The Project Gutenberg eBook of Deutsche und Französische Orgelbaukunst und Orgelkunst

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Title : Deutsche und Französische Orgelbaukunst und Orgelkunst

Author : Albert Schweitzer

Release date : January 28, 2023 [eBook #69893]

Language : German

Original publication : Germany: Breitkopf & Härtel

Credits : the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DEUTSCHE UND FRANZÖSISCHE ORGELBAUKUNST UND ORGELKUNST ***

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1906 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

Im Originaltext wurde die akustisch wirksame Länge der Orgelpfeifen (in Fuß) mit schließenden Anführungszeichen (“) gekennzeichnet. Die vorliegende Bearbeitung verwendet dagegen das allgemein übliche Prime-Symbol (′).

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ALBERT SCHWEITZER
ORGANIST DER BACHAUFFÜHRUNGEN
DES CHORES ZU ST. WILHELM
IN STRASSBURG

Deutsche und Französische
Orgelbaukunst
und
Orgelkunst

Verlagssignet

LEIPZIG
DRUCK UND VERLAG VON BREITKOPF & HÄRTEL
1906

PROFESSOR ERNST MÜNCH
DEM ERZIEHER DER ELSÄSSISCHEN ORGANISTEN
IN HERZLICHER FREUNDSCHAFT

[S. 1]

Kopfleiste

W enn es wahr ist, daß wir im Zeichen des Verkehrs stehen, so muß doch auch zugestanden werden, daß er nicht allen Gebieten der Kunst in gleicher Weise zugute gekommen ist und daß gewisse Erscheinungen einen fast irre daran machen könnten, daß auch die Kunst in das Zeichen des Verkehrs getreten ist. Man kann sich geradezu fragen, ob von ihm nicht fast ausschließlich ein gewisses wanderndes Virtuosentum profitiert hat, und ob dabei gerade die lernende Kunst, die in aller Herren Ländern das Beste sich anzueignen sucht, nicht eher zurückgetreten ist? Es will einen fast bedünken, als ob zu Bachs Zeiten die Kunst in gewissem Sinne künstlerischer in ihrer Internationalität war als heute, sofern man damals reiste, um zu lernen und zu lehren, heute mehr ausschließlich, um sich zu produzieren.

Daß die künstlerischen Grenzwälle trotz der Zeichen des Verkehrs existieren, mehr als man meinen sollte, wird mir jedesmal klar, wenn ich mit einem französischen Organisten von deutschen Orgeln und deutscher Orgelkunst, mit einem deutschen von französischen Orgeln und französischer Orgelkunst rede. Es ist mehr als ein totales Nichtwissen um die Verhältnisse drüben, das hier zutage tritt: es ist fast eine Unmöglichkeit, sich beim besten Willen zu verstehen. Es nützt nichts, in Paris für Reger und die andern unserer vielversprechenden jungen Organistengeneration einzutreten und in Deutschland auf Widors Orgel-Symphonien aufmerksam zu machen. Wozu? Regers Werke sind auf der Orgel von Notre-Dame oder auf der von St. Sulpice unausführbar und Widors Symphonien sind auf deutschen Orgeln [S. 2] auch nur mit einer gewissen Vergewaltigung des Wesens und der Anlage des Instruments wiederzugeben.

„Also“, sagt jeder Teil, „taugt des andern Orgel nichts“. Dabei kennt keiner des andern Orgel. Um dieses Urteilen, bei dem doch nichts herauskommt, in die Wege einer vernünftigen Diskussion zu leiten, die für Orgel und Orgelkunst förderlich sein kann, und um die streitenden Parteien miteinander bekannt zu machen, ergreife ich das Wort, als einer, der durch die deutsche und die französische Schule hindurch gegangen ist, als einer, der durch die Verhältnisse genötigt, seit mehr denn zwölf Jahren auf beiden Orgeln heimisch ist, als einer, der in Paris für deutsche Orgelkunst, in Deutschland für die französische eintritt und der Überzeugung lebt, daß ein Ausgleich zwischen den beiderseitigen Orgeln und Auffassungen kommen muß, und daß mit diesem Ausgleich, mit diesem Durchdringen deutscher und französischer Orgelkunst eine neue, ideenreiche und formbeherrschende Periode in der Geschichte des Orgelspiels anbrechen wird. Wenn die Zeichen der Zeit nicht trügen, ist der Augenblick gekommen, voneinander zu lernen.

Die schärfere Differenzierung zwischen deutscher und französischer Orgel setzte etwa vor einem Menschenalter ein. Als der alte Hesse die eben vollendete Orgel zu St. Clothilde spielte, fand er sich alsbald auf ihr zurecht und erklärte sie für das Ideal der Orgel, das ihm vorschwebte. Heute dürfte es keinen deutschen Organisten geben, der sich alsbald auf einer französischen Orgel zurecht fände und keinen französischen, der ohne längeres Vorstudium oder verständnisvolle Hilfe beim Registrieren sich auf einer deutschen hören lassen könnte.

Die Differenzierung rührt von der verschiedenen Art her, wie der Orgelbau in beiden Ländern durch die neuen Mittel, Elektrizität und Pneumatik, beeinflußt worden ist. Der französische Orgelbau blieb mehr konservativ. Die Orgel von St. Sulpice, die bald fünfzig Jahre alt ist, ist der Typus aller [S. 3] französischen Orgeln geblieben. Der deutsche Orgelbau begab sich auf die Bahn der Erfindungen, nutzte alle technischen Vorteile der Pneumatik aus und gebrauchte die Elektrizität zur Erzeugung unbegrenzter Windmengen und Winddrucke.

Dazu kommt eine rein äußerliche Unterscheidung. In den französischen Orgeln sind die Koppeln und Kombinationszüge ausschließlich in den Füßen angelegt. Die deutsche Entwicklung führte zum fast ausschließlichen Gebrauch der Druckknöpfe.

Aber auch das innere künstlerische Prinzip ist verschieden. Das künstlerische Wesen einer Orgel, und noch viel mehr das ganze Wesen der Orgelmusik, wird bestimmt durch die Art, wie man auf diesem Instrument vom Piano zum Forte, vom Forte zum Fortissimo gelangt und von letzterem wieder in die Anfangsklangfarbe zurückkehrt. In der deutschen Orgel hat sich das Registerrad oder die Walze durchgesetzt. Sie beherrscht die Orgel, wie das Spiel unserer Virtuosen zeigt; sie beherrscht die Literatur und Komposition, wie es sattsam aus einem Blick in ein neues Werk für Orgel erhellt. Anders gesagt: wir schwellen, indem wir sämtliche Register lückenlos aufeinander folgen lassen, so daß sie unterschiedslos auf das Hauptklavier wirken; wir verzichten darauf, in der Schwellung die künstlerische Individualität der Klaviere zur Geltung kommen zu lassen; wir setzen es als selbstverständlich voraus, daß jede Schwellung zugleich eine Klangfarbenveränderung bedeutet; wir finden uns in die Monotonie, die damit notwendig gegeben ist, daß die Aufeinanderfolge der Stimmen ein für allemal dieselbe ist, nämlich die, welche der Orgelbauer im Registerrad zu realisieren für gut befand; wir schicken uns darein, nicht zu bestimmen, wann wir 16′, wann wir 8′, wann wir 4′ und 2′, wann wir Mixturen, wann wir Zungen in die Klangmasse einführen wollen; wir nehmen die ewige Sklaverei des die Walze entwerfenden Orgelbauers auf uns, verzichten auf jede Freiheit in der Durchführung der Steigerung, wo doch Freiheit und Kunst so eng zusammen gehören: dies [S. 4] alles, um dafür in den Stand gesetzt zu sein, durch die einfache Bewegung eines Rades oder eines Trittes die Steigerung zu regieren.

Anders der französische Organist. Er wählt die zweite Alternative. Er verzichtet darauf, mit einer einzigen Bewegung die Steigerung durchführen zu können und schickt sich darein, hierfür eine Mehrzahl von Bewegungen aufwenden zu müssen. Dafür behält er sich aber die Freiheit vor, in jedem Falle die Stimmen sich so zum Fortissimo steigern zu lassen, wie es ihm durch den Charakter der betreffenden Steigerung geboten erscheint.

Die Steigerung auf der französischen Orgel beruht zunächst auf dem An- und Abkoppeln der Klaviere. Dadurch erst kommen die drei Persönlichkeiten, welche die göttliche Trinität der Orgel ausmachen, zur Geltung. Soll dies aber wirklich durchführbar sein, so darf der Spieler nicht darauf beschränkt bleiben, sein II. und III. Klavier (Positiv und Récit) zum ersten zu koppeln, sondern er muß die unbeschränkte Möglichkeit haben, jedes Klavier zum Ausgangspunkt zu wählen und die andern darauf zu koppeln. Darum ist in allen französischen Orgeln das I. Klavier, Grand Orgue genannt, zugleich neutrales, leerlaufendes Klavier, Koppelklavier. Die darauf eingestellten Register, also die gezogenen Register des I. Klaviers, erklingen erst, wenn der mit „G. O.“, d. h. Grand Orgue, bezeichnete Tritt niedergedrückt wird. Man kann also auf das leerlaufende I. Klavier (Grand Orgue) zuerst das Récit, dann das Positiv, dann, durch die Einführung des G. O., das Hauptwerk koppeln, beliebig die Reihenfolge II I III, II III I, I III II, oder die uns geläufige I II III herstellen. Die Möglichkeiten sind vollzählig gegeben.

In der Abkoppelung ebenfalls. Es liegt in dem Belieben des Spielers, ohne von der Hauptklaviatur herunter zu gehen, zuletzt das I., II. oder III. Klavier zu behalten.

Zu jedem Klavier gehört ein „Appel des mixtures et des anches“, d. h. ein Tritt, durch welchen die nach Gutdünken auf denselben für jenes Klavier eingestellten Mixturen und [S. 5] Zungen in Wirkung treten, so daß der Spieler es in der Hand, oder besser gesagt, in den Füßen hat, in die vorhandene Grundstimmenfarbe die Mixturen der drei Klaviere in beliebiger Reihenfolge einzutragen, sei es vor, während oder nach der Koppelung derselben, sei es abwechselnd mit ihr.

Die drei Koppeln und die drei Kombinationstritte stellen also eine Menge von Steigerungsmöglichkeiten dar und bieten zugleich den Vorteil, daß man die betreffende Teilsteigerung bei einer bestimmten Peripetie, auf den charakteristischen, starken Taktteil derselben, eintreten lassen kann, was bei der Walze unmöglich ist, da sie, sofern sie ein Register nach dem andern, nie eine ganze Gesellschaft, einführt, einen Zeitraum beansprucht.

Als drittes, die andern vollendendes Steigerungsmittel kommt das Schwellwerk des III. Klaviers hinzu. Das III. Klavier ist in der französischen Orgel bedeutender als das zweite. Der Schwellkasten schließt nicht etliche schwach intonierte Registerlein, sondern eine sowohl an Zahl als an Intensität bedeutende Klangmasse ein. Die Klangcharaktere sind darauf womöglich in allen Fußzahlen vertreten, so vollständig, fast noch vollständiger als auf dem I. Klavier. Das will heißen, daß an einem solchen III. Klavier etwas zu schwellen ist, daß der Jalousieschweller nicht nur dazu dient, auf dem III. Klavier ein gewisses Nuancieren zu ermöglichen, sondern dazu da ist, die Steigerung der ganzen Orgel bis zu einem bestimmten Grad hinzuführen. Ich erinnere mich einer Orgel von Cavaillé-Coll, wo man das volle, gekoppelte Werk durch den Schwellkasten des III. Klaviers noch beeinflussen konnte.

Die Steigerung auf der französischen Orgel beruht also auf den Koppeln, den Einführungen der Mixturen und Zungen und der Verwendung des Jalousieschwellers.

Zum Exempel. Wir haben das dritte Werk — Schweller geschlossen — auf das leerlaufende erste gekoppelt. Gezogen auf allen dreien: Grundstimmen 16′, 18′, 4′, 2′; [S. 6] präpariert: Mixturen und Zungen. Im Pedal ebenso. Wir koppeln das II. Klavier ans dritte; bei der nächsten Peripetie lassen wir, indem wir das G. O. drücken, die Grundstimmen des ersten hinzutreten. Darauf koppeln wir das Pedal nach Bedarf an die Klaviere. Wie nun aber ohne „Ruck“ aus dem Grundstimmencharakter in die Mixturen- und Zungenklangfarbe kommen? Indem wir die Mixturen und Zungen zuerst auf dem III. Klavier einführen. Bei geschlossenem Schweller geschieht dies fast unmerklich. Nun Öffnen wir den Schweller langsam. Der Mixturen- und Zungenklang flutet in langen feinen Wellen über den Grundstimmenklang einher und verbindet sich mit demselben. Dieses Realwerden der vorher, bei geschlossenem Schweller, nur virtuell vorhandenen Mixturen- und Zungenklangfarbe ist der entscheidende Moment der Steigerung. Weil auf dem III. Klavier alle Klangcharaktere vertreten sind, ist das volle Werk vom Moment jener ersten Einführung der Mixturen und Zungen des im Schwellkasten gebändigten III. Klaviers an in Kraft getreten. Es kommt nur noch auf die Entfaltung an. Die nun folgenden Einführungen der Mixturen und Zungen des II., des I. Klaviers und des Pedals und die Einführung der Sub- und Superoktavkoppeln (Octave grave und Octave aigüe) ändern an dieser Klangfarbe nichts: sie machen sie nur intensiver.

Danach sind die dynamischen Angaben in den französischen Kompositionen zu deuten. Das Zeichen für crescendo oder decrescendo bezieht sich nur auf die Handhabung des Schwellkastens, auch wenn der Spieler sich auf dem ersten Klavier befindet. Ausdrücklich wird am Kopf des Stücks angegeben, ob neben den Grundstimmen (Jeux de fonds, kurzweg Fonds genannt) noch Zungen und Mixturen, und welche, auf den verschiedenen Klavieren präpariert sind. Ihr Eintreten wird dann besonders angegeben, ebenso die An- und Abkoppelungen. Crescendo poco a poco in einer in kurzer Linie zum Fortissimo führenden Steigerung bedeutet, daß der Spieler, wenn er das volle III. Klavier sich auf den [S. 7] Grundstimmen der zwei ersten hat entfalten lassen, auf den entscheidenden starken Taktteilen die Mixturen und Zungen der übrigen Klaviere und des Pedals einführen soll. Erst diese letzte Steigerung entspricht unserm Schwellen mit der Walze. Die Zeichen < > , und mögen sie sich über noch so viele Takte erstrecken, beziehen sich immer nur auf den Schwellkasten.

