The Project Gutenberg eBook of Die Baumwollpflücker This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Die Baumwollpflücker Als Fortsetzungsroman im »Vorwärts« (1925) Author: B. Traven Release date: April 5, 2025 [eBook #75795] Language: German Original publication: Berlin: Vorwärts-Verlag G. m. b. H, 1925 Credits: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net. This file was produced from images generously made available by the library of the Friedrich-Ebert-Stiftung. *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE BAUMWOLLPFLÜCKER *** Unser neuer Roman. Man kennt das Leben der vormärzlichen schlesischen Leineweber, man kennt das Leben der modernen Textilarbeiter, wer aber fragt nach denen, die dem Textilarbeiter das Rohmaterial liefern, nach den Baumwollpflückern, nach den Arbeitern auf den Baumwollfarmen? Ein erheblicher Teil der in Mexiko geernteten Baumwolle geht in deutsche Spinnereien. Vom Leben und den Lebensbedingungen der in jenen tropischen Gegenden tätigen Arbeiter erzählt uns der nicht umfang-, aber inhaltsreiche Roman „_Die Baumwollpflücker_“, mit dessen Veröffentlichung wir heute beginnen. Dieser Roman hat weder einen Helden noch eine Heldin. Es kommt auch keine süße Liebesepisode in ihm vor. Wo um das nackte Leben gekämpft wird, hat man für Liebe und Sentimentalitäten keine Zeit. Die mitgeteilten Tatsachen sind brutale Wahrheit. Der Verfasser _B. Traven_ spricht aus eigener bitterer Erfahrung und die von ihm eingestreuten humoristischen Szenen vertiefen nur den Eindruck der Tragödie. Der Held des Romans – denn es gibt doch einen – ist die arbeitende Klasse, sind die mexikanischen Landarbeiter, meist Indianer. Im Vergleich zu diesen führen die Landarbeiter in den ostelbischen Gefilden das reinste Schlaraffenleben. Der Verfasser kennt das Proletarierleben in Mexiko, in Nordamerika, in Zentralamerika. Als Oelmann, als Farmarbeiter, Kakaoarbeiter, Fabrikarbeiter, Tomaten- und Apfelsinenpflücker, Urwaldroder, Maultiertrieber, Jäger, Handelsmann unter den wilden Indianerstämmen in der Sierra de Madre, wo die „Wilden“ noch mit Pfeil, Bogen und Keule jagen, ist er tätig gewesen. Noch heute liegt sein mexikanischer Wohnplatz – wie er uns schreibt – 35 Meilen von der nächsten Stadt entfernt, wo er „Tinte kaufen kann“. Ein Bild in der heutigen Nummer von „Volk und Zeit“ gibt unseren Lesern einen Begriff davon, wie es in diesen tropischen Einsiedeleien aussieht. „Vorwärts“, Berlin, 21. Juni 1925 Die Baumwollpflücker. Roman von B. Traven. Copyright 1925 by B. Traven, Columbus, Tamaulipas, Mexico. Revolutionsgesang der Baumwollpflücker in Mexiko. Es trägt der König meine Gabe, Der Millionär, der Präsident; Doch ich, der arme Pflücker, habe In meiner Tasche keinen Cent. Trab, trab, auf’s Feld! Gleich geht die Sonne auf. Häng um den Sack! Hörst Du die Wage rasseln? Nur schwarze Bohnen sind mein Essen, Statt Fleisch ist roter Pfeffer drin; Mein Hemde hat der Busch gefressen, Seitdem ich Baumwollpflücker bin. Trab, trab, auf’s Feld! Gleich geht die Sonne auf. Häng um den Sack! Hörst Du die Wage kreischen? Die Baumwoll’ stehet hoch im Preise, Ich hab’ nicht einen ganzen Schuh, Die Hos’ ging längst schon auf die Reise, Hat wohl verdient die sel’ge Ruh’. Trab, trab, auf’s Feld! Gleich geht die Sonne auf. Häng um den Sack! Hörst Du die Wage brüllen? Und einen Hut hab’ ich, ’nen alten, Kein Hälmchen Stroh ist heil daran; Doch diesen Hut muß ich behalten, Weil ich ja sonst nicht pflücken kann. Trab, trab, auf’s Feld! Gleich geht die Sonne auf. Häng um den Sack! Siehst Du die Wage zittern? Ich bin verlaust, ein Vagabund, Und das ist gut, das muß so sein; Denn wär’ ich nicht so’n armer Hund, Käm’ keine Baumwoll’ rein. Im Schritt, im Schritt! Es geht die Sonne auf. Füll in den Sack die Ernte Dein! Die Wage schlag in Scherben! Erster Teil. 1. Ich stand auf der Station und sah mich um, wen von den wenigen Eingeborenen, die dort herumlungerten oder auf dem nackten Erdboden saßen, ich hätte nach dem Wege fragen können. Da kam ein Mann auf mich zu, den ich schon im Zuge gesehen hatte. Schokoladenbraun im Gesicht und am Körper. Vierzehn Tage nicht rasiert. Einen alten, breitrandigen Strohhut auf dem Kopfe; einen roten Baumwollfetzen am Leibe, der offenbar einmal ein richtiges Hemd gewesen war; eine, an fünfzig Stellen durchlöcherte gelbe Leinenhose an den Beinen und an den Füßen die landesüblichen Sandalen, die vorn und hinten offen sind. Er stellte sich vor mich hin und sah mich an. Sicher wußte er nicht, in welcher Form und Reihenfolge er die Worte bringen sollte für den Satz, den er mir sagen wollte. „Nun, was wünschen Sie?“ fragte ich endlich als es mir zu lange dauerte. „Guten Tag,“ begann er. Dann gluckste er ein paarmal und kam endlich heraus: „Ich möchte wissen, wo es nach Ixtilxochitchuatepec geht?“ „Was wollen Sie denn da?“ sagte ich. Die Unhöflichkeit, ihn nach seinen persönlichen Angelegenheiten zu fragen in einem Lande, wo es taktlos, beinahe beleidigend ist, jemand nach Namen, Beruf, woher und wohin auszuforschen, kam mir sofort zum Bewußtsein. Deshalb fügte ich rasch hinzu: „Dort will ich nämlich auch hin!“ „Dann sind Sie wohl Mr. Shine?“ „Nein,“ sagte ich, „der bin ich nicht, aber ich will zu Mr. Shine, Baumwolle pflücken.“ „Ich will auch Baumwolle pflücken bei Mr. Shine,“ erklärte er nun und heiterte ein wenig auf; zweifellos weil er einen Kameraden gefunden hatte. In diesem Augenblick kam ein langer und stark gebauter Neger auf uns zu und platzte sofort heraus: „Señors, wissen Sie den Weg, wie ich zu Mr. Shine komme?“ „Baumwolle pflücken?“ fragte ich. „Jawohl, ich habe seine Adresse bekommen von einem anderen schwarzen Kollegen in Queretaro.“ Soweit waren wir, als ein kleiner Chinese auf uns zu getrippelt kam. Er lachte uns breit an und sagte: „Guten Tag, meine Herren, ich will dort hin, wo ist der Weg?“ Umständlich brachte er ein Notizblättchen heraus, las und sagte dann: „Mr. Shine in Ixtilxo – –.“ „Stop!“ sagte ich lachend, „wir wissen schon, wohin Sie wollen, verrenken Sie sich nicht die Zunge. Wir wollen auch dort hin.“ „Auch Baumwolle pflücke?“ fragte der Chink. „Ja,“ antwortete ich, „auch, sechs Centavos für ein Kilo.“ Durch diese meine Aeußerung war auch mit dem Chink das kameradschaftliche Band hergestellt. Die proletarische Klasse bildete sich, wir hätten gleich mit dem Organisieren anfangen können. Wir fühlten uns alle vier so wohl wie vier Brüder, die nach langer Trennung sich plötzlich unerwartet an irgendeinem fremden Ort der Erde getroffen haben. Ich könnte nun noch erzählen, in welcher Form ein zweiter Neger, nur halb so lang wie sein Stammesvetter, aber ebenso pechschwarz wie jener, auf uns zuschlenderte und mit welcher Sorglosigkeit ein zweiter Mexikaner uns ansteuerte, beide mit dem gleichen Ziel der Reise: Mr. Shine in Ixtilxochitchuatepec, Baumwolle pflücken. Keiner von uns wußte, wo Ixtilxo – – lag. – Die Station war inzwischen so leer geworden, lag so einsam und verschlafen in der tropischen Hitze, wie eben nur eine Station in Zentralamerika zehn Minuten nach Abfahrt des Zuges daliegen kann. Den Postsack, fünfmal mehr Quadratzoll Leinen als Quadratzoll Inhalt, selbst wenn man alle Briefe und Umschläge auseinanderfaltete, hatte irgendein Jemand, den kein vernünftiger Mensch für einen Postbeamten gehalten hätte, mitgenommen. Das Frachtgut: eine Kiste Büchsenmilch – in einem Erdstrich, wo das ganze Jahr hindurch das Gras grünt und ein ganzer Erdteil mit Milch versorgt werden könnte – zwei Kannen Gasolin, fünf Rollen Stacheldraht und zwei Kisten Bonbons lagen herrenlos auf dem glühenden Bahnsteig. Die Bretterbude, wo die Fahrkarten verkauft und das Gepäck abgewogen wurde, war mit einem Vorhängeschloß abgeschlossen. Der Mann, der alle die Amtshandlungen vorzunehmen hatte, zu denen auf einer europäischen Bahnstation wenigstens zwölf gutgedrillte Leute notwendig sind, hatte die Station schon verlassen, als der letzte Wagen des Zuges noch auf dem Bahnsteig war. Selbst die alte kleine Indianerin, die zu jedem Zuge erschien mit zwei Bierflaschen voll kaltem Kaffee und in Zeitungspapier eingewickelten Maiskuchen, was sie alles in einem Schilfkorbe trug, schlich bereits durch das mannshohe Gras in ziemlicher Entfernung heimwärts. Sie hielt stets am längsten auf dem Bahnsteige aus. Obgleich sie nie etwas verkaufte, kam sie doch jeden Tag zum Zuge. Wahrscheinlich war es vier Wochen lang immer derselbe Kaffee, den sie zur Bahn brachte. Und das wußten auch offenbar die Reisenden. Andernfalls hätten sie doch in der Hitze wenigstens hin und wieder einmal der Alten etwas zu verdienen gegeben. Aber das Eiswasser, das in den Zügen kostenlos gegeben wurde, war ein zu starker Konkurrent, gegen den ein so kleines Kaffeegeschäft nicht aufkommen konnte. Meine fünf proletarischen Klassengenossen hatten sich gemütlich auf den Erdboden an die Bretterbude gesetzt. In den Schatten. Freilich, da jetzt die Sonne senkrecht über uns stand wie mit dem Lot gerichtet, gehörte schon eine langausprobierte Uebung dazu, herauszufinden, wo eigentlich der Schatten war. Zeit war ihnen ein ganz und gar unbekannter Begriff; und weil sie wußten, daß ich ja auch dort hin wollte, wo sie hin wollten, überließen sie es mir, den Weg auszukundschaften. Sie würden gehen, wenn ich gehe, nicht früher; und sie würden mir folgen und wenn ich sie bis nach Peru führte, immer in der Gewißheit lebend, daß ich ja zum gleichen Ort müsse wie sie. 2. Wenn ich nur wüßte, wo Ixtil – – zu finden sei. In der Nähe der Station war kein Haus zu sehen. Die Stadt, zu der die Station gehörte, mußte irgendwo im Busch versteckt liegen. Ich machte nun den Vorschlag daß wir erst einmal in diese Stadt gingen, wo sicher jemand zu finden sein wird, der den Weg weiß. Nach einer Stunde kamen wir in die Stadt. Zwei Häuser nur waren aus Brettern. In dem einen wohnte der Stationsvorsteher. Ich ging hinein und fragte ihn, wo Ixtil – – liegt. Er wußte es nicht und erklärte mir höflich, daß er den Namen nie gehört habe. Fünfhundert Meter von diesem Holzhause war das andere „moderne“ Brettergebäude. Es war der Kaufladen. Er war gleichzeitig Postamt, Billardsalon, Bierwirtschaft, Schnapsausschank und Agentur für alle möglichen Dinge und alle möglichen Unternehmungen. Ich fragte den Inhaber, aber er kannte den Ort auch nicht und sagte mir, innerhalb fünfzig Kilometer im Umkreis sei er sicher nicht, denn da kenne er jeden Platz und jeden Farmer. Da kam einer von den Billardspielern, die ebenso zerlumpt aussahen wie wir, an den Ladentisch, setzte sich darauf, drehte sich eine Zigarette, wobei er den Tabak in ein Maisblatt wickelte, und als er sie angezündet hatte, sagte er: „Den Ort kenne ich nicht. Aber die einzigen Baumwollfelder, die hier in dem ganzen Staate überhaupt sind, liegen in jener Richtung.“ Dabei streckte er den Arm ziemlich unbestimmt nach jener Gegend hinaus, die er meinte. „Von dort her,“ fügte er hinzu, „ist vor drei Jahren einmal ziemlich viel Baumwolle hier verladen worden. Die Farmer kamen mit Autos, also wird wohl noch etwas Weg übrig geblieben sein. Ob einer von den Farmern Mr. Shine hieß, weiß ich freilich nicht, ich habe nicht nach den Namen gefragt, ich habe nur beim Verladen mitgearbeitet.“ „Wie weit kann es denn sein?“ fragte ich. „Wenigstens achtzig Kilometer von hier, vielleicht neunzig. So genau weiß ich es nicht. Die kamen mittags an und sind sicher früh morgens abgefahren.“ „Dann müssen wir also in jene Richtung gehen, wenn in einer anderen Richtung keine Baumwolle gebaut wird.“ „Ich glaube sicher,“ sagte er dann, „daß einer von den Farmern Mr. Shine heißen kann, alle sind Gringos.“ „Gringo“ ist in Latein-Amerika der Spottname für Amerikaner. Er hat ungefähr dieselbe mißachtende Bedeutung wie „Boche“ in Frankreich für Deutsche. Aber die Amerikaner, die viel zu viel unzerstörbaren Humor besitzen, um sich so leicht beleidigt zu fühlen und sich dadurch das Leben schwer zu machen, haben diesem Spottnamen die ganze Schärfe genommen dadurch, daß sie, wenn in Latein-Amerika gefragt, was für Landsleute sie seien, sie sich selbst „Gringo“ nennen. Und sie sagen das mit einem so heiteren Lächeln, als ob es der schönste Witz wäre. Die übrigen Gebäude der Stadt, etwa zehn oder zwölf, waren die üblichen Indianerhütten. Sechs rohe Stämme senkrecht auf den Erdboden gestellt und ein Dach aus trockenem Gras darüber. Die besseren hatten Wände aus dünnen Stämmchen, aber nicht dicht aneinander gefügt. Keine Türen, keine Fenster, alles, was in der Hütte vor sich ging, konnte man von außen sehen. Die einfacheren Hütten, wo ärmere oder bequemere Mexikaner wohnten, hatten nicht einmal diese angedeuteten Wände, sondern oben um das Dach herum hingen einige große Palmblätter, um die Strahlen der Sonne, wenn sie in den frühen Vormittagsstunden und am späten Nachmittag schräger einfielen, abzuschatten. Das Vieh und das Hühnervolk hatten keine Ställe. Die Schweine mußten sich draußen im Busch irgendwo und irgendwie das Futter zusammensuchen. Die Hühner saßen nachts in dem Baum, der der Hütte am nächsten stand. Eine alte Kiste oder ein durchlöcherter Schilfkorb hing an einem Ast, wo die Hühner brav ihre Eier hineinlegten. Rund um die Hütten standen Bananenstauden, die, ohne jemals gepflegt zu werden, ihre Früchte in reichen Mengen spendeten. Die kleinen Felder, wo nur gesät und geerntet, sonst nichts getan wurde, lieferten Mais und Bohnen mehr als die Bewohner aufbrauchen konnten. In einer dieser Hütten nach dem Wege zu fragen, war zwecklos. Wenn eine Auskunft überhaupt zu erhalten war, so war sie sicher falsch. Nicht falsch gegeben mit der Absicht, uns irre zu führen, aber aus purer Höflichkeit, irgendeine beliebige Auskunft zu geben, um nicht „nein“ sagen zu müssen. 3. So wanderten wir denn frischweg los in jener Richtung, die uns im Postamt von dem Billardspieler genannt war und die ich für die einzige glaubwürdige hielt. „Achtzig Kilometer“ war uns gesagt worden. Also werden es wohl hundertzwanzig oder hundertfünfzig Kilometer sein. Wir waren unserer sechs. Da war der Mexikaner Antonio, spanischer Herkunft, der mich zuerst angesprochen hatte. Dann kam der Mexikaner Gonzalo, indianischer Abstammung. Er war nicht ganz so zerlumpt wie Antonio und hatte ein Bündelchen, eingewickelt in eine alte Schilfmatte, und eine schöne, nach mexikanischer Art farbenfreudig gemusterte Decke, die er über der Schulter trug. Der Chinese Sam Woe war der eleganteste Bursche unter allen. Der einzige, der ein heiles und frisch gewaschenes Hemd trug, heile Hosen hatte, gute Straßenstiefel, seidene Strümpfe und einen runden städtischen Strohhut. Er hatte zwei Bündel, ziemlich reichlich gepackt. Sie schienen gar nicht so leicht zu sein. Er hatte immer die praktischsten Ideen und Ratschläge, lächelte immer, konnte das „R“ nicht aussprechen und war scheinbar immer guten Mutes. Es wurde mit der Zeit unser größter Kummer, daß wir ihn mit nichts, was immer wir auch taten, wütend machen konnten. Er hatte in einem Oelfeld als Koch gearbeitet und gut verdient. Sein Geld hatte er vorsichtig auf einer chinesischen Bank in Guanajuato hinterlegt, was er uns gleich erzählte, nur damit wir nicht etwa denken sollten, er trüge es bei sich und könnte dafür geopfert werden. Baumwolle pflücken war ja nicht gerade seine große Leidenschaft – meine noch viel weniger – aber weil es nicht so sehr außerhalb seines Weges lag, wollte er die sechs bis sieben Wochen Verdienst noch mitnehmen. Er hoffte dann zum Herbst ein kleines Restaurant – „^comida corrida^ 50“ – eröffnen. Er war der einzige unter uns, der wohldurchdachte Pläne für die Zukunft hatte. Sobald wir an den Busch gekommen waren, schnitt er sich ein dünnes Stämmchen, hing über jedes der beiden Enden eines seiner Bündel und legte sich das Stämmchen über die Schulter. Während er bisher mit uns im gleichen Schritt gegangen war, begann er nun mit kurzen, raschen Schrittchen zu trippeln. In diesem Trippelschritt hielt er den ganzen Marsch durch, ohne je langsamer oder schneller zu gehen und ohne jemals zu ermüden. Wenn wir uns zur Rast niedersetzten oder niederlegten, tat er es auch, war aber jedesmal erstaunt, daß wir „schon wieder“ ausruhen mußten. Wir schimpften ihn dann aus, daß wir richtige Christenmenschen seien, während er als verdammter Chink von einem gelben, fratzenhaften Drachenungeheuer erzeugt worden wäre, und daß darin die übermenschliche Ausdauer seiner stinkigen und uns widerlichen Rasse zu suchen sei. Er erklärte darauf heiter lächelnd, daß er nichts dafür könne und daß wir alle von demselben Gott geschaffen seien, aber daß dieser Gott gelb sei und nicht weiß. Da wir keine Missionare waren und auf dem Gebiete der Bekehrung auch keine Lorbeeren ernten wollten, ließen wir ihn in seinem Unglauben. Der hünenhafte Neger, Charly, paßte mit seinen Lumpen und seinem in fettigem und zerrissenem Papier verschnürten Bündel, das unzählige Male auf dem Marsche aufging, viel besser in unsere Gesellschaft als der elegante Chink. Charly behauptete, aus Florida zu sein. Aber da er weder englisch geläufig sprechen noch verstehen konnte, auch nicht den amerikanischen Niggerdialekt sprach, konnte er mich von seiner Herkunft nicht überzeugen. Vielleicht war er von Honduras oder Guatemala, oder von St. Domingo. Aber er sprach auch nur sehr unbeholfen ein notdürftiges Spanisch. Ich habe nie erfahren können, wo er eigentlich hingehörte. Nach meiner Meinung war er entweder aus Brasilien heraufgekommen oder er hatte sich von Afrika herübergeschmuggelt. Er wollte sicher nach den Vereinigten Staaten, und für ihn als Nigger mit etwas Englisch war es leichter, sich über die Grenze nach den States zu schmuggeln als für einen Weißen, der gut Englisch sprechen konnte. Er war der einzige, der offen erklärte, daß er Baumwolle pflücken als die schönste und einträglichste Arbeit betrachte. Dann war noch der kleine Nigger da, Abraham aus New-Orleans. Er hatte ein schwarzes Hemd an. Weil nun seine Hautfarbe ebenso schwarz war wie das Hemd, konnte man nicht so recht erkennen, wo die letzten Ueberreste des Hemdes waren und wo die Haut war, die bedeckt werden sollte. Er als einziger hatte eine Mütze, wie sie von den Heizern und Maschinenschmierern auf den amerikanischen Schiffen getragen wird. Dann trug er eine weiß- und rotgestreifte Leinenhose, Lackhalbschuhe und weiße Baumwollstrümpfe. Er hatte kein Bündel, sondern trug einen Kaffeekessel und eine Bratpfanne an einem Bindfaden über der Schulter und in einem kleinen Säckchen seinen Bedarf an Lebensmitteln. Abraham war der echte, dummschlaue, gerissene, freche und immer lustige amerikanische Nigger der Südstaaten. Er hatte eine Mundharmonika, mit der er uns das blöde „^Yes, we have no bananas^“ so lange vorspielte, bis wir ihn am zweiten Tage weidlich verprügeln mußten, um damit vorläufig nur zu erreichen, daß er es wenigstens nur sang oder pfiff und dazu, während des Marsches, tanzte. Er stahl wie ein Rabe und log – der Vergleich war von Gonzalo, ich weiß nicht, ob der Vergleich richtig ist – und log wie ein Dominikanermönch. Am dritten Abend des Marsches erwischten wir ihn, wie er einen dicken Streifen getrocknetes Rindfleisch, das Antonio gehörte, stahl. Wir nahmen ihm den Raub wieder ab, bevor er ihn in der Pfanne hatte, und wir erklärten ihm ganz ernsthaft, daß, wenn wir ihn noch einmal beim Stehlen ertappten, wir Buschrecht an ihm ausüben würden. Wir würden eine Gerichtssitzung abhalten und ihn dann nach gefälltem Urteil mit der Schnur, die sein Couleurbruder Charly um sein Bündel geschnürt habe, am nächstbesten Mahagonibaum aufhängen mit einem Zettel auf der Brust, wofür er gehängt sei. Da sagte er ganz frech, wir sollten ja nicht versuchen, ihn auch nur anzutasten, er sei amerikanischer Bürger, „^native born^“, und wenn wir ihm nur das allergeringste Leid täten, so würde er das an die Regierung nach Washington berichten, und die würde dann mit einem Kanonenboot und dem Sternenbanner kommen und ihn blutig rächen; er sei ein freier Bürger „^of the States^“ und das könne er durch „^c’tificts^“ beweisen, und als solcher habe er das Recht, vor ein ordentliches Gericht gestellt zu werden. Als wir ihm nun erklärten, daß wir ihm keine Zeit lassen und keine Gelegenheit geben würden, nach Washington einen Bericht zu schicken, und daß wir auch nicht glaubten, daß ein amerikanisches Kanonenboot mit dem Sternenbanner in den Busch fahren würde, sagte er: „^Well, gentlemen sirs^, berühren Sie mich nur mit der Fingerspitze, dann werden Sie sofort erleben, was geschieht.