Der Held
und andere Novellen.
Von
Wilhelm Holzamer.
Mit einer Einleitung
von
Richard Wenz.
Mit dem Bildnis des Dichters.
Leipzig
Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.
Uebersetzungsrecht vorbehalten
Einleitung des Herausgebers.
Wie eine lange, beschwerliche Bergwanderung war das
Leben Wilhelm Holzamers. Vor dem Aufstieg ein frohes
Schreiten über saftig grüne Matten, durch die klare, heitre
Luft des Frühlenzes, darein drängende Lebenslust ihre
Lieder schmetterte. Ein kurzes, behagliches Verweilen, aber
doch die Unruhe im Herzen, hinaufzukommen zur Höhe,
die sein Ziel sein sollte. Und nun das Aufwärts! Zuerst
über öde, dürre Steinhalden, wo die Stimmen des Lebens
schwiegen, wo nur die Helle von oben das Wandern noch
erträglich machte, wo aber auch schon dann und wann eine
fliehende Wolke ihren raschen Schatten über ihn hinwarf,
daß ihm einen Augenblick lang das Herz klopfte vor ungewisser
Ahnung. Aber die Sehnsucht in ihm drängte,
und rüstig schritt er fürbaß. Der Pfad ward steiler. Ueber
Felsvorsprünge ging's, dann wieder durch enge, dunkle
Schluchten, in denen wirres Gestrüpp wucherte. Schritt
um Schritt hemmte es seinen Fuß; aber das Licht und
die Höhe lockten. Und dann wieder, kaum in der Sonne,
der huschende, geheimnisvoll drohende Schatten der Wolke!
Die Ahnung in ihm wuchs und machte ihn müd und
traurig. Und einmal im Traum sah er den Tod schreiten,
der ihm winkte. Da war ihm sein Ahnen zur schlummernden
Gewißheit geworden. Aber die Wanderung und
das weitgesteckte Ziel, die machten sie vergessen. Hohe
Schroffen türmten sich auf vor ihm, und ganz oben lockte
das üppige Grün einer Bergwiese. Sein Stab griff aus;
aber dann: Fuß über Fuß, mit klammernden Händen die
steile Bergwand hinauf! Und oft, daß ihm der Atem ausging,
wenn er hinuntersah in die Tiefe, wohin es heil kein
Zurück gab. Und wieder schreckte ihn der Schatten.
Ein Straucheln — aber eine unsichtbare, starke Hand hielt
ihn, und nun, aus schweren Träumen erwachend, stand er
müd auf blumiger Au, stand er auf der Höhe. Und neben
ihm die Gefährtin, die den gleichen mühseligen Aufstieg
gemacht, die Fremde und doch Vertraute, die ihm die Hand
gereicht hatte, als sein Fuß strauchelte. Dann ein frohes
Wandern über die Höhe, der Sonne entgegen, reich und
glückvoll, bis wieder die Wolke ihren schwarzen Schatten
über ihn hinwarf, der nicht mehr weichen wollte ... Der
Tod hatte ihn eingeholt. Mitten auf seinem Weg. Mitten
aus seinem Schaffen riß es ihn, den Frühgereiften aber
nicht Vollendeten; denn sein letzter, großer Roman, »Der
Entgleiste«, ist kein Ausklang, sondern eine volltönige Introduktion,
ein kraftvoller Aufstieg zu neuen Höhen.
»Zum Licht« hieß seine erste Gedichtsammlung, die er
1897 veröffentlichte. Fast alles darin ist noch gärend und
draufgängerisch; man spürt Dehmel, Falke, Liliencron und:
Nietzsche, als einen, den er eben erst erlebte, der alles aufwühlte
in ihm. Aber ein ganzer »Holzamer« war auch
dieses Buch schon. Es umzirkte weit aber fest den Kreis
seines Lebens und Schaffens. Und auch von seinen Erstlingserzählungen
her, »Auf staubigen Straßen«, geht deutlich
erkennbar ein einziger Weg, eine einzige Entwicklungslinie.
Es hieße daher, das Bild des Dichters fälschen,
wollte man, wie es geschehen ist, seine hessischen Dorferzählungen
der Heimatkunst zuweisen und seine über die
Grenzpfähle der Heimat hinausstrebende Allgemeinkultur
als Abwärtsentwicklung oder Entartung abtun. »Im Dorf
und draußen« war die zweite Novellensammlung, in deren
Titel er, bewußt oder unbewußt, schon äußerlich andeutete,
daß sich seine Kunst nicht in der Volks– und Bauerngeschichte
erschöpfen wollte. Und innerlich? Sind nicht hier schon
seine Gestalten meist Eingänger und Sonderlinge, wertbewußte
Starke, die dem Leben ihre Notwendigkeit abtrotzen?
Und keinem einzigen begegnet man unter seinen
Helden, von dem man nicht sagen müßte, der hat seine
ausgeprägte Art, der ist ein Vollmensch, ein Ganzer, so
wie's nachher sein armer Lukas ist, sein Peter Nockler und
sein heiliger Sebastian, so wie's die Frauen in diesen
Büchern sind und ihre nur konsequenter gezeichneten, bis
zur Härte eigenartigen Schwestern in den späteren Romanen
»Inge« und »Ellida Solstratten«, in denen nur engherziges
Pfahlbürgertum Dekadenz und Verkümmerung erkennen
konnte. Und doch waren auch diese Frauen nicht andrer
Art als die im höchsten Maße problematische Figur der
jungen Dorth in »Vor Jahr und Tag«, dem Roman also,
der zeitlich nach den beiden vielfach angefeindeten »Frauen«–Romanen
liegt, aber unbedingt mit dem »Peter Nockler«
zusammengenannt werden muß. Wäre Holzamer wirklich
jemals der einseitige Heimatdichter und Volkserzähler gewesen,
wie ihn seine Gegner sich wünschen, so hätte er in
jener Schaffensperiode nicht die »Kunstbriefe an den deutschen
Michel« über »Die Siegesallee« schreiben können,
so hätte ihn auch nicht der Großherzog Ernst Ludwig von
Hessen vom Schulkatheder in seine Kabinettsbibliothek und
als Leiter an die Darmstädter Spiele berufen. Wenn einer,
so erkannte dieser fürstliche Mäzen klar, welche hohen
künstlerischen Qualitäten allgemeinkultureller Art in Holzamers
Werken lagen.
Lediglich zur stofflichen Gruppierung darf man also die
drei Romane (»Der arme Lukas«, »Peter Nockler« und
»Der heilige Sebastian«) zusammenfassen und sie von den
folgenden sondern. Ihre Ausgeglichenheit bis ins kleinste,
die Holzamer selber sah und die ihn den »Peter Nockler«
so hoch einschätzen ließ, mag man in »Inge« und »Ellida
Solstratten« vermissen; dafür entschädigen aber der kühne
Zug ins Große und die von Lebensernst gestählte Energie,
die da ihren Ausdruck sucht. Wer diese neue Phase des
Dichters künstlerisch oder auch nur psychologisch werten will,
der darf ihn nicht im Werden ergreifen, sondern im Gewordensein,
der muß ihn messen an seinen letzten Arbeiten,
den zahlreichen Novellen aus den fünf Jahren seiner Pariser
und Berliner Zeit, die in zwei Bänden erscheinen sollen,
sowie seinen beiden Romanen »Vor Jahr und Tag« und
»Der Entgleiste«, der im Herbst dieses Jahres herauskommt.
Kann damit die scheinbare Kluft in des Dichters Schaffen
als überbrückt gelten, so wird man nun die markantesten
Züge seiner Künstlerpersönlichkeit leicht erkennen können.
Von seiner Bevorzugung besonders individuell gearteter
Menschen war schon kurz die Rede. In zweiter Linie
müßte die Ruhe und Sicherheit der Gestaltung hervorgehoben
werden: scharfe Skizzierung und dann, Strich um
Strich Tönung und Nuancierung bis ins feinste, bis zum
blutwärmsten Leben. Und wo dann noch verborgene Unterströmungen
aufzudecken sind, da greift, kaum merklich, seine
überlegene Reflexionskunst ein, die Hand in Hand geht
mit einer subtilen psychologischen Tiefgründigkeit. Schon
der ruhige Fluß seiner Sprache, die erschöpfende Klarheit
des Ausdrucks, der kaum die Feile verrät, kennzeichnen die
Überlegenheit, mit der er charakterisiert. Und schön ist
diese Sprache, voll Wohllaut, schmiegsam, weich und anderswo
doch auch wieder kraftvoll und wuchtig. Dazu
kommt eine feine poetische Stimmungsgabe; aber das Maß
des lyrischen Einschlags ist so verständig innegehalten, daß
man ihn vermissen würde, wenn er nicht da wäre.
Es ist schade, daß an dieser Stelle auf die Tendenz der
einzelnen Romane ebensowenig eingegangen werden kann
wie auf ihren Inhalt. Es würde einem dann auch der
Mensch Holzamer näher gerückt werden. Man würde sich
nicht nur mit dem träumerisch gemütvollen, dem edlen und
weisen Manne befreunden, der aus dem »Peter Nockler«
und dem »Armen Lukas« spricht; wir würden auch willig
mit ihm gehen, wenn er uns vom »Heiligen Sebastian«
bis zur »Ellida Solstratten« führte, und auch in der
Härte, die weniger verwunden will als verwunden muß,
Ehrlichkeit, Größe und Kraft sehen, die gepaart mit jener
weisen Güte unserer Verehrung und Liebe würdig ist. Die
ihn kannten, wissen gut, wie sehr Holzamer seine Künstler–Ideale
auch lebte. Wer einmal den tiefen Eindruck dieser
sympathischen Persönlichkeit empfing, konnte ihn nicht mehr
vergessen. Er war ein vornehmer Charakter; aber seine
Vornehmheit hatte eine Wärme, die man schon im Druck
seiner Hand, im Blick seines Auges spürte.
Zwischen Holzamers ersten Gedichten und dem späteren
Band, »Carnesie Colonna«, lagen die zart getönten dramatischen
»Spiele«, die aber mit ihrer Weichheit und ihrem
hohen Stimmungsgehalt eher seiner Lyrik zugezählt werden
müssen als dem einzigen Drama (»Um die Zukunft«), das
wiederum viel mehr auf seine wuchtige Epik, etwa die im
»Heiligen Sebastian«, hinweist. Aber wenn man den
Lyriker Holzamer einschätzen will, so muß man auf die
zart rhythmische Musik des Leides und Glücks in den
Phantasien »Carnesie Colonna« hinhören. Und klingt
mancher Ton darin auch noch als Verheißung, so wird die
Lyrik des durch Kampf und Schmerz gereiften Dichters, die
der Nachlaß enthält, Erfüllung sein.
Sein Drama, das in die Pariser Zeit fällt, war ein
erster Wurf, hatte als solcher aber seine große Tragweite
und bewies jedenfalls, daß Holzamer auch auf diesem Gebiet
ungewöhnlich starke Möglichkeiten bot. Daß es von keinem
besondern Glück begünstigt war, lag am »Theater«, das
außer Kunst ja auch eine gewisse Routine fordert. Ob er
ihm nach dieser Richtung noch Konzessionen gemacht hätte,
wer weiß!
So wenig aber, wie man den Dramatiker Holzamer
übersehen darf, so wenig darf man auch an dem Essayisten
vorübergehen. Sein selbständiges Urteil hatte Wert und
Gewicht, nicht nur in der Literatur, sondern in der Kunst
überhaupt. Unkenntnis und Vorurteil haben seinem dreijährigen
Aufenthalt in Frankreich Unfruchtbarkeit nachgesagt;
aber schon allein die Essaysammlung »Im Wandern
und Werden«, eine Monographie über Conrad Ferdinand
Meyer, der später eine solche über Heine folgte, könnten
das Gegenteil beweisen, außer ihnen Dutzende von Aufsätzen
und Kritiken in führenden Blättern. Holzamer war
in seiner kritischen Tätigkeit kein Fanatiker irgendeiner
Richtung; aber auch hier verleugneten sich nie seine unbestechliche
Ehrlichkeit und sein hoher künstlerischer Ernst.
Von den sechs Novellen des vorliegenden Bändchens
zeigen uns »Cellist Behnke«, »Hochsommerglück« und »Der
böse Wunsch« des Dichters starkes Talent im ersten Wachsen,
während »Der Held« und »Sein letztes Hochamt« die
deutlichen Merkmale einer kräftigen Entwicklung an sich
tragen. »Die Freite« endlich darf als eine reife Frucht
aus der letzten Zeit seines Schaffens hingenommen werden.
Am 28. März dieses Jahres hätte Holzamer erst die
Vierzig erreicht, und nun jährt sich am 28. August schon
zum drittenmal sein Todestag. Ein Frühgereifter, aber
kein Vollendeter.
Köln
, im April 1910.
Richard Wenz.
Der Held.
Der Ochsenwirt zu Schafbach hatte ein Preiskegeln
ausgeschrieben. »Erster Preis: eine goldene
Uhr, zweiter Preis: ein Regulator, dritter Preis:
ein Revolver.«
Er hatte damit die ganze Gegend in Aufruhr
gebracht. So hohe Preise, das war ja unerhört!
Allerdings war auch der Einsatz ziemlich hoch. Aber
das war ja natürlich.
Der Ochsenwirt lachte sich ins Fäustchen. Er hatte
es gut gemacht diesmal. Die ganze Woche war sein
Lokal jeden Abend gestopft voll. Jeder wollte die
Preise sehen. Es war ja nicht zu glauben, so hohe
Preise! Und erst am Sonntag! Da war's ein Geschäft!
Von Latzenbach kamen sie, von Werden, von
Bellenbach, von Sundsbach, ja von Hatzbach, ganz
drüben hinterm Gebirge, und von Weilau und Buchenau,
ganz drunten im Tal, fünf, sechs Stunden
Wegs.
Er hatte es dem Sternwirt zum Ärger getan.
Darüber konnte der nicht. Es war für die Pfingstmusik,
die der ihm abgespannt hatte.
»Dem hewwe mer emol — ha, ha, ha! — E Schoppe
noch, Hannes? — un Sie auch noch an, Herr Nochber?
— Na — un sein Se de Sunndag aach debei?
— Die schön guldenig Uhr! — Do gucke Se nor
emol! — — — Prost! bekumm's Ihne!«
Es war erst Mittwoch heut, aber der Ochsenwirt
animierte schon tüchtig. Er war ein Geschäftsmann.
»Wann mer Wert is, muß mer Wert sein!« war sein
Wort. Und darin lag ihm alle Klugheit und Geschicklichkeit,
alle List und Verschmitztheit als Recht und
Sinn des Lebens.
Eins war dumm, daß ihm jetzt grad — es war
am Donnerstagnachmittag — seine »Alte« ins Kindbett
kommen mußte. — Wer, Deiwel, sollte die Arbeit
all schaffen am Sonntag! Da hieß es Beine machen
— unter Umständen auch Fäuste. Vor allen Dingen
aber: Hand zu und Augen auf!
Aber der Peter Knoll war ein Geschäftsmann.
»Wann mer Wert is, muß mer Wert sein!«
Er ließ ausschellen und ins »Kreisblättchen« setzen,
daß das Kegeln auf den Sonntag darauf verschoben
sei — »auf Wunsch vieler Kegler aus Schafbach und
Umgegend« — und daß die Preise im großen Saal
»zum Ochsen« ausgestellt blieben.
Das gab Ärger. Das vermehrte aber auch die
Hitze. Jeder war jetzt ungeduldig. Der Ochsenwirt
wußte das, er verstand sein Geschäft. Er kannte aber
auch seine Leute. Jeder hatte ja in Gedanken schon
die goldene Uhr in der Tasche — oder den Regulator
an der Wand — oder wenigstens knallte er schon
mit dem Revolver.
Der Ochsenwirt hatte so noch einmal am Sonntag
ein vollbesetztes Lokal und das Haus »voll Disput«,
wobei er tapfer ausschenken konnte. Er hatte
»seinen Schnitt« bereits gemacht. »Ja, das Geschäft
muß man verstehen!« Er hatte beinahe die Preise
schon wieder verdient. Denn wieder waren sie gekommen,
von Latzenbach und Werden, von Bellenbach
und Sundsbach, ja von Hatzbach, von Weilau und
Buchenau sogar. Es war ja »was Unerhörtes«, kaum
zu glauben. So hohe Preise!
Man hatte »das Kreisblättchen« dreimal durchstudiert
und jedem Schellen genau zugehört, ob es
nicht wieder eine Verschiebung gegeben habe. Keiner
hatte was davon gelesen, ausgeschellt war's auch nicht
worden. Das Preiskegeln fand also statt. »Sonntagnachmittag
von drei Uhr ab.«
Schon am Sonntagmorgen ging's beim Ochsenwirt
hoch her. »Ich wett' en Humpe« — »ich e
Fäßche« — »der krickt die Uhr — der krickt se!«
»Halt die Meiler!« sagte der Schusteranton. »De
Hannphilipp von Garnbach hot noch all die Preiskegele
rundherum gewunne, der krickt aach die Uhr
diesmol — do will ich eich mein Kopp verwette. Un
ich were den Regulator krieje, daß er meiner Fraa als
die Stunne schlägt, wann ich owends hocke bleib« —
fügte er hinzu. Es war noch kein rechter Witz, wie
sie der Schusteranton sonst machte, aber er hatte auch
noch nichts »unnerm Dach«.
Schlag drei Uhr warf dann Peter Knoll eine
Kugel in die Vollen. Damit eröffnete er das Preiskegeln.
Und dann begann die Reihe. Auf jeden Einsatz
drei Kugeln, die erste in die Vollen. Der Polizeidiener
und der Lehrer führten die Liste. Die waren
unparteiisch.
Anfangs ging's still her. Nur bei einem guten
Wurf ein kurzes Hallo. Dann ruhig die Reihe weiter.
Der Lehrer rief die Namen und bestimmte die Kugeln,
der Polizeidiener rief die Würfe.
Gegen vier Uhr kamen die Burschen aus Buchenau.
Sie kamen alle auf einmal, während sich die Gäste
aus den anderen Ortschaften vereinzelt, zu zweien
oder dreien, eingefunden hatten.
Bei den Buchenauern war der »Jean«. Der genoß
ein ganz besonderes Ansehen. Der Jean wurde
in der Gegend nur mit seinem Vornamen genannt.
Höchstens hieß er auch noch »der Herr Ober«. Er
war nicht in der Gegend geboren, er war ein Rheinhesse.
Er war mit dem Grafen »herüber« gekommen,
als dieser vom Militär kam. Er war sein Bursche
gewesen — bei der Artillerie hatten sie gedient —
und der Jean hatte dem Grafen gefallen. Und der
Jean war auch gerne mit ihm gegangen. Während
des Manövers hatte er mal im Odenwald gelegen,
und da hatte es ihm gefallen: der Wald, die Berge!
Seit zwei Jahren etwa war er nun der Oberknecht
auf dem Gute des Grafen. So hatte er sich in die
Höhe geschafft.
Und er war auch ganz der Kerl dazu. Schöner
war keiner weit und breit. Und keiner stolzer.
Und gut war er. Er sorgte für seine Knechte;
was sie ihm klagten, vertrat er beim Grafen. Und
er forderte auch nicht zu viel von ihnen, keine Arbeit,
die er nicht selbst tat. Er tat allen voraus.
Er hatte die schönsten Pferde. Die Schimmel
hatte er sich genommen. Und wie sauber waren sie
immer, wie glänzten sie. Er tat alles selbst, er ließ
sich nichts tun, so leicht er das gekonnt hätte. — Der
Jean hielt sich stramm. Man mußte ihn fahren sehen,
um ihn zu bewundern. Er stand immer auf seinem
Wagen. Und man mußte den Jean gehen sehen, um
zu wissen, daß er ein »anderer« war. Er hatte nicht
den schweren, tappenden Gang der Gebirgler, er schritt
rasch, gerade, kerzengerade mit gehobener Brust. Er
stieß nie an, er stolperte nie. In seinem Tritt war
Tempo. Aber auch Kraft und noch mehr Selbstbewußtsein
lag darin.
Der Gutsverwalter, in seinem besten Staat, sah
neben dem Jean wie ein gewöhnlicher Knecht aus.
Der Jean hätte der Graf selbst sein können. Er hatte
Augen, die förmlich glühten, die alles festhielten, die
alles lenkten. Wenn er über den Hof schritt, entging
ihm nichts, wenn er über die Straße ging, war's,
als ginge er allein. Er war kein Diener und kein
Ducker. Der Jean war ein Herr.
Er war Knecht, aber wem fiel das ein! Niemand
dachte daran. Er war's am Gesindetisch — und da
saß er oben! — sonst war er's nie. Er war der
»Ober«. Unser »Ober« sagten die Knechte und die
Mägde — »der Gutsober« hieß er in Buchenau.
Die Mägde waren sämtlich in ihn verschossen, die
Mädchen von Buchenau träumten von ihm. Er hätte
sie billig wie Wecken haben können, die armen wie
die reichen. Er wollte keine. Er hatte keiner Magd
noch einen verlangenden Blick zugeworfen, wie er sie
auch schon gesehen hatte. Und nichts hatte bei ihm
verfangen, wie's auch manche schon angelegt hatte.
Kein Mädchen von Buchenau konnte sich seiner Gunst
rühmen, er sah jede so stolz und unbefangen mit
seinen scharfen Augen an, als seien sie alle gleich
schön oder gleich häßlich. Alle waren sie ihm gleichgültig.
Man sagte darum, er habe einen Schatz ȟberm
Rhein«, dem sei er treu.
Außerdem — man mußte den Jean noch am
Sonntag sehen, wenn er im Wirtshaus war. Da
war er vornehm. Da rüpelte er nicht, da schrie er
nicht. Er saß vor seinem Bier und hörte zu, gerade
als gehöre er nicht zu den Leuten, als sei er nur
zufällig unter sie geraten und suche auf gute Art mit
ihnen auszukommen. Als sei er andere Gesellschaft
gewöhnt. Und wirklich, der Schullehrer setzte sich
zu ihm, der Bahnassistent und der Postassistent, der
Gutsverwalter und der Gemeindeschreiber. Er war
ihnen der »Ober«, und man brauchte sich nicht zu
schämen mit ihm. Er sprach, was er verstand, und
was er nicht verstand, redete er nicht. Hatte er sich
aber eine Meinung gebildet, vertrat er sie mit Wärme.
So jüngst, als die Hübnerslies mit ihrem Kind in
den Grafenteich gegangen war. Alle verurteilten sie
— wegen des Kindes und wegen des Selbstmordes.
Der Jean allein tat's nicht. Er sprach für sie —
er entschuldigte nicht, er erklärte nur. »Leid ist mir
für die arme Lies, was soll ich sie verdammen! Das
Kind — ich kann's schon verstehen, wie das Mädel
vertraute und fiel. Sie hat den Franz wohl gern
gehabt, und das kann was heißen bei einem jungen,
feurigen Ding — und daß sie, wie alles so ausging
und zu Ende ging, verzweifelte — ich kann's schon
verstehen. Da sind die Menschen alle so gut und
haben nie einen Fehler gemacht und werfen darauf,
als ob sie dazu bestellt seien. Aber helfen, helfen! —
gibt's nicht. Die Menschen haben da immer Mitschuld,
und ein gut Teil, gerade die ›guten‹, die das
Maul so voll nehmen und die ›strengen‹, die so harte
Augen, so verächtliche Blicke haben. Weh tun — wer
nicht weiß, was weh tun heißt, der soll da nicht richten,
das ist meine Meinung,« schloß er. Und er war
sogar ein wenig hitzig dabei geworden, ganz gegen
seine Art.