Ich hebe diese grundsätzliche Verschiedenheit in den dynamischen Angaben hervor, weil ich gefunden habe, daß fast alle deutschen Organisten, aus Gewohnheit, das Crescendo- und Decrescendozeichen, wenn sie auf dem ersten Klavier waren, mit der Walze realisierten und so die vom Komponisten gewollte Wirkung, da dieser mit einer Klangfarbenveränderung nicht rechnete, total zerstörten.

Die Grundvoraussetzung des französischen Systems bildet die Anlage aller Ressourcen als Pedaltritte. Die französische Orgel kennt keine Druckknöpfe unter der Klaviatur. Für welches System sich entscheiden?

Ich sitze noch keine fünf Minuten neben Vater Guilmant auf der Bank seiner schönen Hausorgel zu Meudon, so fragt er schon, als fiele er da ein, wo wir das letzte Mal stehen geblieben: „Und in Deutschland bauen sie noch immer Druckknöpfe? Das kann ich nicht verstehen. Sehen Sie doch, wie einfach es ist, wenn man alles in den Füßen hat“ ..., und die kurzen behenden Füße drücken Koppeln und Kombinationstritte lautlos nieder und lösen sie im Nu wieder aus.

Am andern Tag fängt Widor, zum fünfundzwanzigsten Male, wieder von derselben Sache an. „Sagen Sie doch meinem Freund Professor Münch in Straßburg, er soll mir eine Stelle in einem Bachschen Präludium oder in einer Fuge aufzeigen, wo er im richtigen Augenblicke eine Hand frei hat, um nach einem Druckknopf zu greifen! Er soll mir jemand nennen, der auf dem Manual spielen und zugleich [S. 8] mit dem Daumen den Druckknopf auf der Vorsatzleiste drücken kann.“

Ich schweige, denn der erste deutsche Organist, dem ich einige Wochen nachher in die Hände laufe und dem ich die Streitfrage vorlege, antwortet mir unfehlbar: „Die Franzosen sind eben rückständig. Früher hatten wir das auch in den Füßen; jetzt aber haben wir unsere schönen Druckknöpfe.“

Zunächst handelt es sich da um eine Gewohnheitssache. Der französische Organist sitzt ratlos vor den Druckknöpfen; der deutsche findet sich in den Pedaltritten nicht zurecht. Die Frage ist aber dennoch eine Prinzipienfrage. Hat man eher eine Hand oder einen Fuß frei?

Im Prinzip muß man den Franzosen recht geben. Man hat fast nie eine Hand, sehr oft einen der Füße frei. Und die Erfahrung bestätigt das Prinzip. Ich höre auf deutschen Orgeln immer die Verzögerungen, die unrhythmischen Verschiebungen, die davon herrühren, daß der Spieler bei der betreffenden Peripetie den richtigen Moment nicht findet, seine Knöpfe zu drücken. Ich kenne Virtuosen, die, um dies zu vermeiden, sich mit zwei Helfern umgeben, welche ihnen die Knöpfe drücken. Das heißt sich aber in Abhängigkeit begeben. Und wer hat schon einmal mit Helfern gespielt, ohne daß dabei etwas passiert wäre? Die ganze durch das System der Druckknöpfe geschaffene Kompliziertheit kommt einem aber erst zum Bewußtsein, wenn man das Gegenteil zu beobachten Gelegenheit hat. Man sehe Guilmant, Widor, Gigout oder Vierne auf ihren Orgeln! Sie brauchen keinen Helfer. Lautlos, ruhig und unfehlbar tun sie alles selbst. Wer dies mit angesehen hat, wird nicht mehr im Zweifel sein, welchem der beiden Systeme der Sieg zufallen wird.

Ich selbst, der ich auf beiden Orgeln heimisch bin und mich in beide Systeme eingelebt habe, muß gestehen, daß die Ressourcen des französischen Systems einfacher, d. h. besser sind. Zunächst weil alle Orgeln sich gleichen. Unten links finden sich die drei Pedalkoppeln; in der Mitte die [S. 9] Manualkoppeln; daran anschließend die Oktavkoppeln; dann kommt gewöhnlich der Jalousieschweller; rechts davon die Kombinationszüge für Mixturen- und Trompeteneinführung: alles immer in der Anordnung I, II, III. Wenn Saint-Saëns, wie es vor der Ernennung Viernes zum Organisten von Notre-Dame der Fall war, bei offiziellen Anlässen vom Präsidenten der Republik auf die Orgel der Cathedrale befohlen wurde, brauchte er keine fünf Minuten, um darauf so heimisch zu sein, wie auf der Orgel von St. Séverin, auf der er sich in wundervollen Improvisationen zu ergehen pflegt.

Bei uns ist jede Orgel von der andern in der Anlage der Ressourcen verschieden. Um mit Erfolg darauf zu spielen, muß man sich zum mindesten einige Tage darauf einleben. Man würde sich mit dieser Verschiedenheit noch abfinden, wenn sie gewissermaßen nur der chaotische Zustand wäre, aus dem dann der vollendete Orgeltypus hervorgehen könnte. Dies ist aber nicht der Fall, denn es ist in den Differenzen weder Sinn noch Verstand, sondern nur Zufall, Gewohnheit, Willkür. Es kann nur einen wirklich vollendeten Orgeltypus geben. Statt daß wir uns aber auf diesen hinbewegen, bleiben wir in der regellosen Vielheit stecken und meinen noch, es müßte so sein.

Nun verdankt zwar Deutschlands Kunst, und gerade die Musik, dem Kleinstaatentum viel, unendlich viel, was man erst entdeckt, wenn man in Ländern lebt, die dieses Stadium nie gekannt haben. Aber im Orgelbau ist es vom Übel. Möge Frankreich hier im Guten, wie in der Geschichte einst im Bösen, die einigende Macht sein.

Der Vorteil, der dem Spieler auf der französischen Orgel fast am lebhaftesten zum Bewußtsein kommt, ist das Vermögen, durch An- und Abkoppelung der Klaviere an das Pedal die Klangstärke und Klangfarbe des Basses jederzeit zu regeln, ohne in den Manualen etwas zu verändern. Man empfindet dies fast noch angenehmer als die jederzeitige Möglichkeit, die Manuale untereinander zu koppeln, obwohl unseren neueren Orgeleinrichtungen gerade dies zum größten [S. 10] Vorwurf gemacht werden muß, daß sie das Operieren mit An- und Abkoppelungen der Klaviere, das Regulieren des Zusammenwirkens der drei Persönlichkeiten, die die Orgeleinheit ausmachen, zur Ausnahme statt zur Regel erheben.

Wer von uns seufzt nicht fast in jedem Bachschen Stück darunter, es auf unsern Orgeln nicht in der Gewalt zu haben, bald einen weniger, bald einen besser genährten Baß reden zu lassen? Wem sind gewisse längere gehaltene Baßnoten, besonders wenn die linke Hand in der Tiefe zu tun hat, nicht eine Qual? Auf der französischen Orgel existiert diese Schwierigkeit nicht. Man höre Widor ohne Veränderung der Manualklangfarbe den großen Orgelpunkt des Pedals in der F-dur-Toccata von Bach anschwellen lassen! Man höre ihn den Bässen im G-moll-Präludium gebieten! Ehe die gehaltene Baßnote einsetzt, fliegen durch fünf kurze aufeinanderfolgende Bewegungen seine sämtlichen Pedalkoppeln ab. Nun, gegen Ende der gehaltenen Note, tritt jede zu ihrer Zeit auf dem starken Taktteil, die Betonung verstärkend, wieder ein: V, IV, III, II, I Klavier! Dasselbe Manöver wird sechs- oder siebenmal wiederholt. Aber ich gestehe, daß ich sonst das G-moll-Präludium noch nie ohne „Baßbeschwerden“ gehört habe.

Das Beherrschen der in den Füßen angelegten Koppeln und Kollektivtritte bedeutet nun freilich eine ganz besonders zu erlernende Technik, die in ihrer Art fast noch schwerer ist als die Pedaltechnik. Wie oft spielt der Schüler unter Guilmants, Gigouts oder Widors unerbittlichem Blick eine Übergangsstelle, bis er es endlich heraus hat, auf die hundertstel Sekunde genau, ohne daß das Spiel im geringsten alteriert wird, lautlos, ohne Kontorsion, unfehlbar sicher die Koppel oder die Kombination niederzudrücken und im nächsten Augenblick für die kommende in Bereitschaftsstellung zu sein! Fast für jedes Stück muß man sich die Peripetien, wo die Aufeinanderfolge der Bewegungen eine gewisse Kompliziertheit erreicht, besonders „anlernen“. Ich stand neben Widor, als er seine letzte, die „Romanische Symphonie“ [S. 11] für sich einstudierte. Wievielmal nahm er bestimmte Stellen vor, ehe die Koppeln und Kollektivtritte ihm gehorchten, wie er wollte!

Aber wenn die betreffenden Bewegungen einmal angelernt sind, ist man eben vollständig frei und Herr der Steigerungen, die man ausführen will. Man stelle sich neben Vierne, den jungen, kaum noch einen Schimmer des Augenlichts besitzenden Organisten von Notre-Dame, und folge ihm, wie er ohne irgendwelche Beihilfe, nur durch die sehend gewordenen Füße sein wundervolles Instrument vom Pianissimo zum Fortissimo leitet!

Ein Organist warf mir einst ein, daß nur die talentvolleren Schüler diese zweite „Pedaltechnik“ erlernen könnten. Von Guilmant und Gigout, den Lehrern der neuen französischen Organistengeneration, wird man aber jederzeit erfahren, daß mit Fleiß ein jeder auch nur einigermaßen begabte Schüler die Schwierigkeiten überwindet.

Was hindert uns nun aber, die französische und die deutsche Einrichtung auf einer Orgel zu vereinigen und die Hauptkoppeln und Kombinationszüge sowohl als Druckknöpfe als auch als Pedaltritte anzubringen, und zwar so, daß jedesmal Knopf und Tritt korrespondieren? Dann wäre man imstande, jedesmal dasjenige Glied zu benutzen, das man gerade frei hat. Man würde z. B. eine Koppel mit der Hand einstellen, und nun, da sie sich zugleich automatisch im Fuß einstellt, in der Lage sein, sie entweder wieder mit der Hand, oder, wenn gerade besser angängig, mit dem Fuß auszuschalten. Wir triumphieren, und mit Recht, daß es für unsere Pneumatik keine technischen Unmöglichkeiten gibt. Der Orgelbauer, der es unternimmt, dem Spieler die Hauptressourcen in dieser Art doppelt anzulegen, hat dann den Knoten, den alle Diskussionen nicht lösen können, in der richtigen Art durchhauen. Diese doppelte Anlage läßt sich übrigens auch durch eine einfache unpneumatische, rein mechanische Einrichtung an jeder Orgel anbringen.

[S. 12]

Auf dieselbe Weise ließe sich auch die Frage: Rollschweller oder nicht, lösen. Ich selber weiß sehr gut die Vorteile eines Rollschwellers z. B. bei Begleitung von Oratorien mit großen Chören zu schätzen und gestehe zu, daß man damit in bestimmten Fällen einzigartige Wirkungen hervorbringen kann. Aber mit seiner alleinigen Herrschaft bin ich nicht einverstanden, besonders nicht, wenn es sich um Orgeln von unter dreißig Stimmen handelt, wo er geradezu barbarisch wirkt. Ich fürchte auch, daß er auf das künstlerische Empfinden unserer jungen Organisten und, ganz besonders, auf unsere Orgelkomponisten nicht den besten Einfluß ausgeübt hat, indem er beide von dem wahren, einfachen, suchenden Registrieren abbrachte und sie in Versuchung führte, die Orgel als ein Instrument zu betrachten, auf dem man „stark und schwach“ spielt, nicht als die vielgestaltige Einheit, in der jede Steigerung aus dem Zusammenwirken bestimmter Klangeinheiten resultieren muß. Ich glaube, wenn man eine Umfrage unter den erfahrenen Organisten anstellte, würden manche gestehen, daß sie von der einseitigen Wertung des Rollschwellers aus künstlerischen Gründen abgekommen sind.

Hier heißt es wieder: das eine tun und das andere nicht lassen. Man lasse uns den Rollschweller, gebe uns aber zugleich die französischen Ressourcen, damit wir nicht einzig auf ihn angewiesen sind. Dann tritt der verderbliche Einfluß, den der Rollschweller in der Auffassung unserer jungen Organisten und in der neueren Literatur ausgeübt hat, von selbst zurück.

Merkwürdigerweise fehlt nämlich auf unsern deutschen Orgeln gerade das, was wir am meisten brauchten. Wir haben den Rollschweller, die freien Kombinationen, Chöre, Tuttizüge usw., d. h. alles Ressourcen, in denen ein Registeraggregat das andere ablöst. Wir haben aber keine Möglichkeit, zu einer vorhandenen Registrierung, indem wir sie fortbestehen lassen, auf jedem Klavier neue Stimmen je nach Bedarf einzuführen. Diese elementarste und durch [S. 13] die Kompositionen in allererster Linie verlangte Ressource existiert tatsächlich nicht.

Geradezu verderblich ist, daß sehr oft nicht einmal die Klaviere unabhängig voneinander sind, da der Knopf, der die freien Kombinationen in Aktivität setzt, oder der, welcher die Tutti und Mezzoforti einführt, der Vereinfachung halber — sonst hätten wir ja jedesmal vier statt eines Knopfes — auf die drei Klaviere und das Pedal zugleich wirkt! Unser scheinbarer Reichtum ist tatsächlich eine furchtbare Armut. Unmöglich, wenn Tutti eingestellt ist, zum dritten Klavier das Pedal zu gebrauchen, da dieses ja auch auf Tutti steht. Man könnte ein Buch über die Pedalnot auf unserer modernen Orgel schreiben, die einen mit ihren zahllosen glänzenden Knöpfchen so reich und verheißungsvoll anlächelt, während doch dieser ganze Fassadenreichtum zuletzt nur glänzende Armut ist, weil er gerade die einfachen und daher künstlerischen Ressourcen nicht enthält.