“ Wir erwischten ihn auch richtig einige Tage später, wie er dem Chink eine Büchse Milch stahl und frech erklärte, es sei seine eigene, er habe sie in Guadalajara im American Store gekauft. Er wurde daraufhin so windelweich gedroschen, daß er keinen Finger krumm machen konnte, um nach Washington zu schreiben. Bei uns hat er denn nicht mehr gestohlen, und was er bei umliegenden Farmern zusammenstahl, ging uns nichts an. Dann war ich noch, Gerard Gale, über den ich weniger zu berichten weiß, da ich mich in der Kleidung von den übrigen nicht unterschied, und zum Baumwollepflücken, welche zeitraubende und schlecht bezahlte Arbeit ich kannte, auch nur ging, weil eben keine andere Beschäftigung zu haben war und ich bitter notwendig ein Hemd, ein paar Schuhe und eine Hose brauchte. Vom Althändler! Denn vom Neuhändler sie zu kaufen, dazu hätte selbst die Arbeit von vierzehn Wochen auf einer Baumwollfarm nicht gelangt. Ich war der einzige, der keine Strümpfe trug, weil ich keine hatte. Eine Jacke besaßen nur der Chink und Antonio. Warum Antonio den Fetzen eigentlich „seine Jacke“ nannte, ist mir nie klar geworden. Sie mag vielleicht einmal in weit zurückliegenden Zeiten, lange vor der Entdeckung Amerikas, die Aehnlichkeit mit einer Jacke gehabt haben. Das will ich nicht bestreiten. Aber heute sie Jacke zu nennen, war nicht Uebertreibung, sondern sündiger Hochmut, für den Antonio dereinst wird büßen müssen. 4. Wir wanderten lustig darauf los. Ueber uns die glühende Tropensonne, zu beiden Seiten neben uns der undurchdringliche und undurchsichtbare Busch. Der ewig jungfräuliche tropische Busch mit seiner unbeschreiblichen Mystik, mit seinen Geheimnissen an Tieren der phantastischsten Art, mit seinen traumhaften Formen und Farben der Pflanzen, mit seinen unerforschten Schätzen an wertvollen Steinen und kostbaren Metallen. Aber wir waren keine Forscher und wir waren auch keine Gold- oder Diamantengräber. Wir waren Arbeiter und hatten mehr Wert auf den sicheren Arbeitslohn zu legen als auf den unsicheren Millionengewinn, der vielleicht links oder rechts von uns im Busch verborgen lag und auf den Entdecker wartete. – Die Sonne stand schon sehr tief, und es mußte ungefähr fünf Uhr sein. Wir sahen uns deshalb nach einem Lagerplatz um. Bald fanden wir eine Stelle, wo seitlich in dem Busch hinein hohes Gras stand. Wir rissen soviel von dem Gras aus, wie wir Platz zum Lagern brauchten. Dann zündeten wir ein Feuer an und brannten den Rest des Grases nieder, wodurch wir uns Ruhe vor Insekten und kriechendem Getier für die Nacht verschafften. Eine frisch gebrannte Grasfläche ist der beste Schutz, den man haben kann, wenn man nicht mit den Ausrüstungsstücken eines Tropenreisenden wandert. Ein Kampfeuer hatten wir, aber es gab nichts zum Kochen, denn wir hatten kein Wasser. Da kam der Chink mit einer Literflasche voll kaltem Kaffee hervor. Wir wußten nichts davon, daß er einen so wertvollen Stoff mit sich führte. Er machte den Kaffee heiß, und bereitwillig bot er uns allen zu trinken an. Aber was ist ein Liter Kaffee für sechs Mann, die ohne einen Schluck Wasser zu haben einen halben Tag in der Tropensonne gewandert sind, vor morgen früh um sieben oder acht Uhr ganz bestimmt auch nichts Trinkbares haben werden und vielleicht die nächsten 36 Stunden genau so wenig Wasser finden werden, wie sie heute nachmittag gefunden haben! Der Busch ist das ganze Jahr hindurch grün, aber Wasser findet man dort nur in der Regenzeit an günstigen Stellen, wo sich Tümpel bilden können. Nur wer selbst im tropischen Busch gewandert ist, weiß, was für ein Opfer es war, das der Chink uns bot. Aber keiner sagte „Danke!“; jeder betrachtete es als selbstverständlich, daß der Kaffee in Teile ging. Wahrscheinlich hätten wir es genau so selbstverständlich gefunden, wenn der Chink den Kaffee allein getrunken hätte. Nach einem halben Tag Wanderung in wasserlosem Landstrich raubt man noch nicht für einen Becher Kaffee; aber am dritten Tage beginnt man ernsthaft Mord zu sinnen im Busch für eine kleine rostige Konservenbüchse voll stinkender Flüssigkeit, die man Wasser nennt, obgleich sie keine andere Aehnlichkeit mit Wasser hat, als daß sie eben Flüssigkeit ist. Antonio und ich hatten etwas hartes Brot zu knabbern. Gonzalo hatte vier Mangos und der große Nigger einige Bananen. Der kleine Nigger aß irgendwas ganz verstohlen. Was es war, weiß ich nicht. Der Chink hatte ein Stück Zelttuch, daß er über seinen Schlafplatz spannte. Dann wickelte er sich in ein großes Handtuch ein, auch den Kopf, und begann zu schlafen. Gonzalo hatte seine schöne Decke, in die er sich einrollte, so daß er wie ein Baumstamm aussah. Ich wickelte mir den Kopf in einen zerlumpten Lappen ein, den ich stolz „mein Handtuch“ nannte, und schlief los. Wie sich die übrigen einrichteten, weiß ich nicht, weil die noch lange um das Feuer herumsaßen und rauchten und schwatzten. – Vor Sonnenaufgang waren wir schon wieder auf dem Marsche. Abzukochen gab es nichts, und waschen brauchte man sich auch nicht. Denn womit hätte man es tun sollen? Der Weg durch den Busch war weite Strecken hindurch schon wieder zugewachsen. Der Nachwuchs der jungen Bäume reichte uns oft bis über die Schultern, und der Grund war mit Kaktusstauden so dicht bewachsen, daß diese stachligen Pflanzen zuweilen beinahe die ganze Breite des Weges einnahmen. Meine nackten Unterschenkel waren bald so zerschnitten, als wenn sie durch eine Hackmaschine gezogen worden wären. Gegen mittag kamen wir an eine Stelle, wo sich rechts des Weges ein Stacheldrahtzaun hinzog, der uns die Gewißheit gab, daß hier eine Farm liegen müsse. Als wir etwa zwei Stunden lang, immer den Stacheldrahtzaun zur rechten Hand, gewandert waren, kamen wir an eine weite offene Stelle im Busch, die mit hohem Gras bewachsen war. Als wir den Platz absuchten, fanden wir auch eine Zisterne. Aber sie war leer. Einige morsche Pfähle, alte Konservenbüchsen, verrostetes Blech und ähnliche Ueberbleibsel einer menschlichen Behausung zeigten uns eine verlassene Farm. Ueber eine solche Enttäuschung muß man rasch hinwegkommen. Farmen werden hier gegründet, zehn, auch zwanzig Jahre lang bewirtschaftet und dann aus irgendeinem Grunde plötzlich aufgegeben. Fünf Jahre später, oft schon früher, ist kein Zeichen mehr davon vorhanden, daß hier jemals Menschen gelebt und gearbeitet haben. Es erweckt den Anschein, als seien es hundert Jahre her, seit jemand hier gelebt hat. Der tropische Busch begräbt rascher, als Menschen können; er kennt keine Erinnerung, er kennt nur Gegenwart und Leben. Aber um vier Uhr kamen wir doch an eine lebende Farm. Hier wohnte eine amerikanische Familie. Ich wurde im Hause gut bewirtet und fand auch ein Lager innerhalb des Hauses. Die übrigen als Nichtweiße, wurden auf der Veranda beköstigt und durften in einem Schuppen übernachten. Sie bekamen alle reichlich zu essen, aber ich war der eigentliche Gast. Mir wurde aufgetischt, wie eben nur in einem so menschenarmen Lande einem Weißen von weißen Gastgebern aufgetischt werden kann. Drei verschiedene Fleischgänge, fünf verschiedene Beigerichte, Kaffee, Schokolade und abends heißen Kuchen. Am nächsten Morgen bekamen wir alle ein reichliches Frühstück; ich am Tische des Farmers. Der Farmer hatte genügend leere Flaschen, und so bekamen wir jeder einzelne eine Literflasche kalten Tee mit auf den Weg. Er kannte Mr. Shine und sagte uns, daß wir noch etwa sechzig Kilometer zu marschieren hätten. Kein Wasser am ganzen Weg; die Straße an verschiedenen Stellen kaum noch erkennbar, weil sie seit drei Jahren nicht mehr benutzt worden sei. Um 9 Uhr hatte der kleine Nigger Abraham seinen Tee schon ausgetrunken und die Flasche fortgeworfen. Es war ihm zu lästig, sie zu tragen. Wir erklärten ihm, daß er unter diesen Umständen von uns nichts zu erwarten habe, und wenn er versuchen sollte, auch nur einen Schluck zu stehlen, würden wir ihn braun und blau schlagen. An diesem Abend im Lager war es, wo Abraham zwar keinen Tee stahl, aber jenen Streifen getrocknetes Rindfleisch, das Antonio gehörte. Da sich unsere Drohung nur auf Tee bezog, ließen wir ihn laufen mit der Warnung, daß von nun an jeder Raub in unsere Drohung einbegriffen sei. Den folgenden Tag gegen Mittag kamen wir bei Mr. Shine an. 5. Mr. Shine empfing uns mit einer gewissen Freude, weil er nicht genügend Leute zum Baumwolle pflücken hatte. Mich nahm er persönlich ins Gebet. Er rief mich ins Haus und sagte mir: „Was! Sie wollen auch Baumwolle pflücken?“ „Ja,“ sagte ich, „ich muß, ich bin vollständig „^broke^“, das sehen Sie ja, ich habe nur Fetzen am Leibe. Arbeit ist in den Städten keine zu haben. Alles ist überschwemmt mit Arbeitslosen aus den States, wo die Verhältnisse augenblicklich auch nicht rosig zu sein scheinen. Und wo man wirklich Arbeiter braucht, nimmt man lieber Eingeborene, weil man denen Löhne zahlt, die man einem Weißen nicht anzubieten wagt.“ „Haben Sie denn schon mal gepflückt?“ fragte er. „Ja,“ antwortete ich, „in den States.“ „Ha!“ lachte er, „das ist ein ander Ding. Da können Sie etwas dabei werden.“ „Ich habe auch ganz gut dabei verdient.“ „Das glaube ich Ihnen. Die zahlen viel besser. Die können’s auch. Die kriegen ganz andere Preise als wir. Könnten wir unsere Baumwolle nach den States verkaufen, dann würden wir noch bessere Löhne zahlen; aber die States lassen ja keine Baumwolle hinein, um die Preise hochzuhalten. Wir sind auf unsern eigenen Markt angewiesen, und der ist immer gleich gepackt voll. Aber nun Sie! Ich kann Sie weder beköstigen, noch in meinem Hause unterbringen. Aber ich brauche jede Hand, die kommt. Ich will Ihnen etwas sagen; ich zahle sechs Centavos für das Kilo. Ihnen will ich acht zahlen, sonst kommen Sie auf keinen Fall auf das, was die Nigger machen. Selbstverständlich brauchen Sie das den andern nicht erzählen. Schlafen könnt Ihr da drüben in dem alten Hause. Das habe ich gebaut und mit meiner Familie zuerst darin gewohnt, bis ich mir das neue hier leisten konnte. Well, das ist dann abgemacht.“ Das Haus, von dem der Farmer gesprochen hatte, lag etwa fünf Minuten entfernt. Wir machten uns dort häuslich, so gut wir konnten. Das Haus, aus Brettern leicht gebaut, hatte nur einen Raum. Jede der vier Wände hatte je eine Tür, die gleichzeitig als Fenster diente. Der Raum war vollständig leer. Wir schliefen auf dem bloßen Fußboden. Ein paar alte Kisten, die vor dem Hause herumlagen, im ganzen vier, benutzten wir als Stühle. Dicht bei dem Hause war eine Zisterne, die Regenwasser enthielt, das ungefähr sieben Monate alt war und von Kaulquappen wimmelte. Ich berechnete, daß etwa 120 Liter Wasser in der Zisterne seien, mit denen wir sechs Mann sechs bis acht Wochen auskommen mußten. Der Farmer hatte uns schon gesagt, daß wir von ihm kein Wasser bekommen könnten, er wäre selbst sehr kurz mit Wasser dran und habe noch sechs Pferde und vier Maultiere zu tränken. Waschen konnten wir uns einmal in der Woche, und hatten dann noch zu je drei Mann dasselbe Waschwasser zu gebrauchen. Es sei aber immerhin möglich, fügte er hinzu, daß es in dieser Jahreszeit alle vierzehn Tage wenigstens einmal zwei bis vier Stunden regnen könne, und wenn wir die Auffangrinnen reparierten, könnten wir tüchtig Wasser ansammeln. Außerdem sei ein Fluß nur etwa drei Stunden entfernt, wo wir baden gehen könnten, falls wir Lust dazu hätten. Vor dem Hause richteten wir ein Lagerfeuer ein, zu dem uns der nahe Busch das Holz in reicher Menge hergab. Auf die recht nebelhafte Möglichkeit bin, daß es vielleicht innerhalb der nächsten drei Wochen regnen könnte, wuschen wir uns zunächst einmal in einer alten Gasolinbüchse. Seit drei Tagen hatten wir uns nicht gewaschen. Ich rasierte mich. Es mag mir noch so dreckig gehen, ein Rasiermesser, einen Kamm und eine Zahnbürste habe ich immer bei mir. Auch der Chink rasierte sich. Da kam Antonio auf mich zu und bat mich um mein Rasiermesser. Er hatte sich seit beinahe drei Wochen nicht rasiert und sah aus wie ein fürchterlicher Seeräuber. „Nein,“ sagte ich, „lieber Antonio, Rasierzeug, Kamm und Zahnbürste verpumpe ich nicht.“ Und der Chink, mutig gemacht durch meine Weigerung, sagte lächelnd, daß sein schwaches Messer bei diesem starken Bart sofort stumpf würde und er hier keine Gelegenheit habe, es schleifen zu lassen. Antonio gab sich mit diesen beiden Weigerungen zufrieden. Wir kochten unser Abendessen, ich Reis mit spanischem Pfeffer, der andere schwarze Bohnen mit Pfeffer, der nächste Bohnen mit getrocknetem Rindfleisch, ein vierter briet einige Kartoffeln mit etwas Speck. Da wir am nächsten Morgen schon um vier Uhr zur Arbeit gingen, bereiteten wir auch noch unser Brot für den nächsten Tag, das wir in Pfannen buken. Als wir gegessen hatten, hängten wir unsere armseligen Lebensmittel an Bindfaden an den Querbalken im Hause auf, weil uns die Ameisen über Nacht sonst alles fortgeholt hätten, wenn wir diese Vorsorge nicht getroffen hätten. Etwas nach 6 Uhr ging die Sonne unter. Eine halbe Stunde später war rabenschwarze Nacht. Glühwürmchen, mit Lichtern so groß wie Haselnüsse, flogen um uns her. Wir krochen in unser Haus, um zu schlafen. Der Chink war der einzige, der ein Moskitonetz hatte. Wir andern wurden von dem Viehzeug gräßlich geplagt und schimpften und wüteten, als ob sich die Gesandten einer Hölle etwas daraus machen würden. Die beiden Nigger, die Seite an Seite schliefen, sich vor dem Einschlafen entsetzlich zankten und sich Backpfeifen anboten, schienen von den Biestern nicht gestört zu werden. Ich entschloß mich, diese Qual für die eine Nacht zu erdulden, aber morgen für irgendeine Abhilfe zu sorgen. Noch vor Sonnenaufgang waren wir auf den Beinen. Jeder kochte sich etwas Kaffee, aß ein kleines Stückchen Brot dazu, und fort ging es im halben Trab. Das Baumwollfeld war drei Viertelstunden entfernt. Der Farmer und seine zwei Söhne waren schon dort. Wir bekamen jeder einen alten Sack, den wir uns umhängten, und dann ging es an die Arbeit. Jeder nahm eine Reihe. Wenn die Baumwolle schön reif ist und man den Griff erst weg hat, bekommt man jede Frucht mit einem einzigen Griff. Aber da die Knollen, die ähnlich aussehen wie die Hüllen der Kastanien, nicht alle die gleiche Reife haben, muß man doch bei der Hälfte einige Male zupfen, ehe man den Inhalt in den Sack tun kann. Dazu muß man sich auch noch unaufhörlich bücken, weil die Früchte nicht alle in bequemer Höhe am Strauch hängen, sondern oft bis dicht über dem Boden wachsen. Je weiter es gegen Mittag geht, je höher steht die Sonne und je mühseliger wird die Arbeit. Man trägt nichts weiter am Leibe als Hut, Hemd, Hose und Schuhe, aber der Schweiß rinnt in Strömen an einem herab; und sehr kleine lästige Fliegen, die einem unausgesetzt in die Ohren kriechen, machen einem das Leben recht schwer. Kommt ein leichter Wind auf, geht es noch; aber bei völliger Windstille wird die Qual mit jeder Stunde größer. Gegen 11 Uhr, nach beinahe siebenstündiger ununterbrochener Arbeit, kann man nicht mehr. Wir suchten den Schatten einiger Bäume auf, die mehr als 20 Minuten entfernt waren. Wir aßen unser trockenes Pfannenbrot, das, bei mir wenigstens, ganz verbrannt war, und legten uns dann hin, um zwei Stunden zu schlafen, bis die Sonne anfängt, wieder abwärts zu wandern. Wir bekamen furchtbaren Durst, und ich ging zum Farmer, um ihn um Wasser zu ersuchen. „Es tut mir leid, ich habe keins. Ich sagte Ihnen doch schon gestern, daß ich selber sehr kurz mit Wasser bin. Gut, heute will ich Ihnen noch etwas geben, von morgen ab müßt Ihr Euch Euer Wasser selbst mitbringen.“ Er schickte einen seiner Söhne mit dem Pferde nach Hause, der dann bald mit einer Kanne Regenwasser zurückkam. Baumwolle ist teuer. Das lernt jeder bald, wenn er sich einen Anzug, ein Hemd, ein Handtuch, ein Paar Strümpfe oder nur ein Taschentuch kauft. Aber der Baumwollpflücker, der wohl die härteste und qualvollste Arbeit für die Kleidung leistet, die ein König, ein Milliardär oder ein einfacher Landmann trägt, hat an dem hohen Preis des Anzuges den allergeringsten Anteil. Für ein Kilogramm Baumwollepflücken bekamen wir sechs Centavos, ich ausnahmsweise acht. Und ein Kilogramm Baumwolle ist beinahe ein kleiner Berg, den zu schaffen man unter ständigem Bücken in der mitleidlosen Tropensonne 200 bis 500 Knollen auszupfen muß. Dazu eine Nahrung, die als die allerbescheidenste angesehen werden darf, von der Menschen irgendwo auf Erden leben. Den einen Tag schwarze Bohnen mit Pfeffer, den nächsten Tag Reis mit Pfeffer, den übernächsten wieder Bohnen, dann wieder Reis; dazu Brot, selbst gebacken aus Weizen- oder Maismehl, entweder kleistrig oder zu Kohle verbrannt, Monate altes, abgestandenes Regenwasser, Kaffee gekocht aus selbstgebrannten Kaffeebohnen auf einem Stein zerrieben und den Kaffee gesüßt mit einem billigen, übelriechenden, schwarzbraunen Rohzucker in kleinen Kegeln. Das Salz, das man verwendet, ist Seesalz, das man sich selbst vor dem Gebrauch erst reinigen muß. Ein paar Kilogramm Zwiebeln in der Woche hinzugekauft ist bereits Delikatesse, und ab und zu ein Streifen getrocknetes Fleisch ein Luxus, der, wenn man ihn sich zu oft leistet, vom Lohn nicht einmal das Reisegeld bis zur nächsten Stadt, wo man neue Arbeit finden könnte, übrig läßt. Bei sehr fleißiger Arbeit verdient man in einer Woche gerade so viel, daß man sich, wenn man keinen Centavos für Essen ausgibt, das billigste Paar Schuhe kaufen kann, das man im Laden vorfindet. Der Baumwollfarmer verursacht auch nicht immer die hohen Preise der Fertigware. Er ist oft tief verschuldet und kann in den meisten Fällen die Pflückerlöhne nur auszahlen, wenn er auf die Ernte einen Vorschuß nimmt. 