Und als der Schullehrer und der Gemeindeschreiber
abends noch ein Stück zusammen gingen auf dem
gleichen Heimweg, da meinte der Lehrer: »Was der
›Herr Ober‹ da gesagt hat — es ging an mich. Das
steht nicht im Katechismus — das kommt aus dem
Herzen. Der muß schon was erlebt haben, der ›Herr
Ober‹. Mir ist das heut abend eingefallen, so was
kann man nur erleben. Der trägt was in sich herum,
kommt's mir jetzt vor. Aber ich hab' Respekt. Ich
hab' Respekt.«
Manche sagten, der Jean sei selbst ein Grafensohn.
Andere aber behaupteten — und das waren
ein paar, die mit ihm beim Militär waren — er sei
das uneheliche Kind einer Schauspielerin. Man erzählte
sich das im ganzen Dorf. Aber es schadete dem
Jean nicht. Er war einer von den Menschen, die
man nicht nach Stellung, nach Herkunft und Anhang
beurteilt, die man als sie selbst nimmt und nach dem
Werte schätzt, der in ihrem Benehmen, ihrem Tun,
ihren Leistungen, ihrer Art, eben in ihrer Persönlichkeit
in die Erscheinung tritt. Darin war er ein
Glücklicher.
Was aber seine Herkunft anbetrifft, so war er
wirklich der Sohn einer Schauspielerin, in wilder
Ehe geboren, als seine Mutter die »Direktrice« einer
Schmiere war. Und er hatte ein Schicksal, er hatte
»was erlebt«. Als Kind hatte er schon auf der Bühne
gestanden. Als Kind schon hatte er gehungert, hatte
er stehlen müssen, und oft war gerade er's gewesen,
den man geschickt benutzt hatte, die vielen Gläubiger,
die's an jedem Orte rasch gab, wo ihr Karren hielt,
hinters Licht zu führen.
Und welches Leben hatte gerade er gehabt bei dem
Vater, dem »Direktor«. Manchmal fielen ihm die
hübschen Titel ein, die ihm der Vater beigelegt hatte.
Dann knirschte er. Aber weinen hätt' er mögen,
wenn er an all die Gemeinheiten und Liederlichkeiten
dachte, die er hatte ansehen müssen. Wozu hatte die
Not nur seine Mutter oft gezwungen! Er schämte sich
heute noch. Eine Blutwelle stieg ihm jedesmal heiß
ins Gesicht.
Da hatte er Verachtung und — Verzeihung gelernt.
Denn er hatte sie in Verzweiflung gesehen,
wildfeindlich gegen sich selbst, erstickend vor Ekel —
vor Haß und Scham. Da hatte er das Mitleid gelernt.
Früh war er reif geworden. Das Schicksal hatte
ihn in die Lehre genommen. Es hatte ihm die Jugend
vergiftet, denn es hatte seinen Kinderaugen das Leben
gezeigt, in seiner Härte und seinem Schmutz, in seinen
Abgründen, Lockungen und Falschheiten.
Da ward er in sich selbst zurückgeschreckt. Er
fühlte sich als Gegner zum Leben, zu all seinen
Reizen und Genüssen.
Sein Wille ward so geweckt. Dem Leben einen
besseren Wert! schrie's in ihm.
Er hielt sich allein. Er war ernst. Er ward froh
im Freien, befreit und gesund in der Natur draußen,
wenn er im Grase lag, wenn er die Straße hinwanderte,
wenn er die Vögel singen hörte, die Blumen
blühen sah und die Bäume Früchte tragen. Den
Bauer liebte er, der den Acker bestellte, und er hätte
einen Tag lang zusehen können, wie sein Pflug durch
den Boden schnitt.
So hatte ihn sein Schicksal geformt.
Gering war er, aber so jung er noch war, er hatte
sich nicht herabziehen lassen. Er hatte einen Stolz
in sich und eine starke Sicherheit. Und das wußte
er: Klagen und Sehnen konnten ihm nicht helfen, es
galt eine Tat.
Er war siebzehn geworden und eines Tages
wußte er, was er tun mußte. Eine ekelhafte Szene
zu Hause hatte ihn zum Entschluß gebracht. Ganz
plötzlich war's ihm eingefallen: er wollte ein Bauer
werden. Morgen wollte seine Gesellschaft weiterziehen.
Am Abend ging er. Ohne Abschied, gleichsam
ein Wankendwerden fürchtend. Und er fand auch
eine Stelle und blieb, bis er »einrücken« mußte.
So war er frei geworden. Er arbeitete mit Pflug
und Hacke, unermüdlich, und atmete auf. Er befreite
sich. Manchmal zerrte es ja in ihm, so gering zu sein
und unbeachtet. Aber er sprach sich Mut und Hoffnung
zu. Geduld und Ausdauer, sagte er sich. Er
würde schon »hinauf« kommen. Langsam in sich —
und dann auch vor den Menschen.
Und er hatte ja auch ein wenig Glück dabei.
Wenigstens war's ein Glück zu nennen, daß er an
den Grafen gekommen war.
*
*
*
Der Jean war also mit den Buchenauer Burschen
zur Kegelbahn nach Schafbach gekommen. Er war
unterwegs zu ihnen gestoßen.
In der Kegelbahn war's nun schon laut. Und
heiß, sehr heiß. Die Luft dick vom Tabaksqualm.
Der Jean wünschte, lieber nicht hierher gegangen
zu sein. Wenn er noch mal draußen wäre, ginge er
vorbei. Da er aber nun mal drin war — immerzu.
Er begrüßte den Lehrer, den er kannte.
Dann suchte er sich einen Platz abseits, von wo
aus er gut sehen konnte. Er wollte nur zusehen.
Der Ochsenwirt brachte ihm ein Glas Bier.
»Nicht mitkegeln, Herr ›Ober‹?«
»Will mal sehen, später mal einen Wurf, warum
nicht!«
Ein paar am Tisch hörten das.
»Dann kriegt der Herr ›Ober‹ die Uhr, dann adje
Partie!«
Der Jean sagte aber nichts darauf, er sah still zu.
Weitere Gäste kamen, einzeln, zu zweien und
dreien — meist aus den umliegenden Ortschaften.
Die Schafheimer waren schon ziemlich vollzählig da.
Es war besetzt in der Kegelbahn. Nun kamen
noch die Weilauer und gleich nach ihnen die Hatzbacher.
Sie hatten die weitesten Wege und wurden
darum allgemein begrüßt.
Jetzt hieß es zusammenrücken. Und man tat's
auch. Nur da und dort war mal einer, der schimpfte.
»Der Knoll soll for Disch und Stiehl sorje, so
e Drickerei!«
An Jeans Tisch saßen ein paar Hatzbacher. Einer
erzählte, die Italiener aus Hatzbach, die da beim
Bahnbau beschäftigt waren, kämen noch.
»Gibt's aach noch Krawall heit,« sagte einer.
Ja, und sie hätten auch noch die Tremplers Anna
bei sich. Die hätt' sich dem einen an den Hals geworfen,
am Sonntag vor acht Tagen, auf der Tanzmusik
hätt' sich's gemacht. Ein »schöner Kerl« sei
der Italiener ja. Aber es sei doch schad für die
Anna. Sie habe auch schon ihr Teil Schläge daheim
gekriegt. Aber sie lasse scheint's nicht los.
Sie habe doch ein paar tausend Mark Vermögen
und sei von guten Leuten. Und sei auch immer so
still und ordentlich gewesen. Und auf einmal ganz
vernarrt.
Man mußt's ja sagen, schön sei der Italiener,
der schönste und »feinste« von denen. Aber 's gäb
doch auch noch »schöne Kerl« im »eigene Ort«.
Und dann wisse man auch, wie's da gehe. Erst
alles Lieb's und Gut's. Dann mal so ein Suff —
und dann sei's geschehen. Bis dann's Kind da sei,
sei der Kerl längst verduftet — oder käm's mal zur
Heirat, dann Hunger und Schläge.
Da wär's doch schad um die Tremplers Anna.
Und dann hätt' man ja immer 's Totenhemd bei den
Kerlen an. Beim geringsten 's Messer.
Der Jean hörte nur mit halbem Ohr.
Er kannte das ja all geradesogut. Und bei der
Hübnerslies war's ja geradeso gewesen. Die Mädels
nehmen ja aber nicht Vernunft an.
Da waren die Italiener schon. Sechs, acht Mann.
Sogleich gab's ein Lärmen, daß das Kegeln einen
Augenblick aussetzen mußte. Die Italiener forderten
einen Tisch für sich.
Der Ochsenwirt sprang. Man mußte den rauflustigen
Burschen rasch den Willen tun. Er hätte
ihnen schon lieber gleich auf den Rücken gesehen. Das
waren immer böse Gäste, und erst wenn sie betrunken
waren! Und das waren sie bald. Sie tranken ja
das Bier wie Wasser. Und das starke Rauchen und
Lärmen dazu — da stieg's rasch ins Hirn.
Nun hatten sie ihren Tisch.
Die Anna saß mitten unter ihnen. Es wurde
ihr doch bald ein bißchen genierlich, dies Lärmen der
Italiener, dies Welschen, das sie ja nicht verstand.
Erst war ihr das so merkwürdig vorgekommen, und
sie lachte dazu. Bald war's ihr aber doch keine
Unterhaltung mehr. Das Fremde hatte sie gereizt,
die Gesten, die redenden Augen, das hatte ihr gefallen.
Auch die gewandtere Art der Italiener. Wie
wurde ihr nur das Glas hingehalten zum Prosit!
Cara mia! wie lag ihr das im Ohr!
Bald hatte das alles aber den ersten lockenden
Reiz verloren. Sie staunte nicht mehr, es war ihr
bekannt, fast gewohnt. Fremd freilich blieb es ihr,
so eine halbwehe Komik lag ihr darin. Heute wenigstens.
Es war ihr unbehaglich. Vielleicht weil sie
das einzige Mädchen auf der Bahn war.
Doch da wollte sie sich drüber wegsetzen.
Aber ewig dieses Italienisch um sie herum. Sie
war ordentlich froh, wenn sie deutsch radebrechten.
Sie hatte das neulich bei der Tanzmusik gar nicht
so bemerkt, gar nicht gefühlt. Da war die Musik,
da waren die anderen Mädchen.
»Ein schöner Italiener!« hatten die gesagt.
Und sie hatte er zum Tanz geholt. Darauf war
sie stolz. Sie hatte ja auch bei der Tanzmusik bei
ihm und den anderen Italienern gesessen. Aber das
war ihr ganz anders vorgekommen. Dies Lärmen,
dies Fluchen und Spucken, es war ihr heute rein
zum Ekel.
Sie betrachtete sich ihre Freunde. Die braunen,
hartknochigen Gesichter unter den großen Hüten, die
schwarzen Augen. Sie hätte sich fürchten mögen.
Selbst ihr Lächeln war bös, kam ihr verzerrt vor.
Ein paar Geschichten fielen ihr ein. Sie schauderte
heimlich. Sie mußte an die Hübnerslies denken,
die mit ihrem Kinde in den Grafenteich gegangen
war. Und der Italiener war fort über alle Berge.
Und an den Rothekarl mußte sie denken, wie er
tot dalag am dritten Kirchweihtag. Wegen einer
Kleinigkeit hatten sie ihn erstochen. Und keiner hätte
sagen können, wer's getan hatte.
Die Anna mußte an ihren Heimweg denken. Nein,
nicht für alles, sie ginge allein mit denen nicht nach
Hause — am Abend, die fünf Stunden Weg.
Und wie die wieder heut tranken! Auch der Fiori.
Sie mußte immer mit ihm trinken.
O, wenn sie nur heraus könnte! Fortlaufen möchte
sie. Beständig mußte sie an den Abend denken, an
den Heimweg. Und die Hübnerslies fiel ihr ein,
und der Rothekarl. O, sie hatte Angst! Eine Angst
hatte sie! —
Sie betrachtete den Fiori. Er war ja schön. Diese
dunklen, leuchtenden Augen! Die roten Lippen und
das schwarze Schnurrbärtchen darüber.
Aber sie hatte Angst.
Ein bißchen Furcht hatte sie ja immer gehabt,
wenn sie sich abends hinterm Garten trafen. Aber
so noch nicht wie heute.
Hätte sie ihr Vater nicht gleich geschlagen — sie
hätt' ja nicht den Kopf aufgesetzt. Aber so —
Doch jetzt wußte sie's, sie mochte doch den Fiori
nicht.
Sie malte sich ihr zukünftiges Leben mit ihm aus.
Er verdiente ja viel, er verbrauchte aber auch viel.
Dies starke Trinken! Und den ganzen Tag sie allein,
ein paar Kinder zu besorgen, und dann in der Mittagshitze
hinaus auf den Arbeitsplatz, den Essenkorb
in der Hand. Und immer die Angst um ihn bei der
gefährlichen Arbeit! Wie oft geschah ein Unglück bei
den Sprengarbeiten! —
O, dann wär' sie auch bald so alt und abgerackert
wie die anderen Italienerweiber! Und schließlich
ging's wo anders hin! Gott weiß wohin! Unter
ganz, ganz fremde Leute! Lauter fremde Menschen!
Weinen könnt' sie ihr gut Teil, das Lachen wär'
ihr was Seltenes! Und die armen Würmchen, die
Kinder! —
Noch nie hatte sie seither ans Heiraten gedacht,
so ernstlich wenigstens noch nie.
Ach, wie war's ihr jetzt so furchtbar!
Da stieß der Fiori schon wieder an ihr Glas.
Sie war ganz verzweifelt. Sie wollte nicht mehr
trinken.
Da stieg ihm eine Zornglut zu Kopfe, er stieß
sein Glas hin, er zischte einen Fluch, und er kollerte
einen langen italienischen Satz heraus, daß ihn die
anderen beruhigten. Sie beruhigten ihn, sie merkte
es an ihren Gebärden; denn sie verstand ja ihre
Sprache nicht.
Aber ganz außer sich war sie. Wenn sie nur eine
Hilfe finden könnte! Aber wen, aber wie!
»Du lieber Herrgott!«
Sie nahm ihr Glas und trank.
Sie sah sich um, als ob sie eine Hilfe finden könnte.
Über alle Tische ging ihr Blick, in jedes Auge. Er
fiel auch auf den Jean. Der hatte schon die ganze
Zeit beobachtend zu ihr herübergesehen.
Er musterte sie. Er musterte sie mit tiefer Befriedigung
und stillem Wohlgefühl. Ein Weib! Es
war sofort ein unbewußtes Einssein, ein Verlangen,
ein Besitz. Es war wie ein Erwachen über den Jean
gekommen, wie eine Verklärung lag's in ihm.
Und so wuchs alles in ihm, wie er diese Anna
der Italiener betrachtete. Es wuchs still, wie eine
heimliche Glut. Es machte ihm nicht heiß, es machte
ihm nur wohl. Es nahm ihm nicht die Herrschaft
über sich und peitschte ihm nicht die Sinne.
Diese Anna war schön. Sie hatte volles, blondes
Haar, große blaue Augen. Ihr runder Kopf saß auf
einem schlanken Hals, der aus einer weißen Krause
wie feines Elfenbein leuchtete. Ihre Wangen waren
rot, aber zart wie das Rot des Pfirsichs. Sie waren
sauber und appetitlich zum Anbeißen.
Der Jean sah nach der Bewegung ihrer Hände.
Auf ihre Anmut legte er Wert. Er hatte sich schon
oft dabei ertappt, daß er das bei allen Menschen tat.
Leute mit ungeschickten Händen, mit Steifheit und
Ungeschick in ihren Handbewegungen, konnten ihn abstoßen.
Das hatte er wohl noch vom Theater her in sich.
Ohne weiteres Gezier mit den Fingern hatte sie
ihr Glas genommen. Die Hand hatte sich hübsch
gerundet, das Gelenk leicht gebogen. Er lächelte.
Sie hatte nicht gerade eine kleine Hand, aber groß
war sie auch nicht. Und daß sie nicht plump und
täppisch war, war ihm jetzt alles.
Die Anna saß da wie eine beleidigte Prinzessin,
wie ein ängstliches Kind.
Und wie jetzt ihre Blicke umgingen!
Jean erkannte sofort: die schämte sich.
Und alles war in ihr gespannt. Es wirkte direkt
auf ihn, auch in ihm trieb etwas zu einer Spannung.
Er sah scharf zu ihr hin. Wie sie sich vor dem
Italiener hütete, förmlich vor ihm verbarg.
Sie hatte Angst — das wußte er mit einem Male.
Sie war voller Unruhe, aber sie verhielt sich ruhig.
Sie wußte, daß sie ein gewagtes Spiel spielte.
Voller Harmlosigkeit deutete sie dem Italiener dies
und das in der Kegelbahn, wohin ihre Augen gegangen
waren. Er sah hin — ihr Auge ging darüber
weg. Fast mit einer Rührung fühlte der Jean:
die fleht zu den Menschen fromm und stumm.
Er sah ihr lange zu.
Und nun dachte er: sie ist doch raffiniert.
Doch wie er sie nun weiter sah, hilflos, flehend,
da schalt er sich. Sie war doch herzlich, arm und
bittend wie ein Kind. Keiner verstand ihren Blick.
Blitzschnell ging er weiter.
Eine Verzweiflung lag nun schon darin. Er wurde
heißer und heißer. Er war fast irr. Sie würde es
nicht mehr aushalten können, sie würde sich ihm verraten.
Und sie wäre verloren — er würde sie niederstechen.
Da sah sie zu Jean.
Sie sah seinen Blick. Sie zuckte. Einen Moment.
Sie flehte, flehte, flehte. Ganz Kind. Einen
Moment.
Sie wußte schon, daß sie verstanden und erhört sei.
Sie atmete auf. Ihre Brust hob sich. Ein Weiches
trat in ihren Blick, legte sich über ihre Züge.
Die Spannung in ihr wollte sich lösen, sie fühlte
es, und man sah es deutlich.
Da ging's wieder wie ein Schreck über ihr Antlitz,
fuhr in ihr Auge. Sie raffte sich auf.
Sie warb, warb, warb. Einen Moment. Einen
heißen, tiefen Moment. Der Jean rührte sich nicht.
Aber sie verstand sein Auge.
In diesem Augenblick war sie nur noch Weib.
Sie strich sich ein Stirnlöckchen von der Stirne hoch
und glitt mit der Hand über die Augen. Sie lockte.
Aber es war nicht gewöhnlich, es war ein unendliches
Glück darin. Und sie mußte die Augen schließen, sie
mußte sie schließen. Sie war wie im Taumel.
Ein Lächeln spielte um ihren Mund.
Der Italiener stieß sie an.
»Prost!« sagte sie. — Er tat einen tiefen Zug.
Aber in seinen Augen flackerte es.
Er verfolgte jede ihrer Bewegungen, jeden ihrer
Blicke. Er lag auf der Lauer wie ein Luchs. In
dem Jean war die Glut zur Flamme geworden. Sie
schlug nun auf und wuchs hoch in ihm.
Und er selbst wuchs dabei. Er fühlte seine Kräfte,
und er fühlte sich ihr Meister.
Er hatte sich vorhin gefragt: wie bring ich dies
Mädchen aus dieser Gesellschaft? Er fragte sich's
nicht mehr. Er sagte sich: dies Mädchen muß aus
dieser Gesellschaft heraus.
Er hatte sich einen Augenblick geängstigt: kann
dies Mädchen in dieser Gesellschaft rein geblieben
sein? Es fiel ihm ein — sie war ja zu kurz darin,
sie mußte rein sein — sie war rein.
Er sah noch ihren flehenden Kinderblick, ihr ängstliches
Werben. Immer sah er diese Augen, diese
Wimpern, die weit aufschlugen, die sich scheu senkten
und schlossen, während die Hand von der Stirne herunter
über die Augen glitt.
Und plötzlich wußte er's: sie mußte sein werden.
»Sie muß mein werden!« rief's in ihm. »Ich
will sie erringen!«
Er stand auf — er ging wie im Traume.
Er kam sich viel größer vor als alle, viel stärker,
viel wichtiger. Die anderen sah er nicht, er war nur
ganz von sich erfüllt. Aber ganz in ihr und nur in
ihr. Als ginge er eine weite Straße hin, war's ihm,
in ein weites Land, ihr entgegen. Und aller Widerstand
war ihm ein Spiel, spielend überwand er ihn
— und sie sah ihm zu. Lächelnd, winkend.
So ging er wie im Traume. Weit war ihm die
Welt geworden, und doch nur eine enge Bühne für
seine Taten. Vornehm, stolz–gerüstet, ein glänzender
Ritter — seine Jugend grüßte ihn. Das Beste seiner
Jugend — in seinem schönsten Lebensmomente.
Er zahlte seinen Einsatz.
»Der Jean wirft! Hurra!«
Er würde gewinnen, er wußte es. Siegen! Es
war die größte Tat, die er jetzt vollbringen konnte.
Er stellte sich in die Reihe, er wartete geduldig.
Er sah gar nicht, was die anderen warfen. Das
war ihm gleichgültig.
Es rief seinen Namen. Er trat vor — wieder
wie im Traume. Er nahm eine Kugel. Er prüfte
nicht erst. Die erste beste nahm er und schob sie
hinaus.
»Hurra! Alle neune!«
Sie lagen alle.
»Alle neune, richtig!« rief der Polizeidiener.
»Zweite Kugel, Herr ›Ober‹!« rief der Lehrer.
Jean schob die zweite.
»Runde! — Bravo, bravo!«
»Der hot Glick! Dunnerwetter! Der hot die Uhr!«
»Runde, richtig!« rief der Polizeidiener.
»Dritte Kugel, Herr ›Ober‹ — auf den König!«
rief der Lehrer.
»E fein Spritzkigelche jetzt,« sagte einer wohlmeinend
zum Jean und klopfte ihm auf die Schulter,
»do kimmt kaner driwwer.«
Der Jean schob die dritte. Er zielte jetzt doch
ein wenig.
Zweimal zagte er. Dann beim drittenmal flog
die Kugel. Fein mitten setzte sie auf. Drei Schritte
lief er mit. »Der liegt!« sagte er und drehte sich um.
In der halben Bahn tat die Kugel den ersten
Sprung, gleich darauf noch einen, beim dritten
»spritzte« sie über den liegenden Bauer, und der
König lag.
»König!«
»König, richtig!« rief der Polizeidiener.
»Neun, Runde, König —«
Der Lehrer zählte dann die Würfe zusammen,
aber der Lärm, das Hallo war so groß geworden,
daß man's nicht mehr verstehen konnte.
Jean schritt auf seinen Platz zu. Stolz, hoch in
die Brust geworfen. Die Buchenauer brachten ihm
ein Hoch aus. Er schwenkte ihnen den Hut zu.
»Danke!« rief er. Dabei sah er die Anna an.
Mit einem großen verschlingenden Blick.
»Einen Humpen! Einen Humpen Wein!«
Die Anna strahlte. Ihr Blick hing an dem seinen,
so tief, so innig, so eins.