Und wenn, um dieser Not zu wehren, die Orgelbauer uns heute ein automatisch eintretendes schwächeres Pedal offerieren, welches das andere ablöst, sobald man bei eingestelltem Tuttiknopf auf das II. oder III. Klavier übergeht, so ist das nur ein jämmerlicher Notbehelf, mehr geeignet die Not zu beleuchten als Abhilfe zu schaffen, denn ein ehrlicher Organist will das Pedal, das er will und braucht, nicht ein Pedal, das ihm der Orgelbauer zum II. oder III. vollen Klavier vorzuschreiben für gut befindet.

Es handelt sich also darum, das Hinzutreten und das Abtreten neuer Klangaggregate zu ermöglichen. Auch hier glaube ich, wird sich wieder die Vermittlung zwischen französischem und deutschem Typus empfehlen, nämlich eine Vermittlung zwischen unserer freien Kombination und der französischen Einführung der Mixturen und Zungen. Die französische Einrichtung hat den Nachteil, daß sie nur die Einführung von Mixturen und Zungen gestattet; die deutsche, daß die eintretende freie Kombination die gezogene Registrierung aufhebt. Nun richte man es so ein — der Pneumatik [S. 14] ist ja alles möglich —, daß die auf die freie Kombination eingestellte Registrierung die gezogene, je nach Belieben des Organisten, aufhebt oder komplementierend hinzutritt, um durch dieselbe Druckknopf- oder Trittbewegung wieder wegzutreten, je nachdem der Spieler vor Beginn des Spiels einen Tritt oder Knopf, der das Stehenbleiben der Hauptregistrierung bewirkt oder annulliert, niederdrückt oder nicht.

Wir hätten demnach als Ressourcen für eine mittlere Orgel :

Pedalkoppeln, Manualkoppeln, Super- und Suboktavkoppel, doppelt verwendbare freie Kombination in der oben beschriebenen Art für jedes Klavier und für das Pedal, dazu noch den Rollschweller. Bei den Koppeln wäre noch eine Einführung der Stimmen des ersten Klaviers, in der Art des französischen G. O. anzubringen.

Dieser Typus hat sich mir durch ein jahrelanges Nachdenken über französische und deutsche Orgeln und durch ein fortgesetztes Streben nach der zweckmäßigen Vermittlung zwischen beiden aufgedrängt, wobei anregende Unterhaltungen mit den Orgelbauern von hüben und drüben mir wertvolle Fingerzeige boten. Man probiere diese einfachen Ressourcen in Gedanken durch und man wird finden, daß ihr Reichtum im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Einfachheit steht [1] . Alles, [S. 15] was auf einer französischen und deutschen Orgel möglich ist, ist es auch auf dieser. Bach, César Franck, Guilmant, Widor und Reger lassen sich in gleicher Weise darauf spielen.

Freilich, man wird vielleicht gegen diese Orgel einwenden, daß sie zu einfach ist, denn die Kompliziertheit unserer Orgeln ist nachgerade, trotz einiger warnenden Stimmen, bei uns zur Manie geworden. Wenn eine Orgel nicht aussieht wie das Zentralstellwerk eines großen Bahnhofs, taugt sie für eine gewisse Kategorie unserer Organisten von vornherein nichts. Sie wollen ein halbes Dutzend übereinandergelagerter freier Kombinationen, wenn sie sie auch auf einer Tafel hinter ihrem Rücken anbringen müßten, dazu Druckknöpfe für Chöre, Tutti- und Kombinationsknöpfe, alles womöglich in größter Menge. Ich gestehe, daß ich auf so komplizierten Orgeln nie besser als auf andern spielen hörte, gewöhnlich aber die Bemerkung machte, daß entsprechend dem Reichtum der sich kreuzenden Ressourcen entsprechend viel „passiert“ war.

Von unseren Echo-Fernwerken mag ich nicht reden. Sie haben mit der Orgel an sich nichts zu tun und sind eine gefährliche Spielerei, die den Geschmack des Publikums und, was noch schlimmer, des Organisten verdirbt.

Das „ Organola “ gar ist der Sündenfall unseres modernen Orgelbaues. Wann werden in der Öffentlichkeit genug Stimmen laut werden, die das Anbringen eines solchen [S. 16] Apparats zum Mechanisch-Spielen als das, was es ist: als eine Beleidigung der Orgelkunst hinstellen! Für mich hat das Organola nur eine soziale Bedeutung: daß man in Zukunft Krüppel und Kriegsinvaliden mit Organistenplätzen versorgen kann.

Welche Geschmacksverirrung liegt aber schon darin, daß unser Orgelbau uns solche nichtssagende Dinge wie Echowerke und Organola zu offerieren wagt!

Fast lächerlich ist, wie für die kleinen Orgeln das Moderne geradezu ausschließlich in der Überladung mit Druckknöpfen gesucht wird. Auf Orgeln von 10 oder 12 Stimmen findet man Kombinationszüge für Piano, Mezzoforte, Forte und Fortissimo! In gedankenloser Bequemlichkeit kommen unsere Organisten von der ausgedachten Handregistrierung ganz ab.

Es scheint mir fast, als wären wir alle von dem Trugbild der „Konzertorgel“ getäuscht. Was heißt denn Konzertorgel? Gibt es denn zwei Arten von Orgeln? Oder gibt es nicht nur eine beste Orgel und ist nicht diese zur Kirchenorgel gerade gut genug? Was würde der alte Bach sagen, wenn er von unseren Unterscheidungen hörte? Was würde er erst sagen, wenn er wüßte, daß wir zwischen Organisten und Orgelvirtuosen unterscheiden? Gibt es denn noch etwas, das höher ist als ein „guter Organist“ sein, ein solcher, der sich bewußt ist, nicht seinen Ruhm zu suchen, sondern hinter der Objektivität des heiligen Instrumentes zu verschwinden und es allein reden zu lassen, als redete es von sich selber, ad majorem Dei gloriam?

„Denken Sie sich,“ sagte mir einmal Widor, „man hat mich beleidigt. Man hat mich in einer Zeitschrift einen Orgelvirtuosen genannt. Ich bin aber ein ehrlicher Organist. Ein Orgelvirtuose ist nur der Wildling des Organisten.“

Daß die „Konzertorgel“ und der „Orgelvirtuose“ in Frankreich fast unbekannt sind, ist das Verdienst des Orgelbauers Aristide Cavaillé-Coll , des Schöpfers des einfachen [S. 17] und in seiner Art vollendeten Typus der französischen Orgel. Er war mehr als ein großer Orgelbauer: er war, wie Silbermann, ein Genius des Orgelbaues. Ich kann seiner nicht vergessen und sehe ihn heute noch mit dem Käppchen, mit den treuen guten Augen, in denen so viel Kunst und Intelligenz lag, allsonntäglich neben Widor auf der Orgelbank zu St. Sulpice sitzen und mit der Hand über den Spieltisch seiner Lieblingsorgel fahren.

Man hat es mir in deutschen Organistenkreisen verschiedentlich übel genommen, daß ich in meinem französischen Buch über Bach behauptete, Bach würde das Ideal seiner Orgel eher in dem von Cavaillé-Coll geschaffenen Typus wiederfinden als in unseren Instrumenten. Da ich diese Behauptung auch in den demnächst erscheinenden deutschen und englischen Ausgaben meines Werkes aufrecht erhalte, möchte ich sie hier begründen und zur Diskussion stellen .

Maßstab einer jeglichen Orgel, bester und alleiniger Maßstab, ist die Bachsche Orgelmusik. Man wende diesen Satz künstlerisch auf den Orgelbau an und male sich nicht immer wieder aus, wie Bach vor Freude über unsere Druckknöpfe seine Perücke in die Luft werfen und wieder auffangen würde, um sich dann hinzusetzen und sich von einem modernen Orgelvirtuosen belehren zu lassen, was man auf der modernen Orgel alles aus seiner Musik „herausholen“ kann.

Als ein auf das Wesen der Dinge dringender Geist würde er alsbald fragen, wie denn die Mechanik unserer Orgel ist?

Nun sind ja die praktischen Vorteile der Röhrenpneumatik in die Augen springend: Leichtigkeit und Rapidität des Anschlags, Vereinfachung der Anlage, unbeschränkte Möglichkeit aller Ressourcen. Sind das aber ebenso viele ästhetische Vorteile?

Nein. Unsere Röhrenpneumatik ist eine tote Präzision. Sie besteht aus einer Kraftübertragung rein durch Luftdruck. [S. 18] Es fehlt ihr das lebendige und elastische des Hebels. Alle Federn können die elastische direkte Übertragung durch den Hebel nicht ersetzen. Alle Anstrengungen des Spielers müssen darauf gerichtet sein, das Tote dieser Präzision zu verdecken. Es gehört ein Künstler dazu, um auf einer guten Pneumatik gut zu spielen. Und die pneumatischen Systeme unserer Walker und Sauer , um nur zwei der hervorragendsten zu nennen, sind wahre Meisterwerke.

Wenn man dann gar den Durchschnitt der vielsystemigen Pneumatiken nimmt, mit schlechtregulierten Tasten, ohne Tiefgang, ohne Leergang, ohne Druckpunkt, wo die geringste Fingersubstitution ein Wagnis ist, weil die Nebentaste bei der geringsten Berührung anspricht, mit Pedalen, wo es dem besten Organisten unmöglich ist, korrekt und sauber zu spielen ... wenn man diese Durchschnittspneumatiken nimmt, wo man nervös bis zum Exzeß und verzweifelt die Orgelbank verläßt, frage ich mich, ob wir nicht künstlerisch durch unsere Pneumatiken verloren haben. Kein Organist will mehr eine Mechanik [2] . Und doch, wie viele, die auf ihrer alten Mechanik gut und sauber gespielt haben, schmieren auf der neuen, auf die sie so stolz sind, und spielen unpräzis, ohne es zu wissen, weil sie den Anforderungen der Pneumatik nicht gewachsen sind.

Ich glaube, daß wir in Deutschland von der blinden Begeisterung für die Pneumatik zurückgekommen sind und einzusehen beginnen, daß, künstlerisch betrachtet, Pneumatik nur ein Notbehelf für Verhältnisse ist, wo die Traktur nicht [S. 19] mehr verwendbar ist. Bei der Traktur fühlt der Finger an einer gewissen Anstrengung genau, wann der Ton kommt; er nimmt Druckpunkt. Und die niedergedrückte Taste strebt unter dem Finger empor, um, sobald derselbe den geringsten Impuls zeigt, sie zu verlassen, durch ihre Schwerkraft alsbald emporzusteigen und den Finger mit aufzuheben. Die Kraft der Taste kooperiert mit dem Willen! Auch der mittelmäßige Organist kann auf Traktur nicht schmieren. Bei der Pneumatik fehlt die Kooperation der Taste. Sie verschlechtert das Spiel, statt es zu verbessern, und bringt den geringsten Fehler an den Tag.

Nur bei der Traktur steht man mit seiner Orgel in wirklicher lebendiger Verbindung. Bei der Pneumatik verkehrt man mit seinem Instrument per Telegraph ... denn auch der Morseapparat beruht auf einer federnden Taste. Die Traktur der Orgel von St. Thomä zu Straßburg ist wohl über hundert Jahre alt. Aber es ist eine Wonne, eine Fuge von Bach darauf zu spielen. Ich wüßte keine Orgel, auf der alles so klar und präzis herauskommt.

Nicht davon zu reden, daß die Pneumatik durch geringste Dinge beeinflußt wird. Einst, zwischen einer Hauptprobe und einer Aufführung, mußte der Orgelbauer telegraphisch herbeigerufen werden, weil etwas an der Pneumatik gestört war. Der Schaden ist gehoben. Triumphierend zeigt er mir den Störenfried: ein von der Decke gefallenes Sandkörnchen. „Nur ein Sandkörnchen!“ ... „Das ist das Schlimme“, erwiderte ich, „daß ein Sandkörnchen so eine Störung verursachen kann. Wenn’s ein Erdbeben gewesen wäre, würde ich nichts sagen. Und dann noch! Sie werden sehen, daß die alten Trakturorgeln nicht einmal beim Weltuntergang leiden, sondern bestehen bleiben werden, daß die Engel des jüngsten Gerichts das Gloria drauf spielen“. Er war so perplex über diese „Umwertung der Werte“, daß er sogar die Redensart von den heißen Sommern vergaß, die man gewöhnlich gegen die Traktur ins Feld führt.

[S. 20]

„Aber die Pneumatik geht so leicht!“ Der dies einwarf, war ein Hüne, der auf jedem Jahrmarkt als Kraftmensch hätte auftreten können.

Daß eine gute Traktur in kleinen Verhältnissen besser ist als Pneumatik, wissen unsere Orgelbauer ganz gut und gestehen es auch ein. Aber Pneumatik ist einfacher und billiger zu bauen. Und sie sind durch die Verhältnisse gezwungen, das Billige zu bevorzugen.

Diesen Vorzug hat die französische Pneumatik, die auf dem Prinzip der bald sechzig Jahre alten Barckerlade beruht, nicht. Sie kommt fast um die Hälfte teurer zu stehen als unsere Röhrenpneumatik. Aber sie ist künstlerischer und elastischer, da sie mit dem pneumatischen Hebel operiert und also alle künstlerischen Vorteile der reinen Traktur gewissermaßen in die Pneumatik hinübergerettet hat. Wenn ich in Paris eine Orgel von Cavaillé-Coll oder Merklins schöne Orgel im Oratoire der Rue de Rivoli spiele, bin ich jedesmal aufs neue beglückt von der elastischen und sicheren Präzision dieser Kraftübertragung und habe nachher immer Mühe, mich wieder an unsere Pneumatiken zu gewöhnen. Aber die Preisfrage entscheidet bei uns eben alles.