6. Um 4 Uhr nachmittags machten wir Schluß, um noch bei Tageslicht „nach Hause“ zu kommen und unser Essen zu kochen. Ich quartierte aus. In der Nähe des Hauses, nur etwa 200 Meter entfernt, hatte ich eine Art Unterstand entdeckt. Welchen Zwecken er diente oder gedient haben mochte, wußte ich nicht. Er hatte ein Dach aus Wellblech, aber keine Wände, es wäre denn, daß man einige Baumstämme, die an der einen Seite gegen das Dach gelehnt waren, als Wand bezeichnen will. In diesem Unterstand war eine Art Tisch. Es waren vier Pfähle in die Erde gerammt und auf den Pfählen lagen ein paar Platten Wellblech. Diesen Unterstand wählte ich als Behausung und den Tisch als Bett. Der große Nigger wollte den Unterstand mit mir teilen. Er kam hin, sah sich die Sache an und es gefiel ihm. Plötzlich rief er: „^A snake! A snake!^“ „Wo?“ fragte ich. „Da, dicht vor Ihren Füßen.“ Richtig, da wand sich eine Schlange auf dem Boden hin, eine feuerrote, etwa einen Meter lang. „Macht nichts,“ sagte ich, „die wird mich nicht gleich auffressen, die Moskitos sind schlimmer.“ Der Nigger zog wieder ab. Nach einer Weile kam Gonzalo. Die rote Schlange war inzwischen verschwunden. Es gefiel ihm sehr, und er fragte mich, ob ich etwas dagegen habe, wenn er auch hier schliefe. „Nein,“ sagte ich, „schlafen Sie ruhig hier, mir ist das ganz egal.“ Da starrte er auf den Boden. Ich folgte seinem Blick. Es war wieder eine Schlange. Diesmal eine schöne grüne. „Ich will doch lieber im Hause schlafen,“ sagte nun Gonzalo, „ich mag Schlangen nicht.“ Ich mache mir nichts aus Schlangen. So leicht würden sie ja wohl kaum auf den Tisch kommen; und wenn sie sich wirklich hinaufringeln sollten, was sie zuweilen tun, so werden sie ja nicht gleich beißen, und wenn sie beißen sollten, so werden sie ja nicht gleich giftig sein. Wären sie alle giftig, und würden sie alle einen schlafenden Menschen, der ihnen nichts zu leide tut, beißen, wäre ich längst nicht mehr am Leben. Da dieser Unterstand höher lag als das Haus, keine Wände hatte, jedem kleinen Windzug freieren Durchgang ließ, in der Nähe auch kein Strauchwerk war und er weit genug von der Zisterne und dem ausgetrockneten Tränkepfuhl entfernt war, hatte ich hier in der Tat beinahe gar nicht von den Moskitos zu leiden. Am nächsten Morgen kamen noch etwa zwölf Eingeborene zur Mitarbeit. Die wohnten ziemlich weit entfernt in irgendeinem Dorfe, das irgendwo im Busch liegen mochte. Sie kamen auf Maultieren geritten; manche hatten weder Sattel noch Steigbügel. Andere hatten wohl einen Holzsattel, aber keinen Zaum; an Stelle des Zaumes war den Tieren ein Strick um das Maul gebunden. Diese Leute waren an die Feldarbeit in den Tropen besser gewöhnt als wir, die wir, mit Ausnahme des großen Niggers, alle Städter waren. Aber sie schafften viel weniger als wir und mußten eine viel längere Mittagspause machen. Jedoch das ging uns nichts an, und darüber nachzudenken, lohnte sich auch nicht recht. Am Samstag kriegten wir ausbezahlt. Wir ließen uns von den paar Kröten, die wir in so mühseliger Arbeit verdient hatten, gerade so viel geben, wie wir brauchten, um Lebensmittel für die nächste Woche einzukaufen. Den Rest ließen wir beim Farmer stehen, denn auch nur einen Nickel in der Tasche zu haben ist nichts als Versuchung für den andern. Selbstverständlich arbeiteten wir Sonntags auch. Der brachte dann knapp ein Kilo Speck ein oder fünf Kilo Kartoffeln; weil wir an dem Tage schon um drei Uhr Schluß machten, um uns wenigstens einmal in der Woche waschen zu können und das verschwitzte Zeug, das man Tag und Nacht auf dem Leibe hatte, durchs Wasser zu ziehen. Der Chink und Antonio waren in den nächsten Laden gegangen, der etwa drei und eine halbe Stunde entfernt lag, um für uns alle das einzukaufen, was wir ihm jeder auf ein Maisblatt aufgeschrieben hatten. Die Hieroglyphen, die auf jenen Maisblättern standen, waren nur für die Einkäufer zu entziffern, denen wir mündlich die Bedeutung der phantastischen Zeichen ausführlich hatten erklären müssen. Den nächsten Sonntag hatten dann ich und Abraham einkaufen zu gehen. Aber an diesem Sonntag war Abraham schon um zwei Uhr von der Plantage verschwunden. Er war mit seinem Sack Baumwolle zur Wage gegangen und nicht zurückgekommen. Als wir zum Hause kamen, waren Sam und Antonio schon mit den Gütern angelangt. „Eine elende nichtswürdige Schlepperei“, sagte Antonio. „Ach, das war nicht so schlimm!“ begütigte Sam. „Ruhig, du gelber Heidensohn, du natürlich mit deiner Lastträgervergangenheit, was verstehst du von Schleppen?“ rief Antonio, während er sich auf die Kiste hinsetzte, die auch noch unter ihm zusammenbrach und seine Laune durchaus nicht besserte. „Hören Sie, Antonio, warum haben Sie denn nicht Mr. Shine um ein Mula oder einen Esel gebeten?“ fragte ich. „Aber das habe ich ja getan. Er hat es abgelehnt. Er sagte zu mir und Sam: Wie kann ich euch denn ein Mula geben? Ich kenne euch ja gar nicht, ihr habt ein paar Tage bei mir gearbeitet, Sachen habt ihr keine, Papiere habt ihr auch keine und wenn ihr welche hättet, kann ich mir für eure Papiere, die vielleicht noch nicht einmal euch gehören, kein anderes Mule kaufen, wenn ihr es im nächsten Ort verschachert und euch dann hier nicht mehr sehen laßt.“ „Von seinem Standpunkt aus hat er recht,“ erwiderte ich, „aber von unserm Standpunkt aus gesehen, ist es eine große Niedertracht. Aber was können wir machen?“ Und gerade jetzt, wo wir schön im Zuge waren, das Lieblingsthema aller Arbeiter der Erde anzuschlagen und uns den ungerechten Zustand in der Welt, der die Menschen in Ausbeuter und Ausgebeutete, in Drohnen und Enterbte teilt, mit mehr Lungenkraft als Weisheit klar zu machen, kam Abraham an mit sechs Hennen und einem Hahn, die er an den Füßen zusammengebunden hatte und ihre Köpfe nach unten hängen lassend, an einem Bindfaden über der Schulter trug. Er warf das Bündel auf die Erde, wo die Vögel sich vergeblich mühten, aufzustehen oder von den Fesseln loszukommen. „So, Fellers“, grinste er, „jetzt könnt ihr Eier von mir haben. Ich lasse euch das Stück für sieben Centavos, billig, weil ihr ja meine Arbeitskollegen seid. In der Stadt kosten die Eier siebenundeinhalb, sogar acht.“ Wir starrten bald das Bündel Hühner, bald den grinsenden Abraham an. An ein solches Geschäft hatte keiner von uns gedacht und es lag doch so nahe, war so einfach, verlangte absolut keine besondere Intelligenz; jeder von uns hätte das ebenso gut machen können. Sam Woe empfand keinen Neid, keine Eifersucht, nur Bewunderung für den unternehmungslustigen Geflügelzüchter; jedoch er schämte sich, daß er sich von einem Nigger beim Ausdenken einer ehrlichen Nebeneinnahme hatte schlagen lassen. Vor unsern Augen, nicht einmal über Nacht, sondern über drei Nachmittagsstunden war aus einem Enterbten und Ausgebeuteten ein Produzent, ein Unternehmer geworden. Er hatte sich von seinem Lohn die Hühner gekauft, wir Lebensmittel. Er hatte keine Lebensmittel mitbringen lassen und wir hatten uns schon vorbereitet, wie wir ihm das Stehlen, auf das er unter diesen Umständen angewiesen war, unmöglich machen wollten. Aber er hatte uns übertrumpft. Er lieferte Eier und tauschte dafür an Reis und Bohnen ein, was er brauchte. Träte nun der Fall ein, daß wir seine Produkte boykottierten, so konnte er ja den Hahn schlachten, vielleicht noch ein Huhn, bis er wieder Lohn bekam. Am nächsten Morgen hatte Abraham vier Eier. Das Geschäft konnte beginnen. Eier betrachteten wir noch als größeren Luxus denn Speck oder Fleisch. Aber jetzt, wo die Eier so verlockend nahe zur Hand waren, viel schneller zubereitet werden konnten als irgendeine andere Speise und uns dadurch eine Möglichkeit gegeben war, zum Frühstück etwas anderes und Kräftigeres in den Magen zu bekommen als den dünnen Kaffee und ein schmales Stückchen verbranntes Brot, wollten und konnten wir auf Eier nicht mehr verzichten. Wir sahen plötzlich ein, daß wir ohne Eier noch vor Beendigung der Ernte an Unterernährung zugrunde gehen würden und wenn wir je wirklich die Ernte überlebten, so würden wir doch so entkräftet sein, daß uns niemand in Arbeit nehmen würde. Die Sklaven wurden immer, so erzählte Abraham, der es von seinem Großvater wußte, in gutem Ernährungszustande gehalten, wie Pferde; um den Ernährungszustand der freien Arbeiter kümmerte sich kein Mensch. Wenn sie zu schlecht ernährt waren, weil der Lohn für eine bessere Ernährung nicht reichte, flogen sie raus. Solche merkwürdigen Ansichten, die natürlich keine wissenschaftliche Grundlage hatten und auch ganz und gar unrichtig waren, brachte Abraham vor, nur um seinen Eiern einen regen und dauernden Absatz zu sichern. Uns leuchtete eine solche Betrachtung menschlicher Verhältnisse um so mehr ein, als es ja gerade Abraham gewesen war, der uns gestern mitten in jener regen Auseinandersetzung unterbrochen hatte, die uns ohne Zweifel, wenn auch nicht auf dem Wege über Eier, zu genau derselben Schlußbetrachtung der Welt geführt hätte. Außerdem stundete uns Abraham gutmütig den Betrag für gelieferte Eier bis zum nächsten Lohntage. Er tat es nur aus Gutmütigkeit und weil er nicht wollte, daß wir, seine lieben Arbeitskameraden, im späteren Leben, also nach der Ernte, wegen Unterernährung Schiffbruch erleiden sollten. Nach drei Tagen konnten wir nicht mehr verstehen, wie wir es überhaupt jemals fertig gebracht hatten, ohne Eier auszukommen. Es gab Eier zum Frühstück, es wurden Eier zum Mittagessen mitgenommen und abends gab es erst recht Eier, wir backten Eier sogar ins Brot, nur um die nötige Arbeitskraft für unser ferneres Leben zu erhalten. Abraham verstand die Geflügelzucht, das muß man ihm lassen. Er fütterte seine Hühner reichlich mit Mais. Jeden zweiten Abend mit Dunkelwerden machte er sich auf den Weg mit einem Sack, um bei den Farmern Mais einzukaufen. Manchmal ging er schon um drei Uhr vom Felde heim, um seine Hühner gut zu versorgen. Vom Mais einkaufen kam er aber immer erst zurück, wenn wir schon längst schliefen. Die sechs Hühner und der eine Hahn, als ob sie unseren Bedarf schon im voraus kannten, taten das Menschenmögliche, nein, Hühnermögliche, um uns vor der drohenden Unterernährung zu schützen. Und für den reichlich gelieferten Mais lieferten sie als gerechte Gegenleistung mehr als sonst eine Henne zu liefern sich verpflichtet fühlt. Am ersten Morgen hatten die Hühner, wie schon berichtet, vier Eier gelegt, am zweiten Morgen sieben und als wir bezweifelten, daß dies möglich sei, führte uns Abraham am darauffolgenden Morgen zu den drei alten Schilfkörben, die er für den Zweck aufgehängt hatte und gestattete uns, selbst nachzuzählen. Wir zählten an diesem dritten Morgen siebzehn Eier, die von den Hühnern über Nacht gelegt worden waren. Da wir die Eier persönlich bei Sonnenaufgang gesehen und persönlich gezählt hatten, zweifelten wir von dem Tage an nicht mehr an der Zahl der von Abrahams Hühnern gelegten Eier, obgleich er uns eines Morgens, freudestrahlend, als hätte er in der Lotterie gewonnen, mitteilen konnte, daß die Hühner achtundzwanzig Eier über Nacht gelegt hatten. Uns war es ja gleichgültig, wie Abraham seine Hühner behandelte, um solche Resultate zu erzielen. Als Sam Woe eines Tages erklärte, bei ihm zu Hause wisse man auch aus einer Krume Erde oder aus einer Henne herauszuholen, was nur überhaupt ein Gott sonst noch herausquetschen könne, aber das hätten sie daheim doch noch nicht geschafft, da fuhr ihm der Nigger gleich übers Maul: „Ihr seid eben Esel, Ihr versteht die rationelle Geflügelzucht ebenso wenig wie hier herum die ganzen Farmer, die noch größere Esel sind, als Ihr seid. Aber wir in Louisiana, wir verstehen, Hühner zu behandeln. Ich habe es von meiner Großmutter gelernt. Es hat viel Prügel gesetzt, ehe ich es begriffen habe; aber jetzt kommt auch kein noch so tüchtiger Farmer gegen mich mehr auf, wenn ich in der Nähe eine Geflügelzucht betreibe und einmal zeige, wie man Hühner rentabel macht.“ 7. Wir aßen die Eier nur. Aber die Eier rächten sich: sie fraßen. Sie fraßen an unserm Lohn so gierig, daß niemand sein gestecktes Ziel erreichen konnte, sei es ein neues Hemd, eine neue Hose oder eine Fahrkarte nach einer Stadt mit besserer Arbeitsgelegenheit. Auch Sam Woe, dessen Landsleuten sehr zu Unrecht nachgesagt wird, daß sie sich lieber den Finger abbeißen als Geld für etwas Ueberflüssiges auszugeben, hatte ein ganz nettes Sümmchen für Eier bei Abraham stehen. Ich glaube aber doch, daß er bei jedem Ei, das er aß, immer bedauerte, daß er nicht der Lieferant sei. So vergingen zwei weitere Wochen. Verglichen mit der ersten Woche lebten wir jetzt in Saus und Braus. Das taten die Eier und das tat eine Nacht mit fünfstündigem Wolkenbruch, der uns so gut mit Wasser versorgte, daß wir fürstlich schwelgen konnten. Freilich bedeutete dieser Regen einen halben Tag Verlust an Arbeitslohn. Das Feld war am Morgen so lehmig und schlammig, daß wir die Füße kaum herausziehen konnten. Erst gegen Mittag, als die Sonne die übliche Kruste gebrannt hatte, konnten wir wieder an die Arbeit gehen. Am dritten Lohntag sehen wir ein, daß wir mit dem Geld, das wir verdienten, nicht auskommen konnten. Wenn die Ernte vorüber sein wird, werden wir knapp zwei Wochen Lohn in der Hand haben. Ehe wir bis zur nächsten Stadt kommen und dort irgendeine Arbeitsgelegenheit finden würden, hätten wir genau so viel oder richtiger, so wenig übrig, als wenn wir nicht sechs Wochen, jede Woche zu sieben Tagen, in tropischer Sonnenglut von Sonnenaufgang bis beinahe Sonnenuntergang bei, trotz der Eier, allerbescheidenster Nahrung hart gearbeitet hätten. Denn außer für Essen und etwas Tabak gaben wir nichts aus. Es war auch keine Gelegenheit dazu. Der nächste Saloon, wo es Bier und Schnaps gab und wo man spielen konnte, war über drei Stunden entfernt. „Daran sind die verfluchten Eier schuld, daß wir für nichts geschuftet haben sollen!“ sagte Antonio am Abendfeuer, als wir unsere Lage überdachten. „Aber wir hätten sie doch nicht kaufen brauchen“, warf ich ein, „Abraham hat sie uns doch nicht aufgedrängt. Er hätte sie doch sammeln und Sonntags zum Laden bringen können.“ „Da hätte er aber mehr Arbeit davon gehabt“, sagte Gonzalo. In dem Augenblick kam Abraham gerade von seinem abendlichen Maiseinkauf zurück. Er warf den Sack auf die Erde und sagte: „Wovon ist denn die Rede? Vielleicht etwa gar von den Eiern? Ich habe sie doch ehrlich an euch abgeliefert, und frisch gelegt war jedes einzelne auch, da kann ich doch auch wohl ehrlich mein Geld verlangen, nicht wahr, Fellers? ^That so?^“ „Von Nichtbezahlen hat niemand gesprochen, wenn Sie nicht wissen, wovon und worüber geredet worden ist, dann halten Sie lieber Ihre Gosche“, sagte ich. „Nein“, sagte Antonio, „die Rede ist davon, daß, wenn wir nicht den Luxus mit den Eiern einstellen, wir hier die vielen Wochen umsonst gearbeitet haben.“ „Luxus nennt ihr das?“ rief Abraham entrüstet aus, „ja wollt ihr denn als Skelette rumlaufen, wenn die Ernte vorüber ist? Meinetwegen, ich kann meine Eier auch anderswo verkaufen. Also, jetzt kassiere ich. Antonio, Sie haben –“ Das interessierte mich nun gar nicht, wieviel jeder hatte und was jeder zu bezahlen haben mochte. Ich bezahlte meine Rechnung bei Abraham und ging dann nach meiner Behausung schlafen. Als ich unterwegs war, hörte ich wie Charly und Abraham in Wortwechsel gerieten. Der große Nigger behauptete, Abraham habe ihm drei Eier zuviel angerechnet. Abraham bestritt es und drängte auf richtige Bezahlung. Nach einer Weile Hin- und Herredens, wobei wieder sehr viel von Backpfeifen gesprochen wurde, mußte Charly zugeben, daß er sich geirrt habe und daß Abraham im Recht sei. In diesen Dingen, die das Geschäft unmittelbar betrafen, also Lieferung und Bezahlung, war Abraham unbedingt ehrlich. Des Abends vor dem Einschlafen nahm ich mir vor, diese Woche einmal ohne Eier auszukommen. Am Morgen, als ich zum Feuer ging, hörte ich Antonio schon rufen: „Wo sind denn heute morgen die Eier, du rabenschwarzer Yank? Ich will fünf haben.“ Abraham zählte seine Eier, die er in den Körben gesammelt hatte, mit einem Ernst und einer Sorgfalt, als ob er sie wirklich zum ersten Male in der Hand habe und nicht schon gestern abend genau gewußt hätte, wieviel Eier die Hühner über Nacht legen würden. Er tat, als habe er den Geschäftsauftrag Antonios nicht gehört. „Ja, Mensch, Nigger, hast du denn nicht gehört, fünf Eier will ich haben oder soll ich sie mir vielleicht selber nehmen?“ wütete jetzt Antonio. „Was denn“, sagte Abraham ganz unschuldig, „ich will euch doch nicht meine Eier aufdrängen und euch den sauer verdienten Wochenlohn aus der Tasche rauben. Spart das Geld lieber! Ihr könnt auch ganz gut ohne Eier auskommen. Ihr seid ja die ersten Tage auch ohne Eier fertig geworden.“ Das war ein ganz neuer Ton, den wir von Abraham bisher nie vernommen hatten. Wir empörten uns gegen eine solche Bevormundung unserer Lebensweise wie ein Mann. „Was fällt denn dir schwarzem Karnickel ein, mir vorzuschreiben, was ich essen und was ich nicht essen soll, ob ich mein Geld spare oder ob ich es da in die Zisterne werfe, he!“ mischte sich Gonzalo jetzt ein. „Sofort gibst du mir sechs Eier oder ich schlage dir deinen Wollschädel in Scherben.“ „Gut“, sagte Abraham resigniert, „da ihr es nicht anders haben wollt und mir sogar mit Schlägen droht, ich will euch die Eier wie bisher liefern.“ „Ja was hast du dir denn gedacht?“ sagte Sam Woe ganz ruhig und schulmeisterlich, „erst verführst du uns, Eier zu essen und wenn wir dalan gewöhnt sind, willst du sie uns verweigern. Gib mir dlei Eier.“ Der Chink hatte ein bestimmtes Gefühl bei mir ausgelöst: Jetzt auf einmal, wo wir uns an die Eier, an die Bequemlichkeit ihrer Zubereitung, an die Nachhaltigkeit ihres Nährstoffes und an ihre mühelose Beschaffung so sehr gewöhnt hatten, sollten wir plötzlich einer Laune des Niggers wegen darauf verzichten! Das war ja nicht anders, als wenn wir aus dem Zeitalter der drahtlosen Abendunterhaltung in das der Steinaxt zurückgeschleudert werden sollten. Gestern abend, den Magen übervoll gefüllt mit einem dicken, prächtigen, vollwertigen Eierpfannkuchen, hatte ich allerdings den Entschluß gefaßt, diese Woche einmal keine Eier zu beziehen. Aber am Morgen, als der Magen leer war wie ein vertrockneter Autoreifen, hielt ich den Entschluß für kindisch. Warum sollte ich mich denn kasteien und meinen mir lieben Körper qualvoll peinigen beim Anblick der schönen frischen Eier, die bereits lustig in den Pfannen der anderen pruzelten? „Gib mir sechs!