Das Fremdartige, was ihr an dem starken und
schönen Italiener so sehr gefallen hatte, das wurde
jetzt ganz in Schatten gestellt von der Kraft und
Schönheit der eigenen Stammesart.
Heiß entbrannt war ihr Herz. Doppelt heiß in
dieser Stunde, da er sie aus ihrer Bedrängnis befreien,
aus der Gefahr, in die sie sich begeben, erlösen
wollte. Sie war sein! Sie fühlte: der konnte sie
fordern, er würde es tun. Ihr Blick gab ihm alle
Rechte auf sie.
Sie zitterte. Nicht aus Angst — in glücklicher
Erregtheit. Den Italiener fürchtete sie jetzt nicht
mehr. Der war ihr gleichgültig.
Sie vertraute voll auf den Jean. Wie es werden
sollte, was werden sollte, wußte sie ja nicht, konnte
sie nicht ausdenken. Am liebsten wäre sie ihm in die
Arme gestürzt, hätte ihn geküßt, nur geküßt, geküßt!
Aber sie tat nichts. Sie wartete auf ihn. Er
würde alles schon machen, dieser starke, stolze, umjubelte
Mann.
Der Italiener knirschte. Er sprach erregt mit
seinen Kameraden. Er hatte erkannt, daß hier einer
um sein Mädchen warb — daß er ihm den Rang
ablaufen würde. Ja, daß er schon gewonnen hatte.
Die Italiener tranken rasch leer.
»Auf!« zischte er, »amante mia; Anna!« flötete
er nach. — Sie gehorchte.
Da kam der Jean mit dem Humpen auf sie zu.
Flamme ging zu Flamme.
»Auf deine Gesundheit, Mädchen!«
»Prost! — Bravo!« schrie's rings. Man hatte
jetzt den Jean verstanden.
»Prost!«
Hinten rollte dumpf eine Kugel in die Vollen.
Anna schlug die Augen nieder.
Der Jean tat einen tiefen Zug. Dann reichte er
den Humpen dem Mädchen.
Der Italiener hatte die Anna schon am Arm.
»Die bleibt hier!« sprach der Jean, als ob er ihr
Herr, ihr Vater sei.
–
Sie stand schon an seiner Seite und atmete
tief auf.
Die Italiener waren doch verblüfft. Einen Augenblick
waren sie sprachlos. Dann brachen sie in
Fluchen aus.
Die Anna schmiegte sich eng an den Jean. Der
legte seinen Arm um ihren Nacken.
»Wer will nun noch was?«
Und groß stand er da.
»Bravo!« rief's.
Eben kam der Humpen mit dem Rest zurück.
Der Jean leerte ihn. Wie er trank, flog ihm ein
Messer an den Augen vorbei.
»Ha, ha!« sagte er. »Jetzt gilt's! Aber offen
und ehrlich, Kraft gegen Kraft. Ein Schuft, der sich
sein Mädchen nehmen läßt. Nun wer gewinnt!«
Rasch hatte er die Anna hinter sich auf einen
sicheren Platz gesetzt.
Nun stand er zum Kampfe bereit.
»Hier stehe ich — allons!« sagte er.
Ein Italiener war schon gepackt worden. Der
habe das Messer geworfen. Der Polizeidiener war
dazwischengesprungen — er war machtlos. Von allen
Seiten sausten die Hiebe. Stöcke, Gläser, Fäuste.
Alles ging schon drunter und drüber.
»Ehrlich!« rief der Jean, »Kraft gegen Kraft,
nicht das Messer! Ein feiger Schuft, wer sticht!«
Vor ihm rangen sie, in einem solchen Durcheinander,
daß Freund oder Feind schwer zu unterscheiden
war. Nun sprang der Jean hinein. Wer von ihm
gepackt wurde, fiel, den Freund befreite er, half ihm,
den Verletzten riß er heraus. Keine Waffe hatte er,
seine Faust, sein starker Arm genügten ihm.
–
Der verschmähte Liebhaber kämpfte wütend. Er
suchte an den Jean heranzukommen.
Und auch dem Jean war's recht.
Jetzt hatte er freie Bahn.
»Ach Gott!« schrie die Anna.
Sie wußte, jetzt ging's auf Leben und Tod.
Der Italiener fiel den Jean an. Der war aber
gefaßt. Kragen, Rock, Weste, Hemd wurden ihm nur
aufgerissen.
Nun kämpfte er mit freier Brust.
Er packte den Gegner an den Armen. Wie Eisenringe
legte er seine Finger um des Feindes Muskeln.
Er drückte ihm die Arme in die Seiten. Der Italiener
keuchte.
Anfangs leistete er Widerstand. Auf einmal ward
er geringer. Aber der Jean war vorsichtig. Die Kraft
des Gegners konnte ja noch nicht erschöpft sein.
Plötzlich schnellte er denn auch auf, den Jean, den
er siegesgewiß wähnte, zu werfen.
Aber der hatte ihn schon an der Kehle gepackt und
zusammengerissen, daß er sich überschlug.
»Hurra!« schrie's. »Der Jean hot gewunne!«
Der Italiener bäumte sich auf. Der Jean hielt
ihm die Arme bei. Auch jetzt fürchtete er eine List.
Der Italiener warf sich auf die Seite. Er suchte
nach seiner Messertasche.
»Freundchen, Messer nicht!« sagte der Jean.
»Steh doch einer dem Herrn ›Ober‹ bei!« rief's.
»Wenn der Kerl sein Messer erwischt!«
»Nicht helfen, keiner helfen — Kraft gegen Kraft!
So will ich gewinnen!« rief der Jean halb außer
Atem dagegen. Und mit aller Kraft suchte er dem
Gegner den Kopf auf den Boden zu zwingen.
»Er hot gesiegt — gewunne! hoch der Herr ›Ober‹!«
rief's schon.
Da gellte ein Schrei. Er gellte furchtbar durch
Mark und Bein. Ein Menschenschrei — und doch
kaum zu glauben, daß er aus einer Menschenkehle
kommen könnte.
»Ah — hui—u—u—io!«
Das schnitt, das riß, das pfiff, das röchelte. Das
ging durch eine ganze Tonleiter, durch alle Vokale.
Entsetzen machte alle starr.
Der Streit war aus.
Der Jean war rücklings hingeschlagen.
»Schu—u—ffft!« stöhnte er.
Einer der Italiener hatte ihm hinterrücks das
Messer ins Herz gestoßen. Er stöhnte noch einmal —
noch einmal warf er sich auf. Er schnellte hoch.
Schwer und dumpf fiel er nieder.
Dann lag er still, die Arme weit auseinander,
Blut vorm Munde.
Die Italiener waren fort. In der Bestürzung
hatte sich keiner nach ihnen umgesehen, selbst der
Polizeidiener nicht. Unbemerkt hatten sie sich davongemacht.
Welcher hatte gestochen? Der Fiori nicht.
Man stand um den Toten.
Einer bückte sich nieder und legte dem Jean das
Ohr auf die freie Brust. »Er ist tot!« sagte er.
Die Anna saß auf ihrem Platz und weinte.
Sie konnte nichts denken, nichts begreifen.
Der Jean war tot.
Da lag er — nie wieder würde er aufstehen.
Tot, tot!
Sein letztes Hochamt.
Man darf das jetzt von ihm erzählen, wenn er
selbst es auch nie getan hätte. Er ist ja nun schon
beinahe zwei Jahrzehnte tot. Und er war immer so
schweigsam gewesen und sprach gar nie von sich. Es
lag so in seiner Natur. Und es war auch wohl ein
gut Teil Angewöhnung. Er war nie so recht verstanden
worden, nie in seiner engsten Umgebung, und
auch in seiner weiteren nur selten. Bei seinen Freunden
höchstens hat er sich tiefer ausgesprochen. Aber
das waren selbst wieder so stille Leute, und sie sind
ja nun auch alle tot.
Es war in den Jahren der Reaktion nach der
Volkserhebung 1848–1849. Der einzelne war durchaus
unsicher geworden, die Gegensätze der Parteien
waren heftig und wuchsen immer mehr. Die Wühlarbeit
machte stets größere Fortschritte, und ihre Erfolge,
die anfangs noch heimlich waren, traten offen
zutage.
Besonders wer ein Amt hatte, mußte sich hüten.
Nichts unbedacht sagen, nicht immer ehrlich seine Meinung
sagen. Nicht mal eine Meinung haben wollen.
Das war im Amt so verderblich und war so unvereinbar
mit dem Amt, wie das Aufklären und Agitieren
am Wirtstisch. Oder gar im vertrauten Kreise, denn
überall hockten die Heuchler und Horcher, und brühwarm
und gehörig vergröbert kam alles ins Pfarrhaus.
Denn der Pfarrer war der Hüter des zahmen
und unterwürfigen Geistes, der Hüter der Meinungslosigkeit
und der Verdammer der Freiheit. Und die
Falschen und Ohrenbläser, die Locker und Lügner
waren ihm gute Werkzeuge.
Eine Meinung haben und ein Mann sein — ja
oft einen »Kopf« haben und nicht dumm sein, das
hieß frei sein, hieß anrüchig, ja direkt gefährlich sein.
Da red' ich von meinem Heimatdorfe. Es war
der Schullehrer Andreas Krafft, der der Stein des
Anstoßes geworden war. Es wäre schwer zu sagen
gewesen, warum.
Es lag vielleicht im Krafft. Ich stelle mir ihn
vor, wie er über die Straße ging. Ein Schullehrer
vom alten Schlage. Auf den ersten Blick ein Schullehrer.
Aber mehr als das, auf den ersten Blick zu
sehen: eine Persönlichkeit. Einer, der mehr hatte vom
Leben als sein armes Amt. Einer, der ein Leben
gelebt hatte, dem das Leben einen Inhalt gegeben
hatte, und der seinen Idealismus, den alten guten,
hohen, heiligen Idealismus, durch sein Leben trug.
Er leuchtete auf seiner Stirn, er glühte in seinen
Augen. Und mag er uns öde und töricht geworden
sein — wo er uns heute noch so ganz eins mit dem
ganzen Menschen begegnet, ziehen wir den Hut ab.
Der Krafft war nach oben nicht genehm. Er war
gewissermaßen schon prädestiniert dazu. Es lag so
in seiner ganzen Art. Sie machte nicht warm, sie
machte vielleicht scheu, machte einem unbehaglich. Es
war so etwas Starkes, Abwehrendes in ihm, es wurde
oft etwas Herausforderndes, Herrschendes. Man sah's
auf den ersten Blick, man hörte es beim ersten Wort.
Vielleicht ein starkes geistiges Übergewicht. Vielleicht
war's etwas Äußeres nur: der Blick, die Stirn, die
Schädellinie — vielleicht der graue Hambacher Bart,
das lange Haar — vielleicht die Art zu gehen oder
zu sitzen, ja nicht zum wenigsten die Art zuzuhören,
stille zu sein.
Ja, das war's vielleicht beim Krafft, wie still er
war. Und wie ernst immer. Er ging durchs Feld,
immer in den gleichmäßigen breiten Schritten —
»guten Tag, Herr Lehrer!« rief's, er dankte und
schritt weiter. Und wenn er in den Gesangverein
kam — und war der lauteste Lärm im Saale, und
ging die Tür auf und der Krafft trat ein, war's
mäuschenstill. Und alle sahen nach ihm, und alle
hingen an seinem Blick, und es war mehr als Furcht,
es war ein hoher Respekt. Etwas Vornehmes trug
er an sich, trug er überall hin, so einfach er war.
Keiner kam ihm zu nahe, selbst wenn er scherzte. Und
keiner wagte sich so recht aus sich heraus, wenn der
Krafft dabei war. Jede Bemerkung wurde zweimal
bedacht, eh' sie gemacht wurde. Und doch — wer den
Krafft respektierte, und es waren die Besten meines
Dorfes, der hing ihm auch an.
Doch war der Krafft nicht hochmütig. Einige behaupteten
auch das, aber schon die Freunde, die er sich
ausgewählt hatte, bewiesen gegen sie. Die Freunde
waren nicht aus den sogenannten »vornehmen« Kreisen,
nicht »Doktor« und Apotheker, nicht Schullehrer
und Angestellte — es war der Musikant Jakob Veit,
kurz der Veitjakob genannt, der die Violine spielte
auf den Kirchweihen und im Gesangverein den ersten
Tenor sang, war der Botsieben–Hannes, der die Post
hatte von Thurn und Taxis und Musikant war
nebenbei, war der Pankraz Klein, der den zweiten
Baß »hielt« im Gesangverein, war freilich auch der
Rudolf Schwarz, der Bürgermeister, der auch Freimaurer
war, vielleicht auch sonst noch was Geheimnisvolles
und Böses, was den Krafft anzog.
Der Krafft sah aber nicht aufs Äußere und nicht
aufs Böse, er suchte in seinen Freunden eine Ergänzung
zu sich selbst. Oder das nicht einmal, oder
wenigstens nicht so bös egoistisch ausgedrückt — er
suchte gesunden Menschenverstand und ein warmes
Herz, Liebe und Begeisterung. So beim Veitjakob,
dem Musikanten — beim »alten Schwarz« aber war's
oft ein Aufblicken und Bewundern, öfter die freudige
Gewißheit und Dankbarkeit, verstanden zu werden,
angeregt und bestärkt zu werden. Denn der Schwarz
war ein Weltmann. Das Leben hatte ihn nach allen
Richtungen schon umhergeworfen, er hatte sich auf
dem Dorfe vor Jahren festgesetzt, hatte erst eine Wirtschaft
eröffnet, dann eine Branntweinbrennerei und
war dann zum Bürgermeister gewählt worden. Denn
er war reich. Er war aber auch ein heller Kopf. Und
er war auch — ein Demokrat.
Ein Demokrat war der Krafft nun freilich auch.
Er hatte in seiner Jugend das Hambacher Fest mitgemacht
und hatte flüchten müssen: er hatte im »tollen
Jahre« geredet und geschrieben für die Freiheit und
die Verwirklichung der Träume der deutschen Seele.
Aber nun war er still geworden, ganz still. Still
im Kreise seiner zahlreichen Familie, für die er schwer
zu sorgen hatte, still bei seinen Büchern und Noten,
in seinem Schulgarten, den er fleißig bepflanzte. Und
wenn er von seiner Arbeit ausruhte, saß er unter
dem hohen Efeu an der alten Schloßmauer und paffte
aus seiner Pfeife. Und alte Träume und alte Lieder
wurden in ihm wach, er lächelte des Vergangenen und
leid ward ihm um all das, was unerfüllt blieb —
aber er blieb still. Ja, ganz still war der Andreas
Krafft. Er hatte sich vom Leben zurückgezogen, er
hatte seinen Kreis verengert, und was er von dem
Draußen dabei verloren hatte, das suchte er sich zu
ersetzen durch die innigere Beschäftigung mit dem,
was ihm lieb war.
So hatte seine Persönlichkeit ihre Gewichtigkeit
und Schwere bekommen, und auch eine Ruhe war ihm
geworden, und Kampf und Leid waren nicht verloren.
Und so wurde der Krafft auch nicht zur Maschine,
trotz der gleichmäßig schweren Tätigkeit, die er entfalten
mußte. Er fand sich überall einen Punkt,
von dem aus betrachtet alles einen eigenen Wert und
Ansehen erhielt, von dem aus trotz aller Anstrengung
und Überwindung der Krafft noch Werte für seinen
inneren Menschen herausschlug, so daß er sich seine
Freudigkeit bewahren konnte. Warm fühlte er sich
von ihr durchströmt, wenn er seinen Gesangverein
übte, wenn er ein Lied oder ein Präludium für die
Orgel einrichtete, und ganz besonders, wenn er an
der Orgel saß und die Töne ihm die Sprache seines
Herzens wurden, in der sich das letzte sagen ließ, was
sein Herz verborgen hielt.
Und nun war plötzlich die Hetze gegen ihn losgegangen.
Es war fast über Nacht gekommen. Der
eigentliche Anlaß wäre schwer zu finden gewesen. Der
Anlässe und Gründe wußte man viele anzugeben.
Kraffts politische Vergangenheit, seine geistige Selbständigkeit,
sein Übergewicht, die Sicherheit und Reinheit
seiner Persönlichkeit, ja gerade das mochte vielen
ein Dorn sein. Auf einmal fand man ihn kirchlich
zu lax, man fand bald, daß er kirchenfeindlich sei.
Man gab hundert heimliche Anlässe zum Streit, tausend
heimliche Stiche. Aber der Krafft stand über
der Kleinlichkeit der Menschen, er blieb ruhig. Da
riß die Geduld. Man ging im Amt gegen ihn vor.
Man schikanierte ihn, man tadelte, rügte, drohte. Da
stand der Krafft seinen Mann, er verteidigte sich.
In seinem Amt ließ er sich nicht antasten. Er hatte
allzeit seine Pflicht getan, er hatte sich nichts vorzuwerfen
— keiner sollte ihm etwas vorwerfen dürfen.
Da war die Flamme aufgeschlagen. Das Dorf
war plötzlich in zwei Lager geteilt: hie Pfarrer! hie
Lehrer! Und eigentlich hatte der Krafft gar nichts
dazu getan. Er hatte seine Angelegenheit allein vertreten,
fest und still, wie es seine Art war. Niemandes
Hilfe hatte er angerufen, niemandes Beistand erbettelt.
Nur einmal hatte er in der Erregung das Zeugnis
seiner Schulkinder gefordert. Sonst war er passiv
geblieben. Er glaubte an sein gutes Recht und seinen
Sieg.
Aber Beichtstuhl und Kanzel hatten gute Arbeit
getan und taten sie weiter. Die Gemeinde blieb in
zwei Parteien gespalten. Und heiß war der Kampf.
Auf den Straßen, in den Wirtshäusern begann er,
in den Familien setzte er sich fort, und sogar die
Jugend beteiligte sich daran.
Kraffts Partei war eigentlich ohne Führer, denn
der Andreas Krafft wollte nichts mit dem Zwist zu
tun haben. Er ermahnte immer zur Ruhe und ihn
allein zu lassen. Aber die Fanatiker und Herausforderer
der Gegenpartei ruhten nicht. Und der Streit
spann sich immer weiter. Er wurde dann auch noch
bei der Behörde gegen Krafft benutzt, dem alle Schuld
zugeschoben wurde, und eines Samstags, da er gerade
unterrichtete, wurde ihm sein Absetzungsdekret zur
Unterschrift vorgelegt. Es riß ihn hin, es seinen
Schülern vorzulesen. Dann unterschrieb er's und
ging.
Die Gesangstunde für den Abend sagte er ab, er
fürchtete einen heftigen Ausbruch von Streitigkeiten
im Vereinslokal oder auf der Straße, wenn er sich
jetzt zeigen würde. Und er fürchtete auch, sich nicht
halten zu können und in der Erregung ein unbedachtes
Wort zu reden, wenn er herausgefordert würde. Am
Nachmittag kam noch einmal ein amtliches Schreiben.
Es war vom Pfarrer, »daß er gehalten sei, die Orgel
bis zum Eintreffen seines Nachfolgers zu spielen.«
Diesen Sonntag
wollte
der Krafft noch einmal
spielen, aber es sollte zum letztenmal sein. Er hatte
sich's fest vorgenommen: Es sollte sein Abschied von
der Orgel sein.
Am Sonntagmorgen, als es anfing »zusammenzuläuten«,
ging der Krafft in seiner gewohnten Weise
nach der Kirche. Er ließ sich vom Glöckner die Weisungen
des Pfarrers holen, dann schritt er langsam
die Treppe zur Empore hinauf. Als sein grauer Kopf
sichtbar wurde, sah man von allen Seiten nach ihm.
Auf allen Gesichtern lag ein tiefer Ernst. Der grimmigste
Feind hätte jetzt im Gefühl seines Sieges nicht
lächeln können. So ernst Kraffts Gesichtszüge waren,
so ruhig und fast klar waren sie doch auch, denn nichts
Bitteres sprach in ihm. So sah er fast feierlich aus,
und allen war es feierlich bei seinem Anblick. Als
ob jeder fühlte, daß da einer zwischen ihnen gehe, der
ein Schicksal auf seinen Schultern trage. Es mochte
manchem sein, als ob dies Haar, das in diesen schweren
Tagen fast schlohweiß geworden war, mehr fordere
als nur die Ehrfurcht vor dem Alter. Und manchem
mochte auch das Herz bange geworden sein im Gedanken
an des alten Lehrers Zukunft, und er mochte
sich in diesem Augenblick seiner eigenen Schuld erinnern,
die er selbst an dem Unglück des Lehrers
trug, dem er doch nur hätte dankbar sein müssen.
Einem oder dem anderen gar mochte es aufgehen,
daß es etwas Gebietendes, Großes und Erhebendes
sein müsse, so fest und sicher dahinzugehen, sich aufrecht
zu halten und kein Mitleid zu fordern, wenn
ein großes Leid die Seele beschwert, ein Wirken, eine
Zukunft, eine Existenz zertrümmert liegt.
Alle waren ergriffen, jedem schlug das Herz höher.
Das Schicksal erzwang sich Achtung, sein Anblick
mahnte zur Einkehr. Der Krafft hatte jetzt die Orgel
aufgeschlossen und die Noten aufgestellt. Dann setzte
er sich auf den Orgelbock. Er wartete, bis der Priester
aus der Sakristei trat.
Ernst und feierlich spielte er das Präludium, ernst
und einfach begleitete er den Gesang des Volkes und
des Priesters, schlicht und unverschnörkelt präludierte
er und spielte die Zwischenstücke ohne viel Stimmenaufwand.
Durch nichts Äußerliches verriet sich die Bewegung
seines Herzens, und sie niemand auch nur im leisesten
zu künden, befleißigte sich Krafft der größten Strenge
und bewahrte sie während des ganzen Gottesdienstes
im begleitenden und füllenden Spiele.
Der Pfarrer hatte die Predigt ausfallen lassen.
Der Krafft war froh darüber. Er hätte ihm heute
nicht zuhören können. Er war froh, an seiner Orgel
sitzen bleiben zu können. Zu spielen, zu vergessen. So
wichtig waren ihm sonst die einzelnen Akkorde nie
gewesen. Sie flossen ihm nicht zu — er wählte streng
und vorsichtig aus, alles Prunkende vermeidend. Er
war schwer und ernst gestimmt. Er spielte nicht nur
vor dem Gotte, dem der Priester opferte, den die
Gemeinde anbetete — groß und streng sah er sein
Schicksal vor sich. Er spielte vor seinem Schicksal.
Und er wollte nicht klein sein vor ihm.
Als sei es sein Richter, war ihm, als wäge es
nun, ob er zu leicht sei und schwach, oder wert, die
Schwere seiner Last zu tragen und seinen Arm zu
fühlen, der wie aus einer Ferne, einer Höhe, einer
Ewigkeit herüberreichte.
Gut und groß ward der Krafft vor seinem Blick.
Er hatte alle Kränkungen und Beleidigungen vergessen,
er stand über dem Augenblick, der so schwer
war, und es war ihm, als weihe er sich jetzt, sein
Verhängnis zu tragen. Er fühlte sich so außerhalb
der Menschen, außerhalb ihres Kreises gesetzt. Er
fühlte sich ganz allein. Und er gab sich für das
geringste, was er tat, tief und streng Rechenschaft.