Überhaupt könnten wir für die Details der Anlage von der französischen Orgel viel lernen. Ihre Tasten sind etwas kleiner als die unsrigen; die Obertasten raffiniert abgerundet; die Klaviere näher übereinanderliegend als unsere. Für möglichst genaue Bindung und leichten und sicheren Klavierwechsel, worauf ja Bach bekanntlich allen Wert legte, ist alles vorgesehen. Und erst die französischen Pedale! Sie kosten zwar etwa das Doppelte der unsrigen. Aber welche Vollkommenheit! Alle im Kreis angelegt, geschweift, neuerdings bis zum G reichend, und mit einer geradezu idealen Federung. Wir stellen weit geringere Anforderungen.

Das geschweifte Pedal hat sich bei uns noch nicht durchgesetzt, trotzdem seine Vorteile auf der Hand liegen, und jeder, der einmal über die radiäre Fußbewegung beim Pedalspiel [S. 21] nachgedacht hat, es als das einzig sinngemäße bezeichnen muß. Ich hätte mich unlängst mit einem befreundeten Organisten, dem ich beim Umbau seines Instruments geschweiftes Pedal aufnötigte, beinahe verfeindet und mußte ihm versprechen, ihm nach Jahresfrist das geschweifte eventuell durch ein gerades zu ersetzen, wenn er sich von der Zweckmäßigkeit der Neuerung nicht überzeugen könnte.

Als ich einen unserer bedeutendsten Orgelbauer darüber zur Rede stellte, daß er für das Ausland nur schöne geschweifte Pedale, für Deutschland aber fast nur gerade baute, antwortete er mir: „Im Ausland muß ich eben diese Pedale bauen. In Deutschland verlangt man sie nicht, und da manche Revisoren noch keine geschweiften unter den Füßen hatten, darf ich gar nicht damit kommen.“

Mit einem Wort: auf einer französischen Orgel ist leichter gut zu spielen als auf einer deutschen. Man ist, durch das einfache praktische Raffinement der Anlage, manchen Dingen, die einem bei uns passieren können, einfach nicht ausgesetzt. Wir schauen mehr auf das äußerliche für das Auge bestimmte Raffinement. Statt der Registerzüge fangen wir an, Registertasten zu bevorzugen; wir bringen zierliche Druckknöpfe an und finden es reizend zu tippen, statt einen ehrlichen Register- oder Koppelknopf zu ziehen.

Ich hatte soeben auf einer wundervollen alten Silbermann-Orgel eine Bachsche Fuge beendet und war noch ganz gefangen in dem zauberischen Klang der alten Mixturen, da bemerkte einer, der seit zwei Jahren „seine moderne Orgel“ hat, neben mir: „Es muß doch unangenehm sein, auf einer Orgel zu spielen, die noch nicht einmal Registertasten hat.“ Er hatte über der Entrüstung über die unmodernen Registerzüge ... die Orgel nicht gehört.

Ich möchte die Frage aufwerfen, ob wir nicht überhaupt über den sichtbaren Veränderungen an unsern Spieltischen die Hauptsache, die Klangwirkung, weniger beachtet haben? [S. 22] Sind die Fortschritte des Orgelbaues der klanglichen Wirkung zugute gekommen?

Nein! Nicht immer. Unsere Orgeln sind wohl „stärker“, aber nicht mehr so schön wie die alten. Unsere alten Orgeln, noch die vor zwanzig Jahren gebauten, sind schöner und künstlerischer intoniert als die unserer Zeit.

Merkwürdig bleibt mir, daß die Laien dies vor den Organisten bemerkten. Schon so und so oft wagten musikalische Laien, wenn eine alte Orgel durch eine neue ersetzt worden war, nach einiger Zeit mir gegenüber die schüchterne Bemerkung, „daß die alte doch fast schöner gewesen sei“. Bei den Organisten bricht sich diese Erkenntnis erst langsam Bahn. Wir müssen erst aus dem Erfindungstaumel aufwachen, um unser Gehör wieder zu erlangen.

Daß der Klang von den modernen Erfindungen nichts profitiert hat, liegt einerseits daran, daß eine der Haupterfindungen, die Möglichkeit der unbegrenzten Winderzeugung durch den elektrisch betriebenen Balg, uns naturgemäß — die besonnensten unter uns machten keine Ausnahme — auf eine falsche Bahn brachte. Wir fingen an, Klangstärke und Klangreichtum zu verwechseln. Auf den alten Orgeln mußte man mit der Windzufuhr sparen. Als wir dies nicht mehr brauchten, lachten wir über die engen Windkanäle unserer Väter und fingen an, „kräftig“ und „kernig“ zu intonieren, immer kräftiger, immer kerniger und freuten uns der tosenden und brausenden Orgeln. Den Höhepunkt erreichte die Begeisterung mit der Einführung der labialen Hochdruckstimmen [3] . „Nun haben wir es erreicht“, schrieb damals ein bedeutender Organist, „daß eine Orgel von fünfzehn Stimmen dasselbe volle Werk liefert wie früher eine von [S. 23] dreißig.“ Besser kann sich die Verirrung selbst nicht charakterisieren.

Die Ernüchterung kam; sie schreitet fort. Aber wie lange wird’s noch dauern, bis wir wieder einzig Klangreichtum erstreben, auf das Danaergeschenk der Klangstärke, das uns der elektrische Balg bot, verzichten und uns wieder freiwillig in die künstlerischen Grenzen zurückbegeben, in denen wir früher durch die Schwierigkeit, beliebige Windmassen zu erzeugen, gehalten wurden?

Eine fette Person ist weder schön noch stark. Künstlerisch schön und stark ist nur die Form mit dem vollkommenen Spiel der Muskeln. So werden wir auch mit der Zeit von der durch Windmassen aufgeblasenen modernen Orgel abkommen und das reiche und schöne volle Werk nur in dem Zusammenwirken der normalen, differenzierten und künstlerisch intonierten Register suchen und es aufgeben, ein volles Werk „zusammenzulügen“. Lüge besteht nicht in der Kunst, denn Kunst ist Wahrheit.

Aber, sogar wenn wir die künstlerische Einsicht besessen hätten, uns nicht durch die gesteigerte Möglichkeit der Winderzeugung auf falsche Bahn leiten zu lassen, wäre unser Orgelbau doch auf diese Bahn gedrängt worden. Das Ganze ist nämlich eine finanzielle Frage. Unser Orgelbau befand sich in der Zwangslage, auf diejenigen Erfindungen auszugehen, die Verbilligung, d. h. Bestehen in der Konkurrenz ermöglichten. Alles andere, die rein künstlerischen Probleme, mußten notgedrungen mehr daneben liegen bleiben. Die letzten vierzig Jahre, das Erfindungszeitalter im Orgelbau, werden vor der Geschichte einst nicht als die großen Jahre des künstlerischen Fortschritts dastehen, wie manche unter uns meinen, sondern man wird sie überschreiben: „Kampf des Kaufmännischen mit dem Künstlerischen. Sieg des Kaufmännischen über das Künstlerische.“

Ein Haus, das das Künstlerische über das Kaufmännische stellte, war von vornherein verloren. Der Erfindungstaumel, der uns Organisten in dieser Periode ergriff, verlangte äußere, [S. 24] epochemachende, verbilligende Entdeckungen. Diesem Geiste mußten sich unsere Orgelbauer, manche, wie ich weiß, innerlich ergrimmt, beugen.

So sind wir bei der Fabrikorgel angelangt, der guten braven Fabrikorgel. Was von Kunst an ihr ist, verdanken wir der Aufopferung unserer Orgelbauer, die auch bei diesen herabgesetzten Preisen noch das Beste leisteten, was zu leisten war, und zufrieden waren, wenn sie überhaupt bestehen konnten. Vor dem richtenden Urteil der Geschichte werden sie einst, trotzdem ihre Orgeln nur gute Fabrikorgeln sind, ehrenvoll bestehen; wir aber, die wir über die zu bauenden Orgeln entschieden und wähnten, daß die Kunst von der sich unterbietenden Konkurrenz profitieren könne, werden klein dastehen, weil wir nicht hinreichend begriffen, was wir als Schüler des alten Bach hätten begreifen müssen: daß ein Orgelbauer nur dann ein Künstler sein kann, wenn er als Künstler von einem Künstler gehalten wird. Fehlt ihm dieser Halt, so wird er durch die Macht der Umstände Kaufmann in Kunstgegenständen.

Gewiß gab es auch Ausnahmen. Aber im allgemeinen können wir Organisten es nicht leugnen, daß wir dem Zug der Zeit nach Verbilligung folgten, und daß derjenige oft die Bestellung erhielt, der für denselben Preis ein oder zwei Register — und war es nur ein mageres Äolinlein oder ein Druckknöpfchen — mehr bot, ohne daß wir uns fragten, ob damit künstlerische Arbeit, d. h. solche, die weder mit Zeit noch mit Lohn ängstlich zu rechnen braucht, noch möglich ist.

Ein gütiges Schicksal bewahrte zu derselben Zeit Cavaillé-Coll, in diese Bahn gedrängt zu werden. Seine Haupttätigkeit fiel in das letzte Jahrzehnt des Kaiserreichs, wo Geld für kirchliche Zwecke reichlich vorhanden war. Nachher boten ihm Guilmant und Widor, seine künstlerischen Berater, durch ihren Halt eine solche Superiorität, daß er seine Preise nicht nach der Konkurrenz zu richten brauchte. „Ja, der [S. 25] alte Cavaillé“, sagte mir unlängst einer unserer sympathischsten Orgelbauer, „wenn bei dem ein Arbeiter drei Wochen an etwas gearbeitet hatte und es paßte ihm nicht ganz, ließ er’s von vorne anfangen, und wenn’s wieder nicht paßte, noch einmal. Wer von uns kann das? Wir würden keine drei Monate existieren.“

Zuletzt zwar ereilte ihn das Schicksal. In den letzten Jahren hatte er mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen. Zwar wurde die Firma in dem ehrwürdigen Haus, 15 Avenue du Maine, in dem geschäftigen Viertel der Gare Montparnasse gerettet; Cavaillé aber starb arm, ohne den Seinen etwas zu hinterlassen. Dafür aber singen die Orgeln von St. Sulpice und Notre-Dame seinen Ruhm, solange noch ein Stein auf dem andern bleibt. Bis einst Paris wie Babel ein Trümmerhaufe ist, werden diejenigen, welche für die zauberhafte Schönheit seiner Orgeln empfänglich sind, beim Verlassen von Notre-Dame und St. Sulpice mit Ergriffenheit desjenigen gedenken, der es wagte, der Zeit trotzend, rein Künstler zu bleiben.

Cavaillé-Coll war sich bewußt, in der Barckerlade, die er zum ersten Male in der Basilikakirche zu St. Denis anwendete, das Ideal der Übertragung der Taste zur Pfeife gefunden zu haben. An Ressourcen begnügte er sich mit Koppeln und den Appels der Mixturen und Zungen. Für große Orgeln gab er eine einfache Reihe freier Kombinationen zu; so schon auf der Orgel zu St. Sulpice und auf der zu Notre-Dame. Alle in dieser Richtung weitergehenden Bestrebungen interessierten ihn nicht: seine ganzen Erfindungen und Anstrengungen waren auf die Vervollkommnung der Intonation und der Ansprache gerichtet, also gerade auf das, was beim deutschen Orgelbau zurücktreten mußte.

In der Klangstärke, die er dem einzelnen Register gab, blieb er konservativ. Er konstruierte zwar Hochdruckzungen (trompettes en chamade) für Schwellwerke; für die anderen Register suchte er nur die Tonschönheit. Auch seine Flöten, nicht nur seine Prinzipale und Gamben, sind von wunderbarer [S. 26] Schönheit. Vielleicht fehlt ihnen die interessante Mannigfaltigkeit, die einzelne deutsche Orgelbauer in der Flötenfamilie erreicht haben.

Um sich den Unterschied zwischen französischer und deutscher Orgel zu vergegenwärtigen, ziehe man auf beiden alle Grundstimmen 16, 8, 4, 2 auf allen Manualen. Auf der deutschen Orgel wirkt das Ensemble sehr oft hart, zuweilen unausstehlich. Ich kenne moderne Orgeln, auf denen sogar die sämtlichen achtfüßigen Grundstimmen des I. Manuals nicht eine erträgliche Wirkung hervorbringen. Von unseren Doppelflöten laßt uns schweigen. Ein Orgelbauer gestand mir, daß ihm vor den Doppelflöten, die man ihm zu bauen auferlegt, graute, und ich selbst höre in gewissen Orgeln die Doppelflöte deutlich noch im vollen Werk!

Nun bilden aber die sämtlichen Grundstimmen die Grundlage des vollen Werks. Wenn schon die Grundlage keine schöne Toneinheit ist, was soll aus dem vollen Werk werden?

Ganz anders bei Cavaillé. Die Grundstimmen werden im Hinblick auf die Toneinheit, die sie bilden sollen, intoniert. Sowohl die jedes Manuals für sich als die vereinigten bilden ein ausgeglichenes harmonisches Ganzes, und zwar so, daß in dem Ganzen die Individualitäten der drei Klaviere voll zur Geltung kommen. Die Grundstimmen des Hauptwerks geben die Grundierung ab. Sie sind unverhältnismäßig weich, aber in einem vollendet gesunden Ton gehalten; die des II. Klaviers bringen gewissermaßen die Helligkeit hinein; die des III. liefern die Intensität. Die Intonation auf dem Schwellwerk ist viel intensiver als auf dem Hauptwerk. Bei uns merkt man bei voll gezogenen Grundstimmen die Ankoppelung des dritten Werks nicht. Bei Cavaillé hingegen ist es, als ob mit jenem Augenblicke Licht, weißleuchtendes Licht, in die Grundstimmenmasse hereinflutete.

Dabei keine Härte, auch nicht in den obersten Lagen. Weil sie für solche Orgeln gedacht sind, wirken französische [S. 27] Kompositionen auf unseren Orgeln unerträglich. „Wie kann Widor solche gehaltenen Dissonanzen schreiben!“ sagte mir einst ein Berliner Organist, dem ich sehr viel verdanke. Wirklich waren sie auf der betreffenden Orgel unausstehlich, eine Qual ... aber nicht auf St. Sulpice!

