzbrettchen und zwei kurzen Leisten. Diese werden an die Enden des Brettchens angeleimt. Sie müssen so dick sein, daß der Ätzgrund vom darüberliegenden Brettchen nicht berührt wird. Glasdicke + Plattendicke + etwa 3 mm ergibt die Höhe der Füßchen. Das Bänkchen muß auch genügend lang sein, damit man es in beliebigen Lagen über der Platte verwenden kann. Auch muß das Brettchen so stark sein, daß es nicht vom Gewicht der Hand auf den Ätzgrund niedergedrückt werde. ( Abb. 7. )
Auch die lichte Ferne kann zuerst radiert und geätzt werden; dann muß aber zwecks weiterer Arbeit die Platte neu grundiert werden. Auf dem neuen Grund bereitet dann keine, auch noch so komplizierte Vordergrundpartie erhebliche Schwierigkeiten. Diese kann selbstverständlich für sich wieder in Teilätzungen behandelt werden, nur ist in diesem Falle das Reinigen und Entfetten der Platte nach der ersten Arbeitsphase, das neuerliche wasserdichte Aufmachen auf die Glastafel lästig und gestaltet den Gang der Arbeit etwas schleppend.
Wie aus dem Besprochenen zu entnehmen ist, bietet diese Technik eine Fülle der Mannigfaltigkeit in der Behandlung, wie sie kaum eine andere aufzuweisen hat. Deshalb auch wird sie immer mehr [43] der treue Spiegel der Persönlichkeit des Radierers, denn bei solcher Mannigfaltigkeit der Ausdrucksmittel ist es kein Wunder, wenn diese alte Kunstweise in immer neuer Art aus der Hand des Ringenden wie des Meisters uns entgegentritt.
Nach der letzten Ätzung wird die Platte gründlich gespült, getrocknet, und mit dem Modellierholz langsam und vorsichtig von der Glastafel abgehoben, dabei ist jede Gewaltanwendung zu unterlassen, denn das hätte sicher das Zerspringen der Glastafel zur Folge. Das Ätzwachs wird, soweit es angeht, abgenommen und in die Vorratdose zurückgestrichen. Die Platte selbst wird, auf einem Brette [44] liegend, mittelst Terpentin vom Ätzgrunde befreit. Hierzu eignet sich ein Bausch von Zeitungspapier. Terpentin muß reichlich zur Hand sein, damit die Reinigung gründlich erfolge. Zuletzt wird mit einem ganz reinen Lappen (am besten aus Leinwand oder Baumwolle) solange gescheuert, bis die letzte Spur von Ätzgrund von der Platte entfernt erscheint. Solange der weiße Lappen sich noch schwärzt, muß gescheuert werden. Ein Zeichen der gründlich erfolgten Reinigung ist es, wenn die radierten Striche in hellrotem Kupferglanz schimmern.
Von unsrer Glastafel brauchen wir das Ätzwachs nicht zu entfernen; eine zweite Glastafel, darübergelegt, schützt das Wachs vor Staub und uns selbst vor seiner lästigen Klebrigkeit. Beide Tafeln lassen sich in einer niedrigen Schachtel samt dem Modellierholz bequem aufbewahren.
[45]
Bevor ich auf dieses Thema näher eingehe, möchte ich dem Anfänger dringend ans Herz legen, diese Disziplin nicht auf die leichte Achsel zu nehmen. Mag sie Schweiß kosten, denn das Abdrucken von der Platte mit unsern primitiven Mitteln erfordert viel Übung und steht an Schwierigkeit dem bisher Gelernten nicht nach, ja kann es unter Umständen noch übertreffen. Trotzdem ist die Erlernung dieser Kunst unerläßlich, wenn der Anfänger mit den Leiden und Freuden der ganzen Technik so recht vertraut werden will. Bei unverdrossener Übung bleibt der Erfolg gewiß nicht aus, und die Freude an einem wohlgelungenen Abdruck wiegt alle Müh’ und vielleicht auch ausgestandenen Ärger reichlich auf. Die Schwierigkeit des Verfahrens liegt darin, daß so viele Faktoren beim Gelingen in Betracht kommen, Faktoren, deren Zusammenwirken man erst durch fortwährendes Üben erkennen und beherrschen lernt.
Gleich hier muß ich einem Mißverständnisse entgegentreten, das geeignet ist, das nun zu Erlernende um seinen Wert zu bringen: Wir dürfen von unsrer Mühe durchaus nicht ein elendes Surrogat für einen mittelst Walzenpresse [46] gewonnenen Abzug erwarten; Erfahrung und Übung führen zu Resultaten, die den Vergleich mit einem aus der Presse hervorgegangenen Blatte wohl auszuhalten im stande sind. (Siehe sämtliche Kunstbeilagen.)
Unsre erste Sorge richtet sich auf
Seine Eigenschaften müssen dem Zwecke angemessen sein.
Es muß sich in die feinen Furchen der Kupferplatte eindrücken lassen; um die in diesen Furchen sitzende Druckfarbe aufzunehmen, muß es auch saugfähig genug sein. Diesen Zwecken entspricht in erster Linie »Japanpapier« und das sogenannte »Kupferdruckpapier«. Für unsre Zwecke ist jedoch jedes gute, geschöpfte Papier vorzüglich geeignet. Auch Maschinenpapier kann gut sein; empfehlenswert sind die sehr licht getonten, ziemlich starken Naturpapiere der Papierfabrik Eichmann & Comp. in Arnau. Schöne Drucke liefert »Ingrespapier«, auch »Kohlenskizzenpapier« genannt. Für Probedrucke eignet sich feuchtes Filtrierpapier auch ganz gut. Obwohl es beim Probedruck nicht von Belang ist, empfiehlt sich doch die Wahl eines angenehm lichtgetonten Papiers, da das reine Weiß meist einen kalten Eindruck macht.
Das Papier wird zunächst in Stücke geschnitten, deren Format dem der Kupferplatte entspricht. Es soll [47] um ein Beträchtliches größer sein als die Platte. Zum Druck verwendet man es in gefeuchtetem Zustand.
Die in Formate geschnittenen Blätter läßt man einige Zeit in reinem Wasser liegen. [3] Dabei ist Sorge zu tragen, daß die Blätter nicht aneinander kleben, da sonst gewisse Stellen an ihnen trocken bleiben könnten. Man zieht jedes Blatt einzeln zuerst durch’s Wasser und wischt die entstehenden Luftblasen mit einem Schwamm weg, erst dann überläßt man die Papiere sich selbst. Je dicker das Papier, desto länger muß es sich im Wasser befinden; sehr starke und feste Papiere badet man in warmem Wasser. Auf eine Glas- oder Steinplatte legt man mehrere Blätter weißen Filtrierpapieres, darauf ein nasses Druckpapier, dann zwei Filtrierblätter, dann ein nasses Druckpapier, wieder zwei Filtrierblätter u. s. w. Oben schließen mehrere Filtrierblätter ab. Mit einer Holzwalze (Teigwalze) wird jetzt die ganze Lage kräftig gewalzt, damit sich die Nässe durch das ganze Paket gleichmäßig verteile. Schließlich legt man eine Glasplatte oben drauf und beschwert wenn nötig mit mäßigem Gewicht. Japanpapier ist sehr zart und darf nicht so behandelt werden. Es wird in ein Format geschnitten, welches ein wenig kleiner als die Kupferplatte sein muß. Dann werden nasse und trockene Filtrierblätter gemischt und gewalkt. Das Japanpapier kommt sodann in trockenem Zustand [48] zwischen die feuchten Filtrierblätter. Diese müssen stets größer sein als das Druckpapier; sie sollen das Trocknen der Ränder des letzteren verhindern.
[3] Für Handabzüge muß das Papier besonders weich sein.
Bretter aus Holz dürfen zum Pressen nicht verwendet werden, weil sie sich infolge der Feuchtigkeit werfen würden. Wohl aber kann man zwei Bretter auf je einer Seite mit dünnem Zink- oder Aluminiumblech überziehen; das Arbeiten mit ihnen ist angenehmer als das mit den zerbrechlichen Glas- oder schweren Steinplatten.
Am andern Tage ist das Papier meist schon zum Drucken geeignet. Es muß seine matte, glanzlose Oberfläche haben, sonst ist es zu naß und zur Verwendung noch nicht tauglich. In einem solchen Falle lege man trockene Filtrierblätter ein.
Das Papier verliert nur sehr langsam von seiner Feuchtigkeit unter der Presse; eventuell können beim Nachsehen einige Blätter Filtrierpapier mit dem Schwamm nachgefeuchtet werden.
Zum Drucken bedienen wir uns einer eigenen Firnisfarbe, der sogenannten »Kupferdruckfarbe«. Die Selbstbereitung dieser Farbe ist nicht allzuschwierig und stellt sich recht billig. Es führt sie nicht jede Farbenhandlung – in kleineren Städten wird sie überhaupt nicht zu haben sein; deshalb [49] halte ich es für wichtig, auf die Selbstbereitung hier einzugehen:
Auf einer ebenen Steinplatte wird, (um gleich eine spezielle Farbe zu nennen) Kasslerbraun, ein Pulver, aufgeschüttet und mit Leinöl und Kupferdruckfirnis mittelst eines Spachtels zu einem Teig verarbeitet. Das Verreiben geschieht mittelst eines Stein- oder Glasläufers, bis der Brei recht glatt ist. Ist dies erreicht, dann wird dieser Masse etwa die Hälfte ihres Volumens braune Schmierseife zugesetzt und neuerdings innig verrieben. Die Farbe darf zuletzt nicht »rinnen«, sondern muß die Konsistenz einer festen Salbe besitzen. Gegebenenfalls verreibt man noch etwas trockenes Farbenpulver bis zur gewünschten Festigkeit. Bei dieser Gelegenheit kann man statt Kasslerbraun Rebenschwarz (Pulverfarbe) zusetzen, wenn man warmtoniges Schwarz dem vielleicht allzurötlichen Braun vorzieht.