So weihevoll gestimmt, wählte er die Akkorde aus.
Dann war das Ite missa est gekommen, — und
Krafft atmete tief auf. Der Gottesdienst war zu Ende.
Und jetzt dachte der Krafft an den Abschied, an
den Abschied von seiner Orgel, die er die langen
Jahre gespielt, der er das verborgenste seiner Seele
und ein ganzes Leben anvertraut hatte.
Mächtig durchdrang ihn, was die Musik je in
ihm ausgelöst hatte, mächtig packte ihn, was sie ihm
gewesen war. Daß sie ihm mehr war als ein Spiel,
als eine Pflicht, daß sie ein Leben war, das außer
ihm lebte und doch seinen Puls hatte.
Und nun Abschied. Krafft bebte. Der Künstler
in ihm bebte, der vielleicht nie seinen ganzen Ausdruck
hatte finden können, der ihm vielleicht nie klar geworden
war. Der nichts weiter in ihm war als Liebe,
als eine Freudigkeit, ein Vertrauen. Der vielleicht
nie etwas mehr getan hatte, als in Stunden der Ergriffenheit
seine Zuflucht zur Musik zu nehmen, und
das nur in unklarem Trieb, fast mechanisch und unbewußt.
Aber der Krafft wollte es kurz machen. Er wollte
abbrechen und gehen. Er konnte nicht. Es hielt ihn.
Daß er ja zum letztenmal spiele, rief's in ihm,
daß er den Schluß machen müsse zu all dem, was
er die Jahre hier in Tönen gesagt hatte. Daß er
dann erst gehen könne für immer von diesen Tönen,
die sein waren, sein eigen und seines Wesens — und
daß ihr Inhalt dann erst ganz sein könnte, wenn er
seinen letzten Sinn bekäme, den Sinn seines schwersten
Erlebnisses.
Mächtig fühlte Krafft dieses Erlebnis in sich.
Seinen ganzen Schmerz, all das Traurige, all die
schweren Folgen, all das Ungewisse — freilich auch
seinen Mut, seine Kraft, seinen Stolz und seinen
Willen.
Daß er gefallen, fühlte er, aber nicht geschlagen
fühlte er sich. Ja, ihm war, als habe er einen Sieg
errungen.
Ein paar Akkorde hatte der Krafft wie im Traume
gegriffen. Die Rechte war ihm von den Tasten gesunken,
die Linke hielt die Akkorde fest. Ein Postludium
von Bach hatte er fast mechanisch aufgeschlagen.
Eine Fuge, deren Thema er jetzt spielte.
Er machte eine Pause und strich mit der Rechten
über seine Stirn. Eine Strähne war ihm tief ins
Gesicht gefallen.
Sein Schicksal stand nicht mehr vor ihm, es sprach
in ihm. Er spielte. Er wiederholte das Thema.
Zart und feierlich leitete er im oberen Manual ein.
Dann zog er die Koppel. Immer inniger wurde die
Verschlingung, immer mächtiger und sicherer schien
das Thema zu werden, je gewaltiger die Gegensätze
anwuchsen. Und immer wieder und wieder setzte er ein.
Der Krafft hatte die ganze Orgel gezogen. Der
Schluß des Postludiums brauste durch die Kirche.
Die Gläubigen waren auf ihren Plätzen geblieben.
Keiner hätte gehen können. Sie standen und sahen
hinauf zur Empore.
Ein paar Männer waren tiefer ins Schiff gegangen
und standen lauschend, staunend in den Gängen.
Krafft spielte weiter.
Etwas Großes brauste über die Gemeinde hin,
etwas Großes, das kein Wort hat: der Atem einer
Seele, die verhauchen möchte und festgehalten ist.
Keiner mochte wissen, was es war. Aber alle
fühlten, daß es ein Etwas sein müsse, das stärker war
als die Musik, die es trug, stärker als Feier und
Andacht, die dem Gotte gegolten hatte.
Alle standen und lauschten und sahen empor.
Und Krafft spielte noch. Er hatte den Blick von
den Noten abgewandt, er hatte den Kopf vorgebeugt,
das rechte Ohr der Orgel zugewandt. Er lauschte
tief in sein Spiel hinein. Er lauschte auf das letzte,
das er
sich
spiele, das er nicht hinauskündete in die
Welt.
Er hatte alle Register eingeschoben bis auf die
vox humana und einen Baß — und nun schlug er
unisono eine schlichte Folge von Tönen an, hielt jeden
fest und sicher aus und faßte zuletzt einen Akkord,
den er sacht verklingen ließ. Es war wie ein Verbluten,
ein Seufzen. Oder es mochte wie ein Vergeben
und Weinen sein.
Der Pfarrer war aus der Sakristei getreten. Er
stand oben vor dem Marienaltar, deren Kerzen der
Glöckner löschte. Er hatte die Rechte zur Faust geballt
und stützte sie auf die Kommunionbank auf.
Mit flammenden Augen sah er zur Orgel hinauf.
Und er knirschte.
Krafft schloß die Orgel und zog die Schlüssel ab.
Er blickte sich um. Er sah, daß die Leute jetzt erst
ihre Plätze verließen. Es ging ihm auf — sein Spiel
hatte sie festgehalten. Er hatte alles vor allen gesagt,
was sein Herz bewegt hatte. Und alle hatten's verstanden.
Er wurde tief rot. Er strich sich verlegen durchs
Haar. Er schämte sich. Ihm war, als habe er sich
der Menge preisgegeben.
Er war erlegen, er war schwach gewesen.
Er mußte sich stützen — er griff nach dem Orgelbock.
Er griff fehl.
»Herr Lehrer!« klang eine Männerstimme neben
ihm.
Einer seiner Sänger hatte ihn beobachtet und war
auf ihn zugetreten, ihn zu stützen. Der Krafft beherrschte
sich wieder: »Ich danke!« sagte er.
Dann ging er. Er ging ruhig und sicher, wie er
gekommen war. Die Kirche hatte sich geleert. Alle
Kerzen waren gelöscht. Die Kirche lag im Dämmer.
Nur durch ein offenes Fenster floß ein Sonnenstrahl.
Andreas Krafft stand an der Tür. Er wollte sie
aufziehen. Da mußte er sich noch einmal umsehen.
Voll fiel das Sonnenlicht in sein Gesicht. Er senkte
es ein wenig. Da sah er oben den Pfarrer stehen.
Sie standen einander gegenüber, die Gegner, der
leere Raum nur zwischen ihnen.
Wenn sie hätten Freunde werden können, wenn es
gekommen wäre, daß sie Freunde geworden wären?!
Krafft zitterte ein wenig. Dann aber hob er rasch
den Kopf, obgleich das Licht seinen Augen weh tat.
Und rasch ging er.
Auf dem freien Platz, vor der Kirche stand noch
die Menge. Geteilt wie immer: links die Freunde,
rechts die Gegner. Aber alle standen stumm. Aller
Augen waren auf den Alten gerichtet, der jetzt oben
auf der Freitreppe der Kirche stand. Der Krafft hielt
betroffen den Fuß an. Unmerklich reckte er sich auf.
Dann schritt er fest und sicher die Treppe hinab.
Noch einmal hielt er an und nahm die Brille ab.
Er wollte nicht scharf sehen jetzt, er konnte nicht.
Und er wollte auch nicht gerührt werden.
Er ging festen Schrittes zwischen den Reihen hin.
Es schnitt ihm durch die Seele: »Ich bin ein
Gezeichneter.«
Ein Graukopf nahm tief den Hut ab.
Und er blieb stark und ging groß und stolz. Man
hörte nur seinen Tritt — und fast auch den Atem
der Leute.
Cellist Behnke.
Seit vierzehn Tagen studierte das Theaterorchester
des Kapellmeisters neue symphonische Dichtung
»Märchen«. Der gemütliche Kapellmeister Hornbach
brachte die Musiker diesmal fast um. Nichts konnte
ihm recht sein. Ton nicht und Tempo. Er fand
späte Einsätze, falsche Töne, Schwankungen in den
einzelnen Stimmen, die er gewiß sonst übergangen
hätte. Es waren nur sehr geringe Fehler, die immerhin
mal passieren konnten. »Mehr Temperament,
mehr Verve!« rief er ein übers andere Mal. »Mittun,
bitte, nicht so lahm, nicht so hängen lassen.«
Die Musiker schüttelten die Köpfe. Sie taten doch
schon alles mögliche. Aber weil sie Hornbach so lieb
hatten und ihn als Künstler so hoch schätzten, setzten
sie immer wieder froh und frisch die ganze Kraft und
bestes Wollen ein. Hornbach aber schien eine Manie
erfaßt zu haben, abzuklopfen.
Sonntag im Symphoniekonzert sollte die Premiere
sein.
Am Samstag war Hauptprobe.
In den letzten Tagen war der Kapellmeister etwas
milder geworden. So, wie er sonst war. Es ging
flott, daß es eine Freude war. Und wenn er auch
hier und da mal ein Gesicht zog, zuletzt lächelte er
doch.
Fritz Behnke, der Cellist, war diesmal erster. Zum
erstenmal, da der geniale Poppel, der seither als erster
das Cello gespielt hatte, gestorben war.
Hornbach hatte lange gezögert. Im Cello lag ein
großes Solo. Es verlangte einen ganzen Künstler.
Ja, wenn das der Poppel noch streichen könnte. Da
würde es zittern und wieder zittern bis in den letzten
Saalwinkel. Bis in die Fußspitzen würd's prickeln.
Aber der Behnke!?
Er war ja fleißig, äußerst fleißig. Er hatte sich
eine respektable Fertigkeit angeeignet. Wohl. Und
er konnte auch Ton geben. Ja Gott, alles recht brav
und ordentlich, gewissenhaft bis ins einzelnste. Aber
es fehlte doch etwas. Das Individuelle, das persönlich
Tiefe. Behnke war ein brauchbarer, guter Musiker,
aber halt kein Künstler.
Aber es mußte doch sein. Und es ging auch nicht
anders. Er war der älteste. Hornbach wollte ihn
sein Bedenken und Zögern gar nicht merken lassen.
Als er die Stimmen ausgab, sagte er liebenswürdig
leichthin: »Behnke, Sie spielen erster. Seien Sie
brav. Ein Solo, auf das ich alles setze, Behnke.«
Behnke verneigte sich tief, sehr tief. Er war krebsrot
geworden, glücklich, als ob er's große Los gewonnen
hätte.
Nun hatte er den Lohn, den großen Lohn für
seinen Fleiß, seine jahrelange Mühe, sein Streben
und seinen Eifer.
Er sollte das große Solo spielen, auf das der
gute Hornbach »alles setzte«.
»Fritz Behnke, erster Cellist des Hoftheaterorchesters«,
ließ er sich jetzt Visitenkarten drucken.
Er übte halbe Nächte lang. Es war kein Zeichen,
das unbeachtet blieb. Die ganze Stimme stand bald
sauber vor seinem Geiste. Er kannte sie genau auswendig.
Er blätterte sogar im Gedächtnis um. Es
sollte eine Musterleistung geben.
Hornbach lächelte vergnügt in sich hinein. Ein
bißchen spöttisch, aber doch zufrieden. Es ging besser,
als er gedacht hatte.
Und dann der Behnke. Man kannte ja den kleinen
Kerl gar nicht mehr. Er war ordentlich gewachsen.
Der gute Behnke! ... Nur ein bißchen Genialität! ...
— Hauptprobe! Hornbach war in bester Laune.
Behnke war ganz zappelig. Er stimmte schon eine
Viertelstunde lang sein Cello. Immer wieder strich
er und horchte. Das große Solo! — ging's ihm
beständig im Kopfe herum.
Er schmierte den Bogen. Seine Finger trommelten
nervös auf dem Griffbrett.
Er betrachtete sein Cello. Da in der Fuge saß
ein Fleckchen Staub. Er nahm sein sauberes weißes
Taschentuch und wischte ihn aus.
Die zweite Piece war Hornbachs symphonische
Dichtung.
Die Pause war jetzt um. Ganz leise und vorsichtig
rupfte Behnke noch einmal an den Saiten.
Er schüttelte den Kopf.
Aber Hornbach gab schon das Zeichen.
Es durchfuhr alle wie ein elektrischer Strom.
Behnke perlte der Schweiß von der Stirn.
Gar fein bebten die Geigen ... Zitternd jauchzten
die Klarinetten und Flöten. Mächtig schmetterten die
Blechbläser. Voller und voller rauschten die Akkorde.
Das war der Tag, der erwachte.
Behnke hatte bis jetzt nur in der Begleitung zu
spielen. Die Celli schwollen an und sanken wieder
wie leichte Wellen eines Sees.
Und immer höher und mächtiger schwollen die
anderen Stimmen an. Licht und Jubel und Leben ...!
Nun mußte es bald kommen.
Noch einmal riefen die Posaunen wie ein Halleluja!
ins Land hinaus. — Und Flöten und Klarinetten
und Geigen vereinigten sich zu freudiger Antwort.
Dann der große Triller ... und gleich nach dem Nachschlag
kam das große Solo im Cello.
... Und die Lotosfee schwimmt ans Land ... und
die Wasser murmeln ... und die Nixen haschen sich
und neiden die schöne Schwester ... Und aus dem
Dickicht tritt der Ritter mit klingendem Sporn ...
Und kosend und schmeichelnd, verführerisch, in begehrender
Brunst singt die Fee so süß das Lied der
Liebe ...
Behnke schloß die Augen.
Als ob der Genius seine Hand gesegnet habe —
er hatte einen Ton und eine Tiefe, eine Wärme und
einen Schmelz, goldig geradezu. Hornbach lauschte
entzückt. War das der Behnke?!
Die Geigen malten die zitternde Glut ... Aber
alles übersang das Cello.
Der Behnke hatte seine Stunde. Das war der
Behnke nicht. Da war etwas lebendig geworden, das
sonst nicht da war.
Voll setzte das Orchester ein, und der Jubel des
Glückes und Genusses durchbrauste den Saal ...
Da klatschten die Geladenen Beifall.
»Bravo, Behnke!« rief der Theaterdirektor.
Und Hornbach legte den Stab hin. Er lächelte
vergnügt.
»Behnke!« sagte er mit eigener Betonung und
nickte ihm zu. »Famos!« Der arme Behnke aber
wußte sich vor Glück nicht zu fassen und betrachtete
dann sein Instrument.
Die Probe nahm ihren Fortgang. Die große
symphonische Dichtung Hornbachs wurde tapfer bewältigt.
Es mußte einen Erfolg geben.
Ein Meisterwerk, darin waren sich die Kunstverständigen,
die zur Hauptprobe geladen waren, einig.
»Ich danke Ihnen, meine Herren,« schloß Hornbach
die Probe. »Nur morgen so, dann ist's gut.«
Behnke konnte die ganze Nacht kein Auge zutun.
Sein großes Solo! Der Applaus morgen! Die Lorbeerkränze!
Nun war er der erste Künstler in der
Stadt. Dem genialen Poppel, den sie so vergöttert
hatten, gleich.
Der Fürst wird sicher der Premiere beiwohnen.
O, dann das große Solo!
Er wird ihn sicher zum Kammermusiker, vielleicht
zum Professor ernennen. Dann müßte er sich wieder
andere Visitenkarten drucken lassen: —
»Kammermusiker Fritz Behnke, Professor« — oder
vielleicht besser: »Professor Fritz Behnke, Kammermusiker.«
Er entschied sich für diese Fassung.
In Gedanken ging er noch einmal seine ganze
Stimme durch. Jede Note, haarklein. Es wird einen
Triumph geben. Trotz Hornbach.
Ob er wohl gerufen würde?!
Er würde dann einen tiefen Knicks machen und
die Hand aufs Herz legen. Aber wohin mit dem
Cello? Er würde dann rasch den Bogen in die linke
Hand nehmen und den Knicks machen. Das würde
gewiß gut aussehen. Ob's wohl auf dem Zettel stehen
würde, auf dem offiziellen natürlich:
Cello–Solo ..... Herr Fritz Behnke .....
Um fünf Uhr morgens hatte er schon wieder sein
Instrument in der Kur. Er stimmte es nämlich.
Auf einmal mußte sich sein Gehör zehnfach verfeinert
haben. Bis auf die letzten Schwingungen hörte er
genau. Es konnte ihm gar nicht genügen. So —
einigermaßen! — Und er schloß die Augen und spielte
sein Solo. Ganz Gefühl.
Ob er wohl den Tremulant etwas mehr anwenden
sollte? Da lag doch alles Gefühl drin.
Hornbach mochte ja freilich das Tremulieren nicht
so recht leiden. Persönliche Ansichten! Ja, er könnt's
ja auch lassen. Also wie in der Hauptprobe.
Er hatte das Anklopfen wohl überhört. Die
Hauswirtin brachte den offiziellen Zettel.
Da stand's wahrhaftig:
Cello–Solo ........... Herr Fritz Behnke.
Er hüpfte in die Höhe, daß ihm die Pantoffel
von den Füßen flogen. Er hätte laut schreien mögen;
Er hätte das Fenster aufmachen und auf die Straße
rufen mögen:
Cello–Solo ........... Herr Fritz Behnke!
Er tanzte vor Vergnügen in seinem Zimmer herum.
»Ach was!« sagte er dann. »Selbstverständlich!
Man muß ein bißchen blasiert sein, wie alle Genies. —
Der erste Cellist in der Stadt! Weit und breit!«
Dann suchte er die Plätze aus für die Lorbeerkränze.
Einen über den Spiegel, einen über sein
Bild, und da einen über das Bild seiner Eltern.
Er war ein pietätvoller Mensch.
Wenn er jetzt nur eine Braut hätte! Die würde
er mit dem vierten bekränzen. Aber so war er ein
alter Hagestolz. Er würde also seinen Ruhm und
sein Glück allein tragen.
Heute schmeckte ihm nicht Essen und Trinken.
Er hatte nirgends Ruhe. Er konnte den Abend
nicht abwarten.
Als erster kam er ins Theater. Der Dienstmann
stellte sein Cello unsanft hin. Behnke räsonierte gewaltig.
Dann fing er an zu stimmen. Bald kamen die
Kollegen und störten ihn. Das Theater füllte sich.
Bis auf den letzten Platz. Die elektrische Klinge!
ertönte. Da traten die Hofdamen in die Loge. Das
Fürstenpaar folgte nach.
Behnke fühlte unwillkürlich an seine Krawatte,
ob's auch die neue weiße sei, und ob er auch den
Hemdenknopf richtig verdeckt habe.
Hornbach hatte das Zeichen gegeben.
Die Musiker spielten die erste Nummer etwas
zurückhaltend. Man merkte, sie wollten sich nicht ausgeben.
Schumann fand immer Beifall.
Nun aber bei Hornbachs Symphonie! Es war
schon gleich eine Wärme in ihnen, als sie nur die
Notenblätter in die Hand nahmen.
Sie sahen nach Hornbach. Der schien ganz ruhig.
Er strich nur ein paarmal über seinen Schnurrbart.
Ob das nervös war?
Behnke zitterte wie Espenlaub. Es hatte ihn plötzlich
eine Angst überlaufen. Wenn er sich verpassen
würde! Fehlgreifen? Nein, bei Gott, das war ausgeschlossen.
Wenn er nur auch im Tempo nichts verfehlen
würde! Um Gottes willen keine Saite reißen
würde! Er sah sie sich noch einmal an. Alles in
Ordnung.
Aber er litt jetzt doch sehr. Wenn nur Hornbach
anfangen wollte!
Jetzt klopfte er.
Und wie gestern, wärmer noch, voller, reicher. Bis
ins einzelne klappte es, bis aufs Tremolo der Pauke.
Haarscharf. Hornbach hatte sein Orchester ganz in
der Gewalt.
Man hörte ordentlich das Feuer der Musiker
heraus.
Nun schwoll der glanzvolle Jubel des neuerwachten
Lebens zu höchster Höhe. Der große Triller ... der
Nachschlag ...
Nun strich Behnke sein Solo.
Er schloß die Augen. Warm und wärmer Ton
um Ton. — Süß schmeichelte die Melodie. Wie aus
einer Jungfrau Kehle — wie aus silberner Quelle.
Die Geigen malten die zitternde Glut ... in
goldigen Tönen sang das Cello ...
Und voll setzte das Orchester ein und schwelgte in
Tönen des Glückes und Genusses.
Da brach der Beifall los — im Parkett, droben
auf der Galerie, in den Logen, und raste durchs
Theater. Der Fürst klatschte Beifall.
Blumen und Kränze flogen nach dem Dirigenten
hin. Der Fürst sandte einen großen Lorbeerkranz.
Behnke zitterte. Er wollte danach greifen. Da hing
ihn der Direktor über Hornbachs Pult.
Behnke wartete noch auf etwas. Er hatte sich
schon ein paarmal verneigt, kaum merklich, als könne
er so den Beifall auf sich ziehen. Er war in äußerster
Erregung. Da kam ein Kranz geflogen, gerade zu
Behnkes Füßen. Schnell stand er auf. —
»Hornbach!« rief's in demselben Augenblick.
Da knickte Behnke zusammen. Es ging ihm ein
Schnitt durchs Herz, es glühte ihm ins Gehirn ...
Hornbach hing liebenswürdig den Kranz über
seines Cellisten Pult. Ja, er sollte ihm gehören.
Aber Behnke lächelte nur stumpf.
Das Solo mußte wiederholt werden.
»Noch einmal also, lieber Behnke, bitte,« sagte der
Kapellmeister. »Noch einmal so.« Und er hob den
Stab.
Behnke spielte. Mit der gleichen Fertigkeit wohl,
aber es klang tot. Die zitternden Geigen deckten das
Cello.
Die symphonische Dichtung Hornbachs hatte rauschenden
Erfolg errungen. Der Komponist feierte
höchste Triumphe.
Gebrochen schlich Fritz Behnke heim.
Kaum daß er sein Zimmer erreichen konnte. Fieber
schüttelte ihn.
Als die Zeitungen reiches Lob für sein treffliches
Spiel brachten, lag er sterbenskrank.
Der Fürst ernannte ihn zum Kammermusiker.
Als er's hörte, lächelte er.
Behnke wurde nicht wieder ganz gesund. Vom
Nervenfieber genesen, mußte er pensioniert werden. —
Hochsommerglück.
Da hinter den Bergen reckte sich schon der Tag.
Die Sonne riß mit ihren glühenden Fingern heftig
an der grauen Wolkenwand, ohne sie niederreißen zu
können. Nur obenauf legte sich ein schmales, rotglänzendes
Streifchen, der allererste Schimmer Morgenrot.
Es war noch sehr früh.
Im weiten Felde war es noch still. Hier und da
ein leiser Vogelweckruf, kurz hervorgestoßen. Und dazwischen
auch mal ein kleiner Lerchentriller. Wie zur
Probe, ob's noch ginge, so kurz abgebrochen.
Nur der Kaspar und die Lene standen schon im
reifen Roggenfeld. Ihr Herr, der allerfrüheste im
Dorf, hatte sie schon herausgeschickt, als es noch dunkel
war. Er wollte was getan haben für sein gutes Geld.
Kaum die Bettruhe ließ er den Leuten.
So waren sie die einzigen im weiten Feld.
Die beiden murrten darüber nicht. Sie waren
jung und schafften gern. Und übrigens waren sie das
Frühaufstehen gewöhnt.