Um dies zu vermeiden, nehme ich für französische Kompositionen auf deutschen Orgeln nur die Hälfte der Grundstimmen, fast keine 4 und 2 Füße auf dem ersten Klavier, wegen der oberen Lage. Ich ziehe im Prinzip nur so viel Grundstimmen auf dem I. und II. Klavier, daß die dazu gekoppelten vollzähligen Grundstimmen des III. noch deutlich bemerkbar werden und der Schwellkasten auf die Grundstimmenmasse wirkt. Erst wenn man dies beobachtet, bringt man César Franck, Widor, Guilmant, Saint-Saëns, Gigout und die anderen auf unseren Orgeln so zu Gehör, wie sie sich auf den ihren anhörten und anhören.

Unsere nicht auf das Ensemble gerichtete Intonierung der Grundstimmen hat nun zur Folge, daß die Mixturen sich damit nicht vermischen, sondern nur „stark“ machen, wozu ihre eigene überkräftige Intonation noch das ihrige beiträgt. Wenn man eine moderne Orgel hört, sieht man immer den Grundstimmen- und den Mixturenstrom sich unvermischt einherwälzen, während die Bestimmung der Mixturen doch diese ist, in der Grundstimmenklangfarbe aufzugehen, sie lichtreich und durchsichtig, d. h. für das polyphone Spiel geeignet zu machen.

Auf unseren Orgeln ist es aber einfach unmöglich, eine Fuge und ein Präludium von Bach mit Grundstimmen und Mixturen, welch letztere bald hinzu-, bald abtreten, zu spielen und die Peripetien durch die An- und Abkoppelungen der Manuale oder durch Manualwechsel hervortreten zu lassen, d. h. sie als architektonische lebenerfüllte Gebilde der Musik erstehen zu lassen. Auf Cavaillés Orgel ist dies möglich, weil alles auf den schönen Zusammenklang von Grundstimmen und Mixturen eingerichtet ist. Darum spielen die französischen Organisten die Bachschen Fugen in manchem einfacher, [S. 28] klarer und sachgemäßer als wir: ihre Orgel steht der Bachschen näher als die unsrige.

Wir aber müssen die Bachsche Fuge unserer Orgel anpassen. Unsere „Auffassungen“ entspringen z. T. nur der Not, was nicht hindert, daß diese „Auffassungen“ von den meisten als ein künstlerischer Fortschritt angesehen werden. Weil wir sie nicht so einfach spielen können, wie sie gedacht ist, registrieren wir sie und behandeln sie orchestral. Wir gießen sie in eine neue Form, bringen Steigerungen und Diminuendi an, wo keine im Fugenplan vorgesehen sind, weil wir die von Bach gedachte klare und gesättigte Klangfarbe auf unserer Orgel nicht produzieren können.

Und zuletzt hilft doch alles nichts, denn auf unseren Orgeln hört man nur Diskant und Baß: die Figuren der Mittelstimmen darauf zu verfolgen, ist unmöglich. Von den Geschmacklosigkeiten, die beim Registrieren passieren, will ich nicht reden. Ich habe einmal das Thema der großen G-moll-Fuge mit den Flöten des III. Klaviers intonieren hören, worauf dann die ganze Fuge fischleibartig anwuchs. Aber geschmacklos oder geschmackvoll registriert: es bleibt die so gespielte Fuge unwahr und unnatürlich, als wollte man Dürersche Stiche in kolorierter Kreidezeichnung herausgeben, damit sie „wirken“ [4] .

Ich sehe heute noch das überraschte Gesicht einer unserer berufensten und bekanntesten Bachsängerinnen, als sie unlängst auf der Orgel zu St. Sulpice unter Widors Händen die G-moll-Phantasie in ihrer einfachen tongesättigten durchsichtigen Form erstehen sah.

Zurück zu den von Bach verlangten polyphonen, nicht orchestralen Orgeln! Feinere Grundstimmen! Harmonische [S. 29] Einheit der Grundstimmen! Weg mit unseren wenigen schreienden Mixturen! Viele und weiche Mixturen!

Wo ist auf unseren Orgeln die Mixturenfamilie auf einem Manual auch nur einigermaßen vollständig vertreten? Unsere II. und III. Klaviere waren lange Zeit von Mixturen entblößt. Langsam kommt man dazu, ihnen auch auf kleinen Orgeln wieder eine Mixtur zuzugestehen. Aber wie lange wird es dauern, bis die richtige Mixturenproportion auf allen Klavieren erreicht ist, bis es zum Dogma erhoben ist, daß eine Orgel desto wahrer, schöner und reicher ist, je mehr schöne feine Mixturen sie hat, daß sie überhaupt davon nie zuviel haben kann und daß auch unsere Schwellkastenklaviere damit geladen sein müssen? Denn die Bachsche Fuge verlangt Homogenität der Klangfarbe auf allen drei Klavieren! Sie ist einfarbig gedacht, wie der Kupferstich.

Das ist aber wieder eine Geldfrage. Eine Orgel mit den richtigen Mixturen von 40 Stimmen stellt sich mindestens ebenso teuer als unsere heutigen Orgeln mit 50 Stimmen, wenn nicht teurer. Aber es kommt sicher eine Zeit, wo wir wieder nicht auf die Zahl, sondern auf den klanglichen Reichtum der Stimmen sehen, wo wir die richtige teuere Orgel von 40 Stimmen der falschen von 50 vorziehen werden und auf unsere Instrumente, bei denen einige wenige brutale Mixturen gegen den formlosen Gigantenleib unserer Grundstimmen in unaufgelöstem Widerstreit liegen, als auf etwas Überwundenes zurückblicken werden.

Dann, nicht eher, ist auch die Pedalfrage gelöst. Unsere Pedale sind zu stark und zugleich zu schwach, weil der Ton uncharakteristisch und undeutlich ist. Wenn man ein Pedalsolo auf einer unserer Orgeln hört, meint man, es wälze sich ein Drachenleib aus dem Hintergrunde der Kirche in wilden schwerfälligen Windungen heraus. Setzt dagegen das Manual zum Pedal ein, so fragt man sich alsbald: wo ist denn das Pedal? Unsere volle Orgel ruht auf tönernen Füßen, denn im Vergleich zum vollen Werk unserer gekoppelten Manuale sind unsere Pedale dann doch immer [S. 30] wieder schwach, besonders da dann unsere gierigen Manualgrundstimmen, da sie schneller zuschnappen als die bedächtigen großen sechzehnfüßigen Holztiere, ihnen den Wind wegfressen.

Die Sättigung des Pedals mit schönen Mixturen ist die einzige Lösung der Pedalfrage für das volle Werk. Nun finden sich aber auf unsern Pedalen fast keine Mixturen. Auch die Vierfüße fehlen durchschnittlich. Und die ein oder zwei Mixturen, die sich eventuell darauf befinden, sind unbrauchbar, weil sie sich nicht mit der Grundstimmenmasse vermischen, sondern in unaufgelöstem Zwiespalt mit ihr die Figuren nur undeutlich machen, manchmal geradezu akustisch entstellen. Andererseits sind wir in der Steigerung des Tonvolumens unserer Pedalgrundstimmen schon weit jenseits der Grenze des künstlerisch Erlaubten. Man höre einmal die F-dur-Toccata auf unseren Orgeln. Wer kann dieses Hervorkollern der übermäßigen Töne schön finden? Wer darin die wunderbare Bachsche Linie heraushören?

Nicht übermäßig starke, sondern tonreiche, tonintensive, biegsame, sich auch bei gekoppelten Grundstimmen und Mixturen aller Klaviere wie von selbst durchsetzende Pedale müssen wir bauen. Das heißt: nicht übermäßig starke und nicht übermäßig viele Grundstimmen 16′ und 8′, aber fast genau so viel schön und weich intonierte Mixturen. Ein solches Pedal ist nie zu schwach und nie zu stark und besonders: es verdunkelt und verdeckt die Mittelstimmen des Manuals nicht.

Diese Erkenntnis, daß wir wieder zu den vielen und schönen Mixturen zurückkehren müssen, brach sich bei Cavaillé-Coll in der letzten Periode seines Schaffens immer mehr Bahn. Sein Schüler Mutin, der das Haus jetzt leitet, wandelt in des Meisters Bahnen und verwirklicht die Erkenntnis. Ich werde den Augenblick nie vergessen, wo ich zum ersten Male verwirklicht hörte, was ich erträumte: ein ideales Pedal. Es war auf der Musterorgel, die Cavaillés Atelier ziert, einem mixturenreichen Werk von etwa 70 Stimmen. [S. 31] Auf dem Pedal sind fast alle Mixturen, auch die Septime, vertreten. Ich spielte Bachs A-moll-Fuge mit gekoppelten Klavieren, alle 8, 4 und 2 Grundstimmen und Mixturen gezogen. Die Linien der Pedalfiguren standen einem ohne jede Aufdringlichkeit, aber mit intensiver Plastik, vor Augen. „Spielen Sie sie noch einmal“, sagte Mutin, „ohne Mixturen“. Als ich die Pedalmixturen einstoßen wollte: „Halt“, sagte er, „die bleiben“. Und dasselbe Pedal, das vorher für das volle Werk ohne Zungen überaus stark genug gewesen war ... war für die neue Registrierung, obwohl unverändert, nicht zu stark. Zuletzt gebrauchte ich dasselbe volle Pedal und beließ auf den Klavieren nur die Prinzipale 8 und 4 ... und es war auch nicht zu stark ... Da war mir zumut wie einem, der einen Blick in die Zukunft tun durfte, und ich stieg von der Bank herunter, nun innerlich ganz überzeugt, daß die Zeit der „tonstarken“ Orgel im Vergehen ist und die Zeit der „tonreichen“ Orgel, der Orgel Bachs, der in neuer Glorie erstehenden alten Orgel heraufzieht.

Eine tonreiche Orgel setzt voraus, daß die Wellen der einzelnen Töne unvermischt, ohne sich gewissermaßen ineinander zu legen, zum Ohr des Hörers kommen und sich erst dort als selbständige Persönlichkeiten zu der künstlerischen Einheit in der reichsten Mannigfaltigkeit verbinden [5] . Schon Cavaillé hatte den Phänomenen der „entrainements [S. 32] harmoniques“ seine Aufmerksamkeit zugewendet und auf Mittel gesonnen, zu verhindern, daß im vollen Werk eine Pfeife dieselben Töne anderer Pfeifen frißt, wie die magern Kühe Pharaos die fetten fraßen, so, daß wir im vollen Werk einer Orgel von 50 Stimmen tatsächlich nur 25 hören, wobei die andern nur bis zu einem gewissen Grade verstärken, nicht bereichern, weil sie als Individualitäten physikalisch nicht mehr existieren.

Mutin hat diese Versuche zu einem gewissen praktischen Abschluß gebracht und verwertet sie auf allen Orgeln. Pfeifen mit minimal differenzierten Mensuren entrainieren sich nie gegenseitig, sondern jede besteht als Persönlichkeit, auch in der größten Tonmasse. Sind die Durchmesser gleich oder ist die Verschiedenheit größer, so ist das Entrainement im Bereiche der Möglichkeit. Bei der Aufstellung einer Disposition sieht also Mutin-Cavaillé darauf, daß die reichste minimale Differenzierung der Mensuren durchgeführt wird.

Befriedigt nun aber die Ansprache unserer Orgel? Ja ... wenn man rasches Eintreten des Tones mit gutem Ansprechen identisch setzt. Und dann nicht einmal. Man führe einmal rapide Triller in der unteren Lage des Manuals aus und schnelle Passagen mit den Sechzehnfüßen auf dem Pedal!

Aber schnelles Eintreten des Tones ist noch kein gutes Ansprechen, denn Ansprechen heißt eben An-Sprechen: daß der Ton von der Pfeife richtig angesetzt und gewissermaßen artikuliert wird. Auf unsern Orgeln poltert der Ton oft heraus; er wird nicht angesetzt. Eine richtige Bindung zwischen den einzelnen Tönen ist dabei unmöglich. Bei genauem Hören erfaßt man immer einen Zwischenraum zwischen beiden oder, im Gegenteil, sie klingen einen kleinen Bruchteil einer Sekunde zusammen. Sie legen sich nicht lebendig aneinander, sondern rollen einander nach wie Kugeln. Die Orgel ist ein idealer Chor, dem nur die Worte versagt sind. Ist es da zu begreifen, daß zuweilen [S. 33] so geringer Wert auf eine künstlerische Ansprache der Stimmen gelegt wird?

Auch hier ist, wie mir scheint, Cavaillés Schüler Mutin auf dem richtigen Weg. Er geht von der Beobachtung aus, daß ein Holzbläser seinem Instrument in den verschiedenen Lagen verschiedenen Wind mitteilt. Unten viel, aber mit vorsichtigem Druck, in der Mitte mittelstark, aber an Quantität weniger als unten, oben sehr wenig, aber sehr intensiven Wind; das Quantum also jedesmal im umgekehrten Verhältnis zur Intensität. Wenn nun der Tonumfang eines Blasinstruments im Verhältnis zu dem eines Orgelregisters sehr klein ist und doch die Winddifferenzierung zur richtigen Ansprache erfordert, wieviel mehr ein Orgelregister! Also wird die Lade des Registers in drei oder vier Teile geteilt und jede Einzel-Teillade bekommt den Winddruck und die Windzufuhr, die für jene Lage die ideale Ansprache ermöglichen. Die große Musterorgel im Atelier von Cavaillé-Mutin arbeitet mit dreigeteilten Windladen, die mit Wind von differenziertem Druck gespeist werden. Natürlich ist der Bau viel komplizierter, und die Kosten erhöhen sich bedeutend. Aber man höre den Erfolg! Ein solches Register ist drei andere wert, davon nicht zu reden, daß nun auch bei vollem Werk die unteren Lagen ihren richtigen Wind bekommen. Man höre einmal die Mittelstimmen einer Bachschen Fuge bei so gebauten Registern! Es geht kein Ton, kein einziger Ton verloren, da er von einer andern Individualität als oben und unten ist. Ich stehe nicht an, diese Orgel im Atelier Mutins, von der sich der Erbauer nicht zu trennen vermag, für die technisch und künstlerisch vollendetste zu erklären, die vielleicht je gebaut worden ist. Sie stellt das Instrument dar, das zu Bachs Werken paßt, sofern es die Forderungen verwirklicht, die seine Orgelmusik für die ideale Orgel aufstellt.