Wie leicht einzusehen, hat die Schmierseife den Zweck, das Haften der Ölfarbe am feuchten Papier zu ermöglichen; auch zieht sich dieselbe beim Einschwärzen nicht zäh über die Kupferplatte, sondern läßt sich von den blanken Stellen glatt wegwischen, während sie die Striche füllt. Die Druckfarbe ist, wie der Fachausdruck lautet: »streng« oder »kurz«. Nach vollendeter Arbeit wird die Druckfarbe in eine Farbendose aus Blech mit hermetisch schließendem Deckel eingefüllt. Kupferdruckfarbe ist in Tuben oder Dosen gebrauchsfertig im Handel und wird in Geschäften für Malerrequisiten geführt.
[50]
Die sorgfältig gereinigte Platte wird nun etwas angewärmt und auf ein Brett gelegt. Mit einem schmalen Spachtel nimmt man etwas Kupferdruckfarbe auf eine Glas- oder Steinplatte. Hier wird sie mit dem Druckballen zunächst auseinandergewalzt. Auf der Bildfläche der Kupferplatte verreibt man ein entsprechendes Quantum Druckfarbe mit dem Druckballen, indem man ihn in wiegender Bewegung weiterschiebt und dabei auch tüchtig niederdrückt, bis die ganze Platte schwarz ist. Einen solchen Ballen stellt man sich auf folgende Weise her:
Auf einer kreisförmigen, dicken Holzscheibe (Durchmesser etwa 8 cm ) wird im Mittelpunkte ein zylindrisches Holzstück, (eine lange Spule oder dergl.) befestigt; dann wird ein Säckchen mit Wolle gefüllt und so auf die Scheibe gelegt, daß die verbundene Öffnung auf das Holz zu liegen kommt, während die andere Seite des Säckchens eine pralle Halbkugelfläche bildet. Über das Säckchen und die Scheibe [51] spannt man nun sehr straff ein Stück geschmeidiges, schwarzes Chevreauxleder (Glanzseite außen) und bindet es mit Draht oder dünner Rebschnur in vielen Windungen äußerst fest um die Handhabe. Den Durchschnitt dieses Druckballens zeigt Abb. 8 , die Anwendung Abb. 9 .
Das Verreiben muß sorgfältig und gründlich vorgenommen werden, damit die Farbe alle Furchen auf der Platte ausfüllt. Ist dies erreicht, dann wird die Platte unter leichtem Druck mit einem trockenen Lappen blankgewischt. Gewaschene Organsinestücke eignen sich am besten dazu; sehr brauchbar sind die Reste von alten Spitzenvorhängen. [52] Besonders reine Drucke erzielt man, wenn man nach erfolgtem Blankwischen den Handballen in Schlemmkreide taucht und die Platte damit noch sehr sanft überfährt. Sind jedoch Handabzüge beabsichtigt, so wird dieses Abwischen meist zu viel Farbe von der Platte wegnehmen. Es müßte dann umso kräftiger mit dem Beinstab gerieben werden, um den Erfolg zu erzielen, den der gewaltige Druck der Stahlwalzen bringt. Da ist es besser, die Farbe von der eingeschwärzten Platte mit einem breiten Spachtel aus Ebonit oder Celluloid abzuziehen in ähnlicher Weise wie man Paletten reinigt ( Abb. 10 ). Die Schneide muß ganz gerade und an den Ecken abgerundet sein. Der Spachtel darf auch nicht steil gehalten werden! Jeder Zug geschieht mit erneut gereinigtem Werkzeug. Man setzt diese Arbeit bei größter Vorsicht so lange fort, bis das schwarze Bild vollends klar sichtbar ist.
(Nicht für Anfänger!)
Die so eingeschwärzte Platte wird mit einem [53] sauberen Lappen an den Kanten bis scharf an die Bildränder geputzt, um die letzte Spur von Farbe davon zu entfernen. Auf ein Reißbrett wird starker Pappendeckel gelegt, auf diesen dann die Druckplatte (Bildseite nach oben!) Das gefeuchtete Druckpapier wird vorerst mit einer milden Borstenbürste auf der Bildseite gebürstet. Durch diese Aufrauhung wird die Papierfläche für die Druckfarbe empfänglicher. Das Papier wird dann mit der gebürsteten Seite nach unten vorsichtig und mit Berücksichtigung der zentrischen Lage auf die Platte [54] gelegt, indem man es an zwei diagonalliegenden Ecken anfaßt und langsam niedersenkt. Man faßt das Papier bei allen nun folgenden Hantierungen mit zwei aus dünnem Kupferblech bestehenden gefalteten Blättchen an, damit es von den Fingern nicht durch die an ihnen haftende Kupferdruckschwärze beschmutzt werde. Vorher schon wurde ein Rahmen aus starker Pappe geschnitten, in den die Platte locker hineinpaßt, dessen ausgeschnittene Rechteckseiten also um 2 mm größer sind als die Plattenkanten. Der Rand des Rahmens muß sehr breit sein; er soll das Druckpapier ganz verdecken. ( Abb. 11 ).
Dieser Rahmen wird derart auf das Druckpapier gelegt, daß letzteres von der untenliegenden Platte in den Ausschnitt des ersteren gepreßt wird. ( Abb. 12 ). Platte, Papier und Rahmen liegen nun unverrückbar aufeinander. Über den Rahmen wird nun ein Blatt sehr zähen, glatten Packpapiers gelegt, welches viel größer sein muß als die Kupferplatte. Zur folgenden Manipulation bedienen wir uns eines Beinstabes, welcher die Form und Größe einer rechteckig gegossenen Siegellackstange hat.
Der Querschnitt dieses Stabes ist ein Rechteck, [55] von 2 cm : 1 cm Seitenlänge. Am Ende des Stabes sind die Basiskanten leicht abgerundet, damit das damit zu bearbeitende Papier nicht verletzt werde. Im Notfalle leistet eine Tischgabel mit prismatischem Beingriff ganz denselben Dienst; nur müssen die Kanten, wie gesagt, abgerundet sein.
Mit der linken Hand drücken wir das oben liegende Reibpapier flach an, während wir mit dem Beinstab in der rechten parallel zu einer Plattenkante in engem Zickzack über das freie Rechteck des Rahmens derart reiben, daß die Strichflächen übereinandergreifen. Dieses Reiben muß mit Nachdruck erfolgen; das Druckpapier soll auf diese Weise in die feinsten Furchen der Platte gepreßt werden. Die Handhabung zeigt Abb. 13 . Sorgfältig zu achten ist darauf, daß kein Streifen von der Reibung verschont bleibe; also recht langsam mit den einzelnen Strichen weiterrücken! Am besten gelingt die Sache wie folgt: Erst von rechts nach links reiben, dann ebenso langsam zurück; dann im rechten Winkel dazu wieder über die Platte und zurück. Diese Arbeit wird stehend verrichtet, denn sie erfordert freie Beweglichkeit. Ist das Druckpapier nicht zu stark, so sieht man bei abgenommenem Reibpapier, daß es in die Furchen bereits eingedrückt ist. Bei minder dicken Papieren schimmert auch die Druckfarbe durch. So unmerklich fast diese Erscheinung auch ist, so dient sie doch zur Orientierung, wo und ob vielleicht irgendwo nachzureiben ist; man kann dann mit mehr Beruhigung annehmen, daß alle Teile [56] des Bildes mit dem Beinstabe übergangen wurden. Japanpapier erfordert eine sehr geringe Kraftanwendung, das Bild erscheint beim Reiben auf der Rückseite sehr deutlich mit all’ seinem Detail. Auch Filtrierpapier verlangt eine minder kräftige Behandlung. Im allgemeinen muß umso kräftiger gerieben werden, je trockener das Papier ist. Sollte der Beinstab auf dem Reibpapier nicht glatt laufen, so kann letzteres mit Graphit besser gleitend gemacht werden. Es genügt vollkommen, wenn man das Reibpapier mit sehr weichem Bleistift bestreicht.
Nach Beendigung unserer Arbeit wird zuerst das Reibpapier beiseite gelegt, dann der Papprahmen abgehoben. Wir sehen das Papier fest an [57] der Platte haften. Mit einiger Vorsicht ziehen wir es an einer Ecke in die Höhe, indem wir dafür Sorge tragen, daß das Bild nicht die Platte streift, und der Abdruck ist fertig. Der erste wird nicht auch schon der beste sein, aber das, was erreicht wurde, wird, so mangelhaft es auch immerhin ausgefallen sein mag, gewiß zu wiederholten Versuchen aneifern; man bedenke nur, wieviele Faktoren hier das Gelingen beeinflussen! Gewiß wird der, welcher sich vor dem Abziehen des Druckpapieres noch einmal fragt: »War das Druckpapier nicht vielleicht zu trocken, war es zu naß?; ist die Druckfarbe nicht vielleicht zu dünn, oder zu steif gewesen?; habe ich zu lang gerieben, zu wenig, oder zu kräftig –?« nicht von einem glücklichen Zufall erwarten wollen, daß der erste Abdruck nichts mehr zu wünschen übrig lasse! Hier heißt’s eben »Erfahrung sammeln, Übung erlangen!« und daß dies nur von fleißigem, unausgesetztem Überlegen und Probieren zu erwarten ist – wer möcht’ es leugnen?!
Manchmal kommt es vor, daß der Druck nicht von der Platte will und zu fasern oder gar zu reißen droht. In diesem Falle legt man die Druckplatte samt dem Papier auf eine heiße Metallplatte und wartet eine kleine Weile. Von der durchwärmten Platte läßt sich der Druck dann leicht und ohne zu reißen abheben.