Der Kaspar trug das Frühstück und den Weinkrug
tief in den Kleeacker nebenan und ging dann
zur Lene zurück. Er guckte sich ein paarmal in der
Runde um und sagte kurz: »'s wird heiß heut, Lene.«
Dann zog er sein Wams aus, schürzte die Hemdärmel
auf, schob den Hut in die Anke, und nachdem er den
Wetzstein einigemal hin und her durch den feuchten
Klee gestrichen hatte, wetzte er flott die Sense. Wie
das in die Morgenfrühe klang! Der Kaspar hatte
selbst seine Freude dran, und er schlug ein paar kurze
Schläge wie einen Wirbel. —
Die Lene aber guckte ihm zu und freute sich. Ihre
Augen glänzten und ihr Mund lachte. Sie hatte
unterdessen ihre Jacke ausgezogen und ihr frischgewaschenes
Kopftuch um den Kopf gebunden. Dann
streifte sie noch ihren Oberrock ab und stand nun zur
Arbeit bereit.
»Also!« kommandierte der Kaspar, und die Sense
schnitt in weitem Bogen durchs Korn.
Es »schutzte« in der Frühe. Die Lene konnte
kaum die Schwaden alle legen und hinter dem Kaspar
her sein, so rasch ließ er die Sense fliegen.
Und so Reihe um Reihe — ein kurzes Zittern und
Zucken — und die reifen Halme lagen am Boden.
Und die Lene hob die Mahden mit ihrer Sichel vorsichtig
auf, teilte sie gleichmäßig ab und trug sie
in gleichen Abständen zu schwach gebogenen, hübsch
parallelen Reihen auf. Denn man sollte sehen, wer
hier gearbeitet hatte.
Wie der Kaspar so die Lene: sie waren beide
tüchtig und verstanden ihre Arbeit aus dem ff. Darauf
waren sie aber auch nicht wenig stolz.
Und mählich war der Tag erwacht. Im Wiesental
drunten flogen die weißen Nebel scheu hin. Die
Lerchen jubelten der sieghaften Sonne entgegen, die
die Wolkenmauer tief weit dahinten in die Ecke geschoben
hatte. Einzelne Menschen bewegten sich schon
auf den Pfaden und Feldwegen, Schnitter und Schnitterinnen,
Bauersleute mit Rechen und Hacken. Aber
noch kein Fuhrwerk freilich.
Im Dorfe drunten läutete es jetzt zu Tag. Süßfeierlich
klang die Frühglocke. Lange, lange Töne,
über Tal und Hügel, sanft wie Flehen; kein hartes
Rufen, weiche, in der Ferne sacht verzitternde Schwingungen.
Der Kaspar hielt plötzlich den Atem an — eben
hatte er das Läuten erst gemerkt.
»Lene, der Tag läut' an!« sagte er, stellte die
Sense auf und nahm den Hut ab. Er faltete die
Hände. Und auch die Lene, die Sichel in der Hand
behaltend, schlug, so gut's ihr gelingen wollte, die
Finger ineinander.
Und ein paar Augenblicke Stille und Ausruhen.
Die beiden sahen zu Boden und bewegten die Lippen.
Um sie und über ihnen die verzitternden Glockenklänge,
auf ihrer Stirn der sanfte Glanz der Morgensonne.
Ein Moment des Friedens und der Andacht.
Wo sich's anderen von der Brust gelöst hätte,
einer schweren Last frei, in einem hellen Jubel —
ein Umfangen mit brünstigen Armen, ein Einsaugen
in gierigen Zügen, da hatten sie nur ein mechanisches
Murmeln, ihnen seltsam dünkender, tiefer Worte.
Und doch fühlten sie etwas von der großen, heiligen
Schönheit, ein Etwas, das sie bezwang und erhob
und sich in sie ergoß, so klar und mild und rein, daß
ein Glanz sie erfüllte und ein wunschloser Friede, dem
sie Ausdruck gaben in ihrem unverstandenen Gebet,
weil sie nicht eigne Worte hatten.
Einen Augenblick lang, und die Sense rauschte
wieder durch die Halme. Und immer so.
Schritt um Schritt ging der Kaspar vor. Selten
ruhte er. Nur manchmal wetzte er die Sense, oder
er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Es war
nämlich schon gehörig warm geworden. Aber es gab
noch kein Ruhen; dafür war das Stück, das sie gearbeitet
hatten, noch nicht groß genug. An ihrer
Arbeit lasen sie die Zeit ab.
Endlich hielt der Kaspar einmal länger an. Er
sah sich um und schätzte ab, was sie hinter sich hatten,
um dann kurz zu sagen: »Lene, wollen Frühstück
machen!«
Der Kaspar ging ein paar Schritte in den Kleeacker
hinein und holte Frühstück und Weinkrug. Dann
setzten sich die beiden nebeneinander in die Furche,
und der Kaspar schnitt das Brot vor und teilte den
Käse aus. Sie aßen tüchtig.
Nach einer Weile entkorkte der Kaspar den Krug
und hielt ihn der Lene hin. »Da trink, Lene!«
Die Lene setzte ihn an die Lippen und sog tief.
Dann reichte sie den Krug zurück.
Und der Kaspar setzte ihn an. Ihm war's, als
fühle er noch eine Wärme am Munde des Kruges.
Und er behielt ihn lang an den Lippen. Auch noch,
als er schon getrunken hatte.
Sie aßen weiter.
Der Kaspar war dicht an die Lene herangerückt.
Ihre nackten Arme berührten sich.
Der Kaspar sah die Brüste der Lene, die nur von
dem groben weißen Leinenhemde lose bedeckt, sich sanft
mit dem Atem bewegten.
Und es stieg ihm heiß zu Kopfe.
Ihm war's, als müsse er die Lene umfassen. Fest
und innig. Und an sich drücken mit all seiner Kraft.
Ihre Brust an seiner Brust.
Er rückte dichter an sie heran. Ganz unauffällig.
Aber er durfte nicht mehr zu ihr hinübersehen.
Das fühlte er in sich. Er durfte nicht mehr. Er
hätte sonst die Lene unbedingt umfaßt.
Wie köstlich war's, ihren weichen, warmen Arm
zu fühlen. Wohlig und wonnig. Und die Erregung
bohrte sich immer tiefer in ihn hinein und jagte sein
Blut, daß ihm fast wirbelte.
Aber er meisterte sich. Er aß hastig. Und öfter
reichte er der Lene den Weinkrug, ohne sie anzusehen.
Und wohlig fühlte er jedesmal die Wärme ihrer
Lippen noch.
Sie hatten gefrühstückt —
In ihm sang's, die süße Lust auszukosten.
Er wollte die Arbeit wieder aufnehmen.
In ihm drängte es zu bleiben —
Er schwankte. Nein. Und er sprang auf und
nahm seine Sense.
Er arbeitete jetzt mit Hast. Die Lene merkte es
gleich. Er würde sich bald die Hörner abgelaufen
haben. Aber der Kaspar hielt's aus. Bewundernd
sah ihm die Lene zu, und sie blickte nun gern und
öfter zu ihm auf und hatte Gefallen und Freude an
seiner kräftigen Gestalt, seinen braunen Armen, den
dicken, festen Muskeln.
Dem Kaspar war's heiß. Aber er setzte nicht aus.
Ihm kam alles so verändert vor. Alles, alles,
rund um ihn. Er wußte selbst nicht wie. Er arbeitete
nur so nebenbei. Die Hauptsache war ihm die Lene.
Immer die Lene. Er mußte fortwährend an sie
denken. An ihre Arme, ihre Brüste. Wie sie frei im
Hemde lagen. Wie sie sich bewegen würden, mußte
er sich vorstellen, wenn sie sich bückte, wenn sie die
Garben aufnahm, wenn sie sie wieder hinlegte. Und
von Zeit zu Zeit mußte er mal so halb rückwärts zu
ihr blinzeln. Auf einen Moment trafen sich ihre
Augen, wenn die Lene zu ihm sah.
Er wußte jetzt auch, was die Lene für Augen hatte:
große dunkle. Früher hatte er das gar nicht gesehen.
Überhaupt fühlte sich der Kaspar jetzt ganz anders.
Es war ein Glücksgefühl in ihm, eine Kraft, ein Mut
und eine Heiterkeit! Er hätte jetzt alles fertig bringen
können, das Allerschwerste.
Der Kaspar stellte die Sense auf und wetzte sie.
Wie
er sie wetzte! Das klang lustig wie ein Werben.
Er wollte auch mal der Lene eins zeigen. Und der Wetzstein
sprang über den Stahl in leichtem, lustigem Spiel.
Kling — kling, kling, ling klang — —
Von Zeit zu Zeit mußte er jetzt doch einen kurzen
Moment einhalten. Er war wie betäubt.
Lene! — wollte er rufen — aber die Kehle war
ihm wie zugeschnürt.
Es verließ ihn nicht. Lene, Lene. — Und ihr
ganzes Bild ... Vor ihm, um ihn, überall ... Und
Lene, Lene — aus dem Rauschen der Halm, dem
Klingen der Sense.
Und jetzt hörte er auch die Vögel singen, was er
vorher gar nicht bemerkt hatte. Und Lene, Lene,
sang's, und Lene, Lene — auf sie bezog er alles.
Für sie arbeitete er nur. Er wollte ihr seine Kraft
zeigen. Sie sollte noch keinen so gesehen haben. —
Und sie hatte auch noch keinen so gesehen!
Oder wen denn? Im ganzen Dorf war keiner so.
Wie er, wie er — und kräftiger warf er die Sense
aus, weiter führte er den Bogen.
Die Lene kam ihm kaum nach. Ja, sogar die
kräftige Lene nicht. Sie schnaufte ordentlich, das
freute ihn.
Die Lene aber sah zu ihm und wußte nicht, was
sie davon halten sollte. Sie mußte ihn nur bewundern.
Solche Kraft hatte doch keiner mehr. Wie der
Kaspar! der Kaspar! Sie bekam einen großen Respekt
vor seiner Kraft. Und sie mußte immer wieder zu
ihm hinsehen.
Einmal konnte sie sich nicht mehr halten. »Kaspar,
so geht's nicht mehr. Langsam, ich komm' nicht mit.«
Da stellte der Kaspar die Sense auf und lachte
sie an. Das war ein Triumph! Und er lachte erst
kichernd mit blinkenden Zähnen, dann packte ihn mächtig
die Freude über seinen Erfolg, und er lachte unbändig,
daß die Lene ganz rot wurde.
So gefiel sie ihm noch viel besser, er wußte selbst
nicht warum.
Und von neuem ging's an die Arbeit. Und wieder
wie vorher die Lene, immer die Lene, die Lene. —
Es kam ihm jetzt auf einmal wie ein Ärger darüber.
Er wollte sich's aus dem Kopfe schlagen. Aber
's ging nicht.
Dann gefiel's ihm. Es war ihm so wohl dabei.
Und wieder packte es ihn, einzuhalten und herumzusehen
und so laut und jubelnd und jauchzend er konnte,
Lene! Lene!! Lene!!! zu rufen.
Aber er tat's nicht. Dann fühlte er, wie's ihm
zu Kopfe stieg, siedend heiß, und wie sein Herz hoch
schlug. Da schämte er sich. Und er mähte kräftig weiter.
Ja, auf die Dauer wurd's ihm doch zur Qual,
was ihm da mit der Lene in den Kopf geschossen
war — und doch war's ihm lieb.
Hinter dem Kaspar her schaffte immer tapfer die
Lene. Wenn sie auch mal zu ihm hinäugte, sie hielt
sich doch nicht weiter dabei auf. Aber sie bewunderte
den Kaspar und hielt ihn für den stärksten Kerl, den
sie kannte. Auch für den besten und trefflichsten.
Was nur mit ihm los war!
Wenn sie merkte, wie er etwas sagen wollte, fragte
sie jedesmal: Was? Aber er schüttelte nur den Kopf.
Etwas war, das war ihr sicher.
Und auch mit ihr war eine Veränderung vorgegangen.
Was ging sie der Kaspar an! der war
heut ein Schaffnarr! Einfältig, sie so ins Keuchen
zu bringen! —
Aber sie konnte ihm doch nicht böse sein. Nein,
er war doch — ja, er war doch ein Prachtkerl. Immer
mußte sie zu ihm sehen, immer stak ihr nur der Kaspar
im Kopf. Es ärgerte sie halb, halb war's ihr recht.
Aber — äh brr! — was ging sie der Kaspar an!
Und sie schlug in Gedanken ein Schnippchen. —
Mittlerweile hatte ein Bube das Mittagessen herausgebracht.
Der Kaspar hörte auch endlich mit seiner wilden
Mäherei auf und sagte wieder kurz: »Lene, wollen
Mittag machen.« Aber es war etwas Unsicheres in
seiner Stimme; er keuchte es mehr als er's sagte.
Die Lene wurde ganz verwirrt davon.
Die beiden setzten sich jetzt wieder in die Furche,
ihre Mittagsmahlzeit zu halten, diesmal aber war's
ein gut Stück weiter im Feld drin.
Wieder berührten sich die nackten Arme. Eines
fühlte die Wärme vom andern. Und beide rückten
sie dicht zueinander, unwillkürlich mehr. In beiden
war etwas, was sie zueinander drängte.
Der Kaspar ließ die Lene wieder zuerst aus dem
Weinkrug trinken und warf ihr einen eigentümlichen,
verschlingenden Blick zu, als er ihr den Krug abnahm.
Und nun schoß es ihm wie Feuer durchs Blut und
stieg ihm glühend zu Kopfe, da er wieder die Wärme
von ihren Lippen spürte. Er schmeckte den Wein nicht,
er berauschte sich nur an dieser milden Wärme, die
sich ihm so zart wie Flaum auf den Mund legte.
Er zitterte vor Erregung.
Sie waren fertig und saßen noch eine Weile beieinander.
»Kaspar!« sagte die Lene, denn ihr war's, als
müsse sie etwas sagen.
»Was?« fragte er. Aber die Lene wußte nichts
weiter zu sagen.
Eine Weile saßen sie wieder stumm. Dem Kaspar
war's als fühle er einen leisen, ganz leisen Druck
am Arme.
»Lene!« sagte er da, und die Lene fragte: »Was?«
— aber jetzt wußte der Kaspar nichts weiter zu sagen.
Ein eigentümlicher Bann lag über beiden. Sie
hatten das Gefühl, sich etwas sagen zu müssen, waren
sich aber nicht klar darüber. Beiden war das so seltsam
genierlich, und doch zugleich so beseligend.
Von der Welt beachteten sie nichts. Sie waren
allein. Sie wurden sich ihrer selbst nur in bezug
aufeinander bewußt, das Sein und Leben des einen
erwuchs aus dem des anderen. Der Kaspar dachte
nur an die Lene — und die Lene mußte nur an ihn
denken, als ob er sie dazu gezwungen hätte. Und wie
ein förmlicher Zwang war's auch über sie gekommen.
Die Grillen zirpten, die Lerchen trillerten. —
Die Sonne brannte glühend, und Insekten umflogen
und belästigten sie. Aber sie merkten nichts
davon, sie starrten vor sich hin und wagten nicht einander
anzusehen.
Noch einmal reichte der Kaspar der Lene den
Weinkrug.
Und diesmal konnte er nicht anders, er mußte sie
voll ansehen. Ein heftiges Zittern überlief ihn.
Das war die Lene!
Das!!
Wie ihr der Wein durch die Kehle rann, und wie sich
ihre Brust hob und senkte! Diese starke, volle Brust!
Sie gab ihm den Krug zurück und lachte ihn herzig an.
Er warf ihn in den Klee — und frei war er von
allem Banne! Er umfaßte Lene mit starken Armen.
Lene! — erst kam's heiß und keuchend aus der
tiefen Brust. Lene! und jetzt frei und jubelnd.
Lene! Lene!!
Er hob sie empor und drückte sie an sich. Und sie
lachte und zeigte ihm dabei ihre gesunden, kräftigen
Zähne und sah ihm mit leuchtenden stolzen Augen
gerad in die seinen. Etwas verwirrt stammelte sie:
»Aber Kaspar!« schlug dann aber gleich die Arme um
seinen Hals und hielt sich mit aller Kraft fest.
Und der Kaspar hob sie hoch und jauchzte laut.
Er trug sie tiefer in den Klee hinein, tanzend, wie
im Rausche. Seine Augen glühten, seine Zähne bissen
sich in ihre Lippen.
Zart legte er sie nieder, wie ein Kind die Puppe.
Die Lene aber hielt ihn fest und zog ihn zu sich
herab. Mund an Mund. In den Augen der Lene
spielte es in wechselnden heißen Lichtern. Und sie
umfaßten sich fester. Noch ein ersticktes: Lene! —
und es ward still.
Die Luft flimmerte wie heißer Atem — hoch auf
stieg eine trillernde Lerche. Und der Schöpfer ruhte
und schloß die Augen, denn er wußte, daß alles gut
war in seiner Schöpfung.
Der böse Wunsch.
Er war Schullehrer in einem lumpigen Nest, ganz
hinten im dicksten Odenwald. Da ging er auf in
christlicher Übung der Armut und marterte seine
Nerven in »Berufsfreudigkeit«. So wurde er immer
dürrer und blasser. Böse Menschen sagten, seine Nase
sei schon so eingehutzelt, daß die Brille gar nicht
mehr sitzen bleiben wolle und jede Woche mindestens
ein Millimeterchen abwärts rutsche ...
Es wäre ihm übrigens ein leichtes gewesen, sein
Gelübde der Armut zu brechen, denn bei neunhundert
blanken Mark Gehalt und einer Frau und sechs
Kindern, da läßt sich's doch leben —! Und
wie
leben!
Aber doch deklamierte der arme Schulmeister von
Dingskirchen tagtäglich, wenn er auf der kahlen Höhe
stand, an der großen Eiche, wo die Touristenwege
zusammenlaufen und so viele vornehme Herren aus
den Städten so stolz und wohlgenährt an ihm vorübergingen:
»Ja, wer sich heitigendags zum Schulmaster
versteht, hot vun vornerein des Gelibd der
Aarmut abgeleht.« Wie oft hatte er dies Verschen
drüben in Rheinhessen, im gesegneten Rheinhessen, wo
er seine Jugendzeit verlebt hatte, sagen hören. Damals
lächelte er dazu und wollte dem schalkhaften
Lennig aus Mainz, der das gedichtet hat, nicht glauben.
Damals träumte er von goldnen Zeiten und sah
den Himmel voller Baßgeigen und hörte die Engel,
all die wohlgenährten, pausbackigen Engel ein Tedeum
singen. »Mein Sohn werd Schulmaster,« prahlte sein
Alter. »Des is emol e Kerl, der hot's fauschtedick
hinner de Ohren. Soll mer aach was Rechtes wern
— un wann vun drei Johr de Wein druff geht — —
Schulmaster!«
Dem Schullehrer von Dingskirchen gab's einen
Stich in die Seele, wenn er
daran
dachte. Und
sein Magen knurrte. — Ob er wohl nun nach Hause
trollte, um den Quäler zur Ruhe zu bringen? Auch
im Hungern kriegt man bald einige Übung und erfindet
allerhand dagegen, wenn man das Radikalmittel
nicht anwenden kann ...
So lebte der dürre Schullehrer schon seit Jahren
in seinem lumpigen Nest, ganz hinter der Welt. Und
da hockte er nun fest. Früher hatte er sich ein paarmal
fortgemeldet, an bessere Stellen, gar einmal nach
einer Kreisstadt. Aber es war ihm nie gelungen. Er
wußte eigentlich selbst nicht warum. Seine Pflicht
tat er wie jeder andere. Einen ernstlichen Rüffel hatte
er auch noch nicht bekommen. Auch die schlechtesten
Zeugnisse hatte er nicht gerade. Aber es gelang ihm
doch nie. Es war halt immer so eine Sache, wenn
seine Meldung aus dem armseligen Nest kam. Bald
gab er das Melden auf und sagte sich in frommer
Resignation: Ich habe halt kein Glück. Und dann
kam er in die Jahre, wo so ein einfaches Gemüt sein
Heim und seinen Halt sucht. Er kam sich unter den
seßhaften Odenwälder Bauern wie ein Vagabund vor,
der immer herumfliegt. Dem wollte er ein Ende
machen. Und er heiratete. Eine dralle Bauerndirne
aus dem Dorf, die gescheitste nicht und die dümmste
nicht, auch nicht die ärmste, aber auch nicht die reichste.
Reiche waren überhaupt keine da.
So hatte denn der Schulmeister auch seinen Halt
und sein Heim. Und nun kamen auch bald Kinder
in das Heim. Jedes Jahr eines, und einmal sogar
Zwillinge. Wie die Orgelpfeifen kamen sie. Einige
starben bald. Und als das Kinderkommen endlich anscheinend
aufhörte, waren's gerade sechs. Das Jüngste
war nun
zwei
Jahre. Jetzt war's sicher vorbei ...
Das Jüngste aber war nicht ganz gesund. Die
Schullehrersleute hatten viel Last mit ihm. Doktor–
und Apothekerkosten! Und die Rechnungen fielen immer
gehörig aus. Der Schullehrer hielt etwas auf Ehre.
Lieber litt er Hunger, als daß er die Rechnungen
nicht bezahlte. Und doch galt der Schullehrer von
Dingskirchen bei seiner Behörde und bei seinen Kollegen
als versackt und verkommen. Dem äußeren Schein
nach zu urteilen. Es war gut, daß er da hinten in
Dingskirchen hockte — da hinten, hinter der Welt, wo
er mit den anderen nicht in Berührung kam. Sie
mieden ihn übrigens geflissentlich. Das wußte der
Schullehrer, und das nagte auch noch in seiner Seele.
Denn eigentlich war er nicht verkommen ...
Der Schullehrer kam müd und matt von seinem
Spaziergange am Abend heim. Frau Grete hatte
schon das Essen aufgetragen: Gesottene Kartoffeln und
Schmierkäse. Die fünf »Freßsäcke«, wie die Mutter
die Kinder gelegentlich nannte, saßen schon um den
Tisch und erwarteten den Vater.
Er legte seinen Rock ab, hängte den Hut vorsichtig
an den Haken und sagte dann zum Ältesten: »Beten,
Karl!«
Der Junge stellte sich und plapperte das Vaterunser
herunter. Dann wurde gegessen.
»War jemand da?« fragte der Schullehrer seine Frau.
»Em Herr Parre sein Knächt,« lautete die Antwort.
»Und was wollte er?«
»Du müßt morje Mittag um ein Uhr in Heimdingsen
sein, do wär' Leich.«
Dem Schullehrer fiel's zwar ein, daß er da gleich
nach seiner Schule fortspringen müsse, ohne vorher
etwas essen zu können, daß er eine Stunde hin und
eine her auf schlechtem Wege zu gehen habe, daß er
sich in Heimdingsen höchstens ein Käsebrot leisten
könne, des Kostenpunkts wegen, aber er machte nur:
hm, hm. Denn er hatte sich daran gewöhnt, zu allem
nichts anderes mehr zu sagen.
Dann aß er seine Kartoffeln weiter.
Am anderen Tage, gleich nach der Schule, machte
sich der Schullehrer auf nach Heimdingsen. Die Grete
hatte ihm doch ein Stück Brot und Wurst eingewickelt.