Wann wird es dahin kommen, daß auf allen Orgeln diese allerelementarste ästhetische Forderung der Differenzierung des Winddrucks erfüllt wird? Bis jetzt hat, wenn’s gut geht, [S. 34] jedes Klavier seinen Wind, das erste den stärksten, das zweite einen etwas weniger starken, das dritte den schwächsten, wobei der des ersten viel zu stark ist, weil man ihm ungefähr denselben Druck gibt, den man für die Speisung der Pneumatik braucht. Man höre, was dabei für die Prinzipale und Flöten herauskommt! Wie reich wirkt hingegen die Orgel, in der die Register desselben Klaviers mit zwei oder drei Arten von Wind gespeist werden, und zwar so, daß jedes den Wind erhält, der durch die vollendetste Intonation gefordert wird, wobei noch darauf Rücksicht zu nehmen wäre, ob es vorn oder hinten, tief oder hoch steht. Welch ein Reichtum an vollendeten Tonindividualitäten ist in einem solchen Instrument eingeschlossen!

Statt dessen findet man bei uns übermäßig stark intonierte Mixturen ganz zuvorderst oben disponiert, die eigens dazu erbaut zu sein scheinen, die Schönheit des vollen Werkes zu zerstören. Geradezu unglaublich aber ist, daß manche Orgelbauer meinen, sie könnten durch Differenzierung der Windzufuhr dasselbe erreichen wie durch Differenzierung des Winddrucks, wo es sich doch beide Male um ganz verschiedene Dinge handelt. Es gehört das Ineinanderwirken beider Differenzierungen dazu, um einer Orgel den schönen Tonreichtum zu geben.

Und die Zungen? Sie befriedigen weder auf deutschen noch auf französischen Orgeln, da sie auf beiden zu stark dominieren. Als ich Widor gelegentlich sagte, daß ich die niederschmetternde Wucht der sonst so prächtig gearbeiteten französischen Zungen für einen künstlerischen Nachteil hielte, gestand er mir, daß er dieselbe Überlegung schon seit Jahren mit sich herumtrage und der Ansicht sei, daß wir dazu zurückkehren müßten, Zungen zu bauen, die das volle Werk nicht beherrschen, sondern sich der Grundstimmen- und Mixturenklangfarbe einpassen und sie gewissermaßen nur vergolden. Gigout vertritt dieselbe Ansicht. Aber welche Arbeit und Mühe, schöne, weiche und dabei gut ansprechende Zungen zu bauen!

[S. 35]

Wenn wir sie einmal haben, ist auch die Frage gelöst, ob man Bach mit Zungen spielen darf. Mit unsern gewiß nicht. Aber es scheint mir sicher, daß er bei seiner Pedalzusammensetzung auf seine acht- und vierfüßigen Zungen angewiesen war. Und wer wollte leugnen, daß ein Pedal mit feinen Zungen, die zu den Mixturen hinzutreten, nicht geradezu ideal sein muß? Man vergesse aber die Vierfüße nicht. Flöte 4, Prinzipal 4 und Trompete 4, nicht grob intoniert, sollten auf keinem einigermaßen vollständigen Pedal fehlen. Keine Koppel kann sie für das volle Werk ersetzen. Ohne sie wälzt sich die Pedalfigur am Boden, statt aufrecht in der Reihe der Stimmen einherzugehen.

Und dies alles ist eine Geldfrage! Bei den heutigen Preisen können die künstlerischen technischen Probleme, die zusammen das Problem der tonreichen, d. h. der tonschönen Orgel ausmachen, nicht in den Vordergrund gestellt werden, sondern es heißt, für möglichst wenig Geld möglichst viele Register zu bieten und manchmal gegen die bessere Überzeugung den Leuten liefern, was sie wollen und nicht, was nach der künstlerischen Erfahrung des Erbauers das Beste ist: fürs Auge, nicht für das Ohr bauen! Unnötiges an Stelle des Nötigen.

Wenn man die geniale Erfindungsgabe unserer deutschen Orgelbauer, die in den letzten zehn Jahren fast nur auf Verbilligung ausging und ausgehen mußte, auf die rein künstlerischen Fragen losließe! Das kommt aber erst, wenn wir nicht mehr gedankenlos auf die Zahl der Register sehen und uns darein finden, daß die Preise gut um ein Drittel in die Höhe gehen! Bis dahin leben wir in der Periode der guten Fabrikorgel.

Wer kann denn bei diesen Preisen nur prima Material haben? Wie ist eine künstlerische Intonation dabei möglich? Ein Intonieren nach dem Lokal, in künstlerischer Gewissenhaftigkeit, d. h. viermal so langsam als jetzt, wo man ängstlich die Spesen für jeden Tag des Intonateurs ausrechnen [S. 36] muß und wo schon der Versuch, künstlerisch zu intonieren, allen Gewinn verschlingen würde.

Die guten Intonateure sollten wie Minister bezahlt sein und in dem Range der Künstler so stehen, daß ein künstlerischer Intonateur gleich sechs Durchschnittsvirtuosen geachtet würde, da ein halbes Dutzend der letzteren leichter zu finden ist als ein künstlerischer Intonateur. Von den Ministern hat die Nachwelt nur die Folgen der Fehler, die sie gemacht haben, zu tragen; von den Virtuosen behält sie vielleicht den Namen; von den Intonateuren aber das Werk, so, wie es aus ihrer Hand hervorgegangen ist, daß sich Generation auf Generation daran erbaut.

Wo soll der Orgelbauer bei den heutigen Preisen die Mittel zu Versuchen hernehmen, ohne die es keinen Fortschritt gibt? Man sagt, daß wir im Begriff sind, ein reiches Land zu werden. An unsern Orgeln wird man das dereinst nicht sehen, denn das frühere arme Deutschland baute sie reicher.

Man täusche sich nicht! Wie die Orgeln, so die Organisten. Kein Instrument übt einen solchen Einfluß auf die Künstler aus. Vollkommene Orgeln erziehen Organisten zur Vollkommenheit; unvollkommene erziehen sie zur Unvollkommenheit und zum falschen Virtuosentum. Dagegen hilft kein Talent und kein Genie. Die Orgelkunst ist immer das Produkt der Orgelbaukunst. Ohne die in ihrer Art vollendete Orgelbaukunst seiner Zeit wäre die Bachsche Orgelkunst nie entstanden.

So ist auch die heutige französische Orgelschule ein Produkt des vollendeten Orgelbaues. Wir sind in Deutschland an Talenten unbedingt reicher. Aber einen Kreis von so außerordentlichen Meistern, wie er in Frankreich in den Namen Saint-Saëns, Guilmant, Widor, Gigout und Vierne charakterisiert ist, besitzen wir nicht.

Der französische Organist unterscheidet sich vom deutschen durch die Einfachheit des Spiels. Das Virtuosenhafte, [S. 37] das bei uns zum bedeutenden Organisten gehört, existiert dort weniger. Erstrebt wird vor allem die ruhige Plastik, die das Tongebilde in seiner ganzen Größe vor dem Hörer erstehen läßt. Es kommt mir vor, als säße der französische Organist sogar ruhiger auf seiner Orgelbank als wir. Bei allen findet man absolute Präzision des Niederdrückens und des Aufsteigenlassens der Taste, konsequente Bindung und eine klare, natürliche Phrasierung. Es gibt bei uns gewiß viele Organisten, die diese Eigenschaften in demselben Maße besitzen, aber in Frankreich sind sie eben Produkt der Schule. Jeder, auch der sonst mittelmäßige, besitzt sie, während es bei uns hervorragende Spieler gibt, die z. B. die absolute Präzision nicht besitzen, bei denen Hände und Pedal nicht mathematisch genau miteinander gehen, wodurch die übrigen Eigenschaften ihres Spiels für den Hörer, der „hört“, beeinträchtigt werden. Allerdings ist es auf unsern Orgeln auch schwerer, absolut präzis zu spielen, als auf den französischen mit ihrer Kraftübersetzung. Was ich an den französischen Organisten immer besonders bewundre, ist die Ruhe und Unfehlbarkeit des Pedalspiels.

Ich kann meine Empfindung nicht besser ausdrücken als wenn ich sage: der französische Organist spielt objektiver, der deutsche persönlicher. Auch dies liegt wieder an der Schule. Wir haben keine, sondern ein jeder geht seinen eigenen Weg. So viel Organisten, so viel Auffassungen. Das ist bis zu einem gewissen Grade ein Vorteil, den wir vor den Franzosen haben. Ich erfreue mich oft an der individuellen Lebhaftigkeit deutscher Organisten, wenn sie geschmackvoll ist. Andererseits aber gehen wir viel zu weit und bringen aus lauter „Persönlichkeit“ im Spiel und in der Komposition die Leidenschaftlichkeit auf die Orgel, die natürliche Menschenleidenschaftlichkeit, nicht die wunderbar verklärte objektive Leidenschaftlichkeit der letzten großen Präludien und Fugen Bachs, und entstellen die Werke unseres großen Meisters, indem wir sie durch unsere Menschenleidenschaftlichkeit lebendig machen wollen. Die Orgel selbst [S. 38] soll reden. Der Organist und seine Auffassung sollen dahinter verschwinden, „s’effacer“, wie man auf französisch sagt. Er ist, mit allen seinen Gedanken, zu klein für die sich schon im äußeren Anblick bekundende, ruhende Majestät des Instruments, das, wie uns Bach lehrt, alle Gefühle in Verklärung darstellt [6] .

Vielleicht gehen die Franzosen ihrerseits in der Objektivität des Spiels zuweilen zu weit. Aber die Ruhe und Größe, die darin liegt, ist so wohltuend, daß man das Zurücktreten jedes ausgesprochen persönlichen Gefühls nicht wahrnimmt. „Orgelspielen“, sagte mir Widor einmal auf der Orgelbank zu Notre-Dame [7] , als die Strahlen der untergehenden Sonne in verklärter Ruhe das dämmerige Schiff durchzogen, „heißt einen mit dem Schauen der Ewigkeit erfüllten Willen manifestieren. Aller Orgelunterricht, der technische und der künstlerische, geht nur darauf aus, einen Menschen zu dieser höheren reinen Willensmanifestation zu erziehen. Dieser Wille des Organisten, der sich in der Orgel objektiviert, soll den Hörer überwältigen. Wer den großen konzentrierten Willen nicht in ein Bachsches Fugenthema hineinlegen kann, daß auch der gedankenlose Hörer sich ihm nicht entziehen kann, sondern nach dem zweiten Takt eben auffassen und begreifen muß, ob er will oder [S. 39] nicht, und nun die ganze Fuge hört und zugleich sieht: wer über diesen konzentrierten, mitteilungskräftigen, ruhigen Willen nicht verfügt, kann zwar dennoch ein großer Künstler sein, ist aber kein geborener Organist. Er hat sich eben im Instrument geirrt, da die Orgel die Objektivierung des Geistes zum ewigen, unendlichen Geist darstellt, und ihrem Wesen und ihrem Ort entfremdet wird, sobald sie nur Ausdruck des subjektiven Geistes ist.“

Guilmants Spiel liegt dieselbe Auffassung vom Wesen der Orgel zugrunde, nur daß bei ihm die Objektivität durch ein gewisses lyrisches Empfinden eigentümlich und interessant belebt wird.

Man kann sagen, daß in der französischen Orgelkunst das Empfinden für Architektur, das gewissermaßen das Grundelement jeder französischen Kunst ist, zutage tritt. Darum hat auch der Schwellkasten eine ganz andere Bedeutung als bei uns. Er dient nicht dem „Gefühlsausdruck“, sondern der architektonischen Linie. Auf allen französischen Orgeln sind die Schwellkastenklaviere so bedeutend, daß man mit der in ihnen eingeschlossenen Klangmasse den Grundstimmenton der ganzen Orgel noch modellieren kann. „Derjenige“, sagt Gigout seinen Schülern, „behandelt den Schwellkasten recht, bei dem der Hörer nicht ahnt, daß überhaupt ein Schwellkasten in Funktion tritt, sondern nur das unmerkliche An- und Abschwellen als notwendig empfindet.“ Dasselbe Prinzip bringt Guilmant seinen Schülern bei.

Das Großzügige und Einfache in der Schwellkastenbehandlung tritt in der französischen Orgelkunst immer klarer zutage. Bei César Franck und in den älteren Kompositionen von Saint-Saëns findet sich noch die kleine, häufige Benutzung des Schwellkastens, wo dieses Mittel gewissermaßen einen Ersatz für den der Orgel fehlenden Gefühlsausdruck ist, d. h. die Schwellkastenbehandlung, die bei uns noch vorwiegt. Immer mehr aber setzt sich in der Folge die einfache, sparsame, nur auf die große Linie ausgehende Schwellkastenbenutzung durch, wie sie dann in den letzten [S. 40] Werken von Guilmant und Widor triumphiert. Ihren Schülern, und nicht weniger denen Gigouts, ist sie in Fleisch und Blut übergegangen. Man lese die erste Orgelsymphonie Viernes daraufhin durch und vergleiche damit die Angaben in unseren modernen Orgelkompositionen. Unschwer wird man dann von dem Vorurteil abkommen, als ob die Franzosen mit dem Schwellkasten Effekthascherei trieben und eingestehen, daß wir gerade hierin von ihnen lernen können [8] .

Aber wann werden wir solche richtigen Schwellkasten haben? Es ist noch nicht so lange her, daß bei uns bedeutende Organisten den Grundsatz vertraten, daß eine kleine Orgel keinen Schwellkasten brauche, ebensowenig wie es nötig sei, bei solchen Orgeln das Pedal bis zum F zu führen. Aber Schwellkasten und vollständiges Pedal gehören eben zum Wesen der Orgel, wie die vier Füße zum Pferd. Lieber zwei oder drei Register weniger, denn mit einem richtigen Schwellkasten kann man aus jedem Register zwei machen. Gerade bei den kleinen Orgeln treten gewisse Vorzüge der französischen Instrumente ungleich stärker hervor als bei den großen.