“ kommandierte ich Abraham. Freilich als ich drei Spiegeleier gegessen und zwei zum Mitnehmen für das Mittagessen gekocht hatte, fiel mich wieder die reuige Wehmut an: Die Eier sind doch unnütz und überflüssig. Also es blieb bei den Eiern. Der Verbrauch wurde in Zukunft höher als er bisher gewesen war. Bei allen. Auch bei Sam Woe. 8. Auf dem Nachhauseweg rief mich Mr. Shine an: „Hören Sie, Mr. Gale, kommen Sie auf eine Viertelstunde herein. Meine Frau hat einen guten Kuchen gebacken, Sie können eine Tasse Kaffee mit uns trinken.“ Dann als wir bei Tische saßen, erzählte mir Mr. Shine wie er mit 260 Dollar, die er sich sauer erspart hatte, hier angefangen habe, wie er mit eigener Hand die Farm aus dem rohen Busch herausgearbeitet habe, wie die Straße, die mehr als drei Stunden zur nächsten Ortschaft führt, bei seiner Ankunft nur ein schmaler verwachsener Weg war, gerade breit genug, um mit dem Maultier durchzukommen, wie er auch diese Straße verbreitert habe, so daß er sie jetzt mit eigenem Ford befahren könne. „Vierundzwanzig Jahre harter, sehr harter Arbeit waren notwendig, um etwas zu werden. Und wir Gringos hier, die wir dem Lande erst Wert geben, sind trotzdem immer wie auf dem Sprunge, plötzlich fliehen und alles verlassen zu müssen. Wir werden gehaßt wie der Tod, weil man um die Freiheit und Unabhängigkeit, die den Leuten hier über alles gilt, bangt.“ Er war nicht der erste Amerikaner, der mir diese Nöte schilderte. „Manches Jahr ist sehr gut. Ich habe schon mal vier Ernten im Jahr an Mais gehabt. Das erreichen wir drüben in den States nicht. Aber dieses Jahr ist schlecht. Die Baumwolle hat, was seit fünfzehn Jahren nicht vorgekommen ist, Frost abbekommen; deshalb ist sie nur halb wie sie sein soll. Und ich weiß auch gar nicht was mit dem Hühnervolk los ist. Wir haben nie so wenig Eier gehabt, wie in den letzten Wochen. Auch Mr. Fringell und Mr. Shape klagen über ihre Hühner.“ Am Abend erzählte ich Abraham, was mir Mr. Shine über die Hühner gesagt hatte. „Na, da seht ihr es ja, Fellers,“ sagte Abraham darauf, „das sind die richtigen amerikanischen Farmer wie drüben. Vor Geiz möchten sie am liebsten ihre Fingernägel aufessen. Da gönnen sie den armen Hühnern kaum eine Handvoll Mais. Wie können denn die Hühner richtig legen, wenn sie nicht gut gefüttert werden? Da seht meine Hühner an! Ich spare nicht mit dem Mais. Aber dafür geben die Tierchen auch etwas her. Man muß sie nur gut und reichlich füttern und sachgemäß behandeln, dann tun sie auch ihre Pflicht. Das hat mich meine Großmutter Susanna gelehrt und die war eine sehr kluge Frau, das könnt ihr mir glauben, Fellers. ^Thats a fact!^“ 9. Um selben Abend nach dem Essen setzte wieder die Unterhaltung über die Frage ein, wieviel uns an Geld übrig bliebe, wenn die Ernte vorüber sei. Diesmal aber wurden weder die Eier noch Abraham, der dabei saß, in dem Gespräch erwähnt. An diesem Abend kamen wir alle einmütig zu dem Ergebnis, daß wir ordentlich essen müßten, um uns arbeitsfähig zu erhalten, daß wir eine bestimmte Summe am Ende der Ernte übrig haben müßten, um nicht umsonst gearbeitet zu haben oder wie Sklaven nur für das Essen und daß also, kurz und bündig, der Lohn zu niedrig sei. Wenn wir statt sechs, acht Centavos für das Kilogramm bekämen, könnten wir gerade zurecht kommen. Mit diesem Gedanken gingen wir schlafen. Am nächsten Morgen, sobald die anderen Arbeiter auf das Feld gekommen waren, gingen Antonio und Gonzalo gleich zu ihnen und erklärten ihnen, daß wir die Absicht hätten, acht Centavos zu verlangen und zwei Centavos Nachbezahlung für die bisher schon gepflückten Kilos. Diese Leute, alle unabhängiger als wir, weil sie alle ihr Stückchen Land hatten, waren ohne weiteres damit einverstanden. Nun gingen Antonio und Gonzalo, sowie zwei von den anderen Leuten zur Wage und sagten Mr. Shine was los sei. „Nein,“ antwortete Mr. Shine, „das bezahle ich nicht, ich bin doch nicht verrückt. Das habe ich noch nie bezahlt. Das kommt ja gar nicht rein.“ „Gut,“ sagte Antonio, „dann machen wir Schluß. Wir wandern dann noch heute ab.“ Da mischte sich einer von den ansässigen Arbeitern ein: „Hören, Sie, Sennor, wir warten zwei Stunden. Ueberlegen Sie es sich. Wenn Sie dann noch Nein! sagen, satteln wir unsere Mulas. Wir wollen schon dafür sorgen, daß Sie keine Leute kriegen.“ Damit war die ganze Konferenz erledigt. Die vier Abgesandten gingen ins Feld zurück, berichteten die abschlägige Antwort und alle Leute verließen ihre Reihen, gingen zu den Bäumen und legten sich schlafen. Als ich auch auf dem Wege zu den Bäumen war, rief Mr. Shine herüber: „He! Mr. Gale, kommen Sie auf einen Augenblick her.“ Ich ging rüber. „Na,“ sagte ich gleich beim Näherkommen, „wenn Sie etwa glauben, daß ich hier die Mittelsperson mache, dann sind Sie im Irrtum, Mr. Shine. Wäre ich Farmer, stünde ich auf Ihrer Seite und ich ginge mit Ihnen durch dick und dünn. Da ich aber kein Farmer, sondern Farm-Hand bin, stehe ich zu meinen Arbeitskollegen. Das verstehen Sie doch?“ „Gar kein Zweifel, Mr. Gale,“ erwiderte Mr. Shine, „es ist auch gar nicht meine Absicht, Sie herüber zu ziehen; denn Sie allein könnten die Baumwolle ja doch nicht hereinholen. Aber wir wollen das einmal in Ruhe überrechnen.“ Mr. Shine zündete sich eine Pfeife an und gab mir Tabak. Sein ältester Sohn, der etwa sechsundzwanzig Jahre alt war, steckte sich eine Zigarre an und der zweite Sohn, der jüngste in der Familie, ungefähr zweiundzwanzig Jahre alt, pellte ein Stück Kaugummi aus einem Stück verschweißtem Papier heraus und schob es in den Mund. „Sie sind der einzige Weiße hier unter den Pflückern und da ich Ihnen ja schon acht bezahle, sind Sie eigentlich parteilos und können hier mitsprechen. Sie haben doch nicht etwa den andern Burschen gesagt, daß Sie acht bekommen?“ fügte Mr. Shine, die Pfeife aus dem Mund nehmend, hinzu. „Nein,“ sagte ich, „dazu hatte ich nicht die geringste Ursache.“ Dick, der älteste Junge, kletterte in das Lastauto, lehnte sich gegen einen Ballen Baumwolle und ließ die Beine über die Reeling baumeln. Pet, der jüngere, setzte sich zum Steuerrad und druselte, unausgesetzt seinen Gummi knatschend, vor sich hin. Der Alte lehnte sich gegen den Wagen und fummelte unaufhörlich fluchend, an seiner Pfeife herum, die bald ausging, bald verstopft war, bald neuen Tabak brauchte, obgleich der Rest noch gar nicht ganz aufgebrannt war. Die ganze Erregung, die den Farmer durchtobte, äußerte er nur an der Behandlung seiner Pfeife. Nachdem etwa fünf Minuten lang niemand etwas gesagt hatte, platzte plötzlich Pet heraus: „Weißt du was, Daddy, ich an deiner Stelle würde bezahlen, ohne viele Worte zu machen.“ „Ja, du,“ rief Mr. Shine wütend, „du würdest bezahlen. Es geht ja nicht aus deiner Tasche, da ist das „Bezahlen würden“ leicht. Aber dann ziehe ich dir’s von deinem Taschengelde ab.“ „Das wirst du nicht tun, Daddy, oder du mußt mir das Geld für die verkaufte Baumwolle auch geben, sonst wäre es ungerecht.“ „Ha! Daß ich nicht platze vor Lachen. Das Geld für die verkaufte Baumwolle!? Habe ich denn überhaupt schon für einen Dime verkauft? Ich sage Ihnen, Mr. Gale, noch nicht einen blanken Tinker hat man mir geboten. Und was für eine Baumwolle in diesem Jahr! Die weißeste Schneeflocke von Alaska muß sich dagegen schämen. Und sehen Sie einmal hier, Mr. Gale,“ dabei rupfte er eine Knolle, die dicht neben ihm stand, ab und quetschte sie, mir dicht vor die Nase haltend, in seinen Fingern, „die weichesten Daunen sind dagegen der purste Stacheldraht. – Ja, Gosch, sagen Sie doch auch einmal ein Wort. Stehen Sie doch nicht so da, als ob Sie die Sprache verloren hätten.“ „Aber ich bin doch unparteiisch,“ sagte ich darauf. „Ja, richtig, Sie sind unparteiisch. Aber Sie können doch wenigstens den Mund mal aufmachen.“ Es kam ihm nur darauf an, jemand zu finden, dem er widersprechen konnte. Da räkelte sich Dick ein wenig bequemer in seine Stellung ein und sagte ganz langsam und bedächtig mit breit gezogenen Worten: „Da will ich dir mal was sagen, Dad –.“ „Du? Ja du bist mir gerade der Rechte.“ „Dann eben nicht. Ich habe Zeit. Es ist ja nicht meine Baumwolle, es ist ja deine.“ Und als Dick nun wieder in seine bulkige Schweigsamkeit zurückfiel, sagte der Alte plötzlich ganz erbost: „Ja, verflucht noch mal, dann rede doch schon oder soll ich hier vielleicht stehen, bis die ganze Baumwolle verfault und verwurmt ist?“ „Siehst du, Dad, das meine ich gerade: verfault. Wenn die Leute gehen, andere kriegen wir nicht. Und wenn wir die Leute herschicken lassen von den Städten, müssen wir mehr Reisegeld bezahlen als die Sache wert ist.“ „Rede doch schon einen Strich schneller.“ „Aber, ich muß es mir doch erst ausdenken, was ich sagen will. Sieh mal, Dad, einmal hat es schon geregnet. Und es sieht ganz so aus, als ob wir eine sehr frühe Regenzeit kriegen oder eine volle Woche Strippregen. Dann ist die ganze Baumwolle hinüber, dann ist sie in den Dreck gehauen und du kannst lange suchen, bis du einen findest, der dir anstatt der Baumwolle den Sand abkauft. Je eher wir die Baumwolle gewinnen und auf den Markt gebracht haben, je besser ist der Preis. Wenn der Markt erst mal voll ist, müssen wir froh sein, wenn wir sie mit zwanzig oder fünfundzwanzig Centavos Verlust losschlagen, wenn wir sie dann überhaupt unterbringen und sie uns nicht auf dem Halse liegen bleibt. Bis jetzt sind wir sehr früh dran und sind mit die ersten auf dem Markt.“ „Verflucht noch mal, Junge, du hast verteufelt recht. Vor vier Jahren habe ich sie mit dreißig Centavos unter den Anfangspreis verkaufen müssen und habe noch dagestanden wie ein armseliger Bettler, der um ein Stück Brot boomen muß. Aber ich bin doch nicht ganz und gar wahnsinnig geworden, daß ich acht Centavos bezahle. Früher habe ich sogar bloß vier, wenn sie schlecht stand, fünf bezahlt. Nein, das ist abgemacht, da lasse ich sie, by Gosh, zehnmal lieber verfaulen und verschimmeln, just wie sie da steht, ehe ich nachgebe.“ Dabei schlug er mit der Hand nach einer Staude, als ob er mit dieser Handbewegung das ganze Feld abrasieren wollte. Dann kam ihm in seinem Zorn ein anderer Gedanke: „Aber an der ganzen Geschichte sind bloß die Fremden schuld, die Auswärtigen. Die hetzen uns hier die Leute auf. Die können nie den Rachen vollkriegen. Unsere Leute hier herum sind immer zufrieden. Ja, Sie auch, Mr. Gale, Sie sind auch einer von den Aufwieglern und von den Bolsches, die alles auf den Kopf stellen und uns das Land wegnehmen und das Bett unter dem Hintern fortziehen wollen. Bei mir kommt Ihr aber an die falsche Nummer. Das habe ich selber mitgemacht. Das kenne ich, weiß, wie es gemacht wird. Aber wir haben keine ^I. W. W.^[1] und alles solchen Stoff gehabt.“ [Fußnote 1: ^I. W. W.^ = ^Industrial Workers of the World^, eine sehr radikale Arbeiterorganisation.] „Wenn Sie mich meinen, Mr. Shine, tun Sie sich keinen Zwang an. Nebenbei bemerkt, habe ich Ihnen gar keinen Grund gegeben, anzunehmen, ob ich ein ^Wobbly^[2] bin oder nicht.“ [Fußnote 2: ^Wobbly^ = Mitglied der ^I. W. W.^] „Mischen Sie sich doch nicht rein, von Ihnen ist ja gar nicht die Rede. Ich habe Sie ja gar nicht gemeint. Aber bezahlen tu ich nicht, basta!“ „Na, hör mal, Daddy,“ sagte jetzt Pet, ohne sich seinem Vater zuzuwenden, „in bezug auf die Fremden hast du unrecht, durchaus. Die sechs Fremden schaffen mehr herein als die zwölf oder vierzehn Indianer. Die tun doch überhaupt bloß etwas, weil sie sehen, wie die Fremden arbeiten und was verdient werden kann. Wenn unsere Hiesigen einen Peso machen, dann sind sie zufrieden und halten lieber fünf Stunden Mittagsschlaf, weil ihnen das wichtiger ist. Ohne die Fremden bekämen wir die Baumwolle vor Weihnachten nicht herein, da wette ich mein Leben darauf.“ „Aber ich bezahle keine acht und damit Schluß!“ „Dann kann ich ja ankurbeln und wir können heimfahren,“ sagte Dick trocken und kletterte gemächlich von dem Wagen herunter. Es waren noch lange keine zwei Stunden vergangen, aber die „Hiesigen“ wurden jetzt beweglich. Sie fingen ihre Maultiere ein und begannen aufzusatteln. Als einige der Peons schon soweit waren, aufzusitzen, sprangen Antonio und Gonzalo plötzlich auf, warfen ihre großen Hüte hoch in die Luft und begannen mit schrillen Stimmen zu singen: Es trägt der König meine Gabe, Der Millionär, der Präsident – Die Leute hörten sofort auf, an ihren Tieren zu arbeiten und standen stille wie Soldaten nach einem Kommando. Sie wußten nicht, was ^I. W. W.^ war, was eine Organisation bedeutet, was eine Klasse sei. Aber der Gesang hämmerte auf sie ein, schmiedete sie zusammen zu einem ehernen Block, und als der erste Refrain wiederholt wurde, sang bereits das ganze Feld. Was vielleicht geschehen könnte, wenn der letzte Refrain beginnt, wußte ich. Ich habe es erlebt. Der Gesang, so eintönig und schlicht in seiner Melodie, aber so federnd wie feinster Stahl in seinem klingenden Rhythmus, steckte mich an. Ich konnte nicht anders, ich begann, das Lied mitzusummen. „Natürlich! Sie auch!“ sagte Mr. Shine, halb ironisch, halb selbstverständlich zu mir. „Ich hab’s ja gewußt!“ Als der zweite Refrain erklang, wendeten sich die Leute, die bisher zwanglos in einer losen Gruppe bei ihren Maultieren gestanden hatten, alle wie ein Mann zu uns herüber, wodurch der Gesang herausfordernd und persönlich anzüglich wurde. Mr. Shine faßte nervös nach hinten und knöpfte die lederne Revolvertasche auf, machte sie aber gleich wieder zu mit einer Geste der Verlegenheit, die aber ebensogut auch eine der Scham oder gar der Wurschtigkeit sein konnte. „Teufel noch mal,“ rief er dann, „^that means business^, die scheinen Ernst zu machen.“ „Das machen sie,“ sagte Pet knatschend, „und wenn sie einmal fort sind, haben wir unsere liebe Mühe und Not, sie wieder hereinzuholen.“ „Gut,“ sagte Mr. Shine, „ich bezahle acht, aber erst von heute an. Was bezahlt ist, bleibt bezahlt, da wird nichts nachgegeben. Mr. Gale, seien Sie doch so gut, bitte, und rufen Sie die Leute heran!“ Ich lief rüber und brachte die ganze Horde zusammen. „Na, was ist?“ fragten die Leute, als sie nahe genug der Wage waren. „Also es ist abgemacht,“ sagte Mr. Shine halb erbost, halb von oben herab, „ich zahle acht für das Kilo, aber –“ Antonio ließ ihn nicht ausreden: „Und für die schon gepflückten Kilos?“ „– zahle ich die zwei Centavos nach. Aber nun auch tüchtig ran an die Arbeit, daß wir den ganzen Bettel noch trocken hereinkriegen.“ „Hurra für Mr. Shine!“ schrie Abraham. „Halts Maul, darned Nigger, du bist nicht gefragt!“ schrie der Farmer wütend. „Aber was mache ich denn nun mit Ihnen, Mr. Gale,“ sagte Mr. Sinne, „Sie bekommen doch schon acht.“ „Ja,“ sagte ich, „da gehe ich halt leer aus, Mr. Shine.“ „Das sollen Sie nicht. Bei einem Mann kommt es mir auch nicht darauf an. Und weil Sie Weißer sind, der einzige Weiße. Sie sollen zehn haben.“ „Mit Nachzahlung?“ „Mit Nachzahlung! Ich bin ein ^fair businessman^. Was stehen Sie noch rum! Machen Sie, daß Sie an die Arbeit kommen. Wir haben, weiß Gott, beinahe eine Stunde verquatscht. Gerade um diese Stunde kann uns der Regen zu früh kommen. Das ziehe ich Euch beiden Rangen ab, da könnt Ihr Gift drauf nehmen,“ wandte er sich seinen Söhnen zu, die gerade dabei waren, die Wage wieder aufzuhängen. Zweiter Teil. 10. So lief der Trott nun weiter die nächsten zwei, drei Wochen. Ohne besondere Ereignisse. Ein Tag wie der andere. Rennen im Trab, Rennen, Essen kochen, Schlafen, Rennen im Trab, Arbeit. Eines Nachmittags, als ich vom Feld heimkam, ging ich zu Mrs. Shine und fragte sie, ob sie mir ein Kilo Speck verkaufen oder bis Sonntag leihen wollte, da ich vergessen hätte, letzten Sonntag welchen mitbringen zu lassen. „Können Sie haben, Mr. Gale, gegen Bezahlung oder Rückgabe, ganz wie Sie wollen.“ „Gut,“ sagte ich, „dann gegen Bezahlung. Mr. Shine kann es mir ja am Samstag anrechnen.“ Während sie eben dabei war, den Speck abzuwiegen, kam Mr. Shine von der Stadt zurück, wo er seine Post abgeholt und einige Bedarfsmittel eingekauft hatte. „Da sind Sie ja gerade wie gerufen, Mr. Gale,“ sagte er zu mir, als er ins Zimmer trat. „Ich habe einige Neuigkeit für Sie.“ „Für mich? Woher soll die wohl kommen?“ „Direkt aus der Stadt. Im Store traf ich den Manager von Camp 97. Ich saß da und trank gerade eine Flasche Bier nach der andern. Er war in großen Nöten. Da haben sie im Camp ein kleines Maleurchen gehabt. Beim Auswechseln von Achterrohren gegen Zehner hat ein Rohr ausgeschlagen und dem einen Driller den rechten Arm böse gequetscht, weil einer von den Indianern wieder mal nicht aufgepaßt und rechtzeitig zugepackt hat. Der Driller ist ein tüchtiger, erfahrener und verläßlicher Bursche, den sie nicht gehen lassen wollen. Nun suchen sie einen guten Ersatzmann für drei bis vier Wochen. So lange wird es wohl dauern, bis der Mann wieder arbeiten kann. Aber sie sind jetzt gerade an einem heiklen Punkt. Sie sind auf siebenhundert Fuß und sind auf Lehm, und wenn sie jetzt keinen guten Driller bekommen, dann können sie vielleicht eine Knickung in der Bohrung erleben. Na, und was das bedeutet, was das für Scherereien, Zeitverlust und Kosten verursacht, das wissen Sie ja selbst, Sie haben ja in den Fields gearbeitet. Das gibt allemal den Sack für die Driller und Tooldresser, manchmal für das ganze Camp.“ „Weiß ich,“ erwiderte ich, „kann dem besten Mann passieren, wenn man noch so sehr aufpaßt. Ein Stein, den der Satan gerade dort hingefeuert hat, wo man ihn am allerwenigsten vermutet, kann zwanzigtausend Dollar kosten.“ „Mag sein, davon verstehe ich nichts,“ wandte Mr. Shine ein. „Nun ist der Manager in Sorge, was er machen soll. Er hat schon eine Schicht selber gearbeitet, aber auf die Dauer geht es nicht. Telegraphiert er nun zur Kompagnie, dauert es immerhin drei bis vier Tage, bis er den Mann hier hat. Und ob er einen Mann kriegt, wie er ihn braucht, weiß er auch nicht. Denn ein tüchtiger Mann nimmt für drei Wochen nichts an, weil er dadurch vielleicht eine andere Stellung, wo er sechs Monate in Sicherheit hat, verpassen kann. Ich habe nun zu dem Manager gesagt: „Well,“ habe ich gesagt, „Sie sind just der Mann, auf den ich gewartet habe, Mr. Berkley.“ „Aber, ich weiß noch immer nicht, was ich eigentlich damit zu tun habe.“ „Ja warten Sie doch ab, Gale, was kommt. In drei, höchstens vier Tagen haben wir die Baumwolle drin. Was wollen Sie denn dann machen?“ „Das weiß ich jetzt noch nicht. Ich lasse den Tag erst einmal herankommen. Ich kann ebensogut nach Norden wie nach Süden, ebenso leicht nach Ost und West gehen. Eigentlich habe ich vor, nach Guatemala, Costa Rica und Panama runterzutippeln. Vielleicht nach Columbien. Da soll allerhand Oel ausgemacht worden sein.“ „Top!