Er war ordentlich froh. Wie seine Grete doch so
besorgt war! —
Als die Leiche gehalten war, winkte der Pfarrer
den Schullehrer zu sich.
»Morgen haben Sie Kreisschulkommissionsprüfung,
Herr Lehrer. Ich habe es die ganze Zeit vergessen.
Wird ja wohl nichts zu sagen haben, Ihre
Schule ist ja wohl in Ordnung.«
Dem Schullehrer wurde das Herz schwer. Das
kam zu unverhofft. Daß es der Pfarrer auch vergessen
hatte! —
Er stammelte so etwas wie Dank; und daß es
nicht zu spät sei. Er wußte selber nicht, was er sagte.
Wie immer, wenn's die Schule anging, war er
heftig erregt. Alles wippelte und zappelte in ihm.
Dann eilte er nach Dingskirchen hinunter. Er brauchte
höchstens eine halbe Stunde.
Er lief direkt in die Klasse. Da lag noch ein
Stoß Hefte. Aufsätze, die noch nicht korrigiert waren.
Und ein Stoß Diktate. Er nahm sie unter den Arm,
steckte seine rote Tinte ein und lief nach Hause. Da
fiel ihm ein, daß er in seinen Listen noch etwas nachzutragen
hatte. Er eilte wieder in die Klasse, sah
alles nach, trug ein, legte und rückte dann alles in
Ordnung, nahm ein frisches Stück Kreide, stäubte das
Kruzifix ab, stellte sich dann mitten ins Schulzimmer
und musterte alles.
— In Ordnung — gut so! —
Dann ging er.
Er sprach daheim kein Wort. Sogleich fiel er über
seine Hefte her und arbeitete fieberhaft. Es wollte
ihm ganz schwindlig werden. Aber er bezwang sich.
Ein roter Strich nach dem anderen — da ein Wort
eingeflickt — da einen ganzen Satz ausgestrichen —
dann überblickte er das Ganze noch einmal und schrieb
dann die Note darunter. So bei jedem Heft.
Die Zeit ging weiter, ohne daß er's merkte.
Seine Frau rief zum Nachtessen. Er winkte ab,
ohne aufzusehen.
Seine Frau brachte ein Licht.
Er arbeitete weiter, immer weiter.
Schlag zwölf Uhr war er fertig.
Aber wie war ihm nun. Er spürte in seinem
Kopfe ein Stechen, wie wenn Nadeln darin wären.
Er mußte sich den Kopf halten und drückte ihn. Darauf
wurde es ein bißchen besser.
»Eß noch was!« rief die Grete vom Bett aus.
Aber er konnte vor lauter Aufregung nichts essen.
Er legte sich. Aber an Einschlafen war gar
nicht zu denken. Er war zu aufgeregt. Und alle
Augenblicke schrie das Jüngste. Es war eine harte
Nacht.
Ganz abgespannt stand der Schullehrer bei guter
Zeit auf und trug seine Hefte in die Klasse.
Schlag sieben trat der Schulinspektor mit dem
Ortsschulvorstand ein.
Die Prüfung begann.
Der Schullehrer zitterte am ganzen Leibe.
»Lesen!« befahl der Inspektor.
Das Lesen ging so leidlich. Dem Lehrer wollte
es ein bißchen leichter werden.
»Kopfrechnen!« befahl der Inspektor.
Der Lehrer gab eine Aufgabe. Nach einer Weile
gingen die Finger in die Höhe.
»Wieviel? — Du? — Du? — Du?«
»Falsch!« rief der Lehrer mit seiner dünnen
Stimme nach jeder Antwort.
Er spürte es ganz heiß, daß ihn der Inspektor
scharf ansah.
Die Aufgabe wurde vorgerechnet. Das Resultat
war das der Schüler. Dem Lehrer hämmerte es in
den Schläfen. Er gab eine zweite Aufgabe. Die fiel
ihm schwer; er verschluckte, verbesserte sich, die Aufgabe
war nicht recht klar. Auf den Gesichtern in
der obersten Bank erschien ein Lächeln. Der Lehrer
wiederholte dieselbe Aufgabe noch einmal. Jetzt war's
ihm gelungen.
Es gab verschiedene Antworten. Der Lehrer wurde
ganz verwirrt. Er konnte sich nicht entscheiden.
»Wir wollen die Aufgabe vorrechnen,« stammelte
er.
»Wer hat 253?« fragte der Inspektor.
Die Finger gingen in die Höhe.
»Die haben's recht,« sagte der Inspektor, dann
führte er das Kopfrechnen weiter.
Er machte sich einige Notizen in sein Büchelchen.
Mit dem Lehrer ging alles herum. Er sah alles
grün. Über die Gesichter seiner Schüler ging ein
grüner Schein. Und er hörte ein leises Geflüster und
Gekicher neben sich und hinter sich.
Der Schweiß wurde ihm kalt. Seine Zähne klapperten.
Er fror.
»Geographie, bitte,« sagte der Schulinspektor sehr
freundlich. Er hatte wohl Mitleid mit dem armen,
blassen, zitternden Lehrer.
Als der Inspektor sprach, ging es ihm wie ein
elektrischer Strom durch den Körper. Er rappelte
sich auf und fing an zu prüfen. Aber in seinem
Kopfe war alles verwirrt, alles lag durcheinander.
Ein Name jagte den andern. Und alles waren nur
noch Namen. Er fragte und wußte selbst nicht was.
Er fühlte nur so dunkel, daß alles falsch war. Da
hörte er den Schulinspektor mit der Zunge schnalzen.
Er fühlte es deutlich, jetzt schüttelte er wohl den Kopf.
Aber es mußte, mußte gehen. Er tat noch ein paar
Fragen und verhaspelte sich immer mehr. Die Schüler
lachten hell auf.
Der Inspektor berührte ihn an der Schulter.
»Das ist ja gräßlich, lassen Sie es, bitte.«
»Herr Inspektor — ich — — — —«
»Sie sind wohl unwohl — ich sehe es Ihnen
an — — oder — —?«
»Ach Gott,« seufzte der Lehrer.
Dann besprach sich der Inspektor mit dem Ortsschulvorstand.
Sie betrachteten die Hefte. Der Lehrer
merkte deutlich, der Pfarrer trat für ihn ein. Der
Schulinspektor widersprach. Er erhitzte sich nun
sogar.
Dem Lehrer wurde nun alles gleichgültig.
»Nun denn,« hörte er den Inspektor sagen, »wollen
wir es beschließen. Unter solchen Umständen — —
also,« wandte er sich an den Lehrer, »Schluß für
heute — ich sehe bald wieder nach — unbegreiflich ...
ihr könnt gehen, ihr Kinder.«
Und nach und nach leerte sich das Schulzimmer.
Der Schulinspektor sagte dem Lehrer noch etwas, aber
das hörte er gar nicht. Er war ganz abwesend. Ihm
war, als sei er geköpft worden, oder doch wenigstens,
als sei ihm mit einem schweren Hammer auf den
Kopf geschlagen worden, gerade vorn oben hin, wo die
Stirn anfängt. Denn da spürte er noch den Druck.
Er stand allein in seinem Schulzimmer. Noch
eine kurze Weile nur, und er ging auch.
Wohin er gehen wollte, wußte er selbst nicht. Er
ging nur. Zur Tür hinaus, die Treppe hinunter und
dann die Straße weiter. Er schritt dem Walde zu.
Als ob der Weg ganz eben wäre, so leicht schritt er
die Höhe hinauf. Ziellos ging er weiter. Und endlich
stand er vor der großen Eiche.
Ein scharfer Wind ging da. Er nahm seinen Hut
ab. Die Kühlung tat ihm wohl.
Und er ging weiter. Allmählich verlor sich der
Schmerz in seinem Kopfe, und er fühlte sich kräftiger.
Auch die Erinnerung seines heutigen Erlebnisses
begann sich zu verwischen. Bald war es ihm, als
habe er einen Kater. Nur noch ein schwaches Brummen
im Kopfe. Und nun dachte er an seine Frau
und seine Kinder.
Er trat den Heimweg an.
Er kam gerade recht zum Nachtessen. Die Grete
wußte schon alles; aber sie sagte nichts. Der Pfarrer
hatte es ihr ausdrücklich verboten — ihr Mann sei
überarbeitet, hatte er gesagt. Obgleich sie zuerst darüber
ungläubig gelacht hatte, denn von Überarbeiten
begriff sie nichts, folgte sie doch dem Rate des Pfarrers
und schwieg.
Die Schullehrersleute legten sich früh ins Bett.
Sie hatten ja immer schlechte Nächte mit dem Jüngsten.
Das ließ gar nicht ruhen. Frau Grete, um ihren
Mann nicht zum Legen überreden zu müssen, legte
sich zuerst. Ihr Mann tat ihr alsbald nach. Er
saß noch im Hemd auf der Bettkante und zog seinen
Strumpf aus, als das Jüngste schon anfing zu schreien.
»Ach Gott!« stöhnte die Grete.
»Bsch — wsch — wsch,« sang der Schullehrer.
Aber das Jüngste schrie immer ärger.
Nun sang die Grete:
»Feierche, Feierche brennt —
Mein Kind des friert an de Händ',
Mein Kind des friert am linke Fuß,
Daß des Feierche brenne muß.« ...
Geschrei und Singen dauerten eine Weile. Endlich
hörte der Gesang auf.
»Ach Gott, was en Last, was en Last!« seufzte
die Mutter. Der Vater machte nur »hm, hm«.
»Tag und Nacht kein Ruh,« fuhr die Mutter fort.
»Und das viele Geld, was es kost! Ach Gott, ach
Gott!«
Nun kam wieder eine unheimliche Erregung über
den Schullehrer. Tausenderlei schwirrte ihm durch
den Kopf. Unglück — Krankheit — Brotlosigkeit —
Not — Elend — ohne Stelle — —! Wo das nur
all auf einmal herkam!? Er dachte nun sogar ans
Sterben ...
»So en Last wie mir, so en Last wie mir,« fing
die Grete wieder an. »Des saure Lewe — is denn
beim liebe Herrgott gar kein Erbarmen!«
Das kam mitten in des Schullehrers Gedanken
vom Sterben hinein.
Rasch, ohne daß er's eigentlich merkte, stieg ein
schlimmer Wunsch auf und schlüpfte über seine Lippen:
»Ja, wenn er es zu sich nähme, der liebe Gott —«
Er erschrak heftig, und nun war's ihm, als ob er
erwache — —.
Er lag nun im Bette. In einem fort hörte er wie
drohend den argen Wunsch. Das ließ ihm keine Ruhe.
Das Jüngste war nun still. Die Mutter schlief.
Aber der Vater konnte den Schlaf nicht finden.
Immer und immer wieder der arge Wunsch. Er
stand auf und sah nach seinem Kinde. Es schlief
ruhig. Aber ihm war doch so sonderbar. Es schien
ihm, als sei's noch blasser als sonst, als gehe sein
Atem schneller. Er sah genauer und horchte. — Nein,
doch nicht — beruhigte er sich. Er legte sich wieder.
Das Wort »Erfüllung« ging ihm durch den Sinn.
Eine unheimliche Angst faßte ihn. Er weckte seine
Frau.
»Grete, sieh mal nach dem Kind!«
»Loß mich schlofe,« knurrte die. »Wann mer emol
Ruhe kennt.« Sie schlief schon weiter.
Der Schullehrer stand wieder auf und sah nach
seinem Kinde. Alles wie vorhin. Er legte sich wieder.
Jetzt zitterte er am ganzen Körper. Schweiß trat
auf seine Stirn. Eine Last legte sich auf seine Brust.
Das nahm ihm fast den Atem. Nun wurde es ihm
zum Ersticken heiß. »Erfüllung« — das gespenstische
Wort wieder und wieder.
Er sah eine Gestalt auf sich zukommen, halb
Habicht, halb Mensch. Die Hände waren mächtige
Fänge, die Augen glühten, in dem krummen Schnabel
staken spitze, blutige Zähne. Dieses Untier würgte
alles Leben. Und ein junges, liebes, blasses Kind
spielte da am Wege. Sein Kind. Und der Habichtmensch
griff schon nach ihm ...
Eine stöhnende Angst ... Und das Kind hob das
Auge, sah seinen Vater an, so gehorsam–vorwurfsvoll,
so traurig ... Welch ein Schmerz! — Und er lief
davon, weit fort, über Steine, über Felsen — immer
den Berg hinauf ... Aber es heftete sich etwas an
seine Fersen. Er trat nach hinten ... Er hörte das
Weinen seines Kindes, als habe es den Tritt bekommen
... Aber es hielt ihn fest, fest wie mit einem
scharfen Haken ... Und es lief an ihm hinauf ...
Das Leben war's, das junge Leben, das nicht vergehen
wollte ...
»Du Mörder, du Egoist!« schrie's ihm gellend
ins Ohr.
Nun saß es ihm fest im Genick — und es drückte
seine Nägel in seinen Hals ... Es überlief ihn starr,
kalt ...
»Gleiches Recht — Recht zu leben wie du — oder
Kampf!« schrie's.
Er konnte nur noch stöhnen.
»Kampf! — Kampf!« jubelte es.
Da drückte es ihn nieder, nieder auf einen Felsengrat
über einem dunklen Abgrund. — Er schlug sich
die Schläfe auf — da fühlte er einen schnellen scharfen
Schnitt, noch einen blutigen Riß im Gehirn — —
alles war auseinander ...
»Leben, Leben!« schrie's über ihm. »Triumph!« ...
Da brach er in sich zusammen zu einem morschen
Klumpen ...
— — — — — — — —
»Johann! — Johann!« rief die Grete.
Aber er rührte sich nicht.
Sie schüttelte ihn. Da lallte er etwas und sang:
»Bsch — wsch — wsch — — wsch« und zog's immer
länger.
Die Grete sah ihm in die Augen. Die waren
erloschen, beinahe wie bei einem Toten.
Sie griff sich in die Haare. — —
*
*
*
Draußen rappelte eine Chaise. Der Kreisarzt
fuhr am Hause vorbei. Er war ins Dorf gekommen,
um die Impfung vorzunehmen. Die Grete rief ihn
herein.
Er betrachtete den Schullehrer, fragte ihn dies
und das, konnte aber nichts aus ihm herausbringen.
Dann murmelte er etwas vor sich hin — Nervenschlag!
— Gehirnerweichung? — so etwas murmelte
er ...
Bis Mittag riefen sich die Kinder, die froh waren,
daß sie keine Schule hatten, auf der Straße zu:
»Unser Schullähre is närrischt worn ... ja — er is
närrischt
worn ...«
Die Freite.
Also nun war es wieder November geworden.
Trübe Tage. Der Oktober war noch einmal licht
und freundlich gewesen, und das Land hatte weit
und breit klar gelegen. Nur am Morgen waren die
Nebel aufgezogen, lang und dicht das Selztal hin,
aber bald war die Sonne gekommen und hatte sie
vertrieben. Da hatten sie dann in den Weiden und
Erlen in losen Fetzen geflattert, bis die auch verflogen
waren und nur in den ausgespannten Spinnennetzen
als dünne glitzernde Perlchen eine Spur zurückgelassen
hatten. Es waren so schöne Tage gewesen, die Oktobertage
diesmal, und man hatte noch einmal ans Leben
gedacht, als wär's Sommer, hatte hinaus gedacht zu
den Menschen, ins Weite und Gesellige.
Und nun war's November und trübe, und man
war mit seinem ganzen Sinnen und Sorgen zurückgetrieben
in seine vier Wände, in die Enge, und man
mußte sich einrichten auf den Winter, auf Frost und
Feuchte, auf die lange tote und unliebe Zeit.
Nun blieb die Wiesenmühle ganz abgeschlossen von
der Welt. Niemand mehr, der im Felde arbeitete.
Höchstens vielleicht, wenn es Eis gab, daß die Eismacher
herauskamen. Dann die paar Bauern, die
mahlen ließen. Es waren nicht mehr viel. Die Hauptsache
war schon weggemahlen, das wenige, das noch
in den Scheunen lag, das war nicht mehr der Mühe
wert.
Die Wiesenmühle hatte sehr nachgelassen in den
letzten Jahren. Alles fuhr nach der mittleren Mühle,
die dem Jerrisepp gehörte, weil dahin die neue Chaussee
vorbeiführte und die Bauern bequemer anfahren konnten,
als den holprigen Feldweg zur Wiesenmühle hin.
Der war nun fein heraus, der Jerrisepp. Oben, die
Ecklocher Mühle, hat auch fast gar nichts mehr zu
mahlen, die Kettenmühle hätte auch fast das Rad
abstellen können. Nur noch ein paar alte Kunden
waren ihr treu geblieben, und nur dadurch, daß der
Kettenmüller eine Bäckerei eingerichtet hatte, hatte er
sich über Wasser halten können.
Der Wiesenmüller war keiner von denen, die sich
allzu viel Sorgen machten. Im Gegenteil, er gönnte
es dem Schlauberger Jerrisepp, daß er so viel zu
tun hatte. Er dachte, das würde auch einmal wieder
anders werden, und die vier Mühlen liefen wieder
wie in guten Jahren, da sie Tag und Nacht geklappert
hatten und keiner dem anderen Neid getragen hatte.
Wozu auch neiden! Damit schadet man sich nur selbst
und ändert die Dinge doch nicht.
Vor ein paar Tagen, bei dem hellen Oktoberwetter,
hatte der Wiesenmüller noch gern droben gestanden
am Giebelfenster und hatte über die Wiesen hin hinauf
zum Jerrisepp gesehen, ob noch tüchtig die Kornwagen
bei ihm einfuhren. Und richtig, der ganze Hof
stand ihm noch voll. Aber dann hatte der schöne
Sonnenschein den Blick weiter gelockt, und er hatte
nach dem Dorfe gesehen, wo die Schornsteine rauchten
und woher die Glocken klangen, klar und rein herüber
in den stillen Mühlengrund, in dem die Töne verhallten
wie in einem weiten Dom. Er war nicht
von Sorgen bedrückt. Er und seine Frau, sie hatten
genug zusammengebracht und genug zusammen errungen,
wenn es auch einmal einen Winter lang gar
nichts war, sie verhungerten noch nicht. Was sie zum
Leben brauchten, das wuchs auf ihren Feldern um
die Mühle herum, und was sonst nötig war, das
konnte von den Zinsen bestritten werden, wenn die
Kasse leer wurde. Nein, es war dem Wiesenmüller
leicht und froh sogar ums Herz, wie er da oben stand.
Der Himmel war so klar und rein wie frisch ausgewaschen,
und das Land war so voll von seltenen
Farben, wie man sie sonst im Jahre gar nicht sah,
und die Sonne hatte etwas so Mildes und Zartes,
wie wenn sich eine Mutter über die Wiege von ihrem
Neugeborenen bückt. Er wußte gar nicht, was es war
und wie er es sich klarmachen sollte. Er kannte doch
das Land und hatte es zu den verschiedensten Zeiten
gesehen, aber so schön und anziehend hatte es noch
nie dagelegen, soweit er sich erinnern konnte. Es
lockte ordentlich hinaus, und man konnte sich gar nicht
vorstellen, daß der Winter vor der Tür stünde. Er
dachte daran, daß er am Sonntag einmal mit seiner
Frau und seiner Tochter ins Dorf gehen könnte, den
»Neuen« zu probieren. Ja, das könnte man wirklich
einmal, es war ganz gut, sich von Zeit zu Zeit im
Wirtshaus sehen zu lassen. Sonst wurde man den
Leuten ganz fremd und muffelte sich so in sein Alleinsein
ein, daß kein Mensch mehr etwas mit einem zu
tun haben wollte und die Welt einen gar nicht mehr
verstand. Er summte ein altes Liedchen vor sich hin.
Dann pfiff er. Und weil in der Mühle der Gang
jetzt leer gelaufen war, hallte die Schelle laut zu ihm
herauf, daß er aus seiner Stimmung gerissen wurde
und ein barsches Hallo! hinunterrief. Dann ging er,
aufzuschütten. Aber das behielt er sich, daß er am
Sonntag ins Dorf zum »Neuen« gehen wollte.
Da er aber am Sonntag aufwachte und zum
Fenster hinaussah, war alles in dichten Nebel gehüllt,
daß man keine drei Schritt weit sehen konnte. Und
der Wiesenmüller sagte nichts zu seinen Leuten vom
»Neuen« und behielt seinen Gedanken für sich. Aber
er sagte zu seiner Frau, daß man jetzt an den Winter
denken und sich verwahren müsse.
*
*
*
Richtig, am Montag, in aller Frühe, saß er denn
auch schon auf seiner Scheunentenne am langhalmigen
Stroh und legte sich's zu Schichten und Wulsten,
machte dann eine Strohtür für den Stall, rahmte
Fenster und Haustür mit Strohzöpfen ein, stopfte
sonst noch zu, was die Kälte hereinlassen konnte, die
Keller– und Dachluken, die Löcher in den Stalltüren
und die Tröge des Schweinestalles. Die Wasserpumpe
und die Pfuhlpumpe umwickelte er so geschickt mit den
hellen Strohzöpfen, daß sie ordentlich stolz aussahen
und so recht behaglich in ihren warmen Kleidern dastanden,
wie junge Mädchen, die zum erstenmal die
neuen Wintermäntel anhaben.
Die Müllerin saß indessen drin am wärmenden
Kastenofen und strickte warme Wintersocken und Knie–
und Pulswärmer. Sie stopfte die Fausthandschuhe
Und sah auch die wollene Strumpfkappe des Müllers
nach, ob nicht die Motten Löcher hineingefressen hätten
oder eine Masche aufgegangen war. Es war eine
recht mechanische Arbeit, und sie duselte von Zeit zu
Zeit ein kleines Weilchen drüber ein und nickte ein
Stückelchen herunter. Wenn dann die Schelle am
Mahlgang riß, fuhr sie auf und strickte oder stopfte
hastig weiter und sah sich jedesmal dabei ein wenig
in der Stube um, ob sie niemand beobachtet hatte,
obgleich sie wußte, daß sie allein war.
Nur für die Eve, die einzige Tochter, brachte die
Zeit nichts Neues und keine Veränderung. Sie besorgte
die Arbeit in der Küche, und Sommer wie
Winter wollten die Menschen ihren Tisch gedeckt haben,
und das Vieh wollte sein Futter; Küche und Stube
und Ställe brachten immer die gleiche Arbeit. Nur
die Feldarbeit fiel freilich ein paar Wochen lang weg.
Dafür half sie der Mutter etwas bei ihren Ausbesserungen,
wenn sie mit dem anderen fertig war.
Die Eve tat ihre Arbeit mit Fleiß und Lust. Es
freute sie, etwas hinter sich zu bringen, was es war,
war ihr gleich. Sie wußte, es war auf der Welt
keinem Menschen etwas gespart. Warum sollte es ihr
sein. Und sie schaffte ja auch für sich selbst. Wenn's
für andere Leute wäre, ja dann wär's eher zum
Murren und Überdrüssigwerden, aber so. Sie war
eine vergnügliche Natur, freute sich, mit jemand zu
plaudern, hörte gern Neuigkeiten, fragte gern aus —
was hatte sie denn auch sonst hier draußen in der
Abgelegenheit! — sang gelegentlich ein Liedchen und
lief gern in die Kirche. Sie konnte den Rosenkranz
aus dem »ff« beten. Und das war so bequem. Dabei
konnte sie sich in der Kirche umsehen — links ein
bißchen herausschielen, rechts ein bißchen — und das
Lippenwerk ging immer weiter, und wenn die Kirche
aus war, waren es nur wenige, von denen sie nicht
gewußt hätte, was sie anhatten und was sie auf dem
Kopfe trugen, wer etwas Neues hatte und wer nur
immer und ewig dasselbe trug. Selten auch, daß sie
sich in ihren Berechnungen getäuscht hatte, wenn sie
im Dorfe fragte, ob denn da und dort das Kleine
noch nicht angekommen sei.