Auch im Registrieren sind die Franzosen einfacher als wir. In einer deutschen Orgelkomposition steht fast doppelt [S. 41] so viel Registerwechsel vorgeschrieben als in einer französischen. Ein Meister der geistreichen Registrierung ist Saint-Saëns. Guilmant registriert äußerst geschickt und geschmackvoll. Widor verzichtet fast, und dies je mehr und mehr, auf Registrierung. „Ich kann das Registrieren als Registerwechsel, rein auf Veränderung der Klangfarbe berechnet, nicht mehr gut begreifen“, sagte er mir einst, „und empfinde nur diejenige Veränderung in der Klangfarbe als richtig, die durch eine Peripetie des Stückes unbedingt gefordert ist. Je einfacher wir registrieren, desto näher kommen wir Bach“. In dem ersten Stück seiner Symphonie „Romane“ besteht alles Registrieren, zehn Seiten lang, nur darin, daß Mixturen und Zungen zu den gekoppelten Grundstimmen zu- und wegtreten. Freilich darf man nicht vergessen, daß der französische Schwellkasten in seiner Wirkung auf die Gesamtorgel vieles ermöglicht, was wir auf unseren Orgeln nur durch Registrieren ausführen können.

Zu den formellen Vorzügen der französischen Orgelkompositionen möchte ich noch die klug berechnete, wirkungsvolle Verwendung des Pedals und das Vermeiden jeglicher unnötigen Oktavenverdoppelungen sowohl im Manual wie im Pedal rechnen. Es scheint mir, als ob unsere jüngeren Komponisten die Pedalverwertung in den großen Präludien und Fugen Bachs nicht hinreichend studiert haben, sonst müßten sie von selbst auf das Verfehlte einer ununterbrochenen Mitwirkung des Pedals aufmerksam werden. Von den in modernen Kompositionen so häufig vorgeschriebenen Oktaven sind über achtzig Prozent gewöhnlich sinnlos, verschulden nur ein ungebundenes Spiel und wirken nicht. Man studiere einmal Widors Werke auf die Verwendung des Pedals und der Oktaven hin!

Bei genauem Zusehen entdeckt man eigentlich zwei französische Schulen: eine altfranzösische, von deutscher Kunst direkt nicht beeinflußte, und eine jüngere, die deutschen Einfluß aufweist. Zur spezifisch französischen würde ich in [S. 42] der älteren Generation Boëly (gest. 1858), Chauvet und César Franck zählen. Die jüngere Generation wird etwa durch Saint-Saëns und Gigout repräsentiert. Auch Gabriel Pierné und der leider so früh verstorbene Boëllmann (geb. zu Ensisheim 1862, gest. als Organist von St. Vincent de Paul zu Paris 1897) gehörten hierher [9] .

Diese ältere Schule mußte erst mühsam nach einem Orgelstil ringen, ohne ihn, in ihren besten Vertretern, jemals ganz zu erreichen. César Francks und Saint-Saëns’ Werke [10] sind Improvisationen genialer Musiker auf der Orgel, nicht so sehr Orgelwerke, wenn auch bei den späteren Werken von César Franck der Inhalt gewisse Vergewaltigungen [S. 43] des Orgelstils ganz übersehen läßt. Boëllmanns Kompositionen sind interessante Jugendversuche, die sicher zu etwas Bedeutendem geführt hätten.

Gigout [11] steht in dieser Schule für sich. Er ist der Klassiker, der zum reinen Orgelstil durchgedrungen ist. Er hat etwas Händelsche Art an sich. Sein Einfluß als Lehrer ist ganz hervorragend und sein Spiel wunderbar.

Diese spezifisch französische Schule kultiviert die Improvisation, zwar nicht so wie der alte Organist von Notre-Dame — sein Name möge der Nachwelt nicht aufbewahrt werden — der sich rühmte, auf seiner Orgel nie etwas nach Noten gespielt zu haben, aber doch so, daß sie einen ganz besonderen Wert darauf legt. Man würdigt Saint-Saëns erst, wenn man ihn zu St. Séverin hat improvisieren hören, wo er zuweilen den geistreichen Périlhou ersetzt. Auch Gigouts Stärke liegt eigentlich vor allem auf diesem Gebiet.

Von César Francks Improvisationen erzählt Vincent d’Indy in seinem soeben erschienenen meisterhaften Buche über seinen Lehrer (Ed. Alcan, Paris 1906). Als Franz Liszt am 3. April 1866 aus St. Clothilde heraustrat, war er so ergriffen, daß er zu seiner Umgebung sagte, seit Bach hätte niemals jemand so auf der Orgel improvisiert.

Guilmant improvisiert gern. Widor nicht so sehr, „nur wenn er sich gedrungen fühlt, etwas zu sagen.“ Viernes Improvisationen zu Notre-Dame zeichnen sich durch ihre Formvollendung aus. Zu den hervorragenden Improvisatoren gehört auch Schmidt, einer der begabtesten der jungen Generation, der leider durch seine Ernennung zum Maître de Chapelle an St. Philipp du Roule für die Orgel vorläufig verloren ist.

[S. 44]

Im allgemeinen spielen Improvisation und ebenso Auswendigspielen im französischen Orgelunterricht, wie ihn früher Widor, jetzt Guilmant und sein Gehilfe Vierne am Konservatorium erteilen, und nicht minder im Unterrichte Gigouts, eine größere Rolle als bei uns. Für den Wettbewerb um den Organistenposten zu Notre-Dame wurde gefordert: Improvisierung einer Fuge über ein gegebenes Thema, eine freie Improvisation und zwanzig moderne oder klassische Orgelwerke auswendig. Der pädagogische Wert des Auswendigspielens auf der Orgel ist aber auch tatsächlich ganz ungeheuer, da der Schüler dabei gezwungen ist, sich über alles Rechenschaft zu geben. Wir vernachlässigen das Auswendigspielen auf der Orgel vielleicht etwas zu sehr.

Die andere französische Orgelschule, durch Guilmant , früher an der Trinité, und Widor , zu St. Sulpice, repräsentiert, ging von Belgien aus. Guilmant und Widor waren Schüler von Lemmens, der seinerseits wieder Schüler von Hesse war. So waren Guilmant [12] und Widor, wie ihre ersten Werke zeigen, von Anfang an mit dem aus Bach geflossenen Orgelstil bekannt und brauchten nicht erst zu suchen und zu tasten.

Guilmant ist nicht nur einer der hervorragendsten Spieler, sondern auch zugleich der universellste Lehrer der Jetztzeit, von hervorragender pädagogischer Begabung und musikhistorischer Bildung. Er ist es, der die alte, vorbachische Orgelmusik in Frankreich bekannt machte. Was die deutsche Orgelmusik aus seinen Werken betreffs der Form und des [S. 45] Aufbaus lernen kann, ist in der deutschen Kritik seit Jahren immer betont worden.

Widor ist mehr ein nach innen gekehrter Geist. Seine zehn Symphonien [13] stellen die Entwicklung der Orgelkunst, wie er sie an sich erlebt hat, dar. Die ersten sind formvollendete, mehr von lyrisch-melodischem, manchmal sogar sentimentalem Geiste durchwehte Schöpfungen, die aber in der wunderbar großen Struktur der Themen die einzigartig organistische Begabung des Schöpfers zeigen. Mit der fünften Symphonie verläßt er diese Bahn. Das Lyrische tritt zurück; etwas anderes ringt nach Gestaltung. Zunächst noch in melodischer Form, in der fünften und sechsten Symphonie, die zu seinen bekanntesten gehören. Die siebente und achte sind Übergangswerke. Sie sind orgelmäßig und doch gewagt orchestral gedacht. Welch ein Wunderwerk, der erste Satz der achten Symphonie! Zugleich aber tritt das Herbe immer stärker hervor, das Herbe, das Widor dann in den beiden letzten Symphonien zur heiligen Kunst zurückführt. „Es ergeht mir merkwürdig“, sagte er mir in jener Periode, „außer Bachs Präludien und Fugen, oder mehr noch, außer gewissen Präludien und Fugen von Bach, kann ich keine Orgelkunst mehr als heilig empfinden, die nicht durch ihre Themen, sei es aus dem Choral, sei es aus dem Gregorianischen Gesang, für die Kirche geheiligt ist“. Darum ist die neunte Symphonie (Symphonie Gothique) über das „Puer natus est“ als Weihnachtssymphonie geschrieben und die zehnte (Symphonie Romane) über das wunderbare Motiv des „Haec dies“ als Ostersymphonie gedacht. Und als er an einem Maisonntag, mit dem Technischen noch ringend, das Finale der Romanischen Symphonie zum erstenmal zu St. Sulpice spielte, da fühlte ich mit ihm, daß in diesem Werk die französische Orgelkunst in die heilige Kunst eingegangen, [S. 46] jenen Tod und jene Auferstehung erlebt hatte, die jede Orgelkunst, und in jedem Individuum, erleben muß, wenn sie Bleibendes schaffen will.

Louis Vierne, der 1900 als kaum Dreißigjähriger an die Notre-Dame-Kirche berufen wurde, ist Schüler von César Franck, Widor und Guilmant. Seine zwei groß angelegten Orgelsymphonien versprechen sehr viel [14] .

Nicht vergessen möchte ich des wackeren Dallier , eines Schülers Francks, früher an St. Eustache, jetzt an der Madeleine, wo er Nachfolger Gabriel Faurés , des wunderbaren und vollendeten Improvisators und Bachkenners, wurde, der seinerseits Dubois’ Nachfolger war. Eine Wiedergabe der Bachschen Es-dur-Tripelfuge während einer musikalischen Feier zu St. Eustache wird mir unvergeßlich bleiben.

Von den Jungen seien genannt: Quef , Nachfolger Guilmants an der Trinité, Tournemire an St. Clothilde, Jacob , ein ganz hervorragender Spieler, an St. Louis d’Antin, Marti zu St. François-Xavier, Libert an der Basilique St. Denis, Maquaire , der Ersatzmann Widors zu St. Sulpice, von dem eine sehr interessante Orgelsymphonie bei Hamelle erschienen ist, Bret , der als Dirigent der Bachgesellschaft seine Kräfte jetzt ausschließlich in den Dienst der Sache des Altmeisters stellt, Mahaut , ein vollendeter Spieler, zugleich begeisterter Interpret der Werke seines Lehrers César Franck und Bonnet, der Nachfolger Dalliers an St. Eustache.

Gemeinsam ist den beiden Schulen, und in beiden den Alten wie den Jungen, die Verehrung für Bach. Es wird bei uns kaum mehr und so ausschließlich Bach gespielt als in manchen Pariser Kirchen. Während des Offertoriums zu Notre-Dame zieht Bachs Choralvorspiel über „O Mensch bewein’ dein’ Sünde groß“ durch die mächtigen Hallen der Kathedrale.

Von der Zukunft der französischen Schule vermag ich nichts zu sagen. „L’orgue Moderne“, eine unter Widors [S. 47] Patronat periodisch erscheinende Sammlung der neueren und neuesten Versuche, befriedigt mich eigentlich nicht. Formell ist darin alles gut, weit ausgereifter als die Erstlingswerke unserer deutschen Organistenjugend. Aber es fehlt die Erfindung, der Sturm und Drang, die Gärung, die einem die Gewißheit geben könnten, daß aus dieser tüchtigen jungen Generation etwas mehr als Tüchtiges, etwas Großes, Bleibendes hervorgehen wird. Die gleichzeitigen Werke der jungen deutschen Organistenwelt zeigen ein weniger großes formelles Können, zuweilen eine Verneinung des Orgelstils, weniger Überlegung und Klarheit, aber dafür in manchen einen vielversprechenden Ideenreichtum.

Aber was wird überhaupt aus dem französischen Orgelbau und der französischen Orgelkunst werden? Was wird die Trennung von Kirche und Staat bringen? Schon jetzt richten sich die Kirchen auf die Trennung ein und streichen an den ohnehin schon kleinen Gehältern, was zu streichen ist. Den meisten Organisten ist schon ein Viertel ihrer Bezahlung gekündigt worden. Dallier verlor an St. Eustache zuerst ein Drittel, dann die Hälfte seines Einkommens und meldete sich daraufhin an die eben freiwerdende Madeleinekirche. Der Organistenposten zu Notre-Dame dürfte in Zukunft kaum mehr als 1000 frcs. eintragen. Der Orgelbau stockt. Herrliche Orgeln, die früher in den Kirchen der Kongregationen standen, sind zu Spottpreisen zu verkaufen. Manchmal fragt man sich, ob das sicherste Ergebnis der Trennung vorerst nicht der Ruin des Orgelbaues und der Orgelkunst sein wird. Die Krise, die beide durchmachen werden, wird jedenfalls sehr schwer sein.

Lassen wir die Zukunft. Für jetzt kommt es darauf an, daß der Grenzwall zwischen französischer und deutscher Orgelkunst niedergelegt werde, und daß beide voneinander lernen. Der deutsche und der französische Genius sind in der Kunst angewiesen, einander anzuregen. In der Orgelkunst ganz besonders, da wir Deutschen von den Franzosen [S. 48] unendlich viel in Technik und Form lernen können, die Franzosen aber durch den Geist der deutschen Kunst von einer Verarmung in ihren reinen und vollendeten Formen bewahrt werden. Aus der Durchdringung beider Geistesrichtungen wird neues Leben hüben und drüben erstehen. Bisher profitieren eigentlich nur die amerikanischen Organisten von dem Vorteil, durch die deutsche und die französische Schule hindurchzugehen, insofern als sie gewöhnlich die Hälfte ihrer Lehrzeit in Deutschland, die andere Hälfte in Paris zubringen. Mögen in Zukunft die deutschen und die französischen, um denselben Vorteil zu haben, sich von dem alten künstlerischen Organisten-Lern- und Wandertrieb erfassen lassen. Vielleicht wird dann ein französischer Organist seine Kollegen mit der Kunst der Reger, Wolfrum, Lang, Franke, De Lange, Reimann, Egidi, Irrgang, Sittard, Homeyer, Otto Reubke, Straube, Beckmann, Radecke, G. A. Brandt und wie sie alle heißen mögen, bekannt machen, wie ich es hiermit versucht habe, deutschen Organisten das Wesen der französischen Orgel und der französischen Orgelkunst näher zu bringen [15] .