“ jagte Mr. Shine, „das habe ich auch gedacht, daß es Ihnen egal ist; und nach Guatemala und allen den übrigen Landschaften kommen Sie immer noch rechtzeitig genug. Da habe ich nun zu dem Manager gesagt: Well, habe ich gesagt, auf Sie habe ich gerade gewartet. Ich habe da einen Fellow, einen Picker, einen weißen Mann, weiß im Gesicht und weiß unter dem Brustlatz ebensogut, einen Burschen, der Ihnen die verteufeltste Bohrung aus dem elendsten Dreck herausholt. Man muß doch ein wenig trumpfen, Gale, wenn man was erreichen will. Also, habe ich gesagt, Mr. Berkley, ich schicke Ihnen den Mann runter. Na, was sagen Sie nun, Gale, Junge, hä? Das habe ich doch fein gemacht. Da gehen Sie noch morgen früh runter zum Store. Der Storekeeper kennt den Weg zum Camp und kann Ihnen Bescheid sagen. Um 5 Uhr nachmittags sind Sie schon im Camp und können sich gleich zum Essen hinsetzen.“ Das mit dem Essen war allerdings verführerisch. „Wenn Sie dann nicht mit der Arbeit zurecht kommen, ist der Verlust auch nicht allzu groß. Einen Tag kriegen Sie auf alle Fälle ausbezahlt und außerdem haben Sie einen Tag wieder mal menschenwürdig gegessen,“ setzte Mr. Shine hinzu. Zu überlegen gab es da eigentlich nichts. Hier war noch für drei oder vier Tage Arbeit, harte und schlecht bezahlte Arbeit. Im Oelfeld mußte man zwar auch zwölf Stunden arbeiten, weil nur zwei Schichten waren, aber man arbeitete wenigsten unter dem Rig, wo die Sonne nicht ganz so unmittelbar auf einen losbrennen konnte. Dazu hatte man sterilisiertes Eiswasser, soviel man nur trinken wollte. Vor allen Dingen aber hatte man, wie schon Mr. Shine richtig gesagt hatte, ein menschenwürdiges Essen, mit Teller, Messer, Gabel, Eßlöffel, Teelöffel, Tasse und Glas an einem Tisch, der zwar von einem Zimmermann ziemlich roh gemacht war, aber es war doch ein Tisch und eine richtige Bank. Man brauchte nicht aus der Pfanne von der Erde essen und sich beim Essen von einer wackligen Kiste, auf der man saß, herunterbücken. Man brauchte nicht mit demselben Löffel, den man aus den fettigen Bratkartoffeln zog, den Kaffee umrühren. Das Brot, das man aß, war weder zu Kohle verbrannt, noch war es klebrig wie Kleister. Die schwarzen Bohnen, immer hart wie Kieselsteine, hörten auf, ein wichtiger Bestandteil der Mahlzeiten zu sein. Man wurde bei Tische bedient von Chinks, die man angrunzen durfte, wenn einem das Essen nicht schmeckte und die Ananaspie nicht genügend geeist war. Angrunzen, hm! ja! das tut man sofort, sobald man einen anderen armen Teufel auch nur einen Zentimeter auf der sozialen Rangleiter unter sich weiß. Man schlief nicht ohne jede Unterlage auf einer Tafel Wellblech, sondern man schlief in gut ventilierten Baracken, in sauberen Feldbetten, auf weicher Matratze und gut geborgen unter einem schleierdünnen Moskitonetz. Man hatte jeden Tag ein Brausebad und hatte ein W. C. Daß es solche Dinge auf Erden gibt, hatte ich ganz vergessen. Romantik ist schön, sehr schön! – von ferne gesehen. Wenigstens in der Entfernung, gerechnet von einem bequemen Sitz im Kino bis zur Silberwand. Auf dieser Silberwand sind die Helden des Busches und des Urwaldes der Traum der Mädchen und sie erregen Ehescheidungsgedanken bei Frauen; in Wahrheit bohren sie sich beim Essen in der Nase herum und schmieren dies und das an ihren Sitz oder an die nächste erreichbare Tischplatte. Und das kann man gerade noch erzählen. Würde man einiges mehr erzählen, noch nicht einmal alles und noch nicht einmal das Schlimmste, so würde sich der bunte Schmetterling in die allerwiderwärtigste Raupe zurückverwandeln. Aber trotz alledem, Romantik ist auch im Oelfeld, das auf den ersten Blick so trostlos prosaisch und so nüchtern aussieht wie eine Kohlenzeche in Herne. Man muß die Romantik nur zu sehen und nur zu finden wissen. – Bei meinem Abschied von den bisherigen Arbeitskollegen war mir nichts so wichtig, als meine Eierrechnung bei Abraham auf den Cent genau zu begleichen. Er wäre mir sonst in meinen Träumen erschienen und nachgelaufen bis nach Paraguay, wenn ich ihm nur zehn Centavos schuldig geblieben wäre. Als ich zum Oelcamp kam und mit dem Manager sprach, machte er nicht im geringsten ein erstauntes Gesicht, seinen neuen Driller so in Lumpen und Fetzen zu sehen, wie kein Mensch in Europa, selbst nicht in Odessa herumlaufen könnte. Daran ist man hier gewöhnt. Die weißen Arbeiter, alle Gringos, waren froh, daß Dick, der Driller, einen Ersatzmann hatte und das Camp also nicht verlassen brauchte; denn er war ein beliebter und lustiger Bursche, der im Camp war, seit der erste Pfeiler für das Rig gestellt wurde. Sie fixten mich auf, der eine brachte mir ein Hemd, der andere eine Hose, jener Strümpfe, ein anderer Arbeitshandschuhe. Ja Handschuhe, denn ein amerikanischer Arbeiter macht sich beim Arbeiten die Hände nicht mehr schmutzig als unbedingt notwendig ist. Keiner von ihnen hatte irgendein Handwerk gelernt, wie das in Europa üblich ist, aber jeder konnte ein Auto fahren, Pannen beseitigen, Dampfmaschinen reparieren oder Werkzeuge schmieden. Vielleicht nicht ganz so sauber und geschickt wie ein englischer, deutscher oder französischer Arbeiter, aber was er machte, war brauchbar, und darauf kam es ihm und denen, die ihn dafür bezahlten, ja nur an. Als ich meine Schicht beendigt hatte, sagte Mr. Berkley zu mir: „Sie können bleiben, Junge, vollen Drillerlohn.“ Dick war schneller hergestellt als wir alle gedacht hatten, und so mußte ich wieder gehen. Beim Abschied gab mir Dick zwanzig Dollar extra aus seiner Tasche, für Reisegeld und daß ich mir einen guten Tag machen sollte, wie er sagte. Als ich dann beim Manager meinen Lohn ausbezahlt bekam, sagte er: „Hören Sie mal, Gale, können Sie nicht hier irgendwo eine Woche oder so herumhängen?“ „Ja,“ erwiderte ich, „das kann ich leicht. Ich gehe rauf zu Mr. Shine, da kann ich gut für eine Weile hausen. Warum?“ „Auf einem unserer Nachbarfelder da ist ein Bursche, der möchte auf vierzehn Tage in Urlaub gehen, rauf in die States. Da können Sie für die zwei Wochen als Ersatzmann eintreten. Anfang nächsten Monats.“ „Mache ich,“ sagte ich. „Sie können ja im Store eine Mitteilung für mich an Mr. Shine hinterlegen, wenn es soweit ist.“ „Gut, abgemacht!“ sagte Mr. Berkley. 11. Ich wanderte also am nächsten Morgen wieder rauf zu Mr. Shine und fragte ihn, ob ich in dem Unterstande, in dem ich seinerzeit gehaust hätte, ein paar Tage wohnen dürfe. „Natürlich, Mr. Gale,“ sagte der Farmer, „solange Sie wollen.“ Ich erklärte ihm warum und fragte ihn dann nach den Leuten, mit denen ich da gewohnt hatte. „Ach,“ antwortete er, „der lange Nigger ist gleich den Tag nach Ihnen gegangen, ich glaube rauf nach Florida. Das geht mich nichts an. Der kleine Nigger, Abraham heißt er, scheint ein ganz geriebener Schlingel zu sein.“ „Wieso?“ fragte ich. „Er hat mir da Hühner verkauft, gute Leghühner, wie er mir versicherte. Er hatte sie bei Indianern für einen Peso das Stück gekauft, wie ich inzwischen erfahren habe. Mir hat er anderthalb Pesos dafür abverlangt. Ich habe sie ihm auch bezahlt dafür, denn die Hühner waren gut genährt. Aber mit den guten Leghühnern hat er mich reingelegt, der schwarze Teufel. Mit dem Legen ist nicht viel los bei ihnen. Aber na, das Fleisch ist es ja wert.“ „Und was ist mit dem Chink und den beiden Mexikanern?“ „Die sind am Montag sehr früh hier vorbeigekommen. Ich habe sie vom Fenster aus gehen sehen. Soviel ich weiß, sind sie nach Pozos gegangen. Diese Station ist nicht ganz so weit als die, von der Ihr gekommen seid. Der Weg ist auch besser, weil wir jetzt diese Station selbst benutzen, während wir in früheren Jahren immer zu der anderen gingen. Aber Pozos liegt bequemer für uns; früher hatten wir nur keinen Weg. Seitdem aber die Oelleute gekommen sind, haben die einen Weg geschaffen. Ich empfehle Ihnen, wenn Sie wieder zurückgehen, auch diesen Weg, da können Sie ab und zu schon einmal ein Auto antreffen, wo Sie jumpen können. Nebenbei bemerkt, warum wollen Sie denn in dem Unterstand hausen, Sie können doch in dem Hause wohnen.“ Ich lachte. „Nein, Mr. Shine, das Haus kenne ich zur Genüge. Ich betrete es nicht mit einer Zehenspitze. Das ist die reine Moskitohölle.“ „Na, wie Sie wollen. Ich habe mit meiner Familie fünfzehn Jahre drin gewohnt. Wir sind von den Moskitos nicht merklich geplagt worden. Aber Sie können schon recht haben. Wenn so ein Haus lange nicht bewohnt wird, nicht genügend Luft reinkommt, sammelt sich schon allerhand von diesem Zeug an. Ich bin übrigens seit einem Vierteljahr nicht oben gewesen, weiß gar nicht, wie es da herum augenblicklich aussieht. Und wahrscheinlich komme ich im ganzen nächsten Vierteljahr auch nicht rauf. Ich habe ja da oben nichts verloren. Ab und zu lasse ich mal die Pferde und die Mules rauftreiben, weil sie da herum genügend Gras finden und ein Tränkepfuhl oben ist. Aber, wie gesagt, es ist mir gleichgültig, wo Sie Ihre Wohnung aufmachen. Mich stören Sie nicht, und Sonntags können Sie schon mal runter kommen und eine Tasse Kaffee mit uns trinken und ein Stück Kuchen essen.“ Ich richtete mich oben in meinem Unterstande wieder ein. Mein Feuer machte ich mir jetzt gleich vor dem Unterstand, weil dort in der Nähe des Hauses, wo sonst unser gemeinschaftliches Feuer gewesen war, ja doch keine Unterhaltung gepflogen werden konnte, denn es war ja niemand da. Ich lebte jetzt in schönster Einsamkeit. Als einzige Gefährten hatte ich nur Eidechsen, von denen zwei sich in drei Tagen so an mich gewöhnt hatten, daß sie all ihre angeborene Scheuheit vergaßen und mir an und auf meinen Füßen die Fliegen wegfingen, die dort nach Krümelchen von meinen Mahlzeiten suchten. Tags über kroch ich in dem nahen Busch herum oder beobachtete die Tiere bei ihren Handlungen oder las in den Zeitschriften, die ich vom Camp mitgebracht hatte. In Wasser konnte ich schwelgen, so reichlich hatte ich es, weil es inzwischen einige Male gut geregnet hatte und der Tank beim Hause zu einem Drittel gefüllt war. Wir hatten ja derzeit die Auffänge in Ordnung gebracht. Ich konnte mich sogar waschen und mir den Luxus leisten, mich sogar zweimal des Tages zu waschen. Kaffee kochte ich in Riesenmengen, teils um die Zeit zu vertreiben, teils um so viel Vorrat in mich hineinzutrinken, daß ich gut wieder einmal einen Tramp von einigen Tagen durch wasserlosen Busch aushalten konnte. Da ich im Store hatte tüchtig einkaufen können, Geld hatte ich jetzt reichlich, so lebte ich wirklich einen guten Tag. Sorgenfrei, weder durstig noch hungrig, ein freier Mann im freien tropischen Busch, Siesta haltend nach Belieben, herumstreifen wo und wann und solange ich wollte. Es ging mir gut. Und dieses Gefühl lebte ich auch voll bewußt. Der Tank, aus dem ich mein Wasser holte, war dicht an dem alten Hause. Und zu diesem Hause hatte ich jedesmal etwa 250 Schritte von meinem Unterstand aus zu gehen. Das Wasser holte und schöpfte ich mit einer von diesen Konservenbüchsen, die 40 Liter Inhalt haben. Mit Konserven in kleinen Büchsen gibt man sich hier nicht viel ab, höchstens wenn es sich um schnell verderbliche Ware handelt. Das Haus, das man überall, nur nicht in Zentralamerika, eine ganz elende Bretterbude nennen würde, kaum gut genug, um auf einem Bauplatz als Lagerschuppen zu dienen, stand auf Pfählen. Die meisten Häuser hier, besonders außerhalb der größeren Städte, werden auf Pfählen errichtet. Stünden sie auf flacher Erde, wären sie vielleicht gar noch unterkellert, so würden sie in der Regenzeit jeden Tag zweimal überflutet. Das ist aber nicht der einzige Grund. Bei einem auf Pfählen ruhenden Haus kann der Wind von allen Seiten unter dem Fußboden hin- und herfegen und so das Innere des Hauses kühl halten. Außerdem bekommt ein Haus, das in dieser Art gebaut ist, nicht so viel unerwünschte Gäste, wie Schlangen, Eidechsen, Skorpione, Spinnen, Milliarden von Ameisen, Grashoppern, Grillen und tausenden anderen unangenehmen Ueberläufern aus dem nahen Busch. Alle diese mehr oder weniger erfreulichen Bewohner des tropischen Busches klettern natürlich auch an den Pfählen hoch, können aber doch nicht in solchen Mengen und so leicht ins Haus gelangen, als wenn das Haus auf ebener Erde errichtet wäre. Alle die Gründe, die den Menschen hier veranlassen, sein Haus in dieser Form zu erbauen, sind die gleichen geblieben, die unsere Urvorväter zwangen, sich eine Behausung in den Wipfeln der Bäume zu bauen. Ein Holzhaus, so errichtet, erbebt, erzittert und schwankt oft beim Sturm so, daß man glauben könnte, es sei in der Tat auf einem Baume errichtet. Die Indianer freilich haben ihre Hütten zu ebener Erde. So zu ebener Erde war ja auch mein Unterstand, wo das Buschgetier aus- und einging, als wäre es sein gutes Recht. An jeder Seite des Hauses war eine Tür, um Licht und Wind hineinzulassen. Beim Verlassen des Hauses hatten meine damaligen Arbeitskollegen die Türen geschlossen, wie üblich mit einem drehbaren Stückchen Holz. Damals war immer Leben im Hause und vor dem Hause, Streit um das Feuer, Zank wegen einer Prise Salz, die jemand genommen hatte, ohne den Besitzer zu fragen, lange und fruchtlose Diskussionen darüber, wer das Holz heute zu holen habe. An diese lebhaften Bilder zurückdenkend, erschien jetzt das Haus geisterhaft einsam und still. Jedesmal, wenn ich Wasser holte, quälte es mich, doch mal einen Blick hineinzuwerfen, ob jemand etwas zurückgelassen habe. Aber dann wieder gefiel mir diese gespensterhafte Stille, die über dem Hause lagerte. Sie fügte sich zu der Einsamkeit der Umgebung nicht weniger als zu der Einsamkeit und Abgeschiedenheit, in der ich augenblicklich lebte. So unterdrückte ich jedesmal, wenn ich an das Haus kam, den Wunsch, eine Tür aufzumachen und hineinzulugen. Ich wußte genau, die Hütte war leer, vollkommen leer; niemand hatte etwas, sei es auch nur der Fetzen eines alten Hemdes, zurückgelassen, denn bei uns hatte alles seinen Wert. Die Ungewißheit, die mysteriöse Stimmung, die um das Haus lagerte, wollte ich mir nicht zerstören. So, wie es wirkte, mochte ich träumen, daß vielleicht der Geist eines der alten aztekischen Priester, der wegen der Tausenden von Menschen, die er auf dem Altar seines Gottes geschlachtet und ihnen das Herz aus dem lebendigen Leibe gerissen hatte, um es seinem unersättlichen Gotte vor die goldenen Fuße zu werfen, nun keine Ruhe finden konnte und deshalb aus dem Busch in das gefeite Haus eines Christen geflüchtet sei, um wenigstens ein paar Wochen von seinem rastlosen Herumirren auszuruhen. 12. Eines Tages, als ich wieder Wasser holte, sah ich eine schwarzblaue Spinne mit glänzend grünem Kopf, die an der Wand des Hauses nach Beute jagte. Sie lief blitzschnell ein paar Zoll weit, saß dann still, lauerte eine Weile und lief dann wieder ein ganz kurzes Streckchen, um wieder zu lauern. So überholte sie einen Meter eines Brettes im Zickzackkurs, kein Fleckchen auslassend, dabei oft, nicht immer, einen ganz feinen Faden zurücklassend, um Insekten, die an dem Brette hinaufklettern würden, nicht gerade festzuhalten und zu verstricken, sondern deren Lauf nur zu verlangsamen, daß, wenn die Spinne inzwischen das Nachbarbrett abgesucht hatte und hier wieder zurückkam, ihre Beute mit einem mächtigen Satz anspringen konnte. Diese Spinne nimmt ihre Beute nur im Sprunge, wobei sie das Insekt von hinten anspringt und sofort im Nacken packt, so daß dieses Insekt von seinen Waffen, sei es nun ein Stachel oder Zangen oder Scheren, gar keinen Gebrauch machen kann. Das einzige Tier, das sich gegen diese Springspinne erfolgreich wehren könnte und dann den Spieß umkehren würde, ist der Skorpion. Aber diese beiden großen Jäger in den Tropen begegnen sich nie, weil jeder von ihnen eine andere Jagdzeit hat. Diese Spinne am Tage, in der glühenden Sonne, der Skorpion in der Dunkelheit. Diese Spinne nun, die zu beobachten ich Tage und Wochen in den häufigen Perioden von Arbeitslosigkeit verwandt hatte, war es, die sofort wieder meine Aufmerksamkeit fesselte. Ich wollte ihr Gesichtsfeld prüfen und lernen, wie sie sich verhält, wenn sie selbst angegriffen und verfolgt wird. Ich stellte meine Konservenbüchse mit Wasser auf den Boden und vergaß, daß ich mir doch meinen Reis kochen wollte. Ich bewegte meine Hand in ziemlicher Entfernung über der Spinne hin und her und sofort reagierte sie darauf. Sie wurde unruhig; ihre Zickzackläufe wurden unregelmäßig und sie suchte diesem großen Etwas, das ein Vogel sein mochte, zu entwischen. Aber die glatte Wand bot keinen Schlupfwinkel. Sie wartete eine Weile, duckte sich ganz langsam und behutsam und machte plötzlich, ganz unerwartet, einen Sprung in halber Armeslänge auf eines der benachbarten Bretter, aber natürlich an senkrechter Wand. Und so sicher war der Sprung, als wäre er auf ebener Erde vollführt. Dieses Brett nun hatte eine Leiste, die gespalten war und sich auch ein wenig verzogen hatte, so daß sie einen Unterschlupf bieten konnte. Jedoch ich ließ der Spinne keine Zeit, sich den besten Platz auszusuchen. Ich nahm einen dünnen Zweig auf, der gerade zu meinen Füßen lag und berührte damit die Spinne leicht, sie so zwingend, einen anderen Weg zu wählen. Sie lief nun in rasender Schnelligkeit davon, aber wohin sie auch fliehen mochte, immer fand sie den angreifenden Zweig, entweder ihren Kopf berührend oder ihren Rücken. So lief sie kreuz und quer, immer verfolgt von dem Zweig, ihr keine Gelegenheit lassend, zu einem Sprunge anzusetzen. Plötzlich aber, als ich sie gerade im Rücken berührte, machte sie blitzschnell kehrt und in rasender Wut und mit unvergleichlicher Tapferkeit griff sie den sie belästigenden Zweig an, der gegenüber ihren bescheidenen Ausmaßen für sie gigantische Formen und übernatürliche Kräfte haben mußte. Und immer, wenn ich den Zweig zurückzog, so daß sie glauben mußte, sie habe den Feind abgeschlagen oder wenigstens eingeschüchtert, lief sie auf die schützende Leiste zu. Schließlich besiegte sie mich doch und fand dort Unterschlupf, aber nicht genügend, um sich ganz zu verbergen, denn sie konnte sich nur zur Hälfte darin verkriechen. Nun schlug ich mit der flachen Hand an die Wand. Die Spinne kam sofort wieder hervor, lief eilends weiter nach oben, wo sie eine günstigere Höhle fand, in der sie sofort verschwand, ohne daß man noch viel von ihr sehen konnte. Um sie nun auch dort wieder hinauszujagen und zu sehen, was sie zu guter Letzt tun würde, schlug ich mit voller Gewalt mit der flachen Hand so fest gegen die Wand, daß das ganze Haus, das ja auf Pfählen ruhte, erzitterte. Die Spinne kam nicht hervor. Ich wartete einige Sekunden. Und als ich gerade zum zweiten Male kräftig gegen die Wand schlagen will, fällt innerhalb des Hauses etwas um. Was konnte das sein? Ich kannte das Innere des Hauses. Es war nichts, absolut gar nichts darin, was mit so einem merkwürdigen Geräusch umfallen konnte. Eine Stange, ein Stück Holz, das einzige, was es vielleicht hätte sein können, war es nicht, nach dem Geräusch zu urteilen. Es war schon eher wie ein mit Mais gefüllter Sack. Aber wenn ich mir das Geräusch genauer vergegenwärtigte, so war etwas sonderbar Hartes dabei. Es konnte also kein Sack mit Mais sein. Es wäre nun doch