Es stimmte denn auch fast immer, und wenn es
einmal nicht stimmte, so war daran ein Grund schuld,
den die Eve nicht vorher hatte wissen können. Aber
alles, was sie von den Menschen wußte, das plauderte
sie nicht weiter aus. Sie sagte keinem etwas Böses
nach. Nur ihrer Mutter erzählte sie die Dorfmirakel,
und die war schon so abgestumpft, die hörte sie nur
mit einem halben Ohr. Die Eve war keine Ausmacherin.
Sie war nur neugierig. Sie ließ sich
mehr erzählen, als sie selber erzählte. Und von jedermann
war sie wohl gelitten, wenn sie auch einige eine
»Trutschel« nannten. Das waren aber meist solche,
die bei dem alten Wiesenmüller abgefahren waren,
wenn sie um die Eve angehalten hatten. Denn der
alte Wiesenmüller, so ein guter Kerl er auch war,
vormachen ließ er sich doch nichts. Er wußte ganz
genau, daß es den Werbern nicht um die Eve zu tun
war, sondern um das, was sie mitbekam, und da
sagte er immer nein. Ganz hart und schroff. Die
Eve war nicht schön. Der Müller wußte das. Ihr
eckig Gesicht verlockte keinen. Darum war's keinem
zu tun. Aber die einzige Tochter, der einmal das
ganze Vermögen zufiel, das stach ihnen in die Augen.
Zudem hatte die Eve zu keinem eine besondere Zuneigung
verraten, und der Müller war noch aus der
alten Zeit, in der man gemeint hatte, zum Heiraten
gehöre auch noch etwas anderes, als nur ein Schrank
voll Weißzeug, ein paar Verschreibungen, ein Bündel
blaue Scheine, und die Frau nur so als Dreingabe,
weil man sich ja trösten konnte, daß bei Nacht alle
Katzen grau sind. Und seine Verweigerung mußte die
Eve dann büßen. Sie wurde eine dumme »Trutschel«
genannt.
Wer aber die Leute ein bißchen besser kannte,
wußte, daß da ein paar Füchsen die Trauben zu
sauer gewesen waren, und sie lachten sich heimlich ins
Fäustchen.
So ging also die Zeit herum und brachte keine
Veränderung in der Mühle. Der November war
feucht und neblig, und wenn die Müllersleute abends
beisammen saßen, sagte die Eve einmal: »Es ist doch
schade um den schönen Oktober, es war doch gar so
schön Wetter!«
Die Mutter nickte der Eve zu. Der Vater aber
murrte: »Dumm Gered, das ich nit hör'n kann. Nix
ist schad. Der Oktober ist da, daß er vergeht, damit
auch der November vergehen kann. Du solltest's nur
mal erleben, 's ganze Jahr Mai oder 's ganze Jahr
dein schöner Oktober, da könntest du bald blau pfeifen,
sag' ich dir. Man muß die Feste nehmen, wie sie
fallen, und 's Wetter, wie's wird. Alles andere ist
Weibergewäsch und hat keinen Wert. Fertig! Und
wenn's Frühjahr kommt, dann fangen wir wieder von
vorn an und tun unser Bestes, das wir tun können.
Fertig. Und das ist das Richtige!«
»Du bist doch ein alter Brummbär,« sagte die
Müllerin.
»Ich jammer nur nit, weiter gar nix. Wer anders
besser zu seinem Teil kommt, meinetwegen. Ich mach's
auf meine Art. Fertig!«
*
*
*
Es war wieder Sonntag. Wieder hatte er mit
dem dicken Nebel begonnen, der wie lauter graue Wolle
war. Aber es schien, die Sonne könnte ihn heute
packen. Sie hing schon den ganzen Morgen als blasse
Scheibe am Himmel, und man sah sie von früh an
ihren stillen Weg gehen, wenn sie auch verborgen war.
Da es gegen Mittag ging, hatte sie richtig den Sieg
davongetragen. Sie glänzte im Blauen, daß man ihr
nicht ins Antlitz sehen konnte. Und die ganzen Wiesen
glitzerten, und an den Gerten der Weiden glitzerte es.
Die Eve spülte das Eßgeschirr und sah von Zeit
zu Zeit an dem Küchenfenster vor ihr hinaus übers
Land. Es war ihr ganz seltsam zumute. Gerade
als ob sie etwas erwarte. Als wenn draußen ein
Wind stehe, fest in die Weiden und Pappeln am Bach
gekeilt und jeden Augenblick sich losmachen könnte und
heranbrausen. Aber nein, das war es gar nicht. Gar
nichts Brausendes. Etwas Stilles und Sanftes. Als
wenn jeden Augenblick die Glocken vom Dorf herüberklingen
müßten. Oder als ob ein Festzug den Weg
herkommen müßte, jetzt oben um die Ecke herum und
dann die Wegbiegung lang und weiter her nach der
Mühle zu. Der Eve schienen die Wege so leer heute.
Gerade als verlangten sie es, daß etwas auf ihnen
vorgehe, daß über sie geschritten werde. Ach, sie war
ja dumm. Nichts war natürlich von all dem, es war
einfach Sonntag, und die Sonne schien, die Wiesen
glitzerten, und der Himmel hatte so ein tiefes Blau,
besonders wenn man zwischen den Bäumen durchsah,
so blau, wie wenn eine Waschfrau zu viel Bläue in
die Bütte tut. Das war es einfach, und da juckte es
ihr in den Kleidern, als stecke sie in einem rauhen
Bockfell drin.
Die Eva spülte weiter. Aber die Augen gingen
ihr doch immer wieder hoch durch das Fenster hinaus
und zogen die Wege hin, die zwischen den Wiesen sich
krümmten und sich oben im grauen Feld, das stellenweise
von der Feuchtigkeit ganz tiefbraun war, verloren.
Sie unterbrach ihre Arbeit nicht, aber ihre
Gedanken waren nicht dabei.
Und immer wieder sah sie nach den drei Mühlen,
die ganz hellklar in der Sonne lagen, während die
ihre abseits im Dämmer und in der schlummerigen
Feuchte träumte.
Die Eltern saßen drin in der Stube und erzählten
sich, was sie auf dem Kirchgang des Morgens im
Dorf alles gehört hatten. Der Vater trommelte dazu
auf der Fensterbank und trat den Takt mit dem Fuße,
und die weiß und rot gefleckte Katze schnurrte hinterm
Ofen. Die Mühle lief. Aber sie lief leer, und der
Müller hatte heute keine Lust, aufzuschütten.
»Der Jerrisepp ist heut so scheu an uns vorbeigegangen,«
sagte die Mutter.
»So, scheu? Hast du das gemerkt? Na, ich kann
nit wissen, was er hat. Und wenn er was hat, kann
er's doch sagen. Wir haben uns nie was nachgetragen,
wir vier Müller, und hatten auch nie keinen Futterneid.«
»Es heißt, er soll sich verheiraten wollen. Wenigstens
sagen's die Leute.«
»Mein, was die Leute sagen. Aber 's könnt ja
auch schon sein. Warum nit? Er ist länger Junggesell
geblieben, als es andere aushalten. Und eine
Frau ernähren, das kann er.«
»Du meinst, lang genug gesucht hätt' er?«
»Meinetwegen heiß' es so,« meinte der Alte dazu.
»Was der Jerrisepp macht, macht er vorsichtig und
sicher, alles was wahr ist.«
»Auch uns die Kunden abspannen.«
»Auch das. Aber wann er's fertig bringt, bringt
er's halt fertig. An seiner Mühl' vorbei geht halt
die Chaussee, da braucht er sich kein extra Müh' zu
geben. Und das will ich auch nit von ihm denken,
daß er sich darin extra Müh' gäb. Die Tauben, die
einem in den Schlag fliegen, die fängt man halt. Ich
tät's auch so machen, warum nit?«
»Ich sag's ja immer, daß du die Menschen nit
verstehst. Und dadrum hast du auch immer 's Nachsehen.«
»So, Mutter, meinst das? Na ja, vielleicht hast
recht. Es kann aber auch sein, daß du nit recht hast.
Guck, gönn's doch dem Jerrisepp. Es war doch ein
bißchen zurückgegangen bei ihm, durch die viele Krankheit,
seit sein Vater hat ins Gras beißen müssen.
Dann immer die kranke Mutter und die kranke Schwester,
bis sich der liebe Gott erbarmt hat und sie alle
beide abgerufen.«
»Das ist ja nit unwahr —«
»Und na ja, wir haben gerade genug. Wir haben
nur die Eve, und es ist nit zu gering, was wir der
einmal mitgeben können. Und was wir brauchen, das
bringt uns noch die Mühl', und kommt später einmal
ein anderer Müller herein, so soll er halt auch tun,
was ich auch einmal hab' tun müssen. Aber jetzt bin
ich dazu zu alt. Dazu muß man jung sein. Also
brummel nit und gönn's dem Jerrisepp.«
Er trommelte heftiger und trat fest den Takt. Die
Katze schnurrte und der Sägemann auf dem Kastenofen
setzte nur geschwinder seine Arbeit fort. Die
Alten waren jetzt still und sannen vor sich hin.
Draußen klapperten die Teller und Schüsseln. Die
Eve spülte eifrig. Man konnte es in der Stube hören
trotz dem Gang der Mühle.
Plötzlich hörte das auf.
»Kann die Eve denn schon fertig sein?« fragte
der Vater.
»Kann gar nit sein,« antwortete die Mutter.
Nun lauschten die beiden Alten.
Aber draußen blieb es still. Denn die Eve stand
am Fenster und blickte über die Wege, die Hand mit
dem Spüllappen noch in der Spülschüssel. Sie war
vorhin schon aufmerksam geworden. Wer kam denn
da den Pfad her? Da oben kam jemand.
Sie äugte scharf.
»Der Jerrisepp! Jesses, der Jerrisepp! Rein und
heilig!«
Aber was war denn dabei, wenn es wirklich der
Jerrisepp war? Wie oft war der den Wiesenpfad
schon gegangen, und es war ihr nichts drüber eingefallen.
Warum denn heute?
Sie fing wieder an zu spülen?
Aber war er's denn wirklich? Sie guckte sich halb
die Augen aus. Wahrhaftig, er war's. Und er ging
den Pfad nach ihrer Mühle zu.
Am Feldweg da oben konnte er freilich noch abbiegen.
Sie wollte sehen. Und sie hörte wieder mit
dem Spülen auf. Nein, er ging geradeaus weiter.
Jetzt über den Steg.
Er konnte doch nicht da oben an seinen Acker
gehen wollen. Was hätte er da jetzt sehen können?
Gar nichts.
Nein, er ging den Pfad weiter und weiter herunter.
Jetzt war er an der Selz selbst und ging
über die weiße Brücke. Na ja, nun war's sicher, er
kam zu ihnen.
Der Eve schlug das Herz, hart und rasch. Sie
wußte gar nicht warum. Sie konnte es gar nicht
begreifen. Was ging sie der Jerrisepp an? Wie
konnte ihr der Jerrisepp das verursachen? Er war
ihr doch kein Fremder. Er war freilich lange nicht
hüben gewesen. Allerdings. Aber das war doch kein
Grund. Früher war er öfter gekommen. Aber was
lag am Jerrisepp? Er war der nächste Nachbar.
Fertig!
»Fertig!« sagte sie. Sie gewöhnte sich das immer
mehr vom Vater an. Aber es war doch nicht fertig.
Sie mußte immer wieder aufhören und nach dem einfältigen
Jerrisepp sehen. Er ging ordentlich feierlich
heut. Oder kam ihr das nur so vor? Er hatte sich
fein gemacht. Das wollene Tuch um seinen Hals
war funkelnagelneu. Und auf der Kappe saß kein
Riebelchen Mehlstaub.
»Vater,« rief sie in die Stube, »ich glaub' der
Jerrisepp kommt zu uns!«
»Gut, soll er kommen,« sagte der Vater.
Dann spülte die Eve weiter. Und zwar guckte sie
nun auch nicht mehr auf. Der Jerrisepp war jetzt
nach der Mühle hereingebogen und vom Fenster aus
nicht mehr zu sehen.
Der Cäsar schlug an. Die Eve rief ihm zu. Da
war er still und ließ den Jerrisepp passieren. Gleich
darauf ging die Haustür. Der Jerrisepp trat ein.
Er ging direkt auf die Stubentür zu und
klopfte an.
Als er eintrat, legte die Müllerin ihr Strickzeug
in den Schoß, und der Müller hörte einen Augenblick
auf zu trommeln.
»Bist lang nit dagewesen, Jerrisepp!«
»Ihr auch nit bei mir, Nachbar. Und alle Gebot
kommen, geht doch auch nit.«
Es war in beider Reden etwas wie ein spitzer
Ton, ohne daß sie's beide beabsichtigten.
»Ja,« lachte der alte Müller, »ich kann halt immer
nüber gucken zu dir, bis in dein' Haustür hinein, da
brauch ich nit zu dir zu gehen.«
»Ja, freilich,« stichelte der Jerrisepp, »da habt ihr
auch sehen können, daß ich tüchtig zu mahlen hatt'
den Monat?«
Er lächelte spitzbübisch.
»Ja,« sagte der alte Müller, »und ich hab' dir's
von Herzen gegönnt.«
Der Jerrisepp besann sich. Er war betroffen. Es
hatte so gütig geklungen. Er war ein bißchen verwirrt.
»Euer Mühl' läuft leer, Nachbar,« entfuhr es ihm.
Dabei wurde er rot.
»Die feiert Sonntag heut,« erwiderte lächelnd der
Müller. »Man muß so einer Mühl' auch ihren Sonntag
gönnen.«
Nun war der Jerrisepp ganz geschlagen. Um so
mehr verwirrt wurde er. Er wußte nicht mehr zu
unterscheiden, was gut und was nicht gut zu reden
wäre. Und er hatte sich doch alles ganz genau ausgedacht
gehabt, was er sagen wollte.
Der Jerrisepp verwurstelte sich noch weiter. »Mein'
Mühl' kann ich halt nit Sonntag feiern lassen, das
verträgt's nit. Es ist halt, daß ich durch die neu'
Chaussee so einen guten Weg gekriegt hab'. Die Fuhrleut'
wollen doch die holprigen Feldweg' heutigestags
nit machen. Drum ist's halt was anders bei Euch,
Nachbar. Den langen Feldweg scheuen sie halt all.«
»Und kommen aber doch,« fuhr die Müllerin nun
heraus.
Der alte Müller bekam einen roten Kopf. Er
trommelte sehr laut.
»Willst dich nit setzen, Jerrisepp?« fragte er. Der
Jerrisepp tat's.
»Bei dei'm Großvater und mei'm Vater, Jerrisepp,
wie ich noch Bub war und an dich noch kein
Mensch gedacht hat, war's anders. Jeder hatt' damals
sein gleich Teil.«
»Ja,« sagte der Jerrisepp, »so wie's bei den Menschen
ist, daß die einen alt werden und die anderen
jung, so ist's auch mit den Mühlen. Das eine überlebt
sich, daß andere erhebt sich.«
»Hm!« knurrte der Alte.
»Ich hab' sogar noch weiter gedacht. Ich seh' ein,
daß die Müllerei muß zugrunde gehen, wenn sie nit
ein bißchen aufgeholfen kriegt. Durch die Müller
mein' ich. Die alten Einrichtungen taugen nit mehr.
Ich hab' mir Bücher angeschafft, die fürs neue sind.
»Der praktische Mühlenbauer«, »Unsere Mühleneinrichtungen«,
»Dampf– und Wassermühlen«, und noch
so ein paar. Man kann ja nit alles brauchen, was
da grad drinsteht, aber manches ist doch richtig und
gut. Ich will jetzt die Sach' anders einrichten. Zuerst
mal das Wasser besser ausnutzen. Das geht ja
so nit mehr. Alle paar Tag' verschlammt, und wann
am meisten zu mahlen ist, am wenigsten Wasser. Alleweil
drückt sich's nit so mit der Arbeit, da kriegt
man eher jemand und braucht auch die höchste Löhn'
nit zu bezahlen. Ich hab' mir drum für morgen
fünf, sechs Mann bestellt, ich heb die Bach vor der
Mühl' aus, faß das Wasser enger und leit's hoch und
mach mein Rad oberschlächtig.«
»Was tausend!« knurrte der Müller.
»Dann rechne ich, geht's wieder zehn, fünfzehn
Jahre. Und gehts dann nit mehr und man erlebt's
noch, so kost's halt eine Dampfmaschine.«
»Jerrisepp,« fuhr es der Müllerin heraus, »daß
du dann so einen hohen Schornstein bauen müßt?«
»Gewiß, Nachbar'n, man muß mit der Zeit gehn.
Wer das richtig tut, wird nix dabei verlier'n, aber
zugucken, wie's dort weitergeht und doch still sitzenbleiben
auf sei'm alten Fleckelchen, das führt zu nix.
Ja, und was ich sagen wollt, Nachbar, mit dem
Wasser das, Ihr müßt auch dabei was tun. Ich
kann dann mit wenig Wasser mahlen, aber bei dem
schlechten Zustand von der Bach wird's bei Euch dann
erst recht hapern. 's ist halt alles verschlammt, und
Euer Gefäll ist so gut wie keins. Die Hauptkraft
nehm' ich dann weg, wie gesagt, weil das Wasser
dann kein' Gewalt von oben mehr für Euch hat.«
»Ich hab' aber das Wassergerecht schon von alten
Zeiten her,« protestierte hier der Müller.
»Ganz recht, Nachbar, das Wassergerecht wird
Euch auch nit genommen, nur das Wasser wird seine
Kraft verlieren. Und unser Mühl' ist auch nit jünger
wie Eure. Bloß hab' ich den Vorteil, daß ich oben
lieg und Ihr unten, und daß ich also vor Euch das
Wasser hab'.«
Der Alte sah, daß ihn der Jerrisepp festhatte.
Und der Jerrisepp sah, daß sich das Blättchen gewendet
hatte. Nun galt's, den Vorteil ausnützen. Der
Alte brummelte etwas vor sich hin, das der Jerrisepp
nicht verstand.
»Es ist ja vorauszusehen, Nachbar, und darüber
muß man sich klar sein, wenn ich mein' Betrieb in
die Höhe bring, geht Eurer herunter. Das liegt auf
der Hand. Weismachen wollen wir uns nix. Was
ist, das ist. Aber ich hab' mir gedacht, da wär' doch
abzuhelfen. Ich denk' immer bloß nit von heut auf
morgen, auch auf übermorgen. Und da hab' ich gemeint,
Ihr macht einfach ganz zu, Nachbar!«
Der Müller fuhr auf. Und die Müllerin gab der
Katze einen Tritt.
»Radikalkur!« sagte der Alte. »Ich bedank mich
aber schön.«
Aber der Jerrisepp war jetzt im Zug.
»Ihr seid alt und habt genug geschafft Euer Lebtag,
Ihr könnt jetzt ausruhen. Was ich vom Werk
brauchen kann, das nehmen wir heraus, und ich bezahl's
Euch so gut, als es zu bezahlen ist. Ihr zieht
herüber zu mir, ich setz noch einen Kniestock auf mein'
Mühl' — und, die Eve wird mein' Frau, und der
eine Betrieb nährt uns besser, als die zwei, wo Ihr
nix habt, und ich am End' auch nur Euer Feindschaft.
Es will alles beraten und bedacht sein im Leben, und
ein fetter Ochs ist allemal noch besser als zwei magere
Küh', das mein' ich.«
Der Jerrisepp war während dieser Rede doch erregt
geworden. Es war ja auch nicht leicht gewesen,
das mit der Eve, und er hatte seine Kappe rasch in
den Händen gedreht, wie's heraus mußte.
Der alte Müller hatte heftig getrommelt und den
Takt getreten, die Müllerin machte noch große Augen
und schien gar nicht zu sich zu kommen. So halb
etwas Glänzendes war nämlich in ihren Augen.
»Das wär' schon ein Plan,« stammelte sie.
Aber der alte Müller guckte sie streng an, daß sie
sich ganz zusammennahm und ihre weitere Rede für
sich behielt.
Es blieb still zwischen den dreien.
»Ihr müßt mir doch sagen Nachbar,« unterbrach
der Jerrisepp das Schweigen, »daß ich's gut mit Euch
mein'.«
Das löste die Spannung beim alten Wiesenmüller.
»Auf Gnad' und Barmherzigkeit, Jerrisepp, nein,
dadrauf sind wir doch noch nit angewiesen. Nit wahr,
Mutter? Wir haben all unser Tag redlich geschafft
und hausgehalten, und wann wir ruhen wollen, ruhen
wir daheim, wo wir alt geworden sind und wo wir
auch sterben wollen. Nit wahr, Mutter?«
Das hatte sehr traurig und bitter geklungen.
Aus den Augen der Müllerin war nun das Glänzende
geschwunden. Sie waren trübe geworden, und
sie mußte sich schnäuzen.
»So ist das aber nit gemeint, Nachbar, und so
ist das auch nit zu verstehen. Ihr seid ja dann bei
Eurer Tochter.«
»Hm, hm!«
Dann war's wieder eine Weile still.
Die Tür ging auf, und Eve steckte den Kopf herein.
»Soll ich den Kaffee bringen?« fragte sie.
»Ja, bring ihn,« sagte der Vater.
Der Jerrisepp trank eine Schale Kaffee mit und
aß ein Stückchen Apfelkuchen, den die Müllerin alle
Sonntage backte, sobald es Äpfel gab und solange
es gab.
Es wurde nun vom Wetter geredet und den Kartoffeln
und von den Reben und der Traubenernte.
Der Jerrisepp meinte, man müsse sich auf eine neue
Pflanzung besinnen, es sei ja doch schon lange nichts
mehr mit den Reben.
»Du willst aber gerad' alles umstürzen,« spöttelte
darauf der Wiesenmüller.
»Es kann nit alles ewig halten. Menschenwerk
ist nit für die Ewigkeit,« erwiderte ihm der Jerrisepp
mit Nachdruck.
Die Mutter wechselte einen Blick mit der Eve und
zog die Augenbrauen hoch. Die Eve lächelte und
wurde rot. Sie guckte in ihre Kaffeeschale und rührte
verlegen den Zucker.
Als der Kaffee getrunken war, trug die Eve ab.
Und als sie draußen war und der Jerrisepp sich mit
einem scharfen Blick nach der Tür vergewissert hatte,
daß die Eve außer Hörweite war, fragte er: »Nun,
wie ist's, Nachbar, habt Ihr Euch besonnen?«
»Allerdings,« sagte der Wiesenmüller, »und zwar
so, daß nix draus werden kann. Wir sind noch nit
so weit, die Mutter und ich, daß wir aus dem Haus
zu gehen brauchen auf Gnad' und Barmherzigkeit.