Das in den vorigen Absätzen erörterte Druckverfahren beschränkt sich lediglich auf ein Arbeiten [58] im stillen Kämmerlein, und wenn auch die Fertigkeit des Radierers im Abdrucken zu einem so hohen Grade gebracht werden kann, daß das Erzeugnis der Hand dem des Walzendruckes nicht nachsteht und in allen Ehren ein Geschenkblatt für einen engeren Kreis von Freunden repräsentieren kann, so ist eine größere Auflage von Abdrücken in dieser Weise zum mindesten nicht rationell. Für Massenauflage bedienen wir uns der Kupferdruckpresse. Abb. 14. Das Prinzip des Abdruckens bleibt das gleiche, nur daß hier das Anpressen des Druckpapieres an die eingeschwärzte Platte von zwei Walzen besorgt wird. Unsre heutigen Druckwalzen bestehen aus Stahl, und die Achsenlager der oberen Walze sind nicht in fester Verbindung mit dem Tragrahmen, sondern verschiebbar. Sie drücken nach oben gegen eine dicke Einlage aus Pappendeckel oder Leder, also gegen eine sehr starke Federung. Mittelst Stellschrauben läßt sich diese obere Walze für verschiedene Spannungen einstellen. Die obere der beiden Walzen wird von einem Kurbelrad mit Zahnrad-Übersetzung in Bewegung gesetzt. [4]
[4] Früher diente ein Hebelkreuz zum Drehen der aus hartem Holze hergestellten Walzen.
Zwischen den beiden Walzen befindet sich eine sehr starke Eisenplatte, die zur Aufnahme von Druckplatte, Papier und Filz dient. Sie soll mit dünnem Zinkblech belegt sein, damit das feuchte Druckpapier auf ihr nicht Rostflecken verursache. Mittelst der Kurbel erfolgt unter großer Spannung [59] der Walzen das Durchziehen des Druckobjektes, das andere Tischblatt nimmt dasselbe auf.
Dem Kupferdrucker stehen Mittel zu Gebote, das Ansehen einer Radierung in gewissem Maße zu heben. Mit unsren bescheidenen Mitteln schon können wir selbst die Wirkung des resultierenden Bildes verändern. Zu solchen Mitteln gehört das »Tonen« der Platte: Bevor dieselbe abgedruckt wird, kann sie noch eine feine Lasur von Druckfarbe als Überzug erhalten. Man erreicht dies durch Überwischen der bereits »reingewischten« Platte mit dem Ballen der Hand oder durch sehr sanftes Streichen mit dem locker gehaltenen Wischtuch. Die Wirkung einer derartigen Behandlung zeigt sich im Abdruck als ein die Härten der Strichlagen verbindender Ton, der namentlich bei Drucken auf weißem Papier angenehm empfunden wird.
Hier gilt eben auch der goldene Satz von der Ehrlichkeit in den Mitteln, der jedwedes Kunstschaffen [60] beseelen soll. Darum lernen wir ja mit zielbewußtem Bemühen die Platte selbst mit den Mitteln der Ätzkunst in einen Zustand zu bringen, daß sie unsre künstlerische Endabsicht klar wiedergebe. Was darüber hinausgeht, ein Herumklügeln und Herumwitzeln mit Druckfarbe und Wischlappen ist nach meiner bescheidenen Meinung keine reine Technik mehr. Oder sollen wir, wenn wir mit Nadel und Ätzwasser zu Ende sind, gar noch anfangen die Platte überdies zu » bemalen «, bevor wir sie abdrucken?
Der Kupferdrucker beginnt, nachdem er die Platte blankgewischt, damit, Druckfarbe als mehr oder minder tiefen Farbenton auf die Platte zu bringen. Dort wo das technische Können oder die Geduld des Radierers versagt, muß der Drucker nachhelfen und Töne auf die Platte bringen – womöglich noch in verschiedenen Farben – um über die Kargheit, über die Leere der Zeichnung hinwegzutäuschen. Das ist Verwilderung des Stiles, die sich in letzter Zeit namentlich auf dem Gebiete der Radierung breit macht und mit ihren Talmi-Effekten den Laien verblüffen will. Ein Auge, das im Genießen von Radierungen geschult ist, wird auf den ersten Blick diese groben, unsachlichen Effekte von der Noblesse einer reinen Technik zu unterscheiden wissen.
Zum Technischen muß noch erwähnt werden, daß die Zahl der möglichen Abdrücke von einer Kupferplatte keineswegs unbeschränkt ist. 200 Abdrücke wird gewiß jede Platte zu liefern im stande [61] sein. Kräftige Arbeiten erlauben wohl deren 300 bis 400 von noch gutem Ansehen. Die Ätzung schleift sich nämlich bei dem vielen Einschwärzen langsam ab und hat im Abdruck das Verschwinden zarterer Partien und das Flauwerden tiefer Schattentöne zur Folge.
Ein »Aufätzen« [5] der Platte bringt nicht selten eine Störung der harmonischen Tonwirkung mit sich.
[5] d. h. Radieren und Ätzen der neuerlich grundierten Platte.
Man hilft sich über diesen Übelstand mittelst der galvanischen Verstählung der Platte hinweg.
Der unendlich feine Überzug von galvanisch auf das Kupfer niedergeschlagenem Eisen schützt die Platte vor allzufrüher Abnützung und gestattet eine Auflage von etwa 2000 Abdrücken.
Auch die Vervielfältigung der ganzen Platte auf galvanoplastischem Wege ist ein gutes Mittel zur Vergrößerung der Auflage von Radierungen; bei dem heutigen Stande der galvanoplastischen Technik sind solche Duplikatplatten von wunderbarer Feinheit und Schärfe.
In seltenen Fällen wird einer Radierung beschieden sein, in geradezu fabrikmäßiger Weise vervielfältigt zu werden. Ich möchte sogar meinen, daß dadurch der innere Wert einer Radierung ein wenig heruntergedrückt wird, denn es wird sich nie vermeiden lassen, daß eine gewisse Partie der Auflage Feinheiten aufweist, die den übrigen Blättern fehlen. Die intime, ich möchte sagen liebevolle Behandlung, die jeder einzelne Abzug verlangt, ist nicht gut vereinbarlich mit Riesenauflagen; da ist der Holzschnitt, die Zinkotypie, überhaupt der Hochdruck am Platze.
[62]
Sobald wir es durch unausgesetzte Übung dahin gebracht haben, einen in allen Strichen scharfen Abdruck zu erzielen, haben wir Gelegenheit, uns von dem Zustande unsrer Platte zu unterrichten. Hauptsächlich wird sich unsre Aufmerksamkeit auf die Tonintensität der einzelnen Flächen zu richten haben: Da ist ein Ton viel zu dunkel im Vergleich zu seinem benachbarten ausgefallen, dort treten die einzelnen Striche zu scharf hervor; hier wieder hat eine Ätzung vielleicht noch gar nicht gegriffen, und die beabsichtigte Verbindung zweier Tonflächen ist dadurch verloren gegangen. Da gibt es nun Stoff genug zum Nachdenken, teils über die Ursachen, teils über die Art einer allfälligen Abhilfe. Ohne Schwierigkeit werden wir alle erkannten Fehler in zwei große Gruppen teilen können: »Entweder es wurde zu tief oder zu wenig geätzt.«
Ist letzteres der Fall, so beginnen wir eine Art Nachradieren, indem wir die Platte von neuem mit Ätzgrund versehen. Vorher muß dieselbe von der noch anhaftenden Druckfarbe durch Übergießen mit siedendem Wasser (besser noch Sodalösung oder Ätzlauge) gereinigt werden. Das Grundieren ist jetzt nicht mehr so leicht wie das der neuen Platte. Es muß dafür gesorgt werden, daß der Firnis auf [63] der erhitzten Platte in alle Ritzen eindringe, sonst würde an solch’ mangelhaft grundierten Stellen die Säure zum Schaden der Platte einwirken; deshalb erhitze man die Platte von unten her ein wenig, damit der Ätzgrund schmilzt und in die Striche vollends einsinken kann. Geraucht wird die Platte nicht, da das Bild durch den Firnis durchscheinen muß. Solche Platten grundiert man am besten mittelst des flüssigen Ätzgrundes. Er wird wie folgt hergestellt: Harter Ätzgrund wird geschmolzen, und dann abseits vom Herde soviel rektifizierter Terpentin zugesetzt, daß das Gemisch im kalten Zustand leichtflüssig bleibt. Diese Lösung wird mit käuflichem Asphaltlack zu gleichen Teilen gemischt und lange kräftig geschüttelt. Zum Auftragen dieses Firnisses dient ein breiter flacher Haarpinsel. Nach dem Aufstreichen erwärmt man die Platte von unten etwas, damit der Ätzgrund sicher alle Ritzen fülle. Dieser Ätzgrund kann auch auf der blanken, neuen Platte Verwendung finden; er ist nicht so durchsichtig wie der gewalzte und erspart das Anrauchen. Aufgetragen wird er immer auf der kalten Platte; bei dem nachfolgenden Erwärmen desselben verschwindet jede allfällige, durch schlechte Pinselführung entstandene Streifung des Aufstriches.
Was nun die Arbeit selbst betrifft, so muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß sie mit allem künstlerischen Takt und zielbewußt vorgenommen werden muß. Oft genügt das Herausholen einer brillanten Kraftstelle, manchmal sind zerrissen wirkende [64] Tonmassen mit einer verbindenden Strichlage zu übergehen. Dieses Nachradieren soll ja nur ergänzen, nicht aber neu schaffen! Hat man mehrere Abdrücke hergestellt, so kann man mittelst Feder oder schwarzen Stifts an ihnen versuchsweise eine oder die andre Wirkung herausholen (natürlich erst wenn die Bilder trocken sind). Solche korrigierte Drucke geben dann wieder Vorlagen für die weitere Behandlung der Platte ab.