so einfach gewesen, sofort die paar Sprossen der Leiter hinaufzuklettern, die Tür aufzustoßen und hineinzusehen. Aber irgendein unerklärbares Empfinden hielt mich davon ab. Es war wie Furcht, als könnte ich drinnen etwas unsagbar Grauenhaftes sehen. Ich nahm das Wasser auf und ging zu meinem Unterstand. Ich redete mir ein, daß es nicht Furcht vor dem Anblick von etwas ganz Gräßlichem sei, was mich veranlaßte, das Haus nicht zu betreten, sondern ich sagte mir: du hast ja in dem Hause durchaus nichts zu suchen, du hast überhaupt gar kein Recht, es zu betreten, und vor allen Dingen, es geht dich gar nichts an, was da drin ist. So entschuldigte ich mein Gebaren. Als ich dann aber beim Feuer saß und darüber immer wieder nachdachte, was für ein Gegenstand das Geräusch verursacht haben könnte, kam mir plötzlich ein seltsamer Gedanke: In dem Hause hat sich jemand erhängt, und zwar schon vor einiger Zeit; die Schnur ist morsch geworden oder der Hals durchgefault, und nun beim Schlagen an die Wand ist der Körper erschüttert worden, die Schnur gerissen und der Leichnam umgefallen. So ähnlich war auch das Geräusch, als ob ein menschlicher Körper umfiele, und der Kopf auf den Boden schlüge. Aber diese Idee war ja lächerlich. Sie zeigte mir, wohin die Phantasie einen führt wenn man sich nicht von der Tatsache überzeugt. So verwandelt sich ein Baumstamm in der Dunkelheit in einen Räuber, der auf der Lauer steht. In den Tropen erhängt sich niemand, ich wenigstens habe nie davon gehört. Hier sind die Tage nicht trübe genug dazu. Und wenn es wirklich einer täte, so würde er in den Busch gehen, wo man drei Tage später bestenfalls nur noch an der Schnalle seines Gürtels erkennen würde, daß es sich um einen Mann handelt. So oft ich auch noch Wasser holte, ich ging nicht in das Haus und vermied es sogar, irgendeine Spalte zu suchen und durchzulugen. Das Unbestimmte, das Geheimnisvolle sagte mir mehr zu als eine vielleicht sehr prosaische Gewißheit. Jedoch abends, wenn ich am Feuer saß oder wenn ich nachts wach lag, beschäftigten sich meine Gedanken mit nichts anderem als mit der Frage, was in dem Hause wohl sein könne. Am Freitag ging ich zu Mr. Shine und fragte ihn, ob er irgendwelchen Bescheid vom Manager habe. Aber Mr. Shine war die ganze Woche nicht im Store unten gewesen und würde auch die nächste Woche nicht hinunterkommen. Weil nun Montag der letzte Termin war, der für den Urlaubsantritt jenes Drillers, für den ich Ersatzmann sein sollte, in Betracht kam, so beschloß ich, Samstag früh reisefertig mit meinem Bündel selbst zum Store zu gehen und nachzufragen. War Bescheid da, dann konnte ich Sonntag mittag, also rechtzeitig genug, im Camp sein. War kein Bescheid da, so wußte ich, daß der Driller entweder nicht in Urlaub ging, oder daß er die Sache anders zu regeln gedachte. Ist diesem Falle würde ich gleich zur Station gehen und meinen Plan, nach Guatemala zu wandern, ohne weiteres durchführen. Samstag früh holte ich mir Wasser für den Kaffee. Als ich mit dem Wasser an dem Hause schon ein Stück vorüber war, dachte ich, nun will ich aber doch einmal zu guter Letzt nachsehen, was da drin los ist, denn wenn ich das nicht tue, so kann es sein, daß mich der Gedanke an das Haus die nächsten fünf bis sechs Monate nicht losläßt. Es konnte ja die bekannte Gelegenheit sein, die einmal verpaßt, nie im Leben wiederkehrt. Ich kletterte die paar Sprossen der Leiter hinauf, stieß die Tür, die hier nur eingeklemmt war, auf und ging in den Raum, den einzigen Raum, den das Haus hatte. An der Wand zur Rechten sah ich etwas liegen, ein großes Bündel. Ich konnte aber nicht sofort erkennen, was es sein mochte, denn die Sonne war noch vor dem Aufgehen. Ich trat näher hinzu; es war ein Mann. Tot! Es war Gonzalo. Getötet! Ermordet! Sein zerfetztes Hemd war schwarz von Blut. Ein Ball Baumwolle, den er zerknüllt in der rechten Hand hielt, war gleichfalls vollgesogen von Blut. Er hatte einen Stich in der Lunge und noch einige Stiche auf der Brust, an der rechten Schulter und am linken Oberarm. Der Körper war nicht verwest, sondern vertrocknet. Er hatte auf dem Boden gesessen, gegen die Wand gelehnt und als ich gegen die Wand geschlagen hatte, war der Körper auf die Seite gefallen und der Kopf war auf den Erdboden geschlagen. Ich suchte seine Taschen durch. Er hatte fünf Pesos und 85 Centavos darin. Er hätte haben müssen: wenigstens 25 bis 30 Pesos. Also des Geldes wegen. Dann hatte er noch ein kleines Leinensäckchen mit Tabak neben sich liegen und einige geschnittene Maisblätter lagen verstreut herum. Während er sich eine Zigarette drehen wollte, war er überfallen worden, an derselben Stelle, wo er sich jetzt befand. Der Chink und Antonio waren die letzten, die das Haus verlassen hatten. Der Chink war nicht der Mörder. Wegen 20 Pesos jemand auch nur zu berühren, dazu war er viel zu klug. Diese 20 Pesos waren zu teuer für ihn. Also Antonio. Das hatte ich von ihm nie gedacht. Ich steckte Gonzalo das Geld wieder in die Tasche, ließ ihn jedoch liegen wie er lag. Dann klemmte ich die Tür wieder ein, wie ich sie gefunden hatte und verließ das Haus. Kaffee kochte ich nun nicht mehr, sondern ich machte mich sofort auf den Weg. Ich ging zu Mr. Shine und sagte ihm, daß ich nun selber zum Camp gehen wolle, und falls nichts los sei, gleich weitermarschieren werde. „Haben Sie sich da oben in Ihrem luftigen Wohnhause nicht einsam gefühlt, Mr. Gale?“ fragte er. „Nein,“ sagte ich, „ich habe immer so viel zu sehen und so viel zu beobachten, daß der Tag herum ist, ehe ich es merke.“ „Ich dachte, Sie würden vielleicht doch in das Haus übersiedeln, weil es eben ein Haus ist.“ „Daran war gar nicht zu denken. Ich sagte Ihnen ja schon, als ich zurückkam, daß es darin vor Moskitos nicht auszuhalten sei.“ „Um die Jahreswende wollen meine beiden Neffen auf Besuch kommen und hier ein wenig herumstreifen und jagen. Die stecke ich dann da hinein, da können sie hausen nach Belieben. Die werden die Moskitos schon ausräuchern. Na, denn also „Viel Glück!“ Gale, für Ihre Zukunft.“ Wir schüttelten uns die Hände und ich ging. Warum hätte ich denn etwas sagen sollen. Daß ich der Mörder sein konnte, diesen Gedanken würde niemand haben; denn ich war ja vor allen den übrigen Leuten fortgegangen und hatte die ganze Zeit im Camp gearbeitet. Und hätte ich etwas von meinem Fund gesagt, so hätte das eine Unmenge Fragen verursacht, Hin- und Herlaufen und wer weiß was noch. Dabei wäre ich gar nicht mehr zur rechten Zeit zum Camp gekommen. 13. Nachdem der Driller von seinem Urlaub zurückgekehrt war, wurde ich ausbezahlt und fuhr mit einem Lastwagen, der Oel zu holen hatte, zur Station, von der ich nach Dolores Hidalgo reiste. Von dort aus fuhr ich ohne viel Aufenthalt glatt durch die Oaxaca, so daß ich schon in wenigen Tagen in Guatemala sein konnte, vorausgesetzt, daß ich meinen Plan nicht wieder einmal änderte. In Oaxaca wollte ich erst einmal herumhören, was im Süden los sei, was hinter den Gerüchte von den neuen Oelfeldern und den Arbeitsmöglichkeiten überhaupt zu suchen sei, und ob ich nicht besser vielleicht einen windigen Segelkasten ergattern und auf Argentinien los gehen sollte. Aber von dort kamen mir auch wieder zu viele herauf, die wahre Schauergeschichten von der furchtbaren Epidemie Arbeitslosigkeit berichteten. Achtzigtausend lagen in Buenos auf der Straße und suchten eine Gelegenheit, fortzukommen. Aber schlimmer als in Mexiko konnte es ja dort auf keinen Fall sein. Ich setzte mich auf eine Bank im Park. Ich ließ mir die Stiefel putzen, trank ein Glas Eiswasser, und als ich mich von diesen Beschäftigungen gerade so recht ungestört, zufrieden mit mir und der Welt ausruhen will, sehe ich, daß auf der Bank der meinen gegenüber ein Bekannter sitzt. Es ist Antonio. Ich gehe rüber zu ihm und sage: „Hallo, Antonio, guten Tag, was machen Sie denn hier?“ Wir gaben uns die Hand. Er war sehr erfreut, mich zu sehen. Ich setzte mich neben ihn und sagte ihm, daß ich auf der Suche nach Arbeit sei. „Das ist gut,“ sagte er. „Ich arbeite seit zwei Wochen in einer Bäckerei, Brot- und Kuchenbäckerei. Da können Sie gleich heute anfangen, als Bäcker. Wir suchen gerade einen Gehilfen. Sie haben doch schon als Bäcker gearbeitet, nicht wahr?“ „Nein,“ erwiderte ich, „ich habe zwar schon in hundert verschiedenen Berufen gearbeitet, sogar schon als Kameltreiber – und das ist eine gottverfluchte Beschäftigung –, aber bis zu einem Bäcker habe ich es noch nicht gebracht.“ „Das ist ausgezeichnet, dann können Sie anfangen,“ sagte Antonio darauf. „Wenn Sie nämlich Bäcker wirklich wären oder etwas vom Backen verstünden, dann wäre nichts zu machen. Der Inhaber ist ein Franzose, er hat keine Ahnung vom Backen; wenn Sie ihm erzählen, in ein Brot gehöre Pfeffer hinein, das glaubt er Ihnen. Der wird Sie natürlich fragen, ob Sie Bäcker seien. Da müssen Sie ganz dreist sagen, das sei ihr Beruf seitdem sie nicht mehr in die Schule gingen. Der Meister ist ein Däne, ein entlaufener Schiffskoch. Er versteht auch nichts vom Backen. Seine größte Sorge ist nun, daß ein richtiger Bäcker dort anfangen könnte; einer, der das Backen wirklich versteht. Dann wäre es natürlich mit der Meisterherrlichkeit des Dänen gleich aus, denn ein richtiger Bäcker würde nach zehn Minuten sehen, was los ist. Wenn Sie nun der Meister fragt, müssen Sie gerade das Gegenteil sagen von dem, was Sie zu dem Inhaber sagen. Zum Meister müssen Sie sagen, es sei das erstemal in ihrem Leben, daß Sie in einer Backstube stehen. Dann nimmt er Sie sofort an und Sie sind sein Freund.“ „Das kann ich ja gut machen. Als Bäcker wollte ich schon immer mal arbeiten,“ sagte ich, „man kann dann, wenn man mal in der Verlegenheit ist, die Bäcker alle so schön mitnehmen. Dann hört die Sorge um das tägliche Brot auf und man hält es ein paar Tage länger aus. Also, wird gemacht. Was ist denn der Lohn?“ „Ein Peso und fünfzig Centavos.“ „Nackt?“ „Ach wo, mit Essen und Schlafen. Seife haben wir auch frei. Sie kommen weiter damit als beim Baumwollpflücken, das kann ich Ihnen sagen.“ „Wie ist denn das Essen? Gut?“ „Ach, es ist nicht gerade schlecht, es ist –“ „Weiß schon bescheid.“ „Aber man wird immer satt.“ „Kenne die Magenkneter zur Genüge.“ Antonio lachte und nickte. Er drehte sich eine Zigarette, bot mir Tabak und Maisblatt an und sagte nach einer Weile: „Unter uns gesagt, das mit dem Essen ist auszuhalten. Hier wird in den Bäckereien und Konditoreien mit Eiern und Zucker gewirtschaftet, daß es eine wahre Freude ist. Na und sehen Sie, da kommt es auf so ein Dutzend Eier auf den Mann nicht an. Da sind rasch drei Eier in die Tasse geschlagen, mit Zucker verrührt und da hilft man der Kost nach. Das macht man in der Nacht und am Vormittag vier- oder fünfmal, dann können Sie schon gut zurecht kommen.“ „Wie lange arbeitet Ihr denn?“ „Das ist verschieden; manchmal fangen wir schon um zehn abends an und arbeiten dann durch bis ein, zwei oder drei Uhr nachmittags. Manchmal wird es auch fünf.“ „Das wären dann also 15 bis 19 Stunden täglich?“ „So ungefähr. Aber nicht immer, manchmal, besonders Dienstag und Donnerstag fangen wir auch erst um zwölf an.“ „Verlockend ist es ja nun gerade nicht,“ sagte ich. „Aber man kann ja so lange dort arbeiten, bis man etwas Besseres findet.“ „Natürlich! Wenn der Tag 36 Stunden hätte, würde man ja auch Zeit finden, sich nach anderer Arbeit umsehen zu können. Aber so? Immerhin, ich werde anfangen.“ Der Gedanke, daß ich von nun an mit einem Raubmörder Tag und Nacht zusammenarbeiten, mit ihm aus derselben Schüssel essen, mit ihm vielleicht gar im selben Bett schlafen sollte, der Gedanke kam mir gar nicht. Entweder war ich moralisch schon so tief gesunken, daß ich für solche Feinheiten der Zivilisation das Empfinden verloren hatte, oder aber ich war so weit über meine Zeit hinaus gewachsen und über die herrschende Sitte erhaben, daß ich jede menschliche Handlung verstand, daß ich mir weder das Recht anmaßte, jemand zu verurteilen, noch mir die billige Sentimentalität einflößte, jemand zu bemitleiden. Denn Mitleid ist auch eine Verurteilung, wenn auch eine uneingestandene, wenn auch eine unbewußte. Und vielleicht ein Gefühl des Schauderns vor Antonio, eine Abscheu, seine Hand zu schütteln? Es laufen so viele Raubmörder herum, wirkliche und moralische, mit Brillanten an den Fingern und einer dicken Perle in der Halsbinde oder goldenen Sternen auf den Achseln, denen jeder Ehrenmann die Hand drückt und sich dabei noch geehrt fühlt. Jede Klasse hat ihre Raubmörder. Die der meinen werden gehenkt; diejenigen, die nicht meiner Klasse angehören, werden bei Mr. Präsident zum Ball eingeladen und dürfen auf die Sittenlosigkeit und Roheit, die in meiner Klasse herrscht, schimpfen. Zu solchen Gedanken verwildert man und sinkt man hinab in den Morast und zwischen den Abschaum der Menschheit, wenn man um Brotrinden kämpfen muß. Aber aus diesem Strudel törichter und verrückter Gedanken, die mir das Blut zu Kopfe jagten, riß mich plötzlich Antonio mit der Frage: „Wissen Sie, Gale, wer noch in Oaxaca ist?“ „Nein! Wie kann ich das auch wissen, ich bin ja gestern abend erst angekommen.“ „Sam Woe, der Chinese.“ „Was tut denn der hier? hat der hier auch Arbeit gefunden?“ „Aber nein! Er hat uns doch damals schon immer erzählt von seiner Speisewirtschaft, die er aufmachen wollte.“ „Und hat er eine aufgemacht?“ „Natürlich! Das können Sie sich doch denken. Was sich so ein Chino einmal vornimmt, das tut er auch. Er hat das Geschäft mit einem Landsmanne in Kompanie.“ „Ja, lieber Antonio, wir haben halt nicht die geschäftliche Ader, die zu solchen Dingen notwendig ist. Ich glaube sicher, wenn ich ein solches Geschäft gründete, würden sofort alle Leute ohne Magen geboren, nur damit ich ja nicht etwa auf einen grünen Zweig komme.“ „Das kann schon möglich sein,“ lachte Antonio. „Geht mir gerade ebenso. Ich habe schon einen Zigarettenstand gehabt, schon einen Zuckerwarentisch, habe schon Eiswasser herumgeschleppt und wer weiß, was nicht sonst noch alles versucht. Mir hat selten jemand etwas abgekauft. Ich habe immer elendiglich Pleite gemacht.“ „Ich glaube, die Ursache ist eben,“ erwiderte ich, „wir können die Leute nicht genügend anschwindeln. Und schwindeln muß man können, wenn man Geschäfte machen will. Aber gründlich.“ „Wir könnten eigentlich mal hingehen zu Sam. Der wird sich auch freuen, Sie zu sehen. Ich esse ab und zu ganz gern mal draußen irgendwo. Zur Abwechselung, sehen Sie. Jeden Tag denselben langweiligen Fraß, das wird einem auch über.“ 14. Wir machten uns also auf den Weg in das Gelbe Viertel, wo die Chinesen alle wohnten, wo sie ihre Geschäfte und ihre Restaurants haben. Nur wenige hatten ihre Läden in anderen Stadtvierteln. Sie hockten am liebsten immer zusammen. Sam war wirklich hoch erfreut, mich zu sehen. Er drückte mir immer wieder die Hand, lachte und schwatzte drauf los, lud uns zum Niedersetzen ein und wir bestellten unser Essen. Die chinesischen Speisewirtschaften sind alle über einen Kamm geschoren. Einfache viereckige Holztische, manchmal nur drei, an jedem Tisch drei oder vier Stühle. Wegen der Menge der Speisen, die man erhält, können bestenfalls drei sehr verträgliche Gäste gleichzeitig an einem Tisch sitzen. Auf die Sauberkeit des Geschirres und auf die Sauberkeit in der Zubereitung der Speisen kann man sich besser verlassen als in vielen teuren und eleganten Restaurants in Europa oder in den Staaten. Was in der Küche vor sich geht, kann man in den meisten Fällen von seinem Tische aus mit ansehen. Die Art und die Menge der Speisen ist in allen chinesischen Speisewirtschaften der Stadt die ganz genau gleiche. So schließen die Chinesen unter sich jede unreelle Konkurrenz aus. Sam hatte fünf Tische. Auf jedem Tische stand eine braunrote, tönerne, weitbauchige Wasserflasche, von der Art und Form, wie sie schon bei den Azteken im Gebrauch war. Dann eine Flasche mit Oel und eine mit Essig. Ferner eine Büchse mit Salz, eine mit Pfeffer, eine große Schale mit Zucker und ein Glas mit Chille. Chille ist eine dicke aufgekochte Suppe von roten und grünen Pfefferschoten. Ein halber Teelöffel in die Suppe getan, genügt, um einen normalen Europäer zu veranlassen, die Suppe als total verpfeffert und durchaus ungenießbar zu erklären, weil sie ihm Zunge und Gaumen verbrennen würde. Sam bediente die Gäste, während sein Geschäftsteilhaber mit Hilfe eines indianischen Mädchens die Küche besorgte. Zuerst bekamen wir einen Klumpen Eis in einem Glase, das wir mit Wasser füllten. Kein Wirt hier berechnet den Wert seines Geschäftes nach dem Bierverbrauch, man erhält Bier nur auf ausdrückliches Verlangen, und kein Wirt verdirbt einem den Genuß beim Essen durch sein ewiges Lamentieren, daß er am Essen nichts verdienen könne. Dann bekamen wir ein großes Brötchen, es folgte die Suppe. Es ist immer Nudelsuppe. Antonio schüttete sich einen Eßlöffel voll Chille in die Suppe, ich zwei, zwei gehäufte. Ich habe ja bereits erwähnt, daß ein halber Teelöffel die Suppe für einen normalen Europäer ungenießbar macht. Aber man wird auch bereits bemerkt haben, daß ich weder normal bin, noch daß ich mich zu den Europäern zähle. Die Europäer haben mir das abgewöhnt, nicht die Indianer in der Sierra de Madre. Während wir noch in der Suppe herumfischten, kamen ein Beefsteak, geröstete Kartoffeln, ein Teller Reis, ein Teller mit butterweichen Bohnen und eine Schüssel mit Gulasch. Das gibt es hier nicht, daß man sich nach jedem Gang erst die Galle anärgern muß, weil der Kellner sich eine halbe Stunde lang erst überlegt, ob er einem nun den folgenden Gang eigentlich bringen soll oder nicht. Hier werden alle Gänge sofort gleichzeitig auf den Tisch gestellt. Nun ging das Tauschen vor sich. Antonio tauschte seine Bohnen ein gegen Tomatensalat, den man sich selbst am Tische zubereitet und ich tauschte meinen Gulasch ein gegen eine Omelette. Antonio schüttete seinen Reis gleich in die Suppe; hätte er seine Bohnen behalten, würde er sie auch noch geschüttet haben. Aber Bohnen schien es genug in der Bäckerei zu geben, dagegen wohl seltener Tomatensalat. Ich schüttete mir eine Lage schwarzen Pfeffer auf das Beefsteak und eine Lage auf die gerösteten Kartoffeln. Dann würzte ich den Reis mit zwei Eßlöffel Chille und die Bohnen mit vier Eßlöffel Zucker. Darauf kam für jeden ein Stück Torte. Antonio bestellte Eistee mit Zitrone, ich ^Café con leche^, wofür man auch ebenso gut sagen kann: Kaffee mit Milch. Kaffee trinkt man mit einem Drittel des Tasseninhaltes Zucker darin. Diese Sitte halte ich für sehr gut und für sehr vernünftig. Es mag dies als fernerer Beweis angesehen werden, daß ich für Europa verloren bin, und zwar für immer; denn wo ich auch zu Tisch sitzen werde, die Hausfrau, vielleicht sogar auch der Hausherr, der ja materiell dafür aufzukommen hat, müßten angebunden werden, weil sie sonst Tobsuchtsanfälle bekommen würden angesichts meines Zuckerverbrauchs. Beim Bezahlen an der Kasse bekommt man dann noch einige Zahnstocher. Deshalb sieht man auch nie, daß ein Mexikaner mit der Gabel in den Zähnen herumfuhrwerkt, wie ich das in Lyons Cornerhouse am Trafalgar Square und an anderen Plätzen, leider auch in Mitteleuropa, häufig zu beobachten Gelegenheit hatte. Daß man mit dem Messer recht gut essen kann, ohne sich gleich die Lippen oder die Mundwinkel aufzuschlitzen, wie so oft von ungeschickten und furchtsamen Leuten behauptet wird, weiß ich aus eigener Erfahrung. Etwas unbequem sind die starken Seemannsmesser, wie ich eines habe; weil die am Ende spitz sind und nicht breit, deshalb kriegt man die Tunke nicht so gut aus der Pfanne und man muß mit dem Finger nachhelfen. Ob man hier den Fisch mit dem Messer ißt oder mit dem Eßlöffelstiel weiß ich nicht. So oft ich Mexikaner habe Fisch essen sehen, an den offenen Garküchen auf den Märkten und an anderen Orten, aßen sie ihn immer mit dem Zeigefinger und dem Daumen. Das heißt, sie aßen ihn natürlich, wie jeder erwachsene und vernünftige Mensch es tut, mit dem Munde, aber ich meine, sie packten ihre Beute mit den Fingern. Die Verkäufer haben auch meist gar kein Messer, das sie dem Gast geben könnten, sondern eben auch nur die natürlichen Werkzeuge, die sie nicht erst kaufen brauchen. In diesen Gedankengängen bewegte sich unser Tischgespräch, weil wir der besseren Verdauung wegen während des Essens nichts Gedankenschweres in unserem Hirn herumwälzen wollten und weil man beim Essen nur vom Essen sprechen soll. Ich führe dieses Gespräch hier auch nur an, um zu zeigen, daß wir keine ungebildeten Leute oder was viel schlimmer ist, etwa gar revolutionäre Arbeiter waren. Denn das kann man so sehr leicht werden, wenn man sich gehen läßt und nachgibt, besonders wenn man augenblicklich keine andere Zukunftsmöglichkeit vor Augen sieht als eine fünfzehn- bis siebzehnstündige Arbeitszeit für anderthalb Pesos. Für diese Mahlzeit zahlten wir jeder fünfzig Centavos, alles einbegriffen. Es war der übliche Preis in einer chinesischen Speisewirtschaft. Jeder Weiße und jeder Mexikaner, der es versucht – und es wird immer wieder versucht – für dasselbe Geld die gleiche Mahlzeit mit allem genannten Zubehör zu geben, geht zugrunde. Das Allerwenigste, was ein Nicht-Chinese fordern muß, sind achtzig Centavos. Wie der Chinese das fertig bekommt und dabei noch verdient und zu Wohlstand gelangt, ist eins der vielen Geheimnisse, die um den Chinesen gehäuft sind. Antonio goß sich noch ein Glas Wasser ein, spülte sich gründlich Mund und Zähne und spuckte das Wasser auf den Fußboden. Sauberen Mund und saubere Zähne zu haben ist dem Mexikaner wichtiger als ein trockener Fußboden. Die nimmermüde tropische Sonne trocknete ja den Fußboden, ehe sich der nächste Gast an unseren Tisch setzt. 