In unseren Jahren aber außerdem, geht man nur aus
sei'm Haus, wann man hinausgetragen wird auf den
Kirchhof. Bis dahin —«
»Hm, hm,« machte nun der Jerrisepp. Er lächelte
verschmitzt in sich hinein.
»Das ist ganz schön, Nachbar, aber ob's nit doch
vernünftiger wär' —«
»Du guckst's mit deinen Augen an, ich mit meinen,
da sieht's jeder auf eine andere Vernünftigkeit.«
»Also brauchen wir nix mehr zu reden?«
»Dadrüber vorläufig nit. Nein, das wollen wir
doch noch mal ein bißchen abwarten.«
»Hm, hm! Wie Ihr wollt, Nachbar.«
Dann ging der Jerrisepp, und lächelte auch dann
noch verschmitzt vor sich hin. — —
In dieser Woche blieb plötzlich die Wiesenmühle
stillstehen. Der Müller sah nach, es fehlte an Wasser.
Wie ausgetrunken war der Bach. Das hatte der
Jerrisepp gemacht. Er schaffte oben sechs Mann hoch.
Nun, der Wiesenmüller wollte den Frieden bewahren
und wartete noch ein paar Tage. Aber das Wasser
kam nicht. Endlich lief ein dünnes Rinnsal. Und
als es mehr wurde, war's recht schwach und träge.
Da es nicht besser werden wollte, schickte der Wiesenmüller
die Eve hinauf zum Jerrisepp, fragen, wann
er denn mit seiner Arbeit fertig sein werde. Sie sei
schon fertig, brachte die Eve Antwort. Es hatte schon
immer so wie so an einem tüchtigen Gefäll gehapert,
nun war ihm alle Kraft genommen. Droben beim
Jerrisepp war's fein eingefangen und hoch gelegt und
rauschte es nur so übers Rad. Dann hatte er's unterhalb
der Mühle ganz tief gelegt, so daß es sich nur
so faul durch die Wiesen hinsickerte bis es zur Wiesenmühle
kam.
Das ging dem Wiesenmüller denn doch über die
Hutschnur. Er band sein Halstuch um und ging ins
Dorf zum Bürgermeister. Da erfuhr er, daß der
Jerrisepp die Genehmigung eingeholt und alles ordnungsgemäß
vorgelegt und begründet hatte. Es war
freilich nicht gesagt, daß er der Wiesenmühle das
Wasser schwächen werde, aber es war genug damit,
daß er ihr es nicht genommen hatte. Wenn er seine
Wasserverhältnisse verbesserte, so war das ja ganz
natürlich. An dem Wiesenmüller sein Wasserrecht
war nicht gerührt, wenigstens nach Ansicht des Bürgermeisters.
Das übrige müßten dann freilich die
Advokaten besorgen. Der Wiesenmüller kratzte sich
hinter den Ohren. Schon wenn er das Wort Advokat
hörte. Er hatte sich vorgenommen, im Leben
keinen Prozeß mehr zu führen, nachdem er vor langen
Jahren den ersten verloren hatte. Da hatte er gesehen,
was das kostet. Es war wegen eines Äckerchens damals
gewesen: gegen den Bruder seiner Frau. Das
Äckerchen ging dabei verloren und zwei andere noch dazu.
Der Wiesenmüller besann sich unterwegs, wie er
die Sache auf gütlichem Wege schlichten könne. Er
dachte an den Paul Ludwig. Das war der Müller
von der Ecklocher Mühle. Der mußte einmal mit dem
Jerrisepp reden, ehe es zur Klage kam und das Gericht
sich in die Sache mischte.
Der Paul Ludwig war ein sonderbarer Kauz.
Seit Jahren war er nicht aus seiner Mühle herausgekommen.
Um die Menschen kümmerte er sich gar
nicht. Er hatte nur seine Mühle, das Feld, die
Wolken und seine Pfeife. Er war der Wetterkenner.
Morgens in aller Frühe reckte er den Kopf aus seinem
kleinen Mühlenfensterchen heraus und schaute sich nach
dem Wetter um. Und das geschah so noch ein paarmal
am Tage. Er wußte ganz genau Bescheid. Wenn der
Paul Ludwig sagte, daß es zur Kirchweih regnen werde,
so konnte man ganz sicher sein, daß es eintraf. Wenn
ein Verein ein Fest feiern wollte, ging man erst zum
Paul Ludwig, um ihn wegen des Wetters zu befragen.
Das meiste Ansehen hatte der Paul Ludwig gewonnen,
als er die schlechten Weinjahre prophezeit hatte. Und
sie waren alle so eingetroffen, wie er es vorausgesagt
hatte. Er beobachtete alles, die Kleeblüte und den
Bienenflug, die Vogelstimmen und den Nestbau der
Vögel, und noch viele ganz natürliche Dinge, die er
den Leuten gar nicht sagte, wenn sie ihn fragten.
Außerdem putzte er die Schwarzwälder Uhren aus,
wenn sie stehen geblieben waren, und ölte sie auch ein.
Er konnte alles. Nichts, was er nicht hätte bosseln
können. Er reparierte sogar den Musikanten des
Dorfes die Instrumente, und wenn sich einer einen
ganzen Tag lang abgemüht hatte, den Stimmstock in
einer Geige zu stellen und es ihm doch nicht gelungen
war, so ging er eben zum Paul Ludwig, der machte
es im Handumdrehen. Wie aber der Bienenstand
vom Paul Ludwig aussah, so schön gab's keinen
mehr in der ganzen Gegend.
Von den Umgestaltungen, die der Jerrisepp mit
seinem Wasser und in seiner Mühle vorgenommen
hatte, war ihm schon erzählt worden, aber so sehr er
sich dafür interessierte, hingegangen wäre er nicht.
Nun ihn der Wiesenmüller bat, ihm den Vermittler
zu spielen, war's ihm gerade recht, das war ihm eine
Gelegenheit, sich die Arbeit vom Jerrisepp anzusehen.
Er stülpte also sein besseres Käppchen auf, zündete
seinen Kloben noch einmal an, steckte sich ein Päckchen
Tabak ein und ging hin zum Jerrisepp.
Der Jerrisepp zeigte ihm alles, die ganzen Verbesserungen
und Einrichtungen, und der Paul Ludwig
guckte ganz genau. Sagen tat er nicht viel. Höchstens
mal ein »Hm, hm,« oder mal ein paar tiefere Züge
aus der Pfeife. Das war schon ein bedeutender Beifall.
Der Jerrisepp freute sich. Wenn es einer verstand,
war es der Paul Ludwig. Und er guckte ins
allerkleinste und einzelnste. Alles stieberte er aus.
Aber von der Sache mit dem Wiesenmüller sagte er
nichts. Die hatte er ganz über dem Neuen, was er
da sah, vergessen. Und sie zählte ihm auch nicht mehr,
nachdem was er gesehen hatte. Er hatte vielmehr
einen richtigen Respekt vor dem Jerrisepp gewonnen.
So was hätte er dem gar nicht zugetraut. Der war
doch ein dicker Duckmäuser, der. Und daß er jetzt so
freundlich und bereitwillig im Zeigen war, das war
lauter Stolz von dem. Aber, dachte der Paul Ludwig,
was schadet's! Er darf stolz sein. Was er da
gemacht hat, hat wirklich Hand und Fuß und kann
sich sehen lassen. Dumm nur, daß man nicht schon
früher darauf gekommen ist. Die Welt macht doch
Fortschritte. Es war schon richtig düster, als er ging.
Und er war schon ein Stück Wegs gegangen, da fiel
ihm der Wiesenmüller wieder ein. So ging er noch
einmal zurück. Aber nun wußte er gar nicht, was
er sagen sollte. Es war ja alles richtig und in seiner
Ordnung.
»Du, Jerrisepp,« sagte er, »der Wiesenmüller beklagt
sich, er hat kein Wasser.«
»Die Wiesenmühl' hat zu Lebtag noch nit viel
Wasser gehabt. Und soll ich vielleicht dem Wiesenmüller
Wasser hinunterbringen?«
»Ja, recht hast du, Jerrisepp.«
»Die vierte Mühl' war schon zu Lebtag ein Stiefkind.
Immer hat da das Gefäll gefehlt. Ich wunder'
mich, daß sie so lang' sich gehalten hat und das Wasser
nit schon längst ausgegangen ist.«
»Recht hast du eigentlich.«
»Wer die da hingebaut hat, der hat auch nit allzuviel
Überlegung und Verständnis gehabt, oder die
Bach ist damals anders gelaufen.«
»Das ist's, die Bach ist damals anders gelaufen.
Das war alles anders. Und früher war die Wiesenmühl'
eine von den allerbesten in der ganzen Umgegend.
Aber seit der Wiesenentwässerung ist das
anders geworden.«
»Also müßt' der Wiesenmüller eigentlich die Gemeind'
verklagen und nit mich, wenn er kein Wasser hat.«
»Ja, eigentlich müßt' er das,« sagte der Paul
Ludwig. »Denn seit der Wiesenentwässerung, die
die Gemeinde gemacht hat, geht's ihm so schlecht mit
dem Wasser.«
Dann ging der Paul Ludwig wieder und hatte
das Gefühl, daß er die Sache vom Wiesenmüller sehr
gut vertreten habe.
Der Wiesenmüller beruhigte sich aber dabei nicht.
Er wollte jetzt unbedingt sein Recht haben. Und trotz
seiner Scheu vor den Advokaten fuhr er nach Mainz
und machte die Klage anhängig. Und legte gleich
einen tüchtigen Batzen Geld auf den Tisch.
Nun kamen die Sachverständigen und prüften die
neue Anlage vom Jerrisepp und den Wassermangel von
der Wiesenmühle, und prüften alle Einsprüche, zum
Beispiel den, daß der Jerrisepp das Wasser unterhalb
der Mühle zu tief gelegt habe. Aber der Jerrisepp
war sattelfest. Er hatte sich genau an die Bestimmungen
gehalten.
Es war wenig Aussicht. Dazu mußten immer
neue Vorlagen gemacht werden.
Der alte Müller war ganz krank. Von Bub auf
an hatte er die Mühle jeden Tag klappern hören, von
morgens bis abends und sogar in der Nacht, nun
stand sie still. Totenstill war's, abgestorben, begraben.
Der Alte konnte nicht mehr ruhen, nicht schlafen. Die
Stille weckte ihn. Sie verjagte ihn aus seiner Mühle.
Auch der Müllerin ging's so. Als ob sie nun ohne
Haus und Heimat wären, ganz verstoßen und verlassen
war ihnen. Dann und wann nur bekam das
Wasser einen stärkeren Trieb und das Rad lief ein
wenig, aber es war nicht der Mühe wert. Auch
Stauungen halfen wenig. Wenn überhaupt etwas
zu machen gewesen wäre, so hätte das wenigstens ein
paar Hundert Mark gekostet. Die ganze Mühle war
nun aber dem Wiesenmüller verleidet. Geld wollte
er keines mehr an sie hängen. Er schickte die Eve zum
Jerrisepp, fragen, wann er zu ihm kommen könnt'.
Die Eve kam zurück mit der Antwort, daß es sein
könne, wann es dem Vater passe. Dabei wußte sie
des Rühmens kein Ende zu finden, wie fein alles in
der Reihe sei beim Jerrisepp, wie er nun mit zwei
Gängen mahle, und wie er nun gar nie mehr trocken
sitzen könne. Der alte Müller kraute sich hinter den
Ohren. Er sah die Eve lang' und durchdringend an.
»Es hat dir also gefallen?«
»Ich könnt' nit anders sagen, Vater.«
»Hm, hm! 's ist fein in der Reih'?«
»Ich müßt' lügen, Vater.«
Der Alte ging hinaus auf den Hof und machte
sich da zu schaffen. Nach einer Weile kam er wieder
herein.
Er fragte die Eve: »Willst ihn?«
»Wen?« fragte die Eve lachend.
»Hm!« — er deutete zur Mühle hinüber.
»'s ist alles fein in der Reih', Vater.«
»Willst ihn also?«
»Wann's Euch recht wär', Vater.«
»Hm!«
Am Sonntag lag der Wiesengrund tief im Nebel.
Man konnte den Nebel schneiden. Er benahm einem
ordentlich den Atem.
Als die Kirche aus war, sagte der Wiesenmüller
zu seiner Frau: »Mutter, es wird uns nix anders
übrigbleiben. Die Wasserregulierung vor ein paar
Jahr, jetzt der Jerrisepp ... 's hilft halt nix. Und
das ganze Geld zu verprozessieren, und am End' noch
mit der Gemeind' anfangen ... Wo ist denn mein
kariert wollen Halstuch? 's ist mir, meiner Seel,
kein leichter Gang ...«
Die Mutter nickte.
Der alte Wiesenmüller schritt langsam und vorsichtig
durch den Nebel nach der Mühle vom Jerrisepp.
»Kommt Ihr, Nachbar?«
Der Wiesenmüller sah sich um, Küch' und Keller,
das Wasser, das neue Rad, den neuen Gang, den
Stall, den Dachboden. Es gefiel ihm alles sehr gut.
Ordentlich begeistert war er von allem, was der Jerrisepp
eingerichtet hatte, und er kargte nicht mit seinem
Lobe.
»Aber in der Mühle drunten bleiben wir wohnen,
wir zwei Alten. Fertig!«
»Wie Ihr wollt.«
»Den Kniestock sparst du dir. Fertig!«
»Wie Ihr wollt,« lächelte der Jerrisepp.
»Und die Hochzeit?«
»Noch vor der Fastnacht,« sagte der Jerrisepp.
»Noch vor der Fastnacht? Soll mir recht sein.«
Dann besprachen sie noch die Mitgift, und was so
drum und dran hing.
»Es trifft sich halt so,« meinte nach einer Pause
der Jerrisepp, »die neu' Chaussee hätt' auch an Euch
können vorbeigehen, dann hätt' ich's Nachgucken gehabt.
Freilich, mein Wasser war immer besser gewesen
als Eures. Aber man muß sich zu helfen
wissen. Wenn man's Leben verkehrt anpackt, nur an
einer Stell', dann bleibt's verkehrt für sein Lebtag.«
Der alte Wiesenmüller klopfte ihm auf die Schulter:
»Du brauchst dir nix einzubilden. Wenn ich's
nit gewollt hätt', dann wär's nit geschehen. Und man
weiß noch nit, wer's von uns zwei am längsten ausgehalten
hätt'. Fertig!«
Dann ging der Wiesenmüller wieder seinen Weg
zurück. Der Heimweg war ihm ein gut Teil leichter.
Es wär' aber gar nit notwendig gewesen, daß die
Freierei so viel Geld gekostet hätt', der Jerrisepp hätt's
nur gleich richtig anpacken sollen. Na, was vorbei
war, war vorbei. So dachte er.
Am Sonntag drauf wartete der Jerrisepp auf der
Kirchentreppe auf die Eve und führte sie heim. Da
wußte das ganze Dorf, daß die Heirat ausgemacht
war. Trotz Prozeß, man hatte sich's ja freilich immer
gedacht. Denn was ein rechter Müller ist, freit in
einer Mühl'. Das war zu Lebtag so. —
Ende.
Holzamer, Der Held und andere Novellen.
Inhalt.
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Seite
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Einleitung des Herausgebers
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3
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Der Held
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9
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Sein letztes Hochamt
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32
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Cellist Behnke
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45
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Hochsommerglück
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54
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Der böse Wunsch
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64
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Die Freite
|
76
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Schriften von Wilhelm Holzamer
|
|
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Zum Licht.
Gedichte.
Auf staubigen Strassen.
Erzählungen. (Daraus im
vorliegenden Bändchen: »Cellist Behnke«, »Hochsommerglück«
und »Der böse Wunsch«.)
Conrad Ferdinand Meyer.
Monographie.
Heinrich Heine.
Monographie.
Im Verlage von Eugen Diederichs in Jena
erschienen:
Im Dorf und draussen.
Novellen. (Daraus im vorliegenden
Bändchen: »Der Held« und »Sein letztes
Hochamt«.)
Die Siegesallee.
Kunstbriefe an den deutschen Michel.
Spiele.
Dramatische Skizzen.
Im Verlage von Wiegandt & Grieben in Berlin
erschien:
Im Wandern und Werden.
Essays.
Im Verlage von Egon Fleischel & Co. in Berlin
erschienen:
Der arme Lukas.
Eine Geschichte in der Dämmerung.
Peter Nockler.
Die Geschichte eines Schneiders.
Der heilige Sebastian.
Roman eines Priesters.
Die Sturmfrau.
Eine Seenovelle.
Inge.
Ein Frauenleben.
Ellida Solstratten.
Roman.
Vor Jahr und Tag.
Roman.
Carnesie Colonna.
Phantasien.
Um die Zukunft.
Drama.
Aus dem Nachlass sind in Vorbereitung:
Abschied.
Gedichte.
In hellen Hallen.
Gedichte.
Pendelschläge.
Novellen.
Den Weg gekreuzt.
Novellen.
Der Entgleiste.
Roman.
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Plaudereien.
Im Sammeln und Sichten.
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Ernst, O., Vom Strande des Lebens.
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andere heitere Geschichten. 4560.
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Erzählungen. 4935.
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Novellen. 4800.
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Hauptmann, Hans, Im Schatten
großer Zeit. 5790.
Haushofer, Der Floßmeister.
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Heiberg, Die Andere.
— Einmal
im Himmel. 3381/82. Geb. 80 Pf.
Herold, K., Zenab. Erzählung a. d.
ägypt. Leben. 5196/97. Geb. 80 Pf.
Herzog, Komödien des Lebens. I.
5049. II. 5050. Zus. geb. 80 Pf.
Heyse, Zwei Gefangene.
1000.
Geb. 60 Pf.
Höcker, P. O., Leichtsinniges Volk.
3212.
Hochstetter, D–Zug–Geschicht. 5530.
Hollaender, F., Der Pflegesohn und
zwei andere Novellen. 5300. Geb.
60 Pf.
Holzamer, Der Held und andere
Novellen. 5200. Geb. 60 Pf.
Hopfen, Böswirt. 4400. Geb. 60 Pf.
— Mein Onkel Don Juan. 4541–44.
Geb. M. 1.20.
Jensen, Die Erbin von Helmstede.
4421–23. Geb. M. 1.
— Hunnenblut.
3000.
Geb. 60 Pf.
Junghans, Wisel.
— Das Gelübde.
4981.
Klinckowstroem, A. v., Novellen.
5376.
Kretzer, Der Baßgeiger. 3207.
Krickeberg, Die Krähe und andere
Novellen. 5250.
Kröger, Wohnung d. Glücks. 4570.
Geb. 60 Pf.
Külpe, Der Silbergarten.
— Der Stein des Pietro. 5336.
Land, Ja
— die Liebe! und andere
Novellen. 5330. Geb. 60 Pf.
Lingg, Byzantinische Novellen. 3600.
Geb. 60 Pf.
Mackay, Die letzte Pflicht u. Albert
Schnells Untergang. 5236/37.
Geb. 80 Pf.
Marriot, Kinderschicksale. Novellen
und Skizzen. 5608.
Migerka, Das Glück der Häßlichen
u. and. Skizzen u. Satiren. 5598.
Milow, Novellen. 5005. Geb. 60 Pf.
Molo, Totes Sein. 5419. Geb. 60 Pf.
Muellenbach, Waldmann u. Zampa
u. and. Nov. 4500. Geb. 60 Pf.
Niese, Ch., Der verrückte Flinsheim
u. zwei and. Nov. 5676. Geb. 60 Pf.
Olden, Eine brillante Idee.
— Die Versöhnung. 4496.
Ortmann, Der Teufelswalzer und
sieben andere Novellen. 4428.
Perfall, A. v., Die Uhr. 4130.
— Dämon Ruhm. 5317–20. Geb. Mk. 1.20.
Peschkau, Suzons Ende. 5112.
Pötzl, Der Herr von Nigerl. 3005/6.
Geb. 80 Pf.
Presber, Das Eichhorn und and.
Satiren. 4715. Geb. 60 Pf.
— Der Untermensch u. a. Satiren. 4688. Geb. 60 Pf.
Raabe, W., Zum wilden Mann.
2000.
Geb. 60 Pf.
Reichenbach, Oberschlesische Dorfgeschichten.
4240.
Resa, Villa Idylle und andere Humoresken.
5656.
Reuter, Gabriele, Eines Toten Wiederkehr und andere Novellen.
5001. Geb. 60 Pf.
Roberts, Um den Namen. 4249/50.
Geb. 80 Pf.
Rosegger, P., Geschichten u. Gestalten
a. den Alpen.
4000.
Geb. 60 Pf.
—, Ludw., Peter Lenz und andere
Geschichten. 5515.
Salus, Nachdenkliche Geschichten.
Novellen. 5700. Geb. 60 Pf.
Schanz, Wolken. 4959/60. Geb. 80 Pf.
Schlaf, Tantchen Mohnhaupt und
Anderes. 5626/27. Geb. 80 Pf.
Schnitzer, Wunderliche Lebensläufe.
5255.
Schönaich–Carolath, Die Rache ist
mein u. a. Nov. 5800. Geb. 60 Pf.
Schönthan, Fr., Der General. 4444.
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Schullern, v., Berggenossen und
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Skowronnek, Fr., Garbata.
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Suttner, Bertha, Ku–i–kuk. 5568.
Telmann, Unheilbar. 3750.
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60 Pf.
Trinius, Tauwind u. a. Thüringer
Geschichten. 3649.
Villinger, Der Nachkömmling.
— Die erste Schuld. 5707.
Voß, R., Amata.
— Liebesopfer. 5324. Geb. 60 Pf.
— Narzissenzauber.
— Das Wunderbare. 4991. Geb. 60 Pf.
— Rolla. 5221–24. Geb. M. 1.20.
Westkirch, Bürgermeister v. Immelheim
u. a. Nov. 5347. Geb. 60 Pf.
— Gletschermühle. 4786. Geb. 60 Pf.
Wickenburg, R. v., Franz Mooshammer.
Roman. 5409/10. Geb.
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Wilda, Ein Urlaub. 5359.
Wildberg, Dunkle Geschichten. 5160.
Geb. 60 Pf.
Willomitzer, Eine Nacht im Mittelalter
und andere Geschichten. 5340.
Geb. 60 Pf.
Zobeltitz, H. v., König Pharaos
Tochter und and. Novellen. 4200.
Geb. 60 Pf.
Hinweise zu Änderungen gegenüber dem Original:
Das Erscheinungsjahr 1910 wurde gemäß Nachweis im Gemeinsamen
Verbundkatalog (GVK) angegeben.
Das Umschlagbild wurde vom Bearbeiter restauriert. Ein Urheberrecht
wird nicht geltend gemacht. Das Bild darf von jedermann unbeschränkt
genutzt werden.
Bild und Signatur des Autors, welche sich im Original vor dem
Innentitel befinden, wurden vor die Einleitung verschoben.
Einige kleine offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend
korrigiert.
Auf S. 45 wurde der Satzfehler "Manuel" in "Manual" verbessert
("leitete er im oberen Manual ein.")
Auf S. 89 wurde das Fragezeichen hinter "fing wieder an zu spülen"
belassen, da unklar ist, ob es sich um einen Satzfehler handelt.