Schlussvignette

[S. 49]

Anhang.

Die Disposition der Orgel zu St e Clothilde, auf welcher César Franck spielte.

3 Klaviere mit 46 klingenden Stimmen.

Grand-Orgue:
14 klingende Stimmen.
Montre 16. Montre 8. Gambe 8. Bourdon 16. Flûte harmonique 8. Bourdon 8. Prestant 4. Octave 4. Doublette 2. Quinte 3. Plein-Jeu. Bombarde 16. Trompette 8. Clairon 4.
Positif:
14 klingende Stimmen.
Bourdon 16. Montre 8. Gambe 8. Flûte harmonique 8. Bourdon 8. Salicional 8. Prestant 4. Flûte octaviante 4. Quinte 3. Plein-Jeu. Doublette Clarinette 8. Trompette 8. Clairon 4.
Récit:
(im Schwellkasten)
10 klingende Stimmen.
Viole de Gambe 8. Voix céleste 8. Bourdon 8. Flûte harmonique 8. Flûte octaviante 8. Octavin 2. Basson-Hautbois 8. Trompette 8. Clairon 4. Voix humaine 8.
Pédale:
8 klingende Stimmen.
Contre-Basse 16. Flûte 8. Quintaton 32. Octave 4. Basson 16. Bombarde 16. Trompette 8. Clairon 4.
13 Koppeln und Kombinationszüge.

Die Disposition der Orgel Widors zu St. Sulpice.

(Erbaut 1861–62.) 5 Klaviere. 100 klingende Stimmen.

Premier Clavier.
Grand Chœur:

13 klingende Stimmen.
Doublette 2. Octave 4. Große Fourniture 4 r. Große Cymbale 6 r. Plein-Jeu 4 r. Cornet 5 r. 1 e Trompette 8. 2 e Trompette 8. Clairon 4. Clairon-Doublette 2. Basson 16. Basson 8. Bombarde 16.
[S. 50]
Deuxième Clavier.
Grand Orgue:

13 klingende Stimmen.
Principal 16. Montre 16. Bourdon 16. Flûte conique 16. Flûte harmonique 8. Flûte traversière 8. Montre 8. Diapason 8. Bourdon 8. Flûte à pavillon 8. Salicional 8. Prestant 4. Große Quinte 5⅓.
Troisième Clavier.
Positif:

20 klingende Stimmen.
Violon Basse 16. Quintaton 16. Quintaton 8. Flûte traversière 8. Salicional 8. Gamba 8. Unda maris 8. Flûte douce 4. Flûte octaviante 4. Dulciana 4. Plein-Jeu 3 et 6 r. Quinte 2⅔. Doublette 2. Tièrce 1³⁄₅. Larigot 1⅓. Piccolo 1. Basson 16. Baryton 8. Clairon 4. Trompette 8.
Quatrième Clavier.
Récit Expressif:

21 klingende Stimmen.
Quintaton 16. Diapason 8. Violoncelle 8. Bourdon 8. Flûte harmonique 8. Voix céleste 8. Flûte octaviante 4. Prestant 4. Doublette 2. Basson-Hautbois 8. Cromorne 8. Voix humaine 8. Dulciana 4. Fourniture 4 r. Cymbale 5 r. Nazard 2⅔. Octavin 2. Cornet 5 r. Bombarde 16. Trompette 8. Clairon 4.
Cinquième Clavier.
Solo:

21 klingende Stimmen.
Bourdon 16. Flûte conique 16. Principal 8. Flûte harmonique 8. Viola da Gamba 8. Bourdon 8. Violoncelle 8. Kéraulophon 8. Flûte octaviante 4. Prestant 4. Große Quinte 5⅓. Große Tièrce 3¹⁄₅. Quinte 2⅔. Octave 4. Octavin 2. Cornet 5 r. Septième 2²⁄₇. Bombarde 16. Trompette 8. Clairon 4.
Trompette harmonique 8 (Hochdruck).
Pédale:
12 klingende Stimmen.
Principal-Basse 32. Contrebasse 16. Soubasse 16. Flûte 8. Violoncelle 8. Flûte 4. Clairon 4. Ophicléide 8. Trompette 8. Basson 16. Bombarde 16. Contre Bombarde 32.
20 Koppeln und Kombinationszüge; dazu eine freie Kombination für jedes Klavier. Das vierte Klavier steht im Schwellkasten.

[S. 51]

Die Orgel zu Notre-Dame ist ähnlich disponiert, nur daß sie 14 klingende Stimmen weniger hat.

Der Fortschritt der Orgeln zu St. Sulpice und Notre-Dame verglichen mit der zu St e Clothilde besteht also in der Verwendung der Mixturen, die auf den früheren Orgeln Cavaillés nicht so reich vertreten waren. Man lasse die glänzenden Zungenstimmen beiseite: dann sind St. Sulpice und Notre-Dame die idealsten Bach-Orgeln, die man sich denken kann.

Mutin, Cavaillés Nachfolger, zieht nur die Konsequenzen der Evolution seines großen Lehrers, indem er nun auch dem Pedal entsprechend viele Mixturen zugesteht, wozu Cavaillé sich noch nicht hatte entschließen können.

Dekoration, Ende

Fußnoten:

[1] Diesen Typus verwirklicht die eben vollendete Orgel zu St. Nicolaï in Straßburg, ein Werk der beiden jungen elsässischen Orgelbauer Dalstein und Härpfer zu Bolchen in Lothringen.

Alle Koppeln und Kombinationszüge sind doppelt, als Pedaltritte und als Druckknöpfe angelegt, wobei der Knopf und der Tritt untereinander durch eine von Herrn Dalstein erfundene einfache Mechanik verbunden sind, welche den Preis jeder Koppel oder Kombination um etwa zwanzig Mark erhöht. Die doppelte Verwendbarkeit der freien Kombination, die die Handregistrierung nach Belieben aufhebt oder ergänzt, macht alle anderen Ressourcen tatsächlich überflüssig, wovon sich auch diejenigen Organisten überzeugten, welche anfangs die „Neuerung“, die auf die Abschaffung des „Piano“, „Mezzoforte“, „Forte“, „Tutti“ ging, beargwöhnten. Der Vorteil der Möglichkeit, das erste Klavier von den andern abzukoppeln und es als Koppelklavier zu benutzen, leuchtete nach der ersten praktischen Demonstration ein. Die ganze Spieltischeinrichtung stellt sich um etwa 200 Mark teurer als die gewöhnliche.

Für eine zweiklavierige Orgel von zwanzig Stimmen, bei der also zwei doppelt angelegte Pedalkoppeln, zwei doppelt angelegte Manualkoppeln, und drei doppelt verwendbare freie Kombinationen (Kl. I, II und Ped.) in Betracht kämen, dürfte die Differenz etwa hundert Mark betragen!

[2] Von den in der „Übergangszeit“ von Häusern zweiten Ranges gebauten Pneumatiken wage ich nicht zu reden. Welche Summen wären nötig, um jene Instrumente, die als Opfer der ersten Versuche allsonntäglich zum Himmel schreien, zu erlösen und ihnen einen „neuen gewissen Geist zu geben“!

Und wie viele unserer mittleren Orgelbauer, die einst einfache und schönklingende, zuweilen geradezu künstlerisch intonierte Werke bauten, sind zugrunde gegangen, weil sie in den Erfindungen mitmachen mußten!

[3] In sehr großen Kirchen können zwei oder drei künstlerisch gebaute Hochdruckstimmen von einer grandiosen Wirkung sein und gehören daher zur Vollkommenheit des Instruments. In mittleren Räumen aber können sie den Orgelklang nur verunstalten und müssen daher im Orgelbau eine Ausnahme bleiben.

[4] Auch unser moderner Flügel paßt nicht für Bachsche Musik. Diese Erkenntnis beginnt sich allenthalben zu regen. Siehe darüber Wanda Landowska: Sur l’interprétation des œuvres de Clavecin de J. S. Bach, Mercure de France 1905.

[5] Es ist mir von jeher aufgefallen, daß gewisse herrliche Silbermannorgeln in der Nähe geradezu unschön wirken, weil die Individualität der einzelnen Register zu ungebrochen fortbesteht. Desto herrlicher ist aber ihr Ton in dem Schiff der Kirche.

Man beobachte auch, wie solche alte Orgeln, auch wenn sie schwach intoniert sind, durch die Wände der Kirche hindurch wirken! Jeder Ton in der Polyphonie gelangt klar zum Ohr des Hörers auf dem Vorplatz. Wie steht es aber in dieser Hinsicht mit der modernen Orgel? Sie vermag bei all ihrer Kraft nur ein dunkles Sausen und Gestöhne durch die Steine hinauszusenden. So zeugen sogar die Steine wider sie und erbringen den Beweis, daß ihr Ton nicht „trägt“.

[6] Dazu gehört auch, daß der Organist unsichtbar ist, was besonders in den neueren protestantischen Kirchen sehr oft nicht der Fall ist. Mir verleidet es die schönste Bachsche Fuge, wenn ich vom Schiff aus den Organisten an seinem Instrument herumzappeln sehe, als wollte er den Gläubigen ad oculos demonstrieren, wie schwer das Orgelspielen ist. Ein Menschlein vor dem großen Instrument kann nur grotesk wirken. Man erspare uns diesen Anblick, indem man um den sichtbaren Spieltisch ein zum Orgelgehäuse passendes Gitter aufführt.

[7] In der ersten Zeit nach der Ernennung Viernes zum Organisten von Notre-Dame spielte Widor öfters auf der Orgel der Cathedrale. Er studierte damals gerade seine letzte Orgelsymphonie ein.

[8] Was automatische Schwellkasten sollen, kann ich nicht begreifen. Sie öffnen und schließen sich in einer von vornherein ein für alle Male festgelegten Zeit, bringen also unter Umständen das Pianissimo, wo der Komponist den Höhepunkt des crescendos hinsetzt. Diese „epochemachende“ Erfindung erhält also ihre praktische Bedeutung erst dann, wenn es gelingt, dasselbe Uhrwerk in dem Gehirn der Orgelkomponisten anzubringen, so daß sie nicht anders können, als ihre Crescendo- und Decrescendoperioden in den Maßen des automatischen „Einheitsschwellkastens“ zu erdenken. Bis dahin muß das automatische Crescendo der Vorzug des Harmoniums bleiben, wo es als „Expression“ reichlich zur Geltung gelangt.

Eine der bekanntesten Berliner Orgeln besitzt einen automatischen Schweller für das Fernwerk.

Sogar automatisch laufende Walzencrescendi besitzen wir schon. Das ist die letzte Konsequenz der mechanischen Sklaverei.

[9] Boëlys und Chauvets Werke haben kaum bleibende Bedeutung; César Francks Anfängerkompositionen eigentlich (6 Pièces, d’Orgue. Bei Durand) auch nicht. Aber seine Trois Pièces pour Grand-Orgue und seine „Chorals“ betitelten Großen Phantasien werden als etwas Einzigartiges bestehen (Ed. Durand). Diese drei Choräle sind das letzte Werk Francks. Sie stammen aus dem Jahre 1890. Als er nicht mehr gehen konnte, hatte er sich noch nach St. Clothilde schleppen wollen, um die Registrierungsangaben zu vervollständigen.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, bemerke ich, daß „Choral“ in der modernen französischen Orgelliteratur nur eine Phantasie über ein gemessenes, großzügiges Thema, das aber frei erfunden wird, bedeutet. Diese Bezeichnung kam auf, weil gewisse Organisten der ältesten Generation gemeint hatten, die Choralthemen in den Bachschen Choralphantasien stammten von Bach selber.

Unter Boëllmanns Kompositionen führe ich an: Douze Pièces en Recueil. 2 e Suite; Fantaisie (Leduc); Suite gothique; Fantaisie dialoguée (Orgel und Orchester; für Orgel allein von Eug. Gigout arrangiert) (Durand). Gabriel Pierné : Trois Pièces pour Orgue (Durand).

[10] Von Saint-Saëns seien erwähnt: Trois Rhapsodies sur des Cantiques Bretons (op. 7. Ed. Durand), von denen die erste und die dritte wirklich Wunderwerke sind, die noch dazu den in diesem Fall seltenen Vorzug haben, dem Hörer alsbald zu gefallen. Trois Préludes et Fugues pour Orgue (op. 99. Durand); Fantaisie pour Grand-Orgue (op. 101. Durand). Die beiden letzten Opera sind geistreich und gehaltvoll, dürften aber als Orgelstil nicht voll befriedigen.

[11] Von Gigouts Werken seien genannt: Six Pièces (Durand); Trois Pièces (Durand); Prélude et Fugue en Mi (Durand); Méditation (Laudy, London); Dix Pièces en Recueil (Leduc); Suite de Pièces (Richault); Suite de trois Morceaux (Rosenberg); Poèmes mystiques (Durand).

[12] Alexandre Guilmant : Sieben Sonaten (Durand-Schott) (op. 42, 50, 56, 61, 80, 86, 89); Pièces dans différents Styles (18 Hefte, op. 15, 16, 17, 18, 19, 20, 24, 25, 33, 40, 44, 45, 69, 70, 71, 72, 74, 75) (Durand-Schott). L’organiste Pratique; 12 Lieferungen (Durand-Schott); Noëls, Offertoires Elévations; 4 Lieferungen (Durand-Schott); L’organiste Liturgiste; 10 Lieferungen. Concert historique d’Orgue. Besonderes Verdienst erwirbt sich Guilmant durch die Herausgabe der französischen Orgelmeister des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. Erschienen sind bisher 6 Jahrgänge.

[13] Charles Marie Widor : Symphonies pour Orgue (Hamelle). No. 1–4 op. 13; No. 5–8 op. 42 (2. Aufl. 1900); No. 9 Symphonie Gothique (op. 70); No. 10 Symphonie Romane (op. 73).

[14] Ed. Hamelle.

[15] Diese Abhandlung erschien zuerst in Heft 13 u. 14 der „Musik“ 1906. 5. Jahr.