Mit der gewöhnlichen, kegelförmig geschliffenen Radiernadel ist es oft schwer, die Richtung der beabsichtigten Striche beizubehalten, weil sie von den geätzten Furchen leicht in andere, nichtgewollte, Richtungen abgelenkt wird. Verfasser empfiehlt zu diesem Zweck die Anwendung der sogenannten »photographischen Beschneidefeder«, welche in allen photographischen Handlungen erhältlich ist. Sie hat die Gestalt einer gewöhnlichen Schreibfeder und wird in einem Federstiele steckend in einfachster Weise gehandhabt. Statt zweier Spitzen, wie die Schreibfeder, besitzt sie ein rautenförmiges Schildchen, dessen Vorderkanten scharfe Schneiden bilden, welche [65] wieder in eine Spitze auslaufen. ( Abb. 15 ). Die aus sehr hartem Stahl bestehende Feder erzeugt, steil gehalten, sehr feine präzise Linien, welche nicht nur den Ätzgrund, sondern auch das Kupfer schneiden, eine Eigenschaft, die, wenn es sich um saftige Tiefen handelt, wertvoll ist. Hinzuzufügen ist noch, daß die Richtung des Striches, den die Spitze ausführt, in der Ebene des Schildchens liegen muß, da die Feder sonst nicht schneidet, sondern kratzt.
Ist das Nachradieren vollendet, so wird die Ätzung wieder in der bereits beschriebenen Weise durchgeführt. Um den Fortschritt der Arbeit auf der Platte beobachten zu können, ist es geboten, sich von jedem Plattenzustande eine ausgiebige Anzahl reiner Abzüge zu nehmen und sie eventuell mit bezüglichen Notizen versehen in einer Mappe aufzubewahren. Eine solche Sammlung von Abdrücken, in der auch nicht die am ärgsten mißlungene Platte fehlen darf, hat soviel Lehrreiches für den Radierer, sie wird ihm ein klarer Beleg für seinen Werdegang bisher und zeigt ihm auch die Wege, auf denen ein ernstes, zielbewußtes Streben zur Meisterschaft gelangt.
Weit schwieriger gestaltet sich die Korrektur dann, wenn zu tief geätzt wurde, wenn also Stellen, welche duftig beabsichtigt waren, im Abzug zu derb, zu kräftig kommen. Dem Anfänger widerfährt dieses Mißgeschick meistens, wenn er, die Wirkung des Ätzwassers unterschätzend, lichte und zarte Partien zu lange ätzt. Läßt sich dieser Fehler nicht dadurch gut machen, daß man die benachbarten dunklen [66] Stellen durch Nachradieren und Nachätzen verstärkt und somit den Kontrast zu heben sucht, dann muß die zu dunkel geratene Partie abgeschliffen werden. Diesem Zwecke dient der Polierstahl. Man beschafft sich einen solchen von außerordentlicher Härte, indem man eine prismatische Feile mit dreieckigem Querschnitt einem geschickten Messerschmied mit dem Auftrag übergibt, die Flächen am vorderen Ende in sanfter Schwingung derart zu schleifen, daß sie mit den drei Kanten zusammen in eine Spitze auslaufen. Kanten und Spitze müssen abgerundet und das Instrument in seinem geschwungenen Teile noch überdies feinst poliert werden.
Mit diesem Werkzeug werden die zu tief geratenen Stellen auspoliert. Durch den Druck des Polierstahles werden die Stege zwischen den Furchen geglättet und ausgebreitet, und letztere selbst infolge der Reibung verengt. Die Striche erscheinen dann im Abdruck dünner und duftiger, weil die scharfen Kanten, welche früher zu viel Farbe an sich gehalten, jetzt abgeschliffen sind. Die Wirkung des Polierstahles ist umso energischer, je steiler man eine seiner Kanten über die Platte führt. Zum Schluß soll jedoch immer mit der Fläche des Werkzeugs poliert werden, um etwaige feine Streifen, welche während des Arbeitens entstanden sein mögen, auszuglätten; ratsam ist es auch beim Polieren, den Stahl mit Speichel oder Öl zu befeuchten. Außer Gebrauch muß der Polierstahl vor Feuchtigkeit sorgfältigst bewahrt werden; vor allen Verletzungen [67] ist das polierte Ende in einer Scheide aus dickem Leder geschützt.
Sollten beim Polieren auf der Platte graue Streifen entstanden sein, so putzt man mit etwas Globuspasta oder Holzkohle und Öl nach, indem man die Stelle mit einem um den Zeigefinger gespannten Lappen reibt und trocken nachwischt. Nach einer solchen Behandlung muß die Bildfläche mit Terpentin noch gründlich gereinigt werden.
Nach allen derartigen Prozeduren holen wir uns durch Abdrücke Auskunft über das Gelingen des Versuchten und bereichern unsre Erfahrungen durch den interessanten Vergleich der im Bilde deutlich wiedergegebenen Plattenzustände.
Denn alle diese Korrekturen sollen uns ja schließlich zu dem einen Ziele führen: unsre Erfahrung und Technik derart vervollkommnet zu haben, daß es uns möglich ist, eine Arbeit auf einen Wurf zu Ende zu führen.
[68]
Was bisher erläutert wurde, kann als Schulgut der Technik gelten; ich fühle mich daher auch bestimmt, diesen Teil als abgeschlossenes Ganzes zu betrachten und mit dem nun folgenden Fehlerverzeichnis abzuschließen, da es ja einen Führer durch all’ die Fährlichkeiten bilden soll, welche dem Anfänger in den Weg treten. Zur leichten Orientierung finden wir in diesem Kapitel die Fehlresultate in chronologischer Reihenfolge behandelt, wie sie sich eben in den einzelnen Arbeitsphasen einstellen.
1. Auf der Platte bilden sich schwarze Streifen, welche trotz wiederholter Behandlung mit der Walze nicht verschwinden wollen.
Ursache: Die ersten Striche des Ätzgrundes wurden auf zu heißer Platte aufgetragen, der Firnis ist an diesen Stellen verbrannt.
Abhilfe: Entfernung des Firnisses, Entfetten und neuerliches Grundieren bei gelinder Hitze.
2. Die Walze klebt fest auf der Platte, reißt sich beim Drehen schwer los und läßt den Ätzgrund mit rauher Oberfläche zurück.
[69]
Ursache: Die Platte ist nicht, oder nicht mehr heiß genug.
Abhilfe: Gelindes Nachhitzen von unten her mittelst Gas- oder Spirituslampe.
3. Nach dem Anrauchen zeigt die kalte Platte trotz sanften Abwischens mit Watte eine schmutziggraue statt der tiefbraunen, matten Oberfläche.
Ursache: Der Docht der Fackel hat beim Anrauchen die Platte gestreift oder ist dem Firnis mindestens zu nahe gekommen.
Abhilfe: Entfernen des schlechten Grundes, neuerliches Grundieren und Rauchen.
4. Der Ätzgrund verwischt sich unter der Hand, namentlich an den Rändern.
Ursache: Warme Hand, heiße Jahreszeit, hohe Temperatur überhaupt bei allzugroßem Wachsgehalt im Ätzgrund.
Abhilfe:
a ) Beim Radieren: Unterlage aus Pauspapier, Anwendung des Handbänkchens.
b ) Mehr Asphalt in den Ätzgrund. (Asphalt und Ätzgrund wieder jeden einzeln schmelzen und dann mischen und kneten.)
5. Ätzgrund ist brüchig und splittert unter der Nadel.
Ursache:
a ) Zuviel Asphalt im Ätzgrund;
b ) Platte war nicht gut entfettet;
[70]
c ) Ätzgrund ist zu heiß bereitet oder nicht homogen gemischt.
d ) Ätzgrund ist beim Aufbringen auf eine zu heiße Platte oder beim Anrauchen verbrannt (siehe bei 3).
Abhilfe:
für a ) Zusatz von Wachs und Mastix;
für b ) Selbstverständlich;
für c ) Ätzgrund nochmals einschmelzen eventuell etwas Mastix zusetzen;
für d ) Ist diese böse Eigenschaft des Ätzgrundes auf der ganzen Bildfläche verbreitet, dann muß dieser entfernt und die Platte neuerlich grundiert und geraucht werden. Handelt es sich jedoch um einzelne Stellen, so kann man die schlechten Partien mit einem kantig geschliffenen Beinstäbchen wegschaben und die offenen Stellen mit Deckfirnis wieder schließen.
6. Das Ätzwasser will nicht angreifen (kommt bei allzuhoher Glätte der Platte vor).
Ursache: Das Ätzwasser ist zu schwach, zu alt und oft gebraucht; die Ätzung geschieht vielleicht bei zu großer Kälte (im Winter).
Abhilfe: Altes Ätzwasser wird mit frischem, stärkerem gemischt oder reine Säure zugegossen (siehe Seite 29 .)
[71]
7. Heftiges Aufschäumen der Platte hat zur
Ursache: Zu starkes Ätzwasser oder zu hohe Temperatur desselben.
Abhilfe: Mischen mit altem, oft gebrauchtem Ätzwasser oder mit Kochsalzlösung. Arbeiten im Kühlen. Die Arbeit kann durch unverzügliches Zugießen von reinem Wasser noch gerettet werden.
8. Abblättern des Ätzgrundes (Begleiterscheinung des in 7. Angeführten).
Ursache:
a ) Zu starke oder zu warme Ätzflüssigkeit;
b ) Mangelhafte Entfettung der Platte, so daß die Säure zwischen Firnisschicht und Platte eindringen und den schützenden Firnis infolge Bläschenbildung sprengen und zum Abschwimmen bringen kann.
c ) Unterfressen der Stege (zu dichte Strichlagen).