15. Nun segelten wir zuerst einmal zu der Bäckerei. Ich ging in den Laden und fragte den Verkäufer nach dem Prinzipal. „Sind Sie Bäcker?“ fragte der Inhaber. „Jawohl, Brot- und Kuchenbäcker,“ sagte ich. „Wo haben Sie denn zuletzt gearbeitet?“ „In Monterrey.“ „Gut, dann können Sie heute abend anfangen. Freie Kost, Wohnung und Wäsche und ein und einen halben Peso für den Tag.“ „Halt!“ sagte er plötzlich, „sind Sie sicher auf Torten, auf Torten mit Gußornamenten?“ „Ich habe in meiner letzten Stellung in Monterrey nur Torten mit Gußornamenten gebacken.“ „Das ist fein! Da will ich aber doch mal mit meinem Meister sprechen, was der dazu sagt. Ein sehr tüchtiger Meister, von dem können Sie viel lernen.“ Er ging mit mir in die Kammer, wo der Meister sich gerade die Stiefel anzog, um auszugehen. „Hier ist ein Bäcker von Monterrey, der Arbeit sucht. Hören Sie mal, ob Sie ihn brauchen können.“ Der Inhaber ging wieder in sein Zimmer und ließ uns beide allein. Der Meister, ein kleiner dicker Bursche mit Sommersprossen, zog sich ruhig erst die Stiefel an, dann setzte er sich auf den Bettrand und zündete sich eine Zigarre an. Nachdem er ein paar Züge getan hatte, betrachtete er mich mißtrauisch von oben bis unten und sagte endlich: „Sie sind Bäcker?“ „Nein, ich habe keine blasse Ahnung vom Backen.“ „So!?“ sagte er darauf, immer noch mißtrauisch. „Verstehen Sie was von Torten?“ „Gegessen habe ich schon welche,“ sagte ich, „aber wie sie gemacht werden, davon habe ich keinen Begriff. Ich wollte das gerade lernen.“ „Hier haben Sie eine Zigarre. Sie können anfangen, heute abend um zehn Uhr. Aber pünktlich! Wollen Sie was essen?“ „Nein, danke! Nicht jetzt.“ „Gut, ich werde mit dem Alten sprechen. Ich will Ihnen nun Ihr Bett zeigen.“ Sein Mißtrauen war geschwunden und er war sehr freundlich. „Ich werde einen tüchtigen Bäcker und Konditor aus Ihnen machen, wenn Sie gut aufpassen und willig sind.“ „Dafür würde ich Ihnen sehr dankbar sein, Sennor. Bäcker und Konditor wollte ich schon immer werden.“ „Wenn Sie nun wollen, können Sie schlafen gehen oder sich die Stadt ansehen. Ganz, wie Sie wollen.“ „Gut!“ sagte ich, „dann will ich in die Stadt gehen.“ „Also um zehn Uhr, nicht wahr?“ – Ich traf, wie verabredet, Antonio im Park auf der Bank. „Na?“ begrüßte er mich. „Ich fange heute abend an.“ „Das ist gut,“ sagte er, „vielleicht gehe ich später mit Ihnen runter nach Columbien.“ Ich setzte mich zu ihm. Weil ich nicht recht wußte, was ich mit ihm reden sollte und um ein Gesprächsthema zu haben, dachte ich, jetzt ist der gegebene Zeitpunkt, nach Gonzalo zu fragen. Es war mir eigentlich nicht so sehr darum zu tun, nur zu schwätzen, als vielmehr zu beobachten, wie er sich benehmen würde, wie sich ein Mensch beträgt, der einen Raubmord auf dem Gewissen hat und den man damit überrascht, daß man ihm sagt, man wisse es. Eine Gefahr war freilich damit verknüpft. War Antonio in Wahrheit ein echter Mörder, dann würde er bei erster Gelegenheit mich auf die Seite schaffen als Mitwisser. Aber darauf wollte ich es ankommen lassen. Diese Gefahr kitzelte mich erst recht, auf den Busch zu klopfen. Ich war ja vorbereitet und konnte mich meiner Haut wehren. Mit ihm allein durch den Busch, vielleicht gar nach Columbien zu trampen, würde ich dann schon wohlweislich vermeiden. „Wissen Sie, Antonio,“ sagte ich plötzlich aus heiler Haut heraus, „daß Sie von der Polizei gesucht werden?“ „Ich?“ erwiderte er ganz erstaunt. „Ja, Sie!“ „Weswegen denn? Ich weiß nicht, daß ich etwas verbrochen habe.“ Es klang sehr aufrichtig; zu aufrichtig, um echt zu sein. „Wegen Mord! Wegen Raubmord!“ setzte ich hinzu. „Sie sind wohl verrückt, Gale. Ich wegen Raubmord? Da sind sie aber böse im Irrtum. Vielleicht eine Namensähnlichkeit.“ „Wissen Sie, daß Gonzalo tot ist?“ „Was?“ Er schrie es beinahe. „Ja,“ sagt ich ruhig, ihn im Auge behaltend. „Gonzalo ist tot. Ermordet und beraubt.“ „Der arme Kerl! Er war ein guter Bursche,“ sagte Antonio bedauernd. „Ja,“ bestätigte ich, „er war ein braver Kerl! Und es ist schade um ihn. Wo haben Sie ihn denn zuletzt gesehen, Antonio?“ „In dem Hause, wo wir alle wohnten.“ „Mr. Shine erzählte mir, daß ihr drei, Sie, Gonzalo und Sam zusammen am Montag morgen fortgegangen seid.“ „Wenn Mr. Shine das sagt, dann irrt er. Gonzalo ist zurückgeblieben. Wir zwei nur, Sam und ich sind zur Station gegangen.“ „Das verstehe ich nicht,“ sagte ich nun. „Mr. Shine hat am Fenster oder in der Tür gestanden, ich weiß nicht wo und hat euch drei bestimmt gesehen.“ Da lachte Antonio leicht auf und sagte: „Mr. Shine hat recht und ich habe auch recht. Aber der Dritte, der bei uns war, war nicht Gonzalo, sondern einer dort aus der Gegend, einer von den Eingeborenen, der die Hühner von Abraham kaufen wollte, weil er dachte, er könne sie billig haben. Abraham war aber schon zwei Tage fort und hatte die Hühner bereits verkauft, ich glaube an Mr. Shine.“ „In dem Hause, wo Sie Gonzalo zuletzt gesehen haben,“ sagte ich nun langsam, „habe ich ihn auch gefunden, ermordet und beraubt. Das heißt, es ist ihm nicht alles geraubt worden, fünf Pesos und etwas darüber hat ihm der Mörder gelassen.“ „Ich möchte ernst bleiben bei der tragischen Geschichte,“ sagte Antonio leicht vor sich hin grinsend, „aber da muß ich doch lachen. Das übrige Geld von Gonzalo habe ich.“ „Na also!“ rief ich, „davon rede ich ja die ganze Zeit.“ „Davon reden Sie allerdings, Gale,“ erwiderte Antonio. „Aber das Geld habe ich ihm doch abgewonnen. Sam weiß das gut, der war ja auch dabei. Sam hat ja selbst fünf Pesos dabei verloren. Er hat sich ja mit in die Wette hineingedrängt.“ Das wurde jetzt eine merkwürdige Geschichte. „Sam, ich und der Indianer, wir sind zusammen vom Hause fortgegangen. Gonzalo wollte zurückbleiben und sich gut ausschlafen. Ich bin mit Sam bis Celaya gefahren. Sam ist dann weiter gefahren bis hierher nach Oaxaca und ich bin hierher teils gelaufen, teils habe ich ein paar Strecken mit den Zügen blind gemacht.“ Was Antonio sagte, klang wahr. Außerdem hatte er Sam als Zeugen. Und daß Antonio diese weite Strecke von Celaya zurückgeeilt sein sollte, um Gonzalo zu ermorden, war ganz und gar unwahrscheinlich. Sein Geld hatte er ihm ja abgewonnen, ehrlich, Sam war Zeuge. Irgendeinen Wertgegenstand besaß Gonzalo nicht. Wir kannten jeder den ganzen Tascheninhalt des anderen; und auf dem Leibe konnte auch niemand etwas verbergen, wir liefen ja immer dreiviertel nackt herum. Da war nichts Verdächtiges übrig, Antonio war unschuldig. „Na, lieber Antonio,“ sagte ich, „da bitte ich Sie herzlich um Verzeihung, weil ich geglaubt habe, Sie könnten am Morde oder Tode des Gonzalo schuldig sein.“ „Macht nichts, Gale,“ antwortete er gemütlich, „nehme ich Ihnen nicht übel; aber ich hätte doch gedacht, Sie würden nicht gleich das Böseste von mir denken. Ich habe doch nie jemand irgendeine Ursache hierfür gegeben.“ „Das ist wahr. Das haben Sie nicht,“ sagte ich darauf. „Aber sehen Sie, die Umstände waren so merkwürdig auf Sie gerichtet. Sie und Sam waren die legen mit Gonzalo im Hause. Gonzalo hat, wenn er, wie Sie sagen, nicht mit Ihnen gegangen ist, das Haus nicht mehr verlassen. Er ist darin ermordet worden. Mr. Shine sagte mir, daß, seit Sie fortgegangen seien, niemand sonst dort herum war. Es gibt ja nichts zu stehlen da und ein Weg, der jemand zufällig dahin bringen könnte, führt auch nicht vorbei. Ich bin noch mal oben gewesen, weil ich dort auf Bescheid von einem Oelcamp warten mußte. Rein aus Neugierde geriet ich in das Haus und fand Gonzalo tot. Er hatte mehrere Wunden von Messerstichen, die gefährlichste war ein Lungenstich in der linken Brust, an dem Stich ist er offenbar verblutet.“ Als ich das von den Wunden so langsam erzählte, ging in Antonio eine erschütternde Veränderung vor sich. Er wurde leichenblaß, starrte mich mit entsetzten Augen an, bewegte die Lippen und schluckte und schluckte, konnte aber kein Wort hervorbringen. Mit der linken Hand arbeitete er an seinem Gesicht und an seinem Halse, als ob er sich das Fleisch herunterreißen wollte, während er mit der rechten Hand wie im Traum nach meiner Schulter und nach meiner Brust tastete als ob er sich vergewissern müsse, daß da jemand sitze oder ob das nur eine Wahnvorstellung sei. Ich wußte nicht, was ich aus all dem machen sollte. Ich konnte mir jetzt überhaupt nichts mehr erklären. In Antonio zeigte sich plötzlich das ganze Schuldbewußtsein eines Menschen, dem seine Tat mit allen ihren Folgen klar zu werden beginnt. Und eben noch hatte er gelacht, als ich ihn des Mordes an Gonzalo verdächtigte. Wie sollte ich mir ein solches Verhalten zurecht legen, um darüber nicht selbst meine Gedanken zu verschlingern und mir vielleicht gar noch einzuträumen, daß ich selbst Gonzalo erschlagen habe! 16. Die Lampen im Park flammten auf. Es war halb sieben und wir hatten Ende August. Die Nacht war blitzschnell über uns hereingebrochen in der kurzen Zeitspanne, wo der Kampf in Antonio begann. Denn es war im hellen Tageslicht gewesen, daß ich sein Gesicht offen und unbefangen zuletzt gesehen hatte. Und nun deckte die Nacht das in seinem Gesicht zu, was für mich der nackte, der natürliche, der wahre, der unverschleierte Mensch Antonio war. Das, was für mich ein unvergeßliches Ereignis hatte werden sollen, die Züge und Gesten eines Menschen zu studieren, den die finstersten Mächte überfallen haben, ihn schütteln und rütteln und jedes Härchen und jede Pore an seinem Körper in Aufruhr versetzen, wurde mir nun durch die grellen Lampen zerstört, die in das Gesicht Antonios Schatten und Linien hineinlogen, die in Wahrheit nicht darinnen waren. Wahrheit allein war sein heißes Atmen und Wahrheit waren seine tastenden und krallenden Finger. Alles andere wurde Rampenlicht. Auf der Nebenbank saß ein indianischer Arbeiter; zerlumpt wie Zehntausende unserer Klasse, weil der Lohn kaum für das Essen reicht, häufig nichts übrig bleibt für eine Dreißig-Centavos-Pritsche in einem der vielen Schlafhäuser, wo sich morgens fünfzig oder achtzig oder hundert Schlafgenossen aller Rassen der Erde, behaftet mit vielleicht ebensoviel oder mehr Krankheiten, die von den Aerzten gekannt und auch nicht gekannt oder nicht einmal erahnt sind, alle in demselben einen Wascheimer waschen, alle an demselben Handtuch abtrocknen, Männer, Frauen und Kinder, im Alter von zwei Wochen bis zu hundertundfünf Jahren. Ehemalige Herzöge, Lords, Generale, Professoren, Philosophen, Erfinder, Entdecker, Geistliche, Ingenieure, Bankdirektoren, Bankräuber, Bankmörder, Dirnen und was sonst noch die Welt an Berufen hervorbringt und wieder vernichtet. Der Arbeiter, ein Indianer, war auf der Bank eingeschlafen. Seine Glieder entspannten und der ermüdete und abgearbeitete Körper sank zu einem Häuflein Lumpen mehr und mehr zusammen. Da schlich sich ein indianischer Polizist heran. Er umkreiste die Bank wie ein Raubvogel seine Beute, die er aus seiner Höhe auf dem Erdboden kriechen sieht. Dann, als der Polizist wieder an der Rückseite der Bank war, zog er seine Lederpeitsche durch die Hand und hieb mit bestialischer Brutalität und mit einem tückischen Grinsen auf dem Gesicht dem Arbeiter die Peitsche über den Rücken. Ein furchtbarer Hieb. Mit einem unterdrückten ächzenden Schrei fiel der Oberkörper des Indianer kurz nach vorn über als habe man ihm den Rücken mit einem Schwert durchschnitten. Dann aber schnellte der Körper rasch nach hinten und sich mit einem Gestöhn windend, griff der Arme langsam mit der Hand nach dem gemarterten Rücken. Der Polizist trat jetzt nach vorn und grinste den Arbeiter mit einer teuflischen Grimasse an. Dem Gepeinigten liefen vor Schmerzen dicke Tränen über das Gesicht. Aber er sagte nichts. Er stand nicht auf. Er blieb ruhig auf der Bank sitzen. Denn das war sein Recht. Sitzen durfte er auf der Bank, er mochte noch so zerlumpt sein, es mochten noch so viele elegante Caballeros und Sennoras herumirren, um die Kühle des Abends auf einer der bequemen Bänke zu genießen und dem Konzert zuzuhören, das bald beginnen würde. Der Indianer wußte, er war der Bewohner und der Bürger eines freien Landes, wo der Millionär nicht mehr Recht hat, auf dieser Bank zu sitzen und wäre es vierundzwanzig Stunden lang, als der arme Indianer. Aber schlafen durfte er nicht auf der Bank. Soweit ging die Freiheit nicht, obgleich die Bank auf dem „Platze der Freiheit“ stand. Es war die Freiheit, wo derjenige, der die Autorität besitzt, den peitschen darf, der die Autorität nicht hat. Der uralte Gegensatz zweier Welten. Uralt wie die Geschichte von der Herauspeitschung aus dem Paradiese. Der uralte Gegensatz zwischen der Polizei und den Mühseligen und Beladenen und Hungernden und Schlafbedürftigen. Der Indianer war im Unrecht, das wußte er wohl, deshalb sagte er nichts, sondern stöhnte nur. Satan oder Gabriel – dieser hier hielt sich für das zweite – war im Recht. Nein! Er war nicht im Recht! Nein! Nein! Nein! Mir stieg das Blut zu Kopfe. In allen Ländern der hohen Zivilisation, in England, in Deutschland, in Amerika und erst recht in den übrigen Ländern ist es die Polizei, die peitscht und ist es der Arbeiter, der gepeitscht wird. Und da wundert sich dann der, der zufrieden an der Futterkrippe sitzt, wenn plötzlich an der Krippe gerüttelt wird, wenn die Krippe plötzlich umgeschleudert wird und alles in Scherben geht. Aber ich wundere mich nicht. Eine Schußwunde vernarbt. Ein Peitschenhieb vernarbt nie. Er frißt sich immer tiefer in das Fleisch, trifft das Herz und endlich das Hirn und löst den Schrei aus, der die Erde erbeben läßt. Der Schrei: „Rache!“ Warum ist Rußland in den Händen der Bolsches? Weil dort vor dieser Zeit am meisten gepeitscht wurde. Die Peitsche der Polizisten ebnet den Weg für die Heranstürmenden, deren Schritte Welten erdröhnen und Systeme explodieren macht. Wehe den Zufriedenen, wenn die Gepeitschten „Rache“ schreien! Wehe den Satten, wenn die Peitschenstriemen das Herz der Hungernden zerfressen und das Hirn der Geduldigen auseinanderreißen! Man zwang mich, Rebell zu sein und Revolutionär. Revolutionär aus Liebe zur Gerechtigkeit, aus Hilfsbereitschaft für die Beladenen und Zerlumpten. Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit sehen zu müssen, macht ebensoviele Revolutionäre wie Unzufriedenheit oder Hunger. Ich sprang auf und ging zu der Bank, wo immer noch der Polizist stand, die Peitsche durch die Hand ziehend, sie ab und zu durch die Luft pfeifen lassend und mit funkelnden Augen auf sein sich windendes Opfer grinsend. Er nahm keine Notiz von mir, weil er glaubte, ich wolle mich auf die Bank setzen. Ich ging aber dicht auf ihn zu und sagte: „Führen Sie mich sofort zur Wache. Ich werde Sie zur Meldung bringen. Sie wissen, daß Ihre Instruktion Ihnen nur das Recht gibt, sich der Peitsche zu bedienen, falls Sie angegriffen werden oder bei Straßenaufläufen nach wiederholtem Aufruf. Das wissen Sie doch?“ „Aber der Hund hat hier auf der Bank geschlafen,“ verteidigte sich der kleine braune Teufel, der kaum höher war als fünf Fuß. „Dann durften Sie ihn wecken und ihm sagen, daß er hier zu dieser Zeit nicht schlafen dürfe und wenn er wieder einschlafen sollte, durften Sie ihn von der Bank verweisen, aber auf keinen Fall durften Sie ihn schlagen. Also, kommen Sie mit zur Wache. Von morgen ab werden Sie keine Möglichkeit mehr haben, jemand zu peitschen.“ Der Bursche sah mich eine Weile an, sah, daß ich ein Weißer war und sah, daß ich es im Ernst sagte. Er hing die Peitsche an den Haken in seinem Gürtel und mit einem schnellen Satz war er verschwunden, als habe ihn die Erde verschluckt. Der Indianer stand auf und ging langsam seiner Wege. Ich schlenderte zurück zu Antonio. Mörder hin, Mörder her! dachte ich. Es ist ja alles egal. Alles ist Busch. Ueberall ist Busch. Friß! oder du wirst gefressen! Die Fliege von der Spinne, die Spinne vom Vogel, der Vogel von der Schlange, die Schlange vom Coyotl, der Coyotl von der Tarantel, die Tarantel vom Vogel, der Vogel vom – – – Immer im Kreise herum. Bis eine Erdkatastrophe kommt oder eine Revolution und der Kreis von Neuem beginnt, nur anders herum. Antonio, du hast ganz recht gehabt! Du bist im Recht! Der Lebende hat immer recht! Du bist im recht! Der Tote ist schuld. Hättest du nicht Gonzalo ermordet, hätte er dich ermordet. Vielleicht. Nein sicher. Es ist der Kreis im Busch. Man lernt es so schnell im Busch. Das Beispiel ist zu häufig und die ganze Zivilisation der Menschen ist ja nichts anderes als die natürliche Folge seiner bewundernswerten Nachahmungsfähigkeit. 