Abhilfe:
für a ) (siehe in 7.)
für b ) Gründliches Entfetten der Platte (siehe Seite 11 ).
für c ) Auch hier läßt sich die Arbeit durch unverzügliches Zugießen von reinem Wasser noch retten, vorausgesetzt, daß das Abblättern nicht schon zu arg geworden.
[72]
9. Die Druckfarbe will trotz kräftigen Reibens mit dem Beinstab nicht auf’s Papier.
Ursache:
a ) Das Papier ist zu trocken;
b ) Die Druckfarbe hat zu wenig Schmierseife beigemischt;
c ) Das Papier eignet sich überhaupt nicht zum Kupferdruck; es saugt nicht.
Ist kräftig genug gerieben worden, so muß sich am Papier, wenn es auch weiß geblieben, deutlich das Strichrelief des Bildes zeigen (Untersuchung mit der Lupe).
Abhilfe:
für a ) Einige Blätter Filtrierpapier werden frisch gefeuchtet zwischen den Vorrat eingelegt; einen Tag später werden die Druckversuche wieder aufgenommen;
für b ) Einarbeiten von Schmierseife in die vorrätige Druckfarbe;
für c ) Selbstverständlich.
10. Der Druck zerfließt und wird klecksig.
Ursache: Zu nasses Druckpapier.
Abhilfe: Einen oder mehrere Tage mit den Druckversuchen aussetzen, bis das Papier unter der Presse etwas trockener geworden. Oder Einlegen von trockenem Filtrierpapier in den gefeuchteten Vorrat.
[73]
11. An flauen Flecken und blinden Stellen, deren Ursachen auf S. 26, Z. 9 von oben, erläutert wurden, ist nicht der Abdruck, sondern das Radieren und Ätzen schuld. Eine
Abhilfe im eigentlichen Sinne kann meist nicht oder doch nicht mit befriedigendem Erfolg geschaffen werden. Für den Anfänger ist hier Abschleifen der Platte und Beginnen einer neuen Arbeit das Ratsamste; nur soll nicht vergessen werden, sich vorher noch einige scharfe reine Abzüge von der verdorbenen Platte zu nehmen, um solche Drucke als Anhaltspunkte für das weitere Arbeiten bereit zu haben.
Gelegentlich dieser Ausführungen sei nun Anlaß genommen, über das Abschleifen der Platte im folgenden Abschnitt eingehend zu sprechen.
[74]
Die erste Bearbeitung der Platte muß energisch eingeleitet werden, soll die ganze Prozedur nicht allzuviel Zeit in Anspruch nehmen. Bei kleineren Platten ist es am besten, wenn man die ganze Arbeit mit einer breiten Schlichtfeile von mittelfeinem Hieb abfeilt; das geht sehr rasch und schadet der Platte bei geschickter Hantierung nicht. Die Länge der Feile muß die Platte beträchtlich überragen, damit man sie bequem handhaben kann. Bei richtiger Führung der Feile ist eine vom Feilenhieb herrührende Riefung der Oberfläche des Kupfers nicht zu befürchten. Ätzungen auf größeren Platten würden zum Ausfeilen sehr langer Feilen bedürfen; hier arbeitet man besser mit dem Schabeisen. Man beschafft es sich, indem man wieder eine Dreikantfeile (siehe Seite 67 ) kauft und sie in der schon beschriebenen Weise vom Messerschmied schleifen läßt, jedoch nicht wie beim Polierstahl mit abgerundeten, sondern mit scharfen Kanten. Hohlschliff ist nicht notwendig, ebensowenig ein Polieren des Werkzeuges. Mit den Kanten dieses Instrumentes wird die Ätzung ausgeschabt, jedoch darf nicht vergessen werden, große glatte Stellen (z. B. die Luft und dergl.) auch zu bearbeiten, da sonst die Platte ungleich dick aus der Arbeit hervorgehen würde. Ist die letzte Spur der Striche von der Platte [75] verschwunden, so wird die Arbeit des Schleifens mit Blaustein [6] begonnen. Es ist dies ein in jeder Werkzeughandlung erhältlicher Stein von prismatischer Form, die eine Fläche, mit der man arbeitet, muß absolut eben sein. Neue Steine erfüllen diese Forderung meist nicht, sie müssen erst auf einer anderen, harten Fläche ausgearbeitet werden. Beabsichtigt man im Anfang eine energischere Wirkung, so kann der Blaustein erst mit feinem Bimssteinpulver angewendet werden. Schleift man die Kupferplatte jedoch mit Bimsstein vor, so ist die separate Anschaffung von Bimssteinpulver überflüssig. Das Schleifen mit Bimsstein und Blaustein geschieht auf einem starken Brett mit reichlichem Zuguß von Wasser parallel den Kanten der Platte. Schließlich kommt der Blaustein allein zur Anwendung und die Glätte kann bis zu einem recht hohen Grade getrieben werden; dabei muß die Platte fleißig gespült werden, damit man das gänzliche Verschwinden sämtlicher Ritzen und Kratzer sicher beobachten kann. Der Blaustein wird seiner Längsachse parallel über die Platte geführt und zwar mit einer seiner beiden Breitseiten. Schließlich wird die Platte endgültig gespült und abgetrocknet.
[6] Am schnellsten geht diese Arbeit mit einem prismatischen Karborundstein von statten.
Auf einer anderen, trockenen Unterlage wird nun dieselbe – im rechten Winkel zur letzten Schliffrichtung – mit einer Bürste aus feinem Stahldraht (erhältlich in Eisenhandlungen) weiterbearbeitet. ( Abb. 16 ).
[76]
Auch zu den Diagonalen parallel kann gebürstet werden. Die Glätte der Platte steigert sich nun zusehends und kann durch die Anwendung des flachgehaltenen Polierstahles noch gehoben werden; er wird in einer zu sich stets parallelbleibenden, eventuell einer zweiten dazu senkrechten Richtung über die Platte geführt und hinterläßt darauf eine äußerst dichte Strichlage.
Endlich werden auch diese Striche getilgt, indem man die Platte mittelst eines mit Filz überspannten Brettchens, einer sogenannten Filzfeile, unter Anwendung von Globuspasta [7] poliert.
[7] In Ermanglung dieser tut es wohl auch eine Pasta aus Öl mit Engelrot, Kohlenpulver oder Schieferpulver.
Die Platte ist zu neuer Arbeit bereit, bedarf aber behufs Aufbringen des Ätzgrundes noch einer auf Seite 11 beschriebenen gründlichen Entfettung.
Wer aus irgend einem Grunde diese Arbeit nicht verrichten kann, der lasse seine Kupferplatte bei einem Messerschmied oder in einer Plattier-Anstalt blank schleifen.
[77]
So sehr auch zugegeben werden muß, daß unsere Technik in ihrer bisher beschriebenen Ausübung geeignet erscheint, dem Künstler ein Ausdrucksmittel zu sein, das ihm gestattet, sein Innerstes vor dem Beschauer aufzutun, so ist doch und namentlich heute nicht mehr die Nadel allein das ganze Rüstzeug des Radierers.
Freilich, der Anfänger wird mit verdienter Freude seine Fortschritte mit der Nadel begrüßen und es wäre falsch, wollte man behaupten, daß der Nadel allein höhere künstlerische Wirkungen und der Ausdruck der Stimmungen versagt seien.
Schon der Anfänger, wenn er das erste Herzklopfen überstanden hat, wird mit seiner Nadel einer beabsichtigten Wirkung beizukommen suchen, indem er ihre Handhabung solange verändert, bis ihre Wirkung seinem Empfinden entspricht, und darin liegt schon soviel Persönlichkeit! Bald führt er die Nadel, namentlich die Beschneidfeder, nach Art der kalten Nadel Furchen schneidend über die Fläche, bald läßt er sie, steilgehalten, in Punktreihen, statt in kontinuierlichem Strich über das Kupfer springen. Hierin hat er schon ein Mittel in der Hand, in Ton zu arbeiten, denn eine gekreuzte Strichlage wird bei springend geführter Nadel nicht störend [78] empfunden. Und Ton ist ja das Endziel jedes malerisch, also farbig Empfindenden.
Denn wenn auch – technisch – eine Arbeit mit der Nadel rein in Konturen denkbar ist, die Ziele der Radierung liegen doch fernab von trockenem Zeichnen in Umrissen und magerem Schatten in Strichlagen.
Wenn der Anfänger die ersten Beweise steigenden Könnens begrüßt hat, empfindet er in der Ausdrucksweise eine Lücke, die auszufüllen ihn verlangt. Zahllos schier sind die Mittel, die uns zu Gebote stehen, die Kupferfläche derart zu bearbeiten, daß uns der Abdruck nicht als Skelett der Zeichnung allein, sondern den verbindenden Ton grauer Flächen bringt.
In den Tiefen zuerst verlangt es uns nach sammetartig homogenem Ton. So dicht auch die Strichlage hier gehalten werden kann, immer und namentlich bei Flächen größerer Ausdehnung entsprechen den notwendigen Stegen, die die Striche trennen müssen, im Abdrucke lichten Stellen, die sogenannten Flammen, die oft recht störend wirken können. Bei Flächen von schmälerer Gestalt hilft man sich bisweilen mit der »springenden Nadel«, wenn man diese mit tüchtigem Nachdruck führt. Auch die Schneidefeder leistet vorzügliche Dienste. Größere Flächen werden mittelst Beizemitteln getont. Zu solchen Beizemitteln zählt die Schwefelmilch, ein lichtgelbes feines Mehl, welches jede Drogerie vorrätig hat. Dieses Mehl wird mit Öl zu einem [79] Brei verrieben und auf die zu tonende Fläche aufgetragen. Das Auftragen kann mit einem Haarpinsel erfolgen; rascher und intensiver zeigt sich die Wirkung, wenn man, mit sorgfältiger Achtnahme auf die Begrenzung der zu tonenden Fläche, den Brei mit einem Leinwandfleckchen, welches um den Zeigefinger gespannt ist, auf der betreffenden Stelle verreibt. Bei Flächen von bestimmter Begrenzung arbeitet man am besten mit einem Papierwischer (Kreidewischer). Die Wirkung dieser Beize besteht in einer infolge schwacher Ätzung erzielten feinen Aufrauhung der allzu glatten Stellen des Kupfers. Sofort nach erreichter Wirkung muß diese Beize mit reinem Öl vom Kupfer entfernt werden.