17. „Nein!“ sagte Antonio, ruhiger geworden, „es war ganz bestimmt nicht meine Absicht, Gonzalo zu töten. Er hätte mich genau so gut treffen können. Glauben Sie mir doch, oh, ^amigo mio^! Ich bin nicht schuld an seinem Tode.“ „Ich weiß, Antonio. Es konnte Sie treffen. Es kann Sie heute abend noch treffen. Es ist der Busch, der uns alle am Kragen hat und mit uns macht, was er will.“ „Ja!“ sagte er, „Sie haben recht, Gale, es ist der Busch. Hier in der Stadt wären wir auf so eine verrückte Idee gar nicht verfallen. Aber da singt der Busch die ganze Nacht, da schreit ein Fasan seinen Todesschrei, wenn er gepackt wird, da heult der Cougar auf seinem Mordwege. Alles ist Blut, alles ist Kampf. Im Busch sind die Zähne, bei uns sind es die Messer. Aber es war nur Scherz, nur der reine Spaß. Wirklich nur Spaß. Nichts weiter. Ob es nun die Würfel sind, oder die Karten, oder das Rädchen, oder die Messer! Wir hatten keiner so viel Geld übrig nach siebenwöchiger Arbeit wie wir brauchten, um aus dieser verlassenen Gegend fortzukommen und was anderes aufzusuchen. Wir hatten ziemlich gleich viel Geld. Gonzalo hatte etwas über zwanzig Pesos, ich hatte fünfundzwanzig. Es war am Sonntag abend. Montag früh wollten wir gehen. Abraham war schon ein paar Tage fort, auch Charly war gegangen. Sie waren auch nicht mehr da. Wir waren nur noch drei, Gonzalo, Sam und ich. Wir zählten unser Geld auf dem Erdboden. Wir hatten jeder Goldstücke, das Kleine in Silber. Und als das Geld nun da vor uns auf dem Erdboden lag, kaum zu sehen bei dem Schein unseres Feuers, da fing Gonzalo an zu fluchen. Er sagte: „Was tu ich mit den paar lausigen Kröten? Da hat man nun sieben Wochen geschuftet wie ein verrückter Negersklave, in der Glut, von früh um vier bis Sonnenuntergang, dann heim. Und dann abgerackert, daß man kaum noch einen Knochen rühren kann, noch den elenden Fraß zu kochen und runterzuwürgen. Keinen Sonntag gehabt, kein Vergnügen, keine Musik, kein Tanz, kein Mädchen, keinen Schnaps und den schlechtesten Tabak. Was soll ich mit dem Lausedreck da anfangen?“ Dabei schob er mit dem Fuß das Geld fort. „Mein Hemd ist in Fetzen,“ schimpfte er weiter, „meine Hose ein Lumpen, meine Stiefel, guck’ sie dir an, Antonio, keine Sohle, kein Oberleder, kein Nischt, sogar die Riemen sind zwanzigmal geknotet. Und nischt bleibt übrig und geschuftet wie ein Pferd. Ja, wären es wenigstens vierzig Pesos!“ Als er das sagte, heiterte sich sein Gesicht auf. „Mit vierzig Pesos,“ sagte er, „käme ich zurecht. Könnte nach Mexico Capitale fahren, mir neue Lumpen kaufen, damit man auch anständig aussieht, wenn man zu einem Mädchen „Buenos tardes!“ sagen will. Und man hat noch ein paar Pesos übrig, um es ein paar Tage auszuhalten.“ „Du hast recht, Gonzalo,“ sagte ich nun, „die vierzig Pesos sind es auch gerade, die ich haben müßte, um wenigstens das Notdürftigste zu kaufen.“ „Weißt du was?“ sagte darauf Gonzalo, „laß uns um das Geld spielen. Keiner von uns kann mit den paar Dreckgroschen etwas Rechtes anfangen. Wenn du mein Geld noch dazu bekommst oder ich das deine, dann kann doch einer von uns wenigstens etwas werden, denn so, wie es jetzt ist, ist jeder ein Bettler. Diese paar Groschen versäuft man doch gleich auf den ersten Sitz aus lauter Wut, daß man umsonst geschuftet hat.“ „Die Idee von Gonzalo war nicht schlecht,“ erzählte Antonio weiter. „Ich hätte mein Geld auch gleich versoffen. Wenn man mit dem gottverfluchten Tequila erst einmal anfängt, hört man nicht eher auf, bis der letzte Centavos verwichst ist. Das geht dann durch, besoffen, nüchtern-besoffen, nüchtern-besoffen immerfort bis alles hin ist. Und was man nicht selber durch die Gurgel rasselt, da helfen dann die Mitsäufer, und der Wirt beschwindelt einen ums Dreifache, und der schäbige Rest wird einem aus der Tasche gestohlen. Das kennen Sie doch, Gale?“ Und ob ich das kannte! Ob ich den Tequila kannte, der einem die Kehle zerreißt, daß man sich nach jedem Glas schütteln muß und schnell ein paar eingemachte Bohnen, die einem der kluge Wirt mit einem spitzen Hölzchen zum Aufspießen hinstellt, hinterher schlucken muß, um den Petroleumgeschmack los zu werden. Aber man trinkt in einem fort wie besessen, als ob man behext wäre oder als ob dieser Rachenzerreißer ein Zaubertrank wäre, den man aus irgendeinem mysteriösen Grunde durch die Kehle jagen muß, ohne ihn mit der Zunge zu betasten. Und wenn man dann endlich glaubt, genug zu haben, hat man weder Hirn, noch Körper, noch Blut. Man hört auf zu existieren. Das Daseinsbewußtsein verlöscht vollständig. Alles ist fortgewischt. Sorgen, Leid, Aerger, Zorn. Uebrig bleibt nur das absolute Nichts. Welt und Ich sind verweht. Nicht einmal Nebel bleibt.“ Antonio brütete eine Weile vor sich hin wie in der Erinnerung suchend. Dann fuhr er in seiner Erzählung fort: „Wir hatten keine Karten und keine Würfel. Wir zogen Hölzchen. Aber der gesetzte Peso ging immer hin und zurück. Es wurden nie mehr als fünf Pesos, die aus der einen Tasche zur anderen gingen. Sam spielte auch mit, und auch sein Geld wechselte nicht von Haus zu Haus. Es war nun schon ziemlich spät in der Nacht geworden. Vielleicht zehn oder elf Uhr. Da wurde Gonzalo wütend und fluchte wie ein Wilder, jetzt habe er genug von diesem Kinderspiel, jetzt wolle er endlich wissen, woran er morgen früh sei. „Ja, weißt du denn einen anderen Vorschlag?“ sagte ich zu ihm. „Nein!“ erwiderte er, „das ist es ja gerade, was mich so wütend macht. Wir albern hier herum wie die kleinen Kinder, ohne zu einem Ende zu kommen. Immer hin und her. Es ist zum verrückt werden!“ Dann als er eine Weile beim Feuer gehockt hatte, in die Glut starrend, sich eine Zigarette nach der anderen drehend und jede kaum angeraucht ins Feuer warf, sagte er plötzlich aufspringend: „Jetzt weiß ich, was wir tun. Wir machen ein Azteken-Duell um die ganze Summe.“ „Ein Azteken-Duell?“ fragte ich. „Was ist denn das?“ Gonzalo war aztekischer Abstammung. Er war aus Huehuetoca, und seine Vorfahren waren einst Caciques gewesen. Das ist so etwas wie Heerführer und Statthalter. Die Erinnerung an solche Adelsfamilien wird auf dem Lande durch Tradition festgehalten, so gut festgehalten, daß sehr selten ein Irrtum unterläuft. „Ja, weißt du denn das nicht, was das ist, ein Azteken-Duell?“ sagte Gonzalo erstaunt. „Nein,“ gab ich zur Antwort, „wie sollte ich denn? Wir sind doch spanischer Abkunft, wenn wir auch schon mehr als zweihundert Jahre hier sind, Vaters und Mutters Seite. Aber von einem Azteken-Duell habe ich nie gehört.“ „Aber das ist ganz einfach,“ sagte Gonzalo. „Wir nehmen zwei junge, gerade gewachsene Bäumchen, binden oben unsere Messer fest daran und werfen sie dann gegenseitig auf einander los, bis der eine aus Ermattung nachgeben muß. Einer von beiden muß ja zuerst ermüden. Und wer stehen bleibt, hat gewonnen, der kriegt dann das ganze Geld. Dann kommen wir doch wenigstens zu einem Ende.“ Ich überlegte mir das eine Weile, denn es schien mir eine ganz verrückte Idee zu sein. „Du hast doch nicht Angst, Spanier!“ lachte Gonzalo. Und weil in seinen Worten so ein merkwürdiger Ton von Verhöhnung lag, brauste ich auf: „Angst vor dir? Vor einem Indianer? Ein Spanier hat nie Angst! Das will ich dir gleich beweisen. Los zum Azteken-Duell!“ 18. Wir nahmen ein flammendes Holzscheit vom Feuer und krochen im Busch herum, bis wir zwei passende Stämmchen gefunden hatten. Sam wurde beauftragt, genügend Holz heranzuschleppen, damit wir ein tüchtig Feuer bekämen, um im Kampfe auch Ziellicht zu haben. Wir befreiten die Stämmchen von den Aesten und banden oben unsere aufgeklappten spitzen Taschenmesser fest an. „Selbstverständlich lassen wir nicht die ganze Messerklinge überstehen,“ sagte Gonzalo. „Denn wir wollen uns ja nicht ermorden. Es ist ja nur um das Spiel. Das Messer braucht nicht weiter überstehen, als der halbe kleine Finger. So, das ist gut!“ fügte er hinzu, meinen Speer betrachtend. „Jetzt binden wir unten noch ein Stück Holz an, um dem Speer ein richtiges Schaftgewicht zu geben, damit er nicht flattert.“ Dann umwickelten wir unseren linken Arm mit Gras und einem Sack, um ein Abwehrschild zu haben. „Denn,“ erklärte Gonzalo, „der Schild ist wichtig. Das ist ja eben gerade das Vergnügen, aufzufangen und abzuwehren.“ Als wir mit allem fertig waren, sagte Sam: „Ja und ich? Soll ich vielleicht nur zugucken? Ich will auch mitspielen.“ Der Chino hatte recht. Für seine Mühewaltung als Verwahrer der Spielsumme und als Zeuge mußte er seinen Lohn haben. Sie wissen ja, Gale, was für Spielratten die Chinos sind. Die würden die Frachtkosten für ihren Leichnam verspielen, wenn ihnen das nicht gegen alle Moral ginge. „Ho!“ sagte Gonzalo zu Sam, „Du kannst ja auf einen von uns wetten.“ „Fein,“ erwiderte Sam, „dann wette ich auf dich, Gonzalo. Fünf Pesos. Wenn du gewinnst, bekomme ich von dir fünf Pesos und wenn du verlierst, kliegst du von mir fünf Pesos. Du hast ja kein Intelesse zu verlielen, weil du dann deine zwanzig Pesos los würdest.“ Wir deponierten jeder unsere zwanzig Pesos, die Sam vor sich auf einen Stein legte und dann legte er selbst seine fünf Pesos Wetteinsatz hinzu. Sam schritt fünfundzwanzig Schritte ab und wir legten jeder ein langes Stück Holz an die Marken, die keiner der Kämpfer überschreiten durfte, wenn er nicht sofort fünf Pesos an den anderen verlieren wollte. Dann warfen wir die Speere aufeinander los. Zum Rückwerfen benutzte jeder den Speer des anderen. Bei dem flackernden, ab und zu qualmenden Feuer konnte ich Gonzalo nur in Umrissen sehen und den Speer, wenn er auf einen zugeflogen kam, konnte man beinahe gar nicht sehen, denn rund herum war ja stockdunkle Nacht. Gleich beim zweiten Gang bekam ich einen Stich in die rechte Schulter. Sie können hier die Wunde noch sehen, Gale. Dabei zog er sein Hemd von der Schulter und ich sah den Stich noch unvernarbt. Nach und nach kamen wir in Bewegung oder eigentlich in Aufregung. Ich bekam nach einigen weiteren Gängen noch einen Stich, der mir durch die Hose ins Bein ging. Aber ich konnte ganz gut aushalten. Wie lange wir warfen, weiß ich nicht. Aber weil keiner nachgeben wollte, wurde das Tempo immer rascher. Es kam so mittlerweile ein gutes Stück Wildheit in die Sache und jemand, der uns jetzt beobachtet hätte, würde niemals geglaubt haben, daß es nur ein Spiel sei. Vielleicht warfen wir eine Viertelstunde, vielleicht eine halbe. Ich weiß es nicht. Ich wußte auch nicht, ob ich Gonzalo überhaupt schon einmal ernsthaft getroffen hatte oder nicht. Aber ich fing dann doch an, müde zu werden. Der Speer wurde mir bald so schwer als ob er zwanzig Kilo wiege und das Werfen wurde langsamer bei mir. Ich konnte mich bald kaum noch bücken, um den Speer aufzuheben und einmal wäre ich beim Niederbücken beinahe zusammengesunken. Aber ich hatte doch das Gefühl, ich darf nicht niedersinken, sonst kann ich bestimmt nicht mehr aufstehen. Gonzalo konnte ich nicht mehr sehen. Ich konnte überhaupt nichts mehr sehen. Ich warf den Speer immer nur in der Richtung, in der ich ihn bisher geworfen hatte und wo Gonzalo stehen mußte. Es wurde mir ganz gleichgültig, ob ich ihn traf oder nicht. Ich wollte nur nicht zuerst aufhören. Und weil von drüben immer wieder der Speer kam, warf ich ihn eben immer wieder zurück. Plötzlich, als das Feuer einmal hell aufflammte, sah ich, daß Gonzalo sich umdrehte, um den Speer zu suchen, der offenbar weit an ihm vorbei geflogen war. Er ging ein paar Schritte zurück, fand den Speer, hob ihn auf und als er sich mir zuwandte, um ihn zu werfen, sank er auf einmal so heftig in die Knie, als habe ihn jemand mit großer Wucht niedergeschlagen. Ich warf meinen Speer, den ich in der Hand hatte, nicht, weil ich froh war, ihn zu stellen und mich darauf zu stützen, sonst wäre ich umgefallen. Wenn Gonzalo jetzt aufgestanden wäre und geworfen hätte, ich hätte meinen Arm nicht mehr heben können, um zu erwidern. Aber Gonzalo blieb in die Knie gesunken. Sam lief hin zu ihm und rief dann: „Jetzt habe ich meine fünf Pesos verlolen. Antonio, Sie haben gewonnen. Gonzalo gibt auf.“ Ich schleppte mich zu einer Kiste am Feuer, hatte aber nicht mehr die Kraft, mich drauf zu setzen. Ich sank neben der Kiste auf den Boden. Sam führte Gonzalo schleifend zum Feuer und gab ihm Wasser, das er gierig hinuntergoß. Ich sah jetzt, daß seine nackte Brust blutig war. Aber ich hatte für nichts mehr Interesse. Mir fiel der Kopf schläfrig auf die Brust und als ich gleichgültig die Augen aufschlug, bemerkte ich, daß mein Hemd und meine Brust ebenso voll Blut waren, wie die Gonzalos. Aber ich legte keinen Wert darauf. Es war mir alles egal. Sam brachte mir die vierzig Pesos und schob sie mir in die Hosentasche. Ich hatte das Empfinden, als ob das alles irgendwo in ganz weiter Ferne geschähe. Wie durch einen Schleier sah ich, daß Sam dem Gonzalo die fünf Pesos ebenfalls in die Tasche steckte. So hockten wir wohl eine halbe oder eine ganze Stunde. Das Feuer wurde kleiner und kleiner. Da sagte Sam: „Jetzt lege ich mich schlafen.“ Und ich wiederholte diese Worte, als wären sie meine eigenen gewesen: „Ja, jetzt lege ich mich schlafen.“ Ich sah, wie sich auch Gonzalo erhob und ebenso schwankend und sich festkrallend wie ich die Leiter zum Hause raufkletterte. Und als ich mich dort hingeworfen hatte und eben eindämmerte, hörte ich, wie Gonzalo sagte: „Wenn ihr morgen zeitig geht und ich bin noch nicht auf, braucht ihr mich nicht wecken. Ich will lange durchschlafen, ich bin furchtbar müde. Ich fahre ja doch nicht mit euch, ich habe ja kein Fahrgeld.“ Lange vor Sonnenaufgang stieß mich Sam an. Es war Zeit. Um acht Uhr abends mußten wir auf der Station sein, sonst verloren wir zwei Tage. Es war noch stockfinster. Ich konnte nichts in der Hütte sehen. Sah auch Gonzalo nicht, der noch fest in seiner Ecke schlief. Wir weckten ihn nicht, sondern ließen ihn ruhig weiterschlafen. Wir packten rasch unsere Bündel zusammen und als gerade der Tag zu grauen anfing, gingen wir. Ein paar Schritte weiter trafen wir den Indianer, der die Hühner kaufen wollte. – Ja, sehen Sie, Gale, das ist die Geschichte, die wahre Geschichte.“ „Ihr hättet Gonzalo an diesem Morgen auch gar nicht wach gekriegt,“ sagte ich. „Warum denn nicht?“ fragte Antonio, die Wahrheit schon halb ahnend. „Weil er bereits tot war!“ – „Aber das ist die Wahrheit, Gale. Wir können noch gleich jetzt zu Sam gehen, der weiß es auch.“ „Ist nicht nötig Antonio. Lassen Sie nur sein. Ich glaube es. Es ist die Wahrheit!“ 19. Die Musik im Park hatte angefangen zu spielen. Die Ouverture zu Cavalleria rusticana. Da kam das wehmütige Motiv des Intermezzos. Klagend und weinend schwebten die Töne über den Plaza. Sie schlangen sich trauernd um die königlichen Palmen. Ich schloß die Augen, um die starren elektrischen Lampen nicht sehen zu müssen. Aber ich sah Gonzalo auf dem Boden liegen. Vertrocknet. Ausgelöscht aus den Lebenden und Hoffenden. Seine Hand mit einem Knäuel roher schwarz verfärbter Baumwolle auf die Brust gepreßt. Die Baumwolle! – Antonio hatte mich offenbar eine Zeitlang schon angesehen, ohne daß ich es bemerkte. „Warum weinen Sie denn, Gale?“ sagte er da. „Halten Sie’s Maul!“ rief ich wütend. „Ich glaube Sie sehen Gespenster. Bilden Sie sich doch keine Dummheiten ein.“ Er schwieg. „Ach, diese verfluchte Begräbnismusik!“ sagte ich ärgerlich. „Sollen lieber spielen „Der Graf von Luxemburg“. Es ist ja alles so lustig! Das ganze Leben ist so lustig! Begräbnismusik für die Toten! Für die Lebenden schmetternde Fanfaren! Kommen Sie. Antonio! Es ist Zeit. Wir müssen uns eilen zur Bäckerei. Seien Sie pünktlich! hat der Meister gesagt.“ Anmerkungen zur Transkription Diese Erstveröffentlichung der „Baumwollpflücker“ wurde vom 21. Juni bis zum 16. Juli 1925 im „Vorwärts“, Berlin, in 22 Folgen gedruckt: 1. 21. Juni, S. 5 2. 23. Juni, S. 5 3. 24. Juni, S. 5 4. 25. Juni, S. 5 5. 26. Juni, S. 5 6. 27. Juni, S. 5 7. 28. Juni, S. 5 8. 30. Juni, S. 5 9. 1. Juli, S. 5 10. 2. Juli, S. 5 11. 3. Juli, S. 5 12. 4. Juli, S. 5 13. 5. Juli, S. 5 14. 7. Juli, S. 5 15. 8. Juli, S. 5 16. 9. Juli, S. 5 17. 10. Juli, S. 5 18. 11. Juli, S. 5 19. 12. Juli, S. 5 20. 14. Juli, S. 5 21. 15. Juli, S. 6 22. 16. Juli, S. 5 Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere Änderungen, teilweise unter Zuhilfename der Buchausgabe von 1926, sind hier aufgeführt (vorher/nachher): [Folge 1]: ... anfangen können. Wir fühlten uns alle drei so wohl wie drei ... ... anfangen können. Wir fühlten uns alle vier so wohl wie vier ... [Folge 3]: ... gehörte, stahl. Wir nehmen ihm den Raub wieder ab, bevor ... ... gehörte, stahl. Wir nahmen ihm den Raub wieder ab, bevor ... [Folge 3]: ... daß wir auch nicht glauben, daß ein amerikanisches Kanonenboot ... ... daß wir auch nicht glaubten, daß ein amerikanisches Kanonenboot ... [Folge 4]: ... Schlafpelz spannte. Dann wickelte er sich in ein großes Handtuch ... ... Schlafplatz spannte. Dann wickelte er sich in ein großes Handtuch ... [Folge 5]: ... immer gleich gepackt voll. Aber nun Sie! Ist kann Sie weder ... ... immer gleich gepackt voll. Aber nun Sie! Ich kann Sie weder ... [Folge 6]: ... leistet, den ein König, ein Milliardär oder ein einfacher Landmann ... ... leistet, die ein König, ein Milliardär oder ein einfacher Landmann ... [Folge 7]: ... wir es überhaupt jemals fertig gebracht haben, ohne Eier ... ... wir es überhaupt jemals fertig gebracht hatten, ohne Eier ... [Folge 11]: ... „Mag sein, davon verstehe ich nichts,“ wandte Mr. Gale ... ... „Mag sein, davon verstehe ich nichts,“ wandte Mr. Shine ... [Folge 12]: ... Darin ist man hier gewöhnt. ... ... Daran ist man hier gewöhnt. ... [Folge 12]: ... nicht verlassen brauchte; den er war ein beliebter und lustiger ... ... nicht verlassen brauchte; denn er war ein beliebter und lustiger ... [Folge 18]: ... Mund und spuckte das Wasser auf den Fußboden. ... ... Mund und Zähne und spuckte das Wasser auf den Fußboden. ... *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE BAUMWOLLPFLÜCKER *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. 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Except for the limited right of replacement or refund set forth in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. 1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement shall not void the remaining provisions. 1.F.6. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate. While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. 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