Alle solche Beizmittel sind eigentlich nur als eine ergänzende Nacharbeit des Hauptvorganges aufzufassen, denn sie sind ihrer Natur entsprechend nicht dazu angetan, den Gesamtcharakter, den Aufbau einer Radierung, wesentlich zu verändern.
Anders sieht es mit den sogenannten maschinellen Mitteln der Ätzkunst aus. Ihre Anwendung bestimmt von vornherein die Stimmung, den Charakter des Werkes, und von ihrer zielbewußten, taktvollen Anwendung hängt der künstlerische Wert einer Arbeit vornehmlich ab.
Hier möchte ich der Meinung entgegentreten, daß maschinelle Mittel bei einer Radierung von der Hand zu weisen wären, »weil sie unkünstlerisch seien.«
Ein Beispiel: Ein Porträt, eine Landschaft, ist [80] auf getontem Naturpapier gearbeitet, die Lichter in Weiß aufgesetzt. Ja noch mehr: die Farbe des Papiers ist sogar der Stimmung des Bildes angepaßt. – Und dieser Farbenton des Papiers, ist er vielleicht nicht auch ein maschinelles Mittel, das dem Künstler fertig zu Gebote steht? Und ihrer Anwendung wegen vielleicht das Beginnen unkünstlerisch? Wenn nicht, dann wird auch der Radierung ein solches Mittel nicht verwehrt werden dürfen, wenn es die Ausdrucksfähigkeit der Technik erhöht. Freilich muß künstlerischer Geschmack bei einer solchen Arbeit Pate gestanden sein, freilich muß der Radierer schon lange vor Beginn seiner Arbeit über die Anwendung seiner Mittel im Klaren sein, soll das Ende vom wohlüberlegten und trefflich disponierten Anfang, von zielbewußtem Aufbau uns erzählen! Dieses Ziel besteht eben in der harmonischen Verquickung der beiden Begriffe: Strich und Ton. Eine Radierung kann gewiß auf den Strich allein aufgebaut sein; dann ist es ein Motiv, welches des Tons nicht bedarf. Ebenso kann eine Arbeit auch auf die Wirkung des Tones berechnet sein. (Man denke nur an eine Nebelstimmung oder eine trübe Winterlandschaft und dgl.) In der Mitte der beiden Extreme jedoch steht die Arbeit, welche auf das gegenseitig ergänzende Zusammenwirken von Strich und Ton berechnet ist; sei es, daß der Ton die Zeichnung als eine Art graue Lasur überzieht, oder, daß ein hauptsächlich in Tonqualitäten wirkendes Bild mittelst der Nadel [81] bloß an markanten Stellen in seiner Wirkung gehoben wird. – Welche Fülle von Wegen zum Ziele!
Unter maschinellen Mitteln verstehen wir Mittel, welche uns gestatten, über die Platte einen gleichmäßigen Ton von verschiedener Textur auszubreiten. Die Elemente können Punkte oder Striche sein, je nach der Entstehungsart des erzielten Effektes. Bei der Radierung in unserem Sinne beschränkten sich die dazu erforderlichen Arbeiten auf eine zweckmäßige Behandlung des auf der Platte befindlichen Ätzgrundes.
Eine der ältesten Arten in Ton zu arbeiten besteht darin, daß man auf die grundierte, heißgehaltene Platte mittelst eines Siebes Steinsalz streut. Die feinen Körnchen bleiben am weichen Ätzgrund kleben und sinken bei weiterer Erhitzung der Platte in der geschmolzenen Firnisschicht bis auf das blanke Kupfer. Die wieder erkaltete Platte gelangt nun in ein Gefäß mit Wasser. Die Salzkörnchen werden hierin ausgelaugt und lassen in der Firnisschicht feine Löcher zurück, welche bis aufs Kupfer reichen und dem Ätzwasser später Zutritt auf die blanke Platte gewähren. (»Aquatinta«).
Eine ähnliche Wirkung hat Schmirgelpapier, welches in der Art, wie wir unsre Probedrucke herstellen, mit dem Beinstab an die grundierte Platte gedrückt wird. ( Abb. 13 ). Die scharfkantigen Körnchen durchlöchern in zahllosen Stichen den Ätzgrund und legen das Kupfer für die Ätzung bloß.
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Wohl noch wenig bekannt ist das Tonen mit der Stahldrahtbürste. ( Abb. 16 ).
Die grundierte, kalte Platte wird auf den Tisch gelegt und mit einer gestielten feinen Stahldrahtbürste (siehe Abb. 16 ) sachte geschlagen, wobei die Kupferplatte mit der linken Hand fortwährend zu drehen ist, damit die Wirkung gleichmäßig erfolge. Die Verletzungen des Ätzgrundes haben nämlich die Form zarter kurzer Strichelchen von bestimmter Richtung. Das Drehen der Platte mit der linken Hand soll also das Vorherrschen einer gewissen Richtung der Strichelchen verhüten.
Eine derart behandelte Platte kann nun eventuell noch vor der Ätzung auch mit der Nadel bearbeitet werden. Lichter sind selbstverständlich vorher mit Pinselfirnis zu decken (sogenannte »Reservagemethode«). Abgestuftes Ätzen mittelst Deckfirnis erlaubt dann noch einen Reichtum an Tonstärken zu entwickeln, doch soll auch hier ein gewisses Maß nicht überschritten werden, damit der Reiz der Kontraste dadurch nicht verschleiert werde.
Das fertige Blatt wird von manchem Radierer noch weiter »bearbeitet«. Die noch weiche, verwischbare Druckfarbe wird mit Wischern an gewissen Stellen vertrieben, verwischt, die Striche auseinandergeschmiert, um so etwas wie » Ton « zu erzielen; doch nicht genug damit: Mit dem Radiergummi werden auf dem fertigen Blatt lichte Wolken – hervorgezaubert. Was bleibt da noch übrig von der Schönheit dieser Technik? Dem Laien, der [83] in die Geheimnisse dieser Kunstweise nicht eingeweiht, ist es nicht zur Last zu legen, daß solche Blätter mit Erfolg kursieren können. Wenn aber der Berufene selbst um eines groben Effektes willen die Reinheit des Stiles hingibt und an der Verwilderung einer Technik arbeitet, die in ihren echten Mitteln ohnehin so unerschöpflich reich und schön ist, so ist dies ein bedauernswerter, von vielen Kunsthändlern protegierter Tiefstand, dem der Einzelne durch konsequente Pflege des reinen Stiles entgegenarbeiten kann und muß.
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Wie mannigfaltig sich das Arbeiten gestalten kann, das haben wir bei verschiedenen Gelegenheiten ersehen können, und je mehr der Radierer mit ernstem Fleiß alle Ausdrucksweisen sich zu eigen zu machen sucht, desto vielverzweigter sieht er die Wege sich auftun, die zum Ziele führen.
Vor allem ist es das Wie , mit welchem wir ringen in heißem Bemühen. Grundfalsch wäre es, wollte ich wähnen, erschöpfend über diese Technik geschrieben zu haben, denn verschieden wie die Gesichter der Menschen sind die Ausdrucksweisen, sie sind eben der treue Spiegel der Persönlichkeit.
Als die Radierung noch ein Reproduktionsverfahren war, dem es zukam, Kunstwerke größeren Stiles einem weiteren Publikum zugänglich zu machen, da lag ihre Ausübung in strengen Normen und es mußte so sein; was sollte auch dort ein persönlicher Ausdruck, wo es galt, eine Aufgabe zu erfüllen, die heute der photographischen Kamera zufällt! Da mußte der Radierer selbstlos zurücktreten und seine Art hinter der Aufgabe verbergen. Es lag viel Handwerkliches in dieser Kunst, die so willig war, fremdes Licht leuchten zu lassen mit ihren Mitteln, die dazu berufen sind, eine ganz eigene Sprache zu reden, eine Sprache, die dem Künstler [85] aus dem Herzen kommt. An diese Erkenntnis knüpft sich der Aufschwung der modernen Radierung; sie wurde Selbstzweck und jeder Strich, früher vom Zwange einer notwendigen Norm dirigiert, er wird zum Wort, zum trotzigen, eigensinnigen vielleicht, das uns aber der Seele des Künstlers, seinem Empfinden nachfühlen läßt.
Wer wollte da noch von Arbeitsregeln sprechen, wer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn er erfährt, daß der Meister vielleicht, einer Empfindung folgend, die gewöhnliche Schreibfeder zum Radieren benutzt oder mit den scharfen Kanten einer abgebrochenen Nadel arbeitet? Nimmer kann ein Lehrbuch über irgend eine Kunsttechnik mehr wollen als »Gehen lehren«; der es gelernt hat, wird seinen Weg finden, wenn ernstes Streben ihn beseelt. Es soll ja damit gewiß nicht gesagt sein, daß der Anfänger sich sobald als möglich nach einer recht »originellen« Ausdrucksweise umsehen soll; das wäre erbärmlicher Manierismus, weitab von jener Liebe zur Natur, die darzustellen, wie sie sich in unsrer Seele spiegelt, unsere höchste Aufgabe sein soll. Ohne äußeres Hinzutun wird die künstlerische Ader sich regen und der Hand, ihr unbewußt, Gesetze diktieren, nach denen sie arbeite. Denn bei fast keiner anderen Technik kann das Inhaltliche so unabhängig von manueller Fertigkeit zu uns sprechen als bei der Radierung.
Und das Inhaltliche ist es auch, welches der ganzen Technik Seele verleihen soll; denn wie hier [86] die Ausdrucksform vom rein Malerischen beherrscht werden muß, so ist das Erzählende das Impuls gebende Moment für das Inhaltliche .
Kein Zufall ist es, daß unsre größten Radierer auch die größten Grübler waren, vom Forschergeiste Dürers, vom Altmeister Rembrandt herauf bis zu unserer Modernsten einem.
Und soviel auch errungen, jeder macht’s für sich noch einmal mit, und jemehr er nach Ausdruck ringt, umso lieber wird ihm diese trotzige, spröde Technik, die sich ihre Geheimnisse von jedem ihrer Pfleger neu abringen läßt und dies mit so manchem Goldkörnchen einer neuen Ausdrucksmöglichkeit lohnt.
Wenn die Arbeit disponiert, was gibt es da nicht noch alles zu denken, zu überlegen! Schon beim Grundieren fragen wir uns: »Was für Druckfarbe? Was für Papierfarbe?« Da heißt’s schon beim ersten Strich allen diesen Faktoren Rechnung zu tragen und die Arbeit dem Endzweck anzupassen! Wie anders muß gearbeitet werden für getontes als für weißes Papier, für warmtonige als für kühlwirkende Druckfarbe!
Man versuche es nur einmal, eine für weißes Papier berechnete Platte auf farbiggetontem abzudrucken oder umgekehrt!
Und doch ist das Wie noch nicht allein der Endzweck, das Ziel! Was dem Pinsel oft versagt bleibt zu bilden mit seinen reichen Mitteln, das wird auf der Kupferplatte zu reinem Erguß, das offenbart sich in der Lapidarschrift der Nadel mit [87] überzeugender Kraft und Wärme. Menschenbeobachtung, dieses hehre Problem, es zeigt uns stets neue Ziele; und wieder ist es die Radierung, die das Momentane des Erschauten festzuhalten berufen ist. Und wenn nun auch die Hand des Einen mit plebeischer Derbheit zugreift, das Erschaute zu bilden, wenn das weichere Naturell des Andern mildere Töne anzuschlagen weiß, immer fühlen wir den Reiz eines intimeren Verkehrs mit dem Künstler auf uns wirken, wenn wir uns in die Anschauung solcher Blätter versenken.
Eines möchte ich auch gern dem Lernenden mit auf den Weg geben und wie ich glaube, wird mir jeder künstlerisch Empfindende zustimmen: » Nie soll das Radieren eine Kopierarbeit sein, nie sollen die Mittel ihrer Sprache einer andern als ihrer eigenen Sache dienen! « Ich habe den Anfänger vor dem Kopieren von Photographien gewarnt, (siehe Seite 20 ), es hat seine triftigen Gründe: Mit ihren ungezählten Abstufungen in den Tonstärken ist sie wirklich nicht geeignet, Klarheit in das Arbeiten des Anfängers zu bringen; ihn verwirrt die Vielheit, zumal er den Ton, auf den ja jedes Lichtbild aufgebaut ist, in ein System von Strichen bringen müßte, eine Sache, die die Schwierigkeiten, die bei den ersten Versuchen zu überwinden sind, nur vermehren würde.
Denn wenn auch die Bildidee, der Impuls zu einem Kunstwerk, aus einer Anschauung entspringen [88] kann, das Denken an die Bewältigung mit dem Material ist doch erst das eigentlich Schöpferische.
Schönheit in der Natur – Schönheit des Materials – es sind zwei Welten; sie zusammenzwingen in ein Menschenwerk, das ist »Kunst«, und daß mit dem geeigneten Material der erschöpfende Ausdruck für den Impuls gefunden werde. Ist es nicht denkbar, daß ein an und für sich herrliches Motiv, – sei es landschaftlicher oder figuraler Art –, zur bitteren Enttäuschung des mit sich selbst Gerechten und Strengen trotz meisterhafter Technik nicht jene Erfüllung bringt, die er sich von ihm versprach? Wie oft ist ein Werk allein wegen unrichtiger Formatwahl verfehlt! Es gibt Motive, die durchgeführt in kleinen Dimensionen zum köstlichen Juwel werden können, und die auf großem Format all’ ihren Reiz verlieren würden. Aber mehr noch als dieses bestimmt die Wahl des Materials das Schicksal des Werkes.
Nicht jedes Motiv, nicht jede Bildidee eignet sich gleich gut für eine Durchführung in Aquarell, in Holzschnitt, für eine Radierung oder für ein Ölgemälde. Für den Radierer ergibt sich daraus der Schluß, daß er nicht ohne Überlegung an sein Werk gehen darf. Linienschönheit, Tonschönheit, das sind die Mittel, mit denen die Radierung arbeitet. Sie wird zum erschöpfenden Ausdruck, [89] wenn sie im Motiv, in der Idee, Verwandtes findet und dieses mit ihren Mitteln also zu einer höheren Einheit erheben kann.
Dann wird neben der Idee auch das Material zu uns sprechen wie eine lebendige Sprache. Dann genießen wir nicht als Nebensache den feinen, matten Strich, den beruhigenden Ton und – nicht zuletzt auch den Reiz des eigenartigen Glanzes, den die Metallfläche dem Druckpapier verleiht –, die Freude am schönen Material.
Beantwortet sich aus diesen Betrachtungen nicht wie von selbst die Frage nach der zulässigen Größe einer Radierung.
Man sieht in Ausstellungen hie und da Radierungen, deren eine Bildkante fast einen Meter erreicht! Sind solche Riesenformate – Bravourarbeiten – künstlerisch gerechtfertigt? Ist der zarte Ton der Druckfarbe geeignet, in solchen Dimensionen zu wirken? Das geheimnisvolle Weben, dem nachzugehen vielleicht den Hauptreiz bei der Betrachtung von Radierungen bildet, erstirbt, wenn man von einem Werk dieser Technik zurücktritt – und zurücktreten muß man, wenn ein Bild einmal 80 × 100 cm mißt. Wenn wir eine Radierung betrachten, dann wollen wir in dem Blatte lesen, im wahrsten Sinne des Wortes, lesen all’ das, was der Künstler mit der Nadel ins Metall geschrieben, lesen, wie ihm dabei war, alle Leidenschaftlichkeit, alle Schaffenslust; und Strich für Strich mitfühlen, was da [90] geschrieben steht von einer in Arbeitsfreude vibrierenden Hand!
Dabei wollen wir aber doch auch nicht den steten Überblick über das Ganze missen; ergeben sich da bei Rücksichtnahme auf den Bau und die Fähigkeiten des menschlichen Auges die Grenzen der Bildgröße nicht von selbst? –
Ein Ölgemälde 30 × 40 cm nennen wir ein »Bildchen«. Eine Radierung von derselben Bildgröße nennen wir ein »großes Blatt« – wie kommt das? Oder wie kommt das, daß eine Radierung in bescheidenen Dimensionen fesselnd, wuchtig und kraftstrotzend wirken kann und eine Riesenradierung daneben schlaff und leer?
Wer sein Material kennt, dessen Schönheit versteht, seine Vorzüge und Schwächen, dem wird es nicht widerfahren, daß er es an Aufgaben zwingt, vor denen es versagen oder doch zum mindesten die Eigenart einbüßen muß.
Ich habe an früheren Stellen empfohlen, bei der Arbeit auf Kontrastwirkungen Bedacht zu nehmen.
Dem Anfänger muß neben der Schulung der Technik an sich auch diejenige des Auges angelegen sein. Es muß sich an die Wirkungen der verschiedenen Materialmöglichkeiten gewöhnen, soll es imstande sein, scharf zu urteilen und Gutes von Unbrauchbarem – wie doch beides der Werdegang [91] des Radierers notwendig mit sich bringt – zu scheiden. Solches wird bei kontrastreichem Vortrag besser als bei einer mehr flachen Ausdrucksweise erreicht. Daß damit nicht etwa gesagt sein soll, daß eine Radierung unter allen Umständen Kontrastwirkung aufweisen muß, ist wohl einleuchtend; denn eine schleierige Wirkung kann ja gegebenenfalls zur beabsichtigten Stimmung gerade erforderlich sein. Doch das sind Dinge, über die man Bücher schreiben möchte – oder nichts –; Hier hört das Lehren auf, hier tritt das künstlerisch-schöpferische Empfinden in sein unantastbares Recht.
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Endzweck einer geätzten Platte ist und bleibt: den für die Öffentlichkeit bestimmten Abdruck zu liefern. Angesichts dessen ist es auch von hohem Interesse, über die Aufmachung der Blätter im Klaren zu sein, denn ein geschmackvolles Äußeres hebt das Ansehen einer Radierung ganz beträchtlich. Weit entfernt, hier Regeln aufzustellen oder dem Leser gar Formeln an die Hand zu geben, nach denen Blattgröße, Bildgröße und Plattengröße mathematisch festzulegen sind, möchte ich in solchen Fragen mit Vertrauen an den guten Geschmack meiner lieben Leser appellieren, und ich fürchte nicht, fehlzugehen. Ob man nun das Bild klein in die Mitte der Platte setzt, oder die ganze Platte für das Bild benutzt, das hängt vom Geschmack des Radierers ab, auf alle Fälle macht ein bis knapp an die Facette radiertes Bild einen sehr gediegenen Eindruck, da ja das Druckpapier mit seinem eingepreßten Plattenrand eine vornehme Umrahmung dazu abgibt. Ist das Papier selbst ziemlich stark, so wählen wir sein Format recht groß, denn breite Ränder um die Radierung tragen zur edlen Wirkung viel bei. Zartes Druckpapier kann klein gehalten werden, das Bild wird dann auf weißen Karton mit den zwei oberen Ecken aufkaschiert. Japanpapier ist so dünn, daß es einer festen Unterlage [93] bedarf. Aus weißem, starkem Papier oder Karton werden große Blätter geschnitten, damit ein recht breiter Rand um den Druck erhalten werde. Das Papier wird mit Stärkekleister ganz bestrichen (doch nicht allzunaß); dann wird der Japandruck daraufgelegt und mit Filtrierpapier oder einem reinen Handtuch bedeckt. Obendrauf kommt irgend ein starkes Papier; sodann wird mit einem Leinwandballen kräftig gerieben; das Bild haftet dann sehr fest auf der Unterlage. Dieser Vorgang entfällt bei Anwendung der Walzenpresse; dort erfolgt Drucken und Aufkaschieren gleichzeitig. Name oder Zeichen des Radierers kann am unteren Bildrand, natürlich in Spiegelschrift, radiert und geätzt werden. Schließlich kann man einen breiten Rahmen aus Karton schneiden, dessen Öffnung so groß ist, daß der gepreßte Platten-Rand des Abzuges sichtbar bleibt, wenn man das Bild mit Klebestoff hinter diesen Karton mit zwei Ecken befestigt. Eine solche Aufmachung hebt das Ansehen einer Radierung außerordentlich.
Zum Aufmachen an der Wand eignen sich am besten zarte Rähmchen, welche entweder ein sehr flaches oder noch besser gar kein Relief haben. Rähmchen aus halbrunden oder ganz flachen, schmalen Leisten wirken sehr vornehm.
Die zum Verlag bestimmten Blätter erhalten dann noch einen Aufdruck unterhalb des Bildes, welcher den Titel desselben sowie die Bemerkung »Originalradierung von N. N.« enthält.
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Wenn ich mich nun vom Leser verabschiede, so möchte ich mir die Freude nicht versagen, dies Büchlein mit dem Bewußtsein zu beschließen, in so mancher schaffensfrohen Brust angeregt zu haben zu frischer Kunstbetätigung.
Mein Bestreben ging dahin, den Anfänger gleich ins Praktische der Technik einzuführen, damit der erziehliche Wert des Selbsterprobens dem Lernenden so bald als möglich zu gute komme.
Wie schon erwähnt, ist das Inhaltliche dieses Buches die Lehre von etwas bereits Bestehendem und kann, ohne das Wesen des Ganzen anzutasten, nicht abweichen von den bereits bekannten Lehrbüchern aus älterer und neuerer Zeit über dieses Gebiet. Was ich aber als wesentlich bei der Radierung erblicke, das sind in noch viel höherem Maße als Virtuosität in der Technik: rein künstlerische Momente, wert der besonderen Aufmerksamkeit des Lernenden, der nicht nur in technischem Können es zur Meisterschaft bringen sondern auch mit künstlerischem Takte sich der errungenen Ausdrucksweise bedienen will.
Von diesem Standpunkte aus beurteilt wird auch die beabsichtigte Hinweglassung der Aufzählung und Beschreibung der vielen anderen Sticharten dem Buche [95] nicht als Mangel vorzuwerfen sein, da diese entweder mit der Ätzkunst nichts zu tun haben (wie z. B. die Grabsticheltechnik, die Linienmanier, die Schabkunst usw.), da dort das Vertiefen der bilderzeugenden Elemente auf mechanischem Wege geschieht, oder wenn sie auf Ätzung beruhen wie z. B. die verschiedenen Arten der »Aquatinta« (im Absatz » Strich und Ton « ist das Prinzip einer solchen Aquatintatechnik, nämlich derjenigen mittelst Steinsalzpulver, gelegentlich erörtert), die Reservagenmethoden, die Crayon- und Korntechniken doch für den freischaffenden Künstler nicht gerade den Königsweg bedeuten, da bei ihnen meistens feine, minutiöse Ausführung ihren Wert und ihren Selbstzweck bilden.
Von alledem sei bloß die » kalte Nadel « oder »Schneidenadel« erwähnt, da sie ein wertvolles Mittel bei Retouche und Nacharbeit der geätzten Platte ist.
Dieses Werkzeug ist eine Radiernadel, welche jedoch nicht kegelförmig sondern schneidig geschliffen ist. Die photographische Schneidefeder leistet auch hierin vorzügliche Dienste. Sie wird auf der fertigen Ätzung, auf blankem Kupfer verwendet und ermöglicht, in zarten Strichlagen geführt, duftige lasurartige Töne. Zu bedenken ist hierbei, daß die kalte Nadel einen ganz anderen Strich-Charakter ergibt als die Ätzung, daß also ihre Anwendung vorsichtig und sparsam erfolgen muß, damit der Gesamtcharakter der Arbeit dadurch nichts von seiner harmonischen Wirkung einbüße. Die Schneidefeder (kalte Nadel) erzeugt neben den feinen Furchen auf [96] der Kupferplatte auch aufstehende Kanten, die sogenannten »Grate«. Man fühlt sie leicht heraus, wenn man mit der Fingerspitze über die Platte streicht. An diesen Graten würde beim Abziehen die Druckfarbe hängen bleiben und im Abzug klecksartige Stellen verursachen. Deshalb muß man diese Grate vor dem Einschwärzen mit dem Schabstahl abnehmen. Nur darf man diesen nicht senkrecht zur Strichrichtung der Grate führen, da man sie sonst nicht entfernen, sondern nur umlegen und die Furchen dadurch wieder schließen würde.
Manchen meiner lieben Leser wird es vielleicht willkommen sein, die Radierung, wenigstens die Anfänger-Arbeiten mit billigeren Mitteln betreiben zu können. Einen solchen wirklich guten Ersatz bietet die im Vergleich zur Kupferplatte viel billigere Zinkplatte. Ihre Bearbeitung unterscheidet sich nicht von der der Kupferplatte. Nur das Ätzwasser muß für Zink bedeutend schwächer sein als für Kupfer. Ein sehr gutes Ätzwasser für Zinkplatten stellt man sich wie folgt her: In eine gesättigte Kochsalzlösung gießt man gewöhnliche Salzsäure, schüttelt gut durch und nimmt davon in die Eprouvette. Der blanke Probestreifen aus Zinkblech wird hineingesenkt. Er soll sich nach etwa einer Minute mit sehr kleinen Bläschen belegen. Das rasche Entstehen von großen Blasen ist ein Zeichen eines zu starken Ätzwassers. [97] Verdünnt wird dann grundsätzlich mit gesättigter Kochsalzlösung, nicht mit reinem Wasser. Diese Kochsalzlösung hält man in einer großen Flasche auf Vorrat. (Man schüttet soviel Kochsalz in die Flasche, daß sich stets ein ungelöster Rest davon im Wasser unten befindet).
Wenn man bemerkt, daß sich von den Kanten des Probestreifens feine glitzernde Fäden in der Eprouvette niedersenken, dann ist das Ätzwasser bereits stark genug, auch wenn noch keine deutliche Blasenbildung auftritt. Man vermeide es, Ätzwässer für Zink und solche für Kupfer in Mischung zu bringen. Die blaue Färbung des Kupferätzwassers läßt ja nicht leicht Verwechslungen zu. Das Zinkätzwasser wird gelb und soll doch durch eine Aufschrift gekennzeichnet werden, da es sich von neuen, ungebrauchten Ätzwässern nicht merklich unterscheidet.
Ungemein wichtig erschien mir, die Erörterung des Abdruckens mit einfachen Mitteln meinen lieben Lesern vorzuführen, denn, wenn wir das Drucken mit dem Beinstab beherrschen, dann haben wir in diesen Produkten zuverlässige, nimmerversagende Ratgeber gefunden, Ratgeber, die stets zur Hand sind, wenn man ihrer bedarf und eine Arbeit begleiten bis zu ihrer Vollendung. Schon das fortwährende Hin- und Widerlaufen zum Kupferdrucker, das Warten auf die Abzüge usw. ist nicht besonders angenehm; hat aber jeder Ort einen Kupferdrucker? wenn nicht, dann spielt sich die Sache obendrein auch noch per Post ab, – vom Kostenpunkt ganz abgesehen! Und dann [98] muß erwogen werden: Es sind Probedrucke, für welche all die Müh’, Zeit und Kosten verwendet werden soll!
Allerdings sehr empfehlenswert ist die Anschaffung einer nicht gar zu kleinen Handwalzenpresse; namentlich dann, wenn man beabsichtigt, selbst auch eine kleine Auflage von Abzügen für den engeren Verkehr zu drucken. Man ist durchaus nicht an große Firmen gebunden, ein vertrauenswürdiger, intelligenter Maschinenschlosser wird eine solche Walzenpresse mit Bessemerwalzen samt Gestell und den zwei Tischblättern mit gewiß geringeren Kosten und ganz exakter Leistung herzustellen wissen; nur darf die Federung und die Verstellbarkeit der oberen Achsenlager nicht vergessen werden.
Handwalzenpressen von sehr hoher Leistungsfähigkeit erzeugt die Pressenfabrik Gärdtner & Knopp in Wien.
Am Ende meiner Ausführungen angelangt erübrigt mir nur noch dem Wunsche Ausdruck zu geben, daß das Büchlein, so anspruchslos es auch sei, allen denen, die sich ihm anvertrauen, ein treuer Ratgeber bei ihren ersten Versuchen werde, sowie, daß es auch nicht sobald aus der Hand des Fortgeschrittenen gelegt werde. Seine Knappheit möge ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, [99] denn nicht umfassen soll es und erschöpfen, nur anregen, nur die Wege zeigen will es den Lernenden, die ihren Fleiß dieser edlen Technik widmen und im Lernen, im Fortschreiten deren berufene Pfleger, ihre eifrigen Schätzer werden wollen.
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Weitere Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die wiederholten Seiten »Raum für Bemerkungen